Claudia Blume – Sonnenblumenfelder Galerie Bode, Karlsruhe ...
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<strong>Claudia</strong> <strong>Blume</strong> <strong>–</strong> <strong>Sonnenblumenfelder</strong><br />
<strong>Galerie</strong> <strong>Bode</strong>, <strong>Karlsruhe</strong><br />
Ausstellungseröffnung, 18. Januar 2008 19.00 Uhr<br />
Einführung<br />
Peter Hank, Städtische <strong>Galerie</strong> Fruchthalle Rastatt<br />
Erste Bekanntschaft mit der Kunst <strong>Claudia</strong> <strong>Blume</strong>s machte ich im Zusammenhang mit<br />
der Europa-Ausstellung im vergangenen Jahr in der Städtische <strong>Galerie</strong> Fruchthalle in<br />
Rastatt, wo <strong>Blume</strong> großformatige Flächen- und skulpturale Raumschnitte in Holz zum<br />
Thema „Europa auf dem Stier“ zeigte, wovon eine Arbeit auch hier in der Ausstellung<br />
hängt. Es fiel mir dabei sogleich auf, dass anders als die schwarzkonturierten<br />
Linienschnitte der herkömmlichen Holzschnittkunst, wie wir sie beispielsweise von den<br />
Brücke-Künstlern des Expressionismus her kennen, <strong>Blume</strong>s Holzschnitte aus<br />
weitgehend konturfreien Farbflächen, die bestenfalls in Weißlinien gefasst sind,<br />
bestehen und gerade alles andere als das sind, was wir gemeinhin unter<br />
„holzschnittartig“ kennen und verstehen. Den tieferen Sinn dieser Tatsache werden wir<br />
im folgenden nach und nach zu ergründen suchen. Hier zu Anfang sei erst einmal <strong>–</strong><br />
dem genius loci verpflichtet <strong>–</strong> erwähnt, dass <strong>Blume</strong>, in Paderborn geboren und heute in<br />
Kassel lebend, mit der konturfreien Farbfläche eine gewisse Affinität besitzt zur<br />
„<strong>Karlsruhe</strong>r Schule“ <strong>–</strong> wenn ich sie hier einmal so nennen darf <strong>–</strong>, die in der zweiten<br />
Hälfte des 20. Jahrhunderts bekannt dafür wurde, eben eine solch konturfreie,<br />
figurative Malerei entwickelt zu haben. <strong>Blume</strong> als Nordlicht erscheint uns deshalb hier<br />
im Südwesten sehr gut aufgehoben und ist mit dieser kleinen, aber feinen Ausstellung<br />
im Badischen bestens positioniert, was aber nicht heißen soll, <strong>Blume</strong>s Kunst sei aufs<br />
Badische reduzierbar, sondern was vielmehr umgekehrt bedeutet, dass die Kunst in<br />
Baden schon seit langem durchaus synchron geht mit einer Art „Weltkunst“, wie sie in<br />
den Arbeiten <strong>Blume</strong>s zum Ausdruck kommt.<br />
In der Ausstellung werden überwiegend kleinere Arbeiten gezeigt, insbesondere<br />
Flächenschnitte im Maß 90 x 100 cm, die als durchaus selbständig und in sich
geschlossen gelten können. Es sind jedoch allesamt Probierstücke, Probedrucke,<br />
Experimentierwerke, kurz: Vorarbeiten, in denen <strong>Blume</strong> prüft, inwieweit die verwendete<br />
Komposition vom Motiv her in Verbindung mit Farbe und Fläche auch für<br />
großformatige Arbeiten in der Dimension von 2 auf 3 Meter und darüber hinaus taugt.<br />
Da die Anfertigung der Druckstöcke und die Ausführung des Drucks auf Leinwand<br />
oder Büttenpapier bei Formaten dieser Größe recht aufwendig ist, kann und will sich<br />
<strong>Blume</strong> keine Verschnitte leisten, weshalb sie erst einmal kleineren Versionen anfertigt.<br />
Genau genommen sind die hier gezeigten Arbeiten folglich Prototypen bzw.<br />
Prototypien <strong>–</strong> um es mit einem wohlklingenden, an einen druckgraphischen<br />
Fachausdruck erinnernden, aber frei erfundenen Begriff zu sagen.<br />
Was nun das Basismaterial Holz anlangt, das allen Arbeiten vorausgeht, besitzt <strong>Blume</strong>s<br />
Kunst einen ebenso evidenten wie kryptischen archetypischen Charakter. In Anlehnung<br />
an C.G. Jungs Archetypenlehre können die Arbeiten geradezu als Archetypien<br />
bezeichnete werden, um einen weiteren, ebenfalls druckgraphisch klingenden, aber<br />
nicht weniger frei erfundenen Begriff einzuführen. Was hierbei mit dem<br />
Archetypischen gemeint ist, wird uns verständlicher, wenn wir uns in die<br />
vorwissenschaftliche Elementelehre des Fernen Osten zurückversetzen, wo es<br />
bekanntlich im Unterschied zur abendländischen Vorstellung nicht nur vier, sondern<br />
fünf Elemente gibt: Erde, Wasser, Feuer, Metall <strong>–</strong> und eben Holz. Während Wasser,<br />
Feuer, Metall und Holz sich sämtlich auf das Element Erde beziehen, das als im<br />
Mittelpunkt stehend gedacht wird, bilden Feuer und Wasser sowie Metall und Holz<br />
Gegensatzpaare, die in einem dynamischen Wechselverhältnis beständiger<br />
Umwandlung stehen und innerhalb eines Kreislaufgeschehens einander in der<br />
Wertigkeit fortlaufend ablösen. Seit der Bronzezeit ist in der Entwicklung der<br />
menschlichen Zivilisation das Metall auf dem Vormarsch, ja, wir erleben heute eine<br />
Revolution des Metalls, aufgrund deren wir seinen Gegenpart, das Element Holz, auf<br />
dem Rückzug sehen. Wenn wir an den Klimawandel denken, den die mobilen<br />
Blechlawinen auslösen, während zugleich die großen Restbestände kontinentaler<br />
Urwälder, die grünen Lungen des blauen Planeten, bedenkenlos abgeholzt werden, nur<br />
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um unsere Metallfahrzeuge mit Biosprit auszustatten, dann können wir verstehen, in<br />
welchem Kampf der Elemente wir uns auf archetypischer Ebene derzeit befinden.<br />
<strong>Blume</strong> ergreift in diesem archetypischen Krieg der Elemente Partei für das Holz und<br />
beteiligt den Betrachter an der „elementaren“ Auseinandersetzung, indem sie ihn über<br />
den Archetypus Baum bzw. Holz, das als Basismaterial ihrer Arbeiten in diesen<br />
beständig mitschwingt, in seinem kollektiven Unbewussten, in der Welt des<br />
Archetypischen, direkt anspricht. <strong>Blume</strong> erhebt dabei den einfachen Holzschnitt zum<br />
großformatigen, malerischen Flächenschnitt und stellt damit die Gefährdung des<br />
Elements Holz heraus, sucht es gegenüber der Dominanz des Metalls zu behaupten<br />
durch eine Art künstlerisches Postulat, durch ein poetisches Fanal. Wir können<br />
Hölderlin zitieren: „Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch“ <strong>–</strong> in unserem Fall<br />
in der Gestalt einer Archetypie von <strong>Claudia</strong> <strong>Blume</strong>.<br />
Eng verknüpft mit der archetypischen Verwendung des Materials Holz ist nun auch die<br />
von <strong>Blume</strong> angewandte Technik des Holzschnitts selbst. Ursprünglich verdankt der<br />
Holzschnitt seine Entstehung dem Wunsch nach Reproduktion und dem Bedürfnis<br />
nach Vervielfältigung und verstärkter Öffentlichmachung bildhafter Inhalte. Der<br />
Holzschnitt in seiner Verbindung zum Buchdruck steht am Beginn der Entwicklung<br />
unseren medialen Informationsgesellschaft, in der inzwischen alles reproduziert wird<br />
und alles reproduzierbar erscheint. Heute besitzt die Vermittlung von Information in<br />
seiner medialen Mulitiplität und Mobilität längst schon die Oberhand über das<br />
unmittelbare Geschehen und das natürliche Erleben. Die virtuelle Welt in ihrer<br />
vermeintlichen Echtzeit dominiert die scheinbar banale Realität alltäglicher Distanzen<br />
und Zwischenräume, vervielfältigbare Fiktion überbietet längst das Faktische in seiner<br />
Einzigartigkeit, in seiner Selbständigkeit, in seiner Individualität.<br />
Gegen diese globale Wirklichkeit, man muss fast schon sagen, gegen die kollektive<br />
mediale Verblendung moderner Zivilisation bietet nun <strong>Blume</strong> den Holzschnitt auf, aber<br />
gerade nicht als mediales Mittel einer Reproduktionstechnologie, sondern als das<br />
genaue Gegenteil, als Unikat, als unmittelbares Kunstwerk in seiner Alleinstellung und<br />
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Selbstbehauptung. <strong>Blume</strong>s Holzschnitte sind darum keine Vervielfältiger, sondern im<br />
wahrsten Sinne des Wortes Monotypien, eben nicht geschaffen, um zu reproduzieren,<br />
sondern im Gegenteil, um Einzigartigkeit auszudrücken, auf Individualität hinzuweisen,<br />
einen Spurenfund der Unmittelbarkeit des künstlerischen Schaffens durch den<br />
Betrachter auffinden zu lassen. Die Anwendung des Holzschnitts als Monotypie bei<br />
<strong>Blume</strong> ist folglich als Ironie zu verstehen, als Ironie gegenüber der Allmacht medialer<br />
Vernutzung des Kreativen durch geisttötende Wiederholung reproduzierbarer<br />
Oberflächen. Die Oberflächen, die <strong>Blume</strong>s Holzschnitte auf dem Druckträger <strong>–</strong> sei es<br />
Leinwand oder Papier <strong>–</strong> erzeugen, erscheinen dagegen in einer porigen Textur, die alles<br />
andere als oberflächlich wirkt. Sie geht im Gegenteil gleichsam „unter die Haut“, indem<br />
sie als Haut, als lebendige Membran, als atmendes Organ in all seiner Verletzlichkeit<br />
erscheint. Paradoxerweise raubt der opake Charakter der Farbschichten dabei nichts<br />
von der Zartheit und Duftigkeit, die <strong>Blume</strong>s Arbeiten innewohnen.<br />
Während <strong>Blume</strong> hinsichtlich des verwendeten Materials und der angewandten Technik<br />
geradezu gesellschaftskritisch, ja, kämpferisch wirkt, enthält ihre Motivik ein starkes<br />
Harmoniebedürfnis, ist der Inhalt ihrer Bilder von Ausgleich und Gleichgewicht<br />
geprägt. Das klingt altbacken und wenig sensationell, ist aber auch in dieser Hinsicht<br />
das genaue Gegenteil. In einer Welt, die aus den Fugen gerät, weil der Mensch in seiner<br />
zivilisatorischen Gewalt seine zurückhaltende und empathische Ausgleichskraft<br />
aufgegeben und eingebüßt hat, erscheinen Figuren, die der Komposition nach und in<br />
ihrer Farbigkeit ein wechselseitiges Gleichgewicht anstreben, geradezu als visuelle<br />
Therapie, als ein ästhetisches Kommunikationsfeld, das auf den Betrachter einwirkt wie<br />
ein Totem, ein zeremonielles Muster, das ihn innerlich und universell neu ausrichtet, ja,<br />
aufrichtet. In den früheren Arbeiten war es fast ausschließlich die ausgleichende<br />
Begegnung zwischen Mensch und Tier, hier in der Ausstellung idealtypisch<br />
repräsentiert durch die kleinen Arbeiten, in der die Gestalt eines grasenden Pferdes<br />
wiedergegeben wird. Kann es ein schöneres Sinnbild für Harmonie und Frieden geben?<br />
War es nicht das innige Verhältnis zum Pferd, das den Menschen über eine lange<br />
Strecke seiner Entwicklung vorangebracht, getragen hat ? Aber nicht nur die<br />
Darstellung des Pferdes, sondern auch die Wiedergabe des paarhufigen Rinds,<br />
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entweder als Kuh oder Stier, zeugt von einem harmonischen Mensch-Tier-Verhältnis,<br />
in der die Domestizierung des Tieres auf den Menschen dergestalt rückwirkt, dass er es<br />
in seiner Mitgeschöpflichkeit würdigt und anerkennt. Auch hier schwingt in <strong>Blume</strong>s<br />
Arbeiten im Hintergrund Zivilisationskritik mit, die <strong>–</strong> wie es in der gegenwärtigen<br />
Massentierhaltung der Fall ist <strong>–</strong> die Reduzierung des Tieres auf seinen bloßen Nutzwert<br />
verurteilt.<br />
In den jüngsten Arbeiten <strong>Blume</strong>s ist nun die Sonnenblume als weiteres Bildmotiv<br />
hinzugekommen. Es verstärkt die Ausgleichskraft der Bilder enorm, da mit der<br />
Sonnenblume als einem pflanzlichen Ursymbol dem Bildmotiv ein wirkmächtiges,<br />
kosmisches Grundmuster eingewoben wird, das der Konstellation des Ausgleichs<br />
innerhalb der Komposition mit einem verbindenden, dritten Element bestückt. Das<br />
Wechselspiel des Ausgleichs zwischen Mensch und Tier erhält dadurch eine ordnende<br />
Größe, eine Achse, um die sich alles dreht bzw. in die hinein sich alles dreht. Die<br />
Sonnenblume erscheint als Fixstern, als rotierende Scheibe, als Galaxie, in die hinein<br />
sich die Gegensätze drehen, um darin aufgehoben zu werden, in dem sie verschwinden,<br />
ohne verloren zu gehen, ganz so, wie es die doppelte Bedeutung des Wortes<br />
„aufheben“ meint oder wie es uns Vincent van Gogh, der Maler der Sonneblume,<br />
suggeriert, wenn er sagt, dass sie das Element der Ewigkeit repräsentiert, „deren<br />
Zeichen einst der Heiligenschein war“.<br />
In der Konstellation von Mensch, Tier und Sonnenblume, die <strong>Blume</strong>s Arbeiten in<br />
lebensfroher Farbigkeit sichtbar macht, erscheint der „Heiligenschein“ aber nicht als<br />
Abkehr von der Welt, sondern als eindeutige Hinwendung zur Welt. Er sorgt dafür,<br />
dass in <strong>Blume</strong>s Bildern im Sinne der heideggerschen Philosophie „Welt waltet“, die sich<br />
selbst aufhebt und zugleich ihr Geheimnis wahrt. In diesem doppelten Sinne kann sich<br />
der Betrachter in der „Weltkunst“ von <strong>Blume</strong> aufgehoben fühlen, vor der Welt, in der<br />
Welt und mit der Welt.<br />
Hier nun haben wir abschließend auch den tieferen Sinn dafür gefunden, weshalb<br />
<strong>Blume</strong>s Holzschnitte keine düster wirkenden, „holzschnittartigen“ Schwarzkonturen<br />
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aufweisen, sondern gleichsam positiv gewendete Weißlinien, die den Farbflächen ein<br />
zusätzliches Licht aufsetzen und einen lebendigen Glanz verleihen, gleichsam einen<br />
perligen Schimmer als Hinweis auf die aphroditische, empathische Natur allen Seins.<br />
<strong>Blume</strong>s Holzschnitte sind auf diese Weise nicht Negativformen eines Druckstocks, in<br />
den sich zuvor eine pessimistische Weltsicht eingegraben hat, sondern direkte,<br />
unmittelbare Positivabzüge einer lebensbejahenden, mitfühlenden „Weltanschauung“,<br />
in der sich exemplarisch Welt „ereignet“.<br />
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