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Winterschläfer - Photographer Anne Ackermann

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Es klingelt im Rezeptionszimmer. Kurzer Kontrollblick<br />

auf den Monitor. Kerstin Haßforther, Mitarbeiterin des<br />

Trägers der Einrichtung, erkennt die meisten ihrer<br />

Übernachter schon von weitem. Der jetzt mit seiner<br />

Plastiktüte in der Hand angewankt kommt, ist neu.<br />

Tuberkulose-Schein, Abmeldung vom Wohnsitz, Aufenthaltsgenehmigung<br />

- die jeweiligen Papiere werden<br />

genau geprüft. Wer zu betrunken ist oder randaliert,<br />

fliegt raus. Alkohol muss an der Rezeption abgegeben<br />

werden, er darf nur vor dem Haus konsumiert werden.<br />

„ Um 19 Uhr gibt es Essen, Rauchen nur im Fernsehzimmer,<br />

86, das ist ihre Bettnummer. Wollen sie Shampoo<br />

und ein Handtuch? Keinen Alkohol hab ich gesagt!“<br />

Kerstin Haßforther nimmt erstmal die Plastiktüte des<br />

Mannes entgegen und stellt sie zu den anderen in die<br />

Verwahrung. Die aneinanderschlagenden Bäuche der<br />

Bierflaschen erzeugen eine klirrendes Geräusch. Der<br />

Mann aus Polen nimmt sein Handtuch und macht sich<br />

auf zu dem Vierbett- Zimmer, in dem er untergebracht<br />

wurde. Seine Fahne hängt noch einen Moment in der<br />

Luft. Auf einem der Betten liegt ein Wecker, wie ihn<br />

Kinder haben, knallrot und mit einem Donald Duck auf<br />

dem Ziffernblatt. Der Besitzer ist für heute noch nicht<br />

wieder zurückgekehrt, doch hat er seinen Wecker da<br />

Bild: Papierflieger auf Höhenflug im<br />

Fernsehzimmer. //<br />

gelassen, damit etwas auf ihn wartet. Diese Demonstration<br />

von Besitz und beruhigenden Wiederholungen in<br />

einer Alltagsstruktur, in der nichts von Dauer ist, rührt.<br />

Morgen früh um 9 Uhr müssen alle das Haus verlassen<br />

haben. Der lange Korridor ist gut beheizt und mit Neonröhren<br />

hell erleuchtet. Ca. acht rote Türen auf jeder<br />

Seite führen in einfache 4- Bett Zimmer. Öffnet man<br />

am anderen Ende des Ganges die Tür zum Fernseh-

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