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a u s D e M i N H a l t JaNuar/februar - PSIC

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a u s D e M i N H a l t<br />

Aufsätze:<br />

Mess- und Bewertungsinstrumente zur Feststellung<br />

des Gefährdungspotenzials von Glücksspielprodukten<br />

Von dem Wissenschaftlichen Forum > Seite 1<br />

Die Gesetzgebungszuständigkeit der Länder für das<br />

Spielhallenwesen - Kompetenzielle und materielle<br />

Fragen des neuen Art. 74 I Nr. 11 GG<br />

Von Prof. Dr. Johannes Dietlein, Düsseldorf > Seite 12<br />

Die Erlaubnispflichtigkeit von Glücksspielen<br />

nach dem neuen Staatsvertrag<br />

Von Christina Brugger, Konstanz > Seite 20<br />

Dokumente:<br />

Aufforderungsschreiben der EU-Kommission<br />

vom 31.01.2008 im Vertragsverletzungsverfahren<br />

Nr. 2007/4866 > Seite 32<br />

Rechtsprechung:<br />

Bundesverfassungsgericht<br />

Beschluss vom 27.12.2007 – 1 BvR 3082/06 – > Seite 42<br />

Bundesverfassungsgericht<br />

Beschluss vom 21.01.2008 – 1 BvR 2320/00 – > Seite 44<br />

Oberverwaltungsgericht Niedersachsen<br />

Beschluss vom 10.01.2008 – 11 ME 479/07 – > Seite 48<br />

Verwaltungsgericht Schleswig-Holstein<br />

Vorlagebeschluss vom 30.01.2008 – 12 A 102/06 – > Seite 69<br />

01.08<br />

<strong>JaNuar</strong>/<strong>februar</strong><br />

H e r a u s g e b e r<br />

> Prof. Dr. Jörg Ennuschat, Konstanz<br />

> RA Dr. Manfred Hecker, Köln<br />

> Prof. Dr. Wolfgang Schild, Bielefeld<br />

s c H r i f t l e i t e r<br />

> RA Matthias Steegmann, Köln<br />

71732


Haben Sie uns schon angeklickt?<br />

Unter www.zfwg.de fi nden Sie aktuelle Informationen rund um die nächsten Ausgaben der ZfWG.<br />

Damit Sie auch zwischendurch nichts verpassen, hinterlegen wir für Sie aktuelle Urteile und<br />

Beschlüsse der Gerichte sowie andere nützlichen Informationen rund um das Thema Wett- und<br />

Glücksspielrecht.<br />

Folgende Entscheidungen können Sie<br />

im Volltext auf www.zfwg.de runterladen.<br />

Verwaltungsgericht Düsseldorf<br />

Urteil vom 09.10.2007 – 3 K 4545/05 –<br />

Verwaltungsgericht Oldenburg<br />

Beschluss vom 07.12.2007 – 12 B 2908/07 –<br />

Landgericht Frankfurt<br />

Urteil vom 10.12.2007 – 3-11 O 149/07 –<br />

Bayerischer<br />

Verwaltungsgerichtshof<br />

Beschluss vom 07.05.2007 – 24 CS 10/07<br />

Oberlandesgericht Celle<br />

Urteil vom 01.02.2007 – 13 U 196/06<br />

Oberverwaltungsgericht<br />

Niedersachsen<br />

Beschluss vom 02.05.2007 – 11 ME 106/07 –<br />

Verwaltungsgericht Karlsruhe<br />

Urteil vom 17.12.2007 – 3 K 2901/06 –<br />

Oberverwaltungsgericht<br />

Thüringen<br />

Beschluss vom 19.12.2007 – 5 E 1523/06 –<br />

www.zfwg.de<br />

www.zfwg.de<br />

Eine Seite die Sie sich<br />

ansehen sollten!


Die lange Reise zur Klärung der EU-Rechtslage …<br />

„Der Weg ist das Ziel“ hat einst und sicher nicht mit Blick auf das Glücksspiel schon der chinesische Philosoph Konfuzius als<br />

Lebensmotto postuliert. Anscheinend ebenfalls nach dieser Philosophie, offerieren zahlreiche Anbieter privater Glücksspiele weiterhin<br />

in Deutschland – trotz der neuen Rechtslage nach Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrages und angesichts einer heillos<br />

umstrittenen Rechtslage – das gesamte Repertoire, insbesondere in Form von „Online-Wetten“. Die staatlichen Anbieter haben sich<br />

derweil überwiegend aus dem Internetvertrieb zurückgezogen und schränken ihr Wettangebot ein, um die Maßgabenanordnung des<br />

Bundesverfassungsgerichts zu befolgen.<br />

Gleichzeitig mehren sich die verwaltungsgerichtlichen Beschlüsse über Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH, bei denen kaum<br />

ein Regelungsgehalt des Glücksspielstaatsvertrages unangetastet bleibt. So hat am 30.01.2008 das Verwaltungsgericht Schleswig in<br />

seinem Vorlagebeschluss, den Sie natürlich in diesem Heft nachlesen können, insbesondere die Kohärenz und Konsistenz der neuen<br />

Rechtslage thematisiert.<br />

Auch die Europäische Kommission hat sich in einem erneuten Vertragsverletzungsverfahren mit der Bitte um Stellungnahme zu<br />

konkreten den Glücksspielstaatsvertrag betreffenden Fragen an die Bundesregierung gewandt. Auch dieses „Aufforderungsschreiben<br />

der Kommission“ haben wir für Sie abgedruckt. Überdies können Sie in einem Aufsatz u.a. nachlesen, welche Auswirkungen solche<br />

Verfahren auf die aktuelle Rechtslage haben.<br />

Aufgrund des zunehmend thematisierten Gefährdungspotentials der verschiedenen Glücksspielsektoren, mehren sich Stimmen,<br />

die eine Beschränkung aller Bereiche fordern. Das Bundesverfassungsgericht hatte sich bekanntermaßen nur zu den Sportwetten<br />

geäußert und für diese eine gewisse Konsistenz gefordert. Von Suchtexperten und Ökonomen wurde durch Umfragen und sonstige<br />

Forschungsprojekte festgestellt, dass sich in einem „Ranking“ der Glücksspiele das Automatenspiel regelmäßig und unangefochten<br />

an Platz 1 der Gefährdungsskala wiederfindet. Insbesondere die Sportwettenanbieter meinen daher, dass Beschränkungen ihrer<br />

Dienstleistungen unberechtigt seien, solange nicht hier zunächst entsprechende gesetzgeberische Restriktionen umgesetzt werden.<br />

In der vorliegenden Ausgabe der ZfWG erläutert das „Wissenschaftliche Forum Glücksspiel“, das aus einer Reihe namhafter<br />

Wissenschaftler besteht, die Frage, wie das unterschiedliche Gefährdungspotential von Glücksspielprodukten gemessen und festgestellt<br />

werden kann. Die Mitglieder des interdisziplinär besetzten Forums haben hierfür Mess- und Bewertungsinstrumente entwikkelt,<br />

mit welchen sie veranschaulichen, dass Merkmale eines mehr oder minder großen Gefährdungspotentials nicht nur anhand<br />

von empirischen Untersuchungen gut identifizierbar sind.<br />

Ein nächster Beitrag unserer aktuellen Ausgabe beschäftigt sich mit der Betrachtung der den Bundesländern neu zugewiesenen<br />

Regelungskompetenz des „Spielhallenwesens“. In dem hier abgedruckten Teil 1 befasst sich der Autor mit den kompetenziellen<br />

und materiellen Fragen des neuen Art. 74 I Nr. 11 GG. Im folgenden Heft (ZfWG 02/08) werden dann die Regelungsoptionen der<br />

Länder in materieller Hinsicht ausgelotet.<br />

Von aktueller Bedeutung ist auch die Frage der Erlaubnispflichtigkeit von Glücksspielen nach dem nun in Kraft getretenen Glücksspielstaatsvertrag.<br />

Analytisch und unter Beachtung der von Land zu Land signifikanten Abweichungen der Vorschriften wird in<br />

einem weiteren Beitrag auch dieser Thematik nachgegangen.<br />

Außerdem finden Sie – wie gewohnt – die aktuellen Entscheidungen, aufgrund derer das Glücksspielrecht derzeit so lebhaft und<br />

interessant ist.<br />

Köln, im Februar 2008<br />

RA Matthias Steegmann, Schriftleiter<br />

EditoRiAl<br />

FEBRUAR 2008_ZfWG I


I. Aufsätze<br />

1. Mess- und Bewertungsinstrumente zur Feststellung<br />

des Gefährdungspotenzials von Glücksspielprodukten<br />

Von dem Wissenschaftlichen Forum Glücksspiel 1 - 11<br />

2. Die Gesetzgebungszuständigkeit der Länder für<br />

das Spielhallenwesen - Kompetenzielle und materielle<br />

Fragen des neuen Art. 74 I Nr. 11 (Teil I)<br />

Von Prof. Dr. Johannes Dietlein, Düsseldorf 12 - 19<br />

3. Die Erlaubnispflichtigkeit von Glücksspielen nach<br />

dem neuen Staatsvertrag<br />

Von Christina Brugger, Konstanz 20 - 25<br />

4. Die aktuelle rechtliche Situation zur Umsetzung<br />

des Glücksspielstaatsvertrages<br />

Von RA Matthias Steegmann, Köln 26 - 31<br />

II. Dokumente<br />

Aufforderungsschreiben der EU-Kommission vom<br />

31.01.2008 im Vertragsverletzungsverfahren<br />

Nr. 2007/4866 32 - 42<br />

III. Rechtsprechung<br />

1. Bundesverfassungsgericht<br />

Beschluss vom 27.12.2007 – 1 BvR 3082/06 – 42 - 44<br />

2. Bundesverfassungsgericht<br />

Beschluss vom 21.01.2008 – 1 BvR 2320/00 – 44 - 46<br />

3. Oberverwaltungsgericht Sachsen<br />

Beschluss vom 08.11.2007 – 3 BS 291/06 – 46 - 47<br />

4. Oberverwaltungsgericht Niedersachsen<br />

Beschluss vom 10.01.2008 – 11 ME 479/07 – 48 - 49<br />

5. Landgericht Mönchengladbach<br />

Urteil vom 04.12.2007 – 3 O 211/07 – 49 - 52<br />

6. Landgericht Frankfurt<br />

Urteil vom 16.01.2008 – 2-06 O 605/06 – 52 - 56<br />

7. Verwaltungsgericht München<br />

Urteil vom 23.10.2007 – M 16 K 07.1149 – 56 - 59<br />

8. Verwaltungsgericht München<br />

Urteil vom 23.10.2007 – M 16 K 07.2726 – 59 - 62<br />

II ZfWG_FEBRUAR 2008<br />

Zweimonatsschrift<br />

01/2008<br />

Seiten 1 - 76, 2. Jahrgang, 7. März 2008<br />

inhAltsvERzEichnis<br />

9. Verwaltungsgericht Weimar<br />

Beschluss vom 19.10.2007 – 5 E 1520/07 – 62 - 64<br />

10. Verwaltungsgericht Chemnitz<br />

Beschluss vom 09.01.2008 – 3 K 995/07 – 64 - 68<br />

11. Verwaltungsgericht Gießen<br />

Beschluss vom 09.01.2008 – 10 G 4285/07 – 68<br />

12. Verwaltungsgericht Schleswig-Holstein<br />

Vorlagebeschluss vom 30.01.2008 – 12 A 102/06 – 69 - 74<br />

IV. Rechtsprechung Kompakt<br />

1. Verwaltungsgericht Düsseldorf<br />

Urteil vom 09.10.2007 – 3 K 4545/05 – 74<br />

2. Verwaltungsgericht Oldenburg<br />

Beschluss vom 07.12.2007 – 12 B 2908/07 – 74<br />

3. Landgericht Frankfurt<br />

Urteil vom 10.12.2007 – 3-11 O 149/07 – 74 - 75<br />

4. Verwaltungsgericht Karlsruhe<br />

Urteil vom 17.12.2007 – 3 K 2901/06 – 75<br />

5. Oberverwaltungsgericht Thüringen<br />

Beschluss vom 19.12.2007 – 5 E 1523/06 – 75<br />

6. Verwaltungsgericht Aachen<br />

Urteil vom 20.12.2007 – 8 K 110/07 – 75<br />

7. Verwaltungsgericht Stuttgart<br />

Beschluss vom 07.01.2008 – 4 K 6081/07 – 75<br />

8. Verwaltungsgericht Frankfurt a. M.<br />

Beschluss vom 09.01.2008 – 7 G 4107/07 – 75<br />

9. Oberlandesgericht Celle<br />

Urteil vom 10.01.2008 – 13 U 118/07 – 75<br />

10. Verwaltungsgericht Halle<br />

Beschluss vom 30.01.2008 – 3 B 881/07 – 76<br />

11. Verwaltungsgericht Minden<br />

Beschluss vom 30.01.2008 – 3 K 1572/06 – 76<br />

12. Verwaltungsgericht Minden<br />

Beschluss vom 22.02.2008 – 3 L 16/08 – 76


1. Ausgangssituation<br />

Der Glücksspielmarkt ist - weltweit betrachtet - einer<br />

der größten Wirtschaftszweige. Global betrachtet ist der<br />

Glücksspielmarkt im Umbruch. Vor allem in Asien und<br />

Osteuropa sind die Märkte noch weitgehend ungesättigt,<br />

so dass hohe Wachstumsraten erwartet werden. Zu beobachten<br />

ist zudem eine Innovationsfreude der Anbieter von<br />

Glücksspielen, die zu einer Ausdifferenzierung des Angebots<br />

führt. Insbesondere das Internet verlockt viele Anbieter zu<br />

neuen Angeboten von Online – Glücksspielen. Fachleute<br />

erwarten ein rasantes Wachstum der Einnahmen aus Online-<br />

Glücksspielen. In vielen Ländern trifft diese Dynamik<br />

des Glücksspielmarktes auf eine Tendenz zur staatlichen<br />

Deregulierung von Glücksspielen.<br />

Der Markt für Glücksspiel ist auch in Deutschland ein bedeutender<br />

Markt. Der Umsatz auf dem deutschen Markt für<br />

Glücksspiele und Wetten, vor Ausschüttung der Gewinne,<br />

dürfte 2006 etwas über 31 Mrd. Euro betragen haben. Dies<br />

entspricht fast dem Umsatz auf dem Markt für Agrarprodukte,<br />

der bei 39 Mrd. Euro liegt. Die Einnahmen des Staates aus<br />

dem Glücksspiel liegen bei über 4 Mrd. Euro. 1<br />

In Deutschland ist zum 1. Januar 2008 der neue Staatsvertrag<br />

zum Glücksspielwesen in Kraft getreten. Er beschränkt<br />

sich nicht auf die vom Bundesverfassungsgericht geforderte<br />

Neuregelung der Sportwetten, sondern erfasst auch Lotterien<br />

und Spielbanken. Der Vertrag sieht nun eine generelle<br />

Suchtprävention für das Staatsmonopol vor. Für staatliche<br />

Anbieter geht mit der Neuregelung ein stark erweitertes<br />

Werbeverbot einher. Auf Fernseh- und Internetwerbung müssen<br />

sie zukünftig ganz verzichten, nur die Soziallotterien dürfen<br />

weiterhin im Fernsehen für ihre Angebote werben. Damit<br />

haben die Bundesländer in Reaktion auf die zunehmende<br />

Ausdifferenzierung des Angebots und den Forderungen nach<br />

Deregulierung des Glücksspielmarktes ihren ordnungsrechtlichen<br />

Auftrag zur Regulierung des Glücksspielmarktes bekräftigt.<br />

* Die Mitglieder des Forums in alphabetischer Reihenfolge sind: Prof. Dr. Tilman<br />

Becker, Universität Hohenheim; Prof. Dr. Manfred E. Beutel, Universität Mainz;<br />

Prof. Dr. Reiner Clement, FH Bonn-Rhein-Sieg; Prof. Dr. Jörg Ennuschat, Universität<br />

Konstanz; Prof. Dr. Sabine Grüsser-Sinopoli, Universität Mainz (verstorben);<br />

Prof. Jörg Häfeli, Hochschule Luzern - Soziale Arbeit; Prof. Dr. Gerhard<br />

Meyer, Universität Bremen; Chantal Mörsen, Dipl.-Psychologin, Universität<br />

Mainz; Prof. Dr. Dr. Franz W. Peren, FH Bonn-Rhein-Sieg; Martin Reeckmann,<br />

selbständiger Rechtsanwalt; Prof. Dr. Wiltrud Terlau, FH Bonn-Rhein-Sieg<br />

1 Becker, T.: Der Markt für Glücksspiele und Wetten. In: Becker, T. und C. Baumann<br />

(Hrsg.) Glücksspiel im Umbruch. Schriftenreihe zur Glücksspielforschung<br />

Band 2, Frankfurt 2007<br />

i. Aufsätze<br />

Mess- und BewertungsinstruMente zur<br />

feststellung des gefährdungspotentiAls von<br />

glücksspielprodukten<br />

Von DEM WISSEnSCHAFTLICHEn FoRUM GLüCKSSPIEL*<br />

Aufsätze<br />

Betont wird die Notwendigkeit, den natürlichen Spieltrieb der<br />

Bevölkerung in geordnete und überwachte Bahnen zu lenken,<br />

insbesondere ein Ausweichen in nicht erlaubte Glücksspie-<br />

le zu verhindern. Ohne einschränkende Regelungen wäre - so<br />

die Bedenken - eine unkontrollierte Entwicklung des Spieltriebs<br />

zu befürchten, weil sich der Spieltrieb leicht für wirtschaftliche<br />

Zwecke ausnutzen lässt. Dem sei im Hinblick auf<br />

die möglichen negativen Folgen für die psychische (Spielsucht)<br />

und wirtschaftliche Situation der Spieler, aber auch wegen der<br />

gesellschaftlichen Begleiterscheinungen (Therapien, staatliche<br />

Suchtprävention, Begleit- und Beschaffungsdelikte) entgegenzuwirken.<br />

Der Vertrag verpflichtet die Länder auch, die<br />

wissenschaftliche Forschung zur Vermeidung und Abwehr<br />

von Suchtgefahren durch Glücksspiele sicherzustellen und<br />

voranzutreiben.<br />

Der Staatsvertrag zum Glücksspielwesen (GlüStV) differenziert<br />

zwischen Lotterien mit „geringem Gefährdungspotential“<br />

(§§ 12 – 18 GlüStV) und solchen mit „besonderem<br />

Gefährdungspotential“ (§ 22 GlüStV). Lotterien mit „besonderem<br />

Gefährdungspotential“ sind solche mit planmäßigen<br />

Jackpot (§ 22 Abs. 1 GlüStV) oder die häufiger als zweimal<br />

pro Woche stattfinden, also z.B. KENO oder Minuten-<br />

Lotterien wie Quicky (§ 22 Abs. 2 GlüStV). Damit greift der<br />

Staatsvertrag die Ergebnisse der Glücksspielforschung auf,<br />

nach denen das Gefährdungspotential zur Spielsucht nicht<br />

bei allen Formen des Glücksspiels (im Sinne von cash-games)<br />

gleich ausgeprägt ist. Als besonders suchtgefährdend gelten<br />

Glücksspiele, bei denen es eine rasche Spielabfolge gibt und<br />

bei denen die Rückmeldung über Gewinn oder Verlust sofort<br />

erfolgt. Dazu zählen z.B. im Casino angebotene Spiele wie<br />

Glücksspielautomaten, Roulette oder Black Jack. Derartige<br />

Spiele werden umgangssprachlich als harte Glücksspiele<br />

bezeichnet. Das Lottospiel wäre hingegen aufgrund nur weniger<br />

Ziehungen als weiches Glücksspiel einzustufen.<br />

Aus wissenschaftlicher Sicht stellt sich die nahe liegende<br />

Frage, wie dieses unterschiedliche Gefährdungspotential von<br />

Glücksspielprodukten gemessen und festgestellt werden kann.<br />

Der Gesetzgeber wird diese Frage nicht selbst beantworten<br />

können, sondern wird sie an die Fachwelt weitergeben.<br />

Inzwischen gibt es auf internationaler Ebene wissenschaftliche<br />

Arbeiten, die sich mit dem Gefährdungspotential von<br />

Glücksspielprodukten beschäftigen. Vorangetrieben werden<br />

die Arbeiten vor allem durch britische Forscher. Es ist zu<br />

erwarten, dass die demnächst vorliegenden Ergebnisse die<br />

zukünftige Rechtsprechung auf EU-Ebene und damit auch in<br />

Deutschland beeinflussen werden.<br />

FEBRUAR 2008 ZfWG 1


Aufsätze<br />

Vor diesem Hintergrund hat die Aktion Mensch ein interdisziplinär<br />

besetztes Wissenschaftliches Forum Glücksspiel initiiert,<br />

das sich auf nationaler Ebene mit der Feststellung des<br />

Gefährdungspotentials von Glücksspielprodukten beschäftigen<br />

soll. 2 Beteiligt sind die Disziplinen Medizin, Psychologie,<br />

Recht, Ökonomie und Sozialwissenschaften.<br />

Eine zu den internationalen Arbeiten parallele Entwicklung<br />

auf nationaler Ebene erscheint durchaus sinnvoll, da damit<br />

den Besonderheiten im deutschsprachigen Raum Rechnung<br />

getragen werden kann. Der Europäische Gerichtshof (EuGH)<br />

hat in seiner Rechtsprechung mehrfach den Mitgliedstaaten<br />

nationale Regelungsvorbehalte zugestanden unter Hinweis<br />

auf die unterschiedlichen sittlichen, religiösen oder kulturellen<br />

Besonderheiten (vgl. zuletzt EuGH, Urteil vom 06.03.2007,<br />

Rs. C 338/04 – Placanica -, Rn. 47). Es ist anzunehmen, dass<br />

derartige kulturelle Besonderheiten messbar sind.<br />

Die Notwendigkeit eines solchen Messinstruments wird<br />

auch von der Mehrzahl der Glücksspielanbieter nicht bestritten.<br />

Dies ist insofern folgerichtig, da es ja nicht um die<br />

Bewertung von Anbietern, sondern um Produkte geht. Für<br />

die Anbieter eröffnet sich die Chance, vorhandene Produkte<br />

auf ihr Gefährdungspotential hin zu überprüfen, zu modifizieren<br />

und neue, innovative Produkte auf den Markt zu<br />

bringen. Für den Verbraucher kann das Instrument – vergleichbar<br />

zu Energieeffizienzklassen z.B. von Elektrogeräten<br />

– Orientierung schaffen. Verbände, die sich mit den individuellen<br />

und gesellschaftlichen Folgen der Spielsucht beschäftigen,<br />

fordern bereits seit längerem eine größere Aufklärung<br />

zum Gefährdungspotential von Glücksspielprodukten.<br />

Die nachfolgenden Ausführungen beschreiben den grundsätzlichen<br />

Aufbau eines solchen Instruments, wie er vom<br />

Wissenschaftlichen Forum Glücksspiel der Aktion Mensch<br />

entwickelt worden ist. Es wird ausdrücklich auf den vorläufigen<br />

Charakter des Instruments verwiesen. Sowohl<br />

der Aufbau des Modells als auch die darin enthaltenen<br />

Ausprägungen müssen empirisch überprüft werden. Die<br />

entsprechenden Studien sind inzwischen angelaufen. 3<br />

Die Ergebnisse werden voraussichtlich zum Ende dieses<br />

Jahres vorliegen. Ziel ist es, ein Messinstrument zu entwikkeln,<br />

das eine objektive Einschätzung des Gefährdungspotentials<br />

der verschiedenen, in Deutschland angebotenen<br />

Glücksspielprodukte sowie neuer, geplanter Spielformen<br />

ermöglicht. Das Messinstrument kann dann sowohl politischen<br />

und juristischen Entscheidungsträgern sowie dem<br />

gemäß Glücksspielstaatsvertrag eingerichteten Fachbeirat als<br />

auch den Konsumenten bei der Entscheidungsfindung und<br />

Risikoabschätzung als Grundlage dienen.<br />

2. Kriterienkatalog<br />

In der Diskussion über das Gefährdungspotential von<br />

Glücksspielen müssen die individuelle und die gesellschaftli-<br />

2 Damit wird dem interdisziplinären Charakter der Glücksspielforschung Rech-<br />

nung getragen.<br />

3 Zur empirischen überprüfung erfolgen eine Delphi-Studie und eine Primärerhe-<br />

bung.<br />

2 ZfWG feBruAr 2008<br />

Von dem Wissenschaftlichen Forum Glücksspiel<br />

che Ebene getrennt werden. Auf der individuellen Ebene lässt<br />

sich das Gefährdungspotential eines Suchtmittels auf Grund<br />

verschiedener Indikatoren bestimmen, so z.B. indem der<br />

Anteil der süchtig gewordenen Konsumenten in Beziehung<br />

zur Gesamtgruppe der Konsumenten eines Suchtmittels<br />

gesetzt wird 4 oder indem die Latenzzeit bestimmt wird, die<br />

definiert ist als die Zeit zwischen dem Beginn eines regelmäßigen<br />

Spielverhaltens und dem Zeitpunkt, zu dem der Spieler<br />

sich um eine Behandlung bemüht hat. 5 Davon zu trennen ist<br />

das Schadenspotential eines Suchtmittels, das sich über individuelle<br />

und soziale Folgeschäden definiert. 6 Zum Beispiel ist<br />

das Gefährdungspotential von Alkohol geringer als jenes von<br />

Heroin. Das Schadenspotential des Alkoholmissbrauchs kann<br />

wesentlich höher liegen. Diese Schadenskosten der Spielsucht<br />

sind im Weiteren nicht Gegenstand der Ausführungen. Dazu<br />

wäre eine Begleitforschung wünschenswert.<br />

Eine Einschätzung des Gefährdungspotentials verschiedener<br />

Glücksspielformen ergibt sich durch die Beurteilung<br />

der strukturellen und situationalen Merkmale von<br />

Glücksspielprodukten 7 Abb. 1).<br />

In der Literatur gibt es verschiedene Kriterien, die zur<br />

Bestimmung von strukturellen und situationalen<br />

Merkmalen des Glücksspiels und damit auch abgeleitet des<br />

Gefährdungspotentials herangezogen werden können. Die<br />

Zahl der relevanten Kriterien schwankt zwischen sechs 8 bis<br />

zehn Kriterien. 9<br />

4 vgl. Kellermann, B.: Psychosoziale Aspekte der Glücksspielsucht, in: Alberti,<br />

G., Kellermann, B. (Hrsg.): Psychosoziale Aspekte der Glücksspielsucht, 51<br />

– 61, Geesthacht 1999; Kellermann, B.: Sucht: Versuch einer pragmatischen<br />

Begriffsbestimmung für Politik und Praxis, Geesthacht 2005<br />

5 vgl. Breen, R.B.: Rapid onset of Pathological Gambling in Machine Gamblers:<br />

A Replication. In: International Journal of Mental Health and Addiction Vol. 2 (1),<br />

2004, S. 44 – 49; Breen, R.B., Zimmerman, M.: Rapid onset of Pathological<br />

Gambling in Machine Gamblers. In: Journal of Gambling Studies Vol. 18(1),<br />

2002, S. 31 - 43<br />

6 vgl. Kellermann, B., 2005, a.a.0.<br />

7 vgl. Griffiths, M.: Gambling technologies: Prospects for problem gambling, in:<br />

Journal of Gambling Studies, 15, 1999, 265 – 283; Griffiths, M., Wood, R.: The<br />

psychology of lottery gambling, in: International Gambling Studies, 1, 2001, S.<br />

27 - 44<br />

8 vgl. Albers, n.: Ökonomie des Glücksspielmarktes in der Bundesrepublik<br />

Deutschland, Berlin 1993; Meyer, G., Bachmann, M.: Spielsucht. Ursachen<br />

und Therapie, 2. Auflage, Berlin 2005; Abbott, M. W.: Situational factors that<br />

affect gambling behaviour. In: G. Smith, D. C. Hodgins, R. J. Williams (Eds.)<br />

Research and Measurement Issues in Gambling Studies, Burlington, 2007,<br />

S. 251 -278; Parke, J.; Griffiths, M.: The role of structural characteristics in<br />

gambling. In: G. Smith, D. C. Hodgins, R. J. Williams (Eds.) Research and<br />

Measurement Issues in Gambling Studies. Burlington, 2007, S.218 - 249<br />

9 vgl. Hayer, T., Meyer, G.: Das Suchtpotential von Sportwetten, in: Sucht. Zeitschrift<br />

für Wissenschaft und Praxis, 49, Heft 4, 2003, S. 212 - 220


Von dem Wissenschaftlichen Forum Glücksspiel<br />

Situationale Merkmale (kontextbezogen)<br />

z.B. Verfügbarkeit, Werbung<br />

Primärwirkung auf individueller Ebene:<br />

Erleichterung des Zugangs zu<br />

Glücksspielen<br />

Abb.1: Zusammenhang zwischen Veranstaltungsmerkmalen von Glücksspielen<br />

und ihrem Gefährdungspotential 10<br />

Bei dem nachfolgendem Kriterienkatalog (Tab. 1) wurde<br />

bewusst auf eine Gruppierung bzw. Clusterung verzichtet.<br />

Kriterium<br />

1. Ereignisfrequenz<br />

2. Grad der Interaktivität<br />

3. Förderung der Kontrollüberzeugung<br />

4. Einsatz<br />

5. Gewinnstruktur<br />

6. Sozialer Kontext<br />

7. Anonymität<br />

8. Vermarktung<br />

9. Verfügbarkeit<br />

10. Jackpot<br />

Veranstaltungsmerkmale von<br />

Glücksspielen<br />

Bestimmung des<br />

Gefährdungspotentials<br />

11. Sensorische Produktgestaltung<br />

Strukturelle Merkmale (spielmediumsbezogen),<br />

z.B. Ereignisfrequenz,<br />

Gewinnstruktur<br />

Primärwirkung auf individueller Ebene:<br />

Förderung einer exzessiven<br />

Spielteilnahme<br />

12. Art des Zahlungsmittels<br />

Tab. 1: Kriterienkatalog zur Beurteilung des Gefährdungspotentials<br />

von Glücksspielprodukten<br />

Die Bildung von Gruppen bzw. die Aufstellung von kausalen<br />

Zusammenhängen zwischen einzelnen Kriterien soll<br />

und kann nur im Rahmen einer empirischen Untersuchung<br />

erfolgen. Auch eine prinzipiell mögliche Differenzierung der<br />

Kriterien z.B. nach Alter (Jugendliche/Heranwachsende und<br />

10 In Anlehnung an Meyer, G., Hayer, T.: Das Gefährdungspotenzial von Lotterien<br />

und Sportwetten – Eine Untersuchung von Spielern aus Versorgungseinrichtungen<br />

(Abschlussbericht an das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und<br />

Soziales des Landes nordrhein-Westfalen und an die Westdeutsche Lotterie<br />

GmbH & Co. KG), Bremen 2005<br />

Aufsätze<br />

Erwachsene) 11 oder Spielertypen 12 ist empirischen Studien<br />

vorbehalten. Die einzelnen Ausprägungen müssen dazu<br />

prinzipiell beobachtbar und messbar sein. Die hier gewählte<br />

Skalierung umfasst fünf Ausprägungen (Tab. 2).<br />

Ausprägung Gefährdungspotenzial<br />

0 Kein<br />

1 Gering<br />

2 Mittel<br />

3 Hoch<br />

4 Sehr hoch<br />

Tab. 2: Abstufungen des Gefährdungspotentials<br />

Die Skalierung ist in Bezug auf das Gefährdungspotential<br />

grundsätzlich aufsteigend zu verstehen. Beispiele:<br />

• Die unbeschränkte Verfügbarkeit ist hinsichtlich des<br />

Gefährdungspotentials ungünstiger zu bewerten als eine<br />

beschränkte Verfügbarkeit.<br />

• Die exzessive Werbung ist hinsichtlich des<br />

Gefährdungspotenzials ungünstiger zu bewerten als eine sehr<br />

beschränkte Werbung.<br />

• Die ständige Gewinnentscheidung ist hinsichtlich des<br />

Gefährdungspotentials ungünstiger zu bewerten als eine<br />

wöchentliche Gewinnentscheidung.<br />

Es ist nahe liegend, dass nicht alle Indikatoren hinsichtlich<br />

des Gefährdungspotentials die gleiche Bedeutung haben.<br />

Dieser Sachverhalt wird im weiteren Verlauf durch eine<br />

Gewichtung der Kriterien berücksichtigt (zur methodischen<br />

Vorgehensweise vgl. Abb. 2).<br />

Gefährdungspotential<br />

Zugang<br />

Event Definitions<br />

Situation Description<br />

Glücksspielprodukt<br />

Payment<br />

Merkmale<br />

Spielumfeld<br />

Spielstruktur<br />

Spielsituation<br />

Abb. 2: Methodische Vorgehensweise<br />

Einsatz/Gewinnelemente<br />

Höchstgewinne<br />

(Jackpot)<br />

…..<br />

Kriterien Gewichtung Skala<br />

…….<br />

Ereignisfrequenz<br />

……<br />

11 Zum Konsum von Glücksspielprodukten bei Kindern und Jugendlichen vgl.<br />

z.B. Hurrelmann, K, Schmidt, L., Kähnert, H.: Konsum von Glücksspielen<br />

bei Kindern und Jugendlichen: Verbreitung und Prävention. Ministerium für<br />

Gesundheit, Soziales, Frauen und Familie des Landes nordrhein-Westfalen,<br />

Düsseldorf 2003<br />

12 Im Mittelpunkt dürften hier vor allem pathologische Spieler stehen.<br />

Kein<br />

Sehr hoch<br />

0 …. 4<br />

feBruAr 2008 ZfWG 3


Aufsätze<br />

3. Merkmalsausprägungen<br />

Einige Merkmale lassen sich zurzeit präziser umschreiben<br />

als andere. Wo angebracht werden daher nachfolgend<br />

Beispiele für so genannte „Ankerpunkte“ zur Interpretation<br />

der Merkmalsausprägungen genannt. Die endgültigen<br />

Ausprägungen der Merkmale lassen sich erst nach empirischen<br />

Studien feststellen.<br />

Ereignisfrequenz<br />

Die Ereignisfrequenz bezeichnet die Zeitspanne zwischen dem<br />

Einsatz, der Gewinnauszahlung und der Entscheidung zum<br />

nächsten Einsatz. Aufgrund der Prinzipien der operativen<br />

Konditionierung birgt eine rasche Ereignisfrequenz ein hohes<br />

Gefährdungspotential in sich. 13 Je schneller die Spielabfolge,<br />

desto größer sind die psychotropen Wirkungen eines Spiels.<br />

Psychotrope Wirkungen umfassen den „Nervenkitzel“, der<br />

sich aus der Mischung von euphorischer Hoffnung auf<br />

Gewinn und der Angst vor Verlust ergibt.<br />

Eine kurze Zeitspanne zwischen Einsatz und Spielergebnis<br />

bzw. Gewinnauszahlung hat eine stärker belohnende Wirkung<br />

als ein lang gestreckter Spielablauf, bei dem Gewinne erst<br />

Tage später den Spieler erreichen.<br />

Ein kurzes Auszahlungsintervall ermöglicht zudem eine umgehende<br />

Reinvestition des Geldes in den Glücksspielkreislauf. 14<br />

Eine hohe Ereignisfrequenz macht es einem Spieler schwerer,<br />

einen gewissen Abstand zu dem Spielgeschehen zu<br />

bekommen. Bei einer geringen Ereignisfrequenz hingegen<br />

bekommt der Spieler die Möglichkeit, in den Spielpausen<br />

einen gewissen Abstand zu dem Spielgeschehen zu entwickeln.<br />

Mit der Ereignisfrequenz eng verbunden ist das<br />

Auszahlungsintervall. Wenn die Auszahlung kurz nach dem<br />

Eintritt des Ereignisses stattfindet, ist der Anreiz, den Gewinn<br />

sofort wieder zu investieren, relativ hoch (Tab. 3). Wenn hingegen<br />

die Gewinnauszahlung sehr zeitverzögert stattfindet,<br />

besteht bei einem langen Auszahlungsintervall, wie bei einer<br />

geringen Ereignisfrequenz, für den Spieler die Möglichkeit,<br />

eine emotionale Distanz zu entwickeln. 15<br />

Ausprägung Gefährdungspotenzial Bedeutung<br />

0 Kein monatlich<br />

1 Gering wöchentlich<br />

2 Mittel täglich<br />

3 Hoch stündlich<br />

13 vgl. Griffiths, M., 1999, a.a.0.<br />

14 vgl. Häfeli J., Schneider C.: Identifikation von Problemspielern im Kasino - Ein<br />

Screeninginstrument (ID-PS). Hochschule für Soziale Arbeit HSA, Luzern,<br />

2005, S. 60 f.<br />

15 Zur Ereignisfrequenz von Glücksspielen vgl. z.B. Reeckmann, M.: Staatsvertrag<br />

zum Lotteriewesen in Deutschland: Polizeirecht der Länder oder Wirtschaftsrecht<br />

des Bundes? http://www.reeckmann.de/pdf/akRee_LottSV.pdf<br />

4 ZfWG feBruAr 2008<br />

Von dem Wissenschaftlichen Forum Glücksspiel<br />

Ausprägung Gefährdungspotenzial Bedeutung<br />

4 Sehr hoch Sekunden-/<br />

Minutentakt<br />

Tab. 3: Ausprägungen des Merkmals Ereignisfrequenz<br />

Grad der Interaktivität<br />

In einzelnen Spielen ist der Spieler aktiv bzw. emotional<br />

einbezogen. Dies gilt z.B. für Geldspielautomaten durch das<br />

Drücken auf Stopp- und Starttasten sowie beim Roulette. Die<br />

aktive Einbeziehung, die auch emotional sein kann (z.B. bei<br />

Sportwetten), erhöht die Spannung und den Nervenkitzel.<br />

Unabhängig vom Ausgang des Spiels erfährt der Teilnehmer<br />

einen positiven Effekt auf sein psychisches Erleben. 16<br />

Die persönliche Beteiligung ist bei solchen Glücksspielen<br />

besonders hoch, bei denen der Spieler direkt am Spielgeschehen<br />

beteiligt ist, so wie bei Geldspielautomaten und Roulette (Tab.<br />

4). Hier kann der Spieler hautnah erleben, wie das Ergebnis<br />

zu Stande kommt. Bei der Lotterie „6 aus 49“ ist dies bedingt<br />

durch die Übertragung der Ziehung der Lottozahlen im<br />

Fernsehen möglich. Bei Klassenlotterien hingegen gar nicht.<br />

Ausprägung Gefährdungspotenzial Bedeutung<br />

0 Kein nicht gegeben<br />

1 Gering gering: z.B. Auswahl<br />

eines Loses mit<br />

v o r g e g e b e n e n<br />

„Gewinnzahlen“<br />

2 Mittel teilweise gegeben<br />

3 Hoch gegeben<br />

4 Sehr hoch stark ausgeprägt:<br />

z.B. „scheinbare“<br />

Einflussnahme über<br />

Reaktionstasten<br />

Tab. 4: Ausprägungen des Merkmals Grad der Interaktivität<br />

Förderung der Kontrollüberzeugung<br />

Bei einigen Spielen kann die aktive Einbeziehung des Spielers in<br />

den Spielablauf dazu führen, dass ein Gefühl der Einflussnahme<br />

auf den Spielausgang ausgeprägt wird. Vermeintlich erfolgreiche<br />

Strategien können auf eigene Kompetenzen zurückgeführt<br />

werden. 17 Die aktive Einbeziehung des Spielers in den<br />

Spielablauf, eine Vielzahl von Auswahlmöglichkeiten sowie<br />

eine längere gedankliche Beschäftigung mit der Materie führen<br />

zu der subjektiven Überzeugung, durch eigene Kompetenz<br />

die Wahrscheinlichkeit eines Gewinns erhöhen zu können<br />

(Tab. 5). Es entsteht eine illusionäre Kontrollüberzeugung.<br />

16 vgl. Hayer, T., Meyer, G., 2003, a.a.0., S. 215 f.<br />

17 vgl. Meyer, G., Hayer., T., 2005, a.a.0., S. 35


Von dem Wissenschaftlichen Forum Glücksspiel<br />

Pathologische Spieler zeichnen sich dadurch aus, dass diese<br />

oft einer Kompetenzillusion unterliegen. Auch bei reinen<br />

Zufallsspielen, wie Roulette oder Lotterien, werden eigene<br />

Systeme entwickelt, die helfen sollen, den Zufall zu besiegen.<br />

Bei der Behandlung der Glücksspielproblematik ist daher die<br />

Veränderung spezifischer kognitiver Verzerrungsmuster, die<br />

sowohl für die Entstehung als auch die Aufrechthaltung des<br />

Glücksspielsverhaltens von Bedeutung sind, eine ganz wichtige<br />

Rolle zu. 18 Gewinne werden den eigenen Kompetenzen<br />

zugeschrieben, während Verluste auf äußere, nicht beeinflussbare<br />

Hindernisse und unglückliche Umstände geschoben<br />

werden.<br />

Ausprägung Gefährdungspotenzial Bedeutung<br />

0 Kein nicht gegeben<br />

1 Gering<br />

gering: z.B.<br />

Spieler erhält keine<br />

Informationen über<br />

vorangegangene<br />

„Gewinnzahlen“/<br />

Ziehen eines Loses<br />

2 Mittel teilweise gegeben<br />

3 Hoch gegeben<br />

4 Sehr hoch<br />

stark ausgeprägt:<br />

z.B. vorangegange-<br />

ne „Gewinnzahlen“<br />

werden bekannt<br />

gegeben<br />

Tab. 5: Ausprägungen des Merkmals Förderung der<br />

Kontrollüberzeugung<br />

Bei Geldspielautomaten werden dem Spieler Kompetenzen<br />

durch das Drücken bestimmter Tasten übertragen, die vermeintlich<br />

das Spielgeschehen beeinflussen. Bei Roulette,<br />

einem reinen Zufallsspiel, erzeugt der Spieler selber eine<br />

Kompetenzillusion durch die Auswertung bereits gefallener<br />

Zahlen, obwohl das Spielformat an sich diese<br />

Kompetenzillusion nur dadurch unterstützt, dass der Spieler<br />

selber bestimmen kann, auf welche Zahlen er setzt. Bei der<br />

Lotterie „6 aus 49“ erhält der Spieler eine Kompetenz durch<br />

das Ankreuzen selbst gewählter Zahlen. Im Gegensatz zu<br />

Roulette handelt es sich hier jedoch nicht um eine reine<br />

Kompetenzillusion. Zwar ist die Gewinnwahrscheinlichkeit<br />

rein zufallsbedingt, nicht jedoch die jeweilige Höhe des<br />

18 vgl. Petry, J.: Psychotherapie der Glücksspielsucht, Weinheim, 1996, S. 214<br />

Aufsätze<br />

Gewinns, die von der Anzahl der Spieler abhängt, die<br />

die jeweilige Zahlenkombination ebenfalls getippt haben.<br />

Bei Klassenlotterien hingegen, bei denen die Losnummern<br />

fest vorgegeben sind, wird dieser Kompetenzillusion kein<br />

Vorschub geleistet.<br />

Es ist aus der psychologischen Entscheidungstheorie bekannt,<br />

dass Menschen zu einer Reihe von kognitiven Irrtümern neigen.<br />

19 Oft ist den Spielern nicht bekannt, wie die jeweiligen<br />

Gewinn- und Verlustwahrscheinlichkeiten eines Glücksspiels<br />

beschaffen sind. Je klarer die Kenntnis der objektiven Gewinn-<br />

und Verlustwahrscheinlichkeiten und damit verbunden, die<br />

Kenntnis der Auszahlungsquote bei einem Glücksspiel, desto<br />

weniger Spielraum bleibt für kognitive Irrtümer und damit für<br />

pathologisches Spielverhalten. In der Regel informieren sich<br />

Spieler nicht objektiv über die jeweiligen Auszahlungsquoten<br />

bzw. Gewinnwahrscheinlichkeiten.<br />

Es bestehen oft falsche Vorstellungen über Zufallsmerkmale. So<br />

werden z.B. bei Lotto „6 aus 49“ bestimmte Zahlenkombinationen,<br />

z. B. die Zahlenkombination 8, 15, 23, 38, 36 und 44 für<br />

wahrscheinlicher gehalten, als andere Zahlenkombinationen,<br />

wie 44, 45, 46, 47, 48 und 49. So wird bei der Auswertung<br />

der so genannten Permanenzen beispielsweise davon ausgegangen,<br />

dass die Zahlen, die bereits beim Roulette gefallen<br />

sind, einen Einfluss darauf haben, welche Zahlen zukünftig<br />

kommen werden.<br />

Weiterhin realisieren Teilnehmer an Glücksspielen oft<br />

nicht den Zusammenhang zwischen verschiedenen<br />

Stichprobenumfängen. Es wird beispielsweise bei der Lotterie<br />

„6 aus 49“ oft davon ausgegangen, dass 4 Richtige zu bekommen<br />

doch nur etwas schwerer sein dürfte, wie 3 Richtige, und<br />

dass 5 Richtige doch gar nicht so viel schwerer sein dürften<br />

als drei Richtige.<br />

Kaum ein Spieler dürfte realistische Vorstellungen von den<br />

jeweiligen Wahrscheinlichkeiten haben. Ein häufiger Irrtum,<br />

der auch dementsprechend „Irrtum des Spielers (gambler`s<br />

fallacy)“ genannt wird, ist die Verwechslung von bedingten<br />

und unbedingten Wahrscheinlichkeiten. Wenn beispielsweise<br />

beim Roulette mehrere Male hintereinander Rot gekommen<br />

ist, so denken viele Spieler, dass nun doch endlich mal<br />

schwarz kommen muss. Auch beim Lotto ist für die Spieler<br />

ganz wichtig, welche Zahl bisher häufig und welche selten<br />

gekommen sind.<br />

Menschen neigen dazu, Gewinne und Verluste nicht in der<br />

gleichen Wiese einzuordnen und zu erinnern. 20 Pathologische<br />

Spieler neigen dazu, die vergangenen Verluste weitgehend zu<br />

vergessen und vor allem die Gewinne zu erinnern. Weiterhin<br />

neigen pathologische Spieler dazu, nach „Systemen" zu spielen.<br />

Verluste werden damit erklärt, dass das System nicht<br />

konsequent durchgehalten wurde oder etwas anderes falsch<br />

gelaufen ist. Gewinne werden der eigenen Fähigkeit oder dem<br />

19 vgl. Jungermann, H., Pfister, H.-R., Fischer, K.: Die Psychologie der Entschei-<br />

dung. Eine Einführung. 2. Auflage. München, 2005<br />

20 vgl. Kahnemann, D., Tversky, A.: Prospect Theory: An Analysis of Decisions<br />

under Risk, in: Econometrica, 47, 1979, S. 263 – 275.<br />

feBruAr 2008 ZfWG 5


Aufsätze<br />

eigenen System gut geschrieben.<br />

Einsatz<br />

Ein breites Spektrum an Einsätzen (z.B. Multi-Line-/Multi-<br />

Coin-Spielfeature) gewährleistet, dass durch höhere Einsätze<br />

erlittene Verluste (vermeintlich) wieder wettgemacht werden<br />

können (Tab. 6.) Dies steigert den Spielanreiz gerade für<br />

pathologische Spieler (Chasing).<br />

Ausprägung Gefährdungspotenzial Bedeutung<br />

0 Kein geringer Einsatz,<br />

6 ZfWG feBruAr 2008<br />

feste Struktur,<br />

Begrenzung des<br />

Einsatzes<br />

1 Gering geringer Einsatz,<br />

variable Struktur,<br />

Begrenzung des<br />

Einsatzes<br />

2 Mittel geringer Einsatz,<br />

variable Struktur,<br />

keine Begrenzung<br />

des Einsatzes<br />

3 Hoch hoher Einsatz,<br />

variable Struktur,<br />

Begrenzung des<br />

Einsatzes<br />

4 Sehr hoch hoher Einsatz,<br />

Tab. 6: Ausprägungen des Merkmals Einsatz<br />

variable Struktur,<br />

keine Begrenzung<br />

des Einsatzes<br />

Der Spielanreiz ist besonders ausgeprägt, wenn ein optimales<br />

Verhältnis zwischen der Gewinnwahrscheinlichkeit und dem<br />

Mischungsverhältnis der Auszahlung besteht.<br />

Gewinne müssen groß genug sein, um als Glücksfall erlebt zu<br />

werden, gleichzeitig müssen aber noch reelle Gewinnchancen<br />

bestehen. 21<br />

Gewinnstruktur<br />

Ein variables Spektrum an Gewinnchancen erhöht die<br />

Wahrscheinlichkeit, dass weiter gespielt wird (Tab. 7). Viele<br />

kleine Gewinne – z.B. an Glücksspielautomaten – können<br />

21 vgl. Griffiths, M.: Fruit machine gambling. The importance of structural cha-<br />

racteristics, in: Journal of Gambling Issues, 9, 1993, S. 101 - 121; Dowling,<br />

n., Smith, D., Thomas, T.: Electronic gaming machines: Are they the “crack<br />

cocaine” of gambling?, Addiction, 100, 2005, S. 33 – 45.<br />

die Möglichkeit des Verlustes aus dem Bewusstsein verdrängen.<br />

Kleinere Gewinne werden weniger als Beitrag zur<br />

Vermögensanhäufung betrachtet, sondern als weitere Chance<br />

auf den Hauptgewinn interpretiert, der durch Wiedereinsatz<br />

des Gewinns näher rückt. 22<br />

Fast-Gewinne steigern den Anreiz weiter zu spielen. Wenn<br />

der Gewinn greifbar nahe ist, nur um Haaresbreite verfehlt<br />

wurde, ist der Anreiz weiter zu spielen größer, als<br />

wenn der Gewinn in weite Ferne gerückt ist. Insbesondere<br />

Geldspielautomaten machen sich dies im ihrem Produktdesign<br />

zu Nutze. Exemplarisch hierfür steht auch das Ankreuzen<br />

von „2“ statt „3 Richtigen“ beim Lotto oder das Tippen<br />

benachbarter Zahlen (16 statt 17). Die entsprechende<br />

Produktgestaltung suggeriert einen bevorstehenden Gewinn,<br />

fördert eine optimistische Erwartungshaltung und begünstigt<br />

die Spielteilnahme. 23 Bei neuen Sportwettangeboten sind<br />

Einsatzhöhe und Gewinnmöglichkeiten nicht begrenzt, da es<br />

jedem Spielteilnehmer frei steht, beliebig viele Wettscheine<br />

abzugeben bzw. sein Geld zugleich bei verschiedenen<br />

Ereignissen einzusetzen. Zusätzlich kann die Gesamtquote<br />

über das Kombinieren verschiedener Sportereignisse bis<br />

zu einem bestimmten Limit erhöht werden. Mit steigender<br />

Anzahl von Ereignissen wächst das Risiko des Verlustes. 24<br />

Eine besondere Rolle in der Einsatz- und Gewinnstruktur<br />

haben die jeweils erzielbaren Höchstgewinne. Obwohl die<br />

Gewinnchance z.B. beim Lotto sehr gering ist, verkörpert<br />

die Aussicht auf einen Millionengewinn die treibende Kraft<br />

für eine Beteiligung. 25 Derartige Millionengewinne verkörpern<br />

für die weitaus größte Zahl von Menschen die einzige<br />

Möglichkeit ohne Arbeitseinsatz „reich“ zu werden und –<br />

soziologisch betrachtet – einen Klassensprung zu vollziehen.<br />

Oft ist jedoch den Spielern nicht bekannt, wie die jeweiligen<br />

Gewinn- und Verlustwahrscheinlichkeiten eines Glücksspiels<br />

beschaffen sind. Je klarer die Kenntnis der objektiven Gewinn-<br />

und Verlustwahrscheinlichkeiten und, damit verbunden, die<br />

Kenntnis der Auszahlungsquote bei einem Glücksspiel, desto<br />

weniger Spielraum bleibt für kognitive Irrtümer und damit für<br />

pathologisches Spielverhalten.<br />

In der Regel informieren sich Spieler nicht objektiv über die<br />

jeweiligen Auszahlungsquoten bzw. Gewinnwahrscheinlichkeiten.<br />

Weiterhin realisieren Teilnehmer an Glücksspielen<br />

oft nicht den Zusammenhang zwischen verschiedenen<br />

Stichprobenumfängen.<br />

Ausprägung Gefährdungspotenzial Bedeutung<br />

0 Kein Gewinn unbedeu-<br />

tend, klar erkenn-<br />

bare Gewinn- und<br />

Verlustchancen<br />

22 vgl. Meyer, T., Hayer, T., 2005, a.a.0., S. 38.<br />

23 Ebenda, S. 39.<br />

24 vgl. Hayer, T., Meyer, G., 2003, a.a.0., S. 215.<br />

25 vgl. Albers, n.: Ökonomie des Glücksspielmarktes in der Bundesrepublik<br />

Deutschland, Berlin 1993.<br />

Von dem Wissenschaftlichen Forum Glücksspiel


Von dem Wissenschaftlichen Forum Glücksspiel<br />

Ausprägung Gefährdungspotenzial Bedeutung<br />

1 Gering Gewinn unbedeu-<br />

tend,<br />

nicht schwankend,<br />

klar erkennbare<br />

Gewinn- und<br />

Verlustchancen<br />

2 Mittel Gewinn bedeutend,<br />

nicht schwankend,<br />

klar erkennbare<br />

Gewinn- und<br />

Verlustchancen<br />

3 Hoch Gewinn schwan-<br />

kend,<br />

Gewinnstruktur<br />

nicht klar erkennbar<br />

4 Sehr hoch Gewinn schwan-<br />

kend,<br />

Gewinnstruktur<br />

nicht erkennbar<br />

Tab. 7: Ausprägungen des Merkmals Gewinnstruktur<br />

Sozialer Kontext<br />

Gruppendynamische Prozesse – wie z.B. das gemeinschaftliche<br />

Wetten am Stammtisch, als Mitglieder der Fangruppe<br />

eines Sportvereins oder Tippgemeinschaften beim Lotto –<br />

können das Wettverhalten verstärken. 26 Pathologische Spieler<br />

können durch häufiges Spielen und damit verbundenen<br />

Gewinnen versuchen, Anerkennung zu erlangen. Verluste<br />

werden verdrängt und verschwiegen, Gewinne werden erinnert<br />

und lautstark verkündet und betont. Dies bedingt in der<br />

Regel häufiges Spielen bzw. hohe Einsätze (Tab. 8).<br />

Ausprägung Gefährdungspotenzial Bedeutung<br />

0 Kein bei diesem<br />

Glücksspielprodukt<br />

nicht relevant<br />

1 Gering geringfügig: z.B.<br />

Spieler erschaf-<br />

fen sich selbst<br />

einen sozialen<br />

Kontext über<br />

die Bildung von<br />

Spielgemeinschaften<br />

2 Mittel vorhanden<br />

3 Hoch ausgeprägt<br />

26 vgl. Hayer, T., Meyer, G., 2003, a.a.0., S. 216 f.<br />

Aufsätze<br />

Ausprägung Gefährdungspotenzial Bedeutung<br />

4 Sehr Hoch stark ausgeprägt:<br />

Tab. 8: Ausprägungen des Merkmals Sozialer Kontext<br />

z.B. durch räumli-<br />

che und zeitliche<br />

Bedingungen findet<br />

dass Spiel aus-<br />

schließlich in klar<br />

umrissenen sozialen<br />

Kontexten statt (u.a.<br />

Pferderennen)<br />

Anonymität<br />

Bei einigen Spielformen steigt das Gefährdungspotential<br />

mit dem Grad der Anonymität des Spielens (Tab. 9). Da<br />

das Spielen nicht beobachtet werden kann, steigt das Gefühl<br />

der Kontrolle darüber. Verluste werden vertuscht, es wird<br />

enthemmter gespielt, da keine „Stigmatisierung“ zu befürchten<br />

ist. Soziale Kontrolle kann zudem moderierend wirken,<br />

wenn aufgrund der Umgebungsfaktoren die Exzessivität des<br />

Spielverhaltens abnimmt.<br />

Ausprägung Gefährdungspotenzial Bedeutung<br />

0 Kein bei diesem<br />

Glücksspielprodukt<br />

nicht relevant<br />

1 Gering geringfügig z.B. durch<br />

breite Verfügbarkeit<br />

besteht eine geringfü-<br />

gige Anonymität (u.a.<br />

Lottoannahmestellen)<br />

2 Mittel vorhanden<br />

3 Hoch ausgeprägt<br />

4 Sehr hoch stark ausgeprägt: z.B.<br />

Tab. 9: Ausprägungen des Merkmals Anonymität<br />

das Produkt wird<br />

ausschließlich Online<br />

angeboten<br />

Mit fortschreitender technologischer Entwicklung gewinnen<br />

Online-Glücksspiele an Bedeutung, die eine orts- und zeitunabhängige<br />

Teilnahme ermöglichen. Diese Teilnahme ist<br />

nur schwierig bzw. kaum zu kontrollieren. 27 Die anonyme<br />

Teilnahme erschwert Präventionsmaßnahmen (wie sie z.B.<br />

27 vgl. Meyer, G.: Glücksspiele im Internet: Eine Herausforderung für die Sucht-<br />

prävention, in: Suchtreport, nr. 3, 2001, S. 29 - 35<br />

feBruAr 2008 ZfWG 7


Aufsätze<br />

beim Besuch eines Spielcasinos ergriffen werden können).<br />

Vermarktung<br />

Eine effektive und groß angelegte Vermarktung trägt zu einer<br />

aus der Perspektive der Suchtprävention unerwünschten<br />

Verharmlosung bzw. Normalisierung von Glücksspielen bei<br />

(Tab. 10). Die kritische Reflexion von Glücksspielen wird<br />

ersetzt durch Alltagsroutinen im Umgang mit Glücksspielen. 28<br />

Werbesprüche wie »So leicht geht reich« oder »Millionen sind<br />

käuflich« suggerieren den Spielern, dass das Glück zum<br />

Greifen nahe ist. Im Marketing wird in diesem Kontext zwischen<br />

persuasiver und informativer Werbung unterschieden.<br />

Während persuasive Werbung darauf abzielt, die Verbraucher<br />

zum Konsum zu überreden, beschränkt sich informative<br />

Werbung weitestgehend darauf, auf die Verfügbarkeit des<br />

Produktes hinzuweisen. Viele Spieler sind dabei jedoch nicht<br />

in der Lage, die zum Teil komplexen Produktinformationen<br />

und beschriebenen Spielstrukturen zu verstehen. 29<br />

Ausprägung Gefährdungspotenzial Bedeutung<br />

0 Kein bei diesem<br />

8 ZfWG feBruAr 2008<br />

Glücksspielprodukt<br />

nicht relevant<br />

1 Gering informativ<br />

2 Mittel suggestiv<br />

3 Hoch persuasiv (überre-<br />

dend)<br />

4 Sehr hoch stark persuasiv<br />

Tab. 10: Ausprägungen des Merkmals Vermarktung<br />

Verfügbarkeit<br />

Die Verfügbarkeit eines Glücksspiels steht in direkter<br />

Verbindung mit einer vermehrten Nachfrage und einer<br />

erhöhten Auftretenswahrscheinlichkeit problematischen<br />

Spielverhaltens bei entsprechend anfälligen Personen (Tab.<br />

11). Zu berücksichtigen sind auch die Distributionswege.<br />

D.h.: Ist das Angebot an einzelne Orte oder Zeiten gebunden?<br />

Gibt es ein breites Netz an Vertriebsstellen? Werden<br />

Direktwurfsendungen oder Emailing-Aktionen betrieben?<br />

Besonders problematisch ist eine 24-Stunden-Verfügbarkeit<br />

von Online-Spielen, deren Nutzung zudem kaum kontrollierbar<br />

ist. Einige Spielformen sind altersmäßig beschränkt (z.B.<br />

Spielcasinos, Geldspielautomaten).<br />

28 vgl. Meyer, G., Hayer, T., 2005, a.a.0., S. 40<br />

29 vgl. hierzu die ökonomische Analyse von Glücksspielprodukten in Tolkemitt, T.<br />

(2002). Die deutsche Glücksspielindustrie. Eine wirtschaftswissenschaftliche<br />

Analyse mit rechtspolitischen Schlussfolgerungen, Frankfurt am Main, 2002,<br />

S. 43 ff.<br />

Von dem Wissenschaftlichen Forum Glücksspiel<br />

Ausprägung Gefährdungspotenzial Bedeutung<br />

0 Kein nicht gegeben<br />

1 Gering persönliche<br />

Beschränkungen<br />

möglich<br />

2 Mittel an einige Orte und<br />

Zeiten gebunden<br />

3 Hoch breites Netz an<br />

Vertriebsstellen,<br />

leicht zugänglich<br />

4 Sehr hoch 24-Stunden-<br />

Tab. 11: Ausprägungen des Merkmals Verfügbarkeit<br />

Verfügbarkeit,<br />

nicht kontrollierbar<br />

Jackpot<br />

Eine hohe Anziehungskraft üben Gewinnsummen aus,<br />

die nach dem Jackpotprinzip zustande kommen (Tab. 12).<br />

Das Jackpotprinzip bezeichnet Spieleinsätze, für die keiner<br />

der teilnehmenden Spieler die Gewinnbedingungen erfüllt<br />

und die bei der nächsten Ausspielung zusätzlich an die<br />

Gewinner ausgezahlt werden. Wenn mehrmals hintereinander<br />

keine Gewinnsituation für den Jackpot eintritt, erhöht<br />

sich dieser immer weiter, und die Mitspieler haben bei gleicher<br />

Gewinnchance eine Aussicht auf einen größeren Gewinn.<br />

Üblich sind Jackpots z.B. bei einigen Lotterien oder bei<br />

Spielautomaten in einer Spielbank. Auch lassen sich mehrere<br />

Automaten aus mehreren Spielbanken zusammenschalten.<br />

Von jedem Spieleinsatz wird ein bestimmter Anteil in den<br />

Jackpot gelegt, der an einem Automaten gewonnen werden<br />

kann. Untersuchungen verweisen unter Bezug auf „6 aus 49“<br />

auf die Abhängigkeit des Nachfrageverhaltens von der Höhe<br />

des Jackpots. 30<br />

Ausprägung Gefährdungspotenzial Bedeutung<br />

0 Kein nicht vorhanden<br />

0,5 Sehr gering Bis 10.000 €<br />

30 vgl. DeBoer, L. (1990). Jackpot size and lotto sales. Evidence from ohio, 1986<br />

– 1987, in: Journal of Gambling Studies, 6, 1990, S. 345 – 354; Tolkemitt, T.,<br />

2002, a.a.0.


Von dem Wissenschaftlichen Forum Glücksspiel<br />

Ausprägung Gefährdungspotenzial Bedeutung<br />

1 Gering Bis 100.000 €<br />

1,5 Eher gering Bis 1 Mio. €<br />

2 Mittel Über 1 Mio. €<br />

3 Hoch Betragsmäßig<br />

unbegrenzt,<br />

begrenzt auf<br />

Anzahl der<br />

Ausspielungen<br />

4 Sehr hoch unbegrenzt<br />

Tab. 12: Ausprägungen des Merkmals Jackpot 31<br />

Sensorische Produktgestaltung<br />

Glücksspiele treten dem Konsumenten nicht in gleicher<br />

Form gegenüber. Einzelne Glücksspiele erscheinen wie<br />

Wunderwerke in Bezug auf Ton-, Licht- und Farbeffekte<br />

(z.B. Geldspielautomaten). Sie vermitteln das Gefühl von<br />

Vergnügen und Aktivität. 32 Gewinne werden durch Ton- und<br />

Lichtabfolgen verstärkt und fördern die Spielintensität (Tab.<br />

13). 33 Diese sensorischen Stimuli wirken als Konditionierung.<br />

So berichten pathologische Glücksspieler, dass bestimmte<br />

Melodien, die mit bestimmten Geldspielautomaten bzw. den<br />

Gewinnen an diesen Geldspielautomaten verbunden werden,<br />

einen beinahe magischen Reiz auf sie ausüben. 34<br />

Ausprägung Gefährdungspotenzial<br />

Bedeutung<br />

0 Kein bei diesem<br />

Glücksspielprodukt nicht<br />

relevant<br />

1 Gering geringfügig vorhanden: z.B.<br />

Gewinnentscheide werden<br />

plakativ in den Medien<br />

dargeboten<br />

2 Mittel teilweise vorhanden<br />

31 Hier wurde die grundsätzliche Skalierung von null bis Vier zwar beibehalten,<br />

aber durch Zwischenschritte verfeinert. Eine solche Differenzierung ist auch bei<br />

anderen Kriterien durchaus denkbar.<br />

32 vgl. Griffiths, M., 1991, a.a.0.<br />

33 vgl. Meyer, G., Bachmann, M., 2005, a.a.0.<br />

34 Zu Risikofaktoren und Verlauf des problematischen Glücksspielverhaltens an<br />

Geldspielautomaten vgl. Sonntag, D.: Risikofaktoren und Verlauf des problematischen<br />

Glücksspielverhaltens an Geldspielautomaten, Marburg 2005.<br />

Ausprägung Gefährdungspotenzial<br />

Aufsätze<br />

Bedeutung<br />

3 Hoch ablenkend<br />

4 Sehr hoch hochgradig ablenkend: z.B.<br />

Ton/ Licht und Farbsignale<br />

bei Geldspielautomaten<br />

Tab. 13: Ausprägungen des Merkmals Sensorische<br />

Produktgestaltung<br />

Art des Zahlungsmittels<br />

Die Verwendung von Jetons (Roulette), der Einsatz von<br />

Token (z.B. Münzautomaten) oder der virtuelle Einsatz<br />

per Kreditkarte verschleiern das Wertesystem, beeinträchtigen<br />

das Urteilsvermögen des Spielers und senken die<br />

Hemmschwelle für die Teilnahme am Glücksspiel (Tab. 14).<br />

Verluste werden geringer eingeschätzt und es wird risikoreicher<br />

gespielt. Der Spieleinsatz verliert seinen Geldcharakter. 35<br />

Vor allem bei Online-Spielen führt der Einsatz von elektronischem<br />

Geld bzw. die Möglichkeit, auf Kreditbasis zu spielen,<br />

zu einer tendenziell höheren Gefährdung. Problematisch<br />

ist auch die Verdunkelung der finanziellen Belastung durch<br />

Punktesysteme.<br />

Ausprägung Gefährdungspotenzial Bedeutung<br />

0 Kein Geldcharakter vor-<br />

handen<br />

1 Gering leicht in Geld<br />

umzurechnen<br />

2 Mittel Geldcharakter<br />

erkennbar<br />

3 Hoch Geldcharakter ver-<br />

schleiert<br />

4 Sehr hoch Geldcharakter<br />

verzerrt<br />

Tab. 14: Ausprägungen des Merkmals Art des Zahlungsmittels<br />

4. Visualisierung<br />

Die unterschiedliche Bedeutung von Kriterien für<br />

das Gefährdungspotential von Glücksspielprodukten<br />

lässt sich methodisch durch ein Scoring-Modell erfassen<br />

(Punktbewertungsschema) und in einer Scorecard<br />

(Zählkarte) visualisieren. Scorecards eignen sich zur quantitativen<br />

Bewertung bei Potenzial- und Risikoanalysen, zur<br />

Beurteilung von Produkt- und Leistungsideen und vielen weiteren<br />

Fragestellungen. 36 Das Scoring kann individuell sowie<br />

35 vgl. Meyer, G., Bachmann, M., 2005, a.a.0.<br />

36 vgl. z.B. bezogen auf Standortentscheidungen von Unternehmen Peren, F.W.,<br />

Clement, R.: Globale Standortanalyse, in: Harvard Businessmanager, 6, 1998,<br />

S. 70 – 77 sowie Reineke, R.D., Bock, F. (Hrsg.): Gabler Lexikon Unternehmensberatung,<br />

Wiesbaden 2007.<br />

feBruAr 2008 ZfWG 9


Aufsätze<br />

im Team durchgeführt werden.<br />

Die Auswahl der Bewertungskriterien unterliegt in praxi<br />

naturgemäß einer gewissen Subjektivität. Daher empfiehlt<br />

es sich, die Bewertungskriterien unter Einbeziehung verschiedener<br />

Wissenschaftsdisziplinen auszuwählen und zu<br />

gewichten (Tab. 15). So wurde auch im vorliegenden Fall<br />

innerhalb des Wissenschaftlichen Forums Glücksspiel der<br />

Aktion Mensch vorgegangen. Da die Bewertungskriterien in<br />

der Regel nicht eindeutig definiert sind, ist eine erklärende<br />

Darstellung dieser Kriterien erforderlich, um die Reliabilität<br />

des Messinstruments zu verbessern.<br />

Nur durch eine ausführliche Darstellung der einzelnen<br />

Bewertungskriterien kann erreicht werden, dass die<br />

Teilnehmer der verschiedenen Disziplinen dieselben Inhalte<br />

mit den jeweiligen Bewertungskriterien verbinden.<br />

Werden mehrere Bewertungskriterien herangezogen, so ist zu<br />

prüfen, ob sie mit gleicher oder unterschiedlicher Intensität<br />

auf die Gesamtbewertung einwirken. In der Regel wird<br />

den einzelnen Kriterien eine unterschiedliche Bedeutung<br />

zukommen. Für die Ermittlung der Gewichtung gibt es<br />

die Möglichkeit der intuitiven und/oder der korrelativen<br />

Gewichtung. Bei der intuitiven Gewichtung werden die<br />

Kriterien im Team diskutiert, in eine Reihenfolge abnehmender<br />

Bedeutung gebracht und die Gewichtung festgelegt.<br />

Individuelle Expertenmeinungen, die voneinander abweichen,<br />

werden gemittelt. Die korrelative Indikatorengewichtung führt<br />

zu einem objektivierten Gewichtungssystem wenn brauchbare<br />

und ausreichende Datenreihen vorliegen. Der quadrierte<br />

Korrelationskoeffizient 37 bestimmt dabei das Gewicht des<br />

Kriteriums. Diese Methode kann nur eingesetzt werden,<br />

wenn die Beurteilungskriterien und die Beurteilungsgruppe<br />

quantifizierbar sind und Vergangenheitsdaten existieren.<br />

Kriterium Gewichtung Ausprägung<br />

jeweils 0 – 4<br />

1.Ereignisfrequenz 3<br />

2. Grad der Interaktivität 3<br />

3.Förder ung der<br />

Kontrollüberzeugung<br />

4. Einsatz 2<br />

5. Gewinnstruktur 2<br />

6. Sozialer Kontext 2<br />

37 Die Korrelation ist ein Maß für die Enge des Zusammenhangs zwischen zwei<br />

Merkmalen, das zwischen -1,0 und +1,0 variieren kann, wobei +1,0 den absoluten<br />

positiven Zusammenhang und -1,0 den absoluten negativen Zusammenhang<br />

beschreibt. Eine Korrelation von null besagt, dass zwischen den beiden<br />

Merkmalen keinerlei Zusammenhang besteht. Der quadrierte Korrelationskoeffizient<br />

gibt an, wie viel Prozent an gemeinsamer Varianz die beiden korrelierten<br />

Merkmale aufweisen.<br />

10 ZfWG feBruAr 2008<br />

3<br />

Kriterium Gewichtung Ausprägung<br />

jeweils 0 – 4<br />

7. Anonymität 2<br />

8. Vermarktung 2<br />

9. Verfügbarkeit 2<br />

10. Jackpot 2<br />

11.Sensorische Produktgestaltung<br />

Von dem Wissenschaftlichen Forum Glücksspiel<br />

12. Art des Zahlungsmittels 1<br />

Summe 25 100<br />

Tab. 15: Gewichtung der Kriterien<br />

Maximal sind im vorliegenden Fall 100 Punkte (= Prozent)<br />

erreichbar. Die Glücksspielprodukte lassen sich anschließend<br />

in numerische Werte und Klassen einteilen, damit<br />

sich ihr Gefährdungspotential abstufen lässt. Bei der hier<br />

gewählten Darstellung ist die jeweilige Punktzahl durch<br />

25, d.h. die Summe der Gewichte, zu teilen (Tab. 16). Die<br />

farbliche Gestaltung der Gefährdungsklassen wird insbesondere<br />

aus Gründen der Anschaulichkeit und der leichteren<br />

Verständlichkeit z.B. für den Verbraucher gewählt. 38<br />

Die Einstufung „sehr geringes Gefährdungspotential“ ist<br />

so zu verstehen, dass dieses im Rahmen von empirischen<br />

Studien nicht nachweisbar ist. Der Wert von 1,5 ergibt<br />

sich aus der Auswertung vorhandener Literaturstudien und<br />

Experten-meinungen hinsichtlich des Gefährdungspotentials<br />

von Glücksspielprodukten. Für die anschließenden drei<br />

Klassen, die ein geringes bis ein hohes Gefährdungspotential<br />

von Glücksspielprodukten darstellen, wurde eine gleichmäßige<br />

Einteilung in Intervalle gewählt. Oberhalb eines<br />

Wertes von 3,0 erscheint das Gefährdungspotential von<br />

Glücksspielprodukten mit Blick auf die erreichte Punktezahl<br />

(über 76) als sehr hoch. Auch diese Einstufung und die damit<br />

verbundenen Abstände zwischen den Klassen müssen jedoch<br />

noch im Rahmen von empirischen Studien überprüft werden.<br />

Punkte Score Farbe Gefährdungspotenzial<br />

0 - 37,5 bis 1,5 hellgrün Sehr gering<br />

38 - 50 1,51 - 2,00 dunkelgrün Gering<br />

51 - 62 2,01 - 2,50 gelb Mittel<br />

63 - 75 2,51 - 3,00 orange Hoch<br />

über 76 über 3,01 rot Sehr hoch<br />

Tab. 16: Gefährdungsklassen von Glücksspielprodukten<br />

38 Die farbliche Gestaltung orientiert sich im Kern an „Ampelfarben“.<br />

1


Von dem Wissenschaftlichen Forum Glücksspiel<br />

Die Visualisierung des Instruments erfolgt in Form einer Score-<br />

Card (Abb. 3) bzw. eines gewichteten Spinnendiagramms<br />

(Abb. 4).<br />

Produktprofil<br />

…………….<br />

Gewicht Punkte Ergebnis<br />

Grenzlinie<br />

(1 - 3 ) (0 - 4) 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 101112<br />

1 Ereignisfrequenz<br />

3 0<br />

0<br />

2 Grad der Interaktivität 3 2<br />

6<br />

3 Förderung der Kontrollüberzeugung 3 2<br />

6<br />

4<br />

Einsatz<br />

2 2<br />

4<br />

5 Gewinnstruktur<br />

2 3<br />

6<br />

6 Sozialer Kontext<br />

2 4<br />

8<br />

7<br />

Anonymität<br />

2 0<br />

0<br />

8<br />

Vermarktung<br />

2 4<br />

8<br />

9<br />

Verfügbarkeit<br />

2 3<br />

6<br />

10<br />

Jackpot<br />

2 4<br />

8<br />

11 Sensorische Produktgestaltung 1 0 0<br />

12 Art des Zahlungsmittels 1 0 0<br />

Punkte<br />

0 – 37,5<br />

38 – 50<br />

51 – 62<br />

63 – 75<br />

über 76<br />

Score<br />

bis 1,5<br />

1,51 – 2,00<br />

2,01 – 2,50<br />

2,51 – 3,00<br />

über 3,01<br />

Abb.3: Scorecard zum Gefährdungspotential von Glücksspielprodukten<br />

39<br />

Die als Grenzlinie bezeichnete Linie bildet hier eine Art<br />

„Referenzlinie“ eines Produktes mit einem „sehr geringen<br />

Gefährdungspotential“ (bis 1,5) und soll vor allem zeigen,<br />

durch welche Kriterien und Merkmalsausprägungen das<br />

Gefährdungspotential eines anderen Produktes konkret hervorgerufen<br />

wird. 40 Um die Stabilität des Ergebnisses zu überprüfen,<br />

lässt sich eine Sensitivitätsanalyse 41 durchführen. In<br />

diesem Fall werden die Gewichtungen verändert.<br />

Abb. 4: Spinnendiagramm zum Gefährdungspotential von<br />

Glücksspielprodukten<br />

5. Ausblick<br />

Farbe<br />

hellgrün<br />

dunkelgrün<br />

gelb<br />

orange<br />

rot<br />

Gefährdungspotential<br />

Sehr gering<br />

Gering<br />

Mittel<br />

Hoch<br />

Sehr hoch<br />

� = 25<br />

Hinweis: Bei Einhalten der Grenzlinie<br />

werden max. 37,5 Punkte erreicht<br />

52 : 25 = 2,08<br />

Produktprofil: ……… = Grenzlinie<br />

4. Einsatz<br />

(maximal 37,5 Punkte)<br />

3. Förderung der<br />

Kontrollüberzeugung<br />

5. Gewinnstruktur<br />

2. Grad der<br />

Interaktivität<br />

1. Ereignisfrequenz<br />

12. Art des Zahlungsmittels<br />

11. Sensorische<br />

Produktgestaltung<br />

0 2 4 6 8 10 12<br />

10. Jackpot<br />

9. Verfügbarkeit<br />

6. Sozialer<br />

Kontext<br />

7. Anonymität<br />

8. Vermarktung<br />

Die Wissensgrundlagen zum Gefährdungspotential von<br />

Glücksspielprodukten sind in vielen Punkten noch unzureichend.<br />

Notwendig erscheint eine übergreifende Perspektive.<br />

39 Es handelt sich in der Darstellung um ein fiktives Glücksspielprodukt.<br />

40 Rein rechnerisch ergibt sich die Grenzlinie dadurch, dass der mit „sehr gerin-<br />

ges Gefährdungspotential“ bezeichnete numerische Wert von 1,5 mit der<br />

Anzahl der jeweiligen Gewichte multipliziert wird. Bei 25 Basispunkten ergibt<br />

sich ein Wert von maximal 37,5 Punkten (37,5 : 25 = 1,5)<br />

41 Die Sensitivitätsanalyse ist eine Art Empfindlichkeitsanalyse, in der der Einfluss<br />

von bestimmten Faktoren (einzeln oder gemeinsam) auf bestimmte Ergebnisgrößen<br />

untersucht wird.<br />

52<br />

Aufsätze<br />

Bisher gibt es in Deutschland keine systematische interdisziplinäre<br />

Erforschung dieses Themenfeldes. Sinnvoll<br />

ist der Aufbau eines Forschungsnetzwerkes, das die einzelnen<br />

Disziplinen zusammenführt. Ein Baustein ist das<br />

Wissenschaftliche Forum Glücksspiel, das von der Aktion<br />

Mensch initiiert worden ist.<br />

Nicht alle Glücksspielprodukte haben das gleiche<br />

Gefährdungspotential. Glücksspielprodukte zeichnen<br />

sich durch situationale und strukturelle Merkmale aus,<br />

die in Kombination zu einem mehr oder minder großen<br />

Gefährdungspotential führen. Diese Merkmale sind anhand<br />

von empirischen Untersuchungen bei Betroffenen bzw. durch<br />

Einschätzung von Experten gut identifizierbar. Sie können<br />

daher auch durch ein Meß- und Bewertungsinstrument dargestellt<br />

werden.<br />

In Form einer Scorecard, bzw. eines Spinnendiagramms, liegen<br />

zwei mögliche Darstellungsformen vor, die im Rahmen<br />

empirischer Untersuchungen noch hinsichtlich ihrer Eignung<br />

überprüft werden müssen. 42<br />

Das Instrument zeigt, wo konkret die Gefährdungspotentiale<br />

einzelner Glücksspielprodukte liegen. In der Praxis werden<br />

also stets konkrete Produkte und nicht z.B. Produktgruppen<br />

(Lotterien, Geldspielautomaten) oder gar Anbieter beurteilt.<br />

Ein Hinweis auf die „Gefährdungsklasse“ von<br />

Glücksspielprodukten könnte z.B. auf Spielscheinen oder in<br />

Spielstätten angebracht werden. Die visuelle Darstellung gibt<br />

den verantwortlichen Entscheidungsträgern nachvollziehbare<br />

Kriterien an die Hand, um das Gefährdungspotential<br />

von Glücksspielprodukten bewerten zu können. Mit Hilfe<br />

eines solchen Instruments lassen sich nicht nur bestehende,<br />

sondern auch neue Glücksspielangebote hinsichtlich ihres<br />

Gefährdungspotentials bewerten und z.B. durch eine unabhängige<br />

Stelle zertifizieren.<br />

42 Konkret geht es um die Validität, Reliabilität (Messgenauigkeit) und die objek-<br />

tivität der psychodiagnostischen Verfahren.<br />

feBruAr 2008 ZfWG 11


Aufsätze Von Prof. Dr. Johannes Dietlein, Düsseldorf<br />

die gesetzgeBungszuständigkeit der länder<br />

für dAs spielhAllenwesen<br />

KoMPETEnZIELLE UnD MATERIELLE FRAGEn DES nEUEn ART. 74 I nR.11 GG<br />

(TEIL 1)*<br />

Von UnIV.-PRoF. DR. JoHAnnES DIETLEIn, DüSSELDoRF<br />

Im Zuge der Reformdiskussionen um den neuen<br />

Glücksspielstaatsvertrag ist auch das gewerbliche<br />

Automatenspiel in den Fokus des öffentlichen Interesses<br />

getreten. Bereits in seiner Entscheidung vom 28.3.2006 1<br />

hatte das BVerfG einen kritischen Seitenblick auf das<br />

Automatenglücksspiel gerichtet, dessen derzeitige gewerberechtliche<br />

Ausgestaltung angesichts der von Experten<br />

aufgezeigten Suchtrisiken 2 zunehmend auf Skepsis oder gar<br />

Widerspruch stößt. Zuletzt mahnte auch die Begründung<br />

zum neuen Glücksspielstaatsvertrag offen ein aktiveres<br />

Handeln des Bundesgesetzgebers gegenüber den Gefahren<br />

des Automatenglücksspiels an. 3 Auffällig bleibt bei alledem<br />

freilich, dass die Verteilung der Gesetzgebungszuständig-keiten<br />

in diesem Segment bislang nur selten erörtert worden ist.<br />

Insbesondere die den Ländern mit der Föderalismusreform<br />

neu zugewiesene Regelungskompetenz über das<br />

„Spielhallenwesen“ (Art. 74 I Nr. 11 GG) besitzt nach wie vor<br />

keine klaren Konturen. 4 Mit dem vorliegenden Beitrag wird<br />

der Versuch unternommen, Inhalt und Reichweite der neuen<br />

Kompetenz näher auszuleuchten. Teil 1 der Untersuchung<br />

widmet sich dabei den kompetenziellen Aspekten; in einem<br />

2. Teil (im nächsten Heft) sollen schließlich die materiellen<br />

Regelungsspielräume der Länder ausgelotet werden.<br />

A. Ausgangslage und Kritik an einer Verfassungsauslegung<br />

am Maßstab des einfachen<br />

Rechts<br />

Seit Inkrafttreten der durch Gesetzesbeschluss vom 30.6.2006<br />

zum Abschluss gebrachten sog. „Föderalismusreform I“<br />

besteht die (Vorrang-) Gesetzgebung des Bundes für das<br />

Recht der Wirtschaft „ohne das Recht der Spielhallen“ (Art.<br />

74 I Nr. 11 GG). Die auf der Grundlage der bisherigen<br />

Bundeskompetenz nach Art. 74 I Nr. 11 GG a. F. erlassenen<br />

spielhallenrechtlichen Regelungen gelten dabei gemäß Art.<br />

125 a I 1 GG fort, können aber gem. Art. 125 a I 2 GG jeder-<br />

* Die Abhandlung geht zurück auf ein Rechtsgutachten, das der Verfasser im<br />

Auftrage der Deutschen Spielbanken Interessen- und Arbeitsgemeinschaft<br />

(DeSIA) erstellt hat.<br />

1 Rz. 100 der Entscheidung, ZfWG 2006, 16 ff.<br />

2 Hierzu etwa Kellermann, Glücksspielsucht als typische Suchtform, abrufbar<br />

unter www.gluecksspielsucht.de (Materialien); zum Problemausmaß in<br />

Deutschland auch Meyer/Hayer, Das Gefährdungspotential von Lotterien und<br />

Sportwetten, Bremen, 2005, S. 30 ff., 34 ff.<br />

3 „Die Länder gehen jedoch davon aus, dass der Bund aus den Feststellungen<br />

im Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28.März 2006 für das gewerbliche<br />

Spiel in Spielhallen und Gaststätten die Konsequenzen zieht und in gleicher<br />

Weise wie der vorliegende Staatsvertrag die notwendigen Bedingungen<br />

zum Schutz der Spieler und zur Vermeidung und Bekämpfung der Spielsucht<br />

sicherstellt“; siehe amtl. Begründung (Stand 14.12.2006), Bl. 8.<br />

4 Vgl. Ennuschat/Brugger, ZfWG 2006, 292 ff.<br />

12 ZfWG feBruAr 2008<br />

zeit durch landesrechtliche Bestimmungen ersetzt werden.<br />

Inhalt und Reichweite der über Art. 74 I Nr. 11 iVm. Art. 70<br />

I GG ausgesprochenen Kompetenzzuweisung an die Länder<br />

sind in den Beratungen zur Föderalismusreform – soweit<br />

ersichtlich – nicht näher erörtert worden. 5 Erstmals dokumentiert<br />

wird die zugrunde liegende Idee einer Herauslösung des<br />

Spielhallenrechts aus dem (bisherigen) Recht der Wirtschaft<br />

in dem Vorentwurf der Kommissionsvorsitzenden vom<br />

13.12.2004 6 , ohne dass sich in diesem Kontext freilich nähere<br />

Ausführungen zum Inhalt dieser Kompetenz finden.<br />

Im aktuellen Schrifttum wird – soweit ersichtlich – bislang<br />

wohl durchgängig die Auffassung vertreten, dass mit<br />

der negativ („ohne das Recht der Spielhallen“) formulierten<br />

Landeszuständigkeit zum Spielhallenwesen letztlich der<br />

Regelungsgegenstand des § 33 i GewO gemeint sei, so dass<br />

diese einfachrechtliche Regelung letztlich auch Art und<br />

Inhalt der Gesetzgebungskompetenz definiere. 7 So heißt es<br />

etwa bei Degenhart: „Der Verfassungstext lehnt sich … eng an die<br />

einfachgesetzliche Begrifflichkeit an, so dass die Kompetenzbegriffe<br />

hiernach auszulegen sind; dies gilt umso mehr, als der verfassungsändernde<br />

Gesetzgeber ersichtlich einzelne, konkret bezeichnete<br />

Regelungsmaterien aus der konkurrierenden Zuständigkeit<br />

ausgliedern wollte“. 8 Nach dieser Lesart wären namentlich<br />

die §§ 33 c, d und e GewO einschließlich der hieraus<br />

abgeleiteten Bestimmungen der SpielVO a priori aus dem<br />

Zuständigkeitsbereich der Landesgesetzgebung ausgegliedert. 9<br />

Eine gewisse Abstützung sucht diese Auffassung namentlich<br />

5 Vgl. H. P. Friedrich, in: Holtschneider/Schön (Hrsg.), Die Reform des Bundes-<br />

staates, 2007, S. 239, 245.<br />

6 Arbeitsunterlage 104, S. 6; abgedruckt in: Deutscher Bundestag/Bundesrat<br />

(Hrsg.), Dokumentation der Kommission von Bundestag und Bundesrat zur<br />

Modernisierung der bundesstaatlichen ordnung, Zur Sache 1/2005, S. 452.<br />

7 So etwa B. Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG-Komm., 9. Aufl. 2007, Art. 70 Rn.<br />

23, wonach der Spielhallenvorbehalt in Art. 74 I nr. 11 GG die Spielhallenerlaubnis<br />

nach §§ 33 i Gewo idF. vom 22.2.1999 betreffen soll; Schönleiter,<br />

GewArch. 2006, 371, 372; ebenso H. P. Friedrich, in: Holtschneider/Schön,<br />

Die Reform des Bundesstaates, 2007; S. 239, 245; R. Stettner, in: Dreier<br />

(Hrsg.), GG-Komm., Bd. II, 2. Aufl. 2007, Art. 74 Rn. 64; wohl auch Chr.<br />

Degenhart, in: Sachs, GG-Komm., 4. Aufl. 2007, Art. 74 Rn. 47; ders., nVwZ<br />

2006, 1209, 1213 f.; S. oeter, in: Starck (Hrsg.), Föderalismusreform – Einführung,<br />

2007, Rn. 63; Hahn, GewArch. 2007, 89; etwas vorsichtiger, wenngleich<br />

mit derselben Tendenz auch A. Schmitz, in: Holtschneider/Schön, Die Reform<br />

des Bundesstaates, 2007, S. 247, 250 Fn. 17: „jedenfalls § 33 i Gewo“; ähnl.<br />

Ennuschat/Brugger, ZfWG 2006, 292: „zumindest § 33 i Gewo“; im Erg. wohl<br />

auch Martinez, in: Gewo, Beck´scher online-Kommentar, hrsg. von Chr. Pielow,<br />

§ 33 i Einleitung.<br />

8 Vgl. dens., aao.; ähnl. Ennuschat/Brugger, aao.; R. Stettner, aao.<br />

9 So denn auch Schönleiter, aao., S. 372; in diese Richtung auch die Stellungnahme<br />

der Bundesregierung BT-Drs. 16/2691 vom 22.9.2006, S. 3: „die …<br />

übertragene Zuständigkeit umfasst nur die (räumlich radizierte) Spielhallenerlaubnis<br />

in § 33 i GewO, nicht dagegen das gewerbliche Spielrecht der §§ 33 c<br />

bis g GewO“.


Von Prof. Dr. Johannes Dietlein, Düsseldorf<br />

darin zu finden, dass die Kompetenzverlagerungen des Art.<br />

74 I Nr. 11 GG unter dem Stichwort „Kompetenzen mit regionalem<br />

Bezug“ diskutiert wurden. 10 Eingang gefunden hat diese<br />

Auslegung zuletzt auch in die Kodifikation des Entwurfes<br />

für einen Glücksspielstaatsvertrag der Länder, wenn es in der<br />

Begründung heißt: „In den Staatsvertrag können – entgegen den<br />

fachlichen Vorschlägen der Suchtexperten – keine Anforderungen<br />

an das gewerbliche Spiel in Spielhallen aufgenommen werden.<br />

Hier sind die Länder an einer Regelung durch die abschließende<br />

Normierung des Bundes in der Gewerbeordnung (GewO) und der<br />

Spielverordnung gehindert; die in der Föderalismusreform übertragene<br />

Zuständigkeit für die Spielhallen umfasst nur die (räumlich<br />

radizierte) Spielhallenerlaubnis in § 33 i GewO, nicht dagegen das<br />

gewerbliche Spielrecht der § 33 c bis g GewO“ . 11<br />

Die dargestellte Verfassungsauslegung am Maßstab des einfachen<br />

Rechts kann, wie im Folgenden darzulegen sein<br />

wird, inhaltlich nicht überzeugen. So besteht eine bislang<br />

unbestrittene Konsequenz der Unterordnung des einfachen<br />

Rechts unter das Verfassungsrecht (Art. 20 III GG) darin,<br />

dass das einfache Recht generell kein Maßstab für die<br />

Interpretation von Verfassungsnormen sein kann. 12 Nach<br />

diesem Verständnis ist das Verhältnis zwischen Verfassung<br />

und Parlamentsgesetz „nicht ein solches der Koordination, gar der<br />

wechselseitigen Substitution, sondern ein solches der Subordination.<br />

Es wird einseitig von der Verfassung her bestimmt“. 13 Hieraus folgt<br />

zugleich, dass auch einfachrechtlich vorgeprägte Begriffe wie<br />

etwa der in § 33 i GewO verwendete Spielhallenbegriff „im<br />

Grundgesetz gleichwohl einen eigenständigen Inhalt entfalten“ können.<br />

14 So ist denjenigen Stimmen im Schrifttum beizupflichten,<br />

die davon ausgehen, dass gerade durch die – auch im<br />

Rahmen der Novellierung des Art. 74 I Nr. 11 GG praktizierte<br />

– Kompetenzverschiebung von Teilen einer bislang einheitlichen<br />

Materie „zahlreiche neue Abgrenzungsfragen (entstehen),<br />

deren Reichweite und Bedeutung wohl erst im Zuge der anstehenden<br />

Gesetzgebungsverfahren in vollem Umfang deutlich werden“. 15 Vor<br />

diesem Hintergrund bedarf die Frage nach Art und Umfang<br />

der Länderkompetenz über das Spielhallenwesen einer eigenständigen<br />

Beurteilung, die zwar die einfachrechtliche Lage<br />

zum Ausgangspunkt haben mag, indes in keiner Weise an<br />

diese gebunden erscheint.<br />

B. Die derzeitige gewerberechtliche<br />

Regelungssituation für Spielhallen<br />

Bereits eine nähere Analyse der gewerberechtlichen Ausgangslage<br />

macht deutlich, dass die neue Spielhallenkompetenz<br />

des Landesgesetzgebers gegenständlich kaum auf die<br />

10 Vgl. etwa Hahn, GewArch. 2007, 89, unter Verweis auf die BT-Drs. 16/813, S.<br />

9.<br />

11 Bl. 8 der amtl. Begründung (Stand 14.12.2006).<br />

12 Vgl. hierzu nur J. Rozek, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG-Komm., Bd. 2,<br />

5. Aufl. 2005, Art. 70 I Rn. 49; im Kontext des Art. 12 GG dezidiert auch F.<br />

Schoch, DVBl. 1991, 667, 669 mit weiteren nachweisen.<br />

13 Ausführlich M. Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, 1999, S. 16, unter<br />

Verweis auf BVerfGE 28, 243, 260 f.<br />

14 Allg. Zippelius/Würtenberger, Deutsches Staatsrecht, 31. Auflage 2005, § 7 I 1<br />

(S. 53).<br />

15 W. Kluth, in: ders. (Hrsg.), GG-Komm., Föderalismusreformgesetz, Einführung<br />

und Kommentierung, 2007, Art. 74 Rn. 2.<br />

Aufsätze<br />

Spezialvorschrift des § 33 i GewO reduziert werden kann.<br />

So erweist sich die gewerberechtliche Bestimmung des § 33 i<br />

GewO, die im Übrigen schon für das Reisegewerbe durch § 60<br />

a III GewO ergänzt wird, keineswegs als autonome und umfassende<br />

Normierung des betreffenden Regelungskomplexes. 16<br />

Vielmehr sind die Regelungen der §§ 33 i und 60 a III<br />

GewO in vielfacher Weise eingebunden in ein gewerberechtliches<br />

Regelungsgeflecht, das in seiner Gesamtheit zahlreiche<br />

Rechtsbindungen auch und gerade für das Spielhallenwesen<br />

entfaltet.<br />

1. § 33 i GewO im Verbund mit den Bestimmungen der<br />

§§ 33 c ff. GewO<br />

§ 33 i GewO schlägt einen inhaltlichen Bogen zu den<br />

in §§ 33 c, 33 d und 33 e GewO geregelten Spielgeräten<br />

mit Gewinnmöglichkeit sowie anderen Spielen mit<br />

Gewinnmöglichkeit bereits insoweit, als in Spielhallen lediglich<br />

die beiden genannten Spielkategorien sowie die – in §<br />

33 i I 3. Alt. GewO erwähnten, inhaltlich aber nicht näher<br />

reglementierten – Unterhaltungsspiele ohne Gewinnmöglichkeit<br />

angeboten werden dürfen. 17 Dementsprechend<br />

unterliegt die Eröffnung einer Spielhalle keineswegs allein<br />

dem Erlaubnisvorbehalt des § 33 i GewO, sondern verlangt<br />

im Falle der Einbringung von Spielgeräten mit<br />

Gewinnmöglichkeit kumulativ eine Aufstellererlaubnis nach<br />

§ 33 c I GewO, eine – regelmäßig vom Gerätehersteller ein-<br />

zuholende – Bauartzulassung der Spielgeräte sowie eine<br />

Bestätigung des konkreten Aufstellungsortes nach § 33 c<br />

III GewO, im Falle einer Veranstaltung anderer Spiele mit<br />

Gewinnmöglichkeit eine Erlaubnis nach § 33 d I GewO sowie<br />

eine – vom Hersteller oder Spielhallenbetreiber einzuholende<br />

– Unbedenklichkeitsbescheinigung nach § 33 d II GewO.<br />

2. Die Konkretisierungen der SpielVO<br />

Eine weitere nicht unerhebliche Vernetzung des § 33 i GewO<br />

mit sonstigen gewerberechtlichen Regelungen ergibt sich aus<br />

der nach § 33 f GewO erlassenen Spielverordnung. 18 So trifft<br />

die SpielVO gemeinsame Regelungen zur Durchführung der<br />

§§ 33 c, 33 d, 33 e und 33 i, ohne hierbei näher zwischen den<br />

auszuführenden Bestimmungen zu differenzieren. 19 Dabei fin-<br />

den sich etwa Regelungen zu der Frage,<br />

- welche Arten von Geräten in Spielhallen und ähnlichen<br />

Unternehmen aufgestellt werden dürfen (§ 1 I Nr. 2, § 2 Nr.<br />

2),<br />

- welche Anzahl von Geräten auf welcher Grundfläche aufge-<br />

16 So aber Martinez, Gewo, Beck´scher online-Kommentar, hrsg. von Chr. Pie-<br />

low, § 33 i Einleitung: „abgeschlossener Sondertatbestand“.<br />

17 Hierzu Hahn, in: Friauf, Gewo-Komm., Lsbl., Stand Juli 2006, § 33 i Rn. 36;<br />

Tettinger, in: Tettinger/Wank, Gewo, 7. Aufl. 2004, § 33 i Rn. 19.<br />

18 Verordnung über Spielgeräte und andere Spiele mit Gewinnmöglichkeit (Spiel-<br />

verordnung – SpielVo) i. d. Fass. der fünften Vo zur Änderung der SpielVo<br />

vom 17.12.2006 (BGBl. I S. 3495 ff.).<br />

19 Anders anscheinend oVG Hamburg, nVwZ-RR 2007, 391, das – allerdings<br />

ohne nähere Begründung - eine Zuordnung zu § 33 i Gewo speziell für die §§ 6<br />

– 10 SpielVo annimmt; vgl. in diesem Kontext auch Ennuschat/Brugger, ZfWG<br />

2006, 292, 293, die lediglich für § 3 II sowie § 6 IV 2 SpielVo eine Zuordnung<br />

zu § 33 i Gewo annehmen; anders wiederum BVerfG, nVwZ 1987, 1067, das<br />

§ 3 II SpielVo der Durchführung des § 33 c Gewo zuordnet.<br />

feBruAr 2008 ZfWG 13


Aufsätze<br />

stellt werden dürfen (§ 3 II),<br />

- welche anderen Spiele mit Gewinnmöglichkeiten in einer<br />

Spielhalle veranstaltet (Verbot von Waren-Gewinnspielen)<br />

werden dürfen (§§ 4 – 6),<br />

- wieviele „andere (Geld-Gewinn-)Spiele“ iS. des § 33 d I 1<br />

GewO in einer Spielhalle veranstaltet werden dürfen (§ 4),<br />

- welche Pflichten den Aufsteller von Spielgeräten bzw. den<br />

Veranstalter eines anderen Spiels bei der Ausübung des<br />

Gewerbes treffen (§§ 6 – 10), wobei für den Spielhallenbereich<br />

etwa die Pflicht zur Auslegung von Informationsmaterial zur<br />

Spielsucht zu erwähnen ist (§ 6 IV 2).<br />

Ebenfalls in der SpielVO niedergelegt sind schließlich<br />

Bestimmungen zur ordnungswidrigkeitenrechtlichen<br />

Sanktionierung von Verstößen gegen die aufgeführten<br />

Regelungsvorgaben (§ 19).<br />

C. Reichweite der Abänderungskompetenz<br />

nach Art. 74 I Nr. 11 iVm. Art. 125 a I 2 GG<br />

Vor dem Hintergrund des vielfältigen Ineinandergreifens der<br />

gewerberechtlichen Regelungen zum Recht der Spielgeräte<br />

mit Gewinnmöglichkeit, der sog. „anderen“ Spiele sowie<br />

der Spielhallen bedarf die Frage, in welchem Umfange die<br />

Länder kraft ihrer Spielhallenkompetenz zur Ablösung der<br />

bestehenden gewerberechtlichen Regelungen befugt sind,<br />

einer differenzierenden Bewertung. Insoweit ist zunächst<br />

zu untersuchen, ob und inwieweit der verfassungsrechtliche<br />

Spielhallenbegriff des Art. 74 I Nr. 11 GG überhaupt an<br />

den Spielhallenbegriff anknüpft, wie er durch § 33 i GewO<br />

geprägt wird, oder ob dem Begriff insoweit ein eigenständiger<br />

Inhalt zuzubilligen ist (sub 1.). Hieran anschließend<br />

werden sodann die spielhallenrelevanten Regelungen der<br />

Gewerbeordnung und der SpielVO auf die Frage ihrer landesrechtlichen<br />

Ablösbarkeit hin zu untersuchen sein (sub<br />

2.), bevor schließlich die kompetenziellen Spielräume der<br />

Landesgesetzgebung ausgelotet werden sollen (sub 3.). In einem<br />

im nächsten Heft veröffentlichten zweiten Teil wird abschließend<br />

den zentralen materiell-rechtlichen Grenzen landes-<br />

staatlicher Regulierungen nachzugehen sein.<br />

1. Der Spielhallenbegriff des Art. 74 I Nr. 11 GG<br />

Zur Klärung der Frage, ob und inwieweit bei der Definition des<br />

Spielhallenbegriffes in Art. 74 I Nr. 11 GG auf Erkenntnisse<br />

des gewerberechtlichen Spielhallenbegriffes zurückgegriffen<br />

werden kann, bedarf es zunächst einer Analyse des gewerberechtlichen<br />

Spielhallenbegriffes.<br />

a) Der Begriff der Spielhalle in § 33 i GewO<br />

Betrachtet man den Spielhallenbegriff des § 33 i GewO, wird<br />

dieser durch die Vorgaben der GewO und der hierzu ergangenen<br />

Rechtsprechung recht präzise abgegrenzt bzw. definiert.<br />

Hierzu zählt namentlich die heute allgemein akzeptierte<br />

Festlegung auf einen sog. „raumbezogenen“ Spielhallenbegriff,<br />

der konkret auf das Vorhandensein eines Raumes zur<br />

14 ZfWG feBruAr 2008<br />

Von Prof. Dr. Johannes Dietlein, Düsseldorf<br />

Aufstellung von Geräten bzw. zur Veranstaltung von Spielen<br />

abstellt, nicht dagegen auf das Vorhandensein eines selbständigen<br />

Betriebes. 20 Soweit vormalige Auslegungsdifferenzen<br />

in diesem Punkte Rückwirkungen auf die Zahl der zulässigerweise<br />

aufzustellenden Gewinnspielgeräte haben konnten,<br />

hat sich dieser Punkt nach der Änderung des § 3<br />

SpielVO und der Einführung eines grundflächenbezogenen<br />

Maßstabes weitgehend erledigt. 21 Wesentlich ist ferner die<br />

gesetzliche Festlegung des Spielhallenbegriffes auf einen<br />

Raum, der speziell und ausschließlich der Aufstellung von<br />

Spielgeräten oder der Veranstaltung anderer Spiele iS. des §<br />

33 c und d GewO oder der gewerbsmäßigen Aufstellung von<br />

Unterhaltungsspielgeräten ohne Gewinnmöglichkeit (z.B.<br />

Flipper, Tischfußball, Billard etc.) dient. 22 Im Rahmen dieses<br />

Begriffsverständnisses kommt nicht allein der Eingrenzung der<br />

potentiellen Spielangebote Bedeutung zu, sondern auch und<br />

zumal der gesetzlichen Festlegung auf eine „Aufstellung“ von<br />

Spielgeräten. Mit Blick auf dieses „Aufstellungs“-Erfordernis<br />

wurde in der Vergangenheit etwa der Spielhallencharakter der<br />

Veranstaltung des Laser(kriegs)spieles „Quasar“ in eigens hierzu<br />

angemieteten Hallen unter anderem mit der Begründung<br />

verneint, dass es an einer „Aufstellung“ von Spielgeräten<br />

und damit an einer Spielhalle iS. des § 33 i GewO fehle. 23<br />

Von Bedeutung für die Reichweite des Spielhallenbegriffs<br />

ist schließlich die gesonderte Erwähnung sog. „ähnlicher<br />

Unternehmen“ in § 33 i GewO. Mit dieser Differenzierung<br />

nämlich werden einerseits spielhallenähnliche Bereiche z.<br />

B. in Flughäfen 24 oder in Nebenräumen einer Gaststätte 25<br />

formal aus dem Spielhallenbegriff des § 33 i GewO ausgegliedert,<br />

andererseits aber materiell gleichwohl denselben regulatorischen<br />

Bindungen wie Spielhallen unterworfen.<br />

Nicht mehr dem Begriff der Spielhalle zuzuordnen sind<br />

dagegen unzweifelhaft die (klassischen) Spielbanken.<br />

Dem Spielbankenbegriff unterfallen dabei nach einer<br />

Entscheidung des BayVGH vom 2. Juni 1995 speziell solche<br />

Spielunternehmungen, „die nach ihrem räumlich, personellen und<br />

organisatorischen Zuschnitt sowie nach Ausstattung, Spielangebot<br />

und Erscheinungsbild nach außen die Gewähr dafür bieten, daß<br />

der Gesetzeszweck und die Anforderungen der VO über öffentliche<br />

Spielbanken erfüllt werden“ . 26<br />

b) Keine Übertragbarkeit dieses Begriffsverständnisses<br />

Führt man sich die zahlreichen einfachrechtlichen Elemente<br />

des Spielhallenbegriffes in § 33 i GewO vor Augen, erscheint<br />

20 Hierzu grundlegend BVerwG, GewArch. 1985, 62, 64 und 65; bestätigt durch<br />

BVerwG, GewArch. 1989, 264 sowie GewArch. 1990, 244.<br />

21 Zum Hintergrund Hahn, in: Friauf (Hrsg.), aao., § 33 i Rn. 7.<br />

22 Vgl. etwa Hahn, in: Friauf (Hrsg.), Gewo, § 33 i Rn. 13.<br />

23 Vgl. etwa BayVGH, nVwZ-RR 1995, 32; oVG Rh.-Pf., GewArch. 1994, 374;<br />

Tettinger/Wank, Gewo, 7. Aufl. 2004, § 33 i Rn. 25; ebenso Hahn, in Friauf<br />

(Hrsg.), Gewo-Komm., Lsbl., § 33 i Rn. 15; Lippstreu, GewArch. 1993, 311<br />

ff.; Marcks, in: Landmann/Rohmer, Gewo, § 33 i Rn. 12; Martinez, in: Gewo,<br />

Beck´scher online-Kommentar, hrsg. von Chr. Pielow, § 33 i Abschnitt VII.<br />

24 Hierzu Bad.-Würt. VGH, VBlBW 2004, 34; zu Spielhallen in Bahnen und auf<br />

Schiffen vgl. Hahn, in: Friauf (Hrsg.), Gewo-Komm., Lsbl., § 33 i Rn. 6.<br />

25 Hierzu BVerwG, Urt. vom 14.12.1982, Az. 1 C 71.79; GewArch. 1983, 135.<br />

26 BayVGH, VGHE 48, 76, 77, unter Verweis auf die zahlreichen ordnungsrechtlichen<br />

Durchführungsvorgaben sowie abgabenrechtlichen Vorschriften, „die<br />

effektiv nur von größeren Unternehmen erbracht werden können“.


Von Prof. Dr. Johannes Dietlein, Düsseldorf<br />

es wenig überzeugend, die einfachrechtlichen Festlegungen<br />

unbesehen auf die Verfassungsebene transponieren zu wollen.<br />

a) Praktische Konsequenzen<br />

Bereits ein Blick auf die praktischen Konsequenzen der<br />

Übernahme des einfachrechtlichen Spielhallenbegriffs zeigt<br />

die Problematik deutlich auf. Dies beginnt mit der durch § 33<br />

i GewO grundgelegten Differenzierung zwischen Spielhallen<br />

und „ähnlichen Unternehmen“, deren inhaltliche Übertragung<br />

in das Verfassungsrecht die widersinnige Konsequenz zeitigte,<br />

dass die Länder zwar klassische „Spielhallen“ iS. des bestehenden<br />

§ 33 i GewO zu regulieren berechtigt wären, nicht<br />

aber spielhallenähnliche Unternehmen iS. des § 33 i GewO.<br />

Auch für die übrigen einfachrechtlichen Festlegungen<br />

erscheint eine pauschale Übertragbarkeit in das<br />

Verfassungsrecht kaum plausibel, zumal es sich – wie etwa<br />

bei der raumbezogenen Deutung des Spielhallenbegriffes<br />

oder auch dem „Aufstellungs“- Erfordernis bei Spielgeräten<br />

- um Festlegungen handelt, die durchaus einer abweichenden<br />

Ausformung durch den einfachen Gesetzgeber<br />

zugänglich erscheinen. In diesem Zusammenhang sei nur<br />

darauf verwiesen, dass im Gesetzgebungsverfahren zu<br />

§ 33 i GewO zunächst abweichende Begrifflichkeiten verwendet<br />

wurden, die erst im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens<br />

aufgegeben wurden. 27 Eine Übernahme des in § 33 i<br />

GewO Gesetz gewordenen Begriffsverständnisses in das<br />

Verfassungsrecht führte daher letztlich zu dem wenig einleuchtenden<br />

Ergebnis, dass die Verfassungsauslegung des<br />

Art. 74 I Nr. 11 GG in diesem Punkt für alle Zeiten an den<br />

einfachgesetzlichen Erkenntnisstand des Jahres 2006 28 gebunden<br />

bliebe.<br />

b) Das dogmatische Grundproblem: Vorrang der Verfassung<br />

Eben diese praktischen Konsequenzen verdeutlichen das<br />

dogmatische Grundproblem einer unbesehenen Übernahme<br />

einfachrechtlicher Begrifflichkeiten: So verbietet es gerade<br />

die prinzipielle Offenheit des Verfassungswortlautes für neue<br />

Entwicklungen, verfassungsrechtliche Kompetenzbegriffe mit<br />

kompetenzausfüllendem einfachem Recht gleichzusetzen. 29<br />

Zugleich würde durch eine einfachrechtlich präjudizierte<br />

Verfassungsauslegung – wie bereits oben dargelegt - das<br />

aus Art. 20 III GG abzuleitende Prinzip des Vorranges des<br />

Gesetzes, demzufolge die einfachen Gesetze im Rahmen der<br />

Verfassung gelten, nicht aber die Verfassung im Rahmen der<br />

27 Vgl. hierzu BT-Drs. III/318 S. 16, in der ursprünglich zwischen „Spielhallen“ und<br />

„Spielcasinos“ differenziert wurde, wobei Spielhallen durch die Aufstellung von<br />

Spielgeräten geprägt seien, Spielcasinos dagegen durch die Veranstaltung von<br />

Spielen mit Gewinnmöglichkeiten ohne mechanisch betriebene Geräte sowie<br />

durch die Erhebung eines Eintrittsgeldes; zit. nach Hahn, in: Friauf (Hrsg.),<br />

Gewo-Komm., Lsbl., § 33 i Rz. 3.<br />

28 Vgl. hierzu das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28.8.2006,<br />

BGBl. I S. 2034.<br />

29 J. Rozek, aao., Rn. 50, der insoweit auch von der Gefahr einer „Sklerotisierung“<br />

der Kompetenzordnung (Rn. 49) spricht, wenn durch die Maßgeblichkeit<br />

der Tradition eine Weiterentwicklung verhindert werde; ähnl. R. Scholz, Festgabe<br />

BVerfG, Bd. II, 1976, S. 253, 265; H. Dreier, GG-Komm., Bd. II, 1998, Art.<br />

70 Rn. 25.<br />

Aufsätze<br />

einfachen Gesetze, förmlich auf den Kopf gestellt. 30<br />

γ) Tradition eines Rechtsgebietes<br />

Auch soweit die neue Spielhallenkompetenz der Länder<br />

nach Art. 74 I Nr. 11 GG vor dem Hintergrund der bestehenden<br />

Regelung des § 33 i GewO begründet wurde, vermag<br />

dies eine unbesehene Übertragung der Begrifflichkeiten in<br />

das Verfassungsrecht nicht zu rechtfertigen. Zwar neigt<br />

namentlich das Bundesverfassungsgericht durchaus dazu,<br />

normativ ausgerichtete, also auf die Zuweisung von abstrakten<br />

Rechtsgebieten (z.B. bürgerliches Recht, Strafrecht)<br />

bezogene Kompetenztitel, in der „Tradition“ des jeweiligen<br />

Rechtsgebietes auszulegen. 31 Die diesbezüglichen<br />

Voraussetzungen, nämlich dass es sich um einen normativ<br />

geprägten Kompetenztitel handelt (αα) sowie sich in der<br />

Vergangenheit eine gefestigte Rechtstradition gebildet hat<br />

(ββ), liegen indes hier nicht vor.<br />

αα) Spielhallenrecht als Zuweisung eines Lebenssachverhaltes<br />

Bereits was die Struktur des Kompetenztitels angeht, ergeben<br />

sich durchgreifende Bedenken, ob Art. 74 I Nr. 11 GG mit der<br />

Erwähnung des Spielhallenrechts als „normativ“ ausgerichteter<br />

Kompetenztitel verstanden werden kann. Nach hiesiger<br />

Auffassung liegt es näher, in dem Begriff der „Spielhalle“ die<br />

deskriptive Beschreibung eines konkreten Lebenssachverhaltes<br />

bzw. –bereiches zu sehen. Für derartige „deskriptiv“ geformte<br />

Kompetenztitel aber kann die Anknüpfung an tradierte<br />

Regelungskonzepte ohnehin nicht in dem Maße gelten wie für<br />

normativ geprägte Kompetenztitel. 32<br />

ββ) Kein traditionell vorgeprägter Normenbereich<br />

Entscheidend aber dürfte sein, dass im Hinblick auf den<br />

Spielhallenbegriff des § 33 i GewO, der erst im Jahre<br />

1960 Eingang in die fast 100 Jahre ältere Gewerbeordnung<br />

fand, ohnehin kaum von einer gewachsenen Tradition<br />

gesprochen werden kann. Zu Recht heißt es hierzu im<br />

Grundgesetzkommentar v. Mangoldt/Klein/Starck: „Für<br />

entwicklungsoffene, jüngere Rechtsgebiete kann der Aspekt der<br />

Tradition dabei nicht in gleicher Weise zu Buche schlagen wie<br />

für ältere, zumal vorkonstitutionelle und umfassend kodifizierte<br />

Materien nach Art des bürgerlichen Rechts; er entfällt ganz, wenn<br />

bei einer – unter Umständen erst nachträglichen – Aufnahme<br />

des Kompetenztitels in das Grundgesetz eine solche Tradition im<br />

fraglichen Rechtsgebiet noch nicht zu verzeichnen war“. 33 Eben<br />

jene Entwicklungsoffenheit bei gleichzeitigem Fehlen einer<br />

gewachsenen Gesetzgebungstradition aber ist im Hinblick auf<br />

das Spielhallenwesen anzunehmen.<br />

Im Ergebnis ist daher davon auszugehen, dass es sich bei<br />

30 Hierzu insbes. J. Rozek, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG-Komm., Bd. II, 5.<br />

Aufl. 2005, Art. 70 I Rn. 49.<br />

31 Vgl. etwa BVerfGE 109, 190, 213 ff; eingehend hierzu auch Chr. Degenhart,<br />

in: Sachs (Hrsg.), GG-Komm., 4. Aufl. 2007, Art. 70 Rn. 46 unter Hinweis auf<br />

BVerfGE 42, 20, 29, 61, 149, 175; 67, 299, 314 ff.; 75, 108, 146; Heintzen, in:<br />

Bonner Kommentar zum GG, Lsbl., Art. 70, Rn. 130; Rozek, in: v. Mangoldt/<br />

Klein/Starck, GG-Komm., Bd. II, 5. Aufl. 2005, Art. 70 Rn. 52.<br />

32 Wie hier etwa J. Rozek, aao., Rn. 52.<br />

33 J. Rozek, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG-Komm., Bd. II, 5. Aufl. 2005, Art. 70<br />

I Rn. 52; ebenso Chr. Degenhart, in: Sachs (Hrsg.), GG-Komm., 4. Aufl. 2007,<br />

Art. 70 Rn. 47 a. E.<br />

feBruAr 2008 ZfWG 15


Aufsätze<br />

dem Spielhallenbegriff des Art. 74 I Nr. 11 GG nicht um<br />

den einfachrechtlich ausformulierten Rechtsbegriff des §<br />

33 i GewO handelt, sondern um die Beschreibung eines<br />

Sachbereichs der Lebenswirklichkeit, der unabhängig von<br />

den Begrifflichkeiten des § 33 i GewO zu bestimmen ist.<br />

Diese Auslegung wird insbesondere nicht dadurch in Frage<br />

gestellt, dass die Änderungen des Art. 74 I Nr. 11 GG in der<br />

Föderalismusdebatte unter dem Stichwort der „Kompetenzen<br />

mit regionalem Bezug“ geführt wurden. Denn ungeachtet der<br />

rechtlichen Unverbindlichkeit derartiger Themenüberschriften<br />

kommt dem Spielhallenwesen ein regionaler Bezug unabhängig<br />

davon zu, ob man die Kompetenznorm mit der h.M. auf<br />

die Reichweite des bisherigen § 33 i GewO reduzieren will<br />

oder ihr entsprechend dem hier dargelegten Verständnis einen<br />

weiten Anwendungsbereich beimisst.<br />

c) Art. 125 a I 2 GG als Argument für eine sachbereichs-,<br />

nicht normenbezogene Auslegung der Kompetenztitel<br />

Die im Schrifttum vorrangig anzutreffende Fokussierung der<br />

Spielhallenkompetenz der Länder auf die derzeit geltende<br />

Regelung des § 33 i GewO steht zudem in einem augenfälligen<br />

Widerspruch zu dem allgemeinen Verständnis der<br />

Ablösungsregelung des Art. 125 a I 2 GG. So ist die ursprüngliche<br />

Entwurfsfassung dieser Norm, die davon sprach, dass das<br />

Bundesrecht „durch Landesrecht aufgehoben und ergänzt“ werden<br />

kann, gerade deshalb nicht Verfassungsgesetz geworden,<br />

weil die Aufhebung einzelner Normen eines Bundesgesetzes<br />

ausgeschlossen werden sollte. 34 Ein Land kann danach also<br />

nur gesamte Lebenskomplexe bzw. abgrenzbare Teilbereiche<br />

regeln, nicht aber einzelne Vorschriften ändern. 35 Da aber<br />

das Spielhallenrecht – wie dargelegt – nicht allein durch § 33<br />

i GewO inhaltlich reglementiert wird, läge in einer auf § 33<br />

i GewO fokussierten bzw. reduzierten Auslegung des Art. 74<br />

I Nr. 11 GG eben jene einzelnormbezogene Intervention, die<br />

Art. 125 a I 2 GG gerade verhindern will.<br />

d) Keine Bindung durch Art. 31 GG<br />

Die hier dargelegte Unabhängigkeit der Verfassungsauslegung<br />

von den einfachrechtlichen Vorgaben des § 33 i GewO wird<br />

auch nicht durch die Vorrangregelung des Art. 31 GG<br />

(„Bundesrecht bricht Landesrecht“) in Frage gestellt. Denn als<br />

„Kollisionsnorm“ findet Art. 31 GG von vornherein nur<br />

dort Anwendung, wo wirksam erlassene und fortgeltende<br />

Regelungen des Bundes- und des Landesrechts für ein und denselben<br />

Lebenssachverhalt eine unterschiedliche Rechtsfolge<br />

anordnen. Eine solche Kollision aber kann im vorliegenden<br />

Kontext von vornherein nicht entstehen. Denn etwaige mit<br />

der Gewerbeordnung des Bundes „kollidierende“ spielhallenrechtliche<br />

Regelungen der Länder bewirkten, soweit sie im<br />

Rahmen der durch Art. 74 I Nr. 11 GG vermittelten Kompetenz<br />

erlassen wurden, nach der ausdrücklichen Anordnung des<br />

Art. 125 a I 2 GG automatisch das Außerkrafttreten der<br />

bundesrechtlichen Regelungen. Soweit es also um genuin<br />

34 Hierzu etwa Jarass, in: Jarass/Pieroth, aao., Art. 125 a Rn. 8; ebenso Degen-<br />

hart, in: Sachs (Hrsg.), GG-Komm., 4. Aufl. 2007, Art. 125 a Rn. 6.<br />

35 BVerfGE 111, 10, 29 f. – zu Abs. 2 der norm; vgl. auch Jarass, aao.<br />

16 ZfWG feBruAr 2008<br />

Von Prof. Dr. Johannes Dietlein, Düsseldorf<br />

spielhallenrechtliche Regelungen geht, formuliert Art. 125<br />

a I 2 GG damit eine eigenständige Vorrangregelung, die im<br />

Kollisions- oder genauer Doppelnormierungsfall nicht etwa<br />

den Bruch des Landesrechts, sondern das Außerkrafttreten<br />

des Bundesrechts anordnet. Das Bundesrecht gilt dann in den<br />

verbleibenden Ländern als partikulares Bundesrecht fort. 36<br />

e) Inhaltliche Annäherungen an den Spielhallenbegriff<br />

Die vorangegangenen Überlegungen haben deutlich gemacht,<br />

dass der Spielhallenbegriff des Art. 74 I Nr. 11 GG nicht<br />

mit dem durch § 33 i GewO konturierten Rechtsbegriff der<br />

„Spielhalle“ gleichgesetzt werden kann, sondern die autonome<br />

Beschreibung eines Sach- bzw. Lebensbereiches enthält,<br />

der fortan einer landesrechtlichen Regulierung zugeführt<br />

werden kann. Freilich birgt gerade die vom einfachen Recht<br />

abgelöste Auslegung des Spielhallenbegriffes in Art. 74 I Nr.<br />

11 GG zugleich auch besondere Schwierigkeiten in sich.<br />

Insoweit kann gewiss zunächst eine negative Abgrenzung der<br />

Spielhallenkompetenz insoweit durchgeführt werden, als das<br />

Recht der „Spielbanken“, die in Art. 106 II Nr. 6 GG ausdrücklich<br />

genannt sind, von der „Spielhallen“-Zuständigkeit<br />

nicht erfasst ist . 37<br />

Im Sinne einer „negativen“ Kompetenzabgrenzung ist ferner<br />

davon auszugehen, dass mit dem Begriff der Spielhalle nicht<br />

zugleich das gesamte Spiel- und Automatenrecht, insbesondere<br />

also nicht das „allgemeine“, gleichsam standortun-<br />

gebundene Automatenglücksspiel, erfasst wird. Zwar erschiene<br />

es mit Blick auf das vielzitierte glücksspielrechtliche<br />

Kohärenzgebot keineswegs von vornherein ausgeschlossen, das<br />

Automatenglücksspiel aufgrund seines hohen Suchtpotentials<br />

in der Zukunft einem ordnungsrechtlichen Rechtsregime und<br />

damit der Landesgesetzgebung zu unterstellen. 38<br />

Aufgrund der in Art. 74 I Nr. 11 GG vollzogenen sprachlichen<br />

Verknüpfung des Spielbegriffs mit dem Begriff der<br />

„Halle“ wird man die neu formulierte Landeskompetenz indes<br />

nicht auf das gesamte gewerbliche Spielrecht beziehen können,<br />

sondern auf die Errichtung und den Betrieb konkreter<br />

Geschäftseinrichtungen abzustellen haben, die – in welcher<br />

Form auch immer – in spezifischer Weise dem Spiel dienen.<br />

In diesem Sinne impliziert der Spielhallenbegriff des Art. 74<br />

I Nr. 11 GG also zugleich, dass gewerbliche Spiele potentiell<br />

auch außerhalb von Spielhallen angeboten werden können,<br />

also etwa in Gaststätten, was freilich nach hiesiger Auffassung<br />

immerhin aber zur Anwendbarkeit der neuen gaststättenrechtlichen<br />

Landeskompetenz aus Art. 74 I Nr. 11 iVm. Art.<br />

70 I GG führen würde. 39 Positiv gewendet ergibt sich aus der<br />

Autonomie des verfassungsrechtlichen Spielhallenbegriffes,<br />

dass der Spielhallenkompetenz nach Art. 74 I Nr. 11 GG<br />

unproblematisch auch die „ähnlichen Unternehmen“ iS.<br />

36 Vgl. Jarass, in: Jarass/Pieroth, aao., Art. 125 a Rn. 8 mwn.<br />

37 Zur einfachrechtlichen Abgrenzung auch BayVGH, VGHE 48, 76, 77.<br />

38 Hierzu oben II B 2 ; hierzu auch die Entscheidung des EFTA-Court, Urt. vom<br />

8.11.2006, Rs. E-1/06 m. krit. Anm. Winkelmüller, GewArch. 2007, 235 ff.<br />

39 A. A. aber Ennuschat/Brugger, ZfWG 2006, 292, 293, die weiterhin von einer<br />

Zuordnung zur Bundeskompetenz nach Art. 74 I nr. 11 GG ausgehen.


Von Prof. Dr. Johannes Dietlein, Düsseldorf<br />

des § 33 i GewO zuzurechnen sind, selbst wenn es sich bei<br />

ihnen nicht um Spielhallen iS. des § 33 i GewO handelt. 40<br />

Da der verfassungsrechtliche Spielhallenbegriff nicht durch<br />

die Merkmale des § 33 i GewO konstituiert bzw. präjudiziert<br />

wird, dürfte es dem Landesgesetzgeber richtigerweise<br />

auch nicht verwehrt sein, künftig verschiedene Typen von<br />

Spielhallen zu differenzieren und womöglich unterschiedlich<br />

zu reglementieren, wobei etwa eine Differenzierung zwischen<br />

– schärfer regulierten - Spielhallen mit Glücksspielangeboten<br />

und – weniger scharf reglementierten - sonstigen Spielhallen<br />

denkbar wäre. 41<br />

Aufgrund der hiernach verfassungsrechtlich zugewiesenen<br />

Definitionshoheit des Landesgesetzgebers über<br />

die dem Lebensbereich der „Spielhallen“ zuzurechnenden<br />

Unternehmungen dürfte eine landesrechtliche<br />

Regulierungsbefugnis fortan auch für solche Einrichtungen<br />

zu bejahen sein, die - wie sog. „Laserdrome“ - als räumlicher<br />

Gesamtkomplex der Durchführung eines (Geräte-) Spieles<br />

dienen, selbst wenn es hierbei nicht zu einer eigentlichen<br />

„Aufstellung“ von Geräten iS. des § 33 i GewO kommt. Der<br />

in der Rechtsprechung zur Abgrenzung geprägte und auf die<br />

tatsächliche Erfassung eines Lebenssachverhalts bezogene<br />

Begriff des „typischen Spielhallenfluidums“ 42 dürfte insoweit<br />

auch im verfassungsrechtlichen Kontext von Bedeutung<br />

bleiben, ohne dass er freilich die Entwicklungsoffenheit des<br />

verfassungsrechtlichen Spielhallenbegriffes tangieren darf. 43<br />

Letztlich gibt Art. 74 I Nr. 11 iVm. Art. 70 I GG dem<br />

Landesgesetzgeber damit die Befugnis, die Errichtung und<br />

den Betrieb von Einrichtungen, die – ohne Spielbanken zu<br />

sein – auf das Angebot von Automatenglücksspielen und<br />

sonstigen Spielen jenseits genuin sportlicher Wettkämpfe ausgerichtet<br />

sind, einer eigenen Regulierung zu unterwerfen.<br />

2. Ablösbarkeit der bestehenden gewerberechtlichen<br />

Regelungen<br />

Mit Blick auf die autonome Befugnis der Länder zur Regelung<br />

des Lebensbereichs der Spielhallen stellt sich die im Folgenden<br />

näher zu untersuchende Frage, welche Regelungsvorgaben<br />

der Gewerbeordnung und der SpielVO konkret gem. Art. 125<br />

a I 2 GG durch Landesrecht abgelöst werden können. Dabei<br />

geht es zunächst allein um die kompetenzielle Reichweite der<br />

Regelungshoheit der Länder.<br />

a) Ablösbare Entscheidungen des § 33 i GewO<br />

Nimmt man zunächst die Regelung speziell des § 33 i GewO<br />

in den Blick, stehen kompetenziell insbesondere folgende<br />

Entscheidungen des geltenden Gewerberechts zur Disposition<br />

des Landesgesetzgebers:<br />

- die Entscheidung für einen raumbezogenen (Erlaubnisertei-<br />

40 So im Erg. auch Ennuschat/Brugger, ZfWG 2006, 292, 293.<br />

41 Zu den materiellen Hintergründen für eine derartige Differenzierung s. Teil 2 (im<br />

nächsten Heft).<br />

42 Hierzu oVG nRW, DVBl. 1998, 1229, 1230; Bad.-Würt. VGH, VBlBW 2004,<br />

34, 35.<br />

43 Hierzu oben C 1 b.<br />

Aufsätze<br />

lung für bestimmte Räume) anstelle eines unternehmensbezogenen<br />

Spielhallenbegriffs;<br />

- die Verknüpfung des Spielhallenbegriffs mit dem Erfordernis<br />

einer „Aufstellung“ von Geräten (Einbeziehung des „Quasar-<br />

Laserspieles“);<br />

- die Verknüpfung des Spielhallenbegriffs mit dem Erfordernis<br />

einer „ausschließlichen oder überwiegenden“ Nutzung der<br />

Spielhalle für das Angebot von Gerätespielen, sonstigen<br />

Spielen oder Unterhaltungsspielen ohne Gewinnmöglichkeit,<br />

soweit hierdurch nicht das Automatenrecht allgemein reguliert<br />

wird;<br />

- die bisherigen Festlegungen hinsichtlich der in einer Spielhalle<br />

potentiell zu offerierenden Spielgeräte und Spiele einschließlich<br />

des möglichen Verbots bestimmter Spiele (spielbezogene<br />

Elemente des Spielhallenbegriffs);<br />

- die Festlegung zum präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt<br />

einschließlich der darin enthaltenen tatbestandlichen<br />

Voraussetzungen für eine Erlaubniserteilung.<br />

b) Ablösbare allgemeine Regelungen der Gewerbeordnung<br />

Über die konkreten Regelungsaspekte des § 33 i GewO hinausgehend<br />

muss es dem Landesgesetzgeber ferner freistehen,<br />

eigene spielhallenbezogene Regelungen zu erlassen über<br />

- die Führung des Betriebes durch Dritte (§ 47 GewO),<br />

- die Betriebsfortführung im Falle des Todes (§ 46 GewO),<br />

- Erlaubnisrücknahmen,<br />

- Betriebsschließungen (§ 35 GewO),<br />

- Anzeige- und Informationspflichten sowie Betriebsbetretungen<br />

(§ 29 GewO),<br />

- die Statuierung von Ordnungswidrigkeiten-Tatbeständen<br />

(§ 144 I Nr. 1 d GewO).<br />

c) Zur Frage der Ablösbarkeit der allgemeinen gewerberechtlichen<br />

Vorgaben zum Spiele- und Automatenrecht<br />

Von der Ablösungskompetenz des Art. 125 a I 2 GewO nicht<br />

erfasst bleiben demgegenüber die allgemeinen Regelungen der<br />

Gewerbeordnung zum Spiele- und Automatenrecht, soweit<br />

ihnen kein spielhallenrechtlicher Bezug zukommt, namentlich<br />

also<br />

- die allgemeinen Erlaubnisvorbehalte zur gewerbsmäßigen<br />

Aufstellung von Automaten (§ 33 c I und III GewO), soweit<br />

ihnen ein spielhallenrechtlicher Bezug nicht zukommt,<br />

- das Erfordernis der Bauartzulassung nach § 33 c I GewO,<br />

- das allgemeine Zulassungserfordernis für die Veranstaltung<br />

feBruAr 2008 ZfWG 17


Aufsätze<br />

von Spielen iS. des § 33 d GewO,<br />

- das Erfordernis eine Unbedenklichkeitsbescheinigung iS. des<br />

§ 33 d II GewO.<br />

Hieraus kann freilich nicht gefolgert werden, dass spielhallenspezifische<br />

Abweichungen von den Regelungsvorgaben<br />

der §§ 33 c ff. GewO a priori unzulässig wären. 44 Vielmehr<br />

können nach hiesiger Auffassung abweichende Regelungen<br />

insoweit erlassen werden, als diese speziell den Lebensbereich<br />

der Spielhallen regulieren sollen. Beispielhaft kann insoweit<br />

etwa auf die bisherige Kumulation von Genehmigungen<br />

zur Aufstellung von Spielgeräten mit Gewinnmöglichkeiten<br />

in einer Spielhalle verwiesen werden, die nach geltendem<br />

Recht neben der Spielhallenerlaubnis nach § 33 i GewO<br />

auch die Bauartzulassung (§ 33 c I 2 GewO), die allgemeine<br />

Aufstellungserlaubnis (§ 33 c I GewO) sowie die Bestätigung<br />

nach § 33 c III GewO voraussetzt. So sprechen gute Gründe<br />

für die Annahme, dass die neue Landeszuständigkeit für<br />

das Spielhallenwesen auch die Kompetenz umfasst, das<br />

Genehmigungsverfahren für Spielhallen und die dort präsentierten<br />

Angebote insgesamt neu zu ordnen und ggf. zu<br />

bündeln. Insoweit dürfte die durch die Föderalismusreform<br />

geschaffene optionale Loslösung des Spielhallenrechts aus<br />

dem Gewerberecht durchaus mit der gewerberechtlichen<br />

„Bereichsausnahme“ für das Spielbankenrecht nach § 33 h Nr.<br />

1 GewO vergleichbar sein. So wird der Anwendungsausschluss<br />

in § 33 h GewO dort ganz überwiegend dahin gedeutet, dass<br />

die §§ 33 c bis g GewO auch dann unanwendbar bleiben,<br />

wenn – was praktisch freilich kaum vorkommen dürfte - in<br />

einer Spielbank Spielgeräte iS. des § 33 c aufgestellt oder<br />

Spiele iS. des § 33 d GewO veranstaltet würden. 45 Dies aber<br />

bedeutet anders gewendet, „dass insoweit auch Erlaubnisse,<br />

Bauartzulassung und Unbedenklichkeitsbescheinigung entfallen,<br />

wenn das Landesrecht nichts Gegenteiliges bestimmt“. 46<br />

Angesichts der Reichweite schon der einfachgesetzlichen<br />

Bereichsausnahme für das Spielbankenrecht in § 33 h Nr. 1<br />

GewO erschiene es wenig überzeugend, der sogar verfassungsrechtlich<br />

vorgegebenen neuen Sonderkompetenz der Länder<br />

für das Spielhallenrecht eine entsprechende Reichweite zu versagen.<br />

Immerhin aber führt die Ablösungskompetenz des Art.<br />

74 I Nr. 11 GG nicht – wie bei § 33 h GewO – von vornherein<br />

zu einer Unanwendbarkeit der §§ 33 c ff. GewO für Spielhallen,<br />

sondern lediglich zu einer – optionalen – Ablösungsbefugnis<br />

des Landesgesetzgebers. Die hier vorgenommene Bemessung<br />

der Spielhallenkompetenz erscheint auch deshalb folgerichtig,<br />

weil die §§ 33 c ff. GewO insgesamt in ein gewerberechtli-<br />

44 So aber wohl Ennuschat/Brugger, ZfWG 2006, 292, 293.<br />

45 Vgl. etwa M. Bahr, Glücks- und Gewinnspielrecht, 2005, S. 64 Rn. 249; auch<br />

Meßerschmidt, in: Beck´scher online-Kommentar Gewo, § 33 c Rn. 8; hierzu<br />

ausführlich Hahn, in: Friauf (Hrsg.), Gewo-Komm., § 33 h Rn. 9 unter Verweis<br />

auf BR-Drs. 81/78, S. 4; ebenso Tettinger/Wank, Gewo, 7. Aufl. 2004, Vor §§<br />

33 c ff. Rn. 7; Marcks, in: Landmann/Rohmer, Gewo, § 33 c Rn. 11; aus der<br />

Rspr. auch VGH München, GewArch. 1995, 374; a. A. wohl Fröhler/Kormann,<br />

Gewo, 1978, § 33 h Rn. 1, Hoffmann, in: Brauchitsch/Reuß, Wirtschaftsverwaltungsrecht,<br />

§ 33 h Gewo Anm.I<br />

46 So für Spielbanken Hahn, aao.; wobei darauf hinzuweisen ist, dass die<br />

Unanwendbarkeit der Gewo regelmäßig durch den Erlass behördlicher Spielordnungen<br />

kompensiert wird, mit denen die Spielabläufe im Einzelnen geregelt<br />

werden; hierzu auch Bahr, aao., Rn. 253.<br />

18 ZfWG feBruAr 2008<br />

Von Prof. Dr. Johannes Dietlein, Düsseldorf<br />

ches System eingebettet sind, das die Länder – vorbehaltlich<br />

der nachfolgenden materiellen Prüfung - hinsichtlich der<br />

Spielhallen nicht ohne Weiteres fortzuführen verpflichtet<br />

sind. Sollte also der Landesgesetzgeber die Spielhallen künftig<br />

einem strengeren Regelungssystem zuführen wollen, als<br />

dieses dann für das allgemeine Automatenrecht (weiter) gilt,<br />

erschiene es nur konsequent, dem Landesgesetzgeber insoweit<br />

auch die Regelung etwa der Bauartenzulassung oder der allgemeinen<br />

Aufstellungserlaubnis zuzugestehen.<br />

Denkbar bliebe schließlich, dass der Landesgesetzgeber – ohne<br />

die grundsätzliche Entscheidung für ein Marktmodell bei<br />

Spielhallen in Frage zu stellen – zusätzliche Anforderungen<br />

speziell an die Aufstellung von Spielgeräten in Spielhallen<br />

formuliert, die in den bisherigen Regelungen der §§ 33 c und<br />

d GewO nicht vorgesehen sind.<br />

d) Ablösbarkeit von Regelungsvorgaben der SpielVO<br />

Nachdem die vorangegangenen Ausführungen gezeigt haben,<br />

dass die Ablösekompetenz der Länder - entgegen der bislang<br />

vorherrschenden Meinung - keinesfalls auf den Bereich des<br />

bisherigen § 33 i GewO beschränkt bleibt, stellt sich schließlich<br />

die Frage, inwieweit die Bestimmungen der nach § 33<br />

f GewO ergangenen SpielVO dem ablösbaren Bundesrecht<br />

zuzuordnen sind. Sie beantwortet sich konsequenterweise<br />

danach, ob und inwieweit die SpielVO spezifisch spielhallenrechtliche<br />

Regelungen trifft.<br />

Hinsichtlich der hiernach vorzunehmenden Zuordnung der<br />

Bestimmungen der SpielVO gehen die Meinungen im Schrifttum<br />

derzeit erheblich auseinander. So vertritt etwa Schönleiter die<br />

These, dass die Vorschriften der SpielVO insgesamt nicht etwa<br />

die Vorgaben des § 33 i GewO, sondern solche der §§ 33 c, 33<br />

d und 33 e GewO konkretisierten und damit auch weiterhin<br />

der – nicht ablösbaren - (Vorrang) Gesetzgebung des Bundes<br />

nach Art. 74 I Nr. 11 GG unterfielen. 47 Ebenfalls eher zurückhaltend<br />

äußern sich Ennuschat/Brugger, die darauf abstellen<br />

wollen, ob und inwieweit Bestimmungen der SpielVO speziell<br />

auf § 33 i GewO zurückgeführt werden können, was die<br />

Autoren – übrigens durchaus im Gegensatz zu Aussagen einer<br />

Kammerentscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom<br />

27.3.1987 48 - allein für § 3 II sowie § 6 IV 2 SpielVO anneh-<br />

men. 49 Folge dieses Ansatzes wäre, dass den Ländern ein<br />

Zugriff auf die SpielVO nicht oder allenfalls in engen<br />

Grenzen möglich wäre.<br />

Beide Ansätze spiegeln indes letztlich die hier verworfene<br />

Auslegung des Verfassungsrechts am Maßstab des einfachen<br />

Rechts wider und können vor dem Hintergrund der bisherigen<br />

Untersuchungsergebnisse nicht überzeugen. Maßgeblich<br />

kann nach den dargelegten Erwägungen vielmehr nur sein,<br />

47 Vgl. dens., GewArch. 2006, 371, 373.<br />

48 Vgl. etwa BVerfG, nVwZ 1987, 1067, wo § 3 II SpielVo als Regelung „zur<br />

Durchführung des § 33 c Gewo“ qualifiziert wird.<br />

49 Vgl. dies., ZfWG 2006, 292, 293, wobei an anderer Stelle durchaus die Mög-<br />

lichkeit einer landesstaatlichen Kontingentierung der Anzahl der zugelassenen<br />

Spielhallen erwähnt wird (Abschnitt D II a. E.: „Steuerung der Zahl von Spielhallen“);<br />

tendenziell zurückhaltend wohl auch Hahn, GewArch. 2007, 89.


Von Prof. Dr. Johannes Dietlein, Düsseldorf<br />

ob und inwieweit Vorgaben der SpielVO den Lebensbereich<br />

der Spielhallen ausgestalten, gleichviel ob sie insoweit letztlich<br />

§ 33 i GewO oder aber sonstigen Bestimmungen der<br />

GewO zuzuordnen sind. Beispielhaft kann insoweit auf<br />

die Fixierung zulässiger Aufstellungsorte für Automaten<br />

mit Gewinnmöglichkeiten nach § 1 SpielVO oder auf die<br />

Festlegung der Zahl von Geldspielgeräten in Spielhallen<br />

nach § 3 II, III SpielVO verwiesen werden. So mögen die<br />

genannten Bestimmungen gewerberechtlich durchaus als<br />

Durchführungsregelung zu den Vorgaben des § 33 c III GewO<br />

gesehen werden 50 ; dies ändert freilich nichts daran, dass hiermit<br />

eine materielle Entscheidung über die Ausgestaltung des<br />

konkreten (Glücksspiel-) Angebots in Spielhallen getroffen<br />

wird. Eben diese Entscheidung aber wird man künftig der<br />

Landesgesetzgebung nach Art. 74 I Nr. 11 iVm. Art. 70 I GG<br />

zuordnen müssen.<br />

In diesem Sinne ergibt sich ein spielhallenrechtlicher Bezug<br />

nach hiesiger Auffassung namentlich für folgende Regelungen<br />

der SpielVO:<br />

- § 1 SpielVO, soweit hierdurch geregelt wird, dass die betreffenden<br />

(Geld-) Spielgeräte in Spielhallen oder ähnlichen<br />

Unternehmen aufgestellt werden dürfen,<br />

- § 2 SpielVO, soweit hierdurch geregelt wird, dass die betreffenden<br />

(Waren-) Spielgeräte in Spielhallen oder ähnlichen<br />

Unternehmen aufgestellt werden dürfen,<br />

- § 3 II und III SpielVO, soweit hierdurch die Zahl der zugelassenen<br />

Geräte in einer Spielhalle festgelegt wird,<br />

- § 4 SpielVO, soweit hierdurch geregelt wird, dass die betreffenden<br />

Spiele in Spielhallen veranstaltet werden dürfen,<br />

- § 5 SpielVO, soweit hierdurch geregelt wird, dass die<br />

betreffenden Spiele nicht in Spielhallen veranstaltet werden<br />

dürfen,<br />

- § 19 SpielVO, soweit es um die Sanktionierung einer landesrechtlich<br />

ablösbaren spielhallenrechtlichen Regelung geht.<br />

Aber auch für die in den §§ 6 ff. SpielVO geregelten<br />

Verpflichtungen bei der Ausübung des Gewerbes müssen<br />

nach den Darlegungen oben cc) Abweichungsmöglichkeiten<br />

der Länder denkbar bleiben, soweit hiermit speziellen spielhallenrechtlichen<br />

Besonderheiten Rechnung getragen werden<br />

soll. Dies gilt umso mehr, als die §§ 6 ff. SpielVO<br />

auf dem Gedanken einer gewerblichen Ausrichtung des<br />

Spielhallenbetriebes basieren und insoweit mit einem etwaigen<br />

Systemwechsel im Spielhallenbereich ohnehin ihre sachliche<br />

Legitimation verlören. 51<br />

50 Vgl. zu § 1 SpielVo etwa Tettinger/Wank, Gewo, 7. Aufl. 2004, § 33 c Rn. 44;<br />

zu § 3 II und III vgl. BVerfG, aao.<br />

51 So im Erg. wohl auch oVG Hamburg, nVwZ-RR 2007, 391, das die §§ 6 – 10<br />

SpielVo dem § 33 i Gewo zuordnet.<br />

Aufsätze<br />

3. Die denkbaren Regelungsoptionen unter kompetenziellen<br />

Aspekten<br />

Unter kompetenziellen Aspekten ergibt sich damit ein<br />

umfassender Handlungs- und Gestaltungsspielraum des<br />

Landesgesetzgebers zur Regulierung des Spielhallenwesens.<br />

Der Landesgesetzgeber kann danach durch Unterlassen<br />

einer eigenen Regulierung die Fortgeltung der gewerberechtlichen<br />

Normen des Bundes veranlassen. Zieht er dagegen<br />

die Regelungsmaterie gem. Art. 125 a I 2 GG an<br />

sich, erstreckt sich seine Regelungshoheit auf sämtliche<br />

Regelungsaspekte, die explizit, schwerpunktmäßig oder kraft<br />

Sachzusammenhanges das Spielhallenwesen, namentlich also<br />

die Errichtung, Ausstattung und den Betrieb von Spielhallen<br />

betreffen.<br />

Vorbehaltlich der in Teil 2 zu diskutierenden materiellen<br />

Verfassungsbindungen wären danach Landesregelungen<br />

denkbar etwa<br />

- zur Konkretisierung bzw. Fortentwicklung des bisherigen<br />

einfachrechtlich konturierten Spielhallenbegriffes einschließlich<br />

möglicher Differenzierungen zwischen Spielhallen mit<br />

und ohne glücksspielrechtlichen Angeboten,<br />

- zur Zulässigkeit kombinierter Betriebe einschließlich der<br />

Erteilung von sog. Mehrfachkonzessionen,<br />

- zur Kontingentierung der Spielhallen.<br />

Hinsichtlich der Gestaltung des Spielhallenbetriebes wären<br />

denkbar<br />

- (Neu-) Regelungen von Art und Zahl der anzubietenden Spiele/<br />

Spielgeräte (z. B. das Verbot von Geldglücksspielgeräten),<br />

- (Neu-) Regelungen zur Verteilung der Geräte und zur Höhe<br />

der Einsätze,<br />

- (Neu-) Regelungen zur Suchtprävention und zum Jugendschutz,<br />

- (Neu-) Regelungen zu den Geschäfts- /Sperrzeiten.<br />

Schlussendlich ist auch die Normierung der persönlichen<br />

Erlaubnisvoraussetzungen für den Betrieb einer Spielhalle<br />

der neuen Spielhallenkompetenz der Länder zuzuordnen,<br />

so dass etwa veränderte Zuverlässigkeits- und<br />

Sachkundeanforderungen an die Betreiber und das Personal<br />

einer Spielhalle denkmöglich wären.<br />

(Der Beitrag wird fortgesetzt im nächsten Heft, ZfWG 02/08)<br />

feBruAr 2008 ZfWG 19


Aufsätze Von Christina Brugger, Konstanz<br />

die erlAuBnispflichtigkeit von glücksspielen nAch<br />

deM neuen stAAtsvertrAg<br />

Von CHRISTInA BRUGGER, UnIVERSITÄT KonSTAnZ<br />

I. Einleitung und Inhaltsübersicht<br />

Nach teilweise zähem Ringen ist am 01. Januar 2008 der<br />

Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV) 1 in Kraft getreten. In den<br />

einzelnen Länderparlamenten, aber v.a. auch den zuständigen<br />

Ministerien und Verwaltungsbehörden wird eine deutliche<br />

Erleichterung zu spüren sein. Denn von dem Staatsvertrag<br />

erhofft man sich, woran es dem deutschen Glücksspielwesen<br />

– und nicht nur diesem 2 – bisher mangelte: einen Gewinn an<br />

rechtlicher Klarheit.<br />

Den Anlass für die Neuregelung gab das Urteil des BVerfG, 3<br />

welches die unter dem Lotteriestaatsvertrag von 2004<br />

(LottStV 2004) bestehende, weitgehende Konzentration des<br />

Glücksspielangebots in staatlicher Hand als unvereinbar mit<br />

dem Grundrecht der Berufsfreiheit erachtete. Den Ländern<br />

blieben knapp 21 Monate Zeit, mit dem GlüStV eine konsequent<br />

an ordnungsrechtlichen Belangen ausgerichtete<br />

Glücksspielordnung zu schaffen.<br />

Zwar sind noch viele Fragen offen, der Versuch einer umfassenden<br />

rechtlichen Bewertung würde allerdings den Rahmen<br />

dieses Beitrags bei weitem sprengen. Daher sollen lediglich in<br />

einem groben Aufriss die wichtigsten Regelungsinhalte skizziert<br />

werden (unter II.). Im Anschluss wird knapp erläutert,<br />

was unter der Handlungsform „Staatsvertrag“ zu verstehen<br />

ist und welche Rolle sie im landesrechtlichen Rangverhältnis<br />

einnimmt (unter III). Den Schwerpunkt des Beitrags bildet<br />

jedoch die Frage, welcher Gestaltungsspielraum den einzelnen<br />

Ländern bei der Umsetzung des Staatsvertrags zukommt.<br />

Dies soll anhand der zentralen Regelung des GlüStV, der<br />

Festsetzung einer weit reichenden Erlaubnispflicht, untersucht<br />

werden (unter IV.).<br />

II. Die zentralen Regelungsinhalte des<br />

GlüStV<br />

Der zentrale Inhalt des Staatsvertrags ist die Festschreibung<br />

des staatlichen Monopols für die meisten öffentlichen<br />

Glücksspiele, namentlich die großen Lotterien und<br />

Sportwetten. 4 Er sieht vor, dass die Länder diese Aufgabe<br />

selbst, durch juristische Personen des öffentlichen Rechts<br />

1 Abgedr. z.B. in GBl B-W 2007, S. 571.<br />

2 Siehe z.B. zu dem zw. USA und Antigua schwelenden Streit um das Inter-<br />

netglücksspiel: http://www.wto.org/english/tratop_e/dispu_e/cases_e/ds285_<br />

e.htm; zum norweg. Glücksspiel: EFTA-Gerichtshof, ZfWG 2007, S. 218; zum<br />

griech. Glücksspiel: EuGH, ZfWG 2007, S. 22; zu aktuellen Vorlageverfahren<br />

vor dem EuGH: Arendts, ZfWG 2007, S. 347.<br />

3 BVerfG, ZfWG 2006, S. 16.<br />

4 Vgl. hierzu die Erläuterungen zum GlüStVE, abgedr. in LT-Drs Bay 15/8486, S.<br />

9.<br />

20 ZfWG feBruAr 2008<br />

oder mittels privatrechtlicher Gesellschaften, auf welche die<br />

öffentliche Hand maßgeblichen Einfluss ausübt, wahrnehmen.<br />

5 Erstmalig besteht nach dem GlüStV ein umfassender<br />

Erlaubnisvorbehalt für das Veranstalten und Vermitteln von<br />

Glücksspielen. Dies beinhaltet, dass – u.a. neben gewerblichen<br />

Spielvermittlern – auch die staatlichen Anbieter eine<br />

Erlaubnis zu beantragen und für deren Gewährung die weit<br />

reichenden Anforderungen des GlüStV und der ihn konkretisierenden<br />

Ländergesetze zu erfüllen haben. 6<br />

Eine der weiterenbedeutenden Neuerungen ist das ausdrückliche<br />

Verbot des Internetglücksspiels. 7 Damit beabsichtigen die<br />

Länder, den Bedenken des Bundesverfassungsgerichts, welches<br />

auf die Suchtgefahren hingewiesen hat, Rechnung zu tragen. 8<br />

Am stärksten trifft das Verbot die gewerblichen Spielvermittler,<br />

welche staatliche Lotterieprodukte bundesweit über das Internet<br />

anbieten. Ihnen verbleibt nur eine einjährige Übergangsfrist<br />

(§ 25 VI) für die Umgestaltung ihrer – auch durch weitere,<br />

neue Regelungen eingeschränkten 9 – Vermarktungsstruktur,<br />

bevor sie die Grundlage für eine rechtmäßige Betätigung im<br />

Internet verlieren.<br />

In engem Zusammenhang mit dem Internet- wird häufig<br />

auch das umfangreiche Werbeverbot gem. § 5 GlüStV<br />

genannt. Mit ihm wird aus Gründen der Suchtprävention<br />

nachvollzogen, was im Bereich der Tabakwerbung bereits<br />

europaweit geltendes Recht ist. 10 Betroffen ist die Werbung<br />

im Fernsehen als Medium mit der größten Breitenwirkung,<br />

im Internet wegen der einfachen Verknüpfung von Werbung<br />

und Spielteilnahme sowie mittels Telekommunika-<br />

tionsmitteln. 11 Da gerade Lotterien mit geringerem<br />

Gefährdungspotential 12 wie beispielsweise die Aktion<br />

Mensch, 13 die ARD-Fernsehlotterie 14 oder die Glücksspirale 15<br />

ihre Produkte traditionell in Unterhaltungsshows vorstellen,<br />

können für diese Fernsehformate Ausnahmen gewährt werden<br />

(§ 12 II S. 1 GlüStV).<br />

Die Norm des § 9 I S. 3 Nr. 4 GlüStV gibt den Ländern<br />

die Möglichkeit, Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitu<br />

ten die Mitwirkung an Einsatzzahlungen für unerlaubtes<br />

Glücksspiel und an Gewinnauszahlungen aus unerlaubtem<br />

5 § 10 II GlüStV.<br />

6 Hierzu s.u. unter IV.2.<br />

7 § 4 IV GlüStV.<br />

8 Vgl. die Erläuterungen zum GlüStVE, (Fn. 4), S. 15.<br />

9 Siehe z.B. das Verbot örtlicher Verkaufsstellen in § 14 III GlüSpG-Hess, GVBl<br />

Hess I, 2007, S. 835; § 13 II SächsGlüStVAG, GVBl Sachsen 2007, S. 542.<br />

10 Erläuterungen zum GlüStVE, (Fn. 4), S. 11.<br />

11 Erläuterungen zum GlüStVE, (Fn. 4), S. 11.<br />

12 §§ 12 ff. GlüStV.<br />

13 näheres unter: http://www.aktion-mensch.de.<br />

14 näher dazu: http://www.ard-fernsehlotterie.de.<br />

15 näher dazu: http://www.gluecksspirale.de.


Von Christina Brugger, Konstanz<br />

Glücksspiel zu untersagen. Damit erhoffen sich die Behörden,<br />

der Abwanderung deutscher Spieler zu illegal vom Ausland<br />

aus operierenden Online-Casinos Einhalt zu gebieten.<br />

III. Staatsvertrag als Handlungsform<br />

In den neuen GlüStV werden zahlreiche Erwartungen gesetzt:<br />

Die Sensibilisierung der staatlichen Anbieter für ihre ordnungsrechtlichen<br />

Zielsetzungen, die Ausräumung verfassungsrechtlicher<br />

Bedenken, die effektive Bekämpfung der Spielsucht<br />

und der mit ihr verbundenen, negativen Folgen. Was auf<br />

seiner Grundlage jedoch weder erzielt wurde noch erreicht<br />

werden sollte, ist die vollumfängliche Vereinheitlichung des<br />

Glücksspielrechts in allen 16 Ländern. Dies resultiert aus der<br />

gewählten Form der Länder-Kooperation: dem Abschluss<br />

eines Staatsvertrags. Mit dem GlüStV soll die Balance<br />

zwischen bundesweiter Einheitlichkeit und ländereigenen<br />

Entscheidungsspielräumen gehalten werden.<br />

1. Staatsvertrag als Form intraföderaler Kooperation<br />

Der Abschluss von Staatsverträgen stellt eine verbindliche<br />

Form horizontaler Länder-Kooperation dar. 16 Die Spanne<br />

reicht von bilateralen, d.h. nur zwischen zwei Gliedstaaten<br />

geschlossenen 17 über plurilaterale 18 bis hin zu den alle Länder<br />

verpflichtenden, omnilateralen Verträgen, zu denen auch der<br />

GlüStV zählt. 19 Zwar schweigt sich das Grundgesetz zu den<br />

Formen intraföderaler Zusammenarbeit aus. Der Abschluss<br />

von Verträgen zwischen den Ländern als Ausprägung der<br />

deutschen Bundesstaatlichkeit hat sich jedoch zu einer gängigen<br />

Staatspraxis verfestigt 20 und kann durchaus als „föderale<br />

Selbstverständlichkeit“ betrachtet werden. 21 Die Zulässigkeit<br />

von Staatsverträgen wird aus einer Zusammenschau der<br />

grundsätzlichen Kompetenzaufteilung zwischen Bund<br />

und Ländern, deren Staatsqualität, dem Fehlen gegenteiliger<br />

Regelungen im Grundgesetz sowie dem Inhalt einiger<br />

Übergangs- und Schlussvorschriften des Grundgesetzes 22<br />

hergeleitet. 23 Art. 32 III GG allerdings betrifft nur das<br />

Recht der einzelnen Gliedstaaten, Staatsverträge mit auswärtigen<br />

Staaten zu schließen. Er enthält keine Aussage zur<br />

Möglichkeit des Abschlusses von Verträgen der Gliedstaaten<br />

untereinander, wird z. T. aber i. S. eines argumenti a fortiori<br />

16 Weitere Beispiele der Zusammenarbeit sind die (unverbindlichen) Konferenzen<br />

der Ministerpräsidenten (MPK) oder der Ressortminister der Länder sowie die<br />

nicht eines gesetzgeberischen Aktes bedürfenden, die Exekutive bindenden<br />

Verwaltungsabkommen; zu letzterem: Grawert, Verwaltungsabkommen zwischen<br />

Bund und Ländern in der Bundesrepublik Deutschland, 1967, S. 31<br />

ff. (52); Maurer, Staatsrecht I, 5. Aufl. 2007, § 10, Rn. 62.<br />

17 Z.B. StV zwischen dem Freistaat Sachsen und dem Land Thüringen über die<br />

Änderung der gemeinsamen Landesgrenze vom 11.02.1992, GVBl Sachsen<br />

1992, S. 97.<br />

18 Vereinbarung der Länder nordrhein-Westfalen, niedersachsen, Schleswig-Holstein,<br />

Hamburg und Bremen mit Beitritt der Länder Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern<br />

und Sachsen-Anhalt über eine gemeinsame Staatliche<br />

Klassenlotterie (nKL) vom 23.12.1992, GVBl nRW 1993, S. 502.<br />

19 Siehe auch die ausführliche Auflistung mit nachweisen bis 1996 bei Vedder,<br />

Intraföderale Staatsverträge, 1996, S. 397 ff.<br />

20 Vedder, (Fn. 19), S. 31.<br />

21 Schneider, VVDStRL, Bd. 19 (1961), S. 1 (2).<br />

22 Art. 118, 130 I, III, 135 V sowie Art. 29 III GG.<br />

23 Vedder, (Fn. 19), S. 125.<br />

/ maiore ad minus herangezogen. 24<br />

Aufsätze<br />

Der Entschluss zu einer gemeinsamen, vereinheitlichten<br />

Aufgabenwahrnehmung erfolgt häufig aus geographischen,<br />

technischen oder finanziellen Gründen. 25 Eine omnilaterale<br />

Kooperation, welche an der Erledigung sich bundesweit<br />

stellender Aufgaben orientiert ist, führt dazu, dass nicht nur<br />

deren gemeinsame Wahrnehmung beschlossen wird, sondern<br />

überhaupt erst die rechtlichen Grundlagen normiert werden.<br />

26 Eine zentrale Rolle nehmen diejenigen Staatsverträge<br />

ein, welche in Ausübung des Gesetzesvorbehaltes grundrechtsrelevante<br />

Rechtspositionen regeln. 27 Ihnen kann<br />

auch der GlüStV zugerechnet werden: Der weitgehende<br />

Ausschluss privater Unternehmertätigkeit als Folge des staatlichen<br />

Glücksspielmonopols, tangiert in erheblichem und<br />

damit rechtfertigungsbedürftigen Maße das Grundrecht der<br />

Berufsfreiheit gem. Art. 12 I GG.<br />

2. Kompetenzielle Zuordnung des Glücksspielwesens<br />

Der wirksame Abschluss von Staatsverträgen setzt voraus,<br />

dass sich die Länder für die Regelungsmaterie auf einen<br />

Kompetenztitel berufen können.<br />

Über diese Grundbedingung herrscht Einigkeit, strittig hingegen<br />

ist der einzuschlagende Weg. Stellt man auf die wirtschaftliche<br />

Betätigung der staatlichen Glücksspielveranstalter<br />

ab, so lässt sich ein Anwendungsfall der konkurrierenden<br />

Gesetzgebung nach Art. 74 I Nr. 11 GG (Recht der Wirtschaft)<br />

vertreten. 28 Es handelte sich dann um eine Kompetenz, von<br />

welcher der Bund keinen Gebrauch gemacht hat und sie<br />

damit vollständig der Verantwortung der Länder überlassen<br />

hat. Andere rücken den Gefahrenabwehrcharakter in den<br />

Vordergrund und betrachten das Glücksspiel als eine Materie<br />

der Landesgesetzgebung (Art. 70 GG). 29 Hiervon geht auch<br />

die Entwurfsbegründung des Staatsvertrags aus. 30 Solange<br />

der Bund keinerlei Anspruch darauf erhebt, das öffentliche<br />

Glücksspiel zentral zu regeln, kommt der Abgrenzungsfrage<br />

zwischen den beiden Kompetenztiteln jedoch keine große<br />

praktische Bedeutung zu. Im Bereich der konkurrierenden<br />

Gesetzgebung könnte das Interesse der Länder an der<br />

Schaffung eines beständigen Staatsvertrags jedoch noch stärker<br />

ausgeprägt sein. Schwerwiegende Abstimmungsprobleme<br />

könnten nämlich dazu führen, dass sich der Bund letztlich entschließt,<br />

den Gegenstand in seine Kompetenz einzubinden.<br />

24 Beer, Staatsverträge und Verwaltungsabkommen im heutigen deutschen<br />

Staatsrecht, 1960, S. 225; Giese, Staatsverträge und Verwaltungsabkommen<br />

der deutschen Bundesländer untereinander sowie zwischen Bund und<br />

Ländern, 1961, S. 59; Grassl, Staatsverträge und Verwaltungsabkommen<br />

zwischen den Ländern der BRD, 1969, S. 56, Grawert, (Fn. 16), S. 132.<br />

25 Vedder, (Fn. 19), S. 52.<br />

26 Vedder, (Fn. 19), S. 90.<br />

27 Z.B. der StV über die Vergabe von Studienplätzen v. 14.06.1985, GVBl Hessen<br />

I 1986, S. 397.<br />

28 BVerfG, ZfWG 2006, S. 16 (30); Voßkuhle/Bumke, Rechtsfragen der Sportwette,<br />

2002, S. 50 f; Stober, GewArch 2003, S. 305 (314 f.); Horn, nJW 2004, S.<br />

2047 (2048; Fn. 17).<br />

29 BVerwGE 4, S. 294 (295); Dietlein, BayVBl 2002, 161; Ennuschat, nVwZ<br />

2001, 771; Ohlmann, WRP 1998, S. 1043 (1044) m.w.n.; ders., WRP 2005,<br />

48; Tettinger, GewArch 2002, 89; Tettinger/Ennuschat, Grundstrukturen des<br />

deutschen Lotterierechts, 1999, S. 14.<br />

30 Erläuterungen zum GlüStVE, (Fn. 4), S. 9.<br />

feBruAr 2008 ZfWG 21


Aufsätze Von Christina Brugger, Konstanz<br />

Im Staatsvertrag finden sich keine Normen zum gewerblichen<br />

Spiel in Spielhallen. Die Regelungskompetenz i.R.d.<br />

konkurrierenden Gesetzgebung liegt gem. Art. 74 I Nr.<br />

11 GG beim Bund. Dieser hat hiervon in Form der §§ 33<br />

c bis g GewO und der auf Grundlage des § 33 f GewO<br />

erlassenen Spielverordnung 31 abschließenden Gebrauch<br />

gemacht. Daran ändert auch die Bereichsausnahme in der<br />

Neufassung des Art. 74 I Nr. 11 GG im Rahmen der<br />

Föderalismusreform nichts. 32 Denn die den Ländern übertragene<br />

Zuständigkeit für Spielhallen umfasst nur die (räumlich<br />

radizierte) Spielhallenerlaubnis in § 33 i GewO, nicht jedoch<br />

die Regelungen zum gewerblichen Spiel i. S. d. der §§ 33 c bis<br />

g GewO. 33<br />

3. Inhaltliche Kollisionen des Staatsvertrags mit<br />

Landesrecht<br />

Mit Unterzeichnung durch die Ministerpräsidenten, vgl.<br />

Art. 50 S. 1 LV B-W, 57 S. 2 i.V.m. 54 I S. 1 LV NRW,<br />

wird der Staatsvertrag zwar formal geschlossen. 34 Er bedarf<br />

aber eines parlamentarischen Zustimmungsaktes, um zum<br />

einen das Handeln der Exekutive zu legitimieren und zum<br />

anderen unmittelbare Rechtswirkungen herbeizuführen. Die<br />

Erklärung der Zustimmung und die Transformation in das<br />

jeweilige Landesrecht erfolgen im Regelfall 35 in einem Schritt<br />

durch Erlass eines Landesgesetzes.<br />

Dieses beschränkt sich im Wesentlichen auf die Feststellung,<br />

dass die Zustimmung zum Staatsvertrag vorliegt, dem Hinweis<br />

auf den nachfolgend veröffentlichten Vertragstext sowie<br />

Regelungen zum In- und Außerkrafttreten und ggf. deren<br />

Folgen im Übergangszeitraum. 36<br />

Strittig und nicht abschließend geklärt ist die Frage, ob die<br />

mittels des Zustimmungsgesetzes erfolgte Transformation<br />

des Staatsvertrags in das Landesrecht dazu führt, dass dieser<br />

selbst nur dessen Rang eines schlichten Landesgesetzes teilt.<br />

Damit könnte er nämlich durch später erlassene, ihm widersprechende<br />

Landesgesetze (leges posteriores) verdrängt<br />

werden. 37 Gegen diese vorwiegend vertretene Auffassung,<br />

die Kollisionen allein auf der Ebene des Landesrechts<br />

löst, werden jedoch Bedenken geäußert: 38 Der Abschluss<br />

von Staatsverträgen, der zu einer vertraglichen Bindung<br />

31 SpielV i.d.F. vom 27. Januar 2006, BGBl I 2006, S. 280.<br />

32 Gesetz zur Änderung des GG, abgedr. in BGBl I 2006, S. 2034 (2035).<br />

33 Z.B. Regelungen zur Bauweise von Geldspielautomaten; zur Problematik näher<br />

auch: Ennuschat/Brugger, ZfWG 2006, S. 292 f.<br />

34 Siehe die Unterzeichnung durch die Ministerpräsidenten im Anschluss an den<br />

abgedruckten Vertragstext; z.B. in GVBl Sachsen 2007, S. 552 f.<br />

35 In Bayern ist auch ein Zustimmungsbeschluss gebräuchlich: GVBl Bayern<br />

2007, S. 906; näher dazu: Vedder, (Fn. 19), S. 168.<br />

36 Siehe die Zustimmungsgesetze zum GlüStV in GBl B-W 2007, S. 571; GVBl<br />

Berlin 2007, S. 604; GVBl Bbg 2007, S. 218; GBl Bremen 2007, S. 499; GVBl<br />

HH 2007, S. 441; GVBl Hessen 2007, S. 835; GVBl M-V 2007, S. 378; GVBl<br />

nieders 2007, S. 756; GVBl nRW 2007, S. 445; GVBl Rh-Pf 2007, S. 240;<br />

ABl Saar 2007, S. 2427; GVBl Sachsen 2007, S. 542; GVBl S-A 2007, S. 412;<br />

GVBl S-H 2007, S. 524; GVBl Thür 2007, S. 243 sowie den Zustimmungsbeschluss<br />

in GVBl Bay 2007, S. 906.<br />

37 Grassl, Staatsverträge und Verwaltungsabkommen zwischen den Ländern der<br />

BRD, 1969, S. 82.<br />

38 Rill, Gliedstaatenverträge, 1972, S. 486 f.<br />

22 ZfWG feBruAr 2008<br />

der Länder führe, habe seinen Geltungsgrund vielmehr<br />

im Bundesrecht. Er beruhe auf dem Grundsatz „Pacta<br />

sunt servanda“, welcher als Ausprägung der Bundestreue 39<br />

ein Rechtssatz des ungeschriebenen bundesverfassungsrechtlichen<br />

Staatsvertragsrechts sei. 40 Ein späteres, dem<br />

Staatsvertrag widersprechendes Landesgesetz stelle daher<br />

einen Verstoß gegen einen bundesrechtlichen Grundsatz<br />

dar und könne keinen Vorrang vor den staatsvertraglichen<br />

Vorgaben beanspruchen. Die staatsvertragliche Praxis gibt<br />

den Bedenken Recht: Eine große Kompromissbereitschaft<br />

der Länder und eine erhebliche, behördliche Arbeitsbelastung<br />

gehen dem Abschluss eines Staatsvertrags voraus. Zudem<br />

sieht dieser spezielle Vorschriften zur Geltungsdauer, den<br />

Kündigungsmöglichkeiten und Neuverhandlungsoptionen<br />

vor. Es wäre demnach ein widersinniges Ergebnis, falls ein<br />

einfaches, zeitlich nachfolgendes Landesgesetz die mühsam<br />

ausgehandelten Regelungen ihrer Wirksamkeit berauben<br />

könnte. 41<br />

Die Lösung der Problematik rein nach dem zeitlichen<br />

Rangverhältnis wird auch von der Rechtsprechung als unbefriedigend<br />

angesehen. 42 Sie versucht, Kollisionen durch<br />

Auslegung des Staatsvertrags und des ihm widersprechenden<br />

Landesrechts, ggf. auch unter Anwendung der clausula rebus<br />

sic stantibus (Wegfall der Geschäftsgrundlage) zu lösen, um<br />

so eine möglichst bundesweite Einheitlichkeit zu wahren. 43<br />

IV. Der Erlaubnisvorbehalt<br />

Nach anfänglichen Ansätzen, bei der Neuordnung des<br />

Glücksspielwesens eigene Wege einzuschlagen, 44 war<br />

die Bereitschaft aller Länder, eine gemeinsame Lösung<br />

zu finden, deutlich spürbar. Anhand des Kernstücks des<br />

GlüStV, der Festlegung einer generellen Erlaubnispflicht,<br />

sollen der Gestaltungsspielraum der Länder i.R. ihrer<br />

Ausführungsgesetze dargestellt und dessen Grenzen umrissen<br />

werden.<br />

1. Norminhalt und Adressaten<br />

Gem. § 4 I GlüStV unterliegt die Veranstaltung und<br />

Vermittlung öffentlicher Glücksspiele einem umfassenden<br />

Erlaubnisvorbehalt. Auf die Erteilung der Erlaubnis besteht<br />

kein Rechtsanspruch (§ 4 II S. 3 GlüStV), vielmehr stellt sie<br />

eine behördliche Ermessensentscheidung dar. Die Erlaubnis<br />

ist zwingend zu versagen, sofern die Veranstaltung oder<br />

Vermittlung des Glücksspiels den in § 1 GlüStV genannten<br />

Zielen zuwiderlaufen (§ 4 II GlüStV).<br />

Eine Erlaubnis haben damit auch die staatlichen Veranstalter<br />

39 Ausführlich dazu: Bayer, Die Bundestreue, 1961, S. 29 ff.<br />

40 BVerfGE 34, S. 216 (232); BVerwGE 50, S. 137 (145).<br />

41 Vedder, (Fn. 19), S. 355.<br />

42 Siehe z.B. den Länderstreit gem. § 50 I nr. 1 VwGo in BVerwGE 50, S. 137<br />

(Bonus-Malus-Entscheidung).<br />

43 Dazu: Vedder, (Fn. 19), S. 317, der zudem die Einführung eines eigenständi-<br />

gen Vorlageverfahrens fordert, S. 372 ff.; BVerfGE 34, S. 216 (230 ff.); BVerfGE<br />

38, S. 231 (235 ff.); BVerfGE 42, S. 345 (358); abl. Krämer, JZ 1973, S. 365<br />

(366).<br />

44 Siehe den Alternativentwurf der CDU-LT-Fraktion Schleswig-Holsteins unter:<br />

http://www.hans-joern-arp.de/Alternative_Ueberlegungen_zum_Gluecksspielwesen.pdf.


Von Christina Brugger, Konstanz<br />

einzuholen. Dies sind die im Deutschen Lotto- und Totoblock<br />

zusammengeschlossenen Lotteriegesellschaften der Länder<br />

sowie die beiden Klassenlotterien. Erstere bieten Lotterie-<br />

und Wettprodukte wie LOTTO, KENO, plus 5, SUPER 6,<br />

Spiel 77, ODDSET, TOTO und eine Losbrieflotterie an. 45<br />

Die Süddeutsche Klassenlotterie (SKL) wird als Staatslotterie<br />

von den Ländern Baden-Württemberg, Bayern, Hessen,<br />

Rheinland-Pfalz, Sachsen und Thüringen veranstaltet. 46<br />

Bei der Nordwestdeutschen Klassenlotterie (NKL) handelt es<br />

sich um eine gemeinsam von den Ländern Berlin, Brandenburg,<br />

Freie Hansestadt Bremen, Freie und Hansestadt Hamburg,<br />

Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-<br />

Westfalen, Saarland, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein<br />

betriebene Staatslotterie. 47<br />

Die Lotterien mit geringerem Gefährdungspotential 48 unterliegen<br />

zusätzlich den speziellen Erlaubnisvoraussetzungen gem.<br />

§ 12 ff. GlüStV. 49<br />

Eine Erlaubnis benötigen erstmals auch all diejenigen, welche<br />

dem Spieler die Teilnahme am staatlichen Glücksspiel<br />

ermöglichen. Dazu gehören gegenwärtig die in die staatliche<br />

Vermarktungsstruktur eingebundenen Annahmestellen der<br />

Lotteriegesellschaften der Länder, die Lotterieeinnehmer der<br />

Klassenlotterien sowie die gewerblichen Spielvermittler. 50<br />

Der Verkauf der Lose der SKL erfolgt durch Staatliche<br />

Lotterieeinnehmer und durch diese eingesetzte Amtliche<br />

Verkaufsstellen. Die Lotterieeinnehmer werden von der<br />

zuständigen Landesbehörde bestellt. 51 Sie und die Amtlichen<br />

Verkaufsstellen vertreiben die Lose im Namen und für<br />

Rechnung der SKL. 52 Der Verkauf der NKL-Lose erfolgt ausschließlich<br />

über staatlich zugelassene Lotterieeinnehmer, die<br />

als rechtlich selbstständige Handelsvertreter für die NKL tätig<br />

sind 53 und mit ihrem persönlichen Vermögen haften sowie<br />

durch die von ihnen benannten Verkaufsstellen. 54<br />

Die Leistung der Lotterieeinnehmer erstreckt sich<br />

auf den Vertrieb, die Vermittlung und Verwahrung von<br />

Losen, Werbemaßnahmen für die Klassenlotterie sowie<br />

die Ausgabe von Losquittungen oder Depotzertifikaten.<br />

Die Verkaufsstellen besorgen die Ausgabe der Lose, deren<br />

45 näheres zur Struktur und dem Angebot der Lottogesellschaften der Länder<br />

unter: http://www.lotto.de.<br />

46 Dazu:http://www.steuer.bayern.de/umsatzsteuer/content/vv/<br />

Verf%C3%BCgungen/S_7104-210_St_43_10_01_03.asp.<br />

47 § 1 Spielbedingungen der nKL Bedingungen: http://www.nkl.de/nkl/nKL/<br />

sogehts/spielbedingungen120.html.<br />

48 Zu drei Beispielen s.o. unter II.<br />

49 Erläuterungen zum GlüStVE, (Fn. 4), S. 18.<br />

50 Erläuterungen zum GlüStVE, (Fn. 4), S. 13 f.<br />

51 Ältere Bezeichnung für eine Erlaubnis zur Betätigung, daneben für die amtliche<br />

Bescheinigung einer erfolgten Bestellung z.B. als Vertreter, dazu auch: Creifelds,<br />

Rechtswörterbuch, 16. Aufl., 2000, S. 214.<br />

52 § 5 I der nKL Bedingungen: Die Lose werden durch von der nKL zugelassene<br />

Lotterie-Einnehmer und von ihnen benannte Verkaufsstellen, im Folgenden<br />

Lotterie-Einnehmer genannt, im namen und für Rechnung der veranstaltenden<br />

Länder vertrieben.<br />

53 Dazu unter: http://www.nkl-cyberlotterie.de/pls/dyn/pf_html_seiten.html_<br />

seite?i_seite=faq.<br />

54 Dazu unter: http://www.fachverband-nkl.de/aufbaunkl.htm.<br />

Aufsätze<br />

Vertrieb und Verwahrung, Inkassotätigkeit, Weiterleitung der<br />

Abrechnungspapiere sowie die Gewinnbenachrichtigung und<br />

-auszahlung. 55<br />

Lizenzierte Toto-Lotto-Verkaufsstellen befinden sich in zahlreichen<br />

Zeitschriften-, Schreibwaren- und Tabakhandlungen,<br />

Einkaufszentren, Supermärkten und Tankstellen. 56<br />

Die rechtliche Unterscheidung zwischen gewerblichen<br />

Vermittlern einerseits und den Annahmestellen/<br />

Lotterieeinnehmern andererseits erfolgt nach der Frage,<br />

ob eine Einbindung in die staatliche Vermarktungsstruktur<br />

gegeben ist oder nicht. 57 Gem. § 3 VI GlüStV betätigt sich<br />

als gewerblicher Spielvermittler, wer, ohne Annahmestelle<br />

oder Lotterieeinnehmer zu sein, einzelne Spielverträge<br />

an einen Veranstalter vermittelt oder Spielinteressenten<br />

zu Spielgemeinschaften zusammenführt und deren<br />

Spielbeteiligung dem Veranstalter – selbst oder über Dritte<br />

– vermittelt. Dies hat unter der Voraussetzung einer eigenen<br />

und nachhaltigen Gewinnerzielungsabsicht zu erfolgen.<br />

2. Die Umsetzung des Erlaubnisvorbehaltes in den einzelnen<br />

Ländern:<br />

a) Die Tatbestandsseite<br />

Gem. § 24 GlüStV werden die Länder befugt, die zur<br />

Ausführung des Staatsvertrags notwendigen Bestimmungen<br />

zu erlassen (S. 1). Neben einer Ermächtigung zum Erlass von<br />

Ordnungswidrigkeiten und Strafvorschriften (S. 3) ist vorgesehen,<br />

dass sie auch weitergehende Anforderungen insbesondere<br />

zu den Voraussetzungen des Veranstaltens und Vermittelns<br />

von Glücksspielen festsetzen können (S. 2). Nach § 24 S. 2<br />

GlüStV verfügen die Länder über zahlreiche Möglichkeiten,<br />

auf Tatbestandsebene über § 4 GlüStV (i. V. m. den speziellen<br />

Vorschriften zu den einzelnen Glücksspielsparten) hinaus<br />

weitere Erlaubnisbedingungen vorzusehen. Als Beispiel<br />

sei das ausdrückliche Erfordernis der Zuverlässigkeit des<br />

Veranstalters oder Vermittlers genannt. 58 Im Hinblick auf die<br />

ordnungsrechtliche Zielsetzung liegt es nahe, dass – betrachtet<br />

man die über den GlüStV verteilten Anforderungen trotz ihrer<br />

bereits erheblichen Reichweite als kleinsten gemeinsamen<br />

Nenner – verhältnismäßige Verschärfungen der Erlaubnisnorm<br />

durch das BVerfG nicht beanstandet werden. Der Blick kann<br />

sich daher sogleich der Rechtsfolgenseite zuwenden.<br />

b) Die Rechtsfolgenseite<br />

Die Norm des § 4 I GlüStV sieht vor, dass öffentliche<br />

Glücksspiele einer Erlaubnis bedürfen und es sich ohne diese<br />

um unerlaubtes Glücksspiel handelt. Sodann wird festgehalten,<br />

dass auf die Erteilung kein Rechtsanspruch besteht (§ 4 II<br />

S. 3 GlüStV). Zwar wählt § 4 II S. 1 GlüStV nicht die häufige,<br />

für die Ermessensausübung gebräuchliche Formulierung:<br />

55 Dazu unter. http://www.steuer.bayern.de/umsatzsteuer/content/vv/<br />

Verf%C3%BCgungen/S_7104-210_St_43_10_01_03.asp.<br />

56 Dazu unter: www.lotto-bw.de: „Das Unternehmen“.<br />

57 Vgl. § 3 V GlüStV: Annahmestellen und Lotterie-Einnehmer sind in die Vertrieb-<br />

sorganisation von Veranstaltern nach § 10 Abs. 2 eingegliederte Vermittler.<br />

58 Art. 2 I S. 1 nr. 3 AGGlüStV-Bay, GVBl Bay 2007, S. 922; § 4 I nr. 4 BremGlüG,<br />

GBl Bremen 2007, S. 499.<br />

feBruAr 2008 ZfWG 23


Aufsätze Von Christina Brugger, Konstanz<br />

„kann erteilt werden“. 59 Die Begründung geht jedoch davon<br />

aus, dass es sich bei der Erlaubnisnorm um ein „umfassendes<br />

Verbot mit Erlaubnisvorbehalt“ handelt. 60 Den Behörden<br />

komme bei der Entscheidungsfindung ein Ermessen innerhalb<br />

der Grenzen des § 40 VwVfG zu, welches sie nach rein<br />

ordnungsrechtlichen Gesichtspunkten i. S. d. § 1 GlüStV<br />

auszuüben habe. 61<br />

Sofern die Voraussetzungen nicht vorliegen, ist die Erlaubnis<br />

zwingend zu versagen (§ 4 II S. 1 GlüStV). Ein Ermessen<br />

gewährt der Behörde stets einen Freiraum für taktische<br />

Überlegungen, um das gesetzlich vorgegebene Ziel zu erreichen.<br />

62 Zwar ist im Rechtsstaat jedes Verwaltungshandeln<br />

rechtlich gebunden und es wäre daher missverständlich, von<br />

einem „freien Ermessen“ zu sprechen. 63 Dennoch lässt sich<br />

die Erlaubnisnorm i. S. einer „Kann“-Vorschrift lesen, d.h.<br />

das Ermessen wird nicht von vornherein in eine bestimmte<br />

Richtung gelenkt. 64<br />

c) Die Ausgestaltung der Rechtsfolgenseite in den einzelnen<br />

Landesgesetzen<br />

Eine Reihe von Ausführungsgesetzen übernimmt die<br />

Ermessensnorm des § 4 II GlüStV ganz oder im Wesentlichen.<br />

So orientieren sich die hessische, bayerische und die brandenburgische<br />

Regelung beispielsweise an dem dort vorgesehenen<br />

zweistufigen Aufbau: In einem ersten Schritt wird das<br />

behördliche Prüfprogramm für die Erlaubniserteilung auf<br />

der Tatbestandsseite festgelegt. 65 Erst wenn die dort genannten<br />

Erlaubnisvoraussetzungen kumulativ vorliegen, 66 ist in<br />

einem zweiten Schritt das von § 4 II S. 3 GlüStV vorgesehene<br />

Ermessen eröffnet. 67 Dieses hat sich an den Zielen des § 1<br />

GlüStV zu orientieren. Das Gesetz zur Änderung glücksspielrechtlicher<br />

Vorschriften Sachsen-Anhalts stellt ebenfalls klar,<br />

dass auf die Erteilung der Erlaubnis kein Rechtsanspruch<br />

bestehe. 68 Die Negativformulierung Sachsens sieht vor, dass<br />

die Erlaubnis außer nach § 4 II bis IV GlüStV auch aus<br />

einer weiteren Auflistung von Gründen zu versagen sei. 69<br />

Durch Nennung des § 4 II GlüStV ist der Bezug zur<br />

Ermessensvorschrift hergestellt.<br />

Andere Länder wie Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen<br />

sehen ohne zusätzlichen Hinweis auf das Ermessen gem. § 4 II<br />

59 Bull/Mehde, Allg. VwR mit VwLehre, 7. Aufl., 2005, Rn. 584; Erbguth, Allg.<br />

VwR, 2. Aufl., 2007, § 14, Rn. 37.<br />

60 Dies ist wohl i.S. eines Präventivverbotes mit Erlaubnisvorbehalt zu verstehen.<br />

Siehe auch: Erläuterungen zum GlüStVE, (Fn. 4), S. 13.<br />

61 Erläuterungen zum GlüStVE, (Fn. 4), S. 14.<br />

62 Starck, in: FS Sendler, Das Verwaltungsermessen und dessen gerichtliche<br />

Kontrolle, 1991, S. 167 ff. (171).<br />

63 Detterbeck, Allg. VwR, 4. Aufl., 2006, Rn. 320; Peine, Allg. VwR, 8. Aufl., 2006,<br />

Rn. 214; Schuppert, Verwaltungswissenschaft, 2000, S. 526.<br />

64 Fehling/Kastner/Wahrendorf - Schwarz, HK-VerwR, § 114 VwGo, Rn. 34 zum<br />

sog. intendierten Ermessen.<br />

65 § 9 I S. 1 GlüSpG-Hess, GVBl Hess I 2007, S. 835; Art. 2 I S. 1 AGGlüStV-Bay,<br />

GVBl Bay 2007, S. 922; § 3 I S. 3 LottGBbg, GVBl Bbg 2007, S. 218.<br />

66 Begründung zum Entwurf des Art. 2 I AGGlüStV-Bay, LT-Drs Bay 15/8601, S.<br />

8.<br />

67 Art. 2 I S. 2 AGGlüStV-Bay, GVBl Bay 2007, S. 922, deckt sich im Wortlaut mit<br />

§ 9 I S. 2 GlüSpGHess, GVBl I 2007, S. 835.<br />

68 § 4 Ia S. 2 G zur Änd. glücksspielrechtl. Vorschriften LSA, GVBl LSA 2007, S.<br />

412.<br />

69 § 4 SächsGlüStVAG, GVBl Sachsen 2007, S. 542.<br />

24 ZfWG feBruAr 2008<br />

S. 3 GlüStV einen umfassenden Katalog an Erlaubnisvoraussetzungen<br />

70 vor. Entsprechend, jedoch unter Verwendung<br />

einer Negativformulierung („Die Erlaubnis ist zu versagen“),<br />

ist das Ausführungsgesetz Berlins ausgestaltet. 71<br />

Auch in Rheinland-Pfalz 72 , im Saarland 73 , in Bremen 74<br />

und Baden-Württemberg 75 gibt es keine Norm, welche die<br />

Erteilung der Erlaubnis ausdrücklich in das behördliche<br />

Ermessen stellt. Es findet sich kein Verweis auf § 4 II S. 3<br />

GlüStV. Stattdessen beschränkt sich der Wortlaut auf eine<br />

Aufzählung der kumulativ zu erfüllenden Kriterien. Auch<br />

die Begründungen zum Gesetzentwurf 76 gehen nicht auf die<br />

Ermessensfrage ein. Diese Normen sind daher im Einklang<br />

mit dem GlüStV auszulegen und das Ermessen entsprechend<br />

§ 4 II S. 3 GlüStV hineinzulesen.<br />

Da durch das Zustimmungsgesetz der Staatsvertrag wirksam<br />

in das Landesrecht transferiert wurde, hätten die Länder<br />

– statt einer wesentlichen inhaltlichen Wiederholung – grundsätzlich<br />

auch vollständig darauf verzichten können, in ihren<br />

Ausführungsgesetzen ein Wort zu der Erlaubnisvorschrift<br />

zu verlieren. Die sehr allgemein gehaltene Formulierung<br />

des § 24 S. 1 GlüStV deutet aber an, dass ihnen auch<br />

auf Rechtsfolgenseite ein begrenzter Gestaltungsspielraum<br />

zusteht, auch wenn sich keine Notwendigkeit ergibt, diesen<br />

auszunutzen.<br />

Eine offensichtliche Abweichung ist bei der Erlaubnisnorm der<br />

Länder Hamburg, 77 Niedersachsen, 78 Nordrhein-Westfalen 79<br />

und Schleswig-Holstein festzustellen. 80 Sind hiernach die<br />

tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllt, so schließt sich<br />

als Rechtsfolge an, dass die Erlaubnis erteilt werden „soll“.<br />

Verglichen mit der Grundnorm des § 4 II S. 3 GlüStV, fragt<br />

sich daher, ob eine derartige „Soll“-Vorschrift, die mitunter<br />

auch als gebundenes Ermessen bezeichnet wird, 81 nicht den<br />

eingeräumten Freiraum verlässt.<br />

Sieht eine Rechtsvorschrift vor, dass eine Behörde sich in<br />

bestimmter Weise verhalten „soll“, bedeutet dies zumeist<br />

eine strikte Bindung an den Regelfall. 82 Abweichungen sind<br />

nur in atypischen Fällen gestattet, in welchen überwiegende,<br />

von der Behörde nicht selbst zu vertretende 83 Gründe dafür<br />

sprechen. 84 Ob ein Fall atypisch 85 ist, ist gerichtlich voll<br />

70 § 5 GlüStVAG M-V, GVBl M-V 2007, S. 386; § 5 I ThürGlüG, GVBl Thür 2007,<br />

S. 243.<br />

71 § 7 AG GlüStV Berlin, GVBl Berlin 2007, S. 610.<br />

72 § 6 LGlüG-RhPf, GVBl Rh-Pf 2007, S. 240.<br />

73 § 9 I AG GlüStV-Saar, ABl Saar 2007, S. 2427.<br />

74 § 4 I BremGlüG, GBl Bremen 2007, S. 499.<br />

75 § 2 II AGGlüStV BW (Entwurf), LT-Drs B-W 14/2205.<br />

76 Begründung zum Entwurf des § 6 LGlüG-RhPf, abgedr. in LT-Drs Rh-Pf<br />

15/1454, S. 21.<br />

77 § 8 I HmbGlüStVAG, GVBl HH 2007, S. 441.<br />

78 § 4 I S. 2 nGlüSpG, GVBl nieders 2007, S. 756.<br />

79 § 4 I S. 2 GlüStV AG nRW, GVBl nRW 2007, S. 445.<br />

80 § 5 I S. 2 GlüStV AG S-H, GVBl S-H 2007, S. 524.<br />

81 Wolff/Decker, VwGo/VwVfG Studienkommentar, 2005, § 71 VwGo, Rn. 7.<br />

82 Kopp/Schenke, VwGo, 15. Aufl., 2007, § 114, Rn. 21; Maurer, Allg. VwR, 16.<br />

Aufl., 2006, § 7, Rn. 12.<br />

83 BVerwGE 42, S. 26 (28 f.).<br />

84 Koch/Rubel/Heselhaus, Allg. VwR., 3. Aufl., 2003, § 5, Rn. 84; Kopp/Ramsau-<br />

er, VwVfG, 10. Aufl., 2008, § 40, Rn. 44.<br />

85 Atypisch als von der für den normalfall geltenden Rechtsfolge nicht mehr<br />

gefordert: BVerwG nVwZ 1990, S. 405.


Von Christina Brugger, Konstanz<br />

nachprüfbar. 86 Heute wird der Begriff 87 als eine zweck- oder<br />

pflichtgebundene Ermessensermächtigung ohne zusätzliche<br />

Bindung verstanden. 88 Mit der Formulierung kann allerdings<br />

auch zum Ausdruck gebracht werden, dass die Beteiligten<br />

keinen Anspruch darauf haben sollen, dass die Behörde die<br />

in der Rechtsnorm vorgesehene Rechtsfolge setzt und sich auf<br />

Abweichungen kein Rechtsbehelf stützen lässt. Das ist bei<br />

materiellrechtlichen Normen allerdings nur selten der Fall. 89<br />

Auch gehen die Begründungen der betroffenen Ländergesetze<br />

von einer Interpretation als „gebundenes Ermessen“ aus. 90<br />

Der Spielraum der Verwaltung wird durch die sog. Soll-<br />

Vorschriften deutlich eingeengt. 91 Liegen keine Umstände vor,<br />

die den Fall als atypisch erscheinen lassen, so bedeutet das<br />

„Soll“ ein „Muss“. 92 Jedoch wird die Ermessensentscheidung<br />

nicht in eine Richtung gelenkt. 93<br />

Als Ergebnis lässt sich daher festhalten, dass das Ermessen durch<br />

die „Soll“-Vorschrift zwar stark hin zu einer Erlaubniserteilung<br />

86 Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl., 2008, § 40, Rn. 44; Wolff/Bachof/Stober/<br />

Aufsätze<br />

determiniert ist, insgesamt aber eine Ermessensnorm vorliegt.<br />

94 Damit verstößt das Ausführungsgesetz nicht gegen<br />

den Staatsvertrag. 95<br />

V. Fazit und Ausblick<br />

Mit einer Vielzahl schwieriger Rechtsfragen werden sich<br />

in Zukunft die deutschen Gerichte und ggf. sogar der<br />

Europäische Gerichtshof 96 zu beschäftigen haben.<br />

Die von Land zu Land signifikanten Abweichungen der<br />

Erlaubnisvorschrift können jedoch noch als von dem<br />

Gestaltungsspielraum der Länder umfasst und damit als<br />

rechtlich beständig angesehen werden. Dennoch handelt es<br />

sich bei der aufgeworfenen Frage keinesfalls um ein theoretisches<br />

Gedankenspiel. Wo eine unterschiedliche Formulierung<br />

für die staatlichen Anbieter folgenlos bleiben wird, kann sie<br />

für die gewerblichen Spielvermittler darüber entscheiden,<br />

ob und in welchem Bundesland ihnen in Zukunft noch ein<br />

Betätigungsfeld eingeräumt wird.<br />

Kluth, VwR I, 12. Aufl., 2007, § 31, Rn. 41.<br />

87 Diesen ablehnend: Starck, (Fn. 62), S. 167 (168).<br />

88 Sodan/Ziekow - Wolff, VwGo, 2. Aufl., 2006, § 114, Rn. 75.<br />

94 Detterbeck, Allg. VwR, 4. Aufl., 2006, Rn. 320.<br />

89 Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl., 2008, § 40, Rn. 44.<br />

95 Eine überschreitung des Spielraums und damit einen Vertragsverstoß stellte<br />

90 Begr. zum Entwurf des § 4 I S. 2 GlüStV AG nRW, abrufbar unter www.isa- jedoch die Festlegung eines gebundenen Anspruchs dar („Die Erlaubnis ist zu<br />

casinos.de/gfx/articles/02.08.2007/stv_nordrheinwestfalen_begruendung.pdf,<br />

erteilen“). Zu den Folgen eines solchen siehe: Vedder, (Fn. 19), S. 355.<br />

S. 9 / 11; Begr. zum Entwurf des § 4 I S. 2 GlüStV AG S-H, abgedr. in LT-Drs 96 Siehe dazu z.B. das Aufforderungsschreiben der EU-Komm. vom 31.01.2008<br />

S-H 16/1566, S. 22.<br />

i.R.d. Vertragsverletzungsverfahrens 2007/4866.<br />

91 Sodan/Ziekow - Wolff, VwGo, 2. Aufl., 2006, § 114, Rn. 138.<br />

92 BVerwGE 49, S. 16 (23); 56, S. 220 (223); 64, S. 318 (323).<br />

93 Sodan/Ziekow - Wolff, VwGo, 2. Aufl., 2006, § 114, Rn. 138.<br />

feBruAr 2008 ZfWG 25


Aufsätze Von Matthias Steegmann, Köln<br />

die Aktuelle rechtliche situAtion zur uMsetzung<br />

des glücksspielstAAtsvertrAges*<br />

Von MATTHIAS STEEGMAnn, KÖLn<br />

Die Einordnung der heutigen Probleme bei der Umsetzung<br />

des neuen Gesetzes erleichtert folgendes Schlaglicht auf die<br />

Entstehungsgeschichte des Glücksspielstaatsvertrages:<br />

Das Bundesverfassungsgericht hat dem deutschen<br />

Gesetzgeber bekannterweise in seinem Sportwetten-Urteil 1<br />

vom 28. März 2006 aufgegeben, die Gesetzeslage neu auszurichten.<br />

Der damals geltende Lotteriestaatsvertrag wurde<br />

von den Karlsruher Richtern als verfassungswidrig befunden,<br />

da sich dieser nicht konsequent genug an dem das<br />

Glücksspielmonopol begründenden Ziel der Bekämpfung von<br />

Suchtgefahren orientierte.<br />

Weil die Gesetzgebungskompetenz über das Glücksspielrecht,<br />

mit Ausnahme der Pferdewetten und der Automatenspiele, in<br />

der Bundesrepublik Deutschland durch die Länder ausgeübt<br />

wird und angesichts der föderalen Interessensunterschiede<br />

vielfältige Regelungen bestehen, waren die Bundesländer nun<br />

gefordert, gemeinsam ein neues Gesetz auszuarbeiten, den<br />

Glücksspielstaatsvertrag. 2<br />

1. Derzeitige Rechtslage<br />

Bereits im Zusammenhang mit der Unterzeichnung des Glücks-<br />

spielstaatsvertrages durch die Ministerpräsidenten der 16<br />

Bundesländer zeigten sich erhebliche Meinungsunterschiede<br />

über die grundsätzliche Richtung, in der das Glücksspiel<br />

zukünftig geregelt werden sollte. Diese Diskussionen, die von<br />

einer starken Lobbyarbeit der unterschiedlichen Interessen<br />

begleitet wurde, mündeten letztlich in der Unterzeichnung<br />

des Staatsvertrages durch die Ministerpräsidenten und<br />

der Ratifizierung sowie Umsetzung durch entsprechende<br />

Landesgesetze seitens aller 16 Länderparlamente. Somit<br />

konnte der Glücksspielstaatsvertrag wie in seinem § 29 Abs. 1<br />

Satz 1 vorgesehen am 01.01.2008 in Kraft treten. Seither steht<br />

das Glücksspielwesen also auf einer neuen Rechtsgrundlage.<br />

Die Diskussionen um die Sinnhaftigkeit des Glücksspielstaatsvertrages<br />

im Allgemeinen und dessen Verfassungs- und<br />

Europarechtskonformität reißen jedoch weiterhin nicht ab.<br />

Gesetzgeber, staatliche Glücksspielanbieter,<br />

Ordnungsbehörden und die eine Hälfte der profes-<br />

soralen Kompetenz halten die neue Rechtslage zwei-<br />

fellos für europa- und verfassungsrechtskonform. Die pri-<br />

* Der Beitrag geht zurück auf einen Vortrag, den der Verfasser am 14.02.2008<br />

auf dem „Symposium Glücksspiel 2008“ an der Universität Hohenheim in<br />

Stuttgart gehalten hat. Der Vortragsstil wurde beibehalten.<br />

1 BVerfG, Urteil v. 28.03.2006, 1 BvR 1054/01, ZfWG 2006, 16 ff.<br />

2 vgl. Entwurf eines Glücksspielstaatsvertrages v. 14.12.2006, abrufbar unter<br />

www.zfwg.de<br />

26 ZfWG feBruAr 2008<br />

vaten Glücksspielanbieter, die Kommission der Europäischen<br />

Gemeinschaft und die andere Hälfte der professoralen<br />

Kompetenz hingegen erheben verfassungs- und europarechtliche<br />

Bedenken. Aus der deutschen Judikatur gibt es bisher nur<br />

wenige Urteile, die sich mit der Systemkonformität des neuen<br />

GlüStV befasst haben, aber es bedarf nicht übersinnlicher<br />

Fähigkeiten um vorherzusagen, dass sich an der bisherigen<br />

Zerrissenheit der Rechtsprechung kaum etwas ändern wird.<br />

Wesentliche Argumente für die Verfassungs- und<br />

Europarechtskonformität sind insbesondere der an den europarechtlichen<br />

Vorgaben und den Forderungen des Bundesverfassungsgerichts<br />

aus seinem Urteil vom 28.03.2006 orientierte<br />

Gesetzeszweck, die für alle Anbieter geltenden<br />

Beschränkungen von Angebot und Werbung und in besonderem<br />

Maße die Regelungen zum Schutz von Jugendlichen und<br />

spielsuchtgefährdeten Personen.<br />

Dem widersprechen die Gegner des GlüStV und argumentieren,<br />

die Regelungen seien nicht nur halbherzig und dienten<br />

vor allem dem Zweck, ein staatliches Monopol zur Sicherung<br />

von Staatserträgen zu zementieren, sondern sie seien auch<br />

tatsächlich nicht durchsetzbar, wie z.B. das Internetverbot.<br />

Hinzu treten formalprozessuale Kriegsschauplätze auf<br />

denen sämtliches auf das bisherige Übergangsrecht gestützte<br />

Handeln der Ordnungsbehörden für nichtig erklärt<br />

wird. Diese Argumentation baut darauf auf, dass die<br />

Rechtsgrundlage für die als Dauerverwaltungsakte ausgestalteten<br />

Verbotsverfügungen zur Jahreswende entfallen und<br />

diese nun sämtlich wirkungslos seien. Damit verbunden ist<br />

ein weiterer verwaltungsrechtlicher Zwiespalt, nämlich nach<br />

der Frage um den maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung<br />

der Rechtmäßigkeit von Ordnungsverfügungen. Nach einer<br />

vielfach missverstandenen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts<br />

3 vom 22.11.2007 wird neuerdings und für<br />

Dauerverwaltungsakte an sich unüblich, teilweise auch der<br />

Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung herangezogen.<br />

Überdies wird von Seiten der privaten Glücksspielanbieter die<br />

Rechtslage insgesamt für gemeinschaftsrechtswidrig erachtet<br />

und weder dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom<br />

28.03.2006 noch dem GlüStV eine Heilungswirkung beigemessen.<br />

Somit befinden wir uns heute in einer Situation, wie sie uns<br />

bereits aus der Zeit nach der Sportwetten-Entscheidung vom<br />

28.03.2006 und nach der Verkündung des EuGH Urteils in<br />

Sachen Placanica 4 vertraut ist. Es herrscht eine grundsätzliche<br />

3 BVerfG, Beschluss v. 22.11.2007, 1 BvR 2218/06, ZfWG 2007, 421 ff.<br />

4 EuGH, Urteil v. 06.03.2007, Rs. C-338/04 u.a. - Placanica, ZfWG 2007, 125 ff.


Von Matthias Steegmann, Köln<br />

Verunsicherung über die anzuwendende Rechtslage. Diese<br />

Verunsicherung wird von den prozessführenden Parteien<br />

dazu genutzt, die jeweils interessengerecht aufgearbeiteten<br />

Thesen durch entsprechende Entscheidungen der unterschiedlichen<br />

und teilweise diametral judizierenden Gerichte<br />

oder mit von den jeweiligen Parteien in Auftrag gegebenen<br />

Gutachten mehr oder minder namhafter Persönlichkeiten vorzutragen<br />

und mit Autorität zu versehen. Da die Argumente<br />

selbstredend die gegensätzlichen Positionen vertreten, kann in<br />

absehbarer Zeit kaum mit einer einheitlichen Rechtsfindung<br />

der Gerichte gerechnet werden. Man möchte fast glauben,<br />

dass der Unterschied zu der Zeit vor dem 01.01.2008 aktuell<br />

lediglich darin besteht, dass wir neben der gerichtlich immer<br />

noch nicht geklärten Rechtslage nun zusätzlich auch noch ein<br />

neues Gesetz haben, den Glücksspielstaatsvertrag.<br />

a) Die aktuelle Rechtsprechung<br />

Werfen wir also zunächst einen Blick auf die aktuellen<br />

Gerichtsentscheidungen, die sich allerdings bisher nur sehr<br />

vereinzelt mit dem Glücksspielstaatsvertrag befasst haben.<br />

Nach wie vor stehen die Gerichte bei ihren Entscheidungen zu<br />

glücksspielrechtlichen Sachverhalten vor einer äußerst komplizierten<br />

Aufgabe, nämlich die geltende Rechtslage mitsamt<br />

ihren nationalen und europarechtlichen Unwägbarkeiten zu<br />

beurteilen. Diese Bewertung fällt sehr unterschiedlich aus:<br />

Teilweise sehen die Gerichte eine Entscheidung über die verfassungs-<br />

und europarechtlichen Themen, die aktuell in vergleichbaren<br />

Fällen auch vor dem Bundesverfassungsgericht<br />

und dem EuGH diskutiert werden, als vorgreiflich an und setzen<br />

daher ihre Verfahren aus, um vor einem eigenen Urteil die<br />

Meinung der höchsten Instanzen abzuwarten; so z.B. die 6.<br />

Kammer des Verwaltungsgerichtes in Mainz 5 oder legen, wie<br />

zuletzt das Verwaltungsgericht in Schleswig 6 , die zu klärenden<br />

Fragen zur Entscheidung dem EuGH vor. Andere, z.B.<br />

das Verwaltungsgericht Minden 7 , führen ihre Rechtsansichten<br />

in unanfechtbaren und damit letztlich nicht mehr durch<br />

das Rechtsmittelgericht auf ihre Richtigkeit überprüfbaren<br />

Kostenbeschlüssen aus.<br />

Eine Vielzahl der Gerichte hegt allerdings nach wie vor<br />

keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Glücksspielmonopols<br />

und beurteilt die betreffenden Untersagungsverfügungen<br />

in den anhängigen Hauptsacheverfahren als rechtmäßig.<br />

Ob diese Auffassung der Verwaltungsrichter z.B. in<br />

5 VG Mainz, Beschluss vom 02.11.2007, 6 K 572/07.MZ; inzwischen auf-<br />

gehoben durch Beschluss des oVG Rheinland-Pfalz vom 25.01.2008, 6 B<br />

11250/07.<br />

6 so zuletzt VG Schleswig, Beschluss v. 30.01.2008, 12 A 102/06, abgedruckt<br />

in diesem Heft, ZfWG 2008, 69 ff.; zuvor bereits VG Köln, Beschluss v.<br />

21.09.2006, 1 K 5910/05, ZfWG 2006, 347 ff. – Winner Wetten; VG Gießen,<br />

Beschluss v. 07.05.2007, 10 E 13-07; VG Stuttgart, Beschluss v. 24.07.2007,<br />

4 K 4335/06, ZfWG 2007, 313 ff.<br />

7 VG Minden, Beschluss v. 30.01.2008, 3 K 1570/06.<br />

Aufsätze<br />

Düsseldorf 8 , Gelsenkirchen 9 , Augsburg 10 , Wiesbaden 11 ,<br />

Stuttgart 12 oder Magdeburg 13 auch unter dem Regime des<br />

neuen Glücksspielstaatsvertrages zutreffend ist, wird sich<br />

wohl erst am Ende des Instanzenzuges zeigen, denn obergerichtlich<br />

wurden diese Urteile bisher noch nicht überprüft.<br />

Derweil wurden erste staatshaftungsrechtliche Klagen privater<br />

Glücksspielunternehmen von einigen Gerichten als<br />

unbegründet zurückgewiesen. So geschehen kürzlich unter<br />

anderem durch das Urteil 14 des Landgerichts Bremen in dem<br />

populären Rechtsstreit um die Trikotwerbung des SV Werder<br />

Bremen, welchen die Firma bwin gegen die Stadt Bremen<br />

führte.<br />

Doch was genau steht auf dem Prüfstand?<br />

Klar sein dürfte zumindest, dass heute eine Bewertung<br />

der Konformität des deutschen Glücksspielmonopols<br />

mit Verfassungs- und Europarecht ausschließlich auf der<br />

Grundlage des neuen Glücksspielstaatsvertrages erfolgen<br />

muss. Denn die Übergangszeit ist passé und es gilt die<br />

aktuelle Rechtslage zu bewerten. Dennoch wird uns auch<br />

weiterhin das Übergangsrecht beschäftigen, denn aufgrund<br />

zahlreicher Gewerbeabmeldungen innerhalb dieser Zeit wird<br />

noch weiter auf Basis der damaligen Rechtslage entschieden<br />

werden müssen. In Anlehnung an die bisher insbesondere aus<br />

der Strafgerichtsbarkeit bekannten sog. „Altfälle“, könnten<br />

diese Sachverhalte beispielsweise „Übergangsfälle“ genannt<br />

werden. Maßgeblich werden nunmehr also „Drei“ zu beurteilende<br />

Zeitabschnitte 15 sein.<br />

b) Zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt<br />

Als erster Konfliktpunkt in Bezug auf diese Drei Zeitabschnitte<br />

wurde in den letzten Wochen die Frage kontrovers diskutiert,<br />

welcher Zeitpunkt bei der Überprüfung eines ordnungsbehördlichen<br />

Glücksspielverbotes als maßgeblich heranzuziehen<br />

ist:<br />

Ist es der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung oder ist<br />

es der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung?<br />

Die zitierten Entscheidungen des Bundesverfassungs- 16 sowie<br />

Bundesverwaltungsgerichts 17 stützen die neuerdings von verschiedenen<br />

Seiten vertretene Auffassung, dass maßgeblich<br />

der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung sei, meines<br />

Erachtens jedoch nicht.<br />

8 VG Düsseldorf, Urteil v. 09.10.2007, 3 K 1745/05, ZfWG 2007, 393 ff.<br />

9 VG Gelsenkirchen, Urteil v. 20.11.2007, 14 K 171-07, ZfWG 2007, 463 ff.<br />

10 VG Augsburg, Urteil v. 21.06.2007, Au 5 K 06.903.<br />

11 VG Wiesbaden, Urteil v. 23.08. 2007, Az. 5 E 953/06, Hinweis in: ZfWG 2007,<br />

395.<br />

12 VG Stuttgart, Urteil v. 12.07.2007, 1 K 1652/05, Hinweis in: ZfWG 2007,<br />

320.<br />

13 VG Magdeburg, Urteil v. 09.08.2007, 3 A 297/06, ZfWG 2007, 386 ff.<br />

14 LG Bremen, Urteil v. 27.12.2007, 7 G 3111/07, Hinweis in ZfWG 2007, 471,<br />

i.E. ebenso LG Mönchengladbach, Urteil v. 04.12.2007, 3 o 211/07, abge-<br />

druckt in diesem Heft, ZfWG 2008, 49 ff.<br />

15 Vor dem 28.03.2006 – sog. Altfälle; 28.03.2006 bis 31.12.2007 – übergangs-<br />

zeit; Ab dem 01.01.2008 – Glücksspielstaatsvertrag.<br />

16 BVerfG, Beschluss v. 22.11.2007, 1 BvR 2218/06, ZfWG 2007, 421 ff.<br />

17 BVerwG, Urteil v. 21.06.2007, 6 C 19.16, ZfWG 2007, 151 ff.<br />

feBruAr 2008 ZfWG 27


Aufsätze Von Matthias Steegmann, Köln<br />

Das Bundesverfassungsgericht hat am 22. November<br />

2007 18 festgestellt, dass Untersagungsverfügungen, bei<br />

denen der entscheidungsrelevante Zeitpunkt vor dem<br />

Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006<br />

liegt, wegen der damals verfassungswidrigen Rechtslage<br />

verfassungswidrig und daher nicht wirksam seien. Das<br />

Bundesverwaltungsgericht hatte sich in seiner Entscheidung<br />

vom 21. Juni 2006 der Ansicht des VGH Bayern 19 angeschlossen,<br />

der maßgebliche Zeitpunkt orientiere sich an der letzten<br />

Behördenentscheidung weil die Vorinstanz die angefochtene<br />

Verfügung in der Gestalt des Widerspruchsbescheids als<br />

Gegenstand seiner Prüfung beschrieben und die seinerzeitige<br />

Ermessensausübung auf ihre Rechtmäßigkeit untersucht<br />

hatte. 20 Das Bundesverfassungsgericht macht nun in seinem<br />

Kammerbeschluss klar, dass es sich in der konkreten<br />

Entscheidung an die fachgerichtliche Auslegung des einfachen<br />

Rechts durch die Vorinstanz gebunden sieht. Dennoch<br />

äußert es seine eigene Ansicht, nach welcher es bei einer<br />

Untersagungsverfügung nicht auf den Zeitpunkt der letzten<br />

Behördenentscheidung ankomme, sondern auf jenen der<br />

letzten mündlichen Verhandlung, wie dies auch bereits der<br />

VGH Baden Württemberg 21 entschieden habe. Dies ergebe<br />

sich aus dem Charakter der Untersagungsverfügung als<br />

Dauerverwaltungsakt. Bedeutsam erscheint auch der weitere<br />

Hinweis des Bundesver-fassungsgerichts, wonach an<br />

einer früheren rechtswidrigen oder rechtswidrig gewordenen<br />

Verfügung festgehalten werden kann, wenn sie durch eine<br />

spätere Verfügung bestätigt oder ergänzt wird, die auf rechtskonformer<br />

Grundlage ergangen ist. 22<br />

Vor diesem Hintergrund dürfte daher die Übergangsrechtslage<br />

den Ausgang der meisten Verfahren bestimmen, wenn zumindest<br />

die letzte mündliche Verhandlung in der Tatsacheninstanz<br />

während dieses Zeitraumes stattgefunden hat.<br />

2. Die Ratifizierung des Glücksspielstaatsvertrages<br />

Im Zuge der Umsetzungen des nun in Kraft getretenen<br />

Glücksspielstaatsvertrages kam die Diskussion auf, ob die<br />

Ländergesetze wirksam im Sinne der europarechtlichen<br />

Vorgaben ratifiziert wurden.<br />

Unter dem 24.09.2007 wurde von der EU-Kommission 23<br />

das Erfordernis einer nochmaligen „Notifizierung“ der<br />

Ausführungsgesetze ins Spiel gebracht. Eine solche sei nach<br />

Ansicht der Kommission erforderlich, weil wesentliche<br />

Änderungen bei der Umsetzung technischer Vorschriften<br />

oder die Verschärfung der Beeinträchtigung Europarechtlicher<br />

Freiheitsrechte durch die Einführung von Bußgeldtatbeständen<br />

18 BVerfG, Beschluss v. 22.11.2007, 1 BvR 2218/06, Rn. 38, ZfWG 2007, 421,<br />

424.<br />

19 VGH Bayern, Urteil v. 29.09.2004, 24 BV 03.3162, GewArch 2005, 78 ff.<br />

20 BVerwG, Urteil v. 21.06.2007, 6 C 19.16, ZfWG 2007, 151, 156.<br />

21 VGH Baden-Württemberg, Beschluss v. 28.03.2007, 6 S 1972/06, Hinweis in:<br />

ZfWG 2007, 229.<br />

22 BVerfG, Beschluss v. 22.11.2007, 1 BvR 2218/06, Rn. 38, ZfWG 2007, 421,<br />

424.<br />

23 Schreiben der EU-Kommission v. 24.09.2007, ZfWG 2007, 418.<br />

28 ZfWG feBruAr 2008<br />

ebenfalls mitteilungspflichtig seien.<br />

In der anschließenden Diskussion dieser Frage durch die<br />

Fachkreise gingen die Auffassungen 24 erwartungsgemäß wieder<br />

diametral auseinander, sodass eine abschließende Klärung<br />

letztlich wohl nur durch den EuGH zu erwarten ist, wenn die<br />

Kommission das eingeleitete Vertragsverletzungsverfahren bis<br />

zur Klage führen sollte.<br />

Einige Bundesländer, wie beispielsweise die Landesregierung<br />

Nordrhein-Westfalen 25 , sahen sich angesichts der aufkommenden<br />

Diskussionen trotz erheblicher Zweifel an der Berechtigung<br />

der von der Kommission geäußerten Bedenken dazu veranlasst,<br />

die in § 21 Abs. 1 c) GlüStV AG NRW vorgesehene<br />

Bußgeldvorschrift für den verbotswidrigen Internetvertrieb<br />

aus den jeweiligen Umsetzungsgesetzen herauszunehmen.<br />

Diese Vorschrift soll nun gesondert notifiziert und noch in<br />

diesem Jahr als Gesetzesänderung erneut in den Landtag<br />

eingebracht werden. Da – jedenfalls im Ausführungsgesetz<br />

NRW – keine weiteren, vom Glücksspielstaatsvertrag abweichenden<br />

Vorschriften enthalten sind, könnte so die Frage der<br />

Notifzierungspflicht dieses Gesetzes europarechtskonform<br />

umschifft worden sein.<br />

3. Derzeit laufende Vertragsverletzungsverfahren<br />

Dennoch führten die Diskussionen um die Umsetzungen<br />

des Gesetzentwurfs sowie die im Staatsvertrag und den<br />

Ausführungsgesetzen enthaltenen Beschränkungen zu<br />

Beschwerden diverser privater Glücksspielveranstalter bei der<br />

Europäischen Kommission. Diese leitete daraufhin unter dem<br />

31.01.2008 ein erneutes Vertragsverletzungsverfahren gegen<br />

die Bundesrepublik Deutschland ein. 26<br />

Somit gibt es nunmehr zwei gegen die Bundesrepublik<br />

Deutschland angestrengte Vertragsverletzungsverfahren,<br />

wobei allerdings fraglich ist, ob dasjenige gegen die<br />

Rechtslage bis zum 01.01.2008 überhaupt weitergeführt werden<br />

wird. Das erste Vertragsverletzungsverfahren wurde<br />

im April 2006 eingeleitet und sorgte durch verschiedene<br />

Aufforderungsschreiben der Kommission bereits während<br />

der Übergangszeit für jede Menge Diskussionsstoff.<br />

Das nun eingeleitete Verfahren betrifft einzelne Regelungen<br />

des Glücksspielstaatsvertrages. Es sind dies das generelle<br />

Verbot von Glücksspielen im Internet und insbesondere von<br />

Sportwetten, zu denen die Kommission bereits im März<br />

2007 eine ausführliche Stellungnahme an Deutschland rich-<br />

24 vgl. dazu in aller Ausführlichkeit: Stein, Die notifizierung des Glücksspielstaats-<br />

vertrages – notwendig? nicht erforderlich? Missbraucht? in: ZfWG 2007, 397<br />

ff.; sowie a.A. Streinz/Herrmann/Kruis, Die notifizierungspflicht des Glücks-<br />

spielstaatsvertrages und der Ausführungsgesetze der Länder, ZfWG 2007, 402<br />

ff.<br />

25 vgl. Bericht des Landtages nRW – 14. Wahlperiode, Drucksache 14/5231, S.<br />

44.<br />

26 Aufforderungsschreiben der Kommission v. 31.01.2008, abgedruckt<br />

in diesem Heft, ZfWG 2008, S. 32 ff.; vgl. http://europa.eu/rapid/pressReleasesAction.do?reference=IP/08/<br />

119&format=HTML&aged=0&language=DE&guiLanguage=de


Von Matthias Steegmann, Köln<br />

tete, sowie Beschränkungen der Fernseh-, Internet-, Trikot-<br />

und Bandenwerbung und das für Finanzinstitute geltende<br />

Verbot, Zahlungen im Zusammenhang mit nicht erlaubten<br />

Glücksspielen zu verarbeiten und auszuführen. Die<br />

Kommission äußert Bedenken an einer Vereinbarkeit mit<br />

den Binnenmarktbestimmungen des EG-Vertrages, denn es<br />

könne an der Erforderlichkeit, der Angemessenheit und der<br />

Nichtdiskriminierung fehlen. Dass die Ziele des zwischen<br />

den Ländern und der Bundesrepublik Deutschland vereinbarten<br />

Glücksspielstaatsvertrages grundsätzlich legitime Ziele<br />

sind, die als zwingende Gründe des Allgemeininteresses<br />

Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit rechtfertigen können,<br />

erkennt die Kommission im Aufforderungsschreiben<br />

allerdings ausdrücklich an.<br />

Seit Eröffnung des neueren Verfahrens wurde in zahlreichen<br />

Pressemeldungen ein nun bevorstehendes gerichtliches<br />

Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof vorhergesagt,<br />

in welchem die Vereinbarkeit des Glücksspielstaatsver-<br />

trages mit EU-Recht überprüft werde. 27 Doch ob es wirklich<br />

zu einem solchen langwierigen gerichtlichen Verfahren kommen<br />

wird, ist zu bezweifeln.<br />

Notwendigkeit haben Vertragsverletzungsverfahren, weil<br />

die Kommission als sogenannte „Hüterin der Verträge“<br />

(Art. 211 EGV) grundsätzlich verpflichtet ist, gegen objektive<br />

Verletzungen des Gemeinschaftsrechts durch die<br />

Mitgliedstaaten einzuschreiten. Das nach Art. 226 EGV<br />

geregelte Verfahren selbst ist in ein Vorverfahren und ein<br />

gerichtliches Verfahren unterteilt.<br />

Das außergerichtliche Vorverfahren kann sich in Einzelfällen<br />

über mehrere Jahre hinziehen, wie z.B. das Vertragsverletzungsverfahren<br />

gegen die Bundesrepublik wegen des gebührenfinanzierten<br />

öffentlich rechtlichen Rundfunks zeigt, bei<br />

dem die Kommission auf eine Beschwerde aus dem Jahre<br />

2003 im März 2005 das Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet<br />

und nach einem regen Briefwechsel im April 2007<br />

wieder eingestellt hat. 28<br />

Das Vertragsverletzungsverfahren ist in drei Stufen gegliedert.<br />

Auf der ersten Stufe erfolgen Aufforderungsschreiben bzw.<br />

Mahnverfahren. Daran schließt sich eine mit Gründen versehene<br />

Stellungnahme der Kommission an und erst auf der<br />

dritten Stufe erfolgt die Anrufung des Gerichtshofs. Weil das<br />

Vertragsverletzungsverfahren grundsätzlich Zulässigkeitsvorraussetzung<br />

für eine Klageerhebung der Kommission beim<br />

EuGH und damit unumgänglich ist, werden solche Verfahren<br />

sehr oft und gegen die verschiedensten Mitgliedstaaten eingeleitet.<br />

Glücksspielrechtliche Vertragsverletzungsverfahren<br />

laufen seit 2006 gegen nicht weniger als 12 EU-Länder. 29<br />

27 vgl. neben diversen anderen: Spiegel-online v. 31.01.2008, EU-Kommission<br />

nimmt deutsches Glücksspiel unter die Lupe, abrufbar unter: http://www.<br />

spiegel.de/wirtschaft/0,1518,532353,00.html<br />

28 http://www.heise.de/newsticker/meldung/88780 sowie http://gez.gebuehrenstop.de/archives/33-EU-Streit-zur-Rundfunkgebuehr-vorerst-beigelegt.html<br />

29 Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland Frankreich, Griechenland, Italien,<br />

niederlande, Österreich, Spanien und Ungarn. Zuletzt wurde am 31.01.2008<br />

ein weiteres Verfahren gegen Schweden eingeleitet, vgl. http://ec.europa.<br />

eu/internal_market/services/gambling_de.htm.<br />

Aufsätze<br />

In beiden gegen die Bundesrepublik gerichteten Verfahren<br />

befinden wir uns auf der ersten Stufe, welche ein förmliches<br />

Auskunftsverlangen im Rahmen des betreffenden Falles<br />

bildet. In ihrer Presseerklärung vom 31.01.2008 hat die<br />

Kommission mitgeteilt, dass sie hoffe, die Angelegenheit<br />

im Anschluss an die Antworten rasch und in befriedigender<br />

Weise beilegen zu können. Damit darf das – wenn auch<br />

offizielle – Auskunftsersuchen, gewisser Maßen eher als<br />

„Warnschuss“ für die Bundesregierung bezeichnet werden.<br />

Ob es auf diesem Wege tatsächlich zu einem gerichtlichen<br />

Verfahren kommen wird, dürfte neben der Überzeugungskraft<br />

der ausgetauschten Argumente im Wesentlichen auch vom<br />

Erfolg der Umsetzungsmaßnahmen abhängen, die auf der<br />

Grundlage des GlüStV zur Durchsetzung der dortigen Ziele<br />

realisiert werden.<br />

Insbesondere im Zusammenhang mit der derzeitigen Situation<br />

um den neuen Glücksspielstaatsvertrag dürfte es für die<br />

Behörden und Gerichte am wichtigsten sein, dass im Laufe<br />

des Vertragsverletzungsverfahrens keinerlei Rückschlüsse auf<br />

eine vermeintliche Gemeinschaftswidrigkeit der Gesetze mit<br />

dem EU-Recht gezogen werden können. Die Ankündigung<br />

einer Teilnahme der staatlichen Lotteriegesellschaften an einer<br />

„europäischen Superlotterie mit 100-Millionen Jackpots“ 30<br />

erscheint vor diesem Hintergrund allerdings mehr als kontraproduktiv.<br />

Irgendwelche unmittelbaren Rechtsfolgen – mit Ausnahme des<br />

Erfordernisses der Stellungnahme – sind jedenfalls zunächst<br />

mit dem Aufforderungsschreiben der Kommission nicht verbunden.<br />

Auch das aus dem vergangenen Jahr im März erfolgte<br />

ergänzende Aufforderungsschreiben der Kommission 31 ,<br />

gehört im Rahmen des dreistufigen Vertragsverletzungsverfahrens<br />

lediglich und immer noch zur ersten Phase eines<br />

Informationsgesuchs. Hinsichtlich dieses Verfahrens war es<br />

problematisch, dass die EU-Kommission zunächst von der<br />

Rechtslage ausging, die bereits das Bundesverfassungsgericht<br />

bekannterweise durch seine Sportwetten-Entscheidung als<br />

verfassungswidrig (dis)qualifiziert hatte. Also musste sich<br />

die Kommission innerhalb des laufenden Verfahrens einen<br />

Überblick über die in ständiger Weiterentwicklung befindliche<br />

Ausgestaltung des Monopols verschaffen. Das hatte zur<br />

Folge, dass die Kommissare der Entwicklung hinterherliefen.<br />

Das Vertragsverletzungsverfahren wurde bis heute nicht auf<br />

die zweite Stufe gehoben.<br />

4. Derzeit laufende Vorlageverfahren<br />

Eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs wird in<br />

den Vorabentscheidungsersuchen verschiedener deutscher<br />

Verwaltungsgerichte gegen Ende diesen Jahres zu erwarten<br />

sein. Das Verwaltungsgericht Köln 32 hat am 21. September<br />

30 Handelsblatt vom 10.02.2008, 16:58 Uhr; http://www.wiwo.de/handelsblatt/<br />

neues-lotto-lockt-mit-100-millionen-jackpots-265303/print/#<br />

31 Ergänzendes Aufforderungsschreiben der EU-Kommission v. 21.03.2007,<br />

ZfWG 2007, 108 ff; vgl. dazu Hecker, Eine erste Anmerkung, ZfWG 119 ff.<br />

32 VG Köln, Beschluss v. 21.09.2006, 1 K 5910/05 – Winner Wetten, GewArch<br />

2006, 467.<br />

feBruAr 2008 ZfWG 29


Aufsätze Von Matthias Steegmann, Köln<br />

2006 als erstes deutsches Gericht dem Europäischen<br />

Gerichtshof konkrete Fragen zum Recht in der Übergangsfrist<br />

vorgelegt. Hier geht es insbesondere um die Überprüfung der<br />

vom OVG Münster vertretenen Ansicht 33 , dass in besonderen<br />

Fällen und unter bestimmten Voraussetzungen für eine<br />

Interimsfrist auch Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht<br />

hingenommen werden können.<br />

Die Vorlagen der Verwaltungsgerichte aus Gießen 34 ,<br />

Stuttgart 35 und erst kürzlich Schleswig 36 problematisieren<br />

die derzeit wohl brisanteste Frage zur Auslegung von Inhalt<br />

und Umfang des vom EuGH aufgestellten Erfordernisses<br />

der „insgesamt kohärenten und systematischen Politik zur<br />

Beschränkung des Glücksspiels“. Das VG Schleswig stellt<br />

die Frage seines Vorabentscheidungsersuchens in konkretem<br />

Bezug zum Glücksspielstaatsvertrag. Zudem fragt das VG<br />

Schleswig den EuGH, ob sich nur solche EU-ausländischen<br />

Unternehmen auf die Dienstleitungsfreiheit berufen können,<br />

die in ihrem Sitzstaat ebenfalls Glücksspiele anbieten, oder<br />

ob die Berufung auf die Dienstleistungsfreiheit auch denjenigen<br />

Unternehmen offen steht, die aus steuerlichen Gründen<br />

im Ausland ihren Sitz unterhalten und von dort aus ihre<br />

Geschäfte ausschließlich „offshore“ betreiben.<br />

Inwieweit diese Frage dann allerdings in der Praxis noch<br />

eine wesentliche Bedeutung haben wird, erscheint fraglich,<br />

denn angesichts der verbreiteten Rechtsprechung, die den<br />

„offshore–Lizenzen“ skeptisch gegenüber steht, haben sich<br />

die meisten betroffenen Anbieter zwischenzeitlich in ihrem<br />

Sitzland Bestätigungen erteilen lassen, dass sie auf Grund<br />

der dortigen Lizenz auch berechtigt sind, ihre Angebote im<br />

Sitzland zu vertreiben. Die Genehmigungswirkung der EU-<br />

Lizenzen bleibt allerdings insgesamt bis zu einer Entscheidung<br />

des EuGH fraglich und es wird bis zu diesem Zeitpunkt sicher<br />

noch zu einer Vielzahl weiterer Verfahren vor deutschen<br />

Gerichten kommen, in denen divergierende Entscheidungen<br />

getroffen werden.<br />

5.Wirksamkeit und Reichweite der sog.<br />

DDR-Lizenzen<br />

Weniger fraglich ist seit Dezember letzten Jahres die<br />

Genehmigungswirkung der sog. DDR-Lizenzen. In der ehemaligen<br />

DDR wurden kurz vor der Deutschen Einigung im<br />

Jahr 1990 vier Gewerbeerlaubnisse 37 zur Veranstaltung von<br />

Sportwetten erteilt.<br />

Seit Jahren herrschte ein Streit 38 über die Frage, ob diese<br />

33 oVG nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 28.06.2006, 4 B 961/07, ZfWG 2006,<br />

140, 141.<br />

34 VG Gießen, Beschluss v. 07.05.2007, 10 E 13/07, zitiert nach juris.<br />

35 VG Stuttgart, Beschluss v. 24.07.2007, 4 K 4335/06, ZfWG 2007, 313 ff.<br />

36 VG Schleswig, Beschluss v. 30.01.2008, 12 A 102/06, abgedruckt in diesem<br />

Heft, ZfWG 2008, 69 ff.<br />

37 bwin (ehem. betandwin) und Interwetten im Freistaat Sachsen, Sportwetten<br />

Gera in Thüringen sowie die Firma Wetten.de Digibet in Berlin.<br />

38 Vgl. Postel, ZfWG 2007, 181, 182; Scholz/Weidemann, ZfWG 2007, 83,<br />

84; Meier/Wolffsohn, KStZ 2007, 65, 66; Pischel, WRP 2006, 1413, 1414;<br />

Hecker/Schmitt, ZfWG 2006, 59, 65; Horn/Fischer, GewArch 2005, 217, 217;<br />

Dietlein/Hecker, WRP 2003, 1175, 1175; Heine, Wistra 2003, 441, 441.<br />

30 ZfWG feBruAr 2008<br />

Erlaubnisse rechtswirksam erteilt worden waren und ob<br />

sie – ihre Rechtswirksamkeit unterstellt – über Art. 19 des<br />

Einigungsvertrages fortgeltend räumlich beschränkt oder auf<br />

dem gesamten Gebiet der wiedervereinigten Bundesrepublik<br />

Geltung besitzen sollten.<br />

Die erste Frage, nämlich nach der Wirksamkeit der Erlaubnis-<br />

erteilung, dürfte mittlerweile geklärt sein. Das VG Magdeburg<br />

hatte zwar in seinem Urteil vom 09.08.2007 39 festgestellt,<br />

dass die dort in Rede stehende DDR-Gewerbegenehmigung<br />

an einem schwerwiegenden Mangel leide. Dieser sei<br />

auch offenkundig, weil die allein einschlägigen Vorschriften<br />

der Sammlungs- und LotterieVO DDR nicht beachtet worden<br />

seien, die absolut unzuständige Behörde gehandelt, die<br />

Genehmigung nicht im Amtsblatt der DDR veröffentlicht<br />

und auch nicht die notwendigen Stellungnahmen der anderen<br />

Behörden eingeholt worden seien.<br />

Dagegen hat das Sächsische Oberverwaltungsgericht 40 in<br />

einer länger erwarteten Entscheidung am 12.12.2007 nun<br />

jedoch entschieden, dass die Sammlungs- und LotterieVO<br />

DDR auf solche Genehmigungen nicht anwendbar gewesen<br />

sei. Insoweit seien diese Erlaubnisse sehr wohl nach DDR<br />

Gewerberecht ordnungsgemäß ergangen. Durch diese oberverwaltungsgerichtliche<br />

Entscheidung dürfte daher jedenfalls<br />

die Frage der vermeintlichen Nichtigkeit endgültig abgeschlossen<br />

sein.<br />

Angesichts der Fortgeltung dieser Verwaltungsakte gem. Art<br />

19 des Einigungsvertrages, herrschte seit Jahren darüber hinaus<br />

ein Streit über die Frage des Geltungsbereiches. 41<br />

Im Juni 2006 hatte das Bundesverwaltungsgericht 42 festgestellt,<br />

dass sich eine Erstreckung der Genehmigung über das<br />

damalige Staatsgebiet der DDR hinaus nicht feststellen lasse<br />

und der Geltungsbereich sich zumindest auf das Gebiet der<br />

ehemaligen DDR begrenze.<br />

Nunmehr hat auch das Sächsische Oberverwaltungsgericht<br />

in der oben genannten Entscheidung die räumliche Geltung<br />

der DDR-Erlaubnisse auf den Bereich der ehemaligen DDR<br />

begrenzt. 43<br />

Das Bundesverfassungsgericht hat diese Frage in seiner<br />

Entscheidungen 44 vom 22. November 2007 leider ausdrücklich<br />

offen gelassen, so dass es bisher noch keine konkrete<br />

Antwort von dieser höchsten Instanz gibt. Nicht geklärt<br />

ist daher in jedem Fall nach wie vor die Frage, ob sich die<br />

Genehmigungswirkung der Erlaubnisse auf das ganze Gebiet<br />

39 VG Magdeburg v 09.08.2007, 3 A 296/06 ZfWG 2007, 386 ff.<br />

40 oVG Sachsen, Beschluss v. 12.12.2007, 3 BS 286/06, ZfWG 2007, 447,<br />

448.<br />

41 Vgl. oVG Weimar, Beschluss v. 21.10.1999, GewArch 2000, 118 ff.; Postel,<br />

ZfWG 2007, 181, 182; Horn/Fischer, GewArch 2005, 217, 217; Scholz/Weide-<br />

mann, ZfWG 2007, 83, 84; Meier/Wolffsohn, KStZ 2007, 65, 66; Pischel, WRP<br />

2006, 1413, 1414; Dietlein/Hecker, WRP 2003, 1175, 1176.<br />

42 BVerwG, Urteil v. 21.06.2006, 6 C 19/06, ZfWG 2007, 151, 159, Rn. 54.<br />

43 oVG Sachsen, Beschluss v. 12.12.2007, 3 BS 286/06, ZfWG 2007, 447,<br />

449.<br />

44 BVerfG, Beschluss v. 22.11.2007, 1 BvR 2218/06, Rn. 38, ZfWG 2007, 421,<br />

424


Von Matthias Steegmann, Köln<br />

der ehemaligen DDR oder nur auf einzelne Länder innerhalb<br />

der ehemaligen DDR beschränkt.<br />

6. BGH-Rechtsprechung<br />

Am 14. Februar 2008 hat der BGH seine Entscheidungen<br />

in vier nahezu gleichgelagerten Verfahren bekannt gegeben,<br />

welche die Bundesländer Bayern 45 , Nordrhein-Westfalen 46 ,<br />

Hamburg 47 und Bremen 48 betrafen.<br />

In allen Verfahren ging es um wettbewerbsrechtliche<br />

Unterlassungsansprüche aus der Zeit vor der Entscheidung<br />

des Bundesverfassungsgerichts vom 28.03.2006. Bereits in<br />

der mündlichen Verhandlung am 08.11.2007 gab der Erste<br />

Senat des BGH daher zu erkennen, dass er dazu neige, den<br />

anstehenden Revisionen unter dem Gesichtspunkt stattzugeben,<br />

dass sämtliche relevanten Sachverhalte einschließlich der<br />

letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz vor<br />

dem 28.03.2006 liegen.<br />

Der BGH hat an dieser Auffassung nun auch in seinem<br />

Urteil festgehalten und in allen vier (Alt)Fällen die Klagen<br />

abgewiesen.<br />

Aus der Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts<br />

vom 28. März 2006 ergebe sich, dass das staatliche<br />

Wettmonopol in Deutschland in seiner gesetzlichen und tatsächlichen<br />

Ausgestaltung in dem hier maßgeblichen Zeitraum<br />

vor dem 28. März 2006 einen unverhältnismäßigen und<br />

deshalb mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbaren Eingriff in die<br />

Berufsfreiheit der an entsprechender beruflicher Tätigkeit<br />

interessierten Personen dargestellt habe. Zugleich habe darin<br />

eine nicht gerechtfertigte Beschränkung der nach Art. 43 und<br />

49 EG garantierten Niederlassungsfreiheit und des freien<br />

Dienstleistungsverkehrs gelegen. Wegen der Verfassungs- und<br />

Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des staatlichen Wettmonopols<br />

in dem Zeitraum vor dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts<br />

vom 28. März 2006 könne § 284 StGB auf das Angebot<br />

von Sportwetten in den hier zu entscheidenden Fällen, in<br />

denen in den Jahren 2003 bis 2005 begangene Tathandlungen<br />

zu beurteilen seien (sog. Altfälle), nicht angewendet werden.<br />

Es fehle daher an einer für die geltend gemachten Ansprüche<br />

auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Schadensersatz<br />

erforderlichen Zuwiderhandlung der Beklagten gegen eine<br />

wettbewerbsrechtlich relevante Gesetzesvorschrift. Einer<br />

Prüfung, ob die rechtliche und tatsächliche Ausgestaltung<br />

des staatlichen Wettmonopols im Zeitraum nach der<br />

Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März<br />

2006 nunmehr mit europäischem Gemeinschaftsrecht und<br />

45 BGH, Urteil v. 14.02.2008, Az. I ZR 207/05.<br />

46 BGH, Urteil v. 14.02.2008, Az. I ZR 13/06.<br />

47 BGH, Urteil v. 14.02.2008, Az. I ZR 140/04.<br />

48 BGH, Urteil v. 14.02.2008, Az. I ZR 187/04.<br />

Aufsätze<br />

deutschem Verfassungsrecht vereinbar ist, bedurfte es in<br />

den entschiedenen Fällen, in denen die Angebote privater<br />

Sportwettenanbieter aus der Zeit vor dem 28. März 2006 zu<br />

beurteilen waren, jedoch nicht.<br />

7. Ausblick<br />

Somit bleibt die Rechtslage auch nach diesen Urteilen des<br />

BGH weiterhin in vielen Hinsichten ungewiss! Denn auch die<br />

Richter des Ersten Zivilsenats haben die Rechtsprechung des für<br />

die grenzüberschreitenden Sachverhalte letztendlich maßgeblichen<br />

EuGH nicht vorhersagen wollen und die Rechtslage ab<br />

der entscheidenden Phase nach der Sportwetten-Entscheidung<br />

nicht beurteilt. Da eine das deutsche Glücksspielmonopol<br />

betreffende Entscheidung in Luxemburg erstmalig ansteht,<br />

können weiterhin nur Mutmaßungen getroffen werden, ob der<br />

Glücksspielstaatsvertrag in seiner derzeitigen Ausgestaltung<br />

europarechtskonform ist oder nicht. Die dabei mitunter<br />

im Stil des „Case-Law“ geäußerten Vermutungen einiger<br />

Gerichte, ob etwa die Entscheidungen Placanica oder jene des<br />

EFTA-Gerichtshofes mit der deutschen Rechtslage vergleichbar<br />

sind, wird es sicherlich auch weiterhin geben.<br />

Einzig die grundsätzliche Auffassung des EuGH, wonach ein<br />

Monopol dann europarechtlich gerechtfertigt ist, wenn es sich<br />

an den erforderlichen Zielen ausrichtet, steht fest. Das sind<br />

zum einen rechtliche und in der Gesetzgebung niedergeschriebene<br />

Ziele, wie sie auch in den neuen Glücksspielstaatsvertrag<br />

mit aufgenommen wurden und zum anderen auch tatsächliche<br />

Erfordernisse, nämlich jene einer kohärenten und<br />

systematischen Beschränkung des Angebotes. Die Frage, ob<br />

das neue Gesetz diese Rahmenvorgaben erfüllt, wird indes<br />

nur durch eine neue und richtungweisende Entscheidung des<br />

EuGH geklärt werden, die aber auch Auswirkungen auf die<br />

Ordnung des Glücksspielrechts in nahezu allen anderen europäischen<br />

Ländern haben wird. Denn es kann nicht übersehen<br />

werden, dass es kaum ein Land in der EU gibt, in dem nicht<br />

einzelne Glücksspiele im Staatsmonopol betrieben werden,<br />

wohingegen andere dem mehr oder minder geregelten Spiel<br />

der kommerziellen Kräfte offen steht.<br />

Es liegt nunmehr in der Hand der Bundesländer, aber auch<br />

des Bundes selbst, ob staatliche Stellen den Glücksspielbereich<br />

weiterhin in einem Monopol organisieren und durchführen<br />

dürfen oder ob der Markt für die privaten Veranstalter nicht<br />

nur faktisch, sondern auch rechtlich geöffnet wird. Ihre<br />

Vorgehensweise wird in jedem Fall früher oder später von den<br />

Richtern des EuGH überprüft werden. Eine besonders große<br />

Rolle spielt dabei die Schlüssigkeit ihres Vorgehens unter dem<br />

Aspekt der Ziele des GlüStV, aber auch die Frage nach der<br />

konkreten Gefährlichkeit von Glücksspielen.<br />

feBruAr 2008 ZfWG 31


dokuMente Aufforderungsschreiben der EU-Kommission vom 31.01.2008<br />

ii. dokuMente<br />

AufforderungsschreiBen der eu-koMMission<br />

voM 31.01.2008 iM vertrAgsverletzungsverfAhren<br />

nr.2007/4866<br />

Sehr geehrter Herr Außenminister,<br />

hiermit möchte ich Sie darauf hinweisen, dass der<br />

Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in Deutschland (im Folgenden<br />

GlüStV) und das Gesetz des Landes Nordrhein-Westfalen zum<br />

Staatsvertrag zum Glücksspielswesen in Deutschland, veröffentlicht<br />

in GV. NRW. 2007, S. 445, (im Folgenden NRW-Gesetz vom<br />

30. Oktober 2007), dem der GlüStV als Anlage beigefügt ist,<br />

Bestimmungen enthalten, die möglicherweise nicht mit dem<br />

Gemeinschaftsrecht vereinbar sind.<br />

§ 1 des NRW Gesetzes vom 30.10.2007 das feststellt, dass der<br />

GlüStV ratifiziert und diesem Gesetz beigefügt wurde, lässt<br />

den GlüStV in NRW in Kraft treten.<br />

Die Kommission möchte Ihre Aufmerksamkeit auf die folgenden<br />

nationalen Bestimmungen lenken.<br />

Die relevanten deutschen Bestimmungen<br />

a) § 4 (4) GlüStV besagt, dass „Das Veranstalten und das<br />

Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet verboten ist“.<br />

Gemäß 3 (2) GlüStV liegt „Ein öffentliches Glücksspiel vor,<br />

wenn für einen grösseren, nicht geschlossenen Personenkreis<br />

eine Teilnahmemöglichkeit besteht oder es sich um gewohnheitsmässig<br />

veranstaltete Glücksspiele in Vereinen oder sonstigen<br />

geschlossenen Gesellschaften handelt“.<br />

b) § 9 (1) n° 4 GlüStV besagt, dass „Die Glücksspielaufsicht<br />

insbesondere „Kredit- und Finanzdienstleistungsinstituten die<br />

Mitwirkung an Zahlungen für unerlaubtes Glücksspiel und<br />

an Auszahlungen aus unerlaubten Glücksspiel untersagen<br />

kann“.<br />

c) Gemäß § 5 (1) GlüStV hat sich „Werbung für öffentliches<br />

Glücksspiel (…) auf eine Information und Aufklärung über<br />

die Möglichkeit zum Glücksspiel zu beschränken“. Gemäß<br />

§ 5 (3) GlüStV ist „Werbung für öffentliches Glücksspiel im<br />

Fernsehen (§§ 7 und 8 Rundfunkstaatsvertrag), im Internet<br />

sowie über Telekommunikationsanlagen verboten“.<br />

Die Erläuterungen zum GlüStV über § 5 (3) besagen, dass<br />

"dagegen von einem Verbot der unverlangten Übermittlung<br />

von Werbematerial und Spielangeboten per Post abgesehen<br />

wird. Damit bleibt der Postweg als traditioneller (…)<br />

Vertriebsweg weiterhin eröffnet (…)“ § 5 (4) GlüStV besagt<br />

ebenso, dass „Werbung für unerlaubte Glücksspiele verboten<br />

ist“.<br />

§ 21 (2) GlüStV besagt, dass“ (…) die Verknüpfung der<br />

32 ZfWG feBruAr 2008<br />

Übertragung von Sportereignissen in Rundfunk und<br />

Telemedien mit der Veranstaltung oder Vermittlung von<br />

Sportwetten oder mit Trikot- und Bandenwerbung für<br />

Sportwetten nicht zulässig ist (…)“.<br />

d) Gemäß § 10 (3) GlüStV begrenzen „die Länder die Zahl<br />

der Annahmestellen zur Erreichung der Ziele des § 1“.<br />

§ 3 (4) des NRW Gesetzes vom 30.10.2007 besagt, dass<br />

„Annahmestellen (§5), Lotterieeinnehmer (§ 6) und gewerbliche<br />

Spielvermittler (§7) für die Vermittlung von Glücksspielen<br />

der Erlaubnis der zuständigen Behörde bedürfen".<br />

§ 5 (5) besagt, dass nur noch Annahmestellen zur Sicherstellung<br />

eines ausreichenden Glücksspielangebotes unterhalten werden<br />

dürfen und § 5 (6) besagt, dass „die Erlaubnis nicht erteilt<br />

werden darf, wenn dadurch die nach § 20 Abs. 1 Nr. 2 durch<br />

Rechtsverordnung festzulegende Zahl der Annahmestellen<br />

überschritten würde“.<br />

e) § 284 StGB, Unerlaubte Veranstaltung eines Glücksspiels,<br />

besagt folgendes:<br />

(1) Wer ohne behördliche Erlaubnis öffentlich ein Glücksspiel<br />

veranstaltet oder hält oder die Einrichtungen hierzu bereitstellt,<br />

wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit<br />

Geldstrafe bestraft.<br />

(2) Als öffentlich veranstaltet gelten auch Glücksspiele<br />

in Vereinen oder geschlossenen Gesellschaften, in denen<br />

Glücksspiele gewohnheitsmäßig veranstaltet werden.<br />

(3) Wer in den Fällen des Absatzes 1<br />

1. gewerbsmäßig oder<br />

2. als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten<br />

Begehung solcher Taten verbunden hat, wird mit<br />

Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.<br />

(4) Wer für ein öffentliches Glücksspiel (Absätze 1 und 2)<br />

wirbt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit<br />

Geldstrafe bestraft.<br />

§ 287 StGB, Unerlaubte Veranstaltung einer Lotterie oder<br />

einer Ausspielung, besagt folgendes:<br />

(1) Wer ohne behördliche Erlaubnis öffentliche Lotterien<br />

oder Ausspielungen beweglicher oder unbeweglicher Sachen<br />

veranstaltet, namentlich den Abschluß von Spielverträgen<br />

für eine öffentliche Lotterie oder Ausspielung anbietet oder<br />

auf den Abschluß solcher Spielverträge gerichtete Angebote


Aufforderungsschreiben der EU-Kommission vom 31.01.2008<br />

annimmt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit<br />

Geldstrafe bestraft.<br />

(2) Wer für öffentliche Lotterien oder Ausspielungen (Absatz<br />

1) wirbt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit<br />

Geldstrafe bestraft.<br />

§ 285 StGB, Beteiligung am unerlaubten Glücksspiel, besagt<br />

folgendes:<br />

Wer sich an einem öffentlichen Glücksspiel (§ 284) beteiligt,<br />

wird mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit<br />

Geldstrafe bis zu einhundertachtzig Tagessätzen bestraft.<br />

§ 21(2) des NRW-Gesetzes vom 30.10.2007 sieht Geldbußen<br />

in Höhe von bis zu 500 000 EUR im Falle der Werbung für<br />

unerlaubte Glücksspiele im Internet oder über Telekommunikationsanlagen<br />

(§ 21(1)d des NRW-Gesetzes vom 30.10.2007)<br />

vor.<br />

Generelles Verbot von Glücksspielen im Internet<br />

Das Verbot von Glücksspielen im Internet ( § 4 (4) GlüStV)<br />

umfaßt Lotterien, Sportwetten und online Casinos, nicht<br />

jedoch Pferderennwetten, für die die Bundesregierung zuständig<br />

ist.<br />

Deutschland übermittelte der Kommission am 21.12.2006<br />

(Notifikation 2006/658/D) den Entwurf des GlüStV in<br />

Einklang mit der Richtlinie 98/34/EG des Europäischen<br />

Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 über ein<br />

Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und<br />

technischen Vorschriften (ABl. L 204 vom 21.7.1998, S. 37),<br />

geändert durch die Richtlinie 98/48/EG des Europäischen<br />

Parlaments und des Rates vom 20. Juli 1998 zur Änderung<br />

der Richtlinie 98/34/EG (ABl. L 217 vom 5.8.1998, S. 18).<br />

Zwei Mitgliedstaaten (VK und Österreich) äußerten sich<br />

negativ zu dem in § 4(4) des notifizierten GlüStV vorgesehenen<br />

generellen Verbot von Glücksspielen im Internet. Die<br />

Kommission gab zudem am 22. März 2007 eine ausführliche<br />

Stellungnahme gemäß Artikel 9 Absatz 2 der Richtlinie<br />

98/34/EG, geändert durch die Richtlinie 98/48/EG, ab,<br />

die sich einzig auf Bestimmungen des notifizierten GlüStV<br />

bezog, die „Regelungen für die Dienste der Informationsgesellschaft”<br />

im Sinne der oben genannten Richtlinien enthalten.<br />

Die deutschen Behörden wiesen in ihrem Schreiben vom 24.<br />

April 2007 die ausführliche Stellungnahme der Kommission<br />

zurück und fügten ihrer Antwort die Empfehlungen von<br />

Sachverständigen bei, die von den Bundesländern zu Fragen<br />

der Spielsucht angehört wurden. Die Kommission antwortete<br />

darauf, dass die in der ausführlichen Stellungnahme dargelegten<br />

Bedenken weiterhin gelten, und ersuchte die deutschen<br />

Behörden, vor Verabschiedung des notifizierten GlüStV die<br />

erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen. Gleichzeitig behielt<br />

sich die Kommission das Recht vor, die Vereinbarkeit des<br />

notifizierten GlüStV mit dem EU-Recht – insbesondere im<br />

Hinblick auf das generelle Verbot von Glücksspielen im<br />

Internet – erneut zu prüfen.<br />

Beschränkungen<br />

dokuMente<br />

Das Angebot von Glücksspielen ist als „Dienstleistung“ im<br />

Sinne von Artikel 50 EG-Vertrag anerkannt (siehe Randnr.<br />

25 des Urteils des Gerichtshofs vom 24. März 1994 in der<br />

Rechtssache C-275/92, Schindler, Slg. 1994, I-01039).<br />

-n den Randnummer 54, 55, 57 und 58 des Urteils vom 6.<br />

November 2003 in der Rechtssache C-243/01, Gambelli, entschied<br />

der Gerichtshof (im Folgenden EuGH) Folgendes:<br />

54 Überträgt man diese Auslegung auf die Problemstellung im<br />

Ausgangsverfahren, so ergibt sich, dass Artikel 49 EG Dienstleistungen<br />

erfasst, die ein Leistungserbringer wie Stanley mit Sitz in einem<br />

Mitgliedstaat, hier dem Vereinigten Königreich, über das Internet<br />

- und damit ohne Ortswechsel - in einem anderen Mitgliedstaat, hier<br />

der Italienschen Republik, ansässigen Leistungsempfängern anbietet,<br />

so dass jede Beschränkung dieser Tätigkeiten eine Beschränkung<br />

der freien Erbringung von Dienstleistungen durch einen solchen<br />

Leistungserbringer darstellt.<br />

55 Außerdem umfasst der freie Dienstleistungsverkehr nicht nur<br />

die Freiheit des Leistungserbringers, Leistungsempfängern, die in<br />

einem anderen Mitgliedstaat ansässig sind als dem des Leistungser-<br />

bringers, Dienstleistungen anzubieten und zu erbringen, sondern auch<br />

die Freiheit, als Leistungsempfänger von einem Leistungserbringer mit<br />

Sitz in einem anderen Mitgliedstaat angebotene Dienstleistungen zu<br />

empfangen oder in Anspruch zu nehmen, ohne durch Beschränkungen<br />

beeinträchtigt zu werden (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 31.<br />

Januar 1984 in den Rechtssachen 286/82 und 26/83, Luisi und<br />

Carbone, Slg. 1984, 377, Randnr. 16, und vom 26. Oktober 1999<br />

in der Rechtssache C-294/97, Eurowings Luftverkehr, Slg. 1999, I-<br />

7447, Randnrn. 33 und 34).<br />

57 Ein solches strafbewehrtes Verbot der Teilnahme an Wetten, die<br />

in anderen Mitgliedstaaten als dem organisiert werden, in dessen<br />

Gebiet der Wettende ansässig ist, stellt eine Beschränkung des freien<br />

Dienstleistungsverkehrs dar.<br />

58 Das Gleiche gilt für das an Vermittler wie die Beschuldigten<br />

des Ausgangsverfahrens gerichtete ebenfalls strafbewehrte Verbot,<br />

die Erbringung von Wettdienstleistungen bei Sportereignissen, die<br />

von einem Leistungserbringer organisiert werden, der wie Stanley<br />

seinen Sitz in einem anderen Mitgliedstaat als dem hat, in dem<br />

diese Vermittler ihre Tätigkeit ausüben, zu erleichtern, da ein solches<br />

Verbot eine Beschränkung des Rechts des Buchmachers auf<br />

freien Dienstleistungsverkehr darstellt, und zwar auch dann, wenn<br />

die Vermittler in demselben Mitgliedstaat ansässig sind wie die<br />

Empfänger dieser Dienstleistungen.<br />

Daraus ergibt sich, dass das generelle Verbot von Glücksspielen<br />

im Internet durch Unterbinden jeglicher Möglichkeit für in<br />

einem Mitgliedstaat ansässige Veranstalter, über das Internet<br />

Glücksspiele für Empfänger in einem anderen Mitgliedstaat<br />

anzubieten,<br />

a) für diesen Veranstalter die Dienstleistungsfreiheit<br />

beschränkt;<br />

feBruAr 2008 ZfWG 33


dokuMente Aufforderungsschreiben der EU-Kommission vom 31.01.2008<br />

b) für Empfänger in einem anderen Mitgliedstaat als dem,<br />

in dessen Gebiet sich der Leistungserbringer befindet, die<br />

Freiheit, als Leistungsempfänger das Angebot des in einem<br />

anderen Mitgliedstaat ansässigen Leistungserbringers wahrzunehmen,<br />

beschränkt; und<br />

c) das Recht von Vermittlern/Buchmachern, Dienstleistungen<br />

frei zu erbringen, selbst dann beschränkt, wenn sie im gleichen<br />

Mitgliedstaat niedergelassen sind wie die Empfänger<br />

der Spieldienste.<br />

Begründung der Maßnahme<br />

Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH (siehe z.B.<br />

Urteil vom 6. März 2007 in den verbundenen Rechtssachen<br />

C-338/04, C-359/04 und C-360/04, Placanica, Randnr. 49)<br />

darf Artikel 49 EG-Vertrag ausschließlich durch nationale<br />

Maßnahmen eingeschränkt werden, die<br />

- nicht diskriminierend sind,<br />

- durch zwingende Gründe des öffentlichen Interesses gerechtfertigt<br />

sind, sofern das öffentliche Interesse nicht bereits in<br />

dem Mitgliedstaat geschützt ist, in dem der Anbieter ansässig<br />

ist, und<br />

- dazu geeignet sind, die vom betreffenden Mitgliedstaat angeführten<br />

Ziele tatsächlich zu erreichen, und nicht über das hinausgehen,<br />

was zur Erreichung dieser Ziele erforderlich ist.<br />

Das zentrale Argument für die in Frage stehende Maßnahme<br />

ist der Schutz von Minderjährigen und Verbrauchern vor<br />

Spielsucht. Die deutschen Behörden antworteten am 22. Mai<br />

2007 in einer Mitteilung an die Kommission auf ein ergänzendes<br />

Aufforderungsschreiben (Absatz 26) wie folgt:<br />

„Hauptziel der Länder ist es, die Entstehung von Spiel- und<br />

Wettsucht zu verhindern und die Voraussetzungen für eine wirksame<br />

Suchtbekämpfung zu schaffen. Dieses Ziel ist jedoch – anders<br />

als es die Kommission unterstellt – nicht das einzige Ziel der<br />

Glücksspielpolitik der deutschen Länder. Weitere Ziele sind - nur ein<br />

begrenztes Glücksspielangebot zur Verfügung zu stellen, - den natürlichen<br />

Spieltrieb der Bevölkerung in geordnete und überwachte Bahnen<br />

zu lenken, - insbesondere ein Ausweichen auf illegale Glücksspiele<br />

zu verhindern, - den Jugend- und Spielerschutz zu gewährleisten,<br />

- sicherzustellen, dass Glücksspiele ordnungsgemäß durchgeführt<br />

werden, - die Spieler vor betrügerischen Machenschaften zu schützen,<br />

- die mit Glücksspielen verbundene Folge- und Begleitkriminalität<br />

abzuwehren.<br />

Gemäß § 1 GlüStV sind die Ziele des GlüStV<br />

1. das Entstehen von Glücksspielsucht und Wettsucht zu<br />

verhindern und die Voraussetzungen für eine wirksame<br />

Suchtbekämpfung zu schaffen,<br />

2. das Glücksspielangebot zu begrenzen und den natürlichen<br />

Spieltrieb der Bevölkerung in geordnete und überwachte<br />

Bahnen zu lenken, insbesondere ein Ausweichen auf nicht<br />

erlaubte Glücksspiele zu verhindern,<br />

34 ZfWG feBruAr 2008<br />

3. den Jugend- und den Spielerschutz zu gewährleisten,<br />

4. sicherzustellen, dass Glücksspiele ordnungsgemäß durchgeführt,<br />

die Spieler vor betrügerischen Machenschaften<br />

geschützt und die mit Glücksspielen verbundene Folge- und<br />

Begleitkriminalität abgewehrt werden“.<br />

Die deutschen Rechtsvorschriften dienen mithin dem legitimen<br />

Ziel, die Spielmöglichkeiten zu beschränken und auf<br />

diesem Wege die Spielsucht zu bekämpfen.<br />

Fehlender Nachweis der Zweckmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit<br />

der Maßnahme<br />

Dem notifizierten GlüStV wurde leider keine<br />

Folgenabschätzung beigefügt, die es der Kommission ermöglicht<br />

hätte, die Erwägungen zu berücksichtigen, die der im<br />

notifizierten Text gewählten Vorgehensweise zugrunde liegen.<br />

Auch die Begründung des notifizierten GlüStV enthält keinerlei<br />

Angaben, die die Behauptung, in Deutschland bestünde eine<br />

echte Gefahr der Spielsucht im Internet, die ein grundlegendes<br />

Interesse der öffentlichen Ordnung in Deutschland bedrohe,<br />

stützen könnten; es werden keine Folgenabschätzungen<br />

oder Studien zur Stützung dieser Hypothese vorgelegt. Die<br />

Kommission weist darauf hin, dass die Begründung, die ein<br />

Mitgliedstaat zur Rechtfertigung anführt, mit einer Analyse<br />

der Zweckmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit der ergriffenen<br />

restriktiven Maßnahme versehen sein muß. Der betreffenden<br />

Mitgliedstaat muss zudem statistische Daten oder<br />

sonstige Nachweise erbringen, die Rückschlüsse auf die<br />

Bedrohlichkeit der durch Glücksspiele bedingten Risiken<br />

zulassen (vgl. Urteil des EuGH vom 13. November 2003,<br />

Rechtssache C-42/02, Lindman, Slg. 2003, I-3519, Randnr.<br />

25 und 26 und Urteil vom 13. September 2007, Kommission<br />

gegen Italien, Rechtssache C_- 260/04 Randnr 33 ).<br />

Die deutschen Behörden führen in ihrer Antwort auf die<br />

ausführliche Stellungnahme der Kommission Sachverständigengutachten<br />

an, denen zufolge Glücksspiele im Internet<br />

eine mögliche Gefährdung von Minderjährigen und Gefahr<br />

für das Entstehung von Spielsucht darstellen; allerdings lässt<br />

sich nach Meinung dieser Experten die potentielle Gefahr auch auf<br />

Grundlage der bestehenden wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht<br />

genau abschätzen. „ Verlässliche Angaben zur Prävalenz, d.h. zum<br />

Auftreten des pathologischen Glückspiels bezogen auf die Bevölkerung<br />

gibt es für die Bundesrepublik Deutschland bislang nicht“, Gerhard<br />

Meyer/Meinholf Bachmann, Spielsucht, Heidelberg S 52 .“ Noch<br />

immer gibt es aber keine verlässlichen Zahlen über die Anzahl spielsüchtiger<br />

Menschen in Deutschland, die eigentlich einer Behandlung<br />

bedürfen“, Dr. Ingo Michels, in : Füchtenschnieder ( Hrsg ), Erfolg –<br />

Glück - Verzweiflung, S 9, Geesthacht (2003). „ Über die Häufigkeit<br />

von behandlungsbedürftigen Formen des Glückspielverhaltens<br />

in Deutschland existiert keine aussagekräftige epidemiologische<br />

Untersuchung. Die bisherigen Schätzungen sind widersprüchlich“,<br />

Jörg Petry, Glückspielsucht, Göttingen (2003), S 17. Die deutschen<br />

Behörden führen in ihrer Antwort auf die ausführliche<br />

Stellungnahme auch Standpunkte von Spielsuchtexperten<br />

an, die kein generelles Verbot von Glücksspielen im Internet<br />

empfehlen, sondern eher Kontrollmaßnahmen von Online-


Aufforderungsschreiben der EU-Kommission vom 31.01.2008<br />

Spielen vorschlagen, wie Dr. Gerhard Meyer („Glückspiele<br />

im Internet: Eine Herausforderung für die Suchtprävention“,<br />

Suchtreport, Nr. 3, Mai/Juni 2001, S. 11 bis 13). Während<br />

der Autor auf Seite 13 einräumt, dass solche Maßnahmen<br />

zwar durch offshore oder illegale Websites nicht jedoch von<br />

Veranstaltern, die in einem EU-Mitgliedstaat zugelassen sind<br />

und strengen Kontrollen unterliegen, umgangen werden können,<br />

beziehen die deutschen Behörden (Punkt 2.1 in fine ) in<br />

diese These des Autors fälschlicher Weise die in einem EU-<br />

Mitgliedstaat zugelassenen Veranstalter mit ein.<br />

Prüfung von Kohärenz, Eignung und Verhältnismäßigkeit der<br />

Maßnahme<br />

Die Kommission ist erstens der Ansicht, dass die Bekämpfung<br />

von Spielsucht und der Schutz von Minderjährigen zwar<br />

zwingende Gründe des öffentlichen Interesses sind, welche<br />

die Einschränkung einer Grundfreiheit rechtfertigen könnten,<br />

betrachtet das generelle Verbot von Lotterien und Sportwetten<br />

im Internet jedoch nicht als geeignete Maßnahme, um<br />

die gesetzten Ziele, d.h. Bekämpfung der Spielsucht und<br />

Schutz von Minderjährigen, zu erreichen; zudem wird dem<br />

Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht in ausreichendem<br />

Maße Rechnung getragen, da weniger restriktive Maßnahmen<br />

zur Verfügung stehen, um die genannten Ziele zu erreichen.<br />

Die Kommission stellt zweitens die Kohärenz des GlüStV<br />

und der darin vorgesehenen Maßnahme in Frage, die zwar für<br />

Lotterien und Sportwetten, nicht jedoch für Glücksspiele gilt,<br />

bei denen ein höheres Risiko der Spielsucht besteht wie zum<br />

Beispiel bei Pferdewetten. Schließlich hält die Kommission<br />

fest, dass weniger einschneidende Maßnahmen existieren,<br />

um Spielsucht zu bekämpfen und Minderjährige zu schützen,<br />

und dass Online-Veranstalter die Anforderungen des GlüStV<br />

durchaus erfüllen können.<br />

Angesichts dieser Sachlage scheint § 4(4) GlüStV nicht mit<br />

Artikel 49 EG-Vertrag vereinbar.<br />

Eignung der Maßnahme<br />

Das Verbot von Glücksspielen im Internet ist nicht dazu<br />

geeignet, das gesetzte Ziel zu erreichen, da es den deutschen<br />

Behörden nahezu unmöglich ist, ein solches Verbot durchzusetzen.<br />

In diesem Zusammenhang ist die Erklärung der<br />

deutschen Justizministerin Brigitte Zypries interessant, die<br />

auf die Schwierigkeiten einer Blockage der Internetseiten von<br />

Terroristen hinwies. In einer am 1. Oktober 2007 anlässlich<br />

der informellen Sitzung der Justizminister in Lissabon stattfindenden<br />

Pressekonferenz, unterstrich Sie, dass solche Websites<br />

in Deutschland zwar verboten und ohne Probleme geschlossen<br />

werden, aber jederzeit an anderem Ort neu erscheinen<br />

können. „Wir reden hier vom World Wide Web“, so Frau Zypries<br />

und fügte hinzu, dass das Verbot von Internetseiten „leichter<br />

gesagt als getan ist“. Wenn Websites in einem Drittland eingerichtet<br />

sind, so hat die EU keine Möglichkeit, diese zu<br />

blockieren, es sei denn, mit den betreffenden Ländern wurden<br />

entsprechende Abkommen unterzeichnet (siehe Agence Europe<br />

vom 2.10.2007).<br />

dokuMente<br />

Da Websites für Internet-Spiele nicht weltweit blockiert werden<br />

können, droht die rasche Entwicklung eines Schwarzmarkts<br />

für illegale Online-Spiele in Deutschland und damit verbunden<br />

ein höheres Spielsuchtrisiko für in Deutschland lebende<br />

Personen.<br />

Die deutschen Behörden gehen davon aus, dass sie Online-<br />

Spiele blockieren können, indem sie den Banken verbieten,<br />

bei Verwendung einer Kreditkarte Auszahlungen zu tätigen.<br />

Jedoch haben sie keine hinreichenden Erklärungen für die<br />

Effektivität dieser Maßnahme geliefert;<br />

Die Effektivität dieser Maßnahme steht aber gerade in<br />

Frage, weil z. B. pieler jederzeit andere Zahlungsmittel als<br />

Kreditkarte verwenden und insbesondere Konten bei den<br />

Online-Anbietern einrichten können, die es ihnen ermöglichen,<br />

Geld für ihre Einsätze zu überweisen und Gewinne zu<br />

erhalten.<br />

Kohärenz der Maßnahme<br />

Unter den Randnummern 52 und 53 des Placanica-Urteils hat<br />

der Gerichtshof Folgendes entschieden:<br />

52 Hinsichtlich der Ziele, die diese Hemmnisse rechtfertigen können,<br />

ist in diesem Zusammenhang zu unterscheiden zwischen dem Ziel,<br />

die Spielgelegenheiten zu verringern, und – soweit Glücksspiele<br />

zugelassen sind – zum anderen dem Ziel, dadurch Straftaten vorzubeugen,<br />

dass die in diesem Sektor tätigen Wirtschaftsteilnehmer einer<br />

Kontrolle unterworfen und Glücksspieltätigkeiten in Bahnen gelenkt<br />

werden, die diesen Kontrollen unterliegen.<br />

53 Was das erstgenannte Ziel betrifft, so können nach der Rechtsprechung<br />

Beschränkungen der Anzahl der Wirtschaftsteilnehmer<br />

zwar grundsätzlich gerechtfertigt sein , müssen jedoch jedenfalls dem<br />

Anliegen gerecht werden, die Spielgelegenheiten tatsächlich zu verringern<br />

und die Tätigkeiten in diesem Bereich kohärent und systematisch<br />

zu begrenzen (vgl. in diesem Sinne Urteile Zenatti, Randnrn.<br />

35 und 36, und Gambelli u.a., Randnrn. 62 und 67).<br />

Die in Frage stehende Maßnahme Deutschlands dient in erster<br />

Linie dem Schutz von Minderjährigen und der Verbraucher<br />

vor Spielsucht durch Verminderung der Spielgelegenheiten<br />

und fällt deshalb unter die erste Kategorie von Zielen, die es<br />

rechtfertigen können, die Freiheit, in Deutschland Spieldienste<br />

anzubieten, einzuschränken. Nach den Randnummern 35 und<br />

36 des Zenatti-Urteils sowie den Randnummern 62 und 67 des<br />

Gambelli-Urteils, zuletzt bestätigt durch Randnummer 53 des<br />

Placanica-Urteils, sind die betreffenden Beschränkungen nur<br />

dann gerechtfertigt, wenn sie dem Anliegen gerecht werden,<br />

die Gelegenheiten zum Spiel wirklich zu vermindern und die<br />

Tätigkeiten in diesem Bereich kohärent und systematisch zu<br />

begrenzen.<br />

Kohärenzprüfung in der Rechtssprechung des EFTA-Gerichtshofs<br />

Nach der Rechtssprechung des EFTA-Gerichtshofs kann die<br />

Politik eines Staats nicht als kohärent und systematisch betrachtet<br />

werden, wenn er gleichzeitig Maßnahmen unterstützt oder<br />

toleriert, die zu einer Zunahme der Spielgelegenheiten führen<br />

feBruAr 2008 ZfWG 35


dokuMente Aufforderungsschreiben der EU-Kommission vom 31.01.2008<br />

können. 1 Legitime Beschränkungen aus Gründen des überwiegenden<br />

öffentlichen Interesses müssen mit bereits ergriffenen vergleichbaren<br />

Maßnahmen vereinbar sein. 2 Demzufolge „muss das nationale<br />

Gericht prüfen, ob der Staat andere Maßnahmen ergreift, gestattet<br />

oder toleriert, die den mit dem in Frage stehenden Gesetz verfolgten<br />

Zielen zuwider laufen (…). Derartige Widersprüchlichkeiten können<br />

dazu führen, dass das in Frage stehende Gesetz als zur Erreichung der<br />

verfolgten Ziele ungeeignet anzusehen ist.“ 3<br />

Laut Randnummer 52 des Urteils des EFTA-Gerichtshofs vom<br />

30. Mai 2007 in der Rechtssache E-3/06, Ladbrokes, muss ein<br />

nationales Gericht, sofern es befindet, dass ein in Frage stehendes<br />

Gesetz auf mehr als einer legitimen Zielsetzung beruht,<br />

die Stimmigkeit und Konsequenz der Glücksspielpolitik im<br />

Hinblick auf jedes einzelne dieser legitimen Ziele überprüfen.<br />

Da die verfolgten Ziele unter Umständen nicht gleichermaßen<br />

auf alle von dem Glücksspiel-Gesetz erfassten Glücksspiele<br />

Anwendung finden, kann es erforderlich sein, nach den<br />

verschiedenen Glückspielarten zu differenzieren. Laut<br />

Randnummer 44 des Urteils des EFTA-Gerichtshofs vom 14.<br />

März 2007 „ist es bei der Prüfung der Kohärenz der beanstandeten<br />

Rechtsvorschriften, die gründen auf dem überwiegenden öffentlichen<br />

Interesse der Bekämpfung der Spielsucht wesentlich, sich auf Spiele<br />

zu konzentrieren, die im Hinblick auf die Entstehung einer solchen<br />

Sucht eine vergleichbare Wirkung haben“. In der Randnummer<br />

45 des gleichen Urteils kommt der EFTA-Gerichtshof im<br />

Zusammenhang mit Spielautomaten zu dem Schluss, dass<br />

Vertrieb und Entwicklung anderer Spiele bei der Bewertung<br />

der Kohärenz der beanstandeten Rechtsvorschriften in der<br />

aktuellen Situation nicht relevant sind, d.h. in einer Situation,<br />

in der laut Angaben des telefonischen Beratungsdienstes 81 %<br />

der Anrufer Probleme mit Spielautomaten hatten, während<br />

dies bei Sport-und Pferdewetten nur bei 7,7 % bzw. 6,8 % der<br />

Fall war.<br />

Die hauptsächlichen Unstimmigkeiten des deutschen Verbots<br />

Was das Hauptziel der in Frage stehenden nationalen<br />

Rechtsvorschriften, die Bekämpfung der Spielsucht, betrifft,<br />

so kommt die Kommission angesichts der vorausgegangenen<br />

Ausführungen zu dem Schluss, dass es bei der Prüfung der<br />

Kohärenz der beanstandeten Rechtsvorschriften, die auf<br />

dem überwiegenden öffentlichen Interesse der Bekämpfung<br />

der Spielsucht gründen, wesentlich ist, sich auf Spiele zu<br />

konzentrieren, die im Hinblick auf die Entstehung einer<br />

solchen Sucht eine vergleichbare Wirkung haben. 4 Bei der<br />

Kohärenzprüfung sind die Glücksspiele zu berücksichtigen, die<br />

vom Regelungsbereich der beanstandeten Rechtsvorschriften<br />

erfasst werden sowie die „Glücksspielpolitik“ der staatlichen<br />

Behörden auf anderen Sektoren der Glücksspielindustrie.<br />

1 Siehe Randnr. 43 in fine des Urteils des EFTA-Gerichtshofs vom 14. März 2007<br />

in der Rechtssache E-1/06, der zufolge ein Staat, der zur Suchtbekämpfung<br />

ein Monopol mit dem Ziel der Verminderung der Spielgelegenheiten einrichtet,<br />

nicht gleichzeitig Praktiken wie eine umfassende Werbung unterstützen oder<br />

zulassen darf („In order to be consistent, the Defendant may not at the same<br />

time endorse or tolerate measures, such as extensive market, which could lead<br />

to an increase of gambling opportunities“).<br />

2 Urteil vom 14. März 2007 in der Rechtssache E-1/06, Randnr. 43.<br />

3 Urteil vom 30. Mai 2007 in der Rechtssache E-3/06, Ladbrokes, Randnr. 51.<br />

4 Siehe Randnr. 44 des Urteils des EFTA-Gerichtshofs vom 14. März 2007.<br />

36 ZfWG feBruAr 2008<br />

Bei der Bewertung der Kohärenz der nationalen Politik sollte<br />

u.a. ermittelt werden, inwiefern Glücksspiele, von denen<br />

die gleiche oder eine höhere Gefahr der Spielsucht ausgeht,<br />

gleich oder günstiger behandelt werden. Als Glücksspiele, von<br />

denen die gleiche oder eine höhere Gefahr der Spielsucht ausgeht,<br />

solltenl zumindest Pferdewetten, Glücksspielautomaten,<br />

Online-Spielbanken und die damit zusammenhängende<br />

Spielbankpolitik des Mitgliedstaates in die Prüfung mit einbezogen<br />

werden.<br />

a ) Online Pferderennwetten<br />

Aus dieser Sicht scheinen die in Frage stehenden deutschen<br />

Rechtsvorschriften (GlüStV- und NRW-Gesetz vom<br />

30. Oktober 2007) nicht in Einklang zu bringen zu sein<br />

mit dem angestrebten Ziel der Bekämpfung der Spielsucht,<br />

zumal da mehrere öffentliche und private Veranstalter in<br />

Übereinstimmung mit dem geänderten Rennwett - und<br />

Lotteriegesetz aus dem Jahr 1992 Pferdewetten anbieten und<br />

diese Wettdienste auch weiterhin online anbieten werden.<br />

Für Wetten auf Pferderennen, die in den Anwendungsbereich<br />

des deutschen Bundesrechts fallen, gilt das Verbot von<br />

Glücksspielen im Internet nicht, obwohl Pferdewetten zu den<br />

Sportwetten gehören und im Vergleich zu Lotterien und anderen<br />

Sportwetten, die im Internet verboten sind, eine höhere<br />

Spielsuchtgefahr aufweisen. In der Schlussfolgerung einer<br />

von den deutschen Behörden angeführten Studie (Universität<br />

Bremen, Glückspiele in Deutschland – Eine repräsentatives<br />

Untersuchung zur Teilnahme und Problemlage des Spielens<br />

um Geld, Bremen, Dezember 2006) wird bestätigt, dass<br />

von allen untersuchten Fällen 8 % Spielmaschinen, 6 %<br />

Pferdewetten, 5 % Spielbanken und 4 % Sportwetten betrafen;<br />

bei Personen, die Lotto spielen, liegt das Spielsuchtrisiko<br />

lediglich bei 0,33 %.<br />

b) Spielautomaten<br />

Zudem sind in Deutschland Glücksspiele mit hoher<br />

Spielsuchtgefahr wie Spielautomaten keinerlei Beschränkungen<br />

unterworfen, sondern im Gegenteil weit verbreitet (auch<br />

außerhalb des Internets). Die Spielverordnung in ihrer Fassung<br />

vom 27. Januar 2006, von deren Regelungsbereich Spiele mit<br />

Vergnügungsautomaten mit Angabe der Spielpreise erfasst<br />

werden, erhöhte die erlaubte Dichte dieser Automaten pro<br />

Quadratmeter sowie die Durchschnitts- und Höchstverluste<br />

pro Stunde, steigerte die Zahl der in Bars und Restaurants<br />

zulässigen Automaten von zwei auf drei bzw. von zehn auf<br />

zwölf in Spielhäusern und senkte die Mindestspieldauer von<br />

zwölf auf fünf Sekunden, um die Spielautomaten attraktiver<br />

zu machen. All diese Maßnahmen erhöhen das Suchtrisiko<br />

und andere potenziell negative Folgen des Spielens an<br />

Spielautomaten, die eine Form des Glückspiels mit höchstem<br />

Suchtfaktor darstellen. Die Zahl der in Deutschland betriebenen<br />

Spielautomaten wird derzeit auf 180.000 geschätzt.<br />

c ) Online Casinos in Hesssen und Niedersachsen<br />

Obwohl Online-Spielbanken unter das Verbot für Internet-Spiele<br />

fallen, gibt es in Hessen eine staatliche Online-Spielbank, und<br />

wurde in Niedersachsen einer Tochtergesellschaft von Casinos<br />

Österreich eine Genehmigung für Online-Spielbanken erteilt.


Aufforderungsschreiben der EU-Kommission vom 31.01.2008<br />

Im November 2006 hat das hessische Innenministerium die<br />

Konzession für das Online-Roulette der Spielbank Wiesbaden<br />

bis 2011 verlängert 5 . Auch die staatliche Online-Spielbank in<br />

Hessen und die private Online-Spielbank in Niedersachsen<br />

werden ihre Tätigkeiten nach dem 1.1.2008 fortsetzen.<br />

d ) Casinos<br />

Die deutschen Behörden setzen ihre expansive Politik im<br />

Bereich der Kasinospiele fort, obwohl Spielbanken - auch<br />

wenn der Zugang zu ihnen streng kontrolliert ist und das körperliche<br />

Erscheinen der Spieler voraussetzt - hinsichtlich der<br />

Spielsucht gefährlicher sind als Lotterien und Sportwetten.<br />

So stieg die Zahl der Spielbanken von 7 im Jahr 1950 auf 11<br />

im Jahr 1960, 27 im Jahr 1980, 45 im Jahr 1990, 66 im Jahr<br />

2000 und 81 im Jahr 2005. Am 2. Dezember 2006 öffnete das<br />

Esplanade-Kasino in Hamburg mit 140 Geldspielautomaten,<br />

die für die Spielsucht am gefährlichsten sind.<br />

e ) Schlussfolgerungen<br />

All diese Daten sprechen dafür, dass die deutsche<br />

Glücksspielpolitik im Hinblick auf das Ziel der Bekämpfung<br />

der Spielsucht in toto nicht kohärent und systematisch ist.<br />

Die Maßnahme geht über das zur Erreichung der Ziele erforderliche<br />

Maß hinaus<br />

Die deutschen Behörden lieferten keine Begründung für ihre<br />

Entscheidung, Internet-Glücksspiele zu verbieten, die ein<br />

extrem niedriges Spielsuchtrisiko aufweisen und angesichts<br />

der Spielhäufigkeit nicht als Gefahr für die Öffentlichkeit<br />

betrachtet werden können. Das Verbot von Internet-<br />

Glücksspielen gilt insbesondere auch für den Internet-Vertrieb<br />

von Teilnahmescheinen für Lotterien, die von den staatlichen<br />

Lotterieunternehmen der Bundesländer im Rahmen<br />

eines Staatsmonopol auf legalem Wege veranstaltet werden,<br />

obwohl das Risiko einer Spielsucht laut der oben erwähnten<br />

Studie, auf die die deutschen Behörden verweisen, nur<br />

0,33 % beträgt. Die Maßnahme betrifft private gewerbliche<br />

Online-Spielvermittler, die in Deutschland oder anderen<br />

Mitgliedstaaten, insbesondere Österreich, ansässig sind, deutschen<br />

Kunden über das Internet deutsche Lotterieprodukte<br />

der staatlichen Lotterieunternehmen anbieten und aufgrund<br />

dieser Maßnahme gezwungen sind, ihre Tätigkeiten einzustellen.<br />

In Gegensatz zu anderen Glücksspielen bewirkt die<br />

Teilnahme an nationalen Lotterien (sowohl bei Erwerb der<br />

Lottoscheine auf elektronischem als auch auf anderem<br />

Wege) kein ernsthaftes Risiko für eine Spielsucht, da die<br />

Ziehungen in der Regel zweimal wöchentlich stattfinden.<br />

Die staatlichen Lotterieunternehmen beauftragten im Jahr<br />

2006 das Zentrum für interdisziplinäre Suchtforschung an<br />

der Universität Hamburg mit der Auswertung aller verfügbaren<br />

wissenschaftlichen Studien über Spielsucht, die in<br />

Deutschland während der letzten zwanzig Jahre durchgeführt<br />

wurden. Die Forscher haben dabei den Schluss gezogen,<br />

dass der Prozentsatz der Lotteriespieler mit Suchtproblemen<br />

5 Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 11.november 2006.<br />

dokuMente<br />

aller Wahrscheinlichkeit nach zwischen 0,05 und 0,3 % der<br />

17 Millionen deutschen Lotteriespieler liegen dürfte (siehe<br />

Kalke, Farnbacher, Vertheim, Haasen, Das Gefährdungs- und<br />

Abhängigkeitspotential von Lotterien – Erkenntnisstand in<br />

Deutschland, Hamburg 2006, S. 12).<br />

Die Unverhältnismäßigkeit der Maßnahme zeigt sich nicht<br />

nur in der Tatsache, dass das Spielsuchtrisiko beim Vertrieb<br />

von Teilnahmescheinen für Lotterien, die in Deutschland<br />

von den Staatsmonopolen legal veranstaltet werden, gering<br />

ist, sondern auch im Fehlen jeglicher Begründung dafür,<br />

dass der Verkauf von Lottoscheinen in Annahmestellen<br />

wie Tabak- und Zeitschriftenläden von der betreffenden<br />

Verbotsmaßnahme nicht erfasst wird, während der Vertrieb<br />

der gleichen Scheine über das Internet wegen der Gefahr einer<br />

Spielsucht verboten wird. Der Erwerb von Lottoscheinen<br />

wird nicht gefährlicher, weil der Verkauf nicht über eine<br />

Annahmestelle des staatlichen Lotterieunternehmens, sondern<br />

online durch ein privates Unternehmen erfolgt.<br />

Existenz weniger einschneidender Maßnahmen<br />

Die Kommission vertritt unter Berücksichtigung der<br />

Rechtsprechung des EuGH den Standpunkt, dass<br />

Beschränkungen von Glücksspielen im Internet aus zwingenden<br />

Gründen des öffentlichen Interesses wie Verbraucherschutz,<br />

Jugendschutz und Bekämpfung von Spielsucht<br />

gerechtfertigt sein können. Ein generelles Verbot von Glücksspielen<br />

im Internet erscheint jedoch unverhältnismäßig<br />

Für diesen Standpunkt spricht auch die Tatsache, dass<br />

die Bundesländer - gemäß § 25(6) GlüStV über eine<br />

Ausnahmeregelung für einen Zeitraum von bis zu einem<br />

Jahr nach Inkrafttreten der Gesetze der Bundesländer - die<br />

Veranstaltung von Lotterien im Internet unter bestimmten<br />

Bedingungen erlauben können. Diese Bedingungen stellen<br />

den Schutz von Minderjährigen und spielsüchtigen Personen<br />

sicher (Identifizierung/Authentifizierung, Einsätze von bis zu<br />

1000 EUR pro Monat usw.). § 25(6) GlüStV zeigt, dass Internet-Spiele<br />

mit den Zielen der deutschen Behörden in Einklang<br />

gebracht werden können.<br />

Effiziente Kontrollen von Spielern sind möglich und beim<br />

Vertrieb über das Internet sogar einfacher zu realisieren<br />

als beim Verkauf in Lottoannahmestellen. Laut den<br />

Erläuterungen zum GlüStV (Abschnitt B 4) gehen Internet-<br />

Spiele mit einer Anonymität des Spielers und einem Mangel<br />

an sozialer Kontrolle einher, so dass ein ausreichender<br />

Schutz nicht angeboten werden könne. Das bisherige Internet-<br />

Angebot der Staatsmonopole forderte von den Spielern eine<br />

Registrierung mit Angabe von Namen, Adresse und Alter.<br />

Die Adresse wurde mit Hilfe der deutschen Post und das Alter<br />

mit Hilfe der SCHUFA überprüft. Die Spieler mussten sich<br />

bei jedem Spiel einloggen und eine Vorauszahlung auf ein<br />

Sonderkonto leisten, da Spielkredite ausgeschlossen waren.<br />

Ferner wurde eine Höchstgrenze für den Gesamtbetrag<br />

festgelegt, den ein Spieler im Laufe einer Woche einsetzen<br />

konnte. Dies zeigt, dass Internet-Spiele nicht zwangsläufig<br />

völlig anonym sein müssen. Altersangaben können wirksam<br />

überprüft werden, so dass der Schutz von Minderjährigen<br />

feBruAr 2008 ZfWG 37


dokuMente Aufforderungsschreiben der EU-Kommission vom 31.01.2008<br />

gewährleistet ist. Angesichts der vorstehenden Ausführungen<br />

zieht die Kommission den Schluss, dass das in § 4(4) GlüStV<br />

und dem NRW-Gesetz vom 30. Oktober 2007 vorgesehene<br />

generelle Verbot von Spielen im Internet eine ungerechtfertigte<br />

Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs darstellt,<br />

da die Maßnahme ungeeignet und unwirksam ist und über<br />

das zur Erreichung des Ziels erforderliche Maß hinausgeht;<br />

darüber hinaus verringert die deutsche Glücksspielpolitik die<br />

Spielgelegenheiten nicht konsequent und systematisch. Die<br />

Maßnahme scheint deshalb nicht mit Artikel 49 EG-Vertrag<br />

vereinbar.<br />

Beschränkungen des freien Kapitalverkehrs<br />

Zunächst einmal ist festzustellen, dass gemäß § 9(1) Ziffer 4<br />

GlüStV die Glücksspielaufsicht Kredit- und Finanzdienstleistungsinstituten<br />

die Mitwirkung an Zahlungen für unerlaubtes<br />

Glücksspiel und an Auszahlungen aus unerlaubtem<br />

Glücksspiel untersagen kann.<br />

Gemäß Artikel 56 Absatz 2 EG-Vertrag sind „alle<br />

Beschränkungen des Zahlungsverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten<br />

sowie zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern verboten“. §<br />

9(1) Ziffer 4 GlüStV sieht vor, dass auch Zahlungen untersagt<br />

werden können, die unter § 4(4) GlüStV fallen, was eindeutig<br />

eine Beschränkung des Zahlungsverkehrs darstellt.<br />

Insbesondere im Fall der Auszahlung von Gewinnen könnten<br />

die jeweiligen Transaktionen auch als „Transfer der<br />

zur Erbringung von Dienstleistungen erforderlichen Mittel“<br />

im Sinne von Rubrik XIII Absatz E von Anhang I der<br />

Richtlinie 88/361/EWG betrachtet werden. 6 Daher könnten<br />

die Bestimmungen des GlüStV auch eine Beschränkung des<br />

freien Kapitalverkehrs im Sinne von Artikel 56 Absatz 1 EG-<br />

Vertrag darstellen.<br />

Der Gerichtshof hat festgestellt, dass Artikel 56 EG-Vertrag<br />

durch gemeinschaftliche oder nationale Regelungen nur<br />

beschränkt werden darf, wenn diese entweder durch im<br />

EG-Vertrag ausdrücklich genannte Ausnahmen oder durch<br />

zwingende Gründe des öffentlichen Interesses gerechtfertigt<br />

sind, die der Gerichtshof auf der Grundlage des EG-Vertrags<br />

anerkannt hat. 7 Ferner hat der Gerichtshof festgestellt 8 , dass<br />

Maßnahmen, die die Ausübung von Grundfreiheiten des EG-<br />

Vertrags behindern oder weniger attraktiv machen können,<br />

nur unter vier Voraussetzungen zulässig sind:<br />

- sie müssen in nichtdiskriminierender Weise angewandt<br />

werden,<br />

6 Wenngleich der Begriff „Kapitalverkehr“ nicht im EG-Vertrag definiert ist, kann<br />

laut der ständigen Rechtsprechung des EuGH die Richtlinie 88/361/EWG vom<br />

24. Juni 1988 (ABl. L 178 vom 8.7.1988, S. 5) mit der ihr beigefügten nomenklatur<br />

(insbesondere die Rubriken I und III der nomenklatur in Anhang I sowie<br />

die in diesem Anhang enthaltenen Begriffsbestimmungen) zur Bestimmung<br />

dieses Begriffs herangezogen werden.<br />

7 Siehe Urteile zum freien Kapitalverkehr: Kommission/Portugal, C-367/98,<br />

Randnr. 49, Kommission/Frankreich, C-483/99, Randnr. 45, Kommission/Belgien,<br />

C-503/99, Randnr. 45 und Kommission/Spanien, C-463/00, Randnr. 68<br />

– Artikel 56(1) EG-Vertrag.<br />

8 Siehe Rechtssache C-55/94, Gebhard, Randnr. 37 (mit weiteren Verweisen).<br />

38 ZfWG feBruAr 2008<br />

- sie müssen aus zwingenden Gründen des öffentlichen<br />

Interesses gerechtfertigt sein,<br />

- sie müssen geeignet sein, die Verwirklichung des mit ihnen<br />

verfolgten Zieles zu gewährleisten, und<br />

- sie dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung<br />

dieses Zieles erforderlich ist.<br />

Gemäß Artikel 58 Absatz 1 Buchstabe b EG-Vertrag sind die<br />

Mitgliedstaaten ausdrücklich befugt, Maßnahmen zu ergreifen,<br />

die aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit<br />

gerechtfertigt sind. § 9(1) Ziffer 4 GlüStV zielt in diesem<br />

Zusammenhang darauf ab, Finanzdienstleistungsinstituten<br />

die Mitwirkung an „Zahlungen für unerlaubtes Glücksspiel<br />

und an Auszahlungen aus unerlaubtem Glücksspiel“ zu untersagen,<br />

da dies als Beteiligung an kriminellen Handlungen<br />

gemäß § 284 des deutschen Strafgesetzbuchs zu bewerten<br />

wäre.<br />

Die vier Ziele des GlüStV und insbesondere von § 4(4)<br />

sind in § 1 aufgeführt. Dazu gehören die Verhinderung<br />

des Entstehens von Glücksspielsucht und Wettsucht sowie<br />

der Schutz von Jugend und Spielern. Zu den wenigen<br />

zwingenden Erfordernissen, die nach Auffassung des<br />

Gerichtshofes Beschränkungen rechtfertigen können, gehört<br />

der Verbraucherschutz 9 .<br />

Sofern das Glücksspielverbot teilweise oder völlig Art. 49<br />

des EG – Vertrages widerspricht, ist konsequenterweise<br />

auch das oben genannte, den Banken gegenüber ausgesprochene<br />

Verbot nicht mit Art. 56 des EG – Vertrages<br />

vereinbar.<br />

Werbebeschränkungen<br />

a ) beschränkende Wirkung der Maßnahme<br />

§ 5(1) GlüStV besagt: „Werbung für öffentliches Glücksspiel<br />

hat sich […] auf eine Information und Aufklärung über<br />

die Möglichkeit zum Glücksspiel zu beschränken“. In § 5<br />

(3) heißt es: „Werbung für öffentliches Glücksspiel ist im<br />

Fernsehen (§§ 7 und 8 Rundfunkstaatsvertrag), im Internet<br />

sowie über Telekommunikationsanlagen verboten“. Daraus<br />

folgt im Umkehrschluss, dass Werbung per Post, in der<br />

Presse, im Radio oder auf andere Weise erlaubt ist. In den<br />

Erläuterungen zu § 5(3) GlüStV heißt es: „Abgesehen wird<br />

dagegen von einem Verbot der unverlangten Übermittlung<br />

von Werbematerial und Spielangeboten per Post. Damit bleibt<br />

der Postweg als traditioneller […] Vertriebsweg weiterhin<br />

eröffnet“. § 5(4) GlüStV besagt: „Werbung für unerlaubte<br />

Glücksspiele ist verboten“.<br />

Aufgrund des Verbots dürfen Internet-, Fernseh- und<br />

Telefondiensteanbieter mit Sitz in Deutschland oder einem<br />

anderen Mitgliedstaat in Deutschland keine Werbedienste für<br />

9 Siehe z. B. Urteil zu Caixa-Bank France/Ministère de l’Economie, C-442/02,<br />

Randnr. 21.


Aufforderungsschreiben der EU-Kommission vom 31.01.2008<br />

öffentliche Glücksspiele anbieten und haben in Deutschland<br />

Ansässige nicht das Recht, diese Dienste zu erhalten. Daher<br />

stellt das Verbot möglicherweise eine Beschränkung der freien<br />

Erbringung und Inanspruchnahme grenzüberschreitender<br />

Werbedienste dar. Selbst wenn das Verbot weder bezweckt<br />

noch bewirkt, dem nationalen Markt einen Vorteil gegenüber<br />

Dienstleistungserbringern aus anderen Mitgliedsstaaten zu<br />

verschaffen, kann es dennoch eine Beschränkung des grenzüberschreitenden<br />

freien Dienstleistungsverkehrs darstellen<br />

(Urteil des EuGH vom 10. Mai 1995 in der Rechtssache C-<br />

384/93, Alpine Investments, Slg. 1995, I-1141, Randnr. 35).<br />

Der Rechtsprechung des EuGh zufolge beeinträchtigt eine<br />

Maßnahme wie ein Werbeverbot angesichts des internationalen<br />

Charakters des Werbemarktes das grenzüberschreitende<br />

Angebot von Anzeigenraum auch dann in besonderer Weise,<br />

wenn sie keinen diskriminierenden Charakter hat, und stellt<br />

daher eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs<br />

im Sinne von Artikel 49 EG-Vertrag dar (Urteil des EuGH<br />

vom 8. März 2001 in der Rechtssache C-405/98, Gourmet,<br />

Slg. 2001, I-1795, Randnr. 39).<br />

b ) Inkohärenz der Maßnahme<br />

Das generelle Verbot der Werbung für öffentliches Glücksspiel<br />

im Internet, im Fernsehen und über Telekommunikationsanlagen<br />

ist nicht geeignet, die Ziele des GlüStV zu erreichen, und<br />

geht über das erforderliche Maß hinaus. Die Maßnahme<br />

ist nicht kohärent, weil Werbung per Post, in der Presse<br />

(Zeitungen, Zeitschriften), im Radio sowie an öffentlich<br />

zugänglichen Orten (auf Straßen, in Stadien, Bahnhöfen<br />

und Haltestellen, Einkaufszentren usw.) weiterhin erlaubt ist<br />

und der breiten Öffentlichkeit viele Werbemittel offen stehen.<br />

Zudem ist die Werbewirkung aufgrund von § 5(1) GlüStV, dem<br />

zufolge sich die Werbung auf Information und Aufklärung<br />

beschränken muss, ohnehin schon vernachlässigbar.<br />

Ferner enthält § 21(2) GlüStV ein besonderes Verbot der<br />

Trikot- und Bandenwerbung für Sportwetten. In der Praxis<br />

hätte die Anwendung dieser Bestimmung zur Folge, dass<br />

es einer ausländischen Mannschaft unter Androhung strafrechtlicher<br />

Sanktionen untersagt wäre, das Logo ihres<br />

Sponsors/Sportwettenveranstalters zu tragen, selbst wenn die<br />

Glücksspieltätigkeit im Herkunftsmitgliedstaat des Sponsors<br />

rechtmäßig ist. Im Frühjahr 2007 drohten die bayerischen<br />

Behörden dem AC Mailand eine Geldbuße in Höhe von<br />

100 000 EUR an, die schließlich auch verhängt wurde, weil<br />

die Spieler des Clubs das Champions League-Spiel zwischen<br />

dem AC Mailand und dem FC Bayern München am 11.<br />

April 2007 in der üblichen, von der UEFA genehmigten<br />

Ausrüstung des Teams, d.h. mit dem Logo „bwin“ auf den<br />

Trikots, bestritten.<br />

Die Tatsache, dass so viele andere Arten von Werbung<br />

zulässig sind und dass für andere Glücksspiele mit höherem<br />

Suchtpotenzial (Spielbanken, Glücksspielautomaten,<br />

Pferdewetten) kein derartiges Werbeverbot vorgesehen ist,<br />

ist ein eindeutiger Beleg für das Fehlen einer kohärenten<br />

und in sich stimmigen Strategie zur Bekämpfung der<br />

Glücksspielsucht.<br />

Angesichts dieser Sachlage ist die Kommission der Auffassung,<br />

dokuMente<br />

dass § 5(3) und (4) sowie § 21(2) GlüStV mit Artikel 49 EG-<br />

Vertrag unvereinbar sind.<br />

Begrenzung der Verkaufsstellen – Beschränkungen der<br />

Vertriebswege<br />

Gemäß §§ 4, 12 und 19 GlüStV ist für die Vermittlung<br />

von Spielen eine Erlaubnis erforderlich. Da es für jedes<br />

deutsche Bundesland einer Erlaubnis bedarf, benötigt ein<br />

gewerblicher Spielvermittler 16 Erlaubnisse, um seine<br />

Dienste in ganz Deutschland anbieten zu können. Laut §<br />

4(2) GlüStV besteht auf die Erteilung der Erlaubnis kein<br />

Rechtsanspruch. Für Glücksspiele, die laut GlüStV nicht<br />

erlaubt sind, darf keine Erlaubnis erteilt werden. Die zuständige<br />

Behörde kann nach freiem Ermessen über die Erteilung<br />

der Erlaubnis entscheiden, die „nur unter Beachtung der<br />

Ziele von Suchtbekämpfung und -verhinderung, Begrenzung<br />

des Glücksspielangebotes und Kanalisierung des Spieltriebs,<br />

Gewährleistung des Jugend- und Spielerschutzes sowie der<br />

ordnungsgemäßen Durchführung von Glücksspiel und der<br />

Abwehr von damit verbundener Kriminalität erteilt werden“<br />

kann (siehe Erläuterungen zu § 4(2)). In den Erläuterungen<br />

zu § 19 wird dazu ausgeführt: „Die Erlaubnis darf […] nicht<br />

erteilt werden, wenn die (gewerbliche) Spielvermittlung den<br />

Zielen insbesondere des § 1 Nr. 1 und 2 zuwiderläuft. Ein<br />

solcher Fall wird anzunehmen sein sein, wenn durch die<br />

Spielvermittlung neue Vertriebswege eröffnet werden sollen“<br />

(wie Lotto im Supermarkt). Supermärkten in Deutschland<br />

wird es demzufolge nicht erlaubt sein, Lotterielose zu verkaufen,<br />

obwohl die Gefahr der Spielsucht extrem niedrig ist.<br />

§ 10 (3) GlüStV besagt: „Die Länder begrenzen die Zahl der<br />

Annahmestellen zur Erreichung der Ziele des § 1“. Es ist<br />

hervorzuheben, dass hier von einer Begrenzung und nicht<br />

von einer Reduzierung die Rede ist. Die Kommission stellt<br />

fest, dass in Deutschland bereits rund 27 000 Annahmestellen<br />

existieren.<br />

Diese Bestimmungen bringen Beschränkungen der<br />

Niederlassungsfreiheit und der Dienstleistungsfreiheit in<br />

Deutschland für Spielvermittler, die ihren Sitz in einem<br />

anderen Mitgliedstaat haben und in Deutschland Dienste für<br />

Glücksspiele über die die von den deutschen Bundesländern<br />

veranstalteten Lotterien und Sportwetten anbieten möchten mit<br />

sich. In Anbetracht der Begrenzung der Annahmestellenzahl<br />

und des Ermessensspielraums der zuständigen Behörden<br />

bei der Erteilung der Erlaubnisse haben gewerbliche<br />

Spielvermittler aus anderen Mitgliedstaaten de facto allenfalls<br />

eine geringe Chance, eine Erlaubnis für eine Annahmestelle<br />

in Deutschland zu erhalten, in der sie Glücksspiele (Lotterien<br />

und Sportwetten) anbieten dürfen, die von Lottogesellschaften<br />

der deutschen Bundesländer veranstaltet werden. Ferner<br />

enthält der GlüStV keine Angaben über laufende oder<br />

geplante Ausschreibungen, durch die die Beachtung der<br />

Grundsätze der Transparenz und der Nichtdiskriminierung<br />

bei der Erteilung der Erlaubnisse für Annahmestellen gewährleistet<br />

würde (vgl. Urteil des EuGh vom 6. März 2007 in<br />

den verbundenen Rechtssachen C-338/04, C-359/04 und<br />

C-360/04, Placanica, Randnrn. 59 bis 64). Folglich stellt<br />

feBruAr 2008 ZfWG 39


dokuMente<br />

die in § 10(3) GlüStV vorgesehene Begrenzung der Zahl der<br />

Annahmestellen in Verbindung mit §§ 4, 12 und 19 möglicherweise<br />

eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit (Artikel<br />

43 EG-Vertrag) und der Dienstleistungsfreiheit (Artikel 49<br />

EG-Vertrag) dar: Dieser Spielraum, der den konzessionserteilenden<br />

Behörden eingeräumt wird, stellt in der Tat<br />

nach der ständigen Rechtssprechung des Gerichtshofes eine<br />

eindeutige Gefahr der Diskriminierung von gewerblichen<br />

Spielvermittlern aus anderen Mitgliedstaaten, die sich in<br />

Deutschland niederlassen oder dort ihre Dienste anbieten<br />

wollen, dar ( vgl. Urteil vom 20.Februar 2002, Rechtssache C<br />

– 205/99 Analir, Randnr. 38 ).<br />

Der Gerichtshof entschied in seinem Urteil vom 13. September<br />

2007 in der Rechtssache C-260/04, Kommission gegen<br />

Italienische Republik, Folgendes:<br />

20 Wie die Kommission zutreffend ausgeführt hat, hat die italienische<br />

Regierung weder im Vorverfahren noch im vorliegenden Verfahren in<br />

Abrede gestellt, dass die Vergabe der Dienstleistungen der Annahme<br />

und Abwicklung von Pferdewetten in Italien eine öffentliche Dienstleistungskonzession<br />

darstellt. Eine solche Einstufung ist im Urteil<br />

vom 6. März 2007, Placanica u.a. (C-338/04, C-359/04 und<br />

C-360/04, Slg. 2007, I-0000), vorgenommen worden, in dem der<br />

Gerichtshof die Art. 43 EG und 49 EG im Hinblick auf dieselben<br />

nationalen Rechtsvorschriften ausgelegt hat.<br />

21 Öffentliche Dienstleistungskonzessionen sind unstreitig vom<br />

Anwendungsbereich der Richtlinie 92/50 ausgenommen (vgl. Urteil<br />

vom 13. Oktober 2005, Parking Brixen, C-458/03, Slg. 2005, I-<br />

8585, Randnr. 42).<br />

22 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs sind zwar Verträge über<br />

öffentliche Dienstleistungskonzessionen beim gegenwärtigen Stand<br />

des Gemeinschaftsrechts vom Anwendungsbereich der Richtlinie<br />

92/50 ausgenommen, doch müssen die öffentlichen Stellen, die<br />

sie schließen, gleichwohl die Grundregeln des EG-Vertrags im<br />

Allgemeinen und das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der<br />

Staatsangehörigkeit im Besonderen beachten (vgl. in diesem Sinne<br />

Urteil Telaustria und Telefonadress, Randnr. 60, sowie Urteile vom<br />

21. Juli 2005, Coname, C-231/03, Slg. 2005, I-7287, Randnr. 16,<br />

und Parking Brixen, Randnr. 46).<br />

23 Der Gerichtshof hat weiter festgestellt, dass die auf öffentliche<br />

Dienstleistungskonzessionen anwendbaren Bestimmungen des<br />

Vertrags, insbesondere die Art. 43 EG und 49 EG, sowie das Verbot<br />

der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit eine<br />

besondere Ausprägung des Grundsatzes der Gleichbehandlung sind<br />

(vgl. in diesem Sinne Urteil Parking Brixen, Randnr. 48).<br />

24 Insoweit schließen der Gleichbehandlungsgrundsatz und das<br />

Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit<br />

insbesondere eine Verpflichtung zur Transparenz ein, die es der<br />

konzessionserteilenden öffentlichen Stelle ermöglicht zu kontrollieren,<br />

ob diese Grundsätze beachtet werden. Diese der öffentlichen<br />

Behörde obliegende Transparenzpflicht besteht darin, zugunsten der<br />

potenziellen Bieter einen angemessenen Grad von Öffentlichkeit zu<br />

gewährleisten, der die Dienstleistungskonzession dem Wettbewerb<br />

öffnet und die Nachprüfung ermöglicht, ob die Vergabeverfahren<br />

40 ZfWG feBruAr 2008<br />

unparteiisch durchgeführt worden sind (vgl. in diesem Sinne Urteile<br />

Telaustria und Telefonadress, Randnrn. 61 und 62, sowie Parking<br />

Brixen, Randnr. 49).<br />

25 Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass das völlige Fehlen von<br />

Ausschreibungen zur Vergabe von Konzessionen für die Annahme<br />

von Pferdewetten gegen die Art. 43 EG und 49 EG verstößt<br />

und insbesondere den allgemeinen Transparenzgrundsatz sowie die<br />

Verpflichtung verletzt, einen angemessenen Grad von Öffentlichkeit<br />

sicherzustellen. Die Erneuerung der 329 alten Konzessionen ohne<br />

Ausschreibung verhindert nämlich die Öffnung dieser Konzessionen<br />

für den Wettbewerb und die Nachprüfung, ob die Vergabeverfahren<br />

unparteiisch durchgeführt worden sind.<br />

[...]<br />

Aufforderungsschreiben der EU-Kommission vom 31.01.2008<br />

34 Es ist daher festzustellen, dass die ohne Ausschreibung erfolgte<br />

Erneuerung der alten Konzessionen der UNIRE nicht geeignet ist,<br />

die Verwirklichung des von der Italienischen Republik angestrebten<br />

Ziels sicherzustellen, und dass sie über das hinausgeht, was erforderlich<br />

ist, um zu verhindern, dass die im Pferdewettensektor tätigen<br />

Wirtschaftsteilnehmer in kriminelle oder betrügerische Aktivitäten<br />

verwickelt werden.<br />

35 Im Übrigen kann die von der italienischen Regierung angeführten<br />

Begründung ,,dass für die Inhaber einer Konzession Kontinuität,<br />

finanzielle Stabilität und angemessene Renditen aus den in der<br />

Vergangenheit getätigten Investitionen gewährleistet werden sollten,<br />

nicht als Rechtfertigungsgrund des zwingenden Allgemeininteresses<br />

anerkannt werden (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 6. Juni 2000,<br />

Verkooijen, C-35/98, Slg. 2000, I-4071, Randnr. 48, und vom 16.<br />

Januar 2003, Kommission/Italien, C-388/01, Slg. 2003, I-721,<br />

Randnr. 22).<br />

36 Infolgedessen greift keiner der zwingenden Gründe des<br />

Allgemeininteresses, die die italienische Regierung zur Rechtfertigung<br />

des Vorgehens angeführt hat, die 329 alten Konzessionen ohne<br />

Ausschreibungsverfahren zu erneuern.<br />

37 Mithin ist festzustellen, dass die Klage der Kommission begründet<br />

ist.<br />

38 Aus alledem folgt, dass die Italienische Republik dadurch gegen<br />

ihre Verpflichtungen aus den Art. 43 EG und 49 EG, insbesondere<br />

gegen den allgemeinen Transparenzgrundsatz und die Verpflichtung,<br />

einen angemessenen Grad von Öffentlichkeit sicherzustellen, verstoßen<br />

hat, dass sie 329 Konzessionen für die Annahme von Pferdewetten<br />

erneuert hat, ohne Ausschreibungsverfahren durchzuführen.<br />

In seinem Urteil in der Rechtssache Placanica hat der<br />

Gerichtshof unter der Randnummer 63 Folgendes entschieden:<br />

63 Was die Folgen angeht, die sich aus der Rechtswidrigkeit des<br />

Ausschlusses einer bestimmten Anzahl von Wirtschaftsteilnehmern<br />

von den Ausschreibungen für die Zuteilung der bestehenden<br />

Konzessionen ergeben, so ist es Aufgabe des innerstaatlichen<br />

Rechts, Verfahrensmodalitäten vorzusehen, die den Schutz der<br />

den Wirtschaftsteilnehmern aus der unmittelbaren Wirkung des


Aufforderungsschreiben der EU-Kommission vom 31.01.2008<br />

Gemeinschaftsrechts erwachsenden Rechte gewährleisten, wobei diese<br />

Modalitäten nicht weniger günstig ausgestaltet sein dürfen als für entsprechende<br />

Sachverhalte innerstaatlicher Art (Äquivalenzgrundsatz)<br />

und wobei sie die Ausübung der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung<br />

verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder<br />

übermäßig erschweren dürfen (Effektivitätsgrundsatz) (vgl. Urteile<br />

vom 20. September 2001, Courage und Crehan, C-453/99, Slg.<br />

2001, I-6297, Randnr. 29, sowie vom 19. September 2006, I-21<br />

Germany und Arcor, C-392/04 und C-422/04, Slg. 2006, I-0000,<br />

Randnr. 57). Sowohl eine Rücknahme und eine Neuverteilung der<br />

alten Konzessionen als auch die Ausschreibung einer angemessenen<br />

Anzahl neuer Konzessionen könnten in dieser Hinsicht eine angemessene<br />

Lösung sein. Es ist jedoch in jedem Fall festzustellen, dass<br />

in Ermangelung eines Verfahrens der Konzessionsvergabe, das auch<br />

den bei der letzten Ausschreibung rechtswidrig von einem möglichen<br />

Konzessionserhalt ausgeschlossenen Wirtschaftsteilnehmern offensteht,<br />

der Umstand des Fehlens einer Konzession , nicht zum Anlass<br />

für die Verhängung einer Sanktion gegen diese Wirtschaftsteilnehmer<br />

genommen werden darf.<br />

Die ständige Rechtsprechung des EuGH gilt mutatis mutandis<br />

auch für die Erteilung von Erlaubnissen an Vermittler von<br />

Lotterien und Sportwetten in Deutschland. Angesichts des<br />

Fehlens eindeutiger Bestimmungen über die Anforderungen<br />

für die Erteilung solcher Erlaubnisse im Rahmen der neuen<br />

Rechtsvorschriften ist die Kommission der Ansicht, dass §<br />

10(3) in Verbindung mit §§ 4, 12 und 19 GlüStV mit den<br />

Artikeln 43 und 49 des Vertrags unvereinbar ist, und ersucht<br />

die deutschen Behörden, die Regelung für die Erteilung von<br />

Erlaubnissen an Vermittler ab dem 1.1.2008 zu klären.<br />

§ 25(3) GlüStV – ausschließliche Rechte für private<br />

Unternehmen<br />

Obwohl gemäß § 10(2) GlüStV nur die Bundesländer oder<br />

juristische Personen des öffentlichen Rechts oder privatrechtliche<br />

Gesellschaften, an denen juristische Personen des<br />

öffentlichen Rechts maßgeblich beteiligt sind, die Aufgabe<br />

der Sicherstellung eines ausreichenden Glücksspielangebots<br />

erfüllen können, lautet § 25(3) GlüStV: „Abweichend von<br />

§ 10 Abs. 2 kann das Land Rheinland-Pfalz seine Aufgabe<br />

nach § 10 Abs. 1 durch ein betrautes Unternehmen wahrnehmen“.<br />

Das heißt, dass in diesem Bundesland ein privates<br />

Unternehmen ohne maßgebliche staatliche Beteiligung<br />

die Lotterie im Rahmen einer staatlichen Konzession und<br />

ohne vorherige Ausschreibung, durch die die Beachtung der<br />

Grundsätze der Transparenz und der Nichtdiskriminierung<br />

gewährleistet würde, betrieben hat und weiterhin betreiben<br />

wird. Aus der ständigen Rechtsprechung des EuGH (vgl.<br />

insbesondere Urteil vom 13. September 2007 und Randnr. 63<br />

des oben genannten Placanica-Urteils) ergibt sich, dass § 25(3)<br />

GlüStV möglicherweise mit den Artikeln 43 des EG-Vertrags<br />

unvereinbar ist.<br />

Sanktionen im Falle nicht mit dem Gemeinschaftsrecht<br />

vereinbarer Beschränkungen<br />

Der EuGH entschied unter der Randnummer 71 des Placanica-<br />

Urteil Folgendes:<br />

dokuMente<br />

Deshalb ist festzustellen, dass die Art. 43 EG und 49 EG dahin<br />

auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung wie der<br />

in den Ausgangsverfahren fraglichen, die für Personen wie die<br />

Beschuldigten der Ausgangsverfahren eine strafrechtliche Sanktion<br />

wegen Sammelns von Wetten ohne die nach dem nationalen Recht<br />

erforderliche Konzession oder polizeiliche Genehmigung vorsieht,<br />

dann entgegenstehen, wenn sich diese Personen diese Konzessionen<br />

oder Genehmigungen deshalb nicht beschaffen konnten, weil dieser<br />

Mitgliedstaat es unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht abgelehnt<br />

hatte, sie ihnen zu erteilen.<br />

Daraus folgt, dass in dem Umfang, in dem die betreffenden<br />

deutschen Rechtsvorschriften mit dem Gemeinschaftsrecht<br />

unvereinbare Beschränkungen darstellen, auch die<br />

Auferlegung strafrechtlicher Sanktionen oder die Verhängung<br />

von Geldbußen zur Durchsetzung dieser Beschränkungen<br />

als mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar anzusehen<br />

sind. Auch wenn das Strafrecht vom Grundsatz her eine<br />

Angelegenheit ist, die in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten<br />

fällt, hat der EuGH konsequenterweise entschieden,<br />

dass das Gemeinschaftsrecht bestimmte Begrenzungen<br />

dieser Befugnisse vorsieht und dass auch strafrechtliche<br />

Rechtsvorschriften die vom Gemeinschaftsrecht garantierten<br />

Grundfreiheiten nicht einschränken dürfen (vgl. Rechtssache<br />

C-348/96, Calfa, Slg. 1999, I-11, Randnr. 17, und Placanica-<br />

Urteil, Randnr. 68).<br />

Folglich sind auch die in §§ 284, 285 und 287 des deutschen<br />

Strafgesetzbuchs (StGB) vorgesehenen strafrechtlichen<br />

Sanktionen im Fall des Organisierens von Online - Spielen,<br />

der Werbung dafür und der Teilnahme daran und die in<br />

§ 21(2) des NRW-Gesetzes vom 30.10.2007 vorgesehenen<br />

Geldbußen in Höhe von bis zu 500 000 EUR im Falle der<br />

Werbung für unerlaubte Glücksspiele im Internet oder über<br />

Telekommunikationsanlagen (§ 21(1)d des NRW-Gesetzes<br />

vom 30.10.2007) zur Durchsetzung von Bestimmungen, die<br />

möglicherweise nicht mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar<br />

sind, als nicht mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar und<br />

deshalb als nicht anwendbar zu betrachten. Dies ist beispielsweise<br />

der Fall für das Angebot von Lotteriescheinen oder<br />

Sportwettdiensten durch private Online-Veranstalter, denen<br />

keine Erlaubnis erteilt wurde. Da das generelle Verbot von<br />

Glücksspielen im Internet nicht mit dem Gemeinschaftsrecht<br />

vereinbar scheint, steht möglicherweise auch die Verweigerung<br />

einer Erlaubnis an diese Dienstanbieter im Widerspruch zum<br />

Gemeinschaftsrecht. Dies gilt auch für die Geldbußen, die<br />

aufgrund von Verstößen gegen gemeinschaftsrechtswidrige<br />

Werbebeschränkungen verhängt werden wie im Falle der<br />

Geldbuße, die die bayerischen Behörden dem AC Mailand<br />

auferlegt haben, weil dessen Spieler in Deutschland ein<br />

Spiel in ihrer üblichen Ausrüstung bestritten, auf der ihr<br />

Sponsor, ein Sportwettenanbieter mit Sitz in einem anderen<br />

Mitgliedstaat, genannt wird.<br />

Schlussfolgerung<br />

Angesichts der geschilderten Sachlage gelangt die Kommission<br />

der Europäischen Gemeinschaften zu der Auffassung, dass<br />

die Bundesrepublik Deutschland<br />

feBruAr 2008 ZfWG 41


echtsprechung BVerfG, Beschluss vom 27.12.2007<br />

a) durch das in § 4(4) GlüStV und dem NRW-Gesetz vom 30.<br />

Oktober 2007 vorgesehene generelle Verbot von Glücksspielen,<br />

v.a. von Lotterien, Sportwetten und Spielcasinos,im Internet,<br />

gegen ihre Verpflichtungen aus Art 49 des EG-Vertrags verstoßen<br />

hat,<br />

b) durch die in § 9(1) Ziffer 4 GlüStV vorgesehene<br />

Ermächtigung der Glücksspielaufsicht, Kredit- und Finanz<br />

dienstleistungsinstituten die Mitwirkung an Zahlungen für<br />

unerlaubtes Glücksspiel und an Auszahlungen aus unerlaubtem<br />

Glücksspiel zu untersagen, gegen ihre Verpflichtungen<br />

gemäß Artikel 56 EG-Vertrag verstoßen hat,<br />

c) aufgrund der durch § 5(3) und (4) sowie § 21(2) GlüStV auferlegten<br />

Werbebeschränkungen gegen ihre Verpflichtungen<br />

gemäß Artikel 49 EG-Vertrag verstoßen hat,<br />

d) durch das Fehlen offener Ausschreibeverfahren für die ab<br />

dem 1.1.2008 zu erteilenden Erlaubnisse an Vermittler gegen<br />

ihre Verpflichtungen gemäß den Artikeln 43 und 49 EG-<br />

Vertrag verstoßen hat,<br />

e) durch Erteilung einer Erlaubnis an einen privaten Betreiber,<br />

der ohne vorherige offene Ausschreibung weiterhin Lotterien<br />

und Sportwettdienste als ausschließliches Recht anbieten<br />

Die angegriffenen Eilbeschlüsse des Verwaltungs-<br />

und Oberverwaltungsgerichts verletzen die<br />

Beschwerdeführerin nicht in ihrem Grundrecht auf<br />

Gewährung effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19<br />

Abs. 4 GG.<br />

Verwaltungs- und Oberverwaltungsgericht haben in<br />

den hier angegriffenen Entscheidungen insbesondere<br />

nicht schon ein mögliches Scheitern von § 284 StGB<br />

am Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts<br />

verneint, sondern die Strafrechtsnorm zutreffend als<br />

Teil der gemeinschaftsrechtlich zu rechtfertigenden<br />

Rechtslage angesehen, wie dies auch in verfassungsrechtlicher<br />

Hinsicht der Fall ist.<br />

(Anm.d.Red.)<br />

Aus den Gründen:<br />

1. Die Verfassungsbeschwerde betrifft die sofortige<br />

Vollziehung der Untersagung der Vermittlung von gewerblichen<br />

Sportwetten in der Zeit nach dem Urteil des Ersten<br />

Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006<br />

(BVerfGE 115, 276).<br />

42 ZfWG feBruAr 2008<br />

darf, gegen ihre Verpflichtungen gemäß den Artikeln 43 EG-<br />

Vertrag verstoßen hat, und<br />

f) aufgrund der in §§ 284, 285 und 287 StGB vorgesehenen<br />

strafrechtlichen Sanktionen bzw. der in § 21(2)<br />

des NRW-Gesetzes vom 30. Oktober 2007 oder anderen<br />

Verwaltungsvorschriften vorgesehenen Geldbußen im Falle<br />

der Unvereinbarkeit der Beschränkungen für die Organisation<br />

von Online - Glücksspielen, die Werbung hierfür, und die<br />

Teilnahme daran, mit dem Gemeinschaftsrecht, gegen ihre<br />

Verpflichtungen gemäß Artikel 49 EG-Vertrag verstoßen hat<br />

Die Kommission fordert Ihre Regierung gemäß Artikel 226 des<br />

Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft auf,<br />

sich binnen zwei Monaten nach Eingang dieses Schreibens<br />

hierzu zu äußern.<br />

Die Kommission behält sich vor, nach Prüfung der<br />

Stellungnahme oder falls sich Deutschland innerhalb der<br />

gesetzten Frist nicht äußert, eine mit Gründen versehene<br />

Stellungnahme im Sinne des Artikels 226 abzugeben.<br />

iii. rechtsprechung<br />

BundesverfAssungsgericht<br />

Beschluss voM 27.12.2007 – 1 Bvr 3082/06 –<br />

[...]<br />

I.<br />

2. 1. Die im Februar 2001 mit Sitz in Berlin gegründete<br />

Beschwerdeführerin - eine Aktiengesellschaft - betätigt sich<br />

nach eigener Darstellung als Dienstleistungsunternehmen<br />

für den in Gibraltar unter der Firma D[...] Limited ansässigen<br />

und von der dortigen Regierung für das „Offshore-<br />

Buchmachergeschäft“ lizenzierten Veranstalter gewerblicher<br />

Sportwetten sowie für den Vermittler von Sportwetten - und<br />

Anteilseigner der Beschwerdeführerin - H[...], der sich für<br />

diese Tätigkeit auf eine im September 1990 nach dem<br />

Gewerbegesetz der Deutschen Demokratischen Republik (im<br />

Folgenden: DDR-Gewerbegesetz) vom 6. März 1990 (GBl S.<br />

138) erteilten Erlaubnis beruft. Die nach den Angaben der<br />

Beschwerdeführerin inzwischen unfreiwillig aufgegebenen<br />

Dienstleistungen bestanden insbesondere im Aufbau und<br />

Betrieb der Internetseite www.wetten.de, einer deutschsprachigen<br />

Telefon-Hotline sowie der Werbung für das Wettangebot<br />

der Firma D[...] Limited bei Heimspielen des Vertragspartners<br />

Hertha BSC im Olympiastadion in Berlin.<br />

[...]<br />

II.<br />

10. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die


BVerfG, Beschluss vom 27.12.2007<br />

Beschwerdeführerin ausschließlich eine Verletzung von Art. 19<br />

Abs. 4 GG durch den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts,<br />

den Beschluss des Verwaltungsgerichts sowie die behördliche<br />

Anordnung der sofortigen Vollziehung.<br />

11. Zur Begründung beruft sie sich insbesondere auf den<br />

Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts<br />

vom 27. April 2005 (BVerfGK 5, 196).<br />

Die im Hinblick auf die Gewährung effektiven einstweiligen<br />

Rechtsschutzes etablierten und dort angewandten<br />

verfassungsrechtlichen Maßstäbe beanspruchten weiterhin<br />

Geltung. Entgegen der dort genannten Maßstäbe hätten<br />

die angegriffenen Entscheidungen eine schwierige und<br />

umstrittene gemeinschaftsrechtliche Frage im Eilverfahren<br />

„in der Art einer Hauptsacheentscheidung“ durchentschieden,<br />

obwohl die zur Begründung des besonderen öffentlichen<br />

Vollziehungsinteresses angeführte Strafbarkeit der<br />

Geschäftstätigkeit der Beschwerdeführerin nicht mit hinreichender<br />

Wahrscheinlichkeit habe angenommen werden<br />

dürfen. Insoweit fehle es an der erforderlichen Gewissheit<br />

der Vereinbarkeit von § 284 StGB mit Gemeinschaftsrecht,<br />

die letztlich auch das Oberverwaltungsgericht nicht<br />

gehabt habe, wenn es davon ausgegangen sei, dass die<br />

Verletzung von Gemeinschaftsrecht dem Rechtsbehelf im<br />

Hauptsacheverfahren voraussichtlich nicht zum Erfolg verhelfen<br />

werde. Die erheblichen Zweifel an der Vereinbarkeit<br />

von § 284 StGB mit Gemeinschaftsrecht hätten jedenfalls<br />

im Hauptsacheverfahren nicht ohne Verstoß gegen das<br />

Willkürverbot ausgeschlossen werden können.<br />

[...]<br />

III.<br />

14. Gründe für eine Annahme der Verfassungsbeschwerde<br />

im Sinne von § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor.<br />

Insbesondere ist eine Annahme nicht zur Durchsetzung<br />

der im Rahmen der Verfassungsbeschwerde rügefähigen<br />

Rechte der Beschwerdeführerin angezeigt. Denn die<br />

Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg.<br />

15. Die angegriffenen Eilbeschlüsse des Verwaltungs- und<br />

Oberverwaltungsgerichts verletzen die Beschwerdeführerin<br />

nicht in ihrem Grundrecht auf Gewährung effektiven<br />

Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG.<br />

16. 1. Sie gehen zunächst in einer den verfassungsrechtlichen<br />

Anforderungen an die Gewährung effektiven verwaltungsgerichtlichen<br />

Eilrechtsschutzes entsprechenden Weise davon<br />

aus, dass die der Beschwerdeführerin behördlich untersagte<br />

Tätigkeit verfassungsrechtlich hinnehmbar als verboten<br />

angesehen und sofort vollziehbar ordnungsrechtlich unterbunden<br />

werden kann, wenn im betreffenden Bundesland<br />

das dafür verfassungsgerichtlich geforderte Mindestmaß an<br />

Konsistenz hinsichtlich des staatlichen Wettangebots hergestellt<br />

ist (vgl. BVerfGE 115, 276 sowie im Anschluss<br />

daran BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats<br />

vom 22. November 2007 - 1 BvR 2218/06 -, Juris; zum<br />

sofortigen Vollzugsinteresse ferner BVerfG, Beschluss der 2.<br />

Kammer des Ersten Senats vom 4. Juli 2006 - 1 BvR 138/05<br />

rechtsprechung<br />

-, BVerfGK 8, 343). Die diesbezüglichen Feststellungen des<br />

Verwaltungsgerichts werden durch die Verfassungsbeschwerde<br />

nicht in Frage gestellt, da es insoweit ebenso an einer<br />

substantiierten Auseinandersetzung mit den Gründen des<br />

angegriffenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts fehlt,<br />

wie dies ausweislich der Gründe des Beschlusses des<br />

Oberverwaltungsgerichts auch schon hinsichtlich der von<br />

der Beschwerdeführerin gegen den verwaltungsgerichtlichen<br />

Eilbeschluss erhobenen Beschwerde gemäß § 146 VwGO der<br />

Fall war. Dagegen, dass das Oberverwaltungsgericht mangels<br />

substantiierter Darlegungen der Beschwerdeführerin davon<br />

ausgegangen ist, dass die gegen den verwaltungsgerichtlichen<br />

Eilbeschluss erhobene Beschwerde die Feststellungen des<br />

Verwaltungsgerichts zur Wahrung der verfassungsgerichtlichen<br />

Maßgaben für die Übergangszeit unbeanstandet lasse,<br />

bringt die Verfassungsbeschwerde ebenfalls keine substantiierten<br />

verfassungsrechtlichen Einwände vor.<br />

17. 2. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin sind die<br />

angegriffenen fachgerichtlichen Eilbeschlüsse im Hinblick<br />

auf die verfassungsrechtliche Gewährleistung effektiven<br />

verwalungsgerichtlichen Eilrechtsschutzes auch nicht<br />

insoweit zu beanstanden, als sie das besondere öffentliche<br />

Vollziehungsinteresse an der Untersagungsverfügung maßgeblich<br />

auf deren voraussichtliche Rechtmäßigkeit sowie<br />

die - objektive - Strafbarkeit des untersagten Verhaltens<br />

stützen. Sofern die Beschwerdeführerin für die mit der<br />

Verfassungsbeschwerde vorgebrachte gegenteilige Auffassung<br />

auf den im Verfahren 1 BvR 223/05 ergangenen Beschluss<br />

der beschließenden Kammer vom 27. April 2005 (BVerfGK<br />

5, 196) verweist, ist dazu Folgendes anzumerken:<br />

18. Im Unterschied zu den im Verfahren 1 BvR 223/05 gegenständlichen<br />

Entscheidungen werden die mit der vorliegenden<br />

Verfassungsbeschwerde angegriffenen Beschlüsse den verfassungsrechtlichen<br />

Anforderungen an die Gewährung effektiven<br />

Rechtsschutzes im Hinblick auf die sofortige Vollziehung<br />

einer gewerbliche Sportwettangebote untersagende Verfügung<br />

gerecht. Dies gilt vor allem im Hinblick auf die Frage,<br />

inwieweit die - objektive - Strafbarkeit des in Rede stehenden<br />

Verhaltens im Rahmen der verfassungsrechtlich gebotenen<br />

Abwägung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nach §<br />

80 Abs. 5 VwGO in tatsächlicher wie rechtlicher Hinsicht<br />

mit hinreichender Wahrscheinlichkeit angenommen werden<br />

kann. Die angegriffenen Eilbeschlüsse begründen die Gemeinschaftsrechtskonformität<br />

der mit der Untersagungsverfügung<br />

durchgesetztenRechtslage nicht mit gemeinschaftsrechtlichen<br />

Erwägungen, hinsichtlich derer im verwaltungsgerichtlichen<br />

Hauptsacheverfahren nicht ohne Verstoß gegen<br />

das Willkürverbot von einer Vorlage an den Europäischen<br />

Gerichtshof nach Art. 234 EG abgesehen werden könnte.<br />

19. Verwaltungs- und Oberverwaltungsgericht haben in<br />

den hier angegriffenen Entscheidungen insbesondere<br />

nicht schon ein mögliches Scheitern von § 284 StGB am<br />

Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts verneint, sondern<br />

die Strafrechtsnorm zutreffend als Teil der gemeinschaftsrechtlich<br />

zu rechtfertigenden Rechtslage angesehen,<br />

wie dies auch in verfassungsrechtlicher Hinsicht der Fall ist<br />

feBruAr 2008 ZfWG 43


echtsprechung<br />

(vgl. insoweit BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten<br />

Senats vom 22. November 2007 - 1 BvR 2218/06 -).<br />

20. Verwaltungs- und Oberverwaltungsgericht haben ferner<br />

das Vorliegen eines den Anwendungsvorrang des<br />

Gemeinschaftsrechts auslösenden Normkonflikts zwischen<br />

der - § 284 StGB einschließenden - Rechtslage im Land Berlin<br />

und dem Gemeinschaftsrecht mit Erwägungen verneint, die<br />

mit den eindeutigen Aussagen in der Rechtsprechung des<br />

Europäischen Gerichtshofs zur Vereinbarkeit mitgliedstaatlicher<br />

Glücksspielmonopole mit den Grundfreiheiten nicht<br />

im Widerspruch stehen und sich somit gerade nicht als eine<br />

Auslegung gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben darstellen, die<br />

ihrerseits im Hauptsacheverfahren nicht ohne Vorlage an den<br />

Europäischen Gerichtshof vorgenommen werden könnte.<br />

Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die für die angegriffenen<br />

Beschlüsse tragende Annahme, dass die Herstellung<br />

des verfassungsgerichtlich geforderten Mindestmaßes an<br />

Konsistenz hinsichtlich des staatlichen Wettangebots nicht<br />

nur geeignet ist, einen - jedenfalls übergangsweise - verfassungsrechtlich<br />

hinnehmbaren Zustand herbeizuführen, sondern<br />

auch einen im Wesentlichen gemeinschaftsrechtskonformen<br />

Zustand. Sofern die angegriffenen Beschlüsse insoweit<br />

44 ZfWG feBruAr 2008<br />

BundesverfAssungsgericht<br />

Beschluss voM 21.01.2008 – 1 Bvr 2320/00 –<br />

Ebenso wie das bayerische Staatslotteriegesetz enthielt<br />

auch das Thüringer Staatslotterie- und Sportwettengesetz<br />

keine Regelungen, die eine konsequente und<br />

aktive Ausrichtung der vom Freistaat Thüringen<br />

veranstalteten Wetten am Ziel der Begrenzung der<br />

Wettleidenschaft und Bekämpfung der Wettsucht<br />

materiell und strukturell gewährleisteten.<br />

Die mit einem staatlichen Sportwettmonopol einhergehende<br />

Beschränkung des Grundrechts der<br />

Berufsfreiheit ist zulässig, aber nur bei einer aktiv<br />

an der Begrenzung der Wettleidenschaft und der<br />

Bekämpfung der Wettsucht ausgerichteten rechtlichen<br />

und tatsächlichen Ausgestaltung des staatlichen<br />

Wettwesens zumutbar.<br />

Der Freistaat Thüringen hat die sich aus der<br />

Verfassungswidrigkeit des Thüringer Staatslotterie-<br />

und Sportwettengesetzes vom 3. Februar 2000 ergebende<br />

Konsequenz grundsätzlich vollzogen.<br />

(Anm.d.Red.)<br />

Aus den Gründen:<br />

I.<br />

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen das Thüringer<br />

Staatslotterie- und Sportwettengesetz (im Folgenden:<br />

ThürStaatslott-/SportwettG) vom 3. Februar 2000 (GVBl<br />

S. 15), welches nach dem Gesetz zur Änderung der gesetzlichen<br />

Grundlagen des Thüringer Glücksspielwesens vom<br />

18. Dezember 2007 (GVBl S. 243) im Zusammenhang<br />

BVerfG, Beschluss vom 21.01.2008<br />

im Anschluss insbesondere an das Urteil in der Rechtssache<br />

„Gambelli“ (vgl. EuGH, Urteil vom 6. November 2003<br />

- C-243/01 - Gambelli u.a., Slg. I-13076) davon ausgehen,<br />

dass das Gemeinschaftsrecht in erster Linie auf ein tatsächliches<br />

Ausgestaltungs- und Anwendungsdefizit des staatlichen<br />

Wettangebots abstellt, nicht aber auch auf ein gesetzliches<br />

Regelungsdefizit, wie es verfassungsgerichtlich darüber hinaus<br />

bemängelt wurde (vgl. BVerfGE 115, 276 ), stellt<br />

dies keine willkürliche, sondern eine am Wortlaut und Inhalt<br />

der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs entwickelte<br />

Auslegung und Anwendung der gemeinschaftsrechtlichen<br />

Vorgaben durch das nationale Gericht dar, der die vom Ersten<br />

Senat des Bundes-verfassungsgerichts im Urteil vom 28. März<br />

2006 zugrundegelegte Parallelität - nicht aber Identität - der<br />

verfassungs- und gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen<br />

an die Rechtfertigung eines staatlichen Wettmonopols nicht<br />

entgegensteht. Das Bundesverfassungsgericht hat sich mangels<br />

Zuständigkeit verbindlicher gemeinschaftsrechtlicher<br />

Feststellungen ausdrücklich enthalten (vgl. BVerfGE 115, 276<br />

).<br />

[...]<br />

mit dem Inkrafttreten des Thüringer Gesetzes zu dem<br />

Glücksspielstaatsvertrag und des Thüringer Glücksspielgesetzes<br />

(ThürGlüG) zum 1. Januar 2008 außer Kraft getreten<br />

ist.<br />

1. Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung ihres<br />

Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG durch § 1 Satz 1<br />

ThürStaatslott-/SportwettG, nach dem zur Veranstaltung<br />

von Zahlenlotterien und Sportwetten ausschließlich das Land<br />

befugt ist. Sie ist der Ansicht, dies stelle eine unverhältnismäßige<br />

objektive Beschränkung der Berufsfreiheit dar. Das mit §<br />

1 Satz 1 ThürStaatslott-/SportwettG einhergehende generelle<br />

Verbot gewerblicher Sportwettenveranstaltung in Thüringen<br />

diene nicht der Abwehr von schweren Gefahren für überragende<br />

Gemeinwohlgüter, sondern verfolge ausweislich der<br />

Gesetzesmaterialien fiskalische Ziele. Die gemeinnützige<br />

Verwendung der Erträge beseitige diesen Makel nicht. Zur<br />

Gefahrenabwehr sei die ausschließliche Zulassung staatlicher<br />

Wettveranstaltung weder geeignet noch erforderlich, da es<br />

an gesetzlich geregelten Instrumenten zur Erreichung dieses<br />

Ziels fehle. Etwaigen Gefahren könne darüber hinaus ebenso<br />

gut durch - gegebenenfalls auch strenge - Erlaubnisvorbehalte<br />

für die gewerbliche Veranstaltung von Sportwetten Rechnung<br />

getragen werden.<br />

2. Zum vorliegenden Verfahren hat die Thüringer Landesregierung<br />

Stellung genommen. Sie hält die Verfassungsbeschwerde<br />

für unbegründet. Der Thüringer Landtag hat von einer<br />

Stellungnahme abgesehen. Im Übrigen wurde gemäß § 94


BVerfG, Beschluss vom 21.01.2008<br />

Abs. 1 und Abs. 4 in Verbindung mit § 77 BVerfGG<br />

Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt.<br />

II.<br />

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht mehr zur Entscheidung<br />

anzunehmen. Zur Annahme führende Gründe (§ 93a Abs.<br />

2 BVerfGG) liegen nicht mehr vor. Die im Zeitpunkt ihrer<br />

Erhebung zulässige und entsprechend der Ausführungen<br />

des Bundesverfassungsgerichts im Urteil des Ersten Senats<br />

vom 28. März 2006 - 1 BvR 1054/01 - (BVerfGE 115, 276)<br />

begründete Verfassungsbeschwerde ist inzwischen unzulässig<br />

geworden.<br />

1. Die Beschwerdeführerin ist durch das mit der<br />

Verfassungsbeschwerde angegriffene Gesetz nicht mehr gegenwärtig<br />

betroffen. Gemäß Art. 4 des Gesetzes zur Änderung der<br />

gesetzlichen Grundlagen des Thüringer Glücksspielwesens<br />

vom 18. Dezember 2007 (GVBl S. 243) ist das Thüringer<br />

Staatslotterie- und Sportwettengesetz im Zusammenhang<br />

mit dem Inkrafttreten des Thüringer Gesetzes zu dem<br />

Glücksspielstaatsvertrag (Art. 1 des Gesetzes zur Änderung der<br />

gesetzlichen Grundlagen des Thüringer Glücksspielwesens)<br />

sowie des Thüringer Glücksspielgesetzes (Art. 2 des Gesetzes<br />

zur Änderung der gesetzlichen Grundlagen des Thüringer<br />

Glücksspielwesens) zum 1. Januar 2008 außer Kraft getreten.<br />

Es wird nunmehr durch den ebenfalls am 1. Januar 2008<br />

in Kraft getretenen Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in<br />

Deutschland (Glücksspielstaatsvertrag - GlüStV), dessen §§ 1<br />

bis 23 sowie 25 bis 27 gemäß § 2 des Thüringer Gesetzes zu<br />

dem Glücksspielstaatsvertrag ab diesem Datum auch unabhängig<br />

von dessen Zustandekommen oder Außerkrafttreten<br />

als Landesrecht gelten, ersetzt.<br />

Die erfolgte Aufhebung des angegriffenen Thüringer<br />

Staatslotterie- und Sportwettengesetzes führt allerdings nicht<br />

zur Erledigung der Verfassungsbeschwerde. Dies wäre nur<br />

der Fall, wenn dadurch auch die mit ihr gerügte, in der<br />

Vergangenheit liegende Grundrechtsverletzung beseitigt<br />

würde (vgl. BVerfGE 2, 237 ).<br />

Zwar gehen von dem angegriffenen Gesetz für die Zeit<br />

ab dem 1. Januar 2008 keine Rechtswirkungen gegenüber<br />

der Beschwerdeführerin mehr aus. Die nunmehr erfolgte<br />

Neuregelung der gesetzlichen Grundlagen des Thüringer<br />

Glücksspielwesens führt aber nicht zu einer in die Vergangenheit<br />

wirkenden Beseitigung der Verfassungswidrigkeit des<br />

Thüringer Staatslotterie- und Sportwettengesetzes vom 3.<br />

Februar 2000, das den Anforderungen, die sich aus dem<br />

Urteil des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom<br />

28. März 2006 (BVerfGE 115, 276) ergeben, nicht genügt.<br />

Danach war auch der mit der beschränkten Zulassung<br />

nur staatlicher Wettveranstaltung durch das Land einhergehende<br />

Ausschluss gewerblicher Sportwettveranstalter in<br />

Thüringen mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar. Ebenso<br />

wie das bayerische Staatslotteriegesetz enthielt auch das<br />

Thüringer Staatslotterie- und Sportwettengesetz vom 3.<br />

Februar 2000 keine Regelungen, die eine konsequente und<br />

aktive Ausrichtung der vom Freistaat Thüringen veranstalteten<br />

Wetten am Ziel der Begrenzung der Wettleidenschaft und<br />

rechtsprechung<br />

Bekämpfung der Wettsucht materiell und strukturell gewährleisteten.<br />

Dieses Regelungsdefizit wurde auch nicht durch<br />

die in Thüringen geltenden Regelungen des Staatsvertrags<br />

zum Lotteriewesen in Deutschland (vgl. Thüringer Gesetz zu<br />

dem Staatsvertrag zum Lotteriewesen in Deutschland und zu<br />

dem Staatsvertrag über die Regionalisierung von Teilen der<br />

von den Unternehmen des Deutschen Lotto- und Totoblocks<br />

erzielten Einnahmen vom 8. März 2004 sowie<br />

Thüringer Ausführungsgesetz zu dem Staatsvertrag zum<br />

Lotteriewesen in Deutschland vom 3. Februar 2006 ) ausgeglichen. Damit aber entsprach schon die rechtliche<br />

Ausgestaltung des grundsätzlich - also unbesehen der sich für<br />

Thüringen ergebenden Besonderheiten aufgrund von nach<br />

dem Gewerbegesetz der Deutschen Demokratischen Republik<br />

vom 6. März 1990 (GBl S. 138) erteilten Erlaubnissen hinsichtlich<br />

gewerblicher Sportwettangebote (vgl. dazu vor allem<br />

Thüringer Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 20. Mai 2005<br />

- 3 KO 705/03 -, JURIS) - auch in Thüringen errichteten<br />

staatlichen Sportwettmonopols nicht den verfassungsrechtlichen<br />

Anforderungen, die an einen im Ergebnis verhältnismäßigen<br />

Ausschluss gewerblicher Anbieter von Sportwetten zu<br />

stellen sind.<br />

2. Einer verfahrensförmlichen Feststellung dieser sich aus<br />

dem Urteil vom 28. März 2006 (BVerfGE 115, 276) entsprechend<br />

ergebenden Verfassungswidrigkeit des Thüringer<br />

Staatslotterie- und Sportwettengesetzes vom 3. Februar 2000<br />

durch den Senat bedarf es allerdings nicht mehr. Ein entsprechendes<br />

Rechtsschutzbedürfnis ist aufgrund der zum 1. Januar<br />

2008 in Kraft gesetzten neuen gesetzlichen Grundlagen des<br />

Thüringer Glücksspielwesens nicht mehr vorhanden.<br />

Ein solches bestünde nur fort, wenn anderenfalls eine mit<br />

der Verfassungsbeschwerde aufgeworfene Frage von grundsätzlicher<br />

verfassungsrechtlicher Bedeutung unbeantwortet<br />

bliebe (vgl. BVerfGE 12, 311 ) oder eine entsprechende<br />

verfahrensförmliche Feststellung zur Beseitigung des mit der<br />

Verfassungsbeschwerde gerügten Grundrechtseingriffs erforderlich<br />

wäre. Beides ist vorliegend nicht mehr der Fall.<br />

Die mit der vorliegenden Verfassungsbeschwerde aufgeworfene<br />

grundsätzliche Frage, ob und inwieweit sich der Staat die<br />

Veranstaltung von Sportwetten im Hinblick auf das Grundrecht<br />

der Berufsfreiheit vorbehalten darf und an gewerblicher<br />

Veranstaltung von Sportwetten interessierte Bürger beziehungsweise<br />

Unternehmen ausgeschlossen werden dürfen, hat<br />

das Bundesverfassungsgericht durch Urteil des Ersten Senats<br />

vom 28. März 2006 (BVerfGE 115, 276) geklärt. Danach ist<br />

die mit einem staatlichen Sportwettmonopol einhergehende<br />

Beschränkung des Grundrechts der Berufsfreiheit - entgegen<br />

der auch mit der vorliegenden Verfassungsbeschwerde vorgebrachten<br />

Einwände - nicht etwa schon mangels eines legitimen<br />

Ziels oder wegen fehlender Eignung und Erforderlichkeit<br />

verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen, sondern insoweit<br />

grundsätzlich zulässig. Als Eingriff in das Grundrecht aus<br />

Art. 12 Abs. 1 GG ist sie den Grundrechtsträgern aber nur<br />

bei einer aktiv an der Begrenzung der Wettleidenschaft und<br />

der Bekämpfung der Wettsucht ausgerichteten rechtlichen<br />

und tatsächlichen Ausgestaltung des staatlichen Wettwesens<br />

feBruAr 2008 ZfWG 45


echtsprechung<br />

zumutbar.<br />

Die aus diesem Maßstab folgende Verfassungswidrigkeit des<br />

mit der vorliegenden Verfassungsbeschwerde angegriffenen<br />

Thüringer Staatslotterie- und Sportwettengesetzes hat der<br />

Freistaat Thüringen erkannt. Ebenso hat er die verfassungsgerichtliche<br />

Forderung nach einer gesetzlichen Neuregelung<br />

als auch für sich verbindlich angesehen (vgl. die Begründung<br />

zum Gesetzentwurf der Landesregierung: Thüringer<br />

Landtag, Drucks 4/3341, S. 1 f. und 24 ff.; ferner dies in<br />

Zusammenarbeit mit den anderen Ländern zur Erarbeitung<br />

und zum Abschluss des Glücksspielstaatsvertrags zum Anlass<br />

genommen und Schließlich zum 1. Januar 2008 die dortigen<br />

Regelungen für Thüringen in Kraft gesetzt. Damit hat der<br />

Freistaat Thüringen die sich aus der Verfassungswidrigkeit<br />

des Thüringer Staatslotterie- und Sportwettengesetzes vom<br />

3. Februar 2000 ergebende Konsequenz grundsätzlich vollzogen.<br />

Ob und inwieweit die in Thüringen nunmehr in Kraft<br />

gesetzten Regelungen des Glücksspielstaatsvertrags und des<br />

Thüringer Glücksspielgesetzes den verfassungsrechtlichen<br />

Anforderungen an die Zumutbarkeit des mit dem staatlichen<br />

Sportwettmonopol einhergehenden Ausschlusses<br />

gewerblicher Sportwettangebote gerecht werden, ist nicht<br />

46 ZfWG feBruAr 2008<br />

Gegenstand des vorliegenden, sondern eines möglichen<br />

eigenen Verfassungsbeschwerdeverfahrens. Der Freistaat<br />

Thüringen behält sich zwar auch nach den neuen gesetzlichen<br />

Grundlagen die Veranstaltung von Wetten vor, so<br />

dass die Beschwerdeführerin weiterhin von entsprechender<br />

Geschäftstätigkeit ausgeschlossen ist. Wegen der Einbettung<br />

dieser Beschränkung der Berufsfreiheit in einen bisher nicht<br />

gegebenen Regelungskontext sind die Regelungen des Glücksspielstaatsvertrags<br />

und des Thüringer Glücksspielgesetzes<br />

allerdings nicht als identische Folgeregelungen anzusehen, die<br />

von Amts wegen im Rahmen des vorliegenden Verfassungsbeschwerdeverfahrens<br />

zu prüfen wären. Vielmehr stellen sie<br />

einen - möglichen - neuen Verfahrensgegenstand eigenen<br />

Gepräges dar (vgl. zu den insoweit maßgeblichen Kriterien<br />

BVerfGE 110, 33 m.w.N.).<br />

Auch sonst ist eine fortwirkende Beschwer<br />

der Beschwerdeführerin, die die Annahme der<br />

Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung angezeigt erscheinen<br />

ließe, nicht erkennbar.<br />

3. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1<br />

Satz 3 BVerfGG abgesehen.<br />

[...]<br />

oVG Sachsen, Beschluss vom 08.11.2007<br />

sächsisches oBerverwAltungsgericht<br />

Beschluss voM 08.11.2007 – 3 Bs 291/06 –<br />

Spielgeräte ohne Einsatzrückgewähr, bei denen das<br />

eingesetzte Geld lediglich abgespielt werden kann,<br />

bieten als Gewinn eine nach § 6a Satz 1 Buchst. a<br />

SpielV verbotene Berechtigung zum Weiterspielen<br />

an, wenn spielzeitverlängernde Punkte gewonnen<br />

werden können, die ein theoretisch unbegrenztes<br />

Weiterspielen erlauben.<br />

Ob solche spielzeitverlängernden Punktegewinne analog<br />

§ 6a Satz 3 SpielV zumindest dann zulässig sind,<br />

wenn sie die Spielzeit nicht weiter verlängern, als dies<br />

bei sechs Freispielen der Fall wäre, bleibt offen.<br />

Aus den Gründen:<br />

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.<br />

Das Verwaltungsgericht hat es zu Recht abgelehnt, die aufschiebende<br />

Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers<br />

vom 24.5.2006 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom<br />

9.5.2006 wiederherzustellen, womit dem Antragsteller - unter<br />

anderem - bei Anordnung des Sofortvollzugs aufgegeben<br />

wurde, das von ihm in einer Gaststätte aufgestellte und<br />

betriebene Spielgerät „Invaders“ unverzüglich außer Betrieb<br />

zu nehmen und binnen einer Woche nach Bekanntgabe des<br />

Bescheides aus den Räumen der Gaststätte zu entfernen. Die<br />

dagegen vom Antragsteller vorgebrachten Gründe, auf deren<br />

Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Sätze 3 und 6 VwGO<br />

beschränkt ist, sind nicht geeignet, die Entscheidung des<br />

Verwaltungsgerichts in Frage zu stellen.<br />

[…]<br />

Der Antragsteller macht mit seiner Beschwerde geltend,<br />

das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht der Auffassung, das<br />

streitige Spielgerät „Invaders“ verstoße gegen § 6a Satz 1<br />

Buchst. a der Verordnung über Spielgeräte und andere Spiele<br />

mit Gewinnmöglichkeit (Spielverordnung - SpielV) i.d.F. der<br />

Bekanntmachung vom 27.1.2006 (BGBl. I S. 280). Denn das<br />

Spielgerät biete durch die Möglichkeit, im Spielverlauf Punkte<br />

zu gewinnen, gerade keine Berechtigung zum Weiterspielen<br />

und keine Chancenerhöhung. Vielmehr sei der Spielverlauf<br />

so konzipiert, dass kein Gewinn, keine Gewinnberechtigung<br />

und auch keine Chancenerhöhung erzielt werden könne.<br />

Zudem schränke die neue Spielverordnung die Spielzeit nicht<br />

ein. Dementsprechend entscheide nur die Geschicklichkeit<br />

und das Glück des Spielers, wie lange das Spiel dauere. Die<br />

im Spielverlauf gewonnenen Punkte seien keine Freispiele,<br />

sondern Teil des Spiels, das erst dann beendet sei, wenn alle<br />

Punkte aufgebraucht seien.<br />

Bereits aus dieser Schilderung des Spielablaufs, die im<br />

Einklang mit der erstinstanzlich vorgelegten eidesstattlichen<br />

Versicherung des Antragstellers vom 22.9.2006 steht, wo<br />

zusätzlich erläutert wird, dass sich der Spieler durch den


oVG Sachsen, Beschluss vom 08.11.2007<br />

Münzeinwurf ein Spiel mit beispielsweise 100 zu verspielenden<br />

Punkten erkaufe und im Spielverlauf mit jedem Punkt<br />

weitere Spielpunkte gewinnen könne bis alle Punkte aufgebraucht<br />

seien, folgt jedoch, dass das Spielgerät - das unstreitig<br />

keine Bauartzulassung oder Erlaubnis nach den §§ 4, 5, 13<br />

oder 14 SpielV besitzt - eine nach § 6a Satz 1 Buchst. a SpielV<br />

verbotene Berechtigung zum Weiterspielen als Gewinn anbietet.<br />

Dies folgt bereits aus dem Wortlaut der Norm, weil eine<br />

Berechtigung zum Weiterspielen nicht nur in Form von<br />

Freispielen gewonnen werden kann, für die § 6a Satz 3<br />

SpielV eine Sonderregelung enthält, sondern auch in Form<br />

einer bloßen Berechtigung, länger zu spielen. Denn auch<br />

auf diese Weise werden geldwerte Vorteile gewonnen, indem<br />

Aufwendungen aus dem eigenen Vermögen erspart bleiben,<br />

die sonst für die Bezahlung der gewonnenen Spielzeit<br />

hätten aufgebracht werden müssen (OVG NRW, Beschl. v.<br />

26.2.2007, NVwZ-RR 2007, 390 f.). Dementsprechend hat<br />

das Bundesverwaltungsgerichts inzwischen - allerdings zu<br />

Spielgeräten, die aufgrund des Punktegewinns im günstigsten<br />

Falle eine nunmehr durch § 6a Satz 2 SpielV ausdrücklich verbotene<br />

Einsatzrückgewähr vorsahen - entschieden, dass auch<br />

dann ein Gewinn erzielt wird, wenn infolge des Spielverlaufs<br />

Punkte gutgeschrieben werden, selbst wenn der Punktegewinn<br />

im günstigsten Falle nur alle bisherigen Einsätze auszugleichen<br />

geeignet ist (BVerwG, Beschl. v. 30.3.2007 - 6 B 14/07<br />

-, zitiert nach Juris).<br />

Dass der Verordnungsgeber § 6a Satz 1 Buchst. a SpielV<br />

eine umfassende Bedeutung geben wollte, zeigt zudem die<br />

Gesetzesbegründung, wonach § 6a SpielV nicht nur auf<br />

die Übernahme der zur früheren Rechtslage ergangenen<br />

Rechtsprechung zu den sog. „Fun-Games“ beschränkt sein,<br />

sondern zur Vermeidung einer Umgehung des Verbots umfassend<br />

jeglichen Gewinn in Form von Berechtigungen zum<br />

Weiterspielen verbieten soll, es sei denn, es handelt sich um<br />

die in § 6a Satz 3 SpielV unter den dortigen Voraussetzungen<br />

maximal erlaubten sechs Freispiele (BR-Drs. 655/05, S.<br />

18/19). Dies entspricht auch der Systematik des § 6a SpielV,<br />

der in § 6a Satz 1 Buchst. a SpielV den Gewinn jeglicher<br />

Weiterspielberechtigungen verbietet, aber sodann in § 6a Satz<br />

3 SpielV unter den dortigen Voraussetzungen als Ausnahme<br />

davon maximal sechs Freispiele als Gewinn zulässt.<br />

Angesichts des somit nach Wortlaut, gesetzgeberischem<br />

Willen und Systematik der Norm umfassend gemeinten<br />

Verbots von Weiterspielberechtigungen kommt es nicht darauf<br />

an, dass der Gesetzestext und die Gesetzesbegründung Weiter<br />

spielberechtigungen in Form von Punktegewinnen nicht ausdrücklich<br />

erwähnt (a.A. Odenthal, ZfWG 2006, 286 [288]),<br />

zumal die Spielverordnung mit dem Verbot der Ausschüttung<br />

von Weiterspielberechtigungen keine Punktegewinne als sol-<br />

rechtsprechung<br />

che verbietet, sondern nur Punktegewinne, die zu einer<br />

Weiterspielberechtigung, mithin zu einer Spielzeitverlängerung<br />

führen, so dass kein Bedürfnis bestand, Punktegewinne gesondert<br />

zu erwähnen.<br />

Ob hingegen spielzeitverlängernde Punktegewinne zumindest<br />

dann zulässig sind, wenn sie analog § 6a Satz 3 SpielV<br />

ausschließlich in unmittelbarem zeitlichen Anschluss an das<br />

entgeltliche Spiel abgespielt werden und die Spielzeit nicht<br />

weiter verlängern, als dies bei sechs Freispielen der Fall<br />

wäre (so Odenthal, ZfWG 2006, 286 [288]), oder ob selbst<br />

diese Analogie ausscheidet, weil durch Punkte vermittelte<br />

Spielzeitgewinne anders als Freispiele nicht vom entgeltlichen<br />

Spiel trennbar sind und darin gleichsam aufgehen, so dass der<br />

Reiz des Spiels statt im Spielvergnügen nur noch im Streben<br />

nach Gewinn, d.h. darin liegt, viele Punkte anzusammeln<br />

und dadurch die Spieldauer möglichst lange auszudehnen<br />

(so OVG NRW, Beschl. v. 26.2.2007, NVwZ-RR 2007, 390<br />

f.), kann hier dahinstehen. Jedenfalls sind spielzeitverlängernde<br />

Punktegewinne nach Sinn und Zweck des § 6a Satz<br />

1 Buchst. a SpielV in Fällen wie dem vorliegenden verboten,<br />

in denen sie die Gelegenheit bieten, theoretisch - abhängig<br />

von der Geschicklichkeit und vom Glück des Spielers, wie<br />

der Antragsteller vorgetragen hat - unbegrenzt weiter zu<br />

spielen, und so geeignet sind, den Spieltrieb eines Spielers für<br />

eine überlange Zeit zu wecken (ebenso HessVGH, Beschl. v.<br />

16.1.2007, GewArch 2007, 290 ff.).<br />

Diese Gefahr der überlangen Bindung an ein Spielgerät hat<br />

im Übrigen auch der Verordnungsgeber als einen der Gründe<br />

für die Einführung des Verbots der sog. „Fun-Games“ angesehen,<br />

da die ursprünglich eher „harmlosen“ Spielabläufe<br />

der „Fun-Games“ in der Praxis sehr schnell mit erheblichem<br />

Gefährdungspotential missbraucht worden seien, indem unter<br />

anderem die Spielsequenzen sehr lang ausgelegt worden<br />

seien, so dass der Spieler die „Rückholchance“ nicht mehr<br />

als „Einsatzrückgewähr“, sondern als Gewinn empfunden<br />

habe (BR-Drs. 655/05, S. 18). Auch wenn diese Begründung<br />

auf Spielgeräte bezogen ist, die im günstigsten Fall eine<br />

Rückgewähr des Spieleinsatzes vorsahen, was vorliegend nicht<br />

zutrifft, gilt für die Möglichkeit der theoretisch unbegrenzten<br />

Spielverlängerung durch Punktegewinne nichts anderes, weil<br />

auch die durch das Bespielen des Gerätes fortwährend und<br />

unbegrenzt ermöglichte Spielverlängerung als ein Gewinn im<br />

Sinne einer geldwerten Ersparnis empfunden werden kann.<br />

Dabei beschränkt sich das dadurch bedingte Suchtpotential<br />

nicht nur auf die Möglichkeit des unbegrenzten Spielens als<br />

solches, sondern animiert auch im Falle eines Misserfolges in<br />

besonderem Maße immer wieder zum erneuten Spielen, da<br />

stets aufs Neue die - nur theoretisch - unbegrenzte Spieldauer<br />

lockt.<br />

[…]<br />

feBruAr 2008 ZfWG 47


echtsprechung<br />

48 ZfWG feBruAr 2008<br />

oBerverwAltungsgericht niedersAchsen<br />

Beschluss voM 10.01.2008 – 11 Me 479/07 –<br />

Der Gastwirt, der seinen Gästen mit der Aufstellung<br />

von Unterhaltungsautomaten mit Internetterminals<br />

diejenigen technischen Geräte zugänglich macht,<br />

die diese benötigen, um im Internet an Sportwetten<br />

teilzunehmen, veranstaltet Glücksspiele nach dem<br />

objektiven Straftatbestand des § 284 Abs. 1 StGB.<br />

Dies gilt auch dann, wenn sich der Gastwirt in<br />

einem Automatenaufstellvertrag gegenüber dem<br />

Aufsteller verpflichtet hat, diesem das Recht zur<br />

Aufstellung der Geräte zu gewähren. Jedenfalls erfüllt<br />

die Zugänglichmachung der Übermittlungsgeräte<br />

die Tatbestandsalternative der Bereitstellung von<br />

Einrichtungen zum Veranstalten von Glücksspielen in<br />

der Strafvorschrift.<br />

Aus den Gründen:<br />

I.<br />

Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die<br />

Untersagung der Vermittlung von Sportwetten.<br />

Der Antragsteller ist Pächter der Räumlichkeiten in der [...]<br />

in C., in denen er ein Restaurant und Cafe betreibt. In einem<br />

durch Möbel abgetrennten Teil der Gasträume befinden<br />

sich drei Unterhaltungsautomaten mit Internetterminal, der<br />

es den Besuchern des gastronomischen Betriebes ermöglicht,<br />

Sportwetten über das Internet mit der Firma D.<br />

aus E. abzuschließen. Aufsteller der Automaten ist die<br />

Firma F. Automaten. Nach dem Automatenaufstellvertrag<br />

vom 25. März 2006 gestattet der Antragsteller dem<br />

Aufsteller die Aufstellung von Unterhaltungsautomaten mit<br />

Internetterminal. Hierfür wird er als Inhaber der Gaststätte<br />

am Gewinn der Unterhaltungsautomaten mit einem Satz von<br />

30 v. H. beteiligt.<br />

Mit Verfügung vom 1. Oktober 2007 untersagte der<br />

Antragsgegner mit sofortiger Wirkung unter Anordnung der<br />

sofortigen Vollziehung dem Antragsteller die Vermittlung<br />

und Bewerbung von Sportwetten für in Niedersachsen nicht<br />

konzessionierte Veranstalter auf dem Gebiet des Landes<br />

Niedersachsen. Die Untersagung wurde gestützt auf §§ 14<br />

Abs. 1, 3 Abs. 2 NLottG in der Fassung vom 15. Dezember<br />

2006 (Nds. GVBl. S. 597) i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 1 LottStV v.<br />

18. Dezember 2003/ 13. Februar 2004, Nds. GVBl. S. 163 (bei<br />

einem Verständnis der Verfügung als Dauerverwaltungsakt<br />

käme als Rechtsgrundlage nunmehr § 22 Abs. 2 des am 1.1.2008<br />

in Kraft getretenen Niedersächsischen Glücksspielgesetzes<br />

v. 17.12.2007, Nds. GVBl. S. 756, - NGlüSpG - i.V.m. § 9<br />

Abs. 1 Nr. 3 des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in<br />

Deutschland -GlüStV-, dem das Land Niedersachsen mit<br />

Gesetz zum Glücksspielstaatsvertrag vom 17.12.2007, Nds.<br />

GVBl. S. 756, zugestimmt hat, in Betracht). Zur Begründung<br />

der Untersagungsverfügung führte der Antragsgegner aus,<br />

nach seinen Feststellungen biete der Antragsteller in seinen<br />

oVG niedersachsen, Beschluss vom 10.01.2008<br />

Gasträumen über drei Internetterminals den Abschluss von<br />

Sportwetten mit der Firma D. aus E. an. Es handele sich dabei<br />

um die nicht erlaubte Vermittlung von Sportwetten. Weder der<br />

Antragsteller noch die Firma D. verfüge über eine Erlaubnis<br />

für die Veranstaltung von Sportwetten in Niedersachsen. Eine<br />

solche Erlaubnis könne nach den gesetzlichen Bestimmungen<br />

auch nicht erteilt werden.<br />

Das Verwaltungsgericht hat den vorläufigen<br />

Rechtsschutzantrag mit dem angegriffenen Beschluss vom<br />

19. November 2007 abgelehnt. Zum Antragsvorbringen hat<br />

das Verwaltungsgericht ausgeführt, der Antragsteller sei richtiger<br />

Adressat der Untersagungsverfügung, weil die untersagte<br />

Vermittlung und Werbung mit Sportwetten in den von ihm<br />

gepachteten Gasträumen stattfinde und damit in seinem<br />

Verantwortungsbereich liege.<br />

II.<br />

Die Beschwerde des Antragstellers ist unbegründet.<br />

Die Beschwerdegründe, auf deren Überprüfung sich der<br />

Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu beschränken hat,<br />

rechtfertigen nicht eine Abänderung der erstinstanzlichen<br />

Entscheidung.<br />

Mit der Beschwerdebegründung vertieft der Antragsteller<br />

seinen erstinstanzlichen Vortrag, richtiger Adressat der<br />

Verfügung sei die Firma F. Automaten als Aufsteller der<br />

Unterhaltungsautomaten. Die Entscheidung, Internetter-<br />

minals aufzustellen, liege ausschließlich im<br />

Verantwortungsbereich des Aufstellers der Automaten.<br />

Der Automatenaufstellvertrag räume ihm nicht die rechtliche<br />

Möglichkeit ein, das Aufstellen von Internetterminals<br />

zu unterbinden. Dieses Vorbringen rechtfertigt nicht eine<br />

von der Auffassung des Verwaltungsgerichts abweichende<br />

Beurteilung der Rechtslage.<br />

Entgegen der mit der Beschwerdebegründung vorgetragenen<br />

Ansicht veranstaltet der Antragsteller mit den in den<br />

von ihm gepachteten Räumlichkeiten aufgestellten Unterhaltungsautomaten<br />

selbst Glücksspiele oder stellt zumindest<br />

Einrichtungen hierfür bereit (vgl. § 284 Abs. 1 StGB). Als<br />

Veranstalten eines Glücksspiels ist zu verstehen die tatherrschaftlich<br />

verantwortliche Schaffung der maßgebenden rechtlichen<br />

und organisatorischen Rahmenbedingungen für die<br />

Abhaltung unerlaubten Glücksspiels, wodurch dem Publikum<br />

der Abschluss von Spielmöglichkeiten unmittelbar eröffnet<br />

wird (Schönke/Schröder, StGB, 27. Aufl. 2006, § 284 Rn. 12).<br />

Diese Voraussetzungen liegen beim Antragsteller vor. Er hat<br />

die Räumlichkeiten gepachtet, in denen der Abschluss von<br />

Sportwetten über das Internet angeboten wird. Er macht ferner<br />

seinen Gästen mit den Internetterminals die technischen<br />

Geräte zugänglich, die sie benötigen, um an dem Glücksspiel<br />

im Internet teilzunehmen. Unerheblich ist, dass Aufsteller der


LG Mönchengladbach, Urteil vom 04.12.2007<br />

Automaten die Firma F. Automaten ist und der Antragsteller<br />

laut § 1 des Automatenaufstellvertrages vom 25. März 2006<br />

dem Aufsteller das Recht gewährt, Unterhaltungsautomaten<br />

in den Gasträumen aufzustellen. Maßgeblich ist vielmehr der<br />

bereits vom Verwaltungsgericht hervorgehobene Gesichtspunkt,<br />

dass der Antragsteller das Angebot zum Abschluss<br />

von Glücksspielen in seinen Gasträumen und damit in<br />

seinem Verantwortungsbereich zulässt. Der Antragsteller<br />

muss sich entgegenhalten lassen, dass er die Aufstellung<br />

von Automaten, die für den Abschluss von Sportwetten mit<br />

Veranstaltern, die in Niedersachsen nicht konzessioniert sind,<br />

geeignet sind, nicht vertraglich unterbunden hat.<br />

Einmal unterstellt, die Handlungen des Antragstellers erfüllen<br />

nicht das Merkmal des Veranstaltens eines Glücksspiels<br />

im Sinne des § 284 Abs. 1 StGB, liegt jedenfalls die<br />

rechtsprechung<br />

Tatbestandsalternative des Bereitstellens von Einrichtungen<br />

für die unerlaubte Veranstaltung eines Glücksspiels vor. Die<br />

Bereitstellung technischer Übermittlungsgeräte - wie hier<br />

- reicht für die Bejahung dieser Tatbestandsalternative aus<br />

OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 3.1.2007 - 1 S 107.06 -,<br />

[veröff. ZfWG 2007, 54 ff.].<br />

Weder der Antragsteller noch die Firma D. verfügen über eine<br />

Erlaubnis, mit der sie in Niedersachsen Sportwetten anbieten<br />

können. Diese rechtliche Wertung des Verwaltungsgerichts<br />

stellt der Antragsteller mit der Beschwerdebegründung nicht<br />

in Frage, so dass hierzu keine weiteren Ausführungen veranlasst<br />

sind.<br />

lAndgericht MönchenglAdBAch<br />

urteil voM 04.12.2007 – 3 o 211/07 –<br />

Aus der Unvereinbarkeit des am Lotteriestaatsvertrag<br />

ausgerichteten staatlichen Wettmonopols mit dem<br />

Grundgesetz und dem Gemeinschaftsrecht konnte<br />

nicht ohne weiteres auf die Rechtswidrigkeit von<br />

Schließungsverfügungen geschlossen werden.<br />

(Anm.d.Red.)<br />

Aus dem Tatbestand:<br />

Die Klägerin begehrt Entschädigung bzw. Schadensersatz<br />

wegen der Schließung Ihrer Wettannahmestelle auf der [...]<br />

straße in Mönchengladbach.<br />

Die Klägerin ist eine Ende 2005 gegründetet Aktiengesellschaft.<br />

In Kooperation mit lizensierten europäischen Anbietern von<br />

Pferderennen - und sonstigen Sportwetten betreibt sie ein<br />

bundesweites Netz für Pferde und Sportwetten. Die ursprünglich<br />

von einem anderen Wettanbieter am 18. November 2005<br />

eröffnete Wettannahmestelle [...] strasse in Mönchengladbach<br />

wurde von der Klägerin am 1. März 2006 erworben. In dieser<br />

Filiale hat die Klägerin seit dem ersten März 2006 Sportwetten<br />

in Form der sogenannten Oddset-Wette an die Firma IBA<br />

- International Betting Association Ltd. vermitttelt.<br />

Am 18. April 2006 erging folgende Ordnungsverfügung der<br />

Stadt Mönchegladbach: "Ich gebe Ihnen auf, den Betrieb<br />

der Annahme- und Vermittlungsstelle für Sportwetten in<br />

Mönchengladbach [...] strasse bis zum 30. April einzustellen.<br />

Gleichzeitig ordne ich gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO die<br />

sofortige Vollziehung dieser Ordnungsverfügung an.<br />

Zur Begründung heißt es insoweit unter anderem wie folgt:<br />

"Nach 14 OBG können die Ordnungsbehörden die erforderlichen<br />

Maßnahmen treffen, um Gefahren für die öffentliche<br />

[...]<br />

Sicherheit und Ordnung abzuwehren. Es ist unbestritten,<br />

dass die anderen Verletzungen von Strafvorschriften nicht nur<br />

eine Gefahr, sondern bereits eine Störung der öffentlichen<br />

Sicherheit bedeutet.<br />

Die von Ihnen vermittelten Sportwetten sind Glücksspiele<br />

im Sinne des § 284 StGB. Nach dieser Vorschrift dürfen<br />

Glücksspiele in Deutschland nur mit behördlicher<br />

Genehmigung veranstaltet werden. Rechtsgrundlage für die<br />

Zulassung von Sportwetten in Nordrhein-Westfalen ist § 1<br />

SportWG vom 14. Dezember 1999."<br />

"Das Wettunternehmen ist nicht im Besitz einer für Nordrhein-<br />

Westfalen nach den §§ 1, 2 des Nordrhein-westfälischen<br />

Sportwettengesetz erforderlichen Erlaubnis. Danach kann<br />

Träger des Wettunternehmens nur eine juristische Person<br />

des öffentlichen Rechts oder eine juristische Person des<br />

Privatrechts sein, deren Anteile überwiegend juristischen<br />

Personen des öffentlichen Rechtes gehören.<br />

"Dieser Ausschluss von privaten Wettveranstaltern ist durch<br />

zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt,<br />

nämlich eine übermäßige Ausnutzung der Nachfrage von<br />

Glücksspielen zu verhindern, durch staatliche Kontrolle<br />

einen ordnungsgemäßen Spielablauf zu gewährleisten und<br />

eine Ausnutzung des natürlichen Spieltriebs zu privaten und<br />

gewerblichen Gewinnzwecken entgegenzuwirken."<br />

Sodann setzt sich die Beklagte mit der Frage der "Europäischen<br />

Dienstleistungsfreiheit" und dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts<br />

vom 28. März 2006, worauf unten noch näher eingegangen<br />

wird, auseinander. Gegen diese Ordnungsverfügung<br />

hat die Klägerin am 29. April 2006 Widerspruch eingelegt,<br />

am 08. Mai 2006 hat sie zudem einen Antrag nach [§ 80 Abs.<br />

5 VwGO] bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf gestellt.<br />

Diesen Antrag hat das Verwaltungsgericht Düsseldorf mit<br />

feBruAr 2008 ZfWG 49


echtsprechung LG Mönchengladbach, Urteil vom 04.12.2007<br />

Beschluss vom 23. Mai 2006 - Aktenzeichen : 3 L 865/06<br />

- abgelehnt. In der Begründung heißt es wie folgt:<br />

"Dieser ordnungsrechtlichen Befugnis stünde auch eine<br />

Verfassungswidrigkeit des in Nordrhein-Westfalen geltenden<br />

Sportwettengesetzes nicht entgegen, wie das<br />

Bundesverfassungsgericht in Bezug auf das bayerische<br />

Landesrecht entschieden hat.<br />

Die Rechtmäßigkeit eines solchen Eingreifens steht nicht die<br />

Freiheit des Dienstleistungsverkehrs gemäß Art. 49 S. 1 EGV<br />

entgegen. Diese Vorschrift garantiert keinen unbeschränkten<br />

bzw. unbeschränkbaren Anspruch."<br />

Gegen diesen Beschluss hat die Klägerin am 1. Juni<br />

2006 Beschwerde eingelegt. Diese Beschwerde hat das<br />

Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen<br />

mit Beschluss vom 09. Oktober 2006 - Aktenzeichen: - 4 D<br />

898/06 - zurückgewiesen. In den Gründen heißt es unter<br />

anderem wie folgt:<br />

"Der Senat legt dabei allerdings zugrunde, dass das staatliche<br />

Monopol für Sportwetten, das nach § 284 StGB in Verbindung<br />

mit den Vorschriften des Sportwettengesetzes NRW auch<br />

in Nordrhein-Westfalen besteht, in seiner gegenwärtigen<br />

Ausgestaltung mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit unvereinbar<br />

ist. Insoweit folgt der Senat den Feststellungen und<br />

Bewertungen des Bundesverfassungsgerichts zur Rechtslage<br />

nach dem Bayerischen Staatslotteriegesetz vom 29. April<br />

1999 in dem Urteil vom 28. März 2006 - Aktenzeichen: - 1<br />

BvR 1054/01 -, die auf die in Nordrhein-Westfalen geltende<br />

Rechtslage in allen wesentlichen Punkten übereinbar sind.<br />

Der Senat geht aber davon aus, dass das Sportwettengesetz<br />

Nordrhein-Westfalen in seiner gegenwärtigen Fassung nach<br />

Maßgabe der Gründe der genannten Entscheidung des Bun-<br />

desverfassungsgerichts weiter anwendbar ist und das<br />

gewerbliche Veranstaltungen von Wetten durch private<br />

Wettunternehmen die Vermittlung solcher Wetten weiterhin<br />

ordnungsrechtlich unterbunden werden können."<br />

Sodann legt das Oberverwaltungsgericht dar, dass es davon<br />

ausgehe, dass sich die gegenwärtige Rechtslage in Nordrhein-<br />

Westfalen in derselben Weise im Widerspruch zur Niederlassungs-<br />

und Dienstleistungsfreiheit befindet, wie sie dem<br />

Grundrecht der Berufsfreiheit aus Artikel 12 Abs. 1 GG<br />

widerspricht. Es führt anschließend insoweit aus, dass es<br />

geboten sein kann,<br />

"die Rechtsfolgen einer Kollision mit höherrangigem Recht<br />

zu beschränken, um unerträgliche Konsequenzen einer sonst<br />

eintretenden Regelungslosigkeit zu vermeiden. Dies gilt innerhalb<br />

des Gemeinschaftsrechts und des nationalen Rechts wie<br />

im Verhältniss dieser beiden Rechtsordnungen zueinander im<br />

Grundsatz gleichmaßen. Entsteht durch die Nichtanwendung<br />

einer nationalen Rechtsvorschriften eine inakzeptable<br />

Gesetzeslücke, kann der Vorrang des Europäischen Rechts<br />

deshalb (vorerst) nicht greifen."<br />

50 ZfWG feBruAr 2008<br />

Die Klägerin hält das Verhalten der Beklagten für rechts-<br />

widrig und beziffert den ihr bisher entstandenen Schaden auf<br />

31.941.14 €.<br />

Die Klägerin beantragt, die Beklagten zu verurteilen, an sie<br />

31.941.14 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten<br />

über dem Basiszinssatz seit dem 8. Mi 2007 zu zahlen und<br />

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr sämtliche<br />

weiteren Schäden zu ersetzen, die ihr durch die gegen sie<br />

gerichtete Ordnungsverfügung der Beklagten vom 18. April<br />

seit dem 1. Januar 2007 entstanden sind und in Zukunft<br />

enstehen werden.<br />

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.<br />

Die Beklagte ist der Ansicht, dass es der Klägerin vor<br />

Anrufung der ordentlichen Gerichte oblegen hätte, den<br />

Verwaltungsrechtsweg auszuschöpfen. Im Übrigen hält<br />

sie an ihrer durch das Oberverwaltungsgericht bestätigten<br />

Rechtsauffassung fest.<br />

[...]<br />

Aus den Entscheidungsgründen:<br />

Die zulässige Klage ist unbegründet.<br />

1.<br />

Es ist kein Ausschlussgrund ersichtlich, der der Geltendmachung<br />

der klägerischen Ansprüche auf der Sekundärebene<br />

entgegenstehen könnte. Eine ausschließliche und ausdrückliche<br />

Begrenzung auf den Primärschutz ist im Rahmen des<br />

Anspruchs aus § 39 OBG NRW nicht erkennbar. Im Hinblick<br />

auf den gemeinschaftsrechtlichen Haftungsanspruch hat der<br />

Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften herausgestellt,<br />

dass der Geschädigte sich in angemessener Form um<br />

die Begrenzung des Schadensumfangs bemüht haben muss.<br />

Dabei sei insbesondere darauf abzustellen, ob in dieser<br />

Hinsicht alle zur Verfügung stehenden Rechtsschutzmöglichkeiten<br />

ausgeschöpft worden seien. Hierbei handele es sich um<br />

einen allgemeinen Grundsatz, der den Rechtsordnungen der<br />

Mitgliedstaaten gemein sei (EuGH, NJW 1996, 1267, 1271).<br />

Insoweit ist hier der Rechtsgedanke des § 839 Abs. 3 BGB heranziehbar.<br />

Der Vorrang des Primärechtsschutzes und die damit<br />

korrespondierende sekundäre Schadensersatzpflicht finden<br />

ihre Ausprägungen in der Verpflichtung zur Schadensminderung<br />

der durch die Einlegung eines Rechtsmittels, zu dem<br />

auch Widerspruch sowie Antrag und Beschwerde im vorläufigen<br />

Rechtschutzverfahren zählen, nachgekommen wird. Auf<br />

diese Weise soll dem Umstand Rechnung getragen werden,<br />

dass der Geschädigte bzw. der potentiell Geschädigte alles<br />

daran setzt, der Entsehung des Schadens entgegenzuwirken<br />

bzw. einen solchen möglichst gering zu halten.<br />

Nach diesen Maßgaben ist die Klägerin der ihr obliegenden<br />

Verpflichtung durch die Einlegung des Widerspruchs, dem<br />

Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO sowie der Beschwerde<br />

auf den ablehnenden Beschluss des Verwaltungsgerichts


LG Mönchengladbach, Urteil vom 04.12.2007<br />

Düsseldorf hinreichend nachgekommen.<br />

Da ein Verschulden der Beklagten nicht erkennbar ist, scheiden<br />

Ansprüche nach § 839 BGB in Verbindung mit Artikel<br />

34 GG aus.<br />

Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch aber auch<br />

nicht verschuldensunabhängig aus § 39 Abs. l b OBG‚ NRW<br />

oder als gemeinschaftsrechtlicher Haftungsanspruch zu.<br />

Während § 39 Abs. l b OBG NRW eine rechtswidrige<br />

Maßnahme vorraussetzt besteht ein gemeinschaftsrechtlicher<br />

Haftungsanspruch dann, wenn die Rechtsnorm, gegen die<br />

verstoßen worden ist bezweckt, dem Einzelnen Recht zu verleihen,<br />

der Verstoß "hinreichend qualifiziert" ist und zwischen<br />

dem Verstoß gegen die dem Staat obliegende Verpflichtung<br />

und den der geschädigten Personen entstandenen Schaden ein<br />

mittelbarer Kausalzusammenhang besteht.<br />

Auszugehen ist davon, dass das staatliche Wettmonopol für<br />

Sportwetten Nordrhein-Westfalen sowohl gegen das Grundgesetz<br />

als auch gegen das Gemeinschaftsrecht verstößt.<br />

Durch Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März<br />

2006 (NJW 2006, 1261-1267) steht mit Gesetzeskraft fest,<br />

dass das staatliche Wettmonopol für Sportwetten in Bayern<br />

mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit unvereinbar ist.<br />

Die dortigen verfassungsrechtlichen Aussagen treffen dabei<br />

gleichermaßen auf die Rechtslage in Nordrhein-Westfalen<br />

zu (siehe Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 2.<br />

August 2006 zu Aktenzeichen 1 BvR 2677/04).<br />

Das staatliche Wettmonopol ist darüber hinaus auch<br />

unvereinbar mit der in Art. 43 und 49 EGV normierten<br />

Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit. Insofern hat<br />

das Bundesverfassungsgericht in dem oben genannten Urteil<br />

ausgeführt:<br />

„Insofern laufen die Anforderungen des deutschen<br />

Verfassungsrechts parallel zu den vom Europäischen Gerichtshof<br />

zum Gemeinschaftsrecht formulierten Vorgaben. Nach<br />

dessen Rechtsprechung ist die Unterbindung der Vermittlung<br />

in anderen Mitgliedsstaaten mit dem Gemeinschaftsrecht<br />

nur vereinbar, wenn ein Staatsmonopol wirklich dem Ziel<br />

dient, die Gelegenheiten zum Spiel zu vermindern und die<br />

Finanzierung sozialer Aktivitäten mit Hilfe einer Abgabe<br />

auf die Einnahme aus genehmigten Spielen nur eine nützliche<br />

Nebenfolge, nicht aber der eigentliche Grund der<br />

betriebenen restriktiven Politik ist. (vgl. EuGH, Urteil vom<br />

6. November 2003 - C - 243/01 - Gambelli u.a., usw.). Die<br />

Vorgaben des Gemeinschaftsrechts entsprechen damit denen<br />

des Grundgesetzes. "<br />

Aus dieser Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz und dem<br />

Gemeinschaftsrecht kann jedoch nicht ohne weiteres auf<br />

die Rechtswidrigkeit der Schließungsverfügung geschlossen<br />

werden.<br />

Zu dieser Frage hat das Bundesverfassungsgericht im oben<br />

genannten Urteil folgendes ausgeführt:<br />

rechtsprechung<br />

„Die Unvereinbarkeit des in Bayern bestehenden staatlichen<br />

Wettmonopols mit Artikel 12 Abs. 1 GG führt nicht gemäß<br />

§ 95 Abs. 3 S. 1 BfG zur Nichtigkeit der angegriffenen<br />

Rechtslage.<br />

Steht eine gesetzliche Regelung mit dem Grundgesetz<br />

nicht in Einklang, hat der Gesetzgeber aber mehrere<br />

Möglichkeiten, den Verfassungsverstoß zu beseitigen, trägt<br />

das Bundesverfassungsgericht dem regelmäßig in der Weise<br />

Rechnung, dass es die Regelung nur für unvereinbar mit den<br />

Grundgesetz erklärt (....). Das ist hier auch geboten."<br />

,,Der Gesetzgeber ist verfassungsrechtlich gehalten, den<br />

Bereich der Sportwetten unter Ausübung seines rechtspolitischen<br />

Gestaltungsspielraums neu zu regeln."<br />

„Für die Neuregelung ist eine Frist bis zum 31. Dezember<br />

2007 angemessen.<br />

Während der Übergangszeit bis zu einer gesetzlichen<br />

Neuregelung bleibt die bisherige Rechtslage mit der<br />

Maßgabe anwendbar, dass der Freistaat Bayern unverzüglich<br />

ein Mindestmaß an Konsistenz zwischen dem Ziel der<br />

Begrenzung der Wettleidenschaft und der Bekämpfung der<br />

Wettsucht einerseits und der tatsächlichen Ausübung seines<br />

Monopols andererseits herzustellen hat.<br />

Das gewerbliche Veranstalten von Wetten durch private<br />

Wettunternehmen und die Vermittlung und die Vermittlung<br />

von Wetten, die nicht vom Freistaat Bayern veranstaltet werden,<br />

dürfen weiterhin als verboten angesehen werden und und<br />

ordnungsrechtlich unterbunden werden."<br />

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze war die in Frage<br />

stehende Schließungsverfügung vom 18. April 2006 nicht<br />

rechtswidrig.<br />

Wie auch bei festgestellten Vertößen des nationalen<br />

Rechts gegen gemeinschaftsrechtliche Regelungen ist der<br />

Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit während der<br />

vom Bundesverfassungericht eingeräumten Übergangsphase<br />

nicht unbedingt Vorrang einzuräumen. Diesbezüglich<br />

heißt es in einem Beschluss des 11. Senats des Hessischen<br />

Verwaltungsgerichtshofs vom 25. Juli 2006 (NvWZ 2006,<br />

1435 ff.) wie folgt:<br />

"Zwar hat sich der EuGH noch nicht ausdrücklich dazu geäußert,<br />

ob eine Bestimmung des nationalen Rechts, die selbst<br />

oder in ihrem Vollzug mit Gemeinschaftsrecht unvereinbar ist,<br />

vorübergehend angewendet werden darf, um eine schrittweise<br />

Anpassung an die Anforderungen des Gemeinschaftsrechts zu<br />

ermöglichen. (...) Allerdings hat der EuGH mehrfach betont,<br />

dass der Vorrang des Gemeinschaftsrechts die Befugnis<br />

der nationalen Gerichte unberührt lassen, bei festgestellten<br />

Verstößen gegen das Gemeinschaftsrecht unter mehreren<br />

nach innerstaatlichen Rechtsordnung in Betracht kommenden<br />

Wegen diejenigen zu wählen, die zur Um- oder Durchsetzung<br />

des Gemeinschaftsrechts geeignet erschienen. (EuGH, Urteile<br />

vom 4. April 1968 - Rs 34 - 67 [Lück], und vom 22. Oktober<br />

feBruAr 2008 ZfWG 51


echtsprechung LG Frankfurt, Urteil vom 16.01.2008<br />

1998 - C - 10/97 - u.a. -, EuZW 1998, 719 [720]).<br />

Bezüglich des hier in Frage stehenden Ausschlusses privater<br />

Anbieter von der Veranstaltung und Vermittlung von<br />

Sportwetten hat der EuGH überdies - wie bereits erwähnt - den<br />

Mitgliedsstaaten ausdrücklich auch das Recht eingeräumt,<br />

durch Schaffung eines staatlichen Monopols eine private<br />

wirtschaftliche Betätigung in diesem Bereich vollständig zu<br />

unterbinden, sofern dies durch zwingende Gründe des allgemeinen<br />

Wohls gerechtfertigt und das Handeln des Staates tatsächlich<br />

(nur) auf die Verfolgung dieser Gemeinwohlbelange<br />

ausgerichtet ist. Dies schließt die Befugnis ein, auch während<br />

des Übergangs zu einem diesen Erfordernissen entsprechenden<br />

rechtlichen und tatsächlichen Zustand unter<br />

vorübergehender Anwendung des geltenden Rechts keine<br />

private Betätigung bei der Veranstaltung von Vermittlung von<br />

Sportwetten zuzulassen, wenn durch die Zulassung privater<br />

Veranstalter und Vermittler die auf die Herbeiführung eines<br />

gemeinschaftskonformen staatlichen Wettmonopols ausgerichtetet<br />

Konzeption des Staates gefährdet und hierdurch eine<br />

- nicht anders auszuräumende - erhebliche Gefährdung wichtiger<br />

Allgemeininteressen herbeigeführt wurde, die deutlich<br />

schwerer wiegt als die Beeinträchtigung der gemeinschaftrechtlich<br />

verbürgten Grundfreiheiten der durch die staat-<br />

lichen Maßnahmen getroffener Anbieter. Unter diesen - eng-<br />

en - Vorraussetzungen erweist sich die Einschränkung gemein-<br />

Die Strafvorschrift des § 284 StGB ist durch zwingende<br />

Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt.<br />

Die Aufrechterhaltung des staatlichen Monopols<br />

ist bis zum 31.12.2007 auch aus europarechtlichen<br />

Gesichtspunkten zulässig, weil das Übergangsrecht<br />

mit dem Verlangen nach einem „Mindestmaß an<br />

Konsistenz“ den Anforderungen des EU-Rechts entspricht.<br />

Das Verbot des „Anbietens“ und „Bewerbens“<br />

von Sportwetten verlangt der Beklagten nichts<br />

Unmögliches ab, da es jedenfalls zumutbar ist, einen<br />

Disclaimer aufzunehmen, in dem die Beklagte ankündigt,<br />

Adressaten in Hessen nicht zu beliefern.<br />

(Anm.d.Red.)<br />

Aus dem Tatbestand:<br />

Die Klägerin macht gegen die Beklagten Ansprüche im<br />

Zusammenhang mit dem angeblich wettbewerbswidrigen<br />

Anbieten von Sportwetten geltend.<br />

[...]<br />

Unter der Domain [...] stellte die Beklagte in Aussicht, in<br />

Kürze eine Online-Wettmöglichkeit bereitzustellen (Anlage<br />

K 2). Inzwischen ist auf Seiten der Domains [...] und [...] ein<br />

Link angebracht, der zu der Seite [...] führt. Dort kann online<br />

52 ZfWG feBruAr 2008<br />

schaftsrechlicher Grundfreiheiten durch eine zeitlich begrenzte<br />

Fortgeltung des mit Gemeinschaftsrecht kollidierenden<br />

nationalen Rechts nicht als unverhältnißmäßig. Einer vorübergehenden<br />

Suspendierung des Anwendungsvorrangs des<br />

Gemeinschaftsrechts, wie sie das OVG Nordrhein-Westfalen<br />

in seinem Beschluss vom 28. Juni - 4 B 961/06 - unter den<br />

genannten Vorrausetzungen angenommen hat, bedarf es nach<br />

Ansicht des Senates aus den dargelegten Gründen nicht."<br />

Dieser Einschätzung schließt sich die Kammer nach eigener<br />

Meinungsbildung voll inhaltlich an.<br />

Gerade in Fällen, in denen es nicht - vorrangig - um<br />

fiskalische Interessen, sondern um anerkannte Interessen<br />

des Gemeinwohls geht (Vermeidung problematischen<br />

Spielverhaltens, insbesondere durch Minderjährige,<br />

Suchtprävention, Verbraucherschutz, Betrugsvorbeugung,<br />

Vermeidung von Anreizen zu überhöhten Ausgaben für<br />

das Spielen u.s.w.) muss dem nationalen Gesetzgeber die<br />

Möglichkeit eingeräumt werden, das nationale Recht bei<br />

Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht diesem - schrittweise -<br />

anzupassen. Jedenfalls zum Zeitpunkt der in Frage stehenden<br />

Schließungsverfügung war der hierfür zur Verfügung stehende<br />

Zeitraum noch nicht überschritten.<br />

[...]<br />

lAndgericht frAnkfurt<br />

urteil voM 16.01.2008 – 2-06 o 605/06 –<br />

gewettet werden.<br />

[...]<br />

Aus den Entscheidungsgründen:<br />

Die Klage ist begründet.<br />

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf<br />

Unterlassung des Anbietens und Bewerbens von Sportwetten<br />

ohne behördliche Erlaubnis in [...] aus §§ 3, 4 Nr. 11, 8 UWG<br />

i.V.m. § 284 StGB (Antrag 1.).<br />

Zwischen den Parteien besteht ein konkretes<br />

Wettbewerbsverhältnis. Sie bieten in Hessen Sportwetten<br />

zu festen Gewinnquoten, mithin austauschbare Leistungen<br />

an. Die Beklagte handelt dadurch wettbewerbswidrig, dass<br />

sie über Verkaufsstellen Glücksspiele anbietet und über das<br />

Internet für die Teilnahme wirbt, weil sie damit gegen § 284<br />

I, IV StGB verstößt.<br />

Diese gegen die unerlaubte Veranstaltung von Glücksspielen<br />

gerichtete Strafvorschrift ist eine wettbewerbsbezogene Norm,<br />

die auch dem Schutz der Verbraucher dient (vgl. BGH GRUR<br />

2002, 636, 637 - Sportwetten, BGH MMR 2004, 529, 531<br />

- Schöner Wetten).


LG Frankfurt, Urteil vom 16.01.2008<br />

Die Beklagte bietet an und bewirbt in Hessen Glücksspiele<br />

i.S.d. § 284 StGB. Ein Glücksspiel im Sinne dieser Vorschrift<br />

liegt vor, wenn bei einem Spiel ein nicht unerheblicher Einsatz<br />

erbracht werden muss und die Entscheidung über Gewinn und<br />

Verlust zumindest im Wesentlichen nicht von Fähigkeiten,<br />

Kenntnissen oder dem Grade der Aufmerksamkeit des Spielers,<br />

sondern vom Zufall abhängt (vgl. BGH NStZ 03,372). Diese<br />

Voraussetzungen sind erfüllt. Die Teilnehmer setzen Beträge<br />

in nicht unerheblicher Höhe auf den Ausgang eines bevorstehenden<br />

Sportereignisses. Die Entscheidung über den nach<br />

festen Quoten ausgelobten Gewinn hängt damit zumindest<br />

ganz wesentlich vom Zufall ab. Dementsprechend werden<br />

Sportwetten sowohl in der strafrechtlichen als auch in der<br />

wettbewerbsrechtlichen Rechtsprechung (vgl. BGH GRUR<br />

02, 636 - Sportwetten; BGH GRUR 04, 693, 695 - Schöner<br />

Wetten) einhellig als Glückspiele im Sinne des § 284 StGB<br />

angesehen.<br />

Die Beklagte ist „Veranstalterin“ von Glücksspielen im Sinne<br />

des § 284 StGB. Der Veranstalterbegriff ist weit auszulegen.<br />

Veranstalter ist der Unternehmer der die Spielgelegenheit in<br />

wirtschaftlich und organisatorisch verantwortlicher Weise<br />

eröffnet und die Spielbedingungen bestimmt. Dies trifft auf<br />

österreichische Lottogesellschaften zu, die in einem deutschen<br />

Bundesland Sportwetten anbieten oder bewerben (vgl.<br />

OLG Köln, Beschl.v. 07.07.04, 6 W 65/04, Anlage B 6).<br />

Entgegen der Auffassung der Beklagten spricht letztgenannte<br />

Entscheidung nicht gegen eine Veranstaltereigenschaft der<br />

Beklagten.<br />

Die Beklagte zu 1. bewirbt unstreitig auf den von ihr betriebenen<br />

Websites [...] und [...] Sportwetten. Dies ist etwa aus der<br />

Anlage K 2 ersichtlich. Die Beklagte zu 1. bietet in Hessen<br />

auch Sportwetten an. Sie bedient sich dazu zahlreicher<br />

Wettbüros (vgl. Schriftsatz vom 16.11.07, S. 3 f.). Entgegen<br />

der Auffassung der Beklagten liegt der Tatort in Deutschland.<br />

Dass die Wettannahmestellen von selbständigen Dritten<br />

betrieben werden, während die Wetten in Österreich abgewikkelt<br />

werden, spielt keine Rolle. Die Beklagte bietet ihre Wetten<br />

über die Wettbüros gezielt in Hessen an. Auch das Werben<br />

über das Internet richtet sich bestimmungsgemäß an Kunden<br />

in Deutschland, was sich schon aus der Topleveldomain „.de“<br />

ergibt.<br />

Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte darauf, auf ihrer<br />

Internetseite finde kein „Anbieten“ und auch keine<br />

„Werbung“ zum Spiel, sondern nur eine Information statt.<br />

Eine Spielmöglichkeit werde auf der Seite nicht eingeräumt.<br />

Die Textzeile „Onlinewetten und gewinnen!“ stellt<br />

eine anpreisende Werbung dar. Ausweislich der Anlage K 2<br />

wurde auch eine Online-Wettmöglichkeit für die Zukunft in<br />

Aussicht gestellt („In Kürze: Online wetten und gewinnen!“).<br />

Insoweit bestand bereits Erstbegehungsgefahr. Inzwischen<br />

findet sich auf den Seiten ein blinkender Hinweis, der zu<br />

der nicht von der Beklagten betriebenen Website [...com]<br />

führt. Dort kann online gewettet werden. Die Beklagten<br />

können nicht damit gehört werden, auf dieses Angebot<br />

hätten sie keinerlei Einfluss. Jedenfalls haben sie Einfluss<br />

auf die Verlinkung der von ihnen betriebenen Homepages.<br />

rechtsprechung<br />

Angesichts der Vorankündigung müssen die Beklagten als<br />

Veranstalter angesehen werden.<br />

Die Beklagten verfügen nicht über die für das Veranstalten<br />

von Sportwetten notwendige Erlaubnis einer inländischen<br />

Behörde. Eine solche Erlaubnis ist nicht mit Rücksicht darauf<br />

entbehrlich, dass der Beklagten in Österreich eine Erlaubnis<br />

zur Veranstaltung von Glücksspielen erteilt worden ist (vgl.<br />

BGH MMR 2004, 529, 531 -Schöner Wetten; Tröndle/<br />

Fischer, 54. Aufl., § 284 StGB, Rn. 15; offen gelassen in LG<br />

Frankfurt, NStZ-RR 2007, 201, 202).<br />

Die Vorschrift des § 284 StGB verstößt insoweit nicht gegen die<br />

durch Art. 46 und 49 EGV gewährleisteten Grundfreiheiten<br />

der Niederlassungsfreiheit und der Dienstleistungsfreiheit.<br />

Zwar können diese Grundfreiheiten durch Rechtsvorschriften,<br />

die Glücksspiel-Veranstaltungen beschränken, verletzt werden<br />

(vgl. EuGH NJW 2004, 139 f. - Gambelli). Die Strafvorschrift<br />

des § 284 StGB verbietet jedoch lediglich das Veranstalten<br />

eines Glücksspiels ohne behördliche Erlaubnis und ist insoweit<br />

durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt<br />

(OLG Gelle NJOZ 2007, 4289, 4295; vgl. BVerwG NJW<br />

2001, 2648 f.). Sie trifft selbst keine Entscheidung darüber,<br />

ob und inwieweit Glücksspiele abweichend von ihrer grundsätzlichen<br />

Unerlaubtheit zugelassen werden können oder<br />

nicht und verstößt als solche schon deshalb nicht gegen die<br />

Niederlassungsfreiheit und die Dienstleistungsfreiheit. Nach<br />

europäischem Gemeinschaftsrecht steht es im Ermessen der<br />

Mitgliedstaaten, Glücksspiele auch vollständig zu verbieten<br />

(vgl. EuGH WRP 1999, 1272, 1274 f. -Zenatti; EuGH NJW<br />

2004, 139, 140 - Gambelli).<br />

Es kann dahingestellt bleiben, ob die Anwendung des § 284<br />

StGB entfällt, wenn die Erlaubnis beantragt, aber rechtswidrig<br />

versagt worden ist. Der Beklagten ist eine inländische<br />

Erlaubnis nicht rechtswidrig versagt worden. Nach § 1 I<br />

HessSpW/LottoG ist das Land Hessen alleine befugt, innerhalb<br />

seines Staatsgebiets Sportwetten zu veranstalten. Sie<br />

führt diese Aufgabe durch die Klägerin aus. Zwar ist diese<br />

Vorschrift wegen Verstoßes gegen Art 12 I GG verfassungswidrig<br />

und wegen Verstoßes gegen die Dienstleistungs- und<br />

Niederlassungsfreiheit auch gemeinschaftsrechtswidrig (VGH<br />

Kassel, NVwZ 2006, 1435). Entsprechend den Grundsätzen<br />

des BVerfG in der Entscheidung vom 28.03.2006 zum bayrischen<br />

Sportwettenmonopol (BVerfG GRUR 2006, 688)<br />

darf das Gesetz jedoch zunächst weiter angewandt werden.<br />

Die Aufrechterhaltung des staatlichen Monopols ist<br />

- nach Maßgabe der Grundsätze der Entscheidung - in der<br />

Übergangszeit bis zum 31.12.2007 zulässig (VGH Kassel,<br />

a.a.O.). Aus § 5 HessSpW/LottoG erschließt sich, dass das<br />

Veranstaltungsmonopol des § 1 I HessSpW/LottoG auch<br />

für die Werbung und die Aufforderung zur Vermittlung und<br />

zum Abschluss von Spielverträgen gilt. Da das unerlaubte<br />

Anbieten, Veranstalten und Vermitteln von Sportwetten nach<br />

wie vor als unzulässig angesehen werden darf, stellt dessen<br />

Untersagung bzw. Nichtgenehmigung keinen unzulässigen<br />

Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit dar.<br />

In seiner Entscheidung vom 28.03.2006 leitet das BVerfG<br />

feBruAr 2008 ZfWG 53


echtsprechung LG Frankfurt, Urteil vom 16.01.2008<br />

die Verfassungswidrigkeit der das staatliche Monopol<br />

begründenden Landesgesetze aus dem legislatorischen<br />

Regelungsdefizit ab, keine hinreichende Sicherung der mit<br />

dem staatlichen Monopol verfolgten Ziele der Begrenzung<br />

der Spielleidenschaft und der Bekämpfung der Wettsucht zu<br />

schaffen. ODDSET verfolge erkennbar fiskalische Interessen.<br />

Das tatsächliche Auftreten von ODDSET entspreche einer<br />

wirtschaftlich effektiven Vermarktung und sei nicht an einer<br />

Bekämpfung von Spielsucht ausgerichtet. Das BVerfG gibt<br />

deshalb dem Gesetzgeber eine Neuregelung auf und verlangt<br />

für eine Übergangszeit bis zum 31.12.2007 von der<br />

Exekutive, ein „Mindestmaß an Konsistenz“ herzustellen<br />

zwischen dem Ziel der Begrenzung der Spielleidenschaft und<br />

der Bekämpfung der Wettsucht einerseits und der tatsächlichen<br />

Ausübung des Monopols andererseits. Damit hat das<br />

BVerfG nicht nur die weitere Anwendung verfassungswidrigen<br />

Rechts erlaubt, sondern gleichzeitig wegen des festgestellten<br />

legislatorischen Defizits ein an der Verfassung orientiertes<br />

Übergangsrecht geschaffen, das nach § 31 BVerfGG<br />

verbindlich ist. Bei der korrekten Ausfüllung des Begriffs<br />

und der Beachtung der Vorgaben im Tatsächlichen sieht das<br />

BVerfG bis zum 31.12.2007 Art. 12 I GG nicht als verletzt<br />

an, wenn - unter Aufrechterhaltung des staatlichen Monopols<br />

- Privaten Wettangebote und -Vermittlung aus ordnungsrechtlichen<br />

Gründen nicht erlaubt werden. Die Grundsätze des<br />

BVerfG sind auf den in Hessen geprägten Rechtszustand in<br />

vollem Umfang zu übertragen (vgl. BGH NJW 2007, 3078,<br />

3080 „für alle anderen Bundesländer“). Das HessSpw/<br />

LottoG weist hinsichtlich der Ausgestaltung des staatlichen<br />

Sportwettenmonopols keine substanziellen Unterscheide zu<br />

dem Staatslotteriegesetz in Bayern auf (VGH Kassel, NVwZ<br />

2006, 1435, 1436).<br />

Der Nichterteilung der Erlaubnis verstößt auch nicht gegen<br />

Europarecht. Die sich aus Art. 43 und 49 EG-Vertrag<br />

ergebende Niederlassungsfreiheit und die Freiheit des<br />

Dienstleistungsverkehrs sind nicht verletzt. Der Europäische<br />

Gerichtshof hält eine Monopolisierung nicht grundsätzlich für<br />

unzulässig (vgl. oben). Beschränkungen der Niederlassungs-<br />

und Dienstleistungsfreiheit sind aus zwingenden Gründen<br />

des Allgemeininteresses zulässig. Behördliches Verhalten<br />

muss geeignet sein, die Verwirklichung dieses Ziels zu<br />

gewährleisten. Als schützenswert ist nach der Rechtsprechung<br />

des BVerfG das Allgemeininteresse an der „Bekämpfung<br />

der Wettsucht“ und der „Begrenzung der Spielleidenschaft“<br />

anzusehen. Will der Staat - zur Wahrung des so definierten<br />

allgemeinen Wohls - das Sportwettangebot monopolisieren,<br />

ist dies nach der Gambelli-Entscheidung des EuGH<br />

nur zulässig, wenn er die Verwirklichung der genannten<br />

Ziele durch Maßnahmen gewährleistet, die „kohärent und<br />

systematisch zur Begrenzung der Wetttätigkeiten beitragen“<br />

(EuGH NJW 2004, 139, 140, Rn. 67 - Gambelli). Daran<br />

fehlt es, wenn Behörden eines Mitgliedsstaats Verbraucher<br />

dazu anreizen und ermuntern, an Lotterien, Glücksspielen<br />

oder Wetten teilzunehmen (EuGH aaO, Rn. 69). Das vom<br />

BVerfG geschaffene Übergangsrecht mit dem Verlangen<br />

nach einem „Mindestmaß an Konsistenz“ entspricht diesen<br />

Anforderungen.<br />

54 ZfWG feBruAr 2008<br />

Die Auswertung der neueren Rechtsprechung des EuGH<br />

führt zu keinem anderen Ergebnis. In der von der Beklagten<br />

besonders herausgestellten Entscheidung vom 06.03.2007<br />

(EuGH MMR 2007, 300 - Placanica) hat der EuGH den<br />

Ausschluss von Wirtschaftsteilnehmern in der Form von<br />

Kapitalgesellschaften durch ein Konzessionierungs-System<br />

in Italien als Art. 43 und 49 EG-Vertrag entgegenstehend<br />

beurteilt. Der EuGH hat jedoch erneut festgestellt, dass die<br />

Beschränkung der Anzahl der Wettanbieter gerechtfertigt<br />

sein kann, um die Gelegenheiten zum Spiel zu vermindern<br />

und in geordnete Bahnen zu lenken. Im Gegensatz zur deutschen<br />

Rechtslage hatte für Italien zuvor der dortige Corte<br />

suprema di cassazione (verbindlich) festgestellt, dass der<br />

italienische Gesetzgeber im Bereich der Glücksspiele eine<br />

expansive Politik mit dem Ziel betreibe, die Staatseinnahmen<br />

zu erhöhen, und dass die italienischen Rechtsvorschriften<br />

weder mit dem Ziel der Beschränkung der Spielleidenschaft<br />

der Verbraucher noch mit dem einer Eindämmung des<br />

Spielangebots gerechtfertigt werden könnten (vgl. EuGH<br />

MMR 2007, 300, 303 Rdnr. 54).<br />

Werden also unter Beachtung des vom BVerfG gesetzten<br />

Übergangsrechts von der Klägerin nunmehr wirksame<br />

Maßnahmen zur Bekämpfung der Spielsucht eingeleitet<br />

und wird die Wettleidenschaft tatsächlich eingedämmt und<br />

gebremst, so liegt in der Übergangszeit auch kein Verstoß<br />

gegen Art. 43, 49 EG-Vertrag (mehr) vor. Nach den Vorgaben<br />

des BVerfG darf der Staat die Übergangszeit nicht zu einer<br />

expansiven Vermarktung von Wetten nutzen. Daher sind bis<br />

zu einer Neuregelung die Erweiterung des Angebots staatlicher<br />

Wettveranstaltung sowie eine Werbung, die über sachliche<br />

Informationen zur Art und Weise der Wettmöglichkeit<br />

hinausgehend gezielt zum Wetten auffordert, untersagt.<br />

Ferner hat die Staatliche Lotterieverwaltung umgehend aktiv<br />

über die Gefahren des Wettens aufzuklären (BVerfG GRUR<br />

2006, 688, 694, Rn 160).<br />

Die Klägerin hat hinreichend substantiiert dargelegt, dass sie<br />

nach Kenntnisnahme des Urteils des Verwaltungsgerichtshofs<br />

Hessen vom 25.07.2006, Az. 11 TG 1465/06 ausreichende<br />

Maßnahmen zur Erfüllung der dort gestellten Auflagen<br />

getroffen hat. Aus dem Maßnahmenkatalog der Anlage K 3<br />

und der Dokumentation der Anlagen K 4, K 19 ergibt sich,<br />

dass die Klägerin zum Beispiel keine Live-Wetten, keine<br />

Halbzeitwetten und keine TV-Wetten mehr anbietet. Auch<br />

Wetten über SMS sind nicht mehr möglich. Rundfunk-<br />

und Fernsehwerbungen werden nicht mehr geschaltet.<br />

Entsprechende Verträge wurden storniert. Im Internet und<br />

auf verschiedenen Werbemedien wurden Spielsuchthinweise<br />

angebracht. Der Internetvertrieb wurde komplett eingestellt.<br />

Außerdem wurde eine Kundenkartenpflicht eingeführt.<br />

Soweit die Beklagte darauf verweist, es gebe nach wie vor<br />

keine Einsatzbeschränkungen zugunsten der Verbraucher,<br />

keine Verlusthöhenbegrenzung, keine SchuFa-Abfragen zur<br />

Identifizierung zahlungsfähiger Kunden und kein Verbot des<br />

Wettangebots in Geschäften des täglichen Bedarfs, so mögen<br />

diese Maßnahmen zwar ebenfalls suchtpräventiv wirken,<br />

werden aber vom BVerfG nicht explizit vorgeschrieben. Auch<br />

die aus der Anlage B 23 ersichtlichen Werbemaßnahmen der


LG Frankfurt, Urteil vom 16.01.2008<br />

Klägerin für Oddset sprechen nicht gegen das Einhalten der<br />

Kriterien des BVerfG. Zwar geht der Slogan „ODDSET, die<br />

Sportwette von Lotto. Jetzt Quoten abrufen. Jetzt gewinnen!!“<br />

über eine sachliche Information hinaus. Dennoch handelt<br />

es sich nicht um eine expansive oder aggressive Werbung,<br />

zumal sie nur in Lottoannahmestellen aushängt. Dort gehen<br />

ohnehin nur bereits spielbereite Kunden hin.<br />

Der Ernsthaftigkeit der Maßnahmen bzw. dem Kohärenzkriterium<br />

des EuGH steht auch nicht entgegen, dass das Land<br />

Hessen andere staatliche Glücksspielformen wie etwa<br />

Spielkasinos nach wie vor anpreisend bewirbt und vermarktet.<br />

Die Vorgaben des BVerfG beziehen sich auf Sportwetten.<br />

Nur in diesem Bereich will die Beklagte auch tätig werden.<br />

Sie kann sich deshalb im Wettbewerbsprozess nicht mit anderen<br />

Spielformen vergleichen. Auch der EuGH-Entscheidung<br />

„Placanica“ kann entgegen der Auffassung der Beklagten<br />

nicht entnommen werden, dass bei der Betrachtung der<br />

Kohärenz zwischen den gesetzgeberischen Zielen und der<br />

Regelung der gesamte Glücksspielbereich berücksichtigt werden<br />

muss. Vielmehr wird das Kohärenzkriterium in der<br />

genannten Entscheidung nur hinsichtlich der Beschränkung<br />

der Konzessionen im Sportwettenbereich beleuchtet. Dem<br />

steht nicht entgegen, dass der EuGH auf die Feststellung des<br />

Corte suprema di cassazione zurückgegriffen hat, wonach<br />

der italienische Gesetzgeber im gesamten Glücksspielbereich<br />

das vorrangige Ziel der Einnahmenerzielung verfolge (EuGH<br />

MMR 2007, 300, 303 Rn. 50, 54 - Placanica). Da auch Wetten<br />

zu den Glücksspielen gehören, konnte diese Feststellung<br />

angewendet werden.<br />

Die Beklagte kann nicht mit Erfolg einwenden, das<br />

Sportwettenmonopol und die dort eingeleiteten<br />

Maßnahmen seien nicht geeignet, das grundsätzlich legitime<br />

Ziel der Suchtbekämpfung zu erreichen, solange andere<br />

Glücksspielformen wie Pferdewetten nicht monopolisiert<br />

seien und damit nicht den staatlichen suchtpräventiven<br />

Maßnahmen unterfielen. Wie die Beklagte selbst vorträgt,<br />

erfreuen sich gerade die Oddset-Sportwetten einer besonderen<br />

Beliebtheit. Es gibt in Hessen hundertmal mehr<br />

Annahmestellen für staatliche Sportwetten als etwa für<br />

Pferdewetten (Bl. 91 d.A.). Dies leuchtet auch ein, weil sich<br />

bekanntermaßen für Fußball weitaus mehr Verbraucher interessieren<br />

als für jede andere Sportart. Dem Gesetzgeber muss<br />

ein gewisser Beurteilungsspielraum zugemessen werden, welche<br />

Wettart er für besonders gefährlich hält. Er ist nicht verpflichtet,<br />

alle Wettarten gleichermaßen zu monopolisieren.<br />

Die Beklagte verfügte damit nicht über die im Sinne des §<br />

284 StGB erforderliche Erlaubnis. Ob ihre österreichische<br />

Buchmachererlaubnis ein vergleichbares Schutzniveau sicherstellt,<br />

wie die vom BVerfG der Klägerin für die Übergangszeit<br />

vorgeschriebenen Maßnahmen, ist unerheblich.<br />

Unerheblich ist auch, ob die Klägerin selbst über eine<br />

„behördliche Erlaubnis“ verfügt, was die Beklagte unwidersprochen<br />

in Abrede stellt. Der Einwand der „unclean hands“<br />

greift nicht ein. Denn bei einem Verstoß gegen § 4 Nr. 11<br />

UWG i.V.m. § 284 StGB geht es vorrangig um Belange des<br />

Gemeinwohls, nicht nur um den Schutz der Wettbewerber.<br />

Für den „unclean hands“-Einwand ist deshalb kein Raum.<br />

rechtsprechung<br />

Die Beklagten handeln auch vorsätzlich im Sinne des § 284<br />

StGB. Wenn der Rechtsbruchtatbestand an eine Strafnorm<br />

anknüpft, muss der Straftatbestand auch hinsichtlich des<br />

Verschuldens erfüllt sein (OLG Gelle NJOZ 2007, 4289,<br />

4295; Hefermehl/Köhler, 25. Aufl., § 4 UWG, Rn. 11.50).<br />

Spätestens seit Zustellung der vorliegenden Klage sind ihnen<br />

sämtliche Umstände bekannt, die die Strafbarkeit wegen<br />

unerlaubten Veranstaltens von Glücksspielen begründen.<br />

Unerheblich ist, dass die Beklagten sich im Besitz einer<br />

gültigen (österreichischen) Genehmigung wähnen bzw. aus<br />

verfassungs- und europarechtlichen Gründen von einer<br />

Erlaubnisfreiheit ausgehen. Auf einen Verbotsirrtum im Sinne<br />

des § 17 StGB können sich die Beklagten im Wettbewerbsrecht<br />

nicht mit Erfolg berufen. Denn für den wettbewerbsrechtlichen<br />

Unterlassungsanspruch ist - anders als für den staatlichen<br />

Strafanspruch - die persönliche Vorwerfbarkeit nicht<br />

maßgeblich. Ein Verbotsirrtum ist deshalb unbeachtlich<br />

(Hefermehl/Köhler, 25. Aufl., § 4 UWG, Rn. 11.54).<br />

Ohnehin war der Verbotsirrtum vermeidbar. Denn spätestens<br />

seit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Wiesbaden<br />

vom 12.06.2007 in dem Verwaltungsstreitverfahren der<br />

Parteien konnten die Beklagten nicht mehr davon ausgehen,<br />

dass sie im Besitz einer für Hessen wirksamen Genehmigung<br />

sind oder ihre Tätigkeit gar erlaubnisfrei ist. Trotzdem setzten<br />

die Beklagten ihre Tätigkeit fort.<br />

Der Beklagte zu 2 ist als Geschäftsführer der Beklagten zu<br />

1. für den Wettbewerbsverstoß persönlich verantwortlich.<br />

Der gesetzliche Vertreter einer GmbH haftet für eine unerlaubte<br />

Handlung, wenn er sie selbst begangen hat oder als<br />

Störer für die Rechtsverletzung ursächlich ist (BGH, GRUR<br />

1986, 248, 250 - Sporthosen). Selbst ohne eigene Kenntnis<br />

kommt eine persönliche Haftung des Geschäftsführers unter<br />

dem Gesichtspunkt der Organisationspflichtverletzung in<br />

Betracht. Er muss sich das Wissen der Personen zurechnen<br />

lassen, die er bewusst eigenverantwortlich für sich handeln<br />

lässt (§ 166 I BGB analog; OLG Frankfurt, GRUR-RR 2001,<br />

198, 199 - Verantwortlichkeit; OLG Hamburg, GRUR-RR<br />

2006, 182, 183-Miss 17).<br />

Die Beklagten können sich nicht mit Erfolg darauf berufen, mit<br />

dem Verbot des Anbietens von Wetten in Hessen werde ihnen<br />

angesichts der weltweiten Verbreitung des Internets etwas<br />

Unmögliches abverlangt. Nach der Fassung des Klageantrags<br />

ist den Beklagten das „Anbieten“ und „Bewerben“ im Gebiet<br />

des Landes Hessen verboten.<br />

Es wird nicht verlangt, für Spieler aus Hessen jede<br />

Spielmöglichkeit technisch auszuschließen. Die Klägerin<br />

hat bislang unwidersprochen vorgetragen, dass es zahlreiche<br />

technische Möglichkeiten gibt, den Standort des Kunden<br />

zu identifizieren (vgl. Schriftsatz vom 16.11.07, S. 21 ff.).<br />

Letztlich spielt es aber keine Rolle, ob es technisch umsetzbar<br />

ist, Zugriffe aus Hessen auf die Website zu verhindern.<br />

Jedenfalls wäre es zumutbar, einen Disclaimer aufzunehmen,<br />

in dem die Beklagte ankündigt, Adressaten in Hessen nicht zu<br />

beliefern (vgl. BGH NJW 2006, 2630 - Arzneimittelwerbung<br />

feBruAr 2008 ZfWG 55


echtsprechung Verwaltungsgericht München, Urteil vom 23.10.2007<br />

im Internet). Die Beklagten verstoßen gegen das Verbot<br />

nicht, wenn trotzdem Kunden aus Hessen Wetten in Auftrag<br />

geben, ohne dass die Beklagte dies bemerkt. Denn es ist den<br />

Beklagten nur das Anbieten, nicht das unbewusste Annehmen<br />

von Wetten aus Hessen verboten.<br />

Der Klägerin steht gegen die Beklagten dem Grunde nach<br />

ein Anspruch auf Schadensersatz aus § 9 UWG zu (Antrag<br />

2.). Die Beklagten haben den Wettbewerbsverstoß schuldhaft<br />

begangen (vgl. oben).<br />

Der Klägerin steht gegen die Beklagten außerdem nach<br />

Treu und Glauben (§ 242 BGB) als Hilfsanspruch zum<br />

Schadensersatzanspruch ein Anspruch auf Auskunft über die<br />

Eine behördliche Auflage, dass in Spielhallen den<br />

Spielern und sonstigen Besuchern der Spieler für<br />

weitere Spiele hinsichtlich der Höhe der Einsätze<br />

keine Vergünstigungen, insbesondere keine unentgeltlichen<br />

Spiele, Nachlässe des Einsatzes oder auf<br />

den Einsatz oder darüber hinausgehende sonstige<br />

finanzielle Vergünstigungen gewährt werden dürfen,<br />

ist rechtswidrig.<br />

(Anm.d.Red.)<br />

Aus dem Tatbestand:<br />

Die Parteien streiten über die Rechtmäßigkeit einer verfügten<br />

Auflage nach § 9 Spielverordnung - SpielV -.<br />

Die Klägerin hatte von dem Beklagten mit Bescheid vom 3.<br />

November 2003 die Erlaubnis nach § 33 i Gewerbeordnung<br />

- GewO - zum Betrieb zweier Spielhallen in [...], in der<br />

Fassung der nachträglich hierzu ergangenen Bescheide vom<br />

12. Dezember 2003 und 22. Oktober 2004 (hinsichtlich<br />

Abänderungen zur Betriebszeitregelung) erhalten.<br />

Durch den streitgegenständlichen Bescheid vom 13. April<br />

2006 fügte das Landratsamt [...] den vorbenannten Bescheiden<br />

folgende Auflage hinzu:<br />

"In den Spielhallen dürfen den Spielern und sonstigen Besuchern<br />

der Spielhalle für weitere Spiele hinsichtlich der Höhe der Einsätze<br />

keine Vergünstigungen, insbesondere keine unentgeltlichen Spiele,<br />

Nachlässe des Einsatzes oder auf den Einsatz oder darüber hinausgehende<br />

sonstige finanzielle Vergünstigungen gewährt werden.<br />

Die vor Ort ausgesprochene mündliche Anordnung des Landratsamts<br />

[...] vom 13. April 2006 wird mit diesem Bescheid bestätigt.“<br />

Unter Nr. II. des Bescheids wurde die sofortige Vollziehung<br />

der vorbezeichneten Nr. I. dieses Beschlusses angeordnet.<br />

56 ZfWG feBruAr 2008<br />

mit den Verletzungshandlungen erwirtschafteten Umsätzen<br />

zu (Antrag 3.).<br />

Die Kammer sieht keine Notwendigkeit, Auslegungsfragen<br />

des EGV im Wege der Vorabentscheidung durch den EuGH<br />

nach Art. 234 EGV klären zu lassen. Denn die Kammer<br />

weicht von der Rechtsprechung des EuGH nicht ab. Eine<br />

Vorlagepflicht zu einer entscheidungserheblichen Frage des<br />

Gemeinschaftsrechts trifft nach Art. 234 III EGV ohnehin nur<br />

das letztinstanzliche Hauptsachegericht (vgl. BVerfG NJW<br />

2007, 1521; BVerfG GRUR 2005, 52).<br />

[...]<br />

verwAltungsgericht München<br />

urteil voM 23.10.2007 – M 16 k 07.1149 –<br />

Für den Fall, dass die Klägerin der in Nr. I des Bescheides<br />

enthaltenen Verpflichtungen nicht, nicht vollständig oder<br />

nicht rechtzeitig nachkomme, wurde ein Zwangsgeld in Höhe<br />

von € 2.000,- je festgestelltem Verstoß zur Zahlung angedroht<br />

(III.).<br />

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, in<br />

einer Anzeige im [...] Wochenblatt Nr. 15, 12. Jahrgang,<br />

vom Mittwoch, den 12. April 2006, sei ein ,,Test-Coupon“<br />

über € 10,- der Spielstation enthalten gewesen mit folgendem<br />

Hinweis: ,,Keine Barauszahlung. Nur zur Freimünzung an<br />

einem Geldspielgerat in der Spielstation in Moosburg. Pro<br />

Person nur ein Coupon. Für alle ab 18 Jahre. Gültig am<br />

Donnerstag, 13. April 2006 (16.00 Uhr bis 23.00 Uhr) oder bis<br />

auf Widerruf.“ Am 1. Januar 2006 sei die 5. Verordnung zur<br />

Änderung der Spielverordnung (SpielV) vom 23. Dezember<br />

2005 in Kraft getreten. Nach § 9 Abs. 1 der geänderten SpielV<br />

dürfe der Aufsteller eines Spielgerätes oder der Veranstalter<br />

eines anderen Spiels dem Spieler für weitere Spiele hinsichtlichler<br />

Höhe der Einsätze keine Vergünstigungen, insbesondere<br />

keine unentgeltlichen Spiele, Nachlässe des Einsatzes<br />

oder auf den Einsatz oder darüber hinausgehende sonstige<br />

finanzielle Vergünstigungen gewähren.<br />

Der im [...] Wochenblatt enthaltene „Test-Coupon“ stelle eine<br />

solche finanzielle Vergünstigung (unentgeltliches Spiel) dar.<br />

[...]<br />

Zur Begründung des Anfechtungsbegehrens wurde, auch in<br />

weiteren Schriftsätzen, im Wesentlichen darauf verwiesen,<br />

dass § 9 Abs. 1 Satz 1 SpieIV aus systematischen Gründen<br />

eine abschließende Regelung über die Inaussichtstellung von<br />

unentgeltlichen Spielen und Nachlässen auf den Einsatz<br />

enthalte, während § 9 Abs. 2 SpielV sonstige - vor allem<br />

gewinnähnliche - Vergünstigungen betreffe. Letzteres Verbot<br />

richte sich ausdrücklich an den Aufsteller bzw. Veranstalter<br />

von Spielen an Spielgeräten mit Gewinnmöglichkeiten und<br />

stelle damit einen Bezug zu der Benutzung dieser Geräte her.


Verwaltungsgericht München, Urteil vom 23.10.2007<br />

Das Verbot beziehe sich damit auf den ,,Spieler“ und nicht<br />

auf etwaige künftige Kunden der Spielhalle. § 9 Abs. 2 SpielV<br />

verbiete es zudem nicht, einem Kunden die Möglichkeit zu<br />

geben, ein Spielgerät unentgeltlich zu benutzen, wenn die<br />

entgeltliche Benutzung unter denselben Voraussetzungen<br />

erlaubt sei. Daher könne ein Unternehmer, z.B. ähnlich einer<br />

„Happy Hour“ in der Gastronomie, zu einer bestimmten Zeit<br />

die in der Spielhalle aufgestellten Spielgeräte unentgeltlich zur<br />

Verfügung stellen.<br />

Die Widerspruchsbehörde habe die angefochtene Auflage<br />

dahin abgeändert, dass nunmehr anstelle des Wortlautes<br />

des § 9 Abs. 1 Satz 1 SpielV lediglich der Wortlaut des § 9<br />

Abs. 2 SpielV wiederholt werde. Eine Konkretisierung des<br />

Gesetzesbefehls auf einen konkreten Einzelfall liege hierin<br />

nicht, was sich schon daran zeige, dass die Klägerin selbstverständlich<br />

den Gesetzesbefehl des § 9 Abs. 2 SpielV zu folgen<br />

bereit sei.<br />

Die Auffassung des Beklagten, § 9 Abs. 2 SpieIV verbiete die<br />

Ausgabe von Gutscheinen außerhalb der Spielhalle an potentielle<br />

künftige Kunden zu Werbezwecken, sei mit Wortlaut,<br />

Zweck und Entstehungsgeschichte der Vorschrift unvereinbar.<br />

Ein generelles Verbot, Kunden an einem Spielgerät<br />

unentgeltlich spielen zu lassen, könne es nicht geben. §<br />

9 Abs. 2 SpielV differenziere sachgerecht zwischen einer<br />

(unzulässigen) Belohnung von Spielern und einer (zulässigen)<br />

Werbung von Kunden. So wäre es unzulässig, an Spieler<br />

in der Spielhalle Gutscheine zu verteilen, um sie für die<br />

Anwesenheit zu belohnen und zum längeren Verweilen zu<br />

animieren. Demgegenüber sei das sich nicht an den Spieler,<br />

sondern an jedermann richtende Angebot, Spielgeräte kostenlos<br />

zu testen, eine zulässige und in allen Wirtschaftsbranchen<br />

verbreitete Werbung.<br />

Man verweise auf entsprechende Entscheidungen von verschiedenen<br />

Wettbewerbsgerichten.<br />

Durch Schriftsatz vom 3. Mai 2007 nahm der Beklagte zur<br />

Klage Stellung, beantragte Klageabweisung und begründete<br />

dies im Wesentlichen damit, dass § 9 Abs. 2 SpielV geschaffen<br />

worden sei, gerade weil der Gesetzgeber allen Zahlungen<br />

und finanziellen Vergünstigungen, die über die Ausgabe von<br />

Gewinnen von zugelassenen Geräten oder sonstigen Spielen<br />

hinausgingen (wozu auch die Freimünzung über einen Test-<br />

Coupon zahle), eine spielrechtliche Relevanz beigemessen<br />

habe. Es wäre vermessen anzunehmen, dass § 9 SpielV verhindern<br />

solle, Spieler unnötig lange zum Spielen an einem<br />

Spielgerät zu verleiten, aber Lockangebote, die einen Kunden<br />

zum Spielen verleiten sollen, nicht umfassen würde. Des<br />

Weiteren richte sich der Test-Coupon nicht nur an Einsteiger,<br />

sondern könne auch von Spielern eingelöst werden, die bereits<br />

Kunden dieser Spielhalle seien. Entgegen den Ausführungen<br />

des Bevollmächtigten der Klägerin verbiete § 9 Abs. 2 SpieIV<br />

sehr wohl dem Spieler die Möglichkeit, ein Spielgerät unentgeltlich<br />

zu benutzen. Eine „Happy Hour“ in einer Gaststätte<br />

sei damit nicht vergleichbar, da der Gesetzgeber eine dortige<br />

„Happy Hour“ bisher nicht verboten habe. Dies habe er jedoch<br />

bei finanziellen Vergünstigungen bei Geldspielgeräten getan.<br />

rechtsprechung<br />

Das Verbot des Test-Coupons, mit dem einem Spieler die<br />

finanzielle Vergünstigung gewährt werde, für 10,- € kostenlos<br />

zu spielen, sei geeignet, den Spieltrieb einzudämmen und die<br />

Ausnutzung des natürlichen Spieltriebs zu verhindern.<br />

[...]<br />

Aus den Entscheidungsgründen:<br />

Die zulässige Anfechtungsklage hat in der Sache Erfolg. Der<br />

streitgegenständliche Bescheid des Landratsamtes [...] vom 13.<br />

April 2006 in maßgeblicher Gestalt des Widerspruchsbescheids<br />

der Regierung von Oberbayern vom 5. April 2007 ist rechtswidrig<br />

und verletzt die Klägerin demnach in ihren Rechten (§<br />

113 Abs. 1 Satz 1VwGO).<br />

1. Es ist unstrittig und bedarf daher keiner weiteren Erörterung,<br />

dass - wie vorgenommen - der Beklagte grundsätzlich berechtigt<br />

war, die der Klägerin erteilte Erlaubnis nach § 33 i GewO<br />

mit einer dort näher beschriebenen Auflage zu versehen (Art.<br />

36 Abs. 1 BayVwVfG § 33 i Abs. I Satz 2 GewO).<br />

2. Die verfügte Auflage begegnet jedoch gerade wegen der<br />

verbundenen Zwangsgeldandrohung bereits im Hinblick auf<br />

Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG, Art. 36 Abs. 2, 3 BayVwZVG<br />

Bedenken.<br />

Ausweislich der Erörterung in der mündlichen Verhandlung<br />

sowie bei Zugrundelegung des objektiven Empfängerhorizonts<br />

kann die unter Ziff. I verfügte Auflage allenfalls dann mit den<br />

Erfordernissen der Bestimmtheit vereinbar angesehen werden,<br />

wenn sie sich auf das Verbot, Test-Coupons der bereits<br />

angebotenen Art anzubieten, bezieht. Anlass der verfügten<br />

Auflage war das erstmalige Anbieten eines derartigen Test-<br />

Coupons im Wochenblatt am 12. April 2006. Der Beklagte<br />

befürchtet daruber hinaus Wiederholung, die er zwangsgeldbewehrt<br />

zu verhindern sucht.<br />

Soweit der Vertreter des Beklagten in der mündlichen<br />

Verhandlung angegeben hatte, man habe über den<br />

Anlass vom April 2006 hinaus der Klagepartei auch verbieten<br />

wollen, jedwede Vergünstigung beim Betrieb der<br />

Spielhalle auszuloben, genügt der Regelungsgehalt der Ziff.<br />

I der verfügten Auflage nicht den Anforderungen an den<br />

Bestimmtheitsgrundsatz aus Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG, insbesondere<br />

auch vor dem Hintergrund der ausweislich Ziff.<br />

III verfügten Zwangsgeldandrohung. Der über das Verbot der<br />

Auslobung von Test-Coupons hinausgehende Regelungsgehalt<br />

der Auflage beschränkt sich auf die reine Wiederholung des<br />

Wortlauts des § 9 Abs. 2 SpieIV. Hinreichende Bestimmtheit<br />

eines Verwaltungsaktes bedeutet dagegen, dass der Adressat<br />

des Verwaltungsaktes vollständig, klar und unzweideutig<br />

erkennen muss, wonach er sein Verhalten zu richten hat<br />

und dass die mit dem Vollzug betrauten oder sonst mit<br />

der Angelegenheit befassten Behörden den lnhalt etwaigen<br />

Vollstreckungsmaßnahmen zugrundelegen können (Kopp/<br />

Ramsauer, VwVfG, Rdnr. 5 zu § 37). Bei der Ermittlung<br />

des Inhalts der Regelung ist dabei nicht auf die - subjektive<br />

- Vorstellung derer abzustellen, die die Entscheidung getrof-<br />

feBruAr 2008 ZfWG 57


echtsprechung Verwaltungsgericht München, Urteil vom 23.10.2007<br />

fen haben, vielmehr danach, wie sie sich dem Betroffenen<br />

darstellt und nach Treu und Glauben verstanden werden darf<br />

und muss. Unklarheiten gehen zulasten der Behörde (Kopp/<br />

Ramsauer, a.a.O. Rdnr. 8).<br />

Da aber die Abgrenzung des Regelungsgehalts des § 9<br />

Abs. 2 SpieIV und die Abgrenzung zu Abs. 1 wie auch<br />

die Subsumtion der jeweiligen Voraussetzungen in der<br />

Rechtsprechung umstritten ist - vgl. hierzu unten 3. -,<br />

genügt die von dem Beklagten verfügte Auflage (Ziff. 1 und<br />

Ziff. III) den Bestimmtheitsanforderungen insofern nicht,<br />

als sich der Regelungsgehalt der Verfügung über das reine<br />

Ausloben von Test-Coupons erstrecken soll. Insbesondere<br />

hat die Klagepartei kundgetan, sich selbstverständlich an<br />

die Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 SpieIV zu halten, ohne<br />

dass dies von der Gegenseite substantiiert in Zweifel gezogen<br />

wurde. Somit gab es auch gar keine Veranlassung für das<br />

weitergehende Verbot.<br />

3. Aber auch im Hinblick auf den zwar dem<br />

Bestimmtheitsgrundsatz genügenden Regelungsgehalt, keine<br />

- weiteren - Test-Coupons anbieten zu durfen, ist diese<br />

Regelung materiell-rechtlich rechtswidrig und verletzt die<br />

Klagerin in ihren Rechten.<br />

Das Gericht folgt dabei vollinhaltlich den Ausführungen<br />

des Klägervertreters sowohl im Hinblick auf die<br />

Tatbestandssubsumtion der Vorschrift als auch im Hinblick auf<br />

die Abgrenzung zu § 9 Abs. I SpieIV unter Berücksichtigung<br />

der hierzu ergangenen Rechtsprechung:<br />

§ 9 Abs. 2 SpielV verbietet die Inaussichtstellung von sonstigen<br />

Gewinnchancen bzw. die Gewährung von Zahlungen<br />

oder sonstigen finanziellen Vergünstigungen an ,,Spieler“.<br />

Die Anzeige im „Wochenblatt“ vom 12. April 2006 durch die<br />

Klägerin war nach ihrem Wortlaut und ihrer (Werbe)Funktion<br />

an die Leser dieses Blatts gerichtet, mithin ausweislich des<br />

Deckblatts des Wochenblattes (BI. 96 der Behördenakte) an<br />

einen Adressatenkreis einer Auflage von 41.000 Exemplaren.<br />

Primärer Zweck der Anzeige war es laut der auch von dem<br />

Beklagten nicht bestrittenen Angabe der Klagepartei die<br />

,,Spielstation“ in [...] damit zu bewerben und das Interesse<br />

der Leser des Wochenblatts zu wecken und somit potentielle<br />

Interessenten anzusprechen. Bereits der Wortlaut der<br />

Anzeige, einen „Test“-Coupon anzubieten, rechtfertigt die<br />

Annahme, dass primär mit der Anzeige Werbezwecke verfolgt<br />

wurden, als das „testen“ der ,,Spielstation“ typischerweise<br />

damit einhergeht, dass der Betroffene die Einrichtung nicht<br />

kennt.<br />

Bereits die Wertung des Art. 12 Abs. 1 GG gebietet es,<br />

an berufsausübungseinschränkende Regelungen - wie § 9<br />

Abs. 2 SpielV - insofern strenge Maßregeln anzulegen, als<br />

Einschränkungen einerseits hinreichend klar und andererseits<br />

durch das Gemeininteresse gerechtfertigt sein müssen.<br />

Auch die die Spielverordnung legitimierende gesetzliche<br />

Ermächtigungsgrundlage - § 33 f Abs. 1 Nr, 1 GewO<br />

- verdeutlicht, dass der Verordnungsgeber Regelungen im<br />

58 ZfWG feBruAr 2008<br />

Zusammenhang mit dem Spielbetrieb treffen darf, nicht<br />

hingegen ein Werbeverbot für Spielhallen. Für eine derartige<br />

erweiternde Auslegung ist vor dem Hintergrund des Art. 12<br />

Abs. I GG sowie in Subsumtion des § 33 f GewO kein Raum.<br />

Der Gesetzgeber hat es auch unterlassen, diesbezüglich<br />

Einschränkungen zu legitimieren.<br />

Zwar liegt es nahe, dass der ausgelobte Test-Coupon über 10 €<br />

auch diejenigen profitieren lässt, die einerseits Leser des " [...]<br />

Wochenblatts“ sind bzw. wären und den Coupon verwenden,<br />

obwohl sie bereits in der „Spielstation“ gespielt hatten und<br />

damit möglicherweise der Anwendungsbereich des § 9 Abs.<br />

2 SpielV eröffnet wäre (vgl. Entscheidung des erkennenden<br />

Gerichts vom 16.5.2007, Az. M 16 S 07.1783). Anders etwa als<br />

in dieser Entscheidung und der vom Klagerbevollmächtigten<br />

schriftsätzlich geschilderten beispielhaften Situation (BI. 41<br />

Gerichtsakte) zielt das Anbieten von Test-Coupons nicht<br />

primär auf die „Spieler“ der Spielstation ab. Einerseits<br />

dürfte nach der allgemeinen Lebenserfahrung lediglich ein<br />

zu vernachlässigender Anteil der Leser des landkreisweit<br />

vertriebenen "[...]Wochenblatts“ gleichzeitig auch bereits<br />

Kunde der „Spielstation“ in [...] mithin einer am äußeren östlichen<br />

Rand des Landkreises Freising gelegenen Einrichtung,<br />

sein. Diesen Kreis von Adressaten des Test-Coupons zu<br />

einem erneuten Besuch der Spielhalle - somit mittelbar<br />

zum "Weiterspielen“ - anzusprechen und zu animieren,<br />

dürfte vor dem Hintergrund des beschriebenen Gesamt-<br />

Adressatenkreises der Anzeige bzw. weiterer derartiger<br />

Anzeigen nachrangig, jedenfalls nicht deren Zweck sein.<br />

Selbst der Bezug auf diesen prozentual geringen Anteil von<br />

Adressaten der Anzeige, die bereits Kunden der Spielstation<br />

sind oder waren, rechtfertigt materiell-rechtlich nicht die<br />

verfügte Auflage. Natürlich wäre es theoretisch möglich,<br />

den Kreis dieser Adressaten von der Vergünstigung des Test-<br />

Coupons von vornherein auszuschließen, um für eine von<br />

der Spielverordnung bezweckte eindeutige Abgrenzung zu<br />

sorgen. Aber auch ohne diese Abgrenzung steht die gewährte<br />

Vergunstigung in Form eines Test-Coupons nicht in unmittelbarem<br />

Zusammenhang mit dem Weiterspielen. Letzteres<br />

kann bloß dann angenommen werden, wenn ein bereits in der<br />

Spielhalle befindlicher „Spieler“ einen derartigen Test-Coupon<br />

etwa in der Spielhalle bekäme, um ihn zum Weiterspielen zu<br />

benutzen. Anders stellt es sich mit der Zeitungsannonce<br />

dar. Ein - bisheriger - Kunde der „Spielstation“ dürfte beim<br />

Zeitunglesen zumindest nicht unmittelbar „Spieler“ sein, so<br />

dass eine Animation zum Weiterspielen allenfalls mittelbar<br />

besteht. Das erkennende Gericht bezweifelt, ob eine weitreichendere<br />

Auslegung des Spielerbegriffs in § 9 Abs. 2 SpielV<br />

den Bestimmtheitserfordernissen einer Einschränkung des<br />

Grundrechtes aus Art. 12 Abs. 1 GG genügen kann. Jedenfalfs<br />

aber ist die Zweckrichtung des Test-Coupons - wie dargestellt<br />

- eine andere, nämlich den Kundenkreis zu erweitern, nicht<br />

bisherige Kunden unmittelbar zum Weiterspielen zu animieren.<br />

Eine gezielte Ausgabe von Gutscheinen an Spieler,<br />

die - wie auch der Klagebevollmächtigte einräumt - gegen<br />

§ 9 Abs. 2 SpielV verstoßen wurde, liegt gerade nicht vor.<br />

Hierfür fehlt es an der Spielbezogenheit der Vergünstigung.<br />

Für die Beurteilung, ob ein „jedermann“ als Zeitungsleser


Verwaltungsgericht München, Urteil vom 23.10.2007<br />

auch ,,Spieler“ ist, kommt es nach Dafürhalten der erkennenden<br />

Kammer auf den Moment des Inkontakttretens mit<br />

der Begünstigung, hier der Anzeige an, typischerweise somit<br />

auf Konstellationen außerhalb der Spielhalle. Ob ein derartiger<br />

Anzeigenadressat dann später zum ,,Spieler“ mutiert,<br />

muss für die rechtliche Beurteilung unerheblich bleiben. Die<br />

von der Beklagtenseite konstatierte ,,Paradoxie“ vermag das<br />

Gericht unter den vorgenannten Prämissen nicht zu erkennen,<br />

jedenfalls wäre sie allenfalls durch erneute Klarstellung durch<br />

den Gesetzgeber zu vermeiden. Gleiches gilt im Übrigen<br />

für den von Beklagtenseite vorgenommenen ,,Erst-Recht-<br />

Schluss“, aus der Verordnungsintention, Spieler davon abzuhalten,<br />

sich unnötig lange zum Spielen an einem Spielgerät<br />

verleiten zu lassen, auf das - grundsätzliche - Verbot von<br />

,,Lockangeboten“ zu schließen.<br />

Das erkennende Gericht sieht seine Rechtsauffassung bestätigt<br />

durch die Rechtsauffassung des OLG Oldenburg, vom<br />

16. November 2006 (Az. 1 U 72/06) und des LG Paderborn<br />

(v. 20.3.2007, Az. 7 O 11/07) in wettbewerbsrechtlichen<br />

Streitigkeiten, wonach (so OLG Oldenburg) durch § 9 Abs.<br />

2 SpielV der „Spieler“ geschützt werden solle, und zwar vor<br />

Vergünstigungen bei der Betätigung von Spielgeräten, wohingegen<br />

die - dort - in Rede stehende Gutscheinwerbung sich<br />

an Zeitungsleser richte und nur den ersten „Einstieg“ ermögliche.<br />

Es bleibe dann nämlich dem Kunden selbst überlassen,<br />

ob er weiterspiele oder nicht. Es verstoße (so LG Paderbom)<br />

nicht gegen § 9 SpielV, Coupons in Höhe von 10 € außerhalb<br />

der Spielhalle zu verteilen, also insbesondere nicht dort<br />

bereits aktive Spieler mit den Coupons dazu zu animieren,<br />

weiterzumachen.<br />

Wie dargelegt, verbietet sich nach Überzeugung des erkennenden<br />

Gerichts eine weitergehende umfassende Auslegung der<br />

Spielverordnung vor dem Hintergrund des Art. 12 Abs. 1 GG<br />

sowie der Ermächtigungsgrundlage des § 33 i GewO. Für den<br />

vorliegenden Fall ist es nicht streitentscheidend und bedarf<br />

keines Eingehens, ob ab einer gewissen Höhe der Einstiegs-<br />

Coupons im Hinblick auf Animation bisheriger Kunden<br />

zum fortgesetzten Spiel eine nur mittelbare Begünstigung<br />

rechtsprechung<br />

,,umschlägt“ in eine spielbezogene Vergünstigung. Bei 10 € ist<br />

dies nach Dafürhalten des Gerichts jedoch nicht der Fall.<br />

Offen bleiben kann es daher auch, ob die Gewährung unentgeltlicher<br />

Spiele an sich vom Wortlaut des § 9 Abs. 2 SpielV<br />

gedeckt ist oder nicht.<br />

Schließlich verbietet sich nach der ausdrücklichen Begründung<br />

des Widerspruchsbescheids der Regierung von Oberbayern<br />

vom 5. April 2007 (Bl. 42 der Widerspruchsakte) eine gegebenenfalls<br />

vorzunehmende Umdeutung der verfügten Auflage<br />

in eine solche der Normkonkretisierung des § 9 Abs. I SpielV<br />

(wie ursprünglich vom LRA Freising vorgenommen), da dies<br />

einerseits der erkennbaren Absicht der erlassenden Behörde<br />

(nämlich der Widerspruchsbehörde) widerspräche, Art. 47<br />

Abs. 2 Satz I BayVwVfG. Die Regierung von Oberbayern<br />

hat sich ausdrücklich der Ansicht des Klagebevollmächtigten<br />

angeschlossen, § 9 Abs. 1 SpieIV könne als Grundlage des<br />

Verbots der Test-Coupons gerade nicht herangezogen werden.<br />

Andererseits bezieht sich das Gericht zu den inhaltlichen<br />

Voraussetzungen und der inhaltlichen Reichweite dieser<br />

Vorschrift auf die Ausführungen im Eilverfahren M 16 S<br />

06.1579 sowie die Entscheidungsgründe der am selben Tage mit<br />

der vorliegenden Sache entschiedenen Verwaltungsstreitsache<br />

M 16 K 07.2726. Die dortigen Tatbestandsvoraussetzungen<br />

liegen nicht vor.<br />

Der Klage war daher unter der Kostenfolge des § 154 Abs. 1, §<br />

162 Abs. 2 VwGO stattzugeben; der rechtswidrige Bescheid des<br />

Beklagten in maßgeblicher Gestalt des Widerspruchsbescheids<br />

war daher aufzuheben. Die Zuziehung des Bevollmächtigten<br />

im Vorverfahren war angesichts der strittigen Rechtslage<br />

notwendig.<br />

[...]<br />

Mitgeteilt von RA Dr. Hans-Jörg Odenthal, Köln<br />

verwAltungsgericht München<br />

urteil voM 23.10.2007 – M 16 k 07.2726 –<br />

Das Bonus- und Informationssystem Fun Dome I<br />

und Fun Dome II ist in Spielhallen erlaubt. Die<br />

bei Einlösung gesammelter Bonuspunkte gewährte<br />

Barzahlung stellt keine verbotene Zahlung dar.<br />

(Anm.d.Red.)<br />

Aus dem Tatbestand:<br />

Die Klägerin betreibt in ihren Spielhallen ,,Fun Dome I“ und<br />

,,Fun Dome Il“ in [...] ein Bonus- und Informationssystem<br />

(BIS). Dieses Bonus- und Informationssystem gewährt dem<br />

Spieler in Form einer Rückvergütung in Höhe von 0,5 bzw. 0,9<br />

Cent einen Rabatt auf den Einsatz an den Geldspielgeräten.<br />

Dieser Rabatt ist für jedes einzelne Spiel gleich hoch. Die<br />

Höhe des Rabatts steigt nicht mit zunehmender Anzahl von<br />

Spielen an. Der Rabatt kann jederzeit, auch schon nach dem<br />

ersten Spiel, in Anspruch genommen werden.<br />

Nach vorheriger Anhörung erließ das Landratsamt [...] am 28.<br />

November 2006 den streitgegenständlichen Bescheid, in dem<br />

der Klägerin aufgegegeben wurde, das verwendete Bonus- und<br />

Informationssystem in den Spielhallen Fun Dome I und Fun<br />

Dome II bis spätestens 7. Dezember 2006 stillzulegen und<br />

bis spätestens 15. Dezember 2006 abzubauen (Nr. 1 und Nr.<br />

feBruAr 2008 ZfWG 59


echtsprechung Verwaltungsgericht München, Urteil vom 23.10.2007<br />

2 des Bescheids). Für den Fall der Zuwiderhandlung gegen<br />

die Stilllegungsanordnung und die Entfernungsanordnung<br />

in Nr. I bzw. Nr. 2 des Bescheids wurde ein Zwangsgeld von<br />

jeweils 1.000 € zur Zahlung fällig gestellt (Nr. 3 und Nr. 4 des<br />

Bescheids).<br />

Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass das verwendete<br />

Bonus- und Informationssystem gegen § 9 Abs. 2<br />

Spielverordnung (SpielV) verstoße. Die bei Einlösung gesammelter<br />

Bonuspunkte gewährte Barzahlung stelle eine verbotene<br />

Zahlung dar. So seien bereits nach dem Wortlaut des § 9<br />

Abs. 2 SpieIV sonstige Gewinnchancen und Zahlungen sowie<br />

sonstige finanzielle Vergünstigungen verboten. In diesem<br />

Zusammenhang wurde auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts<br />

mit Urteil vom 23. November 2005,<br />

Az.: 6 C 8.05, und den Beschluss des Verwaltungsgerichts<br />

Hamburg vom 22. August 2006, Az.: 2 E 2388/06, verwiesen.<br />

Die Regelung des § 9 Abs. 2 SpielV solle dem Spielerschutz<br />

dienen, namentlich der Eindämmung des Spieltriebs. Das<br />

Landratsamt könne als Sicherheitsbehörde zur Erfüllung seiner<br />

Aufgaben Anordnungen für den Einzelfall treffen, um rechtswidrige<br />

Taten, die den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit<br />

verwirklichen würden, zu verhüten oder unterbinden (Art. 7<br />

Abs. 2 Nr. I Landesstraf- und Verordnungsgesetz - LStVG -).<br />

Der Verstoß gegen § 9 Abs. 2 SpieIV stelle nach § 19 Abs. 1<br />

Nr. 8 a SpielV eine Ordnungswidrigkeit dar. Die rechtlichen<br />

Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 2 LStVG seien daher erfüllt,<br />

um bevorstehende Gefahren für die öffentliche Sicherheit<br />

und Ordnung abzuwehren oder Störungen der öffentlichen<br />

Sicherheit und Ordnung zu beseitigen.<br />

[...]<br />

Zur Begründung des Klagebegehrens wurde schriftsätzlich<br />

im wesentlichen ausgeführt, dass sich die Zulässigkeit des<br />

verwendeten Bonus- und Rabattsystems nicht nach § 9 Abs.<br />

2 SpielV, sondern nach der speziellen Regelung in § 9 Abs. 1<br />

Satz 1 SpielV beurteile. Der vorliegende Nachlass sei unbedenklich,<br />

weil er nicht davon abhänge, dass der Spieler „weitere<br />

Spiele“ tätige. Eine derart weite Auslegung des § 9 Abs. 2<br />

SpieIV mit dem Ergebnis, dass § 9 Abs. 1 Satz 1 SpielV vom<br />

Regelungsgehalt schlicht überflussig werde, sei abzulehnen. § 9<br />

Abs. 1 SpielV beinhalte kein pauschales Vergünstigungsverbot.<br />

Das pauschale Argument, dass ein solcher Nachlass wie im<br />

vorliegenden Rabattsystem zu übermäßigem Spielen verleite<br />

und daher vom Verordnungsgeber zu unterbinden gedacht sei,<br />

sei nicht richtig. Die Rabattgewährung verfolge keinen anderen<br />

Zweck als den, sich im Wettbewerb von Mitbewerbern<br />

abzugrenzen. Der Kunde, der an einem Geldspielgerät spielen<br />

wolle, solle unter dem Angebot verschiedener Spielhallen<br />

gezielt das der Klägerin auswählen, weil er hier einen Rabatt<br />

erhalte. Der vom TÜV abgenommene Spielverlauf sowie das<br />

Spielsystem würden durch das Rabattsystem nicht beeinflusst.<br />

Es läge kein Eingriff in die Bauartzulassung vor. Es handle<br />

sich vielmehr um eine Unterschreitung des Einsatzes außerhalb<br />

der Bauart des Geräts. § 13 Abs. 1 Nr. 1 SpielV schreibe<br />

lediglich einen Höchsteinsatz vor, eine Unterschreitung sei<br />

materiell-rechtlich zulässig. In § 9 Abs. 1 Satz 1 SpielV werde<br />

der Begriff der Vergünstigung durch den Insbesondere-Zusatz<br />

60 ZfWG feBruAr 2008<br />

dahin erläutert, dass damit „unentgeltliche Spiele, Nachlässe<br />

des Einsatzes oder auf den Einsatz“ gemeint seien, demgegenüber<br />

in § 9 Abs. 2 SpielV die Gewährung finanzieller<br />

Vergünstigungen in den Zusammenhang mit Gewinnen<br />

und sonstigen Gewinnchancen gestellt. Die Systematik des<br />

Gesetzes spreche dafür, dass die Vorschriften unterschiedliche<br />

Sachverhalte regelten. Die Gegenmeinung müsse demgegenüber<br />

einräumen, dass bei ihrem Verständnis des § 9<br />

Abs. 2 SpielV die Vorschrift des § 9 Abs. 1 Satz 1 SpielV<br />

schlicht überflüssig sei, was einen Systembruch darstelle. Es<br />

könne ausgeschlossen werden, dass der Verordnungsgeber bei<br />

Einführung des neuen § 9 Abs. 2 SpielV die bereits bestehende<br />

Altregelung im jetzigen § 9 Abs. 1 Satz 1 SpielV übersehen<br />

habe, da er mit Einführung des § 9 Abs. 2 nämlich auch die<br />

Altregelung geändert habe. Eine undifferenziert weite<br />

Auslegung des § 9 Abs. 2 SpielV habe - im Einzelnen<br />

aufgezeigte - Konsequenzen, die nicht gewollt sein könnten. §<br />

9 Abs. 2 SpielV verbiete es nicht, den Einsatz bei Spielgeräten<br />

mit und ohne Gewinnmöglichkeiten zu gestalten. Bezogen<br />

auf den Einsatz enthalte nämlich § 9 Abs. 1 Satz 1 SpielV<br />

eine Spezialregelung, die ausschließlich für Spielgeräte mit<br />

Gewinnmöglichkeit gelte und hier Nachlässe auf den Einsatz<br />

nur dann verbiete, wenn diese für ,,weitere Spiele“ gewährt<br />

werde, also vom Erreichen einer bestimmten Mindestanzahl<br />

von Spielen oder einer Mindestspieldauer abhängig gemacht<br />

werde. Diese Abhängigkeit sei bei dem vorliegenden Bonus-<br />

und Informationssystem nicht gegeben.<br />

[...]<br />

Aus den Entscheidungsgründen:<br />

Die zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid des<br />

Landratsamtes [...] vom 28. November 2006 in Gestalt des<br />

Widerspruchsbescheids der Regierung von Oberbayern vom<br />

30. Juli 2007 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin demnach<br />

in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz I VwGO).<br />

Das Gericht bezieht sich auf seine rechtlichen Erwägungen<br />

im Eilverfahren M 16 S 06.4578 sowie in der parallel<br />

zu der vorliegenden Verwaltungsstreitsache entschiedenen<br />

Rechtsstreitigkeit, Az. M 16 K 07.1149, und sieht auch nach<br />

Abhaltung des Augenscheinstermins sowie der mündlichen<br />

Verhandlung, sowie in Kenntnis der mittlerweile zu § 9<br />

SpielV ergangenen Rechtsprechung keine Veranlassung, von<br />

diesen Erwägungen Abstand zu nehmen. Sie haben sich im<br />

Gegenteil bestätigt:<br />

1. Der Augenschein in die von der Klägerin betriebenen<br />

Spielhallen hat hinreichend deutlich veranschaulicht, dass<br />

das streitgegenstandliche Bonus- und lnformationssystem in<br />

seiner konkreten Ausgestaltung, wie sie die Niederschrift des<br />

Augenscheins beschreibt, nach Überzeugung des Gerichts<br />

nicht geeignet ist, den Spieltrieb zu steigern. Auch bei<br />

Erhöhung der einzelnen Bonierung auf 0,9 Cent - wie<br />

von dem Klägervertreter vorgetragen - stellt dies weder<br />

eine Vergünstigung oder einen Nachlass noch eine sonstige<br />

Gewinnchance bzw. sonstige finanzielle Vergünstigung<br />

im Sinne des § 9 Abs. 2 SpielV dar. Der immer gleichhohe


Verwaltungsgericht München, Urteil vom 23.10.2007<br />

Nachlass führt in seiner Summierung lediglich dazu, dass der<br />

Begünstigte die dann gesammelten Punkte beim Verlassen<br />

der Spielhalle ausbezahlt bekommt bzw. in Speisen umsetzt,<br />

was sich nach Feststellung des erkennenden Gerichts nicht als<br />

eine spielbezogene Vergünstigung darstellt, sondern einer der<br />

Kundenbindung dienenden „Payback-Karte“ gleichkommt.<br />

Durch die konkrete Ausgestaltung verhindert die Klägerin<br />

gerade die - spielbezogene - unmittelbare Möglichkeit des<br />

Einsatzes der gewonnenen Punkte zum Weiterspielen.<br />

Gerade die in dem vorzitierten Eilverfahren geäußerten<br />

Bedenken, ob das Bonus-und Informationssystem tatsächlich<br />

geeignet ist, dem Verordnungszweck des Verleitens zum<br />

weiteren Spielen zu widersprechen, hat die konkrete In-<br />

Augenscheinnahme des Systems bestätigt. Bei der vorgefundenen<br />

konkreten Ausgestaltung des Systems erscheint es dem<br />

Gericht tatsächlich ausgeschlossen, dass die Anreizwirkung<br />

zum Weiterspielen zumindest in der hierfür erforderlichen<br />

Wahrscheinfichkeit besteht; das System dient - wie von dem<br />

Bevollmächtigten der Klagepartei zutreffend ausgeführt -<br />

lediglich der Kundenbindung an die betriebene Spielhalle.<br />

Gerade wenn ein Spieler, der sich durch das Betätigen der<br />

Spielgeräte über das Bonussystem entsprechende Punkte<br />

„verdient“ hat, muss er doch, um dies für das Weiterspielen<br />

nutzen zu können, zunächst das Spiel unterbrechen, sich an<br />

einen Mitarbeiter des Spielsalons wenden um die Auszahlung<br />

zu veranlassen (entschließt er sich dazu, die Punkte in Speisen<br />

umzusetzen, besteht die Gefahr des Weiterspielens ohnehin<br />

nicht). Im Anschluss muss er aus eigenem Entschluss zu<br />

dem Spielgerät zurückkehren. In dieser Konstellation vermag<br />

das Gericht eine Unmittelbarkeit des Weiterspielens durch<br />

die vorgenommene Bonierung nicht zu erkennen; vielmehr<br />

muss es der Entscheidungsfreiheit des Spielers obliegen, in<br />

welchem Rahmen er die Punkte aus dem Bonussystem weiter<br />

verwendet. Durch die örtliche Trennung der Spielgeräte von<br />

der Theke, an der die Auszahlung veranlasst werden kann,<br />

sorgt die Klagepartei gerade dafür, dass es zu einem unmittelbaren<br />

Weiterspiel gar nicht kommen kann. Soweit ein Spieler<br />

dennoch entschlossen sein sollte, das ausbezahlte Geld weiter<br />

zum Spielen zu verwenden, so kann dies nicht anders bewertet<br />

werden, als - was zumindest auch räumlich zutrifft - er die<br />

Spielhalle erstmals bzw. neu betritt.<br />

2. Durch ausdrückliche Inbezugnahme des § 19 Abs. I Nr. 8<br />

a SpielV in die nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 BayLStVG erlassene<br />

Ordnungsverfügung hat der Beklagte das beanstandete Bonus-<br />

und Informationssystem der Klägerin erklärtermaßen unter<br />

§ 9 Abs. 2 SpielV subsumiert. Die rechtliche Prüfung und die<br />

Erörterung in der mündlichen Verhandlung hat die Zweifel<br />

der Kammer, die im vorzitierten Eilbeschluss geäußert wurden,<br />

bestätigt, wonach eine klare inhaltliche Abgrenzung zu §<br />

9 Abs. 1 Satz 1 SpielV geboten ist (vgl. bereits § 3 OWiG). Das<br />

Gericht folgt ausdrücklich der im Einzelnen belegten rechtlichen<br />

Bewertung des Klägerbevollmächtigten, wonach es bei<br />

Zugrundelegung aller Auslegungsregeln auszuschließen ist,<br />

dass der Gesetzgeber bei § 9 Abs. 2 SpielV trotz ausdrücklicher<br />

Änderung im Wortlaut des jetzigen § 9 Abs. 1 Satz 1 SpielV<br />

diese Vorschrift in ihrem Anwendungsbereich habe erübrigen<br />

wollen bzw. dürfen. Auf die diesbezüglichen Ausführungen<br />

rechtsprechung<br />

des Bevollmächtigten in dessen Schriftsatz vom 11. Juli 2007<br />

(BL 7 ff. der Gerichtsakte) wird Bezug genommen.<br />

Da § 9 Abs. 2 SpielV als ,,allumfassende Auffangnorm“ des<br />

Verbots jedweder Vergünstigung im Zusammenhang mit<br />

dem Spielbetrieb ausscheidet, fehlt dem streitgegenständlichen<br />

Bescheid vom 28. November 2006 bereits die die<br />

Maßnahme tragende Rechtsgrundlage. Eine Umdeutung<br />

in eine Verbotsverfügung nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG<br />

i.V.m. § 19 Abs. 1 Nr. 8, § 9 Abs. 1 Satz I SpielV scheidet<br />

aus, da zumindest die Regierung von Oberbayern ausweislich<br />

der Begründung des Widerspruchsbescheids (BI. 20 der<br />

Widerspruchsakte) den Anwendungsbereich von § 9 Abs. 1<br />

Satz 1 SpielV ausdrücklich ausgeschlossen hat. Hinzu käme,<br />

dass wegen des Gebots der hinreichenden Bestimmtheit der<br />

Verfügung (Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG) und des gesetzlichen<br />

Bestimmtheitserfordernisses eines Ordnungswidrigkeitentatbestandes<br />

(§ 3 OWiG, § 144 Abs. 2 Nr. I GewO) eine derartige<br />

Umdeutung auszuschließen sein dürfte (vgl. zu den<br />

Erfordernissen der Umdeutung von Ermessensentscheidungen<br />

im Übrigen: Kopp/Ramsauer, VwVfG, RdNr. 30 zu § 47).<br />

3. Darüber hinaus entspricht nach Überzeugung des<br />

Gerichts lediglich eine am Wortlaut der Vorschrift orientierte<br />

Auslegung den strikten Erfordernissen der Einschränkung<br />

der Berufsausübungsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG, was<br />

bedeutet, dass eine Auslegung des § 9 Abs. 2 SpielV auf die<br />

Gestaltung des Spieleinsatzes als fraglich erscheint, als die<br />

Vorschrift ,,gewinnorientiert“ formuliert ist, was bedeutet,<br />

dass lediglich - was letztlich auch die gesetzliche Zielrichtung<br />

der unerwünschten Steigerung des Spieltriebs verdeutlicht -<br />

all dasjenige untersagt werden sollte, was bei dem Spieler den<br />

Eindruck erweckt, er könne seine Gewinnchancen steigern<br />

bzw. maximieren.<br />

Dies ist bei dem mittels des Bonus- bzw. lnformationssystems<br />

gewährten Punktesammeln jedoch weder tatsächlich<br />

der Fall noch gebietet die seit Erlass der Eilentscheidung<br />

zu § 9 Abs. 1 Satz 1 bzw. § 9 Abs. 2 SpielV ergangene<br />

Rechtsprechung eine andere rechtliche Beurteilung. So<br />

hat das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-<br />

Westfalen in dessen Entscheidung vom 18. Januar 2007<br />

(Az. 4 B 1191/06) darauf verwiesen, dass § 9 Abs. 1 Satz 1<br />

SpieIV eine abschließende Regelung enthalte, soweit es um<br />

die Gewährung von Vergünstigungen hinsichtlich der Höhe<br />

der Einsätze gehe. Es bleibe somit weiterhin dabei, dass<br />

Vergünstigungen hinsichtlich der Höhe der Einsätze nur für<br />

„weitere Spiele“, nicht aber beim ersten Spiel verboten seien.<br />

Solle diese Regelung nicht den Sinn verlieren, wofür keine<br />

Anhaltspunkte bestünden, so könne sich § 9 Abs. 2 SpielV<br />

nur mit Zulässigkeit von Vergünstigungen an Spieler oder<br />

potentielie Spieler befassen. Vor diesem Hintergrund sei das<br />

- dortige - Bonussystem unter § 9 Abs. I Satz 1 SpieIV zu<br />

subsumieren. Es würden für Folgespiele Vergünstigungen hinsichtlich<br />

der Höhe der Einsätze, dort nämlich 1 Cent je Spiel,<br />

gewährt. Zwar könne sich der Spieler diesen Betrag erst nach<br />

Beendigung des Spiels auszahlen lassen; bei der gebotenen<br />

wirtschaftlichen Betrachtungsweise erhalte er für Folgespiele<br />

aber schon zugleich mit dem Einsatz auch den Nachlass von 1<br />

feBruAr 2008 ZfWG 61


echtsprechung VG Weimar, Beschluss vom 19.10.2007<br />

Cent, da ihm diese Vergünstigung schon bei Beginn des Spiels<br />

sicher sei. Die von der - dortigen - Antragspartei vertretene<br />

Auffassung, Nachlässe, die unabhängig von der lnanspruchnahme<br />

weiterer Spiele gewährt würden, seien nicht verboten,<br />

könne schon im Wortlaut der Norm keine Stütze finden.<br />

Wie dargelegt, ist das erkennende Gericht der Auffassung,<br />

dass es entgegen der soeben zitierten Entscheidung des<br />

Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen der<br />

,,Spielbezogenheit“ der Vergünstigung bedarf, damit das<br />

Verbot des Verordnungsgebers greift. Dies ist vorliegend<br />

nicht der Fall, als sich die vorgenommene Bonierung weder<br />

unmittelbar auf den Anreiz zum Weiterspielen bezieht noch<br />

gewinnabhängig ist. Auch wenn es unter dem legitimen<br />

Zweck der Eindämmung des Spieltriebs wünschenswert sein<br />

mag, derartige Bonierungen einem Verbot zu unterziehen,<br />

müssen sich bereits unter dem Gesichtspunkt des At 12 Abs.<br />

1 GG unklare Formulierungen des Verordnungsgebers zu<br />

Gunsten der Klagepartei auswirken.<br />

Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-<br />

Westfalen hat in seiner Entscheidung vom 2. März 2007 (Az.<br />

4 B 2758/06) unter Bezugnahme auf die Entscheidung des<br />

Bundesverwaltungsgerichts in dessen Urteil vom 23. November<br />

2005 (Az. 6 C 8.05) sowie der eigenen Entscheidung<br />

vom 18. Dezember 2006 (Az. 4 B 1019/06) festgestellt, dass<br />

§ 9 Abs. 2 SpieIV in der Auslegung der zuletzt genannten<br />

Entscheidung nicht gegen Art. 12 Abs. 1 GG verstoße.<br />

Das Hamburgische Oberverwaltungsgericht hat in dessen<br />

Entscheidung vom 18. Januar 2007 (Az. 1 Bs 281106) ausgeführt,<br />

dass § 9 Abs. 2 SpieIV einen Auffangtatbestand für die<br />

von § 9 Abs. 1 SpielV nicht erfassten Umgehungsmöglichkeiten<br />

der mit der Bauartzulassung festgeschriebenen Gewinn-<br />

und Verlustmöglichkeiten von Geldspielgeräten enthalte.<br />

Während Abs. I sich noch auf eine Reihe von konkret<br />

benannten Leistungen beziehe, die für weitere Spiele nicht<br />

gewährt werden dürften, regle Abs. 2 in generell-abstrakter<br />

Weise, dass neben der Ausgabe von Gewinnen über zugelassene<br />

Spielgeräte selbst keine sonstigen Gewinnchancen<br />

eingeräumt und Zahlungen oder sonstige finanzielle<br />

Poker ist zufallsbezogen und somit ein Glücksspiel.<br />

Auch wenn die Eintrittsgelder bei einem Pokerturnier<br />

mit zur Deckung der anfallenden Kosten (z.B.<br />

Lokalmiete, Personal) verwendet werden, handelt es<br />

sich bei dem Eintrittsgeld um einen Einsatz iSd. § 284<br />

StGB, so dass ein strafbares Glücksspiel vorliegt.<br />

Ob die Veranstalter des Poker-Turniers einen wirtschaftlichen<br />

Gewinn machen, ist für die Einstufung<br />

als Glücksspiel unerheblich.<br />

(Anm.d.Red.)<br />

62 ZfWG feBruAr 2008<br />

Vergünstigungen gewahrt werden dürften. Damit sei bewusst<br />

ein Auffangtatbestand geschaffen worden, der nach seinem<br />

Regelungsgehalt die Falle des Abs. I mit umfasse, da die in<br />

Abs. 1 konkret benannten Tatbestände keine erschöpfende<br />

Regelung darstellten, was sich aus der Entstehungsgeschichte<br />

der Vorschrift erweise.<br />

Aus den vorgenannten Gründen vermag sich das erkennende<br />

Gericht diesen Auffassungen lediglich insofern anzuschließen,<br />

als eine grundsätzliche Konformität des § 9 SpielV als<br />

Berufsausübungsregelung grundsätzlich geeignet ist, dem<br />

Allgemeininteresse der Eindämmung der Betätigung des<br />

Spieltriebs zu dienen; soweit die einschränkende Regelung<br />

jedoch keine eindeutige Subsumtion erlaubt und soweit das<br />

Verhältnis des § 9 Abs. 1 und Abs. 2 SpielV zueinander lediglich<br />

als alternativ, nicht als kummulativ betrachtet werden kann,<br />

ist für den vorliegenden Fall von einer Rechtswidrigkeit der<br />

getroffenen Verfügung des Landratsamts Weilheim-Schongau<br />

auszugehen; wegen der Bezugnahme der Verfügung aus Art.<br />

7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG auf den jeweiligen Ordnungswidrigkeitentatbestand<br />

des § 19 Abs. 1 Nr. 8 a SpieIV verbleibt es<br />

bei den in der vorgenannten Eilentscheidung des erkennenden<br />

Gerichts getroffenen Erwägungen. Dem vorliegenden<br />

Bescheid fehlt es an einer Auseinandersetzung der angesprochenen<br />

Anwendungsbereiche und damit an einer hinreichenden<br />

Tatbestandssubsumtion.<br />

Aus den dargestellten tatsächlichen wie rechtlichen Gründen<br />

hat sich im vorliegenden Fall die summarische Prüfung<br />

des Eilverfahrens in dem vorliegenden Hauptsacheverfahren<br />

bestätigt.<br />

Der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten vom 28.<br />

November 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids der<br />

Regierung von Oberbayern vom 30. Juli 2007 war daher<br />

aufzuheben.<br />

verwAltungsgericht weiMAr<br />

Beschluss voM 19.10.2007 – 5 e 1520/07 –<br />

[...]<br />

Mitgeteilt von Dr. Hans-Jörg Odenthal, Köln<br />

Aus den Gründen:<br />

Der am 18. Oktober 2007 sinngemäß gestellte Antrag<br />

des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung seines<br />

am 18. Oktober 2007 bei dem Antragsgegner erhobenen<br />

Widerspruchs gegen die unter Anordnung des Sofortvollzugs<br />

verfügte Untersagung der Veranstaltung eines am 19. Oktober<br />

2007 zwischen 15:00 Uhr und 24:00 Uhr beabsichtigten<br />

Pokerturniers in der Gaststätte „(…)“ zu (…), (…), wiederherzustellen,<br />

ist gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 2. Alt. VwGO<br />

zulässig, in der Sache jedoch unbegründet.<br />

Die im angegriffenen Bescheid vom 17. Oktober 2007


VG Weimar, Beschluss vom 19.10.2007<br />

unter Ziff. 2 angeordnete sofortige Vollziehung der<br />

Untersagungsverfügung ist formell nicht zu beanstanden.<br />

Gem. § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist bei der Anordnung der<br />

sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO<br />

das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung schriftlich<br />

zu begründen.<br />

Die Antragsgegnerin hat diese Vorschrift beachtet. Die aus<br />

§ 80 Abs. 3 VwGO folgende Begründungspflicht fordert<br />

eine auf den Einzelfall abstellende Darlegung. Weitere<br />

Anforderungen folgen aus § 80 Abs. 3 VwGO nicht.<br />

Die vorliegend einander gegenüberstehenden Interessen der<br />

Allgemeinheit an einer sofortigen Vollziehung und die das<br />

Interesse des Antragstellers abwägende Begründung auf<br />

Seite 3 des Bescheids genügen diesen Anforderungen. Die<br />

Antragsgegnerin hat die sofortige Vollziehung mit dem<br />

Schutz der Spieler vor illegalem Glücksspiel und der damit<br />

verbundenen Gewinnerwartung als besonderes öffentliches<br />

Interesse begründet. Damit liegt eine auf den konkreten<br />

Einzelfall abgestellte, substantiierte und nicht lediglich formelhafte<br />

Begründung des besonderen Vollzugsinteresses vor.<br />

Der Antrag ist in der Sache jedoch nicht begründet.<br />

Für das Interesse des Betroffenen, einstweilen nicht dem<br />

Vollzug der behördlichen Maßnahmen ausgesetzt zu sein,<br />

sind zunächst die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache<br />

eingelegten Rechtsbehelfs von Belang. Ein überwiegendes<br />

Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden<br />

Wirkung ist in der Regel anzunehmen, wenn die<br />

im Eilverfahren allein mögliche und gebotene summarische<br />

Überprüfung zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung<br />

ergibt, dass der angefochtene Verwaltungsakt offensichtlich<br />

rechtswidrig ist.<br />

Denn an der Vollziehung eines ersichtlich rechtswidrigen<br />

Verwaltungsakts kann kein öffentliches Vollzugsinteresse<br />

bestehen. Ist der Verwaltungsakt dagegen offensichtlich rechtmäßig,<br />

so überwiegt regelmäßig das Vollzugsinteresse das<br />

Aussetzungsinteresse des Antragstellers.<br />

Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens offen, sind die<br />

sonstigen Interessen der Beteiligten gegeneinander abzuwägen<br />

und dem Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden<br />

Wirkung ist stattzugeben, wenn das öffentliche<br />

Vollzugsinteresse das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden<br />

Wirkung seines Widerspruchs nicht überwiegt.<br />

Nach diesen Grundsätzen überwiegt vorliegend das<br />

öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der<br />

Ordnungsverfügung das Interesse des Antragstellers, von der<br />

Untersagung der Veranstaltung des Pokerturniers bis zum<br />

Abschluss des Hauptsacheverfahrens verschont zu bleiben.<br />

Nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren allein möglichen<br />

summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage<br />

erweist sich die von der Antragsgegnerin mit Bescheid vom<br />

17. Oktober 2007 verfügte Untersagung des beabsichtigten<br />

Pokerturniers nämlich als rechtmäßig.<br />

rechtsprechung<br />

Nach Einschätzung des Gerichts ist das geplante Pokerturnier<br />

als unerlaubtes Glücksspiel anzusehen, sodass eine Untersagung<br />

der Veranstaltung nach § 5 des Thüringer Gesetzes über<br />

die Aufgaben und Befugnisse der Ordnungsbehörden (OBG)<br />

[vgl. ThürOVG, Beschluss v. 12. Dezember 2006, Az.: 3 EO<br />

663/06] i. V. m. § 284 StGB und § 2 des Gesetzes zu dem<br />

Staatsvertrag zum Lotteriewesen in Deutschland vom 22.<br />

Juni 2004 (GVBl. 1204, S. 214 ff) und § 5 Abs. 2 und 4 des<br />

Staatsvertrags zum Lotteriewesen in Deutschland rechtmäßig<br />

sein dürfte.<br />

Das geplante Pokerturnier ist zunächst als Glücksspiel im<br />

Sinne des § 3 Abs. 1 des Staatsvertrags zum Lotteriewesen in<br />

Deutschland anzusehen. Hierbei handelt es sich nämlich um<br />

ein Zufallsspiel, also ein Spiel, bei dem der Ausgang allein<br />

oder überwiegend vom Zufall abhängig ist (vgl. Dreher/<br />

Tröndle, StGB, 2007, § 284 Rn. 4).<br />

Zu einem illegalen Glücksspiel i.S.d. § 284 StGB werden<br />

Zufallsspiele aber nur dann, wenn um Geld oder Geldeswert<br />

gespielt wird, d.h. es muss einen Vermögenswert geben,<br />

der - zufallsbedingt - vom Spieler gewonnen werden kann<br />

(Gewinn, siehe § 3 Abs. 1 Satz 1 LottStV), und es muss ein<br />

Vermögenswert zu leisten sein, der notwendige Bedingung<br />

für die Teilnahme am Spiel ist und der je nach dem zufallsbedingten<br />

Ergebnis des Spiels ganz (oder teilweise) verloren<br />

sein kann (sog. Einsatz; vgl. insoweit auch § 3 Thüringer<br />

Spielbankordnung -„Spieleinsätze und Gewinne“ -, die für die<br />

in § 1 Abs. 1 Spielbankordnung aufgezählten Glücksspiele, wie<br />

Roulette oder Poker das Leisten eines „Einsatzes“notwendig<br />

voraussetzt).<br />

Unerheblich ist die Bezeichnung des Einsatzes, da ein Einsatz<br />

auch verdeckt als Turniergeld, Startgeld, Teilnahmegebühr,<br />

Eintrittsgeld, Verzehrkarte, Unkostenbeitrag, Mitgliedsbeitrag,<br />

Gutscheins-Gebühr, Gutscheinswert oder, wie vorliegend, als<br />

Spielbeitrag bzw. als Teilnahmegebühr geleistet werden kann<br />

(vgl. hierzu insbesondere auch VG München, Beschluss vom<br />

8. Mai 2007, M 22 S 07.900[2] - juris -).<br />

Es wurden vom Antragsteller auch keine Umstände glaubhaft<br />

gemacht, die dazu führen könnten, dass das Startgeld der<br />

beteiligten Teilnehmer hier nicht als Entgelt im Sinne des §<br />

3 Abs. 1 Staatsvertrag zum Lotteriewesen in Deutschland<br />

bezeichnet werden kann.<br />

Das Gericht geht auch nicht davon aus, dass durch das<br />

Startgeld hier nur ein Betrag gezahlt wird, der mit dem<br />

eigentlichen Spiel nichts zu tun hat (vgl. hierzu VG Cottbus,<br />

Beschluss vom 3. November 2006, 2 L 386/06[3], in dem<br />

davon ausgegangen wird, dass bei einer Pauschale von 15<br />

Euro pro Teilnehmer dieser Betrag nicht als Einsatz und<br />

somit das Spiel nicht als unerlaubtes Glücksspiel anzusehen<br />

ist), da auch dann, wenn durch die Teilnehmergebühren die<br />

Organisation des Turniers bezahlt wird, ein Entgelt für den<br />

Erwerb einer Gewinnchance verlangt wird und somit die<br />

Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Lotteriestaatsvertrag gegeben<br />

sind.<br />

feBruAr 2008 ZfWG 63


echtsprechung VG Chemnitz, Beschluss vom 09.01.2008<br />

Ob die Veranstalter mit der Durchführung des Turniers einen<br />

wirtschaftlichen Gewinn machen, ist für die Einstufung als<br />

Glücksspiel nach § 3 Abs. 1 Lotteriestaatsvertrag unerheblich<br />

(so auch VG München, Beschluss vom 8. Mai 2007, Az.: M<br />

22 S 07.900).<br />

Die Entrichtung des Startgeldes erfolgt auch für den<br />

Erwerb einer Gewinnchance. Nach der Ankündigung des<br />

Antragstellers in seinem Antrag vom 2. Oktober 2007 ergibt<br />

sich, dass die Gewinnmöglichkeiten bzw. Preise einen erheblich<br />

höheren Wert haben, als die entrichteten Startgelder.<br />

Die Untersagungsverfügung begegnet auch in Hinblick auf<br />

die in Art. 12 Abs. 1 GG garantierte Berufsausübungsfreiheit<br />

und das Verhältnismäßigkeitsprinzip keinen Bedenken.<br />

Glücksspiele der genannten Art (insbesondere Roulette, Black<br />

Jack, Poker) dürfen im Freistaat Thüringen nur in staatlich konzessionierten<br />

Spielbanken durchgeführt werden (staatliches<br />

Spielbankenmonopol, siehe § 1 Thüringer Spielbankgesetz<br />

- ThürSpbkG -; § 1 Nr. 1 Thüringer Spielbankordnung -<br />

ThürSpbkO -).<br />

Außerhalb dieser Spielstätten ist die Veranstaltung dieser<br />

in § 1 Abs. 1 Nr. 1 ThürSpbkO aufgezählten Spiele demnach<br />

jedermann kraft Gesetzes verboten, und zwar generell<br />

ohne Ausnahmemöglichkeit und in jeglicher, im konkreten<br />

Fall angewandter Ausgestaltung (Reglement, Spielplan,<br />

Teilnahmeregel).<br />

Die gesetzlichen Beschränkungen dienen in erster Linie der<br />

Private Sportwetten in Deutschland sind verboten.<br />

Die Regelungen des zum 01.01.2008 in Kraft getretene<br />

Glücksspiel-Staatsvertrages (GlüStV) sind mit<br />

dem nationalen Verfassungsrecht und dem EU-Recht<br />

vereinbar.<br />

(Anm.d.Red.)<br />

Aus den Gründen:<br />

I.<br />

Die Antragstellerin begehrt vorläufigen Rechtsschutz<br />

gegen einen für sofort vollziehbar erklärten Bescheid des<br />

Regierungspräsidiums Chemnitz, aufgrund dessen der<br />

Antragstellerin die Geschäftstätigkeit der Vermittlung von<br />

Sportwetten untersagt worden ist.<br />

Die Antragstellerin betreibt in [...] ein Internet-Cafe. Unter<br />

dem 29.03.2007 zeigte sie an, dass sie als neues Gewerbe die<br />

Vermittlung von Sportwetten betreiben wolle. Die Stadt [...]<br />

wies diese Gewerbeanzeige unter dem 16.04.2007 zurück, weil<br />

ein unerlaubtes Glücksspiel nicht durch eine Gewerbeanzeige<br />

legalisiert werden könne.<br />

64 ZfWG feBruAr 2008<br />

Abwehr von Gefahren für die Bevölkerung, die sich aus der<br />

Ausnutzung der Spielleidenschaft ergeben können. Dabei<br />

soll der Umstand genutzt werden, dass gegenüber staatlichen<br />

Betrieben umfangreichere und intensivere Informations-,<br />

Kontroll- und Einwirkungsmöglichkeiten bestehen als gegenüber<br />

privaten Unternehmen.<br />

Die Bekämpfung von Spiel- und Wettsucht, der Schutz der<br />

Spieler vor betrügerischen Machenschaften und ein weitergehender<br />

Verbraucherschutz sowie die Abwehr von Gefahren<br />

aus mit dem Spiel verbundener Folge- und Begleitkriminalität<br />

sind besonders bedeutsame Gemeinwohlziele, die eine<br />

Beschränkung der Berufsfreiheit grundsätzlich rechtfertigen<br />

können.<br />

In seiner gegenwärtigen rechtlichen und tatsächlichen<br />

Ausgestaltung wahrt das in Thüringen errichtete staatliche<br />

Spielbankenmonopol auch das Gebot der Verhältnismäßigkeit,<br />

da es konsequent auf das Ziel der Bekämpfung von Spielsucht<br />

und problematischem Spielverhalten ausgerichtet ist (vgl.<br />

ThürOVG, Beschluss v. 12. Dezember 2006, Az.: 3 EO<br />

663/06).<br />

Das gegen den behördlichen Sofortvollzug der angefochtenen<br />

Untersagungsverfügung der Antragsgegnerin gerichtete<br />

Aussetzungsbegehren des Antragstellers ist nach alledem<br />

abzulehnen.<br />

[...]<br />

verwAltungsgericht cheMnitz<br />

Beschluss voM 09.01.2008 – 3 k 995/07 –<br />

Am selben Tag wurde bei einer Vor-Ort-Kontrolle festgestellt,<br />

dass die Antragstellerin Sportwetten der Firma [...] anbot. Der<br />

Wettanbieter beruft sich auf eine Wetterlaubnis des Staates<br />

Malta. Unter dem 13.06.2007 wies das Regierungspräsidium<br />

Chemnitz die Antragstellerin darauf hin, dass Sportwetten<br />

nicht vermittelt werden dürften und forderte sie auf, die<br />

Vermittlung illegaler Sportwetten einzustellen und dieses<br />

mitzuteilen.<br />

Mit Bescheid vom 23.07.2007 untersagte das Regierungspräsidium<br />

Chemnitz der Antragstellerin die Geschäftstätigkeit<br />

der Vermittlung von Sportwetten im gesamten Gebiet des<br />

Freistaates Sachsen und gab ihr auf, die Geschäftstätigkeit der<br />

Annahme und Weiterleitung von Angeboten aus Sportwetten<br />

(Vermittlung von Sportwetten außer Pferdesportwerten)<br />

und an andere, auch in Mitgliedsstaaten der Europäischen<br />

Union ansässige, Wettunternehmer ohne gültige Erlaubnis<br />

für den Freistaat Sachsen einzustellen. Ferner gab das<br />

Regierungspräsidium Chemnitz der Antragstellerin auf, jede<br />

Form der Bewerbung von Sportwetten zu unterlassen. Für<br />

den Fall der Zuwiderhandlung drohte es der Antragstellerin<br />

ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000,00 Euro an. Wegen der


VG Chemnitz, Beschluss vom 09.01.2008<br />

Begründung wird auf den vorgenannten Bescheid Bezug<br />

genommen.<br />

[...]<br />

II.<br />

Der zulässige Antrag hat keinen Erfolg.<br />

Soweit die Antragstellerin die Wiederherstellung der aufschiebenden<br />

Wirkung ihres Widerspruchs begehrt, ist dieser Antrag<br />

zulässig, aber unbegründet. Hat eine Behörde - wie hier - bei<br />

einem unter § 80 Abs. 1 VwGO fallenden Verwaltungsakt<br />

gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung<br />

angeordnet, so kann das Gericht nach § 80 Abs. 5 VwGO zur<br />

Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes im Ergebnis einer<br />

eigenen Interessenabwägung die aufschiebende Wirkung<br />

eines Widerspruchs wiederherstellen. Es hat - insbesondere<br />

unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten des eingelegten<br />

Rechtsbehelfs - zu prüfen, ob das besondere öffentliche<br />

Interesse am Sofortvollzug der Untersagungsverfügung oder<br />

das private Interesse der Antragstellerin, den Sofortvollzug<br />

auszusetzen, überwiegt. Wäre der Widerspruch im Ergebnis<br />

der summarischen Prüfung offensichtlich Erfolg versprechend,<br />

wäre dem Suspensivinteresse der Antragstellerin<br />

Rechnung zu tragen, da es aus rechtsstaatlichen Gründen<br />

kein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung eines<br />

offensichtlich rechtswidrigen Verwaltungsaktes geben kann.<br />

Ergibt die summarische Einschätzung des Gerichts dagegen,<br />

dass der Widerspruch offensichtlich erfolglos bleiben wird,<br />

wovon insbesondere bei offensichtlicher Rechtmäßigkeit des<br />

Verwaltungsaktes auszugehen ist, überwiegt das öffentliche<br />

Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit. Erweist sich im<br />

Ergebnis der summarischen Beurteilung der Widerspruch<br />

weder als offensichtlich Erfolg versprechend noch als offensichtlich<br />

aussichtslos, so ist vom Gericht im Wege der<br />

Abwägung aller wechselseitigen Interessen zu ermitteln,<br />

wessen Interesse für die Dauer des Hauptsacheverfahrens der<br />

Vorrang gebührt. Erkennbare Erfolgschancen der Beteiligten<br />

können, auch wenn sie noch keine sichere Prognose für<br />

den Ausgang des Hauptsacheverfahrens zulassen, in die<br />

Abwägung eingestellt werden.<br />

Nach Anlegung dieses Maßstabes ergibt sich für die<br />

Antragstellerin nicht, dass der Widerspruch offensichtlich in<br />

der Sache Erfolg haben wird. Dabei kommt es nicht darauf<br />

an, ob die Antragstellerin als türkische Staatsangehörige<br />

und damit als Staatsangehörige eines Staates, der lediglich<br />

über Assoziierungsabkommen mit der EU verbunden ist,<br />

den gleichen Rechtsschutz wie Bürger der EU oder deutsche<br />

Staatsangehörige begehren kann, denn auch wenn ihr der<br />

volle Rechtsschutz als Bürgerin der EU oder als deutsche<br />

Staatsangehörige zukommen würde, wäre der angefochtene<br />

Bescheid rechtmäßig.<br />

1.<br />

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist die ihr<br />

auferlegte Pflicht hinreichend bestimmt. Ihr wird aufgegeben,<br />

im Freistaat Sachsen, auf den allein sich die<br />

Entscheidungsbefugnis des Antragsgegners bezieht, jegli-<br />

rechtsprechung<br />

che Geschäftstätigkeit der Vermittlung von Sportwetten zu<br />

unterlassen. Für sie ist mithin eindeutig festgelegt, welche<br />

Handlungen in welchem Bereich sie nicht vornehmen darf.<br />

2.<br />

Die Untersagungsverfügung ist auch sowohl an den<br />

europarechtlichen Vorgaben als auch an denjenigen des<br />

Grundgesetzes gemessen rechtmäßig. Dies gilt sowohl für<br />

den Übergangszeitraum bis zum 30.12.2007 als auch für den<br />

Zeitraum danach.<br />

a) Die Antragstellerin verfügt nicht über eine vom Freistaat<br />

Sachsen erteilte Erlaubnis i. S. d. § 284 Abs. 1 StGB,<br />

sodass sie auf dessen Hoheitsgebiet unerlaubt Glücksspiele<br />

veranstaltet, was den Antragsgegner gemäß § 3 Abs. 1<br />

Sächsisches Polizeigesetz (SächsPolG) zum Einschreiten<br />

ermächtigt hat. Dabei kommt es nicht darauf an, wie weit<br />

die von der Antragstellerin angeführte Erlaubnis aus Malta<br />

reicht, denn diese könnte, selbst wenn sie - wie von der<br />

Antragstellerin dargelegt - erteilt worden ist, die Erteilung<br />

einer Erlaubnis durch eine sächsische Behörde nicht ersetzen.<br />

Unverändert obliegt es nämlich den nationalen Stellen<br />

der Mitgliedsstaaten, das Glücksspielwesen im Rahmen des<br />

ihnen zustehenden Ermessens zu regeln (SächsOVG, Beschl.<br />

v. 12.12.2007, 3 BS 3 U/06). Ein unerlaubtes Veranstalten von<br />

Glücksspielen i. S. d. § 284 Abs. 1 StGB liegt auch dann vor,<br />

wenn der Abschluss entsprechender Spielverträge außerhalb<br />

des Gebietes angeboten wird, für das die Genehmigung des<br />

Unternehmens gilt. Das Glücksspiel wird nämlich nicht nur<br />

dort veranstaltet, wo sich Wetthalter und sein Server befinden,<br />

sondern auch dort, wo dieses Wettangebot in Empfang<br />

genommen werden kann. Dementsprechend ist auch dieser<br />

Ort der Begehung einer Straftat i. S. v. § 9 Abs. 1 StGB, mithin<br />

Tatort (SächsOVG, Beschl. v. 12.12.2007, a.a.O.). Aus dem in<br />

Sachsen liegenden Erfolgsort folgt auch die Zuständigkeit des<br />

Regierungspräsidiums [...] (Art. 2 § 2 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes<br />

zum Staatsvertrag zum Lotteriewesen in Deutschland) bis zum<br />

31.12.2007. Dies gilt auch nach der Gesetzesänderung zum<br />

01.01.2008. In dem Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in<br />

Deutschland (Glücksspielstaatsvertrag - GlüStV (Sächsisches<br />

GVBL 2007, S. 547) ist nunmehr in § 3 Abs. 4 geregelt, dass<br />

ein Glücksspiel dort veranstaltet und vermittelt wird, wo dem<br />

Spieler die Möglichkeit zur Teilnahme eröffnet wird. Dies<br />

erfolgt in den Geschäftsräumen der Antragstellerin. Nach § 19<br />

Abs. 2 des Gesetzes zur Ausführung des Glücksspielstaatsvertrages<br />

und über die Veranstaltung, die Durchführung und die<br />

Vermittlung von Sportwetten, Lotterien und Ausspielungen<br />

im Freistaat Sachsen (Sächsisches Ausführungsgesetz zum<br />

Glücksspielstaatsvertrag - SächsGlüStVAG) vom 14.12.2007<br />

(SächsGVBL 2007, S. 542) ist daher das Regierungspräsidium<br />

Chemnitz als obere Glücksspielbehörde für den Vollzug dieses<br />

Gesetzes und den Bestimmungen des Glücksspielstaatsvertrages<br />

zuständig.<br />

Der Antragsgegner hat die Untersagungsverfügung auch zu<br />

Recht an die Antragstellerin als Störerin i. S. v. § 4 Abs. 1<br />

SächsPolG gerichtet, weil diese die Vorrichtungen betreibt,<br />

mittels derer ihre Kunden Wetten in Malta abschließen können.<br />

Glücksspiele können nur über sie abgewickelt werden.<br />

feBruAr 2008 ZfWG 65


echtsprechung<br />

Mithin ist die Antragstellerin in tatsächlicher und rechtlicher<br />

Hinsicht Schlüsselfigur dieser Glücksspiele und damit verantwortlich<br />

i. S. v. § 4 Abs. 1 SächsPolG.<br />

b) Der angegriffenen Untersagungsverfügung steht nicht das<br />

Grundrecht der Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG<br />

entgegen.<br />

Dies gilt bis zum 31.12.2007 unbeschadet davon, dass<br />

das damals geltende staatliche Monopol entsprechend der<br />

Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes in der zum<br />

bayerischen Staatslotteriegesetz ergangenen Entscheidung<br />

(Urt. v. 28.03.2006, NJW 2006, 1281 ff.) verfassungswidrig war.<br />

Diese Entscheidung kann auf das Gebiet des Freistaates Sachsen<br />

übertragen werden, weil dort eine vergleichbare Rechtslage<br />

bestand. Auch in Sachsen bestand ein Staatsmonopol,<br />

ohne dass zugleich hinreichende gesetzliche Regelungen zur<br />

materiellen und strukturellen Sicherung der Erreichung der<br />

damit verfolgten Ziele, insbesondere zur Ausrichtung des<br />

Wettangebotes an der Begrenzung und Bekämpfung von<br />

Wettsucht und problematischen Spielverhalten zu verzeichnen<br />

war. Das Bundesverfassungsgericht hatte jedoch in seiner<br />

Entscheidung zum bayerischen Staatslotteriegesetz vom<br />

28.03.2006 neben der Feststellung der Unvereinbarkeit der<br />

geltenden Rechtslage mit Art. 12 Abs. 1 GG eine Frist zu einer<br />

Neuregelung bis zum 31.12.2007 gesetzt und die bisherige<br />

Regel mit der Maßgabe für weiter anwendbar erklärt, dass der<br />

Freistaat Bayern unverzüglich ein Mindestmaß an Konsistenz<br />

zwischen dem Ziel der Begrenzung der Wettleidenschaft und<br />

der Bekämpfung der Wettsucht einerseits und der tatsächlichen<br />

Ausübung seines Monopols andererseits herzustellen<br />

hat. Diesen Anforderungen hat bis zum Dezember 2007<br />

auch der Freistaat Sachsen genügt (SächsOVG, Beschl. v.<br />

12.12.2007, a.a.O.). Etwas anderes ergibt sich auch nicht<br />

aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom<br />

22.11.2007 (1 BvR 2218/06). Danach gilt weiterhin - formal<br />

beschränkt auf das Gebiet des Freistaates Bayern -<br />

dass innerhalb einer Übergangsfrist bis zum 31.12.2007 der<br />

Ausschluss der Vermittlung anderer als vom Land veranstalteter<br />

Wetten verfassungsrechtlich hinnehmbar ist, wenn durch<br />

das Land ein Mindestmaß an Konsistenz zwischen dem Ziel<br />

der Begrenzung der Wettleidenschaft und Bekämpfung der<br />

Wettsucht einerseits und der tatsächlichen Ausgestaltung<br />

der staatlich veranstalteten Sportwetten andererseits hergestellt<br />

wird. Lediglich für vor dem 28.03.2006 ergangene<br />

Untersagungsverfügungen gilt entsprechend der vorgenannten<br />

Entscheidung, dass diese nicht mehr als rechtmäßig bestätigt<br />

werden können. Die hier angefochtene Entscheidung vom<br />

23.07.2007 ist als letzte Behördenentscheidung jedoch lange<br />

Zeit nach dem 28.03.2006 ergangen. Zu dieser Zeit hatte<br />

der Freistaat Sachsen bereits erhebliche Bemühungen unternommen,<br />

um das erforderliche Mindestmaß an Konsistenz<br />

zwischen der Begrenzung der Wettleidenschaft und der<br />

Bekämpfung der Wettsucht einerseits sowie der tatsächlichen<br />

Ausübung des staatlichen Monopols andererseits schrittweise<br />

herzustellen. Der Freistaat hat die Übergangszeit gerade nicht<br />

zu einer expansiven Vermarktung von Wetten genutzt sondern<br />

untersagt, dass das Angebot staatlicher Wetten erweitert wird<br />

und dass die Werbung über sachliche Informationen zur Art<br />

66 ZfWG feBruAr 2008<br />

VG Chemnitz, Beschluss vom 09.01.2008<br />

und Weise der Wettmöglichkeit hinaus gezielt zum Wetten<br />

auffordert (SächsOVG, Beschl. vom 12.12.2007, a.a.0.).<br />

Seit dem 01.01.2008 unter Geltung der Neuregelung des<br />

Glücksspielwesens kommt es auf die Herstellung dieser<br />

Konsistenz allein nicht mehr an. Vielmehr sind weitere überragende<br />

Gründe des Allgemeinwohls hinzugekommen, die den<br />

Eingriff in die Berufsfreiheit rechtfertigen und auch verhältnismäßig<br />

sind. Gemäß § 1 GlüStV sind dessen Ziele nicht nur<br />

auf die Verhinderung des Entstehens von Glücksspielsucht<br />

und Wettsucht und die Schaffung der Voraussetzungen<br />

einer Dabei wird als überragendes Gemeinwohlinteresse<br />

auch der Jugend- und Spielerschutz angeführt. Letztlich<br />

soll sichergestellt werden, dass Glücksspiele ordnungsgemäß<br />

durchgeführt und Spieler vor betrügerischen Machenschaften<br />

geschützt sowie die mit den Glücksspielen verbundene Folge-<br />

und Begleitkriminalität abgewehrt werden. Sämtliche Ziele<br />

an sich und in der Summe sind geeignet, den Eingriff in<br />

die Berufsfreiheit zu rechtfertigen. Unverändert bleibt die<br />

Vermeidung und Bekämpfung der Glücksspiel- und Wettsucht<br />

ein wesentliches Ziel des staatlichen Glücksspielrechts. Durch<br />

den so gewährten Schutz entspricht der Freistaat Sachsen<br />

seiner ihm aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG erwachsenen<br />

Pflicht zum Schutz der Gesundheit der Bürger und verfolgt<br />

damit ein überragend wichtiges Gemeinwohlziel. Die<br />

Spielsucht kann zu schwerwiegenden Folgen nicht nur für<br />

die Betroffenen selbst, sondern auch für ihre Familien und<br />

die Gemeinschaft führen (vgl. EuGH, Urt. v. 06.11.2003 - C<br />

243/01 - Gambelli u. a.[4]; BVerfG, Urt. v. 28.03.2006, a.<br />

a. O.). Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem vorgenannten<br />

Urteil ausführlich den Stand der Forschung zu den<br />

Suchtgefahren von Glücksspielen und Wetten aufgeführt.<br />

Dem schließt sich die Kammer an. Um die notwendige<br />

Konsistenz herzustellen wurde in § 4 Abs. 4 GlüStV ein Verbot<br />

aufgenommen, das Glücksspiel im Internet zu vertreiben. In<br />

§ 5 Abs. 1 GlüStV wurde die Werbung darauf beschränkt,<br />

dass sie auf eine Information und Aufklärung über die<br />

Möglichkeit zum Glücksspiel zu beschränken ist. Gemäß<br />

§ 5 Abs. 3 GlüStV ist die Werbung für öffentliches Glücksspiel<br />

im Fernsehen, im Internet sowie über Telekommunikation<br />

sanlagen verboten. Gemäß § 7 Abs. 1 GlüStV müssen die<br />

Veranstalter und Vermittler von öffentlichen Glücksspielen<br />

über die Wahrscheinlichkeit von Gewinn und Verlust sowie<br />

die Suchtrisiken der von ihnen angebotenen Glücksspiele<br />

und insbesondere das Verbot der Teilnahme Minderjähriger<br />

sowie die Möglichkeit der Beratung und Therapie aufklären.<br />

Die Teilnahme von Minderjährigen ist gemäß § 4 Abs. 3<br />

GlüStV unzulässig. Veranstalter und Vermittler haben nach<br />

dieser Regelung sicherzustellen, dass Minderjährige von der<br />

Teilnahme ausgeschlossen werden. Gemäß § 8 GlüStV sind<br />

die Veranstalter verpflichtet, ein übergreifendes Sperrsystem<br />

zu unterhalten, um so Spielsüchtige bei ihrem Bemühen zu<br />

unterstützen, sich von ihrer Spielsucht zu lösen. Die vorgenannten<br />

Ziele können wirksam am effektivsten dadurch<br />

gesichert werden, dass es beim staatlichen Monopol für<br />

die Veranstaltung von Sportwetten und Lotterien verbleibt.<br />

Durch das Monopol bei der Veranstaltung von Sportwetten<br />

und Lotterien mit besonderem Gefährdungspotenzial<br />

wird es ermöglicht, die zur Suchtprävention erforderlichen


VG Chemnitz, Beschluss vom 09.01.2008<br />

Begrenzungen des Angebots an Glücksspielen wirksam vorzunehmen,<br />

was zur Vermeidung der Glücksspielsucht unabdingbar<br />

ist. So ist die in § 3 Abs. 1 und 2 SächsGlüStVAG<br />

geregelte Beschränkung der Erlaubnisfähigkeit auf den<br />

Freistaat Sachsen, sei es in Form einer juristischen Person des<br />

öffentlichen und des privaten Rechts, auch verhältnismäßig.<br />

Die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Konsistenz<br />

wird auch dadurch gefördert, dass sämtliche Regelungen des<br />

Staatsvertrages an den in § 1 GlüStV niedergelegten Zielen<br />

orientiert sind.<br />

c) Auch im Hinblick auf die in Artikel 43 und 49 EGV<br />

gewährleistete Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit<br />

erweist sich die angefochtene Untersagungsverfügung<br />

sowohl nach der alten, als auch nach der neuen Rechtslage<br />

als rechtmäßig. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der<br />

Vertragspartner der Antragstellerin nach dem maltesischen<br />

Recht berechtigt war, Sportwetten im In- und Ausland zu<br />

vertreiben. Der Schutzbereich insbesondere der Freiheit<br />

der grenzüberschreitenden Dienstleistungen gemäß Art. 49<br />

EGV ist berührt, weil der Antragstellerin untersagt wird,<br />

durch die in Malta ansässige Firma grenzüberschreitende<br />

Dienstleistungen anzubieten. Zudem liegt in dem sächsischen<br />

Staatsmonopol für den Glücksspielbereich eine Beschränkung<br />

der Niederlassungsfreiheit unabhängig davon vor, dass die<br />

Monopolregelung unterschiedslos für alle Gesellschaften<br />

in Deutschland und außerhalb Deutschlands Anwendung<br />

findet. Auch wenn die bis zum 31.12.2007 bestehende<br />

Rechtslage im Freistaat Sachsen gegen die Niederlassungs-<br />

und Dienstleistungsfreiheit verstoßen hat und Normen<br />

des EG-Vertrages Anwendungsvorrang vor Bestimmungen<br />

des nationalen Rechts zukommt, ist die im angefochtenen<br />

Bescheid getroffene Regelung nicht rechtswidrig. Von der<br />

Geltung des Anwendungsvorrangs kann nämlich in eng<br />

umgrenzten Fällen für einen Übergangszeitraum abgesehen<br />

werden. Zur Abwendung von Gefahren für das überragend<br />

wichtige Gemeinwohlinteresse der Gesundheit der<br />

Bevölkerung war es erforderlich und rechtlich zulässig, die<br />

vom sächsischen Landesgesetzgeber mit Nachdruck verfolgte<br />

Monopolisierung im Sportwettenbereich auch in der zeitlich<br />

begrenzten Übergangsphase durchzusetzen, in der die<br />

Rechtsvorschriften mit dem Gemeinschaftsrecht (noch) nicht<br />

im Einklang standen (SächsOVG, Beschl. v. 12.12.2007, a. a.<br />

0.). Auch nach dem seit dem 01.01.2008 in Kraft getretenen<br />

GlüStV i. V. m. dem SächsGlüStVAG gilt nichts anderes. Die<br />

dort geschaffene Neuregelung ist nämlich mit den Vorgaben<br />

des europäischen Gemeinschaftsrechts, insbesondere der<br />

Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit vereinbar. Die<br />

Kammer verkennt nicht, dass gemäß § 3 SächsGlüStVAG<br />

unverändert die Erlaubnis für die Veranstaltung von in Abs.<br />

1 dieser Vorschrift näher bezeichneten Glücksspiele nur<br />

dem Freistaat Sachsen erteilt werden kann. Dadurch wird<br />

die durch Art. 49 EGV geschützte Dienstleistungsfreiheit<br />

berührt, weil eine Maßnahme gegeben ist, die private<br />

Anbieter an der Ausübung von Dienstleistungen im Bereich<br />

der Sportwetten hindert. Diese Behinderung gilt für private<br />

inländische Anbieter gleichermaßen wie für solche, die<br />

ihren Sitz in einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen<br />

Union haben. Der freie Dienstleistungsverkehr darf jedoch<br />

rechtsprechung<br />

- wie hier - durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses<br />

eingeschränkt werden, soweit diese Einschränkungen zum<br />

Schutz der Empfänger der Dienstleistungen auch über die<br />

Reglementierungen in andere Mitgliedsstaaten hinaus erforderlich<br />

sind. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Anders als<br />

noch in § 4 Lottostaatsvertrag sind in § 1 GlüStV die Ziele<br />

dieses Vertrages weiter gefasst und spezifiziert (siehe oben).<br />

Neben der wirksamen Suchtbekämpfung ist als weiteres Ziel<br />

angegeben, dass der natürliche Spieltrieb der Bevölkerung in<br />

geordnete Bahnen geführt und der Jugend-und Spielerschutz<br />

gewährleistet werden soll. Letztlich soll sichergestellt werden,<br />

dass Glücksspiele ordnungsgemäß durchgeführt und Folge-<br />

und Begleitkriminalität abgewehrt werden. Nunmehr ist<br />

also der Gesundheitsschutz der Bevölkerung und der Schutz<br />

vor kriminellen Folgeerscheinungen eines unreglementierten<br />

Glücksspiels ein wesentliches Ziel des Staatsvertrages. Diese<br />

zu wahren sind legitime und zwingende Gesichtspunkte<br />

des Gemeinwohls. Dieser Schutzzweck von überragender<br />

Bedeutung darf durch eine Reglementierung, die letztendlich<br />

dazu führt, dass Glücksspiele allein vom Freistaat<br />

Sachsen angeboten werden dürfen, verfolgt werden. Jedenfalls<br />

in der Summe der vorgenannten Ziele ist die getroffene<br />

Reglementierung nach Auffassung der Kammer ausreichend,<br />

um die Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit<br />

zu beschränken. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob in<br />

anderen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union eine andere<br />

Regelung gilt. Die Gewichtung der Schutzbedürftigkeit<br />

der Bevölkerung darf und kann in den Mitgliedsstaaten<br />

unterschiedlich sein, was zu unterschiedlichen Regelungen<br />

führen kann. Kulturelle Unterschiede sowie andere herrschende<br />

politische überzeugungen führen auch in anderen<br />

Rechtsgebieten, gerade der Suchtprävention, zu differenzierten<br />

Reglementierungen. So ist etwa auch der Handel mit<br />

weichen Drogen gemäß §§ 29 ff. Betäubungsmittelgesetz<br />

(BtmG) in der Bundesrepublik Deutschland generell strafrechtlich<br />

zu sanktionieren. „Dienstleister“ aus anderen<br />

Mitgliedsstaaten, die in diesen legal mit weichen Drogen<br />

Handel treiben dürfen, können jedoch nicht verlangen,<br />

dass sich ihre Dienstleistungsfreiheit auch insoweit auf<br />

das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erstreckt. Die<br />

Reglementierung betrifft auch alle im Hoheitsgebiet tätigen<br />

Anbieter gleichermaßen; es werden lediglich staatliche<br />

Anbieter zugelassen. Zudem ist durch § 10 SächsGlüStVAG<br />

geregelt, dass der Reinertrag der vom Freistaat Sachsen veranstalteten<br />

Sportwerten, Lotterien und Ausspielungen den<br />

Bereichen Suchtprävention, Sport, Kultur, Umwelt, Jugend-<br />

und Wohlfahrtspflege nach Maßgabe des Haushaltsplans des<br />

Freistaates Sachsen zufließen soll. Dementsprechend besteht<br />

auch ein enger Zusammenhang zwischen den Zielen des<br />

Gesetzes und der Verwendung der möglicherweise erzielten<br />

Erträge. Die Kammer hat letztlich keinen Anlass daran zu<br />

zweifeln, dass die zuständigen Stellen die neuen gesetzlichen<br />

und vertraglichen Vorgaben umfassend und europarechtskonform<br />

umsetzen werden.<br />

Die Eingriffsvoraussetzungen der Untersagungsnorm, also<br />

ein ohne Erlaubnis veranstaltetes Glücksspiel, lagen und<br />

liegen mithin vor. Das in § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 des<br />

damals gültigen Lotteriestaatsvertrages eröffnete Ermessen<br />

feBruAr 2008 ZfWG 67


echtsprechung VG Giessen, Beschluss vom 09.01.2008<br />

hat der Antragsgegner in zulässiger Weise dahingehend ausgeübt,<br />

dass bei einem Verstoß gegen Rechtsvorschriften eine<br />

Ermessensreduzierung auf Null hinsichtlich des Untersagens<br />

des unerlaubten Glücksspiels vorliegt.<br />

Daraus hat er zutreffend abgeleitet, dass auch das Bewerben<br />

unzulässig ist. Die Einschränkung der Unternehmerfreiheit<br />

der Antragstellerin ist auch verhältnismäßig. Die Untersagung<br />

der Vermittlung von Sportwetten ohne staatliche Erlaubnis ist<br />

geeignet und erforderlich, um den mit der grundsätzlichen<br />

Erlaubnispflicht bezweckten Schutz der Bevölkerung vor illegalem<br />

Glücksspiel zu erreichen.<br />

Allein dem „Kind“ einen neuen Namen zu geben,<br />

begründet keinen Abänderungsanspruch nach § 80<br />

Abs. 7 VwGO.<br />

(Anm.d.Red.)<br />

Aus den Gründen:<br />

Der Antrag auf Abänderung des die aufschiebende Wirkung<br />

des Widerspruchs ablehnenden Beschlusses des Hessischen<br />

Verwaltungsgerichtshofs ist nach § 80 Abs. 7 VwGO zulässig,<br />

aber unbegründet.<br />

Nach § 80 Abs. 7 VwGO kann das Gericht Beschlüsse über<br />

Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO jederzeit ändern oder aufheben.<br />

Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung<br />

wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne<br />

Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.<br />

Hierbei ist das Verwaltungsgericht zur Entscheidung berufen,<br />

da es Gericht der Hauptsache ist (vgl. Hess. VGH, Beschl.<br />

vom 30.04.1996, 6 Q 1069/96; Kopp/Schenke, VwGO, 14.<br />

Auflage, § 80 Rdnr. 200).<br />

Derartig veränderte Umstände sind im vorliegenden<br />

Fall nicht gegeben. Es ist -entscheidungserheblich- weder<br />

eine Veränderung der Sachlage oder der materiellen<br />

Rechtslage eingetreten, die im Rahmen einer erforderlichen<br />

Interessenabwägung eine Neubewertung erfordert,<br />

welche zur Anordnung der aufschiebenden Wirkung des<br />

Widerspruchs führt. Zwar ist mit Wirkung vom 01.01.2008<br />

das Hessische Glücksspielgesetz vom 12. Dezember 2007<br />

(GVBI. I S. 835) nebst dem dazugehörigen Staatsvertrag zum<br />

Glücksspielwesen in Deutschland (GVBI. 1 S. 841) in Kraft<br />

getreten, indes hat sich hierdurch die materielle Rechtslage<br />

nicht verändert. Zwar hat sich durch Inkrafttreten der vorzitierten<br />

Normenwerke zum 01.01.2008 formal die Rechtslage<br />

geändert, jedoch begründet dies nicht einen Anspruch auf<br />

Abänderung nach<br />

§ 80 Abs. 7 VwGO, denn es fehlt die erforderliche materielle<br />

Rechtsänderung. Allein dem „Kind“ einen neuen Namen<br />

68 ZfWG feBruAr 2008<br />

3.<br />

Soweit die Antragstellerin die Anordnung der aufschiebenden<br />

Wirkung ihres Widerspruchs begehrt, ist der Antrag auf vorläufigen<br />

Rechtsschutz ebenfalls zulässig, aber unbegründet.<br />

Auch insoweit bestehen nach summarischer Prüfung im<br />

Hinblick auf den aus der Vermittlung von Sportwelten resultierenden<br />

wirtschaftlichen Vorteil keine Bedenken gegen die<br />

Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides (§§ 80 Abs. 2<br />

Nr. 4 VwGO).<br />

verwAltungsgericht giessen<br />

Beschluss voM 09.01.2008 – 10 g 4285/07 –<br />

[...]<br />

zu geben, begründet keinen Abänderungsanspruch nach §<br />

80 Abs. 7 VwGO. Die insoweit ab dem 01.01.2008 geltende<br />

Neuregelung in §§ 6-11 des Hessischen Glücksspielgesetzes<br />

hinsichtlich der Veranstaltung von Sportwetten, der<br />

Gewinnausschüttung, der Verteilung der Spieleinsätze sowie<br />

der Erforderlichkeit und des Umfangs einer Genehmigung<br />

für Vermittlungstätigkeiten ist inhaltlich und materiell nahezu<br />

deckungsgleich mit den Vorschriften in §§ 1-5 des zum<br />

31.12.2007 außer Kraft getretenen Gesetzes über staatliche<br />

Sportwetten, Zahlenlotterien und Zusatzlotterien in Hessen<br />

vom 3. November 1998 (GVBI. I Seite 406).<br />

Wie nach alter Rechtslage, so ist auch nach der neuen<br />

Rechtslage in § 6 des Hessischen Glücksspielgesetzes allein<br />

das Land Hessen befugt, innerhalb seines Staatsgebiets<br />

Sportwetten zu veranstalten und dürfen nur in den nach § 10<br />

des Gesetzes zugelassenen Annahmestellen die vom Land<br />

Hessen veranstalteten Sportwetten und Lotterien gewerbsmäßig<br />

vermittelt werden. Damit begründet auch die Neuregelung<br />

durch das Hessische Glücksspielgesetz, wie es bereits alter<br />

Rechtslage entsprach, keine Möglichkeit der Veranstaltung<br />

von Sportwetten im Bereich des Landes Hessen durch andere<br />

Veranstalter als das Land Hessen oder die Vermittlung von<br />

Sportwetten an außerhessische Veranstalter. Inhaltlich ist<br />

mit der Neuregelung durch das Hessische Glücksspielgesetz<br />

keine Änderung der materiellen Rechtslage im Bereich des<br />

Streitgegenstandes eingetreten, auch wenn sich nach wie vor<br />

für die Kammer in der Hauptsache die Frage stellen würde,<br />

ob das Hessische Glücksspielgesetz europarechtskonform<br />

ist oder nicht. Dies ist aber eine Frage, die im Rahmen<br />

des Abänderungsantrages nach § 80 Abs. 7 VwGO nicht<br />

entschieden werden kann, zumal die Kammer, ebenso wie<br />

das Verwaltungsgericht Stuttgart, diese Frage in Bezug auf<br />

die Rechtslage bis zum 31.12.2007 bereits dem EuGH zur<br />

Beantwortung vorgelegt hat.<br />

Fehlt es demnach insgesamt an einer streitgegenständlichen<br />

Veränderung der Sach- oder Rechtslage, muss der Antrag<br />

nach § 80 Abs. 7 VwGO ohne Erfolg bleiben.<br />

[…]


VG Schleswig-Holstein, Vorlagebeschluss vom 30.01.2008<br />

rechtsprechung<br />

verwAltungsgericht schleswig-holstein<br />

vorlAgeBeschluss voM 30.01.2008 - 12 A 102/06 -<br />

Dem Gericht stellt sich nachdrücklich die Frage,<br />

ob das nach nationalem Recht errichtete staatliche<br />

Sportwettenmonopol zur Verwirklichung des als maßgeblich<br />

genannten Ziels der Spielsuchtbekämpfung<br />

diesen europarechtlichen Vorgaben einer kohärenten<br />

und systematischen Begrenzung nachkommt.<br />

(Anm.d.Red.)<br />

Aus dem Tenor:<br />

1. Das Verfahren wird entsprechend § 94 VwGO bis zu<br />

einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen<br />

Gemeinschaften über die Vorlage zu Ziff.2 des Beschlusses<br />

ausgesetzt.<br />

2. Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften werden<br />

gemäß 13 Art. 234 Abs. 1 a EG folgende Fragen zur<br />

Vorabentscheidung vorgelegt:<br />

a) Ist Art. 49 EG dahingehend auszulegen, dass die<br />

Berufung auf die Dienstleistungsfreiheit voraussetzt, dass<br />

der Dienstleistungserbringer nach den Bestimmungen des<br />

Mitgliedstaates, in dem er ansässig ist, die Dienstleistung<br />

auch dort erbringen darf.<br />

- hier: Beschränkung der Glücksspiellizenz Gibraltars auf<br />

,,off-shore bookmaking“?<br />

b) Ist Art. 49 EG dahingehend auszulegen, dass dieser einem<br />

maßgeblich mit der Bekämpfung von Spielsuchtgefahren<br />

begründeten nationalen staatlichen Veranstaltungsmonopol<br />

auf Sportwetten und Lotterien (mit nicht nur geringem<br />

Gefährdungspotenzial) entgegensteht, wenn in diesem<br />

Mitgliedstaat andere Glücksspiele mit erheblichem Suchtgefährdungspotenzial<br />

von privaten Dienstleistungsanbietern<br />

erbracht werden dürfen und die unterschiedlichen rechtlichen<br />

Regelungen zu Sportwetten- und Lotterien einerseits und<br />

anderen Glücksspielen andererseits auf der unterschiedlichen<br />

Gesetzgebungskompetenz der Länder und des Bundes beruhen?<br />

Für den Fall der Bejahung der Vorlagefrage b):<br />

c) Ist Art. 49 EG dahingehend auszulegen, dass dieser einer<br />

nationalen Regelung entgegensteht, die einen Anspruch auf<br />

Erteilung einer Erlaubnis für das Veranstalten und Vermitteln<br />

von Glücksspielen auch bei Vorliegen der gesetzlich normierten<br />

Erteilungsvoraussetzungen in das Ermessen der<br />

Erlaubnisbehörde stellt?<br />

d) Ist Art. 49 EG dahingehend auszulegen, dass dieser einer<br />

nationalen Regelung entgegensteht, die das Veranstalten and<br />

das Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet untersagt,<br />

wenn insbesondere gleichzeitig - wenngleich auch nur<br />

für eine Übergangsfrist von einem Jahr - die Veranstaltung<br />

und Vermittlung im Internet unter Einhaltung von Jugend-<br />

und Spielerschutzbestimmungen ermöglicht wird, um zum<br />

Zweck eines Verhaltnismäßigkeitsausgleichs namentlich<br />

zweier gewerblicher Spielvermittler, die bislang ausschließlich<br />

im Internet tätig sind, eine Umstellung auf die nach dem<br />

Staatsvertrag zugelassenen Vertriebswege zu ermöglichen?<br />

Aus den Gründen:<br />

I.<br />

Die in Gibraltar ansässige Klägerin möchte in der Bundesrepublik<br />

Deutschland über das Internet Sportwetten anbieten<br />

und beantragte deshalb mit Schreiben vom 10. Februar<br />

2006 beim Land Schleswig-Holstein die Feststellung der<br />

Zulässigkeit dieser Betätigung, hilfsweise die Verpflichtung<br />

zur Erteilung einer Genehmigung nach nationalem Recht<br />

oder die Duldung ihrer Betätigung.<br />

Die Klägerin ist eine gibraltarische Limited. Sie agiert ihrem<br />

Vorbringen zufolge seit mehreren Jahren auf dem internationalen<br />

Sportwettenmarkt. Die Klägerin wurde in Gibraltar<br />

gegründet und erhielt von der Regierung Gibraltars eine<br />

,,Gaming Licence“, beschränkt auf ,,remote gambling/fixedodds<br />

bets for offshore bookmaking“. Nach dem Vorbringen<br />

der Klägerin ist eine aus steuerlichen Gründen erfolgte<br />

Beschränkung auf ,,offshore bookmaking“ für die Berufung<br />

auf die Dienstleistungsfreiheit unschädlich.<br />

[...]<br />

II.<br />

Das Gericht setzt in entsprechender Anwendung des § 94<br />

VwGO das Verfahren aus, um die im Beschlusstenor genannten<br />

Fragen dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft<br />

zur Vorabentscheidung vorzulegen.<br />

1.<br />

Die Frage, ob die Klägerin den von ihr geltend gemachten<br />

Anspruch auf das zulässige Anbieten von Online-Sportwetten<br />

in Schleswig-Holstein im Wege der Feststellungsklage oder<br />

im Wege eines Verpflichtungsbegehrens auf Erteilung einer<br />

den nationalen Regelungen entsprechenden Erlaubnis bzw.<br />

Duldung ihres Handelns verfolgen kann, kann zunächst einmal<br />

im derzeitigen Verfahrensstadium dahingestellt bleiben.<br />

Allen Anträgen der Klägerin liegt gemeinsam zugrunde,<br />

dass ein möglicher Erfolg davon abhängt, ob die Klägerin<br />

als private gewerbliche Glücksspielveranstalterin trotz des<br />

nach nationalem Recht bestehenden staatlichen Lotterie-<br />

und Sportwettenveranstaltungsmonopols Zugang zu dieser<br />

Dienstleistung in Schleswig-Holstein zu gewähren ist, weil<br />

sich die in dem staatlichen Monopol liegende Beschränkung<br />

der Dienstleistungsfreiheit als europarechtswidrig erweist.<br />

Sollte diese Frage im Sinne der Klägerin zu beantworten<br />

sein, stellt sich erst hieran anschließend die weitere Frage, in<br />

feBruAr 2008 ZfWG 69


echtsprechung VG Schleswig-Holstein, Vorlagebeschluss vom 30.01.2008<br />

welcher Form das nationale Recht seiner aus einer möglichen<br />

Europarechtswidrigkeit nationaler Beschränkungen folgenden<br />

Verpflichtung nachzukommen hat, den Schutz der den<br />

Wirtschaftsteilnehmern aus der unmittelbaren Wirkung des<br />

Gemeinschaftsrecht erwachsenen Rechte zu gewährleisten.<br />

Das eine solche dahingehende Verpflichtung als Folge der<br />

Rechtswidrigkeit die Dienstleistungsfreiheit beschränkender<br />

Maßnahmen besteht, ergibt sich insoweit unzweifelhaft aus<br />

der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 06.03.1007, Rs.<br />

C-338/04, ,,Placanica“ u.a., Rn. 63).<br />

Mit der Feststellung, dass ein Mitgliedstaat im Falle der<br />

Europarechtswidrigkeit monopolistischer Beschränkungen<br />

verpflichtet ist, dem unzulässig ausgeschlossenen<br />

Wirtschaftsteilnehmer ein Recht auf Ausübung der geschützten<br />

Tätigkeit zu verschaffen, ist allerdings die Frage nach<br />

einer etwaigen europarechtlichen Verpflichtung zur gegenseitigen<br />

Anerkennung behördlicher Erlaubnisse im nicht<br />

harmonisierten Bereich noch nicht gestellt. Erwiese sich<br />

letztlich die ausländische Wirtschaftsteilnehmer ausschließende<br />

nationale Beschränkung als nicht europarechtskonform,<br />

bliebe dem betreffenden Mitgliedstaat gleichwohl die<br />

Möglichkeit, in der dann gebotenen Umsetzung europarechtlicher<br />

Vorgaben auch ausländische Unternehmen gleichwohl<br />

einer staatlichen Kontrolle durch Normierung eines<br />

eigenständigen, gleichermaßen für alle Wirtschaftsteilnehmer<br />

geltenden Erlaubnisverfahren zu unterwerfen (Winkelmüller,<br />

Das Urteil des EFTA-Gerichtshofs vom 30.05.2007 zum norwegischen<br />

Glücksspielmonopol, GewArch 2007, 411 (414)<br />

unter Hinweis auf EuGH, Rs. C-279/80 „Webb“).<br />

Ein Erfolg der Klägerin in diesem Sinne hängt davon ab, ob sie<br />

sich zum einen als Inhaberin der in ihrem Niederlassungsstaat<br />

erteilten Glücksspiellizenz, die eine Erbringung der hier in<br />

Rede stehenden Dienstleistung in Gibraltar nicht umfasst,<br />

auf die Dienstleistungsfreiheit nach Art. 49 EG berufen kann<br />

und zum anderen, ob sich die Bestimmungen des § 10 Abs. 5<br />

GlüStV, § 4 Abs. 2 GlüStV AG des Landes Schleswig-Holstein<br />

zum Ausschluss nicht-staatlicher Glücksspielveranstalter als<br />

mit europarechtlichen Vorgaben zu Beschränkungen der<br />

Dienstleistungsfreiheit vereinbar erweist. Waren beide unter<br />

a) und b) genannten Vorlagefragen im Sinne der Klägerin<br />

positiv zu beantworten wäre die Klage begründet.<br />

2.<br />

Die Kammer teilt zunächst einmal nicht die von den Beklagten<br />

vorgetragene Rechtsansicht, die Beschränkung der gibraltarischen<br />

Lizenz auf ,,offshore bookmaking“ schließe eine<br />

Berufung auf die Dienstleistungsfreiheit aus.<br />

In zulässiger Rechtsfortbildung hat der EuGH den<br />

Anwendungsbereich der Art. 49/50 EG auf die Falle erweitert,<br />

in denen nur die Dienstleistung selbst die Grenze überschreitet,<br />

während die in unterschiedlichen Mitgliedstaaten<br />

ansässigen Dienstleistungsempfänger und -erbringer keine<br />

Ortsveränderung vornehmen. In seinem Urteil vom 13.<br />

November 2003 (Rs. C-42/02 ,,Lindmann“) hat der EuGH<br />

zur Veranstaltung von Lotterien ausgeführt, eine solche<br />

Tätigkeit falle in den Anwendungsbereich des Art. 49 EG,<br />

70 ZfWG feBruAr 2008<br />

wenn zumindest einer der Dienstleistenden in einem anderen<br />

Mitgliedsstaat als demjenigen ansässig ist, in dem die<br />

Dienstleistung angeboten werde. In seiner Entscheidung<br />

vom 24.03.1994 (Rs. C-275/92 ,,Schindler“) hat der EuGH<br />

ausgeführt, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs<br />

nationale Regelungen selbst bei unterschiedsloser Geltung<br />

unter Art. 59 EWG-Vertrag (Art. 40 EG) fallen können, wenn<br />

sie geeignet sind, die Tätigkeit des Dienstleistenden, der in<br />

einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist oder dort rechtmaßig<br />

ähnliche Dienstleistungen erbringt, zu unterbinden oder<br />

zu behindern. Zwar spricht die Formulierung ,,dort rechtmäßig<br />

ähnliche Dienstleistungen erbringt“ dem ersten Anschein<br />

nach dafür, dass eine Berufung auf die grenzuberschreitende<br />

Dienstleistungsfreiheit nur dann möglich sein soll, wenn<br />

auch in dem Mitgliedstaat, in dem der Wirtschaftsteilnehmer<br />

ansässig ist, diese Tätigkeit ausgeübt wird. Das erkennende<br />

Gericht geht indes davon aus, dass die Grundfreiheit der<br />

Korrespondenzdienstleistungsfreiheit lediglich voraussetzt,<br />

dass die Dienstleistung in dem Niederlassungsstaat nicht<br />

durch allgemeine Vorschriften als verboten, mithin grundsätzlich<br />

als legal anzusehen ist unbeschadet des Umstandes, ob<br />

eine solche Tätigkeit auch tatsächlich im Niederlassungsstaat<br />

ausgeübt wird. Das erkennende Gericht geht weiterhin davon<br />

aus, dass die Veranstaltung von Glücksspielen in Gibraltar<br />

nicht durch nationale Vorschriften als verboten anzusehen ist.<br />

Die Tatsache, dass die der Klägerin erteilte Erlaubnis in ihrem<br />

Fall lediglich aus steuerlichen Gründen den Handel mit in<br />

Gibraltar ansässigen Personen untersagt, vermag mithin die<br />

Berufung auf die Freiheit einer von Gibraltar aus erbrachten<br />

Dienstleistung - hier das Anbieten von Online-Sportwetten<br />

über das Internet - nicht in Frage zu stellen.<br />

3.<br />

Der Erfolg des klägerischen Begehrens, in Schleswig-Holstein<br />

als privater Online-Sportwettenanbieter aufzutreten, setzt weiter<br />

voraus, dass sich der in § 10 Abs.5 GlüStV i.V.m. § 4 Abs.2<br />

GlüStV AG normierte Ausschluss privater Veranstalter nach<br />

europarechtlichen Vorgaben als unzulässige Beschränkung<br />

der Dienstleistungsfreiheit gemäß Art. 49 EG erweist.<br />

Nach Ablauf der vom BVerfG gesetzten Übergangsfrist am<br />

31.12.2007 stellt sich die hier zu Grunde zu legende maßgebliche<br />

Rechtslage zum Lotterie -und Sportwettenrecht in der<br />

Bundesrepublik Deutschland wie folgt dar:<br />

Mit dem Gesetz zur Ausführung des Staatsvertrags zum<br />

Glücksspielwesen in Deutschland (GlüStV AG) vom 13.<br />

Dezember 2007 ist durch das Bundesland Schleswig-Holstein<br />

dem Staatsvertrag zum Glucksspielwesen (GlüStV) in<br />

Deutschland zugestimmt worden. Der Staatsvertrag ist nach<br />

seinem § 29 Abs. 1 Satz 1 am 01. Januar 2008 in Kraft getreten.<br />

Nach § 1 GlüStV werden mit dem Staatsvertrag die Ziele<br />

verfolgt, Spiel- und Wettsucht zu verhindern und die<br />

Voraussetzungen für eine wirksame Suchtbekämpfung zu<br />

schaffen, das Glücksspielangebot zu begrenzen und den<br />

Spieltrieb der Bevölkerung in geordnete und überwachte<br />

Bahnen zu lenken, insbesondere ein Ausweichen auf nicht


VG Schleswig-Holstein, Vorlagebeschluss vom 30.01.2008<br />

erlaubte Glücksspiele zu verhindern, den Jugend- und den<br />

Spielerschutz zu gewährleisten sowie die mit Glücksspielen<br />

verbundene Folge- und Begleitkriminalität abzuwehren.<br />

Gemäß § 3 des Schleswig-Holsteinischen Ausführungsgesetzes<br />

zum Staatsvertrag gilt das Gesetz für die Veranstaltung,<br />

die Durchführung und die Vermittlung von Lotterien und<br />

Sportwetten, dagegen nicht für Wetten, die anlässlich öffentlicher<br />

Pferderennen durchgeführt oder vermittelt werden. Die<br />

§§ 8 und 13 des Ausführungsgesetzes (§ 8 - Spielersperren,<br />

§ 13 - Ordnungswidrigkeiten) gelten auch für öffentliche<br />

Spielbanken, die nach dem Spielbankengesetz des Landes<br />

Schleswig-Holstein vom 29. Dezember 1995, zuletzt geändert<br />

mit Gesetz vom 12. April 2004 (GVOBI. Schl.-H., Seite 233)<br />

zugelassen sind.<br />

§ 10 Abs. 1 GlüStV formuliert, dass die Länder zur Erreichung<br />

der Ziele des § 1 des Staatsvertrages die ordnungsrechtliche<br />

Aufgabe haben, ein ausreichendes Glücksspielangebot sicherzustellen.<br />

Nach § 10 Abs. 2 können die Länder die öffentliche<br />

Aufgabe selbst, durch juristische Personen des öffentlichen<br />

Rechts oder durch privatrechtliche Gesellschaften,<br />

an den juristische Personen des öffentlichen Rechts unmittelbar<br />

oder mittelbar maßgeblich beteiligt sind, erfüllen.<br />

Anderen als den in Abs. 2 genannten darf nur die<br />

Veranstaltung von Lotterien und Ausspielungen nach den<br />

Vorschriften des dritten Abschnitts (Lotterien mit geringem<br />

Gefährdungspotenzial) erlaubt werden. Hieraus folgt das<br />

staatliche Glücksspielmonopol hinsichtlich Lotterien, die<br />

nicht solche mit geringem Gefährdungspotential sind, und<br />

Sportwetten.<br />

Gemäß § 4 Abs. 2 des Ausführungsgesetzes erfüllt das<br />

Land Schleswig-Holstein seine öffentliche Aufgabe durch<br />

die Nordwest-Lotto Schleswig-Holstein GmbH & Co. KG.<br />

gemäß § 4 Abs. 1 GlüStV dürfen öffentliche Glücksspiele nur<br />

mit der Erlaubnis der zuständigen Behörde des jeweiligen<br />

Landes veranstaltet oder vermittelt werden. Die Erlaubnis<br />

ist zu versagen, wenn das Veranstalten oder Vermitteln den<br />

Zielen des § 1 zuwider läuft. Auf die Erteilung der Erlaubnis<br />

besteht kein Rechtsanspruch (§ 4 Abs. 2 Satz 3 GlüStV). Das<br />

Veranstalten und das Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im<br />

Internet ist verboten (§ 4 Abs. 4 GlüStV).<br />

Gemäß § 25 Abs. 6 GlüStV können die Länder befristet auf<br />

ein Jahr nach Inkrafttreten des Staatsvertrages abweichend<br />

von § 4 Abs. 4 bei Lotterien die Veranstaltung und Vermittlung<br />

im Internet erlauben, wenn keine Versagensgründe vorliegen<br />

und zusätzliche weitere Voraussetzungen erfüllt sind.<br />

Dies sind insbesondere die Sicherstellung des Ausschlusses<br />

Minderjähriger oder gesperrter Spieler durch Identifizierung<br />

und Authentifizierung unter Beachtung der Richtlinien der<br />

Kommission für Jugendmedienschutz zur geschlossenen<br />

Benutzergruppe; die Beschränkung der Einsatzgrenzen auf<br />

1.000 € pro Monat und Sicherstellung des Kreditverbotes;<br />

Lokalisierung nach dem Stand der Technik zur Sicherstellung,<br />

dass nur Personen im Geltungsbereich der Erlaubnis teilnehmen<br />

können, Beschränkung auf nicht mehr als zwei<br />

Gewinnentscheide pro Woche sowie Entwicklung eines<br />

rechtsprechung<br />

den besonderen Bedingungen des Internets angepassten<br />

Sozialkonzeptes und dessen wissenschaftlich zu evaluierender<br />

Wirksamkeit.<br />

Nach dem Erläuterungsbericht des Entwurfes zum<br />

Glücksspielstaatsvertrag (Stand 14.12.2006) soll die letztgenannte<br />

Übergangsvorschrift dem Verhältnismäßigkeitsausg<br />

leich bei den beiden gewerblichen Spielvermittlern dienen,<br />

die nach ihrem Vortrag in der Anhörung zum Entwurf des<br />

Staatsvertrages fast ausschlieglich im Internet tätig sind (<br />

AG und [...] AG mit 140 bzw. 151 Mitarbeitern). Diesen soll<br />

für ein Jahr die ausreichende Zeit für eine Umstellung des<br />

Betriebes auf nach dem Staatsvertrag zulässige Vertriebswege<br />

gegeben werden. Die in § 25 Abs. 6 Nr. 1 bis 5 GlüStV festgelegten<br />

Bedingungen können nach dem Erläuterungsbericht,<br />

wie von Seiten der Medien und der privaten Wettunternehmer<br />

in der Anhörung zum Entwurf des Staatsvertrages vorgetragen,<br />

in jedem Fall erfüllt werden.<br />

Von dieser Länderöffnungsklausel hat das Land Schleswig-<br />

Holstein gemäß § 9 des Ausführungsgesetzes Gebrauch<br />

gemacht.<br />

Der Glücksspielstaatsvertrag sieht weiter in den §§ 5 bis 8<br />

Maßnahmen betreffend Werbung für öffentliche Glücksspiele,<br />

ein Sozialkonzept, Maßnahmen der Aufklärung und<br />

Verhängung von Spielersperren vor. Danach ist u.a. die<br />

Werbung für öffentliches Glücksspiel im Fernsehen, im<br />

Internet sowie über Telekommunikationsanlagen verboten.<br />

Der Staatsvertrag enthält mit seinem § 21 weiterhin eine<br />

Bestimmung zu Sportwetten, wonach die Veranstaltung<br />

und Vermittlung organisatorisch, rechtlich, wirtschaftlich<br />

und personell von der Veranstaltung oder Organisation<br />

des Sportereignisses getrennt sein muss. Werbung für die<br />

Veranstaltung oder Vermittlung von Sportwetten in Form von<br />

Trikot- und Bandenwerbung ist nicht zulässig, ebenso wie<br />

Wetten während des laufenden Sportereignisses sowie über<br />

Telekommunikationsanlagen verboten sind.<br />

Nach dem bereits oben genannten Erläuterungsbericht<br />

zum Entwurf des GlüStV werde mit dem neuen<br />

Glücksspielstaatsvertrag dem Auftrag des Bundesverfassungsgerichts<br />

aus seinem Urteil vom 28. März 2006 zur Neuordnung<br />

des Glückspielsrechts nachgekommen. Ausweislich der<br />

Erläuterungen haben die Länder bereits im Juli 2006<br />

Suchtexperten um Stellungnahmen gebeten sowie Verbände<br />

und sonstige Stellen angehört.<br />

An den Kernzielen der bisherigen Glücksspielgesetzgebung<br />

solle festgehalten werden. Eine Politik der strikten Regulierung<br />

sei zum Schutz der Spiele und der Allgemeinheit notwendig und<br />

geeignet. Die im Auftrag der EU-Kommission erstellte Studie<br />

des Schweizerischen Instituts fur Rechtsvergleiche und zum<br />

Glücksspielmarkt in der EU von April 2006 belege eindrucksvoll<br />

den Erfolg einer strikten Regulierung und Kanalisierung.<br />

Danach sei das Lotterie- und Glücksspielangebot in<br />

Deutschland bei einer langfristigen Betrachtung über 25 Jahre<br />

in Relation zum Brutto-Inlandsprodukt nicht gewachsen,<br />

feBruAr 2008 ZfWG 71


echtsprechung VG Schleswig-Holstein, Vorlagebeschluss vom 30.01.2008<br />

sondern stabil geblieben.<br />

Erstes und wichtigstes Ziel des neuen Glücksspielstaatsvertrages<br />

sei die Vermeidung und die Bekämpfung der Glücksspiel-<br />

und Wettsucht. Bereits das Bundesverfassungsgericht habe<br />

sich in seinem Urteil vom 28. März 2006 ausführlich mit dem<br />

Stand der Forschung auseinandergesetzt. Danach stehe fest,<br />

dass Glücksspiele und Wetten zu krankhaftem Suchtverhalten<br />

führen könnten. Unterschiedliche Glücksspielformen wiesen<br />

dabei ein unterschiedliches Suchtpotenzial auf. Bei weitem<br />

die meisten Spieler mit problematischem oder pathologischem<br />

Spielverhalten spielten nach derzeitigem Erkenntnisstand an<br />

Automaten, an zweiter Stelle in der Statistik folgten die<br />

Kasino-Spiele. Alle anderen Glücksspielformen trugen gegenwärtig<br />

deutlich weniger zu problematischem und pathologischem<br />

Spielverhalten bei (BVerwG unter Bezugnahme auf:<br />

Hayer/Meyer, Das Suchtpotenzial von Sportwetten in: Sucht<br />

2003, Seite 212; dieselben in: Die Prevention problematischen<br />

Spielverhaltens, Journal of Public Health 2004, Seite<br />

293, 296; Meyer, Glücksspiel-Zahlen and Fakten, Jahrbuch<br />

Sucht 2005, Seite 83, 91 ff.). Auch wenn Sportwetten<br />

für die große Mehrheit der Spieler reinen Erholungs- und<br />

Unterhaltungscharakter haben dürften (Hayer/Meyer, Das<br />

Suchtpotenzial von Sportwetten, Seite 218), sei die Prognose<br />

des Suchtpotenzials bei einer erheblichen Ausweitung von<br />

Sportwetten nicht absehbar. Daher dürfte mit nicht unerheblichem<br />

Suchtpotenzial gerechnet werden und der Gesetzgeber<br />

dürfe dies zum Anlass für Prevention nehmen. Mehrere in der<br />

Anhörung zum Entwurf des Staatsvertrages vorgelegte Studien<br />

zur nationalen und internationalen Forschungsliteratur sowie<br />

Äußerungen von Suchtexperten bestätigten die These, dass<br />

sowohl die Teilhaber als auch die Häufigkeit des Spiels im<br />

Zusammenhang mit der Vielfältigkeit des vorzufindenden<br />

Angebots an Glücksspielen stünden. Aus diesem Befund<br />

wurden im neuen Staatsvertrag die Konsequenzen gezogen,<br />

die zur Vermeidung von Glücksspielsucht notwendigen<br />

Schranken für die Veranstaltung, die Vermarktung und dem<br />

Vertrieb von Glücksspielangeboten anzusetzen, Abstriche von<br />

dem Schutzniveau wurden nur für Glücksspiele mit geringerem<br />

Gefährdungspotenzial zugelassen. Die Kanalisierung und<br />

Begrenzung des Glücksspielmarktes solle durch den neuen<br />

Staatsvertrag zum Einen durch die Aufrechterhaltung des<br />

bestehenden Monopols bei der Veranstaltung von Sportwetten<br />

und Lotterien mit besonderem Gefährdungspotenzial erreicht<br />

werden, zum Anderen durch die Anbindung der auch durch<br />

Private zulässigen gewerblichen Vermittlung an die allgemein<br />

geltenden Vorschriften zu Werbung, Sozialkonzept,<br />

Aufklärung und den Erlaubnisvorbehalt. Entgegen den<br />

fachlichen Vorschlagen der Suchtexperten könnten in den<br />

Staatsvertrag keine Anforderungen an das gewerbliche Spiel<br />

in Spielhallen aufgenommen werden, da die Länder an einer<br />

Regelung durch die abschließende Normierung des Bundes<br />

in der Gewerbeordnung und der Spielverordnung gehindert<br />

seien. Die in der Föderalisreform übertragene Zuständigkeit<br />

für die Spielhallen umfasse nur die (räumlich radizierte)<br />

Spielhallen-Erlaubnis, nicht dagegen das gewerbliche<br />

Spielerecht der §§ 33 c - g GewO. Die Länder hatten bei der<br />

Novelle der Spieleverordnung (SpielV) in der Fassung der<br />

Bekanntmachung vom 27. Januar 2006, BGBI. I, Seite 280<br />

(bereits wesentliche Forderungen zum Schutz der Spieler<br />

72 ZfWG feBruAr 2008<br />

und der Allgemeinheit) durchgesetzt. So gehe insbesondere<br />

das Verbot der unter Spielerschutzaspekten besonders problematischen<br />

fun-games in § 6 a SpielV auf die Forderung der<br />

Länder zurück, ebenso wie das Verbot von Jackpot-Systemen.<br />

Ebenfalls sei die von der Bundesregierung zunächst vorgesehene<br />

erhebliche Erweiterung der Zahl der in einer Spielhalle<br />

zulässigen Spielgeräte deutlich zurückgenommen worden.<br />

Die Länder gingen jedoch weiterhin davon aus, dass die<br />

Bundesregierung aus den Feststellungen im Urteil des Bundesverfassungsgerichts<br />

vom 28. März 2006 für das gewerbliche<br />

Spiel in Spielhallen und Gaststätten die Konsequenzen<br />

ziehe und in gleicher Weise wie der vorliegende Staatsvertrag<br />

die notwendigen Bedingungen zum Schutz der Spieler und<br />

zur Vermeidung und Bekämpfung der Spielsucht sicherstelle.<br />

In der ständigen Rechtsprechung des Europäischen<br />

Gerichtshofs ist anerkannt, dass die Bestimmungen des<br />

EG-Vertrages über den freien Dienstleistungsverkehr auch<br />

auf Tätigkeiten Anwendung finden, die darin bestehen, den<br />

Nutzern gegen Entgelt die Teilnahme an einem Glücksspiel<br />

zu ermöglichen (EuGH, Urteile vom 24.3.1994 - C-275/92<br />

- ,,Schindler“, zu Lotterien, vom 13.11.2003 - C-42/02 -<br />

„Lindman“, und vom 21.10.1999 - C-67/98 - ,,Zenatti“).<br />

Nationale Regelungen, die bestimmten Einrichtungen das<br />

Recht zur Annahme von Wetten über Sportereignisse vorbehalten<br />

und dadurch die Veranstalter aus anderen Mitgliedstaaten<br />

direkt oder indirekt daran hindern, selbst Wetten anzunehmen,<br />

stellen, selbst wenn sie unterschiedslos anwendbar sind,<br />

ein Hindernis für die Dienstleistungsfreiheit dar (EuGH,<br />

Urteil v. 21.10.1999, „Zenatti“).<br />

Derartige Einschränkungen der Dienstleistungsfreiheit<br />

sind allerdings nach der Rechtsprechung des Europäischen<br />

Gerichtshofs dann gerechtfertigt, wenn sie auf zwingende<br />

Gründe des Allgemeininteresses gestützt sind, geeignet sind,<br />

die Verwirklichung der mit ihr verfolgten Ziele zu gewährleisten,<br />

nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung<br />

dieser Ziele erforderlich ist und nicht in diskriminierender<br />

Weise angewandt werden (vgl. EuGH, Urteil vom 6.11.2003<br />

- C-243/01 - ,,Gambelli“; Urteil vom 06.03.2007,- C-338/04-<br />

,,Placanica u.a.“).<br />

Hiervon ausgehend ist in der Rechtsprechung des<br />

Europäischen Gerichtshofs anerkannt, dass das Bedürfnis<br />

nach Verbraucherschutz, das Ziel der Betrugsvorbeugung und<br />

die Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu überhöhten<br />

Ausgaben für das Spielen im Grundsatz zwingende Gründe<br />

des Allgemeininteresses bilden können, die eine Beschränkung<br />

von Spieltätigkeiten rechtfertigen können, und dass die sittlichen,<br />

religiösen oder kulturellen Besonderheiten und die sittlich<br />

und finanziell schädlichen Folgen für den Einzelnen wie<br />

für die Gesellschaft, die mit Spielen und Wetten einhergehen,<br />

den staatlichen Stellen ein Ermessen vermitteln konnen, das<br />

sie ermächtigt festzulegen, welche Erfordernisse sich aus dem<br />

Schutzbedürfnis der Verbraucher und der Sozialordnung ergeben<br />

(vgl. EuGH, Urteile vom 21.9.1999 - C-124/97 - „Läärä“,<br />

vom 21.10.1999 - C-67/98 - „Zenatti“ and vom 6.11.2003<br />

- C-243/01 - „Gambelli“).


VG Schleswig-Holstein, Vorlagebeschluss vom 30.01.2008<br />

Das schließt die Befugnis des einzelnen Mitgliedstaates<br />

ein, nach eigenem Ermessen zu entscheiden, inwieweit er<br />

auf seinem Gebiet den Schutz bei Lotterien und anderen<br />

Glückspielen ausdehnen will, wobei allein der Umstand, dass<br />

ein Mitgliedstaat ein anderes Schutzsystem als ein anderer<br />

Mitgliedstaat gewählt hat, keinen Einfluss auf die Beurteilung<br />

der Notwendigkeit und der Verhältnismäßigkeit der einzelnen<br />

Bestimmungen haben kann.<br />

Steht es danach im Ermessen des jeweiligen Mitgliedstaates,<br />

die Ziele seiner Politik auf dem Gebiet der Glücksspiele<br />

festzulegen und gegebenenfalls das angestrebte Schutzniveau<br />

genau zu bestimmen, so ist er grundsützlich auch befugt, ein<br />

staatliches Monopol für die Veranstaltung von Glücksspielen<br />

zu begründen, vorausgesetzt, die insoweit getroffenen<br />

Regelungen genügen den sich aus der Rechtsprechung des<br />

Europäischen Gerichtshofs ergebenden Anforderungen hinsichtlich<br />

ihrer Verhältnismäßigkeit (vgl. EuGH, Urteil vom<br />

21.9.1999 - C-124/97 - „Läärä“ - Rn. 39 -).<br />

Zu diesen Anforderungen gehört, dass Beschränkungen der<br />

Spieltätigkeiten, die auf Gründe des Verbraucherschutzes, der<br />

Betrugsvorbeugung und der Vermeidung von Anreizen für die<br />

Bürger zu überhöhten Ausgaben für das Spielen sowie auf die<br />

Notwendigkeit gestützt sind, Störungen der sozialen Ordnung<br />

vorzubeugen, auch geeignet sind, die Verwirklichung dieser<br />

Ziele in dem Sinne zu gewährleisten, dass sie „kohärent und<br />

systematisch zur Begrenzung der Wetttätigkeiten beitragen“<br />

(EuGH, Urteil v. 06.11.2003, ,,Gambelli“, Rn.67). In seiner<br />

Entscheidung vom 06.03.2007 (,,Placanica“) hat der EuGH<br />

hinsichtlich der die Beschränkungen rechtfertigenden Ziele<br />

eines Mitgliedstaates unterschieden zwischen einerseits dem<br />

Ziel, die Gelegenheiten zum Spiel zu vermindern und andererseits<br />

dem Ziel der Vorbeugung von Straftaten durch staatliche<br />

Kontrolle der in diesem Sektor tätigen Wirtschaftsteilnehmer.<br />

In Bezug auf das erste Ziel hat der EuGH nochmals ausgeführt,<br />

dass Beschränkungen der Wirtschaftsteilnehmer zwar<br />

zur Verwirklichung dieses Ziels grundsätzlich gerechtfertigt<br />

sein konnen, aber in jedem Fall dem Anliegen gerecht werden<br />

mussten, die Gelegenheiten zum Spiel wirklich zu vermindern<br />

und die Tätigkeiten in diesem Bereich kohärent und<br />

systematisch zu begrenzen (Rn. 53).<br />

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze stellt sich dem<br />

vorlegenden Gericht nachdrücklich die Frage, ob das nach<br />

nationalem Recht errichtete staatliche Sportwettenmonopol<br />

zur Verwirklichung des als maßgeblich genannten Ziels der<br />

Spielsuchtbekämpfung diesen europarechtlichen Vorgaben<br />

einer kohärenten und systematischen Begrenzung nachkommt.<br />

Dies könnte nämlich dann nicht der Fall sein, wenn alle rechtlichen<br />

Regelungen und tatsächlichen Ausgestaltungen eines<br />

Mitgliedstaats zum gesamten Glücksspielrecht und nicht<br />

nur die das Sportwetten- und Lotteriemonopol betreffenden<br />

Vorschriften der Beurteilung einer systematischen und kohärenten<br />

Spielbegrenzung zugrunde zu legen sind.<br />

Diese Auffassung vertritt die Kammer.<br />

Vorliegend ist bereits im rechtlichen Regelungsrahmen des<br />

rechtsprechung<br />

Glücksspielrechts in Deutschland von einer Inkonsistenz der<br />

Verwirklichung an sich legitimer Zielsetzung auszugehen.<br />

Ausgehend von dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse,<br />

wie sie auch vom BVerfG in seiner Entscheidung vom<br />

28.03.2006 zugrunde gelegt wurden, weisen Automatenspiele<br />

das große Spielsuchtgefährdungspotential auf (Hayer/Meyer,<br />

Journal of Public Health 2004, Seite 293, 296).<br />

Gleichwohl hat der Bundesminister für Wirtschaft durch<br />

Änderung der für Automatengewinnspiele geltenden und auf<br />

der Grundlage des § 33f Abs.1 GewO erlassenen SpielV (BGBI.<br />

I. 2006, 280) mit Wirkung vom 01.01.2006 Weiterungen im<br />

gewerblichen Automatenspielbetrieb zugelassen. So wurde<br />

die Zahl der zulässigen Geld- und Warenspielgerate in einer<br />

Gaststätte von 2 auf 3 erhöht, die Mindestquadratmeterzahl<br />

pro Gerät in einer Spielhalle von 15m 2 auf 12m 2 verringert<br />

und die Anzahl der Geräte in einer Spielhalle von 10 auf<br />

12 erhöht. Gleichermaßen wurde die Mindestspieldauer pro<br />

Gerät von 12 auf 5 sec. reduziert und die Verlustgrenze von<br />

60 auf 80 € heraufgesetzt.<br />

Auf diesen Widerspruch zu der dem Staatsvertrag zugrunde<br />

liegenden Zielsetzung der Spielsuchtbekämpfung wird auch<br />

im Erläuterungsbericht zum Staatsvertrag hingewiesen, wenn<br />

es dort auf S.8 heißt: „ Die Länder gehen jedoch davon aus,<br />

dass der Bund aus den Feststellungen des BVerfG im Urteil<br />

vom 28.03.2006 für das gewerbliche Spiel in Spielhallen<br />

und Gaststätten die Konsequenzen zieht und in gleicher<br />

Weise wie der vorliegende Staatsvertrag die notwendigen<br />

Bedingungen zum Schutz der Spieler und zur Vermeidung<br />

und Bekämpfung der Spielsucht sicherstellt.“<br />

Weiterhin kommt hinzu, dass ein anderer Bereich der<br />

Sportwetten vom Geltungsbereich des Glücksspielstaatsvertrages<br />

ausgenommen ist und eine von der staatlichen<br />

Monopolregelung abweichende rechtliche Ausgestaltung enthält.<br />

Wetten aus Anlass öffentlicher Leistungsprüfungen<br />

und der Totalisatorbetrieb anlässlich von Pferderennen sind<br />

geregelt durch das Rennwett- und Lotteriegesetz des Bundes.<br />

Dieses lässt gewerbsmäßig betriebene Wetten zu.<br />

Nach Ansicht der Kammer können föderale Besonderheiten<br />

der Gesetzgebungskompetenz von Bund und Ländern nicht<br />

die Begründung für ein staatliches Glücksspielmonopol bezogen<br />

auf einen Sektor möglicher Glücksspiele rechtfertigen,<br />

zumal der Bundesgesetzgeber über Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG<br />

über die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit hinsichtlich<br />

des Sportwetten- und Lotteriewesens verfügt.<br />

Nach Ansicht der Kammer wird auch in dem ergänzenden<br />

Aufforderungsschreiben der Kommission im Vertragsverletzungsverfahren<br />

(Nr. 2003/4350) unter Rn. 38 hinsichtlich<br />

der Widersprüchlichkeit staatlicher Zielsetzungen zur<br />

Monopolbegründung einerseits und tatsächlichen staatlichen<br />

Verhalten als Anbieter von Spielmöglichkeiten zu Recht darauf<br />

hingewiesen, dass trotz eines erhöhten Spielsuchtgefährdungspotentials<br />

von Casinospielen weiterhin eine expansive<br />

Politik der Behörden in Deutschland zu verzeichnen ist. So<br />

feBruAr 2008 ZfWG 73


echtsprechung Rechtsprechung Kompakt<br />

habe sich die Anzahl der erlaubten Casinos allein vom Jahr<br />

2000 bis zum Jahr 2005 von 66 auf 81 erhöht.<br />

Hinsichtlich der Frage der kohärenten und systematischen<br />

Begrenzung der Wetttätigkeit vermag das erkennende Gericht<br />

daher nicht zu erkennen, dass den Anforderungen des<br />

EuGH an den Erlass einer zulässigen Beschränkung Genüge<br />

getan worden wäre. Ersichtlich fehlt es bislang an einer<br />

Gesamtschau der zugelassenen bzw. erlaubten Angebote von<br />

Glücksspielen. Nur eine solche Gesamtschau kann dem zur<br />

Entscheidung berufenen Gesetzgeber die Möglichkeiten eröffnen,<br />

die angenommenen Gefahren der Spiel und Wettsucht<br />

für den Einzelnen wie die Gesellschaft zu erfassen und für<br />

eine Abhilfe Sorge zu tragen.<br />

Entgegen der Ansicht des Oberverwaltungsgerichts Hamburg<br />

im Beschluss vom 9. März 2007 (Az 1 Bs 378/06, DVGI.<br />

2007, 647) ergibt sich aus der Entscheidung des EuGH vom<br />

6. März 2007 keine Trennung des Marktes in verschiedene<br />

Glücksspielsektoren. Steht Art. 49 EG einer Beschränkung<br />

des freien Dienstleistungsverkehrs grundsätzlich entgegen, so<br />

sind Ausnahmen hiervon eng zu fassen und bedürfen besonderer<br />

Begründung. Das Gericht versteht daher die bisherige<br />

Rechtsprechung des EuGH im Sinne der Notwendigkeit<br />

einer umfassenden Begründungspflicht einer beabsichtigten<br />

Beschränkung unter Berücksichtigung aller in Betracht zu<br />

ziehenden Formen von Glücksspielen.<br />

Bei der Betrachtung des einheitlichen Glücksspielsektors<br />

müssen demnach nicht nur die Sportwetten der hier im<br />

Vordergrund stehenden Ausgestaltung (Sportwetten privater<br />

Ausrichtung sowie des staatlichen Angebots ,,Oddset“), sondern<br />

auch die sonstigen vielfältigen Formen des Glücksspiels<br />

1. Verwaltungsgericht Düsseldorf<br />

Urteil vom 09.10.2007 – 3 K 4545/05 –<br />

Die Klägerinnen sind aufgrund der ihnen in Großbritannien<br />

und Malta erteilten Genehmigungen nicht berechtigt,<br />

Sportwetten über das Internet in Nordrhein-Westfalen<br />

zu veranstalten und durchzuführen; erforderlich ist hierfür<br />

vielmehr eine nordrhein-westfälische Erlaubnis. Die<br />

Klägerinnen hatten weder zum damaligen Zeitpunkt, noch<br />

zum heutigen Zeitpunkt einen Anspruch auf die begehrten<br />

Erlaubnisse.<br />

2. Verwaltungsgericht Oldenburg<br />

Beschluss vom 07.12.2007 – 12 B 2908/07 –<br />

Die Vermittlung von Sportwetten oder das bewusste<br />

Dulden einer solchen durch den Betreiber einer Gaststätte<br />

ohne die erforderliche Erlaubnis gem. § 3 NLottG ist<br />

als Betreiben bzw. Vorschubleisten eines verbotenen<br />

74 ZfWG feBruAr 2008<br />

Berücksichtigung finden.<br />

Hiervon scheint auch der EFTA-Gerichtshof in seiner<br />

Entscheidung vom 30.05.2007 zum norwegischen<br />

Glücksspielmonopol (Ladbrokes Ltd./Norwegen, Case E-<br />

3/06) auszugehen, wenn er dort ausführt, das Gericht müsse<br />

,,die Konsistenz der Spielpolitik beurteilen, von der das Norsk<br />

Tipping eingeräumte Monopol einen Teil bildet“ (vgl. dazu<br />

Winkelmüller, GewArch 2007, 411 (412)).<br />

Die Vorlagenfragen zu c) und d) werden für den Fall<br />

gestellt, dass sich das staatliche Veranstaltungsmonopol<br />

für Sportwetten als europarechtswidrige Beschränkung der<br />

Dienstleistungsfreiheit erweist. Nur in diesem Fall erlangen<br />

die Regelungen über die Ausgestaltung beschränkender<br />

Maßnahmen wie das Veranstaltungs- und Vermittlungsverbot<br />

im Internet (§ 4 Abs. 4 GlüStV) grenzüberschreitende und<br />

damit europarechtsrelevante Bezüge.<br />

In diesem Fall hält die Kammer indes sowohl die Regelung<br />

über den Ausschluss eines Rechtsanspruchs für die Erteilung<br />

einer Erlaubnis gemäß § 4 Abs. 2 S. 3 GlüStV und das Verbot<br />

nach § 4 Abs. 4 GlüStV für nicht geeignet, den Zielen des<br />

Jugendschutzes und der Bekämpfung von Suchtgefahren<br />

Rechnung zu tragen. Die Kammer folgt insoweit den<br />

europarechtlichen Bedenken, wie sie in der ausführlichen<br />

Stellungnahme der Kommission an die Bundesrepublik<br />

Deutschland im Notifizierungsverfahren (Notifizierung<br />

2006/658/D) zum Entwurf des Staatsvertrages zum<br />

Glücksspielwegen geäußert worden sind.<br />

[...]<br />

iv. rechtsprechung koMpAkt<br />

Glücksspiels im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 1 GastG anzusehen.<br />

Die einem ausländischen Wettunternehmen, für<br />

das die Vermittlungen vorgenommen werden, erteilte EGausländische<br />

Konzession ersetzt die nach dem NLottG<br />

erforderliche Erlaubnis nicht.<br />

Die Regelungen des NLottG zum staatlichen Wettmonopol<br />

sind trotz ihrer vom Bundesverfassungsgericht (Urteil vom<br />

28. März 2006 - 1 BvR 1054/01 - NJW 2006, 1261) festgestellten<br />

Verfassungswidrigkeit solange anwendbar bis<br />

sie durch den Anforderungen der Verfassung entsprechende<br />

Regelungen ersetzt sind, die bis spätestens zum 31.<br />

Dezember 2007 geschaffen sein müssen. Hierzu liegt der<br />

Entwurf des Nds. Glücksspielsgesetzes vor.<br />

3. Landgericht Frankfurt a. M.<br />

Urteil vom 10.12.2007 – 3-11 O 149/07 –<br />

Der Begriff „Casino“ bzw. „Kasino“ kann im Bereich des


Rechtsprechung Kompakt<br />

Glücksspiels nicht allgemein mit einer staatlich konzessionierten<br />

Spielbank gleichgesetzt werden. Vielmehr versteht<br />

die Verkehrsauffassung auch bloße Spielhallen bzw.<br />

Spielstätten, in denen nicht das klassische Glücksspiel<br />

einer Spielbank angeboten wird, hinterunter.<br />

Die Bewerbung einer Spielhalle bzw. Spielstätte mit dem<br />

Begriff „Casino“ bzw. „Kasino“ ist daher nicht irreführend<br />

iSv. § 5 UWG, wenn die Bewerbung in räumlicher<br />

Nähe zur Spielhalle bzw. Spielstätte geschieht.<br />

Erfolgt die Bewerbung einer Spielhalle bzw. Spielstätte<br />

mit dem Begriff „Casino“ bzw. „Kasino“ hingegen<br />

in einer Print-Anzeige (u.a. mit einem abgebildeteten<br />

Roulettekessel), so ist die erforderliche räumliche Nähe<br />

nicht mehr gegeben. In einem solchen Fall liegt eine<br />

wettbewerbswidrige Irreführung vor.<br />

4. Verwaltungsgericht Karlsruhe<br />

Urteil vom 17.12.2007 – 3 K 2901/06 –<br />

Wird einem im Internet tätigen Sportwettenveranstalter<br />

„untersagt, in Baden-Württemberg Glücksspiel und insbesondere<br />

Sportwetten zu veranstalten, zu vermitteln, hierfür<br />

zu werben oder solche Tätigkeiten zu unterstützen“, wird<br />

von ihm die vollständige Unterbindung des Abschlusses von<br />

Sportwetten durch Unterlassung der Sportwettenvermittlung<br />

und nicht lediglich die Errichtung von Hindernissen für<br />

Wettinteressenten verlangt.<br />

Es reicht nicht aus, wenn er die Wettangebote ausdrücklich<br />

und eindeutig dahin einschränkt, dass diese sich künftig nicht<br />

mehr an Wettinteressierte in Baden-Württemberg richten,<br />

dass er darauf hinweist, dass Wetten aus Baden-Württemberg<br />

von ihm auch nicht vermittelt werden, dass er tatsächlich<br />

auch so verfährt und durch eine entsprechende Gestaltung der<br />

von ihm zu verantwortenden Internetseite zunächst entsprechende<br />

Erklärungen der Wettinteressierten einfordert (vgl.<br />

Bay. VGH, Beschl. v. 07.05.2007 - 24 CS 07.10 - und Hess.<br />

VGH, Beschl. v. 29.10.2007 - 7 TG 53/07 -; a. A. VGH Bad.-<br />

Württ., Beschl. v. 05.11.2007 - 6 S 2223/07 - und Sächs. OVG,<br />

Beschl. v. 12.12.2007 - 3 BS 286/06 -).<br />

Einem im Internet tätigen Sportwettenveranstalter ist es aus<br />

technischen Gründen nicht möglich, ausschließlich Spieler<br />

in Baden-Württemberg von seinem Internetangebot auszuschließen.<br />

5. Oberverwaltungsgericht Thüringen<br />

Beschluss vom 19.12.2007 – 5 E 1523/06 –<br />

Angesichts der Zweifel zum vollzugsfähigen Inhalt der<br />

Regelungen der Grundverfügung einerseits und hinsichtlich<br />

der möglichen Vollstreckung des Gebotenen andererseits,<br />

die den Ausgang des Hauptsacheverfahrens insgesamt als<br />

zumindest offen erscheinen lassen, kann ein rechtfertigendes<br />

Vollzugsinteresse, vorläufig vor eintritt der Bestandskraft die<br />

rechtsprechung<br />

Verfügung durchsetzen zu können, nicht anerkannt werden.<br />

Es bestehen Zweifel an einer derzeit hinreichenden und in<br />

zumutbarer Weise umsetzbaren technischen Möglichkeit, um<br />

dem Unterlassungsgebot nachzukommen.<br />

6. Verwaltungsgericht Aachen<br />

Urteil vom 20.12.2007 – 8 K 110/07 –<br />

Die Bewerbung privater Sportwetten im Internet ist verboten.<br />

Die privaten Sportwettenveranstaltern aufgrund des<br />

Gewerbegesetzes der DDR erteilten Gewerbegeneh-<br />

migungen gelten in Nordrhein Westfalen nicht.<br />

Die normativen Vorgaben des Bundesverfassungsge-<br />

richts begründen eine Übergangsrechtslage, die in kohärenter<br />

und systematischer Weise das Ziel verfolgt, die Spiel- und<br />

Wettsucht einzudämmen.<br />

7. Verwaltungsgericht Stuttgart<br />

Beschluss vom 07.01.2008 – 4 K 6081/07 –<br />

Der Antragsstellerin ist es angesichts durchgreifender gemeinschaftsrechtlicher<br />

Bedenken gegen die gegenwärtige nationale<br />

Rechtslage und Verwaltungspraxis vor einer Entscheidung des<br />

Europäischen Gerichtshofs nicht zuzumuten, die angegriffene<br />

Verfügung befolgen.<br />

8. Verwaltungsgericht Frankfurt a. M.<br />

Beschluss vom 09.01.2008 – 7 G 4107/07 –<br />

Dem Eilantrag ist stattzugeben, da der Ausgang des<br />

Widerspruchs- bzw. eines sich gegebenenfalls anschließenden<br />

Klageverfahrens weiterhin offen erscheint.<br />

Allerdings hält die Kammer auch weiterhin an ihrer Auffassung<br />

fest, dass unter den gegenwärtig gegebenen Bedingungen<br />

es nach nationalem deutschem Recht keinen durchgreifenden<br />

rechtlichen Bedenken unterliegt, die Vermittlung von<br />

Sportwetten sofort vollziehbar zu untersagen.<br />

9. Oberlandesgericht Celle<br />

Urteil vom 10.01.2008 – 13 U 118/07 –<br />

Für die Tatbestandsmäßigkeit des § 4 Nr. 6 UWG ist es<br />

ohne Belang, ob der Veranstalter des Gewinnspiels an dem<br />

Absatz der Waren oder Dienstleistungen, mit deren Erwerb<br />

die Teilnahme an dem Gewinnspiel gekoppelt ist, partizipiert<br />

oder nicht.<br />

feBruAr 2008 ZfWG 75


echtsprechung<br />

10. Verwaltungsgericht Halle<br />

Beschluss vom 30.01.2008 – 3 B 881/07 –<br />

Bei der streitbefangenen Tätigkeit handelt es sich um<br />

unter Strafe gestelltes Verhalten, gegen das mit der auf der<br />

damals maßgeblichen Rechtsgrundlage des Staatsvertrages<br />

zum Lotteriewesen mit der hier streitgegenständlichen<br />

Ordnungsverfügung vorgegangen werden konnte und auf<br />

den neueren Rechtsgrundlagen auch weiterhin vorgegangen<br />

werden kann.<br />

Zu erwartende Einflussnahmen über den EuGH oder andere<br />

Organe der EU oder sonstiger Stellen vermögen an dem<br />

gegenwärtigen Befund der Strafbarkeit nichts zu ändern. Die<br />

Entwicklungen müssen vom beschließenden Gericht erst<br />

Recht nicht abgewartet werden.<br />

11. Verwaltungsgericht Minden<br />

Beschluss vom 30.01.2008 – 3 K 1572/06 –<br />

In dem für die Kostenentscheidung maßgeblichen Zeitpunkt<br />

der Betriebsschließung im November 2006 war die angefochtene<br />

Ordnungsverfügung des Beklagten vom 15.07.2005 in der<br />

Schriftleitung:<br />

RA Matthias Steegmann (verantwortlich)<br />

Görresstrasse 1 • 50674 Köln<br />

Tel.: 0221-95190386 • E-Mail: steegmann@sportverlag.de<br />

Einreichung der Manuskripte:<br />

DSV Deutscher Sportverlag<br />

Schriftleitung:<br />

• ZfWG - Zeitschrift für Wett- und<br />

Glücksspielrecht<br />

RA Matthias Steegmann (verantwortlich)<br />

Elena Kawadopulos<br />

Görresstrasse 1 • 50674 Köln<br />

Im Mediapark 8 • 50670 Köln<br />

Tel.: 0221-95190386 • E-Mail: steegmann@sport-<br />

Tel.:0221/2587-300 verlag.de<br />

E-mail: ZfWG@sportverlag.de<br />

Einreichung der Manuskripte:<br />

Manuskripte:<br />

DSV Deutscher Sportverlag • ZfWG - Zeitschrift<br />

Der Verlag haftet nicht für für Manuskripte, Wett- und Glücksspielrecht<br />

die unverlangt eingereicht werden.<br />

Sie können nur zurückgegeben Elena werden, Kawadopulos wenn Rückporto beigefügt ist. Die<br />

Annahme zur Veröffentlichung Im muss Mediapark schriftlich 8 • 50670 erfolgen. Köln Mit der Annahme zur<br />

Veröffentlichung überträgt der Tel.:0221/2587-300<br />

Autor dem Verlag das ausschließliche Verlagsrecht<br />

für die Zeit bis zum Ablauf des E-mail: Urheberrechts. ZfWG@sportverlag.de<br />

Eingeschlossen sind insbesondere<br />

auch das Recht zur Herstellung elektronischer Versionen und zur Einspeicherung<br />

in Datenbanken sowie das Recht Manuskripte: zu deren Vervielfältigung und Verbreitung online<br />

oder offline ohne zusätzliche Der Vergütung. Verlag haftet nicht für Manuskripte, die unver-<br />

Nach Ablauf eines Jahres kann langt eingereicht der Autor werden. anderen Sie Verlagen können nur eine zurückge- einfache<br />

Abdruckgenehmigung erteilen; geben das Recht werden, an wenn der elektronischen Rückporto beigefügt Version verbleibt ist. Die<br />

beim Verlag.<br />

Annahme zur Veröffentlichung muss schriftlich<br />

Urheber- und Verlagsrechte:<br />

Alle in dieser Zeitschrift veröffentlichten Beiträge sind urheberrechtlich geschützt.<br />

Das gilt auch für die veröffentlichten Gerichtsentscheidungen und ihre Leitsätze,<br />

denn diese sind geschützt, soweit Sie vom Einsender oder von der Schriftleitung<br />

erarbeitet oder redigiert worden sind. Der Rechtschutz gilt auch gegenüber<br />

Datenbanken und ähnlichen Einrichtungen. Kein Teil dieser Zeitschrift darf<br />

außerhalb der engen Grenzen des Urheberechtsgesetzes ohne schriftliche<br />

Genehmigung des Verlags in irgendeiner Form - durch Fotokopie, Mikrofilm,<br />

oder andere Verfahren- reproduziert oder in eine von Maschinen, insbesondere<br />

von Datenverarbeitungsanlagen verwendbare Sprache übertragen werden.<br />

Anzeigen:<br />

DSV Deutscher Sportverlag<br />

Im Mediapark 8 • 50670 Köln<br />

Tel. 0221/2587-300 • per Fax: 0221/2587212 • E-mail: kawadopulos@sportverlag.de<br />

Anzeigenpreise:<br />

Zurzeit gilt Anzeigenpreisliste Nr.1.<br />

76 ZfWG feBruAr 2008<br />

Fassung des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung E.<br />

vom 13.04.2006 rechtswidrig.<br />

Alle sportwettenrechtlichen Untersagungsverfügungen in<br />

Nordrhein-Westfalen, die - wie hier - vor dem 19.04.2006<br />

erlassen worden sind, waren nach der Rechtsprechung des<br />

Bundesverfassungsgerichts vom 28.03.2006 bei Erlass rechtswidrig.<br />

Die Entscheidungen können im Volltext auf der Internetseite www.zfwg.de abgerufen werden oder unter Angabe der Heftnummer, des<br />

Datums, des Gerichts und des gerichtlichen Aktenzeichens beim Schriftleiter angefordert werden.<br />

Verlag:<br />

DSV Deutscher Sportverlag<br />

Im Mediapark 8 • 50670 Köln<br />

Verlagsleitung: Hans-Jörg Kaiser<br />

Sitz: Köln, HRB 27228<br />

UST.-ID-Nr.: DE 182622 406<br />

StNr.: 305/5829/0832<br />

Produktion/Layout:<br />

Elena Kawadopulos<br />

Erscheinungsweise: zweimonatlich<br />

Bezugspreise 2008:<br />

Jährlich € 129,-, (darin € 8,44 MwSt ); Einzelheft € 23,60 (darin 1,54 € MwSt );<br />

Versandkosten jeweils inklusive. Die Rechnungsstellung erfolgt zu Beginn eines<br />

Bezugzeitraums. Nicht eingegangene Exemplare können nur innerhalb von 6<br />

Wochen nach dem Erscheinungstermin reklamiert werden.<br />

Bestellung über:<br />

Bielfelder Verlag GmbH & Co. KG<br />

Leserservice ZfWG<br />

Postfach 100 653<br />

Telefon: 0521/595507<br />

E-mail: ZfWG@sportverlag.de<br />

Änderung der Adresse:<br />

Teilen Sie uns rechtzeitig Ihre Adressänderung mit. Dabei geben Sie bitte neben<br />

dem Titel der Zeitschrift die neue und die alte Adresse an.<br />

Hinweis gemäß § 7 Abs.5 der Postdienste-Datenschutzverordnung: Bei<br />

Anschriftenänderung des Beziehers kann die deutsche Post AG dem Verlag die<br />

neue Anschrift auch dann mitteilen, wenn kein Nachsendeantrag gestellt ist.<br />

Hiergegen kann der Bezieher innerhalb von 14 Tagen nach Erscheinen dieses<br />

Heftes beim Verlag widersprechen.<br />

Druckerei:<br />

Gebr. Klingenberg Buchkunst Leipzig GmbH<br />

An der Hebemärchte 6 • 04316 Leipzig<br />

Rechtsprechung Kompakt<br />

12. Verwaltungsgericht Minden<br />

Beschluss vom 22.02.2008 – 3 L 16/08 –<br />

Durch den zum 01.01.2008 in NRW in Kraft getretenen<br />

GlüStV hat sich keine Veränderung der für die Entscheidung<br />

maßgeblichen Sach- und/oder Rechtslage ergeben.<br />

Aus den rechtlichen Bedenken gegen den GlüStV folgt<br />

keine Verbesserung der Rechtsposition von privaten<br />

Sportwettenvermittlern, die eine Abänderung i.S.d. § 80 Abs.<br />

7 VwGO rechtfertigen könnte.<br />

Die Rechtslage ist auch nach der Gesetzesänderung ungeklärt.


UnsERE hERAUsgEBER<br />

Prof. Dr.<br />

Jörg Ennuschat<br />

RA Dr.<br />

Manfred Hecker<br />

Prof. Dr.<br />

Wolfgang Schild<br />

Prof. Dr. Jörg Ennuschat ist Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches<br />

und Europäisches Recht mit Schwerpunkt Verwaltungsrecht an der<br />

Universität Konstanz. Prof. Dr. Jörg Ennuschat hat bereits zahlreiche<br />

Artikel zum Thema Glücksspiel veröffentlicht.<br />

Rechtsanwalt Dr. Manfred Hecker ist Seniorpartner der Anwalts kan zlei<br />

CBH-Rechtsanwälte in Köln. Neben seiner Tätigkeit als Fach an walt<br />

für Urheber- und Medienrecht ist er auf den Bereich des Gewerb li chen<br />

Rechtsschutzes spezialisiert. Aufgrund der Vertretung einer Viel zahl<br />

der Staatlichen Lotteriegesellschaften beschäftigt er sich in erheb li chem<br />

Umfang auch mit dem Lotterie- und Glücksspielrecht. Dr. Hecker ist<br />

Au tor zahlreicher Beiträge zum Gewerblichen Rechtsschutz und Kommentator<br />

der Vorschriften über Gewinnspiele und Preisausschreiben in<br />

Fezer - Großkommentar zum Lauterkeitsrecht.<br />

Prof. Dr. Wolfgang Schild ist Inhaber des Lehrstuhls für Straf- und<br />

Strafprozessrecht, Strafrechtsgeschichte und Rechtsphilosophie an der<br />

Universität Bielefeld. Er war Mitherausgeber des Nomos – Kommentar<br />

zum StGB und hat zahlreiche Aufsätze zum Sportrecht geschrieben.<br />

FEBRUAR 2008_ZfWG III


Christina Brugger, Konstanz<br />

Prof. Dr. Johannes Dietlein, Düsseldorf<br />

Matthias Steegmann, Köln<br />

IV ZfWG_FEBRUAR 2008<br />

UnsERE AUtoREn<br />

Jahrgang 1982, Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Konstanz. Von<br />

2004 bis 2006 wissenschaftliche Hilfskraft am Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Prof. Dr.<br />

Hans Christian Röhl. Seit 2006 arbeitet sie am Lehrstuhl von Prof. Dr. Jörg Ennuschat<br />

und promoviert dort zum Thema: „Glücksspiel in den Medien“.<br />

geb. 1963 in Köln; Studium der Rechtswissenschaften an den Universitäten Bonn,<br />

Freiburg und Münster; Erste juristische Staatsprüfung 1988 in Hamm; 1991<br />

Promotion an der Universität Münster; Zweite juristische Staatsprüfung 1992 in<br />

Düsseldorf; 1998 Habilitation an der Universität Köln; Lehrstuhlvertretungen an<br />

der Universität Köln sowie der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Seit Juni<br />

1999 Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht und Verwaltungslehre; seit<br />

2003 Direktor am Zentrum für Informationsrecht; von 2004 - 2006 Prodekan; seit<br />

2006 Dekan der Juristischen Fakultät.<br />

Jahrgang 1976, Studium der Rechtswissenschaften an den Universitäten Köln und<br />

Lausanne. Nachdem er sein Referendariat im Landgerichtsbezirk Köln absolviert hat,<br />

arbeitet er seit 2006 neben seiner Promotion bei Herrn Prof. Dr. Johannes Dietlein,<br />

Universität Düsseldorf, als Rechtsanwalt in Köln. Die überwiegenden Tätigkeitsbereiche<br />

liegen hierbei im Wettbewerbs- sowie IT-Recht. Seit Juni 2007 ist er Schriftleiter<br />

der Zeitschrift für Wett- und Glücksspielrecht (ZfWG).


Wir haben Sie überzeugt?<br />

Die ZfWG wird Sie im Wett- und Glücksspielrecht auf dem Laufenden halten. Wir werden<br />

internationale und nationale Gerichtsentscheidungen sowie interessante Beiträge und<br />

Aufsätze für Sie zu einem nützlichen, aktuellen Heft auf höchstem Niveau bündeln.<br />

Ihre Vorteile:<br />

✓ Sie lesen die neuesten und<br />

wichtigsten Entscheidungen<br />

aus dem Sport-, Wett- und<br />

Glücksspielrecht<br />

✓ Sie lesen interessante<br />

Berichte vom internationalen<br />

Wettparkett<br />

✓ Sie lesen Kommentare<br />

von namhaften Autoren<br />

und Herausgebern<br />

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Bielefelder Verlag GmbH & Co KG · Zeitschrift für Wett- und Glücksspielrecht · Postfach 100 653, ·33506 Bielfeld<br />

Ja, bitte schicken Sie mir ein Jahr (6 Ausgaben) der Zeitschrift für Wett- und Glücksspielrecht zum Preis von 129 € (inkl. Versand) zu.<br />

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a u s D e M i N H a l t<br />

H e r a u s g e b e r<br />

> Prof. Dr. Jörg Ennuschat, Konstanz<br />

> RA Dr. Manfred Hecker, Köln<br />

> Prof. Dr. Wolfgang Schild, Bielefeld<br />

s c H r i f t l e i t e r<br />

> RA Matthias Steegmann, Köln<br />

PLZ / Ort ZWA121<br />

E-Mail-Adresse Telefonnummer<br />

Den Betrag von 129 € zahle ich<br />

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Aufsätze:<br />

Mess- und Bewertungsinstrumente zur Feststellung<br />

des Gefährdungspotenzials von Glücksspielprodukten<br />

Von dem Wissenschaftlichen Forum > Seite 1<br />

Die Gesetzgebungszuständigkeit der Länder für das<br />

Spielhallenwesen - Kompetenzielle und materielle<br />

Fragen des neuen Art. 74 I Nr. 11 GG<br />

Von Prof. Dr. Johannes Dietlein, Düsseldorf > Seite 12<br />

Die Erlaubnispflichtigkeit von Glücksspielen<br />

nach dem neuen Staatsvertrag<br />

Von Christina Brugger, Konstanz > Seite 20<br />

Dokumente:<br />

Aufforderungsschreiben der EU-Kommission<br />

vom 31.01.2008 im Vertragsverlet-<br />

zungsverfahren Nr. 2007/4866 > Seite 32<br />

Rechtsprechung:<br />

Bundesverfassungsgericht<br />

Beschluss vom 27.12.2007 – 1 BvR 3082/06 – > Seite 42<br />

Bundesverfassungsgericht<br />

Beschluss vom 21.01.2008 – 1 BvR 2320/00 – > Seite 44<br />

Oberverwaltungsgericht Niedersachsen<br />

Beschluss vom 10.01.2008 – 11 ME 479/07 – > Seite 48<br />

Verwaltungsgericht Schleswig-Holstein<br />

Vorlagebeschluss vom 30.01.2008 – 12 A 102/06 – > Seite 69<br />

01.08<br />

<strong>JaNuar</strong>/<strong>februar</strong><br />

Datum Unterschrift<br />

Nach Ablauf des 1. Jahres kann ich mein Abo jederzeit kündigen, mit Geld-zurück-Garantie für schon bezahlte, aber noch nicht gelieferte Ausgaben. Dieses Angebot gilt<br />

nur für Deutschland.<br />

DSV Deutscher Sportverlag GmbH<br />

Zeitschrift für Wett-und Glücksspielrecht<br />

Im Mediapark 8 · 50670 Köln www.ZfWG.de<br />

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DSV Deutscher Sportverlag<br />

Sport boomt. In der Rangliste der umsatzstärksten Unternehmensbereiche der Republik ist die Sportwirtschaft bereits auf<br />

den achten Platz geklettert. Rund 30 Milliarden Euro bewegt die Bewegung pro Jahr.<br />

Der Boom hat einen leistungsfähigen Partner – den DSV Deutscher Sportverlag. Das Kölner Verlagshaus geht jeden Monat mit<br />

über 500.000 Exemplaren einer ganzen Palette von Special-Interest- Titeln an den Start.<br />

40 Sportjournalisten berichten, analysieren, kommentieren und glossieren Ereignisse und Ergebnisse aus der Welt des Sports.<br />

Mehr als 50 ständige Mitarbeiter beliefern das Verlagshaus mit Reportagen und Recherchen. Weltweit arbeiten mehr als<br />

500 Korrespondenten für den DSV.<br />

Die Faszination Sport ist unsere Profession: Pferdesport, Handball, Basketball, Leichtathletik, Radsport, Boxen, Olympia, Fußball,<br />

Formel 1 – als Zeitschrift, Magazin oder Buch – der DSV ist mittendrin und mit viel Engagement dabei.<br />

Der DSV. Kennen Sie einen sportlicheren Verlag?<br />

Wir schätzen den Boom. Wir arbeiten hart für den Erfolg. Wir lieben Herausforderungen.<br />

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Im Mediapark 8 . 50670 Köln<br />

Telefon: 02 21/25 87-1 11<br />

Telefax: 02 21/25 87-2 22<br />

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