homöopathie im dialog mit schulmedizinischen ... - Dr. Geigenberger
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titelthema Herz-kreislauf-bescHwerden<br />
„HomöopatHie <strong>im</strong> Dialog <strong>mit</strong><br />
scHulmeDiziniscHen aspekten“<br />
Bluthochdruck in der homöopathischen Praxis – eine Einführung<br />
Autorin <strong>Dr</strong>. med. Elisabeth <strong>Geigenberger</strong><br />
Das Herz ist ein besonderes Organ: Es schlägt unermüdlich, ohne jemals eine Verschnaufpause einzulegen<br />
und es ist gänzlich unanfällig gegen Krebs.<br />
6 HomöopatHie ZeitscHrift Elisabeth <strong>Geigenberger</strong> / Einführung Hypertonie / HZ III 2010 / S.6-17<br />
Elisabeth <strong>Geigenberger</strong> / Einführung Hypertonie / HZ III 2010 / S.6-17<br />
Herz-kreislauf-bescHwerden titelthema<br />
Nach wie vor stehen Herz-Kreislauf-Erkrankungen hinter bösartigen Tumoren an zweiter und dritter<br />
Stelle der Todesursachenstatistik des Statistischen Bundesamtes Deutschland in Wiesbaden. Im<br />
Jahr 2006 wurde „bei nahezu jedem zweiten Verstorbenen (149 578 Männer und 209 375 Frauen)<br />
der Tod durch eine Erkrankung des Herz-Kreislauf-Systems ausgelöst. Hieran starben insbesondere<br />
ältere Menschen: über 91 % der Verstorbenen waren über 65 Jahre alt. Da Frauen <strong>im</strong> Durchschnitt<br />
älter werden als Männer, starben diese entsprechend häufiger an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung.<br />
Einem Herzinfarkt beispielsweise erlagen 64 796 Personen, davon waren 55 % Männer (35 631<br />
Verstorbene) und 45 % Frauen (29 165 Verstorbene).“ (1)<br />
Dieser Sachverhalt bestätigt sich insofern in unseren<br />
Praxen, als wir täglich Patienten sehen, die<br />
an Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems leiden<br />
oder zumindest entsprechende Risikofaktoren aufweisen,<br />
für deren Behandlung sie sich eine homöopathische<br />
Therapie wünschen.<br />
Im folgenden Artikel werden am Beispiel der arteriellen<br />
Hypertonie als einem der wichtigsten Risikofaktoren<br />
für kardiovaskuläre Erkrankungen die<br />
Möglichkeiten und Grenzen der homöopathischen<br />
Behandlung beschrieben. Dazu werden zunächst die<br />
theoretischen Grundlagen des Krankheitsbildes und<br />
die aktuell geltenden medizinischen Diagnose-Richtlinien<br />
erklärt. Die schulmedizinische Therapie wird<br />
ebenfalls vorgestellt, weil wir sie vor allem dann<br />
kennen und einschätzen können müssen, wenn der<br />
Patient bereits eine Vielzahl Blutdruck senkender<br />
Medikamente einn<strong>im</strong>mt, wenn er zu uns kommt.<br />
Das anschließende homöopathische Fallbeispiel<br />
beschreibt einen für meine Praxis typischen Behandlungsverlauf<br />
bei einer schulmedizinisch anbehandel-<br />
Tabelle 1<br />
ten Hypertonie-Patientin.<br />
Daneben werden auch diätetische Maßnahmen vorgestellt,<br />
die in Kombination <strong>mit</strong> einer Konstitutionsbehandlung<br />
verordnet werden können und die den<br />
homöopathischen Heilungsprozess unterstützen sollen<br />
(das Thema „Diätetik“ ist Schwerpunkt in unserem<br />
nächsten Heft: HZ I/2011).<br />
Arterielle Hypertonie<br />
Theorie<br />
Definition: Als arterielle Hypertonie wird eine dauerhafte<br />
Blutdruckerhöhung auf Werte von > 140<br />
mmHg (systolisch) und / oder > 90 mmHg (diastolisch)<br />
bezeichnet. Die unterschiedlichen Schweregrade sind<br />
in Tabelle 1 dargestellt.<br />
Tabelle 1: Klassifikation der arteriellen Hypertonie<br />
(nach den Leitlinien der Deutschen Hochdruckliga 2008)<br />
Wenn beide Werte in unterschiedliche Klassifikationsstufen<br />
fallen, zählt die höhere Stufe.<br />
Blutdruck-Klassifikation Systolisch Diastolisch<br />
Opt<strong>im</strong>al < 120 < 80<br />
normal 120-129 80-84<br />
Hoch normal 130-139 85-89<br />
Hypertonie (leicht – stufe 1) 140-159 90-99<br />
Hypertonie (<strong>mit</strong>telschwer – stufe 2) 160-179 100-109<br />
Hypertonie (schwer – stufe 3) > 180 > 110<br />
isolierte systolische Hypertonie > 140 < 90<br />
HomöopatHie ZeitscHrift 7
titelthema Herz-kreislauf-bescHwerden<br />
Tabelle 2<br />
1. Kardiovaskuläre Risikofaktoren:<br />
• Höhe des systolischen und diastolischen blutdrucks<br />
• alter (♂ > 55 Jahre, ♀> 65 Jahre)<br />
• rauchen<br />
• dyslipidämie<br />
• Positive familienanamnese<br />
• diabetes mellitus<br />
• abdominelle adipositas (♂> 102cm, ♀> 88cm)<br />
• crP > 2mg/dl<br />
2. Parameter für endorganschäden:<br />
• linksherzhypertrophie<br />
• arterienwandverdickung und / oder arteriosklerotische<br />
Plaques<br />
• Mikroalbuminurie<br />
• Verminderte kreatinin-clearence<br />
• erhöhte Pulswellengeschwindigkeit<br />
• Verminderter knöchel-arm-index (abi)<br />
3. Diabetes mellitus<br />
• Plasmaglukose nüchtern > 7,0 mmol/l (126 mg/dl)<br />
• Plasmaglukose postprandial > 11,0 mmol/l (198 mg/dl)<br />
4. Klinisch manifeste kardiovaskuläre erkrankungen<br />
• koronare Herzerkrankung (kHk)<br />
• chronische Herzinsuffizienz<br />
• schlaganfall oder Tia<br />
• Periphere Gefäßerkrankungen (paVk)<br />
• chronische nierenerkrankungen<br />
(Quelle: www.hochdruckliga.de: Aktuelle Leitlinien (2008) der<br />
Deutschen Hochdruckliga)<br />
Tabelle 3: blutdruck (mmHg)<br />
andere risikofaktoren (rf) und<br />
erkrankungen<br />
stufe 1<br />
(leichte Hypertonie)<br />
sbd 140-159<br />
dbd 90-99<br />
Als Sonderform ist die isolierte systolische Hypertonie<br />
(ISH) anzusehen, die genauso behandlungsbedürftig<br />
ist wie die Erhöhung beider Werte.<br />
Zielwerte für Diabetes-Patienten: RR: 130-139/80-85<br />
mmHg, wobei das Ziel der Blutdruckeinstellung <strong>im</strong><br />
unteren Bereich dieser Werte liegen sollte. (3)<br />
Nach den neuesten Richtlinien der kardiologischen<br />
Fachgesellschaften wird zusätzlich zu einer nichtmedikamentösen<br />
Basistherapie (siehe: Diätetik) eine<br />
Behandlung <strong>mit</strong> Blutdruck senkenden Medikamenten<br />
bereits bei normalen und hoch-normalen Blutdruck-<br />
Werten empfohlen, sofern diese <strong>mit</strong> einem hohen<br />
oder sehr hohen kardiovaskulären Gesamtrisiko verbunden<br />
sind. Dieses Risiko wird wiederum nach<br />
ganz best<strong>im</strong>mten klinischen Kriterien best<strong>im</strong>mt, die<br />
in Tabelle 2 aufgeführt sind.<br />
Tabelle 2: Risikofaktoren, Begleiterkrankungen und<br />
Endorganschäden zur Best<strong>im</strong>mung des kardiovaskulären<br />
Gesamtrisikos<br />
Tabelle 3 zeigt, wie das kardiovaskuläre Gesamtrisiko<br />
eines Patienten aus der Höhe seiner Blutdruckwerte<br />
<strong>im</strong> Verhältnis zu seinen übrigen Risikofaktoren<br />
best<strong>im</strong>mt wird. Die Wahrscheinlichkeit, in den<br />
nächsten zehn Jahren einen kardiovaskulär bedingten<br />
stufe 2<br />
(<strong>mit</strong>telschwere Hypertonie)<br />
sbd 160-179<br />
dbd 100-109<br />
stufe 3<br />
(schwere Hypertonie)<br />
sbd > 180<br />
dbd > 110<br />
i<br />
keine risikofaktoren<br />
ii<br />
niedriges risiko <strong>mit</strong>tleres risiko hohes risiko<br />
ein bis zwei risikofaktoren<br />
iii<br />
<strong>mit</strong>tleres risiko <strong>mit</strong>tleres risiko sehr hohes Risiko<br />
drei oder mehr rf oder diabetes<br />
mell. oder endorganschäden<br />
hohes Risiko hohes Risiko sehr hohes Risiko<br />
iV<br />
folge- und begleitkrankheiten sehr hohes Risiko sehr hohes Risiko sehr hohes Risiko<br />
Quelle: www.hochdruckliga.de: Aktuelle Leitlinien (2008) der Deutschen Hochdruckliga<br />
8 HomöopatHie ZeitscHrift Elisabeth <strong>Geigenberger</strong> / Einführung Hypertonie / HZ III 2010 / S.6-17<br />
Tod, einen nichttödlichen Schlaganfall oder einen<br />
Myokardinfarkt zu erleiden beträgt bei:<br />
• niedrigem Risiko: < 15 %<br />
• <strong>mit</strong>tlerem Risiko: ca. 15-20 %<br />
• hohem Risiko: ca. 20-30 %<br />
• sehr hohem Risiko: 30 % und mehr.<br />
Risikostratifizierung zur Prognosebeurteilung für kardiovaskuläre<br />
Ereignisse (SBD = systolischer Blutdruck;<br />
DBD = diastolischer Blutdruck)<br />
Mit Hilfe des PROCAM-Scores können Sie <strong>mit</strong> einigen<br />
wenigen Parametern Ihr eigenes Risiko für einen Myokardinfarkt<br />
best<strong>im</strong>men (http://www.bnk.de/transfer/<br />
procam.htm).<br />
Der Homöopath wird naturgemäß unruhig, wenn<br />
er solche Tabellen liest – schließlich behandeln wir<br />
nicht die Werte und Risikofaktoren eines Patienten,<br />
sondern den „ganzen Menschen“. Dennoch ist es<br />
wichtig, auch in der homöopathischen Praxis die<br />
<strong>schulmedizinischen</strong> Richtlinien und deren Grundlagen<br />
zu kennen, zumal das Risikoprofil der arteriellen<br />
Hypertonie in sehr großen Studien <strong>mit</strong> mehreren<br />
tausend Patienten nachgewiesen wurde. Die Kernaussage<br />
dieser Studien lautet: Die Komplikationen eines<br />
nicht oder unzureichend behandelten Bluthochdrucks<br />
wie Gefäßerkrankungen, Nierenschädigung,<br />
Herzinsuffizienz, Erblindung<br />
etc. und das Risiko, eine kardiovaskuläre<br />
Erkrankungen (Herzinfarkt, Schlaganfall) zu<br />
erleiden, sind in jedem Fall schwerwiegender<br />
als evtl. auftretende Nebenwirkungen<br />
durch antihypertensive Medikamente.<br />
Bluthochdruck ist nicht gleich<br />
Bluthochdruck!<br />
Sowohl schulmedizinisch als auch homöopathisch<br />
müssen wir zwischen der pr<strong>im</strong>ären<br />
(essentiellen) und der sekundären (durch eine<br />
best<strong>im</strong>mte organische Ursache bedingte)<br />
Hypertonie unterscheiden.<br />
Die pr<strong>im</strong>äre Hypertonie umfasst ca. 90 %<br />
aller Hypertonien, manifestiert sich meist<br />
Elisabeth <strong>Geigenberger</strong> / Einführung Hypertonie / HZ III 2010 / S.6-17<br />
Herz-kreislauf-bescHwerden titelthema<br />
jenseits des 30. Lebensjahres und ist multifaktoriell<br />
bedingt. Eine eindeutige „Causa“ gibt es in der Regel<br />
nicht. Homöopathisch wie schulmedizinisch gesehen<br />
handelt es sich hierbei um eine klassische chronische<br />
Erkrankung.<br />
* Nicht beeinflussbare Risikofaktoren sind: Alter,<br />
Geschlecht und genetische Disposition – homöopathisch<br />
ausgedrückt: der miasmatische Hintergrund<br />
des Patienten.<br />
* Beeinflussbar sind: Übergewicht, körperliche Inaktivität,<br />
Alkoholkonsum und vermehrte Salzaufnahme,<br />
Stressbelastung.<br />
Die essentielle Hypertonie tritt oft <strong>im</strong> Rahmen des<br />
sogenannten metabolischen Syndroms auf, d.h. in<br />
Verbindung <strong>mit</strong> Übergewicht (Adipositas), Dyslipoproteinämie<br />
und pathologischer Glukosetoleranz<br />
(Diabetes mellitus).<br />
Nach meiner Erfahrung bedeutet dies, dass es nur<br />
sehr selten möglich ist, einen Patienten ohne diätetische<br />
Veränderungen von seiner essentiellen Hypertonie<br />
zu befreien, auch wenn wir nach bestem Wissen<br />
und Gewissen nach den Regeln der Klassischen<br />
Homöopathie behandeln. In meiner Praxis hatte ich<br />
bisher nur zwei männliche Patienten, bei denen der<br />
Die Ernährung spielt bei der Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen eine<br />
wichtige Rolle. Der regelmäßige Verzehr von Obst und Gemüse sowie Zurückhaltung<br />
bei tierischen Fetten gelten als sinnvolle vorbeugende Maßnahme.<br />
HomöopatHie ZeitscHrift 9
titelthema Herz-kreislauf-bescHwerden<br />
erhöhte Blutdruck trotz ausgeprägten metabolischen<br />
Syndroms ohne jedes weitere Zutun allein durch das<br />
homöopathische Konstitutions<strong>mit</strong>tel auf Normwerte<br />
gesunken ist. Beide haben Sulfur als ihr konstitutionelles<br />
Mittel bekommen.<br />
Alle übrigen Hypertonie-Patienten mussten bisher,<br />
obwohl ein konstitutionelles Mittel zu zentralen<br />
Verbesserungen anderer, auch tieferliegender Symptome<br />
geführt hat, also durchaus „richtig gewählt“<br />
war, zusätzlich Veränderungen ihrer Lebensweise<br />
vornehmen, um langfristig normale Blutdruckwerte<br />
beizubehalten. Allerdings fiel diesen Patienten die<br />
diätetische Umstellung unter der homöopathischen<br />
Behandlung wesentlich leichter bzw. sie war ihnen<br />
dadurch überhaupt erst möglich.<br />
Viele bereits allopathisch behandelte Hypertonie-<br />
Patienten können schließlich – nach Absprache <strong>mit</strong><br />
dem verordnenden Arzt – unter der homöopathischen<br />
Therapie in Verbindung <strong>mit</strong> diätetischen Maßnahmen<br />
ihre allopathischen Mittel reduzieren, <strong>im</strong> Idealfall<br />
auch absetzen.<br />
Auf die sekundäre Hypertonie entfallen ca. 8 % aller<br />
Hypertonien. Im Gegensatz zur pr<strong>im</strong>ären Hypertonie<br />
ist sie auf eine organische Ursache zurückzuführen,<br />
z.B. auf eine Nierenerkrankung, eine hormonelle<br />
Erkrankung oder ein neurologisches Problem. Je nach<br />
Art dieser Grunderkrankung kann die sekundäre<br />
Hypertonie eine akute oder eine chronische Krankheit<br />
<strong>im</strong> homöopathischen Sinne sein. Hier ist der<br />
Homöopath aufgerufen – vor allem bei jüngeren<br />
Patienten (< 30./40. Lebensjahr) – an die Möglichkeit<br />
einer sekundären Hypertonie zu denken und<br />
die Notwendigkeit einer abklärenden Diagnose <strong>mit</strong><br />
dem Patienten zu besprechen, auch wenn er diese<br />
nicht vollständig selbst durchführen kann. Häufig<br />
kommen Patienten <strong>mit</strong> der Diagnose einer pr<strong>im</strong>ären<br />
Hypertonie zu uns, die schon seit langer Zeit eine<br />
Medikamentenkombination dagegen einnehmen,<br />
obwohl sie vielleicht eine Nierenerkrankung oder<br />
eine hormonelle Dysfunktion haben, welche die<br />
Ursache für ihren Bluthochdruck ist. Unter dieser<br />
Voraussetzung muss das Krankheitsbild schulmedizinisch<br />
und homöopathisch ganz anders bewertet<br />
werden als eine „echte“ pr<strong>im</strong>äre Hypertonie.<br />
Von einer pr<strong>im</strong>ären Hypertonie darf man – vor<br />
allem bei jüngeren Patienten – erst dann sprechen,<br />
wenn eine sekundäre Hypertonie ausgeschlossen<br />
worden ist!<br />
Eine Sonderform der sekundären Hypertonie stellt<br />
die schwangerschaftsinduzierte Hypertonie (Gestationshypertonie)<br />
dar, die als eine akute Erkrankung<br />
gewertet werden kann und homöopathisch sehr gut<br />
zu behandeln bzw. <strong>mit</strong>zubehandeln ist. Zudem können<br />
wir <strong>mit</strong> einer Konstitutionsbehandlung nach der<br />
Geburt des Kindes dazu beitragen, eine Chronifizierung<br />
zu verhindern.<br />
Diagnostik<br />
Körperliche Untersuchung:<br />
- Größe, Gewicht (BMI, waist to hip ratio)<br />
- Blutdruckmessung: Acht Messungen innerhalb von<br />
drei Monaten zu festgelegten, aber verschiedenen<br />
Tageszeiten (z.B. montags 8:00 Uhr, <strong>mit</strong>twochs 13:00<br />
Uhr, samstags: 17:00 Uhr)<br />
- Knöchel-Arm-Index (ABI) berechnen<br />
- Herz: Zeichen einer Hypertrophie, Frequenz, Rhythmus?<br />
- Lunge: Stauungszeichen?<br />
- Pulsstatus<br />
- Gefäßstatus<br />
Labor / Basisuntersuchungen: Na, K, Kreatinin /<br />
Kreatinin-Clearence, GFR, Cholesterin (HDL, LDL),<br />
Triglyzeride, Blutzucker nüchtern, HbA1c, Blutbild,<br />
Urinstatus plus Mikroalbuminurie-Best<strong>im</strong>mung<br />
(Laboruntersuchungen zum Ausschluss der sekundären<br />
Hypertonie und bei schwangerschaftsbedingter<br />
Hypertonie, siehe Fachliteratur Fußnote 4 bzw. 2)<br />
Schulmedizinische Therapie<br />
An erster Stelle steht in der Schulmedizin die konservative<br />
Behandlung des Bluthochdrucks durch Umstellung<br />
der Diätetik.<br />
Was hat der Patient von nicht-medikamentösen therapeutischen<br />
Maßnahmen?<br />
Niemand ist so ohne Weiteres bereit, seine Lebensgewohnheiten<br />
zu verändern, ohne da<strong>mit</strong> ein best<strong>im</strong>mtes<br />
Ziel zu verfolgen oder zu wissen „wofür das gut sein<br />
10 HomöopatHie ZeitscHrift Elisabeth <strong>Geigenberger</strong> / Einführung Hypertonie / HZ III 2010 / S.6-17<br />
soll“. Deshalb kann man manche Patienten auch in<br />
der homöopathischen Praxis <strong>mit</strong> untenstehender<br />
Tabelle sehr gut motivieren:<br />
Fazit<br />
Wer sich die Mühe macht, einmal zusammenzuzählen,<br />
um wie viele Mill<strong>im</strong>eter Quecksilbersäule<br />
(mmHg) der Blutdruck allein durch Gewichtsabnahme,<br />
Reduktion des Salzverbrauchs, Verzicht<br />
auf Alkohol, bessere Stressbewältigung und regelmäßige<br />
körperliche Aktivität gesenkt werden kann,<br />
dem leuchtet der positive Einfluss eines gesundheitsbewussten<br />
Lebensstils auf den Blutdruck sicherlich<br />
un<strong>mit</strong>telbar ein (dazu mehr in der HZ I / 2011).<br />
An zweiter Stelle kommen die Blutdruck senkenden<br />
Medikamente: In der homöopathischen Praxis ist es<br />
wichtig, die gängigen allopathischen Antihypertensiva<br />
<strong>mit</strong> ihrem jeweiligen Wirkungs- und Nebenwirkungsprofil<br />
zu kennen, um die Symptomatik des Patienten<br />
entsprechend zuordnen zu können: Ist ein Husten<br />
z.B. ein Symptom des Patienten, eine Reaktion auf<br />
unser Mittel oder die Nebenwirkung eines ACE-Hem-<br />
Blutdrucksenkung durch Änderung des lebensstils<br />
Elisabeth <strong>Geigenberger</strong> / Einführung Hypertonie / HZ III 2010 / S.6-17<br />
Herz-kreislauf-bescHwerden titelthema<br />
mers? Handelt es sich bei der geistigen Verwirrung<br />
eines älteren Patienten um ein Demenz-Symptom<br />
oder um die Folge einer Diuretika-Überdosierung zur<br />
Blutdrucksenkung? Um nur zwei Beispiele zu nennen.<br />
Kleines Lexikon häufig verordneter<br />
Blutdruck senkender Mittel<br />
* Betablocker (Wirkstoffe: Metoprolol, Bisoprolol)<br />
- Wirkung: Reduktion der Herzfrequenz und des<br />
Herzminutenvolumens, Minderung der renalen<br />
Reninsekretion.<br />
- NW: Asthma, Bradycardie / AV-Block, Verschlechterung<br />
der Glucosetoleranz, ggf. Libidoverlust und<br />
depressive Verst<strong>im</strong>mung<br />
- Häufig verordnete Präparate: Beloc zok®, Concor®<br />
* Diuretika (Wirkstoff: Hydrochlorothiazid)<br />
- Wirkung: Senkung des effektiv zirkulierenden<br />
Volumens und Veränderung der Natriumbalance<br />
- NW: Störungen <strong>im</strong> Flüssigkeits- u. Elektrolythaushalt,<br />
v.a. Hypokaliämie u. Hyponatriämie, ferner<br />
Hypomagnesiämie, Hypochlorämie u. Hyper-<br />
maßnahme empfehlung Blutdruck senkender effekt (systolisch)<br />
Gewichtsreduktion normalgewicht anstreben<br />
(bMi 18,5-24,9)<br />
DaSh ernährungsplan<br />
(Dietary approaches to<br />
Stop hypertension)<br />
ernährung reich an früchten, Gemüse und<br />
fettarmen Milchprodukten <strong>mit</strong> einem geringen<br />
anteil an gesättigten fettsäuren und an Gesamtfett<br />
(30 g/d)<br />
15-20 mmHg<br />
pro 10 kg Gewichtsreduktion<br />
8-14 mmHg<br />
Natriumreduktion reduktion auf 6 g nacl pro Tag 2-8 mmHg (bei ca. 50 % der<br />
Hypertonie-Patienten wirksam)<br />
Körperliche aktivität regelmäßiges aerobes ausdauertraining, 30<br />
Min./d, z.b. walken, wandern, rad fahren,<br />
skilanglauf, Paddeln, Joggen<br />
4-9 mmHg<br />
alkoholbeschränkung alkoholreduktion auf unter 30 g/d 4 mmHg<br />
Stressbewältigung ein ausgeglichener vernünftiger lebensstil <strong>mit</strong><br />
einem wechselspiel von anspannung und erholung<br />
unterstützt die bemühungen um einen<br />
normalen blutdruck.<br />
Quelle: www.medizin-aspekte.de: Bluthochdruck: Blutdrucksenkung durch Änderung des Lebensstils, Ausgabe September 2010<br />
HomöopatHie ZeitscHrift 11
titelthema Herz-kreislauf-bescHwerden<br />
kalzämie (v.a. bei eingeschränkter Nierenfunktion<br />
/ sehr häufig); Hyponatriämie bei hoher Dosierung<br />
(Appetitlosigkeit, Mundtrockenheit u. Durst, Erbrechen,<br />
Kopfschmerzen bzw. Kopfdruck, Schwäche,<br />
Schwindel, Schläfrigkeit, Sehstörungen, Apathie,<br />
Verwirrtheitszustände, Nervosität, Muskelschmerzen<br />
od. Muskelkrämpfe z.B. Wadenkrämpfe,<br />
Herzklopfen, Hypotonie, orthostatische Regulationsstörungen<br />
u. Synkopen); Dehydratation <strong>mit</strong><br />
Hämokonzentration, selten Konvulsionen, Benommenheit,<br />
Verwirrtheitszustände, Bewusstseinsstörungen<br />
bis zum Koma, Kreislaufkollaps u. akutes<br />
Nierenversagen (bei exzessiver Diurese; infolge<br />
Hämokonzentration Thrombosen u. Embolien v.a.<br />
bei Venenerkrankungen od. älteren Pat.) u.v.a.<br />
- Häufig verordnete Präparate: HCT®, Esidrix®<br />
Niedrigdosis (12,5 mg) hat ein gutes Nutzen- /<br />
Risikoverhältnis.<br />
* Kalium sparende Diuretika<br />
(Wirkstoffe: Hydrochlorothiazid + Amilorid<br />
oder Hydrochlorothiazid + Triamteren)<br />
- Häufig verordnete Präparate: Moduretik®,<br />
DytideH®<br />
* Schleifendiuretika<br />
(Wirkstoff: Furosemid), auch bei Niereninsuffizienz<br />
einsetzbar.<br />
- NW: K-Mangel, Exsikkose, Sturzdiurese und<br />
Inkontinenz<br />
- Häufig verordnetes Präparat: Lasix®<br />
* Aldosteronantagonist<br />
(Wirkstoff: Spironolacton), kaliumsparend diuretisch<br />
- NW: Hyperkaliämie, Gynäkomastie<br />
- Häufig verordnetes Präparat: Aldactone®<br />
* Angiotensin-Converting-Enzym-Hemmer<br />
(ACE-Hemmer) (Wirkstoffe: Ramipril, Enalapril,<br />
Captopril u.a.)<br />
- Wirkung: Senkung der Angiotensin-II-Produktion,<br />
dadurch Reninreduktion, Minderung der Sympathikus-Wirkung,<br />
Steigerung des Bradykininspiegels,<br />
Aldosteronretentin <strong>mit</strong> Vasodilatation plus Volumenreduktion<br />
- NW: Husten, RR-Abfall bei Vorbehandlung <strong>mit</strong><br />
Diuretika. Cave bei Niereninsuffizienz: Kreatinin<br />
und K-Kontrolle!<br />
- Häufig verordnete Präparate: Delix®, Xanef®,<br />
Lopirin®<br />
* Kalziumantagonisten<br />
(Wirkstoffe: Nifedipin, Amlodipin, Verapamil)<br />
- Wirkung: Reduktion des Gefäßwiderstands<br />
- NW: Bei Nifedipin, Amlodipin: periphere<br />
Ödeme durch stark gefäßerweiternde Wirkung,<br />
Kopfschmerzen, Wärmegefühl, Flush, frequenzsteigernd;<br />
Kombination <strong>mit</strong> Betablocker möglich.<br />
Bei Verapamil, Diltiazem: frequenzsenkend;<br />
Cave: AV-Block; nicht zusammen <strong>mit</strong> einem<br />
Betablocker einnehmen! Obstipation<br />
- Häufig verordnete Präparate: Adalat®, Norvasc®,<br />
Isoptin®, Dilzem®<br />
* Angiotensin-Rezeptor<br />
(AT1)-Blocker (Wirkstoffe: Candesartan, Irbesartan,<br />
Losartan, Valsartan)<br />
- Wirkung: blockiert RAAS bereits ab Angiotensin I,<br />
Wirkung wie ACE-Hemmer, jedoch geringere NW.<br />
- NW: wie ACE-Hemmer, aber teurer, daher als<br />
Reserve bei quälendem ACE-Hemmer-Husten<br />
- Häufig verordnete Präparate: Atacand®, Aprovel®,<br />
Lorzaar®, Diovan®<br />
Alle diese Substanzen greifen an verschiedenen Punkten<br />
innerhalb der Blutdruck-Regulation ein und werden<br />
deshalb auch gerne in Zweier- oder <strong>Dr</strong>eier-Kombinationen<br />
verordnet, um die Wirkung zu verstärken<br />
und gleichzeitig die Nebenwirkungen der einzelnen<br />
Wirkstoffe zu reduzieren.<br />
Betablocker<br />
Diuretikum<br />
AT-Antagonist<br />
Ca-Antagonist<br />
ACE-Hemmer<br />
12 HomöopatHie ZeitscHrift Elisabeth <strong>Geigenberger</strong> / Einführung Hypertonie / HZ III 2010 / S.6-17<br />
Häufige Zweier-Kombinations<strong>mit</strong>tel:<br />
Betablocker + Diuretikum:<br />
Metoprolol + HCT = Beloc comp.®<br />
Bisoprolol + HCT = Concor plus®<br />
ACE-Hemmer + Diuretikum:<br />
Captopril + HCT = Capozide®<br />
Ramipril + HCT = Delix plus®<br />
Enalapril + HCT = Renacor®, Pres plus®<br />
ACE-Hemmer + Kalziumantagonist:<br />
Trandolapril + Verapamil = Tarka®, Udramil®<br />
AT1-Blocker + Diuretikum:<br />
Losartan + HCT = Lorzaar plus®<br />
Valsartan + HCT = Codiovan®<br />
AT1-Blocker + Kalziumantagonist:<br />
Valsartan + Amlodipin = Exforge®<br />
Wirkt keine dieser Zweierkombinationen, werden<br />
auch <strong>Dr</strong>eierkombinationen eingesetzt (siehe Fußnote<br />
4). Spätestens wenn wir einen Patienten in unserer<br />
Praxis haben, bei dem auch eine <strong>Dr</strong>eierkombination<br />
bisher ohne Wirkung blieb, müssen wir an eine<br />
sekundäre Hypertonie denken und eine entsprechende<br />
Diagnostik einleiten.<br />
Fallbeispiel<br />
Weibliche Patientin, 55 Jahre, Diagnose: Metabolisches<br />
Syndrom <strong>mit</strong> <strong>mit</strong>telschwerer arterieller Hypertonie,<br />
Übergewicht und Hyperurikämie, Angst- und<br />
Panikzustände, Arztphobie, erhöhte Leberwerte, Varikosis<br />
(dritten Grades) und Knieschmerzen unklarer<br />
Genese.<br />
Erstanamnese, Juni 2009<br />
Die Patientin kam zu mir wegen ihrer seit 2 ½ Jahren<br />
bestehenden arteriellen Hypertonie, die <strong>mit</strong> Amlodipin<br />
5 mg/d behandelt wird. Vor Beginn der allopathischen<br />
Behandlung lagen die Blutdruckwerte systolisch zwischen<br />
160 und 180 mmHg, diastolisch zwischen 90<br />
und 110 mmHg (<strong>mit</strong>telschwere Hypertonie).<br />
Elisabeth <strong>Geigenberger</strong> / Einführung Hypertonie / HZ III 2010 / S.6-17<br />
Herz-kreislauf-bescHwerden titelthema<br />
Die Patientin berichtet ganz aufgeregt, sehr offen und<br />
zugewandt von ihrer „Hypochondrie bei Diagnosen“<br />
und von „Panikattacken“, die sie be<strong>im</strong> Blutdruckmessen<br />
in der Praxis bekomme: „Wenn ich denke,<br />
der darf nicht hochgehen, geht er gerade hoch!“ Mit<br />
den Blutdruckerhöhungen gehe ein „Augenfl<strong>im</strong>mern“<br />
einher, das sie schon lange kenne.<br />
Die Patientin sagt, sie habe eine Arztphobie und<br />
möchte auf keinen Fall, dass ihr Blutdruck gemessen<br />
wird. Sie sei überhaupt ein ängstlicher Mensch:<br />
Schon als Kind hatte sie Angst davor „dass der Körper<br />
kaputt geht“, dass sie evtl. gelähmt werden könnte,<br />
außerdem hat sie Angst be<strong>im</strong> Alleinsein und in der<br />
Dunkelheit. Wenn ihre Tochter <strong>mit</strong> dem Motorrad<br />
Anz. unterwegs HomKompass_HZ ist, sterbe 11_10 sie vor 14.11.2010 Angst. Generell 17:32 hat Uhr sie Seite<br />
Angst vor Unfällen, Gewitter und in der Höhe.<br />
Weiter berichtet die Patientin von einer dramatischen<br />
Familiengeschichte: Sie habe <strong>mit</strong> 20 Jahren geheiratet.<br />
Der Mann sei nicht „der Richtige“ gewesen. Sie<br />
Der Homöopathie-Kompass<br />
Der Wegweiser durch die Homöopathie<br />
ca.120 Seiten<br />
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ISBN 3-932847-00-8<br />
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HomöopatHie ZeitscHrift 13
titelthema Herz-kreislauf-bescHwerden<br />
haben zwei Kinder zusammen. Im Streit habe der<br />
Mann eines der Kinder in sein He<strong>im</strong>atland <strong>mit</strong>genommen.<br />
Sie habe es ein Jahr lang nicht gesehen.<br />
Daran schlossen sich 20 Jahre „Hin und Her“ der<br />
Wohnorte sowie der Aufenthaltsorte der Kinder an<br />
und ein ständiges „Auf und Ab“ in der Ehebeziehung:<br />
„Ich konnte mich nicht trennen. Es war eine krankhafte<br />
Abhängigkeit. Ich habe gewartet auf die Liebe,<br />
die nicht kam.“<br />
Mit 40 Jahren absolvierte sie den zweiten Teil ihrer<br />
Ausbildung als Erzieherin. Sie arbeitete dann in ihrem<br />
Beruf, trennte sich von ihrem Mann und erzog ihre<br />
Kinder alleine. Während der Arbeit <strong>mit</strong> den He<strong>im</strong>kindern<br />
vergesse sie alles, aber in den Ferien, wenn sie<br />
oft alleine sei, komme alles wieder hoch. Allerdings<br />
könne sie sich „vor lauter Mitgefühl oft schwer abgrenzen“.<br />
Auch ihren eigenen Kindern konnte sie <strong>im</strong>mer<br />
schlecht Grenzen setzen. Dann möchte sie manchmal<br />
wieder lieber alleine sein.<br />
Eigene Kindheit: Dauernd krank: Ohrenschmerzen,<br />
Ohrpfropfen (bis heute), Erkältungen, Keuchhusten,<br />
Mumps, Masern, Scharlach, Windpocken, einmal<br />
„Gelbsucht“ (bis heute schlechte Leberwerte: GOT:<br />
57 U/l, GPT: 78 U/l).<br />
Während einer Krankheit habe sie sich <strong>im</strong>mer wohlgefühlt:<br />
„Zu Hause <strong>im</strong> Bett, versorgt von der Mutter<br />
– das war eigentlich <strong>im</strong>mer schöner als das frühe<br />
Aufstehen und in die Schule gehen!“<br />
Später hat sie sehr gelitten unter dem Streit der Eltern:<br />
„Ich war zwischen den Eltern gestanden. Sie haben oft<br />
ihre Konflikte auf meinem Rücken ausgetragen. Ich bin<br />
sehr harmoniebedürftig und wollte <strong>im</strong>mer ver<strong>mit</strong>teln.“<br />
Sie habe dann Zuflucht genommen zu ihren „Viechern“:<br />
Sie hatte <strong>im</strong>mer Katzen, Hamster, Meerschweinchen,<br />
verletzte Vögel usw., für die sie sorgte.<br />
Gynäkologisch: Menses vom 13. bis 53. Lebensjahr<br />
(stark und sehr schmerzhaft).<br />
Jahrelang Fluor vaginalis (nach dem Weglassen der<br />
Seife kein Fluor mehr), beide Schwangerschaften<br />
waren begleitet von viel Übelkeit.<br />
Geburten: „Relativ leicht“. Nach der ersten Geburt:<br />
Ovarialzyste re., wurde operiert.<br />
Temperatur: „Eher verfroren“. Im Kl<strong>im</strong>akterium sehr<br />
viel geschwitzt. Im Winter Morbus Raynaud.<br />
Schlaf: Gut und lange. Lage meist auf rechter Seite.<br />
Ernährung: Die Patientin isst gerne und viel, sie neigt<br />
zu Übergewicht. Als Kind war sie „richtig dick“,<br />
später Normalgewicht, aktuell leichtes Übergewicht<br />
(BMI: 28).<br />
Verl.: Süß (3), gut gewürzte Speisen:<br />
„Orientalisches“ (2)<br />
Abn.: Gekochte Milch (3)<br />
Durst unterschiedlich.<br />
Verdauung: Tendenz zur Obstipation<br />
Weitere Erkrankungen: Häufige Bronchitiden <strong>mit</strong><br />
Kehlkopfbeteiligung: „schlägt sich <strong>im</strong>mer auf die<br />
St<strong>im</strong>me“, Varikosis III° seit der zweiten Schwangerschaft,<br />
schnell „blaue Flecken“ und Parodontose<br />
<strong>mit</strong> viel Zahnfleischbluten. Als Kind hatte sie häufig<br />
Nasenbluten.<br />
Aktuell: Stechende Knieschmerzen beidseits, die<br />
durch Reiben und Wärme besser werden (lt. Orthopäde<br />
kein pathologischer Befund)<br />
Familienanamnese:<br />
Mutter: arterielle Hypertonie, in jungen Jahren bereits<br />
„gekränkelt“ wegen einer „Herzschwäche“, <strong>im</strong> Alter<br />
Diabetes mellitus, Typ 2<br />
Vater: Darm-Ca: Op. <strong>mit</strong> 70 Jahren, heute 86 Jahre,<br />
relativ fit<br />
Großvater mütterlich: Herzinfarkt<br />
Großmutter väterlich: Diabetes mellitus, Typ 2<br />
Körperliche Untersuchung: wegen der Arztphobie<br />
nur eingeschränkt möglich;<br />
Blutdruck nicht gemessen, Patientin möchte ihn selbst<br />
kontrollieren;<br />
Herz und Lunge: o.B., Puls: 64/min., regelmäßig;<br />
Varikosis III°; sonst keine auffälligen Befunde.<br />
Labor: Cholesterin: 220 mg/dl, HDL: 72 mg/dl, LDL:<br />
121 mg/dl,<br />
LDL/HDL-Quotient: 1,7; Harnsäure: 5,8 mg/dl; GOT:<br />
57 U/l, GPT: 78 U/l<br />
Risikoprofil der Patientin: <strong>mit</strong>telschwere Hypertonie<br />
sowie ein bis zwei Risikofaktoren (positive Familien-<br />
14 HomöopatHie ZeitscHrift Elisabeth <strong>Geigenberger</strong> / Einführung Hypertonie / HZ III 2010 / S.6-17<br />
anamnese und Übergewicht / noch keine Adipositas)<br />
ergibt ein “mäßig erhöhtes Risiko”, in den nächsten<br />
zehn Jahren ein kardiovaskuläres Ereignis zu erleiden.<br />
Repertorisation<br />
Bluthochdruck als chronische Erkrankung können<br />
wir nur <strong>mit</strong> dem richtigen konstitutionellen Mittel<br />
wirksam behandeln. Entscheidend für die homöopathische<br />
Arzne<strong>im</strong>ittelfindung sind die individuellen<br />
Symptome der Patientin in Verbindung <strong>mit</strong> dem<br />
Hochdruck. Erstere sind <strong>im</strong> vorliegenden Fall schwerpunktmäßig<br />
<strong>im</strong> Gemütsbereich zu finden.<br />
Es ist ein „klarer Fall“ von Phosphorus:<br />
Die Repertorisation zeigt Phosphor an erster Stelle.<br />
In der Anamnese lassen sich noch zusätzlich einige<br />
Elisabeth <strong>Geigenberger</strong> / Einführung Hypertonie / HZ III 2010 / S.6-17<br />
Herz-kreislauf-bescHwerden titelthema<br />
bestätigende Symptome für Phosphor als S<strong>im</strong>ile finden,<br />
z.B. die typischen Ängste, blaue Flecken und<br />
Blutungen in der Kindheit, Bronchitiden <strong>mit</strong> Laryngitis,<br />
die Liebe zum Theaterspielen etc..<br />
Das Wesen und die Lebensthemen der Patientin <strong>mit</strong><br />
extremer Sensitivität, die sich ausdrückt in Abhängigkeit,<br />
Ängstlichkeit, zu starkem Mitgefühl <strong>mit</strong> dem<br />
Problem der Abgrenzung“ entsprechen ebenfalls der<br />
Idee von Phosphorus, wie wir sie aus der Materia<br />
Medica kennen. Als besonders eigenheitlich <strong>im</strong> Sinne<br />
des § 153 fällt die Ambivalenz des Alleinseins auf,<br />
die für Phosphor so typisch ist.<br />
Verordnung: Phosphorus LM6, jeden zweiten Tag 3<br />
Tr. auf 1 TL Wasser. Fläschchen vor jedem Gebrauch<br />
10-mal abklopfen.<br />
1 1234 3 Gemüt - abhängig von anderen 1<br />
2 1234 3 Gemüt - angst - Gesundheit; um die - eigene Gesundheit; um die 68<br />
3 1234 3 Gemüt - furcht - entsetzen, panische furcht 21<br />
4 1234 3 Gemüt - angst - andere, um 24<br />
5 1234 2 Gemüt - Gesellschaft - Verlangen nach - allein; agg. wenn 47<br />
6 1234 2 Gemüt - Gesellschaft - abneigung gegen - allein; amel. wenn 33<br />
7 1234 3 sehen - fl<strong>im</strong>mern, flackern 116<br />
8 1234 3 extre<strong>mit</strong>äten - schmerz - knie - reiben - amel. 4<br />
9 1234 2 schlaf - lage - seite, auf der - rechten seite, auf der 16<br />
10 1234 3 abdomen - leber und lebergegend; beschwerden der 197<br />
phos. ars. sulph. bell. merc. ph-ac. nat-c. lyc. acon. nux-v.<br />
24/59 19/40 19/36 16/28 16/24 16/22 16/18 15/33 15/27 15/27<br />
1 - - - - - - - - - -<br />
2 3 3 1 1 1 2 1 2 2 1<br />
3 1 1 1 1 - - - - 1 1<br />
4 3 2 2 - 1 1 1 - 2 2<br />
5 3 3 - 1 2 1 1 2 - -<br />
6 1 - 1 1 - 1 2 2 - -<br />
7 3 2 3 3 1 1 1 2 1 2<br />
8 2 - - - - - - - - -<br />
9 3 2 2 - 1 - - 2 - -<br />
10 3 2 3 3 3 2 1 3 3 3<br />
HomöopatHie ZeitscHrift 15
titelthema Herz-kreislauf-bescHwerden<br />
Wegen der Möglichkeit eines Blutdruckanstiegs als<br />
Erstreaktion wird eine LM-Potenz gegeben, die nach<br />
meiner Erfahrung besser lenkbar ist als eine C-Potenz.<br />
Die schulmedizinische Medikation wird zunächst<br />
beibehalten: Amlodipin: 5 mg/d. Als zusätzliche<br />
diätetische Maßnahme wird vereinbart:<br />
• Ernährungsumstellung <strong>im</strong> Sinne einer kalorienreduzierten<br />
Vollwerternährung.<br />
Die Patientin erhält eine spezielle Ernährungsberatung<br />
zur Reduktion tierischer Eiweiße wegen<br />
erhöhter Harnsäure (5,8 mg %) sowie die Empfehlung<br />
einer Alkohol- bzw. Reiz<strong>mit</strong>telreduktion<br />
wegen ihrer leicht erhöhten Leberwerte (GOT:<br />
57, GPT: 78) und der Gelbsucht <strong>im</strong> Kindesalter<br />
(Leberschwäche!).<br />
• Bewegung: Die Patientin hat früher viel getanzt<br />
und auf Laienbühnen gespielt, dies möchte sie<br />
von sich aus wieder öfter machen.<br />
• Ausführliche Beratung zur physikalischen Therapie<br />
der Varikosis; Verordnung von Kompressionsstrümpfen<br />
und Einlagen wegen ihrer Senk-<br />
Spreiz-Plattfüße.<br />
Follow up, Ende Juli 2009 (nach vier Wochen)<br />
RR (von der Patientin selbst gemessen): 122/53<br />
mmHg am Tag des Termins, sonst „<strong>im</strong>mer systolisch<br />
< 140, diastolisch < 90 mmHg.“<br />
Die Patientin berichtet, sie habe „enorme Energie“<br />
und beschlossen, eine Ausbildung zur Tanz- und<br />
Bewegungstherapeutin anzufangen!<br />
Der Kontakt zu ihren Eltern und Kindern sei gut, zur<br />
Tochter sogar wieder besser. Die Abgrenzung gegenüber<br />
den He<strong>im</strong>kindern sei noch schwierig: „Ich bin<br />
häufig zornig. Es fällt mir schwer, ruhig zu bleiben.“<br />
Die Ängste seien insgesamt besser, aber in Ruhe und<br />
am Wochenende noch vorhanden.<br />
Diätetik:<br />
• Ernährungsumstellung: Im Rahmen der homöopathischen<br />
Behandlung ist es der Patientin „auf<br />
einmal gar nicht mehr so schwer gefallen, auf<br />
Süßes zu verzichten oder Stresssituationen nicht<br />
<strong>mit</strong> Essen zu kompensieren.“<br />
• Bewegung: Die Patientin hat wieder Bauchtanz-<br />
Unterricht genommen und sich zu einer Tanz-<br />
und Bewegungstherapie-Ausbildung angemeldet.<br />
Inzwischen hat sie auch wieder einen Theater-<br />
Workshop besucht.<br />
• Die physikalischen Anwendungen zur Behandlung<br />
der Varikosis hat sie einige Male durchgeführt. Es<br />
habe ihr „sogar Spaß gemacht!“<br />
Verordnung: Phosphorus LM6 (siehe oben)<br />
Wegen des positiven Verlaufs wird die schulmedizinische<br />
Medikation auf Amlodipin: 2,5 mg/d reduziert.<br />
Diätetik: gleichbleibend<br />
Follow ups, August 2009 bis September 2010<br />
Der Blutdruck bleibt unter Phosphorus LM12 (seit<br />
November 2009) stabil. Inzwischen lässt sich die<br />
Patientin auch in der Praxis ihren Blutdruck messen!<br />
Amlodipin n<strong>im</strong>mt die Patientin nur noch in absoluten<br />
Stresssituationen als Akutmedikament: 2,5 mg „zur<br />
Beruhigung, wenn ich denke, der Blutdruck könnte<br />
wieder steigen.“<br />
Aus schulmedizinischer Sicht ist das nicht ideal: Blutdruck<br />
senkende Mittel, v.a. Amlodipin, sollten regelmäßig<br />
eingenommen werden. Aus homöopathischer<br />
Sicht ist es meiner Ansicht nach vertretbar, sofern die<br />
Blutdruckwerte unter der homöopathischen Therapie<br />
nachweislich und kontrolliert <strong>im</strong> Normbereich liegen.<br />
Die grundsätzliche „phosphorische“ Ängstlichkeit<br />
ist offensichtlich weiterhin vorhanden und kann sich<br />
noch bessern.<br />
Die Abgrenzung gegenüber Familie und He<strong>im</strong>kindern<br />
wurde bereits zunehmend besser: „Ich bin<br />
viel gelassener als früher und viel aktiver als vor der<br />
homöopathischen Behandlung. Manchmal habe ich<br />
sogar <strong>mit</strong> den Kindern richtige ‚Glücksmomente’!“<br />
Im Laufe der Zeit hat die Patientin ihre Ernährung<br />
umgestellt, drei Kilo abgenommen (BMI: 25) und<br />
sich deutlich mehr bewegt. Ihre Leberwerte haben<br />
sich normalisiert (GOT: 18 U/l, GPT: 34 U/l, ebenso<br />
die Harnsäure (4,5 mg/dl). Die Knieschmerzen sind<br />
nicht mehr aufgetreten.<br />
Fazit<br />
Dieser Fall zeigt, wie die homöopathische Behandlung<br />
einer Hypertonie in Verbindung <strong>mit</strong> diätetischen<br />
Veränderungen und einer allopathischen Medikation<br />
funktionieren kann. Schulmedizinisch ausgedrückt<br />
16 HomöopatHie ZeitscHrift Elisabeth <strong>Geigenberger</strong> / Einführung Hypertonie / HZ III 2010 / S.6-17<br />
wurde da<strong>mit</strong> das kardiovaskuläre Risiko der Patientin<br />
auf ein durchschnittliches Risiko gesenkt (siehe<br />
Tabelle 3):<br />
Die Patientin hat jetzt normale Blutdruckwerte und<br />
nur noch einen Risikofaktor (positive Familienanamnese).<br />
Schulmedizin und Homöopathie können sich die<br />
diätetischen Veränderungen zunutze machen. Die<br />
Wirkung der homöopathischen Medikation geht<br />
dabei jedoch wesentlich über diejenige der allopathischen<br />
Therapie hinaus: Die Patientin kann dadurch<br />
zum ersten Mal in ihrem Leben überhaupt diätetische<br />
Veränderungen vornehmen und beibehalten. Und<br />
sie wird auf der psychischen Ebene zu einem glücklicheren<br />
Menschen.<br />
<strong>Dr</strong>.med./HP Elisabeth <strong>Geigenberger</strong><br />
Kirchenstr. 44, 81675 München.<br />
www.dr-geigenberger.de<br />
Praktische Ärztin und Heilpraktikerin.<br />
Studium der Germanistik<br />
und Philosophie (M.A.), staatl.<br />
gepr. Gymnastik- und Rhythmiklehrerin.<br />
Klassische Homöopathie seit 1991<br />
(Diplom DZVhÄ, SHZ-Zertifikat<br />
als Homöopathin, Dozentin,<br />
Supervisorin). Klinische Erfahrung<br />
in den Bereichen innere<br />
Medizin, Chirurgie, Gynäkologie,<br />
Geriatrie. Derzeit Weiterbildung in Palliativmedizin.<br />
Privatärztliche Niederlassung in München-Haidhausen<br />
seit 2004. Schwerpunkte: Klassische Homöopathie,<br />
Ernährungsmedizin (DAEM/DGEM). Dozentin an der<br />
Akademie für Homöopathie seit 2003.<br />
Elisabeth <strong>Geigenberger</strong> / Einführung Hypertonie / HZ III 2010 / S.6-17<br />
Herz-kreislauf-bescHwerden titelthema<br />
Literatur<br />
• (1) Presse<strong>mit</strong>teilung des Statistischen Bundesamtes<br />
Nr.385 vom 21.09.2007<br />
• (2) www.hochdruckliga.de: Aktuelle Leitlinien (2008)<br />
der Deutschen Hochdruckliga<br />
• (3) www.medizin-aspekte.de: „Bluthochdruck: Blutdrucksenkung<br />
durch Änderung des Lebensstils“, Ausgabe<br />
September 2010<br />
• (4) Thomas Lenz: Hypertonie in Klinik und Praxis.<br />
Schattauer Vlg., Stuttgart 2008<br />
• (5) Roger Morrison: Handbuch der homöopathischen<br />
Leitsymptome und Bestätigungssymptome. Kai Kröger<br />
Verlag, 1997<br />
Fachbuchvertrieb<br />
Inge-Ellen Plattner<br />
Klassische Homöopathie<br />
Behindert?<br />
Menschwerdung - Leben vor<br />
und nach der Geburt<br />
Lac humanum in der<br />
homöopathischen Praxis<br />
2007, 222 Seiten,<br />
Preis: 29,00 €<br />
In ihrem Buch „Behindert?“ berichtet die bekannte Autorin über<br />
ihre reichen Erfahrungen <strong>mit</strong> dem behinderten Kind, über die<br />
Folgen von pränatalen, perinatalen und postnatalen Traumen.<br />
naturmed Fachbuchvertrieb<br />
Aidenbachstr. 78, 81769 München<br />
Tel.: 089 74 99-156, Fax: 089 74 99-157<br />
Email: info@naturmed.de, Web: www.naturmed.de<br />
HomöopatHie ZeitscHrift 17