Allgemeinmedizin im Wandel der Zeit - maderallgemeinmedizin.de
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Die Medizinstu<strong>de</strong>nten haben bis zu <strong>de</strong>n hohen Semestern hinauf keine o<strong><strong>de</strong>r</strong> nur mangelhafte<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> klischeeartige Vorstellungen von <strong><strong>de</strong>r</strong> Tätigkeit <strong>de</strong>s Hausarztes und seinem Versorgungsspektrum.<br />
Das hängt <strong>im</strong> Wesentlichen damit zusammen, dass die Studieren<strong>de</strong>n an allen untersuchten<br />
Hochschulen mit diesem Teil <strong><strong>de</strong>r</strong> Medizin bislang eher wenig o<strong><strong>de</strong>r</strong> gar nicht konfrontiert<br />
wor<strong>de</strong>n sind. Umso erstaunlicher ist es, dass in <strong>de</strong>n höheren Semestern dann trotz<strong>de</strong>m<br />
noch ein teilweise positiver Kontakt zur <strong>Allgemeinmedizin</strong> herzustellen ist. Dies gelingt offenbar<br />
in erster Linie über die praktischen Erfahrungen <strong>im</strong> Rahmen von Famulaturen und/o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Praktika <strong>im</strong> klinischen Studienabschnitt.<br />
Vor diesem Hintergrund ist es bedauerlich, dass allgemeinärztliche Inhalte nicht <strong>im</strong>mer frühzeitig<br />
– also bereits in <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorklinik o<strong><strong>de</strong>r</strong> zu Beginn <strong>de</strong>s klinischen Studiums – aufgegriffen,<br />
genutzt, ergänzt, unterstützt und geför<strong><strong>de</strong>r</strong>t wer<strong>de</strong>n. Statt<strong>de</strong>ssen wer<strong>de</strong>n sozusagen erst die<br />
Spezialisierungen verfolgt, um dann kurz vor Abschluss <strong>de</strong>s Studiums, wenn die bisherige<br />
Medizinsozialisation das spezialisierte Denken verinnerlicht hat, die <strong>Allgemeinmedizin</strong> einzuführen<br />
(3).<br />
Die Krise <strong>de</strong>s Gesundheitssystems<br />
An <strong>de</strong>n 36 <strong>de</strong>utschen medizinischen Fakultäten war bis zum Jahr 2003 die <strong>Allgemeinmedizin</strong><br />
als Fach teilweise eher marginal <strong>im</strong> Hörsaal vertreten. Eine komplett geän<strong><strong>de</strong>r</strong>te Approbationsordnung<br />
verhalf damals <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Allgemeinmedizin</strong> zum inneruniversitären Durchbruch. Freilich<br />
entsprang das weniger einer tiefen Zuneigung <strong><strong>de</strong>r</strong> Politiker für unser Fach o<strong><strong>de</strong>r</strong> gar aka<strong>de</strong>mischer<br />
Wertschätzung von Fakultäten und Wissenschaftsrat als vielmehr <strong><strong>de</strong>r</strong> schmerzhaften<br />
Einsicht, dass unser gesamtes hoch spezialisiertes Gesundheitssystem in einer tiefen Krise<br />
steckt. Es ist einfach unbezahlbar gewor<strong>de</strong>n. Ärzte sind mittlerweile Allokations-Jongleure<br />
gewor<strong>de</strong>n: Sie sind gezwungen, bei <strong>de</strong>m einen Patienten zu sparen, um bei einem an<strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />
Kranken die notwendigen Leistungen erbringen zu können. Begriffe wie „Priorisierung“ o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
gar „Rationierung“ machen die Run<strong>de</strong>. Nur vor diesem Hintergrund sind die neuen Einsichten<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Politik zu erklären (ich zitiere aus einem Pressetext <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>srates):<br />
„Das Spektrum <strong><strong>de</strong>r</strong> Krankheiten wan<strong>de</strong>lt sich. Chronische Krankheiten nehmen zu. Deshalb<br />
braucht die Medizin nicht nur <strong>de</strong>n hochspezialisierten Facharzt, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch <strong>de</strong>n gut ausgebil<strong>de</strong>ten<br />
Generalisten, <strong><strong>de</strong>r</strong> Kooperation und Kommunikation in <strong><strong>de</strong>r</strong> Medizin gewährleistet<br />
…“ (46).<br />
<strong>Allgemeinmedizin</strong> als obligates Ausbildungs- und Prüfungsfach<br />
Die <strong>Allgemeinmedizin</strong> wur<strong>de</strong> daher <strong>im</strong> Jahr 2004 an <strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Universitäten als 20.<br />
Hauptfach in <strong>de</strong>n traditionellen Fächerkanon <strong><strong>de</strong>r</strong> Ausbildung zum Arzt eingeführt. Damit war<br />
das Fachgebiet <strong>Allgemeinmedizin</strong> auch obligates Prüfungsfach <strong>im</strong> letzten Teil <strong>de</strong>s Staatsexamens,<br />
von <strong>de</strong>n Stu<strong>de</strong>nten auch als Hammerexamen bezeichnet. Im Staatsexamenszeugnis<br />
fin<strong>de</strong>n sich jetzt sogar zwei Noten: Die eine für das Fach <strong>Allgemeinmedizin</strong>, die an<strong><strong>de</strong>r</strong>e für<br />
das Praktikum in diesem Fach.<br />
Wolf-Ingo Steu<strong>de</strong>l hatte in seiner Dissertation ermittelt, dass die Innovationszeit für die Einführung<br />
neuer Prüfungsfächer in <strong><strong>de</strong>r</strong> Medizin <strong>im</strong> Durchschnitt 49 Jahre beträgt. Auch wenn<br />
die Arbeit aus <strong>de</strong>m Jahr 1971 stammt, so sind ihre Ergebnisse auch heute noch hoch aktuell<br />
(47). Neben <strong>de</strong>m obligaten Staatsexamen in <strong>Allgemeinmedizin</strong> besteht in Deutschland ein<br />
fakultatives Lehr- und Ausbildungsangebot in Einführungsvorlesungen für Erstsemester,<br />
Frank H. Ma<strong><strong>de</strong>r</strong>: <strong>Allgemeinmedizin</strong> <strong>im</strong> <strong>Wan<strong>de</strong>l</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Zeit</strong><br />
40. Kongress für <strong>Allgemeinmedizin</strong>, Graz, 26.11.2009<br />
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