1 Der Weg zum Parlamentarischen Frauenwahlrecht in Deutschland ...
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<strong>Der</strong> <strong>Weg</strong> <strong>zum</strong> <strong>Parlamentarischen</strong> <strong>Frauenwahlrecht</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> und<br />
Österreich<br />
Für die deutschen und österreichischen Frauen der Gegenwart ist es e<strong>in</strong><br />
selbstverständliches Recht, bei den Parlamentswahlen wählen zu dürfen. Vor nur<br />
100 Jahren sah dies noch ganz anders aus. Die Frauen mussten sich dieses heute<br />
so selbstverständliche Recht hart erkämpfen. Die Gleichheit aller Staatsbürger bei<br />
der Ausübung des parlamentarischen Wahlrechts war <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> und<br />
Österreich bis 1918 nicht gegeben.<br />
<strong>Der</strong> Kampf der Frauen um das Stimmrecht begann mit der 1848er Bewegung und<br />
ist stark verbunden mit der wachsenden Teilhabe der Frauen am öffentlichen<br />
Leben. Besonders durch die Erlangung gleicher Bildungsrechte für beide<br />
Geschlechter konnte den Frauen der Zugang <strong>zum</strong> öffentlichen Leben nicht länger<br />
verwehrt werden. Wachsende Bildung und wachsendes politisches Interesse<br />
förderten e<strong>in</strong>ander gegenseitig.<br />
Durch die sich rapid entwickelnde Industrialisierung wurde das Herrschaftssystem<br />
‚Haus’ aufgeweicht und verlor zunehmend an Bedeutung.<br />
Allerd<strong>in</strong>gs wurde erst im I. Weltkrieg die entscheidende Akzeptanz für die<br />
E<strong>in</strong>führung des Frauenstimmrechts geschaffen. Die Frau war weitgehend<br />
gezwungen, Männerarbeit zu übernehmen und darüber h<strong>in</strong>aus die Familie zu<br />
versorgen. Diese Leistung verschaffte den Frauen Anerkennung und führte zu<br />
e<strong>in</strong>er verstärkten Forderung nach dem Wahlrecht für Frauen.<br />
Die entscheidende Wende im Kampf um das <strong>Frauenwahlrecht</strong> wurde jedoch durch<br />
die Novemberrevolution herbeigeführt. Im November 1918 wurde das<br />
<strong>Frauenwahlrecht</strong> im Deutschen Reich bzw. der Republik Deutschösterreich<br />
e<strong>in</strong>geführt.<br />
Die hier dargestellte historische Entwicklung h<strong>in</strong> <strong>zum</strong> <strong>Frauenwahlrecht</strong> kann leider<br />
nur e<strong>in</strong>en kle<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong> die Ereignisse geben.<br />
Die 1848er Revolution<br />
Die Revolution des Jahres 1848 bildete die Grundlage für die Entwicklung des<br />
Wahlrechts <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> und Österreich. Auf Grund dieser Ereignisse<br />
entwickelten sich zunehmend Forderungen nach dem allgeme<strong>in</strong>en und gleichen<br />
Männerwahlrecht ohne Ausschluss von „Entmündigten und Konkursschuldnern<br />
auch Dienstboten, Handwerksgehilfen, Fabrikarbeiter und Tagelöhner“ 1 .<br />
Man g<strong>in</strong>g jedoch davon aus, dass selbst, wenn man e<strong>in</strong> allgeme<strong>in</strong>es und gleiches<br />
Wahlrecht e<strong>in</strong>führte, sich Bildung und Besitz durchsetzen würden. „Damit solle man<br />
sich begnügen und nicht den m<strong>in</strong>der Gebildeten, den Schwächeren noch über dies<br />
den Mund gesetzlich verstopfen.“ 2 Letztendlich e<strong>in</strong>igte man sich im<br />
Reichswahlgesetz auf gleiche, unmittelbare und geheime Wahlen, bei denen jeder<br />
unbescholtene Deutsche wählen dürfte.<br />
Trotz der andauernden Diskussionen um das allgeme<strong>in</strong>e, gleiche, unmittelbare und<br />
geheime Wahlrecht wurde das <strong>Frauenwahlrecht</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> nicht oder nur<br />
marg<strong>in</strong>al besprochen. Auch hier gab es kontroverse Me<strong>in</strong>ungen. So forderten<br />
e<strong>in</strong>ige Abgeordnete, dass durch das allgeme<strong>in</strong>e Wahlrecht auch die Frauen<br />
e<strong>in</strong>geschlossen werden sollten, andere h<strong>in</strong>gegen forderten den ausdrücklichen<br />
Ausschluss der Frauen von der Wahl.<br />
1 Rosenbusch: „<strong>Der</strong> <strong>Weg</strong> <strong>zum</strong> <strong>Frauenwahlrecht</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong>“, Baden-Baden 1998, S. 67<br />
2 Rosenbusch: „<strong>Der</strong> <strong>Weg</strong> <strong>zum</strong> <strong>Frauenwahlrecht</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong>“, Baden-Baden 1998, S. 69<br />
1
Nach der 1848er Revolution wurde das Recht auf politische Mitbestimmung <strong>in</strong><br />
Österreich h<strong>in</strong>gegen als Privileg der Besitzenden und Gebildeten betrachtet. So<br />
erhielten auch e<strong>in</strong>ige Frauen das Wahlrecht.<br />
So würde <strong>in</strong> Österreich 1849 das Geme<strong>in</strong>dewahlrecht und 1861 das<br />
Landtagswahlrecht für alle Besitzenden, auch Frauen, e<strong>in</strong>geführt. E<strong>in</strong>ige<br />
Großgrundbesitzer<strong>in</strong>nen haben 1873 auch Wahlrecht bei der Wahl <strong>zum</strong><br />
österreichischen Abgeordnetenhaus.<br />
Ursachen für die mangelnden politischen Rechte der Frauen<br />
Ursachen für die mangelnden politischen Rechte der Frauen lagen auch im<br />
Bildungsbereich. De facto war es Frauen kaum möglich, höhere Bildung zu<br />
erlangen, da die höheren Bildungse<strong>in</strong>richtungen Männern vorbehalten waren.<br />
Frauenbildung wurde vom Staat kaum gefördert.<br />
Die allgeme<strong>in</strong>e Mädchen- und Frauenbildung war nicht ausreichend, um an<br />
politischen Diskussionen und gesellschaftspolitischen Debatten teilzunehmen und<br />
dies war auch nicht erwünscht.<br />
Häufig wurde das Schreibenlernen „nicht nur für überflüssig, sondern auch für<br />
schädlich“ 3 gehalten. Lesen wurde den Mädchen häufig nur zu dem Zwecke<br />
gelehrt, damit sie sich mit biblischen Texten beschäftigen konnten.<br />
Mit zunehmender Industrialisierung und der Zunahme an außerhäuslichem<br />
Arbeitskräftebedarf gewann die Bildung an Stellenwert. Bis <strong>zum</strong> Anfang des 19.<br />
Jahrhunderts wurde <strong>in</strong> allen deutschen Staaten die Pflicht <strong>zum</strong> Schulbesuch<br />
e<strong>in</strong>geführt und die Bildung (auch der Mädchen) aus dem Haus verlagert.<br />
Die Schule als Erziehungs<strong>in</strong>stitution hatte zunehmende Bedeutung.<br />
Da die Bed<strong>in</strong>gungen für die Männer immer ‚gleicher’ wurden und zwischen den<br />
Männer verschiedener Stände und verschiedener Herkunft immer weniger<br />
Unterschiede gemacht wurden, musste der Ausschluss der Frau von höherer<br />
Bildung begründet werden. Man tat dies mit den angeblich natürlichen<br />
Wesensunterschieden zwischen Frauen und Männern. Dabei wurden den Frauen<br />
Merkmale wie „emotional, <strong>in</strong>tuitiv, sanftmütig und passiv“ 4 zugeschrieben, Männer<br />
h<strong>in</strong>gegen galten als rational, aktiv und stark und waren somit der damaligen<br />
Anschauung nach besser für die Politik, die höhere Bildung und die Ausübung von<br />
bestimmten Berufen geeignet.<br />
In den Volksschulen gab es <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> seit 1870 „e<strong>in</strong>e geschlechtsspezifische<br />
Differenzierung der Unterrichts<strong>in</strong>halte“ 5 . So wurde Mädchen <strong>zum</strong> Beispiel<br />
Handarbeit unterrichtet und es wurde besonderen Wert auf die Vermittlung von<br />
Tugenden wie „Re<strong>in</strong>lichkeit, Ordnungsliebe, Sittlichkeit, Sparsamkeit und Fleiß“ 6<br />
gelegt.<br />
<strong>Der</strong> Zugang zu höheren Schulen blieb den Mädchen auch zu diesem Zeitpunkt<br />
noch verwehrt. Später wurden dann höhere Mädchenschulen gegründet, auf denen<br />
kaum Wert auf die Ausbildung <strong>in</strong> wissenschaftlichen Fächern, sondern vielmehr auf<br />
die Vorbereitung der Frau auf ihre Rolle als Gesellschafter<strong>in</strong> und Unterhalter<strong>in</strong><br />
gelegt wurde.<br />
3 Blochmann: „Laß Dich gelüsten nach der Männer Weisheit und Bildung“, Pfaffenweiler 1991, S.5<br />
4 Burdewick: „Mutt de Deern denn wat leern?“, Gifhorn 1994, S. 15<br />
5 Burdewick: „Mutt de Deern denn wat leern?“, Gifhorn 1994, S. 16<br />
6 Burdewick: „Mutt de Deern denn wat leern?“, Gifhorn 1994, S. 16<br />
2
Die bürgerliche Frauenbewegung forderte, diese Missstände an den höheren<br />
Mädchenschulen zu beseitigen.<br />
Die traditionelle Ordnung geht von der Familie aus, die „unter e<strong>in</strong>em Dach“ lebt.<br />
Dabei handelt es sich um die vor<strong>in</strong>dustrielle Familie, bei der alle Produktions- und<br />
Verwertungsschritte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Haus erfolgen. Im traditionellen „Haus“, gab es den<br />
Hausvater, dem alle anderen Mitglieder des Hauses unterstellt waren, sowohl<br />
Familienmitglieder als auch Mägde und Knechte. In der Regel stellte der Hausvater<br />
„die Verb<strong>in</strong>dung zwischen Staat und (weiblichen) Familienangehörigen“ 7 dar. Das<br />
Haus war somit gleichzeitig Zukunftsvorsorge und soziale Sicherung. Mit der<br />
Entwicklung zur Industriegesellschaft und damit der Verlagerung der Produktion<br />
außerhalb des Hauses löste sich das Haus als Herrschaftsverband langsam auf.<br />
In der Aufklärung kommt es zu e<strong>in</strong>em Übergang von der gottgegebenen Herrschaft<br />
der Hausväter zu e<strong>in</strong>er naturrechtlichen Begründung der Vorherrschaft der Männer.<br />
Im 18. und 19. Jahrhundert werden den Männern und Frauen naturgegeben<br />
unterschiedliche Eigenschaften zugeschrieben, wobei die weiblichen meist<br />
Eigenschaften als ger<strong>in</strong>gerwertig angesehen werden als die männlichen.<br />
So schreibt Joachim He<strong>in</strong>rich Campe (1746-1818) im Jahr 1789: “Es ist also der<br />
übere<strong>in</strong>stimmende Wille der Natur und der männlichen Gesellschaft, dass der<br />
Mann des Weibes Beschützer und Oberhaupt, das Weib h<strong>in</strong>gegen die sich an ihn<br />
anschmiegende, sich an ihn haltende und stützende, treue, dankbare und folgsame<br />
Gefährt<strong>in</strong> und Gehilf<strong>in</strong> se<strong>in</strong>es Lebens se<strong>in</strong> sollte“ 8 . Die Frau sollte nur die<br />
Vorsteher<strong>in</strong> des Hauswesens se<strong>in</strong> und sie sollte es auch verstehen, Ordnung zu<br />
halten.<br />
Diese Erziehung zu diesen Eigenschaften sollte laut Campe vorrangig der Vater<br />
übernehmen, da die Mutter „aufgrund ihres Geschlechtscharakters nicht zur<br />
sittlichen und geistigen Bildung“ 9 ihrer K<strong>in</strong>der geeignet ist.<br />
Immanuel Kant (1724-1804) entwickelte die Theorie der ‚Selbstgesetzgebung’,<br />
nach der jedes Individuum so handeln sollte, dass se<strong>in</strong> Verhalten zur<br />
Verhaltensmaxime aller Menschen gemacht werden könne.<br />
Nach Kant be<strong>in</strong>haltet der Gedanke der Freiheit und der Gleichheit, dass man nur<br />
den Gesetzen gehorchen muss, denen man auch zugestimmt hat.<br />
Doch se<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung nach schickt es sich nicht für die Frau, tiefgründige<br />
Überlegungen anzustellen. Sie soll Leichtigkeit und Schönheit zeigen. Die<br />
Bestimmung der Frau ist es, e<strong>in</strong>e Ehe zu führen. Sie hat den Mann zu ergänzen<br />
und zu verfe<strong>in</strong>ern. Er sagt dem Mann seien „Verstand und Kühnheit, ihr Witz und<br />
Listigkeit zu eigen, er besitzt Wahrhaftigkeit und Redlichkeit, sie Scherz und<br />
gefällige Schmeichelei.“ 10<br />
Kant erkennt auch die wissenschaftlichen Leistungen der Frauen se<strong>in</strong>er Zeit an,<br />
jedoch s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>tellektuelle Frauen für ihn nicht weiblich reizvoll. „Die Frauen mögen<br />
auch so Verstand haben wie wir, aber wenn sie das haben, verlieren sie ihre Reize<br />
als Frau.“ 11<br />
7 Rosenbusch: „<strong>Der</strong> <strong>Weg</strong> <strong>zum</strong> <strong>Frauenwahlrecht</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong>“, Baden-Baden 1998, S. 141<br />
8 Ranftl: „<strong>Weg</strong>marken und Pflasterste<strong>in</strong>e“ , L<strong>in</strong>z 1999, S. 26<br />
9 Ranftl: „<strong>Weg</strong>marken und Pflasterste<strong>in</strong>e“ , L<strong>in</strong>z 1999, S. 34<br />
10 Ranftl: „<strong>Weg</strong>marken und Pflasterste<strong>in</strong>e“ , L<strong>in</strong>z 1999, S. 35<br />
11 Ranftl: „<strong>Weg</strong>marken und Pflasterste<strong>in</strong>e“ , L<strong>in</strong>z 1999, S. 36<br />
3
Jean Jacques Rousseau (1712-1778) sieht die Frau als Ergänzung des Mannes,<br />
deren Pflicht dar<strong>in</strong> besteht, die K<strong>in</strong>der groß zu ziehen. „Die ganze Erziehung der<br />
Frauen muss sich also auf die Männer ausrichten.“ 12 Die Frau sollte zu Hausfrau,<br />
Gatt<strong>in</strong> und Mutter gebildet werden. Rousseau legt dabei jedoch Wert darauf, dass<br />
die Frau auch bei der Verrichtung von Hausarbeit ihrem Gatten immer gefallen soll,<br />
sie soll dabei nie ihre S<strong>in</strong>nlichkeit verlieren.<br />
Für den Philosophen Arthur Schopenhauer (1788-1860) waren Männer ‚Männer-<br />
Menschen’ und Frauen ‚Weiber-Haustiere’. „<strong>Der</strong> Mann steht für den Menschen, für<br />
das Individuum und für den Geist; das Weib dagegen steht für das Tier, die<br />
Gattung und das Geschlecht.“ 13<br />
Für Schopenhauer ist die Hauptfunktion der Frau die Erhaltung der menschlichen<br />
Art, über diese Funktion kann die Frau auf Grund mangelnden Geistes nicht h<strong>in</strong>aus<br />
kommen.<br />
Laut Johann Gottlieb Fichte (1762 – 1814) müssen Frauen zur Bewahrung ihrer<br />
Würde „dem Mann gänzlich unterworfen sche<strong>in</strong>en wollen, ihn als Verwalter ihrer<br />
Rechte und natürlichen Repräsentanten akzeptieren“. 14 Er geht davon aus, dass<br />
die politische Rechtlosigkeit der Frau nicht durch den Mann erzwungen ist, sondern<br />
von der Frau frei gewählt.<br />
E<strong>in</strong> Fürsprecher für die Gleichberechtigung von Männern und Frauen zu jener Zeit<br />
war Jean Anto<strong>in</strong>e de Condorcet (1743-1794). Für ihn war auch die Frau e<strong>in</strong> Wesen<br />
mit Vernunft und sie war se<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung nach dem Mann gleichzustellen. In den<br />
Pflichten der Frau als Mutter und Hausfrau sieht er höchstens die Möglichkeit,<br />
Frauen bei den Wahlen nicht zu bevorzugen, aber für ihn stellten diese Pflichten<br />
ke<strong>in</strong>en Grund dar, Frauen gesetzlich von den Bürgerrechten auszuschließen.<br />
Nach Charles Fourier (1772-1837) hatte nicht jede Frau die Neigung, sich nur um<br />
Familie und K<strong>in</strong>der zu kümmern. Se<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung nach sollten auch Frauen „wie<br />
alle Individuen der Gesellschaft ihren Tätigkeitsbereich frei wählen „ 15 können.<br />
Theodor Gottlieb von Hippel (1741 – 1796) verfasste die Schrift „Über die<br />
bürgerliche Verbesserung der Weiber“, veröffentlichte diese jedoch anonym aus<br />
Angst um se<strong>in</strong>e Position als angesehener Staatsbeamter. Hippel attackierte <strong>in</strong><br />
diesem Werk das „Herrschaftsgebaren der Männer“ 16 . Auch er sah die<br />
Unterdrückung der Frau nicht als naturgegeben, sondern nur als Folgerung aus der<br />
Erziehung der Frauen, die von Männern bestimmt wird. Frauen sollten die vollen<br />
Menschen- und Bürgerrechte erlangen. „Durch Erziehung wollte Hippel für Frauen<br />
das Ziel ihres gesellschaftlichen Lebens über Kirche und Stricknadel<br />
h<strong>in</strong>aus(rücken); man führe sie nur an, und sie werden uns sehr bald an Scharf- und<br />
Tiefs<strong>in</strong>n übertreffen“ 17 .<br />
Mary Wollstonecraft (1759-1797) verfasste die fem<strong>in</strong>istische Schrift „V<strong>in</strong>dication of<br />
the Rights of Women“. Wollstonecraft geht davon aus, dass jeder Mensch die<br />
12 Behm: „Das Geschlecht der Bildung – Die Bildung der Geschlechter“, Opladen 1999 S. 35<br />
13 Ranftl: „<strong>Weg</strong>marken und Pflasterste<strong>in</strong>e“ , L<strong>in</strong>z 1999, S. 37<br />
14 Rosenbusch: „<strong>Der</strong> <strong>Weg</strong> <strong>zum</strong> <strong>Frauenwahlrecht</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong>“, Baden-Baden 1998, S. 181<br />
15 Ranftl: „<strong>Weg</strong>marken und Pflasterste<strong>in</strong>e“ , L<strong>in</strong>z 1999, S. 40<br />
16 Ranftl: „<strong>Weg</strong>marken und Pflasterste<strong>in</strong>e“ , L<strong>in</strong>z 1999, S. 40<br />
17 Ranftl: „<strong>Weg</strong>marken und Pflasterste<strong>in</strong>e“ , L<strong>in</strong>z 1999, S. 41<br />
4
gleichen Rechte hat, egal ob Mann oder Frau. Sie kritisiert scharf, dass die<br />
Erziehung und Bildung der Frauen nur darauf ausgerichtet sei, sie zu<br />
„Bedürfnisbefriediger<strong>in</strong>nen“ der Männer zu machen. Wollstonecrafts „V<strong>in</strong>dication of<br />
the Rights of Women“<br />
und Hippels „Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber“ gelten als erste<br />
fem<strong>in</strong>istische Schriften im deutschsprachigen Raum.<br />
Im 19. Jahrhundert gab es weitere Theorien <strong>zum</strong> Thema der Familie und der<br />
Frauen. So hatte Karl Marx (1818-1883) die Vorstellung, dass die Familie nicht<br />
mehr der Produktion dienen sollte. Die Frau ist bei Marx ganz klar <strong>in</strong> die <strong>in</strong>dustrielle<br />
Gesellschaft und somit <strong>in</strong> den „öffentlichen Produktionsprozess“ 18 e<strong>in</strong>gegliedert.<br />
Die bürgerliche Familie soll nach Marx aufgelöst werden.<br />
Friedrich Engels (1820-1895) sprach von e<strong>in</strong>er „Gleichheit der Geschlechter <strong>in</strong> der<br />
kommunistischen Urgesellschaft“ 19 . Auch für Engels endet die Vorherrschaft des<br />
Mannes mit dem Ende se<strong>in</strong>er f<strong>in</strong>anziellen Macht über die Frauen. In dem Moment,<br />
wo die Frau <strong>in</strong> die <strong>in</strong>dustrielle Produktion e<strong>in</strong>tritt, ist sie dem Mann gleichberechtigt.<br />
<strong>Der</strong> davor der Frau vorbehaltene Bereich der K<strong>in</strong>dererziehung soll nun von der<br />
Gesellschaft wahrgenommen werden.<br />
Marx und Engels fordern e<strong>in</strong>e Erweiterung der Rechte des Staatsbürgers und auch<br />
das allgeme<strong>in</strong>e Wahlrecht.<br />
Wie viele Philosophen unterstützte auch der Komponist Richard Wagner (1813 -<br />
1883) den Antifem<strong>in</strong>ismus der Zeit. 1852 sagte er: „er habe mit der Gestalt der<br />
Ortrud <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Oper Lohengr<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Frau zeichnen wollen, „die Liebe nicht kennt.<br />
Hiermit ist alles und das Furchtbarste gesagt. Ihr Wesen ist Politik. E<strong>in</strong> politischer<br />
Mann ist widerlich; e<strong>in</strong> politisches Weib aber grauenhaft: diese Grauenhaftigkeit<br />
hatte ich darzustellen.“ 20<br />
<strong>Der</strong> Kampf um das parlamentarische <strong>Frauenwahlrecht</strong><br />
Bis Mitte des 19. Jahrhunderts beteiligten sich ke<strong>in</strong>e Frauen an der Diskussion um<br />
das Frauenstimmrecht, sondern es war e<strong>in</strong>e re<strong>in</strong> von Männern geführte politische<br />
Debatte. Mit der Revolution von 1848/49 formulierten auch die ersten Frauen <strong>in</strong><br />
Österreich und <strong>Deutschland</strong> vage Forderungen nach dem allgeme<strong>in</strong>en<br />
Frauenstimmrecht. Es entstand e<strong>in</strong>e Frauenbewegung, die sich für das Stimmrecht<br />
der Frauen e<strong>in</strong>setzte. Es wird hierbei sowohl <strong>in</strong> Österreich als auch <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
zwischen der bürgerlichen Frauenbewegung und der sozialdemokratischen<br />
Frauenbewegung unterschieden.<br />
Die ersten Frauenvere<strong>in</strong>igungen <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> nach dem Jahre 1848 wurden<br />
verfolgt, da <strong>in</strong> den meisten Bundesstaaten das Versammlungsrecht für Frauen<br />
nicht gegeben war und die Mitgliedschaft <strong>in</strong> politischen Vere<strong>in</strong>en für Frauen<br />
verboten war. Frauen durften vor der Novellierung des Vere<strong>in</strong>sgesetzes demnach<br />
nur unpolitische Vere<strong>in</strong>e gründen.<br />
Im Jahre 1865 fand die Leipziger Frauenkonferenz statt, welche die Gründung des<br />
Allgeme<strong>in</strong>en Deutschen Frauenvere<strong>in</strong>s (ADF) bewirkte, der <strong>in</strong>nerhalb von fünf<br />
Jahren bereits 10.000 Mitglieder hatte. <strong>Der</strong> Vere<strong>in</strong> setzte sich für e<strong>in</strong>e verbesserte<br />
18 Rosenbusch: „<strong>Der</strong> <strong>Weg</strong> <strong>zum</strong> <strong>Frauenwahlrecht</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong>“, Baden-Baden 1998, S. 209<br />
19 Rosenbusch: „<strong>Der</strong> <strong>Weg</strong> <strong>zum</strong> <strong>Frauenwahlrecht</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong>“, Baden-Baden 1998, S. 211<br />
20 http://www.br-onl<strong>in</strong>e.de/wissen-bildung/telekolleg/faecher/geschichte/trimester_04/ S. 2<br />
5
Frauen- und Mädchenbildung und die Verbesserung der Arbeitse<strong>in</strong>stiegs- und<br />
Arbeitsmöglichkeiten für Frauen e<strong>in</strong>.<br />
Auguste Fickert (1855 – 1910) gründete 1893 den "Allgeme<strong>in</strong>en Österreichischen<br />
Frauenvere<strong>in</strong>". <strong>Der</strong> Allgeme<strong>in</strong>e österreichische Frauenvere<strong>in</strong> war der erste<br />
Frauenvere<strong>in</strong>, der sich nicht nur um e<strong>in</strong>e Verbesserung der Bildungsmöglichkeiten<br />
für Frauen bemühte, sondern auch politische Forderungen, wie die nach dem<br />
<strong>Frauenwahlrecht</strong> stellte. Die Gründung von ausschließlich politischen Vere<strong>in</strong>en war<br />
Frauen auf Grund des Vere<strong>in</strong>sgesetzes von 1867 jedoch verboten.<br />
Verstärkt begannen die Frauen <strong>in</strong> Österreich um das <strong>Frauenwahlrecht</strong> zu kämpfen,<br />
als den steuerzahlenden, also besitzenden, Frauen <strong>in</strong> Niederösterreich das<br />
Wahlrecht wieder entzogen wurde.<br />
Zum Anliegen e<strong>in</strong>er Massenbewegung wurde die Stimmrechtsforderung <strong>in</strong><br />
<strong>Deutschland</strong> allerd<strong>in</strong>gs nur im Rahmen der Sozialdemokratie.<br />
Die Forderung nach dem Frauenstimmrecht entwickelte sich im Großen und<br />
Ganzen im Deutschen Reich und <strong>in</strong> Österreich erst nach den Forderungen nach<br />
verbesserter Bildung und verbesserten Arbeitsmöglichkeiten für Frauen.<br />
Die Entwicklung der Stimmrechtsfrage bis <strong>zum</strong> Ausbruch des ersten<br />
Weltkrieges<br />
Zunehmend wurde die männliche Bevölkerung politik<strong>in</strong>teressierter. Mit<br />
wachsendem Politik<strong>in</strong>teresse der Männer wurden auch die Aktivitäten der Frauen<br />
<strong>in</strong>tensiver.<br />
Im Jahre 1894 schlossen sich mehrere Frauenvere<strong>in</strong>e <strong>zum</strong> Bund Deutscher<br />
Frauenvere<strong>in</strong>e (BDF) zusammen. Mit der Gründung dieses Vere<strong>in</strong>s g<strong>in</strong>g der<br />
Aufschwung der bürgerlichen Frauenbewegung e<strong>in</strong>her. Dieser Vere<strong>in</strong> arbeitete nun<br />
neben der bereits bestehenden Frauenvere<strong>in</strong>en und den Vere<strong>in</strong>en, die sich für<br />
Frauenbildung und Frauenarbeit e<strong>in</strong>setzten. Die Hauptziele des Bundes Deutscher<br />
Frauenvere<strong>in</strong>e waren die rechtliche Gleichstellung der Frau, das Ideal der<br />
Mutterschaft, die Berufstätigkeit unverheirateter k<strong>in</strong>derloser Frauen und die<br />
verbesserte Lehrer<strong>in</strong>nenausbildung und <strong>in</strong>sbesondere bessere Bildungs- und<br />
Erwerbsmöglichkeiten der weiblichen Bevölkerung.<br />
Kurz vor der Jahrhundertwende startete die bürgerliche Frauenbewegung e<strong>in</strong>e<br />
Kampagne für das Frauenstudium. Männliche Studenten, Wissenschaftler und<br />
Professoren wehrten sich jedoch vehement gegen die Zulassung von Frauen <strong>zum</strong><br />
Studium. „Sie argumentierten, das Ansehen der Wissenschaft würde s<strong>in</strong>ken, die<br />
Anwesenheit von Frauen verletze das Schamgefühl und führe <strong>zum</strong> Sittenverfall, die<br />
Gesundheit der Frauen leide, Menstruation, Schwangerschaft, Wechseljahre sowie<br />
ihre kle<strong>in</strong>eren und andersartigen Gehirne zeigten die biologische Unfähigkeit der<br />
Frau <strong>zum</strong> Studium.“ 21 Im Jahre 1908 wurden Frauen jedoch endlich <strong>zum</strong><br />
Universitätsstudium zugelassen. Trotz Widerständen wurden also gleiche<br />
Bildungsmöglichkeiten für Frauen geschaffen und es gab fortan mehr gebildete<br />
Frauen, die z.B. als Jurist<strong>in</strong>nen, Lehrer<strong>in</strong>nen oder Ärzt<strong>in</strong>nen wirkten. Immer<br />
weniger konnte der Wirkungskreis der Frau auf das Haus beschränkt werden und<br />
immer <strong>in</strong>tensiver wurde somit ihre Forderung nach gleichen politischen Rechten<br />
der Frauen.<br />
Im Jahre 1908 wurde per Reichsvere<strong>in</strong>sgesetz den Frauen die Mitgliedschaft <strong>in</strong><br />
politischen Vere<strong>in</strong>en erlaubt und es erfolgte e<strong>in</strong> Zuwachs an weiblichen<br />
Parteimitgliedern. Im Jahre 1914 hatten die Vere<strong>in</strong>e des Bundes Deutscher<br />
21 http://www.anna-schmidt-schule.de/FB3/FIT/FIT_19.HTM<br />
6
Frauenvere<strong>in</strong>e bereits e<strong>in</strong>e halbe Million Mitglieder. Im Vergleich dazu waren es <strong>in</strong><br />
1900 nur 70.000 Mitglieder.<br />
In den ersten Jahren des Kampfes um das Frauenstimmrecht arbeiteten<br />
bürgerliche und sozialdemokratische Frauen zusammen. Die Vere<strong>in</strong>e und<br />
Verbände verfestigten sich im Laufe ihres Bestehens und somit auch das<br />
Klassenbewusstse<strong>in</strong> der Mitglieder. Die Zusammenarbeit wurde immer schwerer.<br />
In den Jahren 1905/06 kam es auch <strong>in</strong> Österreich zu Debatten um das allgeme<strong>in</strong>e<br />
Wahlrecht. Am 26. Jänner 1907 wurde das allgeme<strong>in</strong>e und gleiche Wahlrecht für<br />
Männer e<strong>in</strong>geführt. Die sozialdemokratische Frauenbewegung verzichtete dafür<br />
jedoch auf ihren Anspruch auf das <strong>Frauenwahlrecht</strong>. Die sozialdemokratische<br />
Parteispitze g<strong>in</strong>g davon aus, dass die E<strong>in</strong>führung des Männerwahlrechts dadurch<br />
gefährdet werden könnte. Da nun aber gleiche politische Rechte für Männer<br />
geschaffen waren, konnte sich die sozialdemokratische Frauenbewegung <strong>in</strong>tensiv<br />
um die E<strong>in</strong>führung des <strong>Frauenwahlrecht</strong>s kümmern. Sie veranstaltete<br />
Massendemonstrationen und beteiligte sich ab 1911 an der Durchführung e<strong>in</strong>es<br />
Internationalen Frauentages. Die bürgerlich-liberalen Frauen h<strong>in</strong>gegen führten<br />
ke<strong>in</strong>e Demonstrationen durch, sondern nahmen an <strong>in</strong>ternationalen<br />
Frauenstimmrechtskonferenzen teil. Am 11. und 12. Juni 1913 fand sogar e<strong>in</strong>e<br />
<strong>in</strong>ternationale Frauenstimmrechtskonferenz <strong>in</strong> Wien statt.<br />
Die bürgerliche Stimmrechtsbewegung<br />
Die bürgerliche Frauenbewegung beschäftigte sich bis zur Jahrhundertwende <strong>zum</strong><br />
20. Jahrhundert nur sehr wenig mit der Stimmrechtsforderung für Frauen, sondern<br />
vorrangig mit der Verbesserung der Bildungs- und Erwerbsmöglichkeiten für<br />
Frauen. Dass die Forderung nach den Stimmrechten erst so spät laut wurde,<br />
begründete Louise Otto, e<strong>in</strong>e Protagonist<strong>in</strong> der bürgerlichen Frauenbewegung,<br />
damit: „ Politische Rechte s<strong>in</strong>d noch so neu, so wenig geschätzt und von so<br />
beschränktem praktischem Werte <strong>in</strong> der neueren Geschichte <strong>Deutschland</strong>s, dass<br />
sie schon jetzt für die Frauen zu fordern, wahrsche<strong>in</strong>lich nur dem Erfolg anderer<br />
Bestrebungen für die bessere Stellung derselben schaden würden“. 22 Hedwig<br />
Dohm (1833-1919) 23 forderte als erste deutsche Frau das <strong>Frauenwahlrecht</strong> mit<br />
umfassender Begründung. Dohm kritisierte weiterh<strong>in</strong>, dass die Gesetze, nach<br />
denen die Frauen zu leben hatten, ausschließlich von Männern gemacht wurden.<br />
Die Forderungen der Frauen auf allen Gebieten könnten somit erst durchgesetzt<br />
werden, wenn die e<strong>in</strong>e und wichtigste Forderung nach dem aktiven und passiven<br />
Wahlrecht für Frauen durchgesetzt sei. E<strong>in</strong>e andere Möglichkeit zur Erreichung der<br />
Ziele hätte die Frau nicht. Deshalb sollten sich die Frauen vorrangig auf die<br />
Durchsetzung der Wahlrechtsforderung konzentrieren. Für Dohm war die<br />
Unterdrückung der Frau nicht gottgegeben, sondern lediglich das Ergebnis<br />
geschichtlicher Entwicklung. Dohm forderte für die Frauen Selbstbestimmung <strong>in</strong><br />
allen Bereichen. Dohms Stimmrechtsschrift erschien im Jahre 1873, aber erst 20<br />
Jahre später forderte die bürgerliche Frauenbewegung das <strong>Frauenwahlrecht</strong><br />
öffentlich e<strong>in</strong>.<br />
22 Rosenbusch: „<strong>Der</strong> <strong>Weg</strong> <strong>zum</strong> <strong>Frauenwahlrecht</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong>“, Baden-Baden 1998, S. 291<br />
23 Hedwig Dohm veröffentlichte als Mitglied der bürgerlichen Frauenbewegung fem<strong>in</strong>istische Texte, <strong>in</strong> denen<br />
sie Forderungen häufig ihrer Zeit voraus aussprach. Unter ihrer Mitarbeit wurde im Jahre 1888 der Vere<strong>in</strong><br />
‚Reform’ gegründet.<br />
7
Bereits im Jahre 1849 gründete Louise Otto e<strong>in</strong>e politische Frauenzeitschrift. Das<br />
Motto dieser Frauenzeitschrift lautete: „Dem Reich der Freiheit werb’ ich<br />
Bürger<strong>in</strong>nen“. Die Verbesserung der Bildungs- und Arbeitssituation und auch die<br />
Verbesserung der politischen Teilhabe sollte laut Otto jedoch nicht egoistischen<br />
Zwecken der Frauen dienen, sondern dazu, die Menschheit als Gesamtheit zu<br />
verbessern.<br />
Im Jahre 1894 fand die erste öffentliche Frauenversammlung statt, die das<br />
Frauenstimmrecht thematisierte. Auf dieser Veranstaltung sprach auch Lily von<br />
Gizicky. Sie sagte, es sei e<strong>in</strong>e Bürgerpflicht der Frau, sich politisch zu engagieren.<br />
<strong>Der</strong> Wirkungskreis der Frau sollte sich nicht länger auf das Haus beschränken. Die<br />
Frau müsse „politische Rechte fordern: um ihrer K<strong>in</strong>der, die unter den Gesetzen<br />
des Staates leben müssten, ebenso wie um ihrer eigenen Würde willen, die durch<br />
die Gleichstellung mit K<strong>in</strong>dern, Wahns<strong>in</strong>nigen und Verbrechern verletzt werde“. 24<br />
Helene Lange (1848 – 1930) sah als Grundlage für ihre Überlegungen nicht wie<br />
Dohm und von Gizicky die Gleichheit der Geschlechter, sondern gerade die<br />
Ungleichheit. Sie wollte, dass die Frau die weiblichen Eigenschaften, die sie bereits<br />
<strong>in</strong> die Familie und im Hause e<strong>in</strong>brachte, auch <strong>in</strong> die politische und staatliche<br />
Ordnung e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen sollte. Es sollte e<strong>in</strong>e Welt entstehen, die nicht von männlichen<br />
Eigenschaften dom<strong>in</strong>iert ist, sondern sowohl männliche als auch weibliche Züge<br />
trägt, gerade, weil das re<strong>in</strong>männliche Modell ihrer Me<strong>in</strong>ung nach gescheitert war.<br />
Die bürgerliche Frauenbewegung war <strong>in</strong> zwei Flügel gesplittet, die Gemäßigten und<br />
die Radikalen. Die Radikalen forderten e<strong>in</strong>e Gleichberechtigung der Frau durch<br />
Rechtsforderungen. Die Gemäßigten forderten nicht e<strong>in</strong>e Gleichberechtigung,<br />
sondern e<strong>in</strong>e Gleichwertigkeit der weiblichen Andersartigkeit. Die Gemäßigten<br />
g<strong>in</strong>gen davon aus, dass die Forderung nach dem Frauenstimmrecht noch verfrüht<br />
sei. „Erst wenn die Frauen e<strong>in</strong> anderes, geachtetes und selbstverantwortliches<br />
Leben führen können“ 25 , erst dann können auch die politischen Rechte der Frauen<br />
durchgesetzt werden. <strong>Der</strong> radikale Flügel wollte das Frauenstimmrecht so schnell<br />
wie möglich durchsetzen. Bis 1908 blieb die Stimmrechtsbewegung vorrangig<br />
Forderung des radikalen Flügels.<br />
<strong>Der</strong> radikale Flügel mit M<strong>in</strong>na Cauer (1841-1922) 26 , Anita Augspurg und Lida<br />
Gustava Heymann (1868-1943) 27 als Hauptagitator<strong>in</strong>nen kritisierten, dass die<br />
Frauen ke<strong>in</strong>e politischen Rechte hatten, genau wie Verbrecher und geistig<br />
Beh<strong>in</strong>derte.<br />
<strong>Der</strong> gemäßigte Flügel mit Helene Lange und Gertrud Bäumer (1873-1954) 28<br />
kritisierte das Frauenbild, das nur an Gleichheit zwischen Mann und Frau orientiert<br />
ist. Es sei nicht richtig, dass Männer und Frauen völlig „gleich gemacht“ werden<br />
sollen, nur um den Frauen die vollen Menschenrechte zu ermöglichen. Für viele<br />
Frauen läge das höchste Glück <strong>in</strong> der Mutterschaft und alle<strong>in</strong> schon mit der<br />
24 Rosenbusch: „<strong>Der</strong> <strong>Weg</strong> <strong>zum</strong> <strong>Frauenwahlrecht</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong>“, Baden-Baden 1998, S. 295<br />
25 Wickert: „Heraus mit dem <strong>Frauenwahlrecht</strong>“, Pfaffenweiler 1990, S. 60<br />
26 M<strong>in</strong>na Cauer ist bekanntes Mitglied des radikalen Flügels der bürgerlichen Frauenbewegung. Im Jahre 1888<br />
wird unter ihrer Mitarbeit der Vere<strong>in</strong> ‚Frauenwohl’ gegründet. Von 1895 bis 1919 war sie die Herausgeber<strong>in</strong><br />
der Zeitschrift ‚Die Frauenbewegung’.<br />
27 Lida Gustava Heymann1899 war Mitbegründer<strong>in</strong> des Bundes fortschrittlicher Frauenvere<strong>in</strong>e und<br />
Mitbegründer<strong>in</strong> des ersten Stimmrechtsvere<strong>in</strong>s <strong>in</strong> Hamburg im Jahre 1902.<br />
28 Gertrut Bäumer ist e<strong>in</strong>e der bekanntesten Vertreter<strong>in</strong>nen des konservativen Flügels der bürgerlichen<br />
Frauenbewegung. Von Beruf Lehrer<strong>in</strong> erhielt sie i Jahre 1904 ihren Dr. phil.. Bäumer war von 1910 bis 1914<br />
die Vorsitzende des BDF. Sie wurde 1919 <strong>in</strong> die Nationalversammlung gewählt und war ab 1920<br />
Reichstagsabgeordnete.<br />
8
Möglichkeit zur Mutterschaft unterscheidet sich die Frau <strong>in</strong> ihrem Wesen vom<br />
Mann. Für die Gemäßigten war die Frauenfrage e<strong>in</strong>e re<strong>in</strong>e Kulturfrage, für die<br />
Radikalen h<strong>in</strong>gegen Rechtsfrage. Die Radikalen betonten die Gleichheit von Mann<br />
und Frau, die Gemäßigten h<strong>in</strong>gegen gerade die Unterschiede, die mehr <strong>in</strong> das<br />
Weltbild e<strong>in</strong>gehen sollten.<br />
Anita Augspurg 29 (1857 – 1943) startete e<strong>in</strong>e Initiative zur Gründung des<br />
Deutschen Verbandes für Frauenstimmrecht, welcher politische<br />
Gleichberechtigung <strong>zum</strong> Ziel hatte.<br />
<strong>Der</strong> Verband machte es sich zu e<strong>in</strong>er se<strong>in</strong>er Hauptaufgaben, die deutschen Frauen<br />
politisch zu bilden, denn an der mangelnden politischen Bildung wurde allseits<br />
Kritik geübt. Des Weiteren wollte der Verband dafür Sorge tragen, dass alle<br />
bestehenden Möglichkeiten für Frauen zur Teilhabe am politischen Leben auch voll<br />
genutzt werden. Anita Augspurg wollte nicht, dass die Frauen die Zahl der<br />
„geleiteten oder mißgeleiteten und urteilslosen Wähler vermehren“ 30 , sondern die<br />
Frauen sollten durch ihre ausreichende politische Bildung <strong>in</strong>formiert se<strong>in</strong> über die<br />
Vorgänge im Staate und somit im Stande se<strong>in</strong>, ihr Wahlrecht.<br />
Ab dem Jahre 1907 kam es zu e<strong>in</strong>em Richtungsstreit <strong>in</strong> der<br />
Stimmrechtsbewegung.<br />
Auf der 2. Generalversammlung des Deutschen Verbandes für Frauenstimmrecht<br />
sollte die Satzung des Verbandes novelliert werden. In der Satzung war nicht<br />
genau erkenntlich, für welches Wahlrecht genau der Verband e<strong>in</strong>trat. Diese wurde<br />
nun präzisiert: „<strong>Der</strong> Verband erstrebt das allgeme<strong>in</strong>e, gleiche, geheime und direkte<br />
aktive sowie das passive Wahlrecht für beide Geschlechter <strong>in</strong> den gesetzgebenden<br />
Körperschaften und <strong>in</strong> den Organen der Selbstverwaltung“ 31 .<br />
Da im Jahre 1908 das novellierte Vere<strong>in</strong>sgesetz <strong>in</strong> Kraft trat, war den Frauen die<br />
politische Arbeit <strong>in</strong> Vere<strong>in</strong>en und <strong>in</strong> Parteien von nun an freigestellt. E<strong>in</strong>e der<br />
wichtigsten Forderungen der Frauenbewegung war hiermit erfüllt worden.<br />
Allerd<strong>in</strong>gs war die SPD immer noch die e<strong>in</strong>zige Partei, die das <strong>Frauenwahlrecht</strong><br />
öffentlich forderte. Die Liberalen konnten <strong>in</strong> ihrer Haltung <strong>zum</strong> Frauenstimmrecht<br />
noch ke<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>igung erzielen, wenngleich viele Frauen Hoffnungen <strong>in</strong> diese<br />
setzten, sie für die Idee des Frauenstimmrechts zu gew<strong>in</strong>nen.<br />
Man war sich une<strong>in</strong>s darüber, ob die Frauen ihr Engagement für das<br />
Frauenstimmrecht nun auf die Parteien konzentrieren sollten, da die Arbeit <strong>in</strong> den<br />
Parteien nun legitimiert war.<br />
Viele Frauen, die sich nun <strong>in</strong> der Parteiarbeit engagierten, mussten erleben, dass<br />
<strong>in</strong> der Politik zur Durchsetzung der Ziele Kompromisse gemacht werden mussten.<br />
„Die Frauenstimmrechtsbewegung brauche Konzentration, Parteiarbeit aber<br />
bedeutete Zersplitterung.“ 32 Demnach sollten nur noch jene von der<br />
Stimmrechtsbewegung unterstützt werden, die sich voll und ganz dem Ziel des<br />
Frauenstimmrechts unterwerfen und ausschließlich für dieses Ziel kämpfen,<br />
unabhängig von jedem Parteienzwang. Bereits kurz nachdem den Frauen die<br />
Arbeit <strong>in</strong> den politischen Parteien gestattet wurde, war vielen von ihnen bereits klar,<br />
dass diese Arbeit nur sehr mühsam zur Durchsetzung der frauenpolitischen Ziele<br />
29 Anita Augspurg ist e<strong>in</strong>e der bekanntesten Vertreter<strong>in</strong>nen des radikalen Flügels der bürgerlichen<br />
Frauenbewegung. Sie war die erste deutsche Jurist<strong>in</strong>, sie erhielt im Jahre 1897 ihren Doktortitel, allerd<strong>in</strong>gs <strong>in</strong><br />
der Schweiz. Augspurg war im Jahre 1902 Mitbegründer<strong>in</strong> des ersten Hamburger Stimmrechtsvere<strong>in</strong>s.<br />
30 Wickert: „Heraus mit dem <strong>Frauenwahlrecht</strong>“, Pfaffenweiler 1990, S. 78<br />
31 Wickert: „Heraus mit dem <strong>Frauenwahlrecht</strong>“, Pfaffenweiler 1990, S. 85<br />
32 Wickert: „Heraus mit dem <strong>Frauenwahlrecht</strong>“, Pfaffenweiler 1990, S. 89<br />
9
taugte. Allerd<strong>in</strong>gs sollte die Zusammenarbeit der Parteien im eigenen Interesse<br />
auch nicht ausgeschlossen werden.<br />
Es entwickelte sich somit die Gefahr e<strong>in</strong>er gewissen Konkurrenz zwischen den<br />
Parteien und der bürgerlichen Frauenstimmrechtsbewegung, denn den Frauen<br />
standen nun beide Möglichkeiten offen, zu versuchen, ihre Forderungen<br />
durchzusetzen.<br />
Die bürgerliche Frauenstimmrechtsbewegung wollte e<strong>in</strong>e solche Konkurrenz<br />
vermeiden. Sie wollte bei der Durchsetzung der Frauenstimmrechtsforderung<br />
parteipolitisch neutral bleiben und sozusagen „über“ den Parteien stehen.<br />
In verschiedenen Gebieten des Staates bildeten sich Splittergruppen, die sich für<br />
das Frauenstimmrecht e<strong>in</strong>setzten, denn nicht überall g<strong>in</strong>g die Forderung für das<br />
Frauenstimmrecht mit der Forderung der grundlegenden Demokratisierung Hand <strong>in</strong><br />
Hand. Viele Frauen wollten zwar das <strong>Frauenwahlrecht</strong> erwirken, es sollte jedoch<br />
nicht demokratisch se<strong>in</strong>. So traten <strong>in</strong> Preußen viele Frauen aus dem Verband für<br />
Frauenstimmrecht aus und schlossen sich dem Preußischen Landesvere<strong>in</strong> an, der<br />
für das ‚Dreiklassenwahlrecht für Frauen’ e<strong>in</strong>trat.<br />
Die bürgerliche Frauenstimmrechtsbewegung hatte e<strong>in</strong>en großen Richtungsstreit<br />
und war nun zersplittert.<br />
Fehlte die Unterstützung für die Radikalen aus dem gemäßigt bürgerlichen Lager,<br />
so gab es jedoch andere Mitstreiter im Kampf um das <strong>Frauenwahlrecht</strong> – die<br />
sozialdemokratische Frauenbewegung.<br />
Die bürgerlich-liberalen Frauenstimmrechtsbewegung <strong>in</strong> Österreich machte rege<br />
von ihrem Petitionsrecht im Reichsrat und <strong>in</strong> den Landtagen Gebrauch. Sie<br />
versuchten, direkt mit den Mandatsträgern Kontakt aufzunehmen und die Männer<br />
für ihre Ziele zu begeistern. Die Frauen veröffentlichten außerdem viele<br />
Publikationen <strong>zum</strong> Thema Frauenstimmrecht.<br />
Die sozialdemokratische Stimmrechtsbewegung<br />
Die sozialdemokratische Frauenbewegung im Deutschen Reich und <strong>in</strong> Österreich<br />
arbeitete eng mit der sozialdemokratischen Partei zusammen.<br />
Vorreiter der Forderung nach dem Frauenstimmrecht <strong>in</strong> der Sozialdemokratie war<br />
Ferd<strong>in</strong>and Lassalle. S<strong>in</strong>n und Zweck der gleichen Wahlmöglichkeiten für Männer<br />
und Frauen sah er dar<strong>in</strong>, die f<strong>in</strong>anzielle Situation der Arbeiterklasse zu verbessern.<br />
Wilhelm Liebknecht forderte für das Programm der vere<strong>in</strong>igten Partei auch das<br />
<strong>Frauenwahlrecht</strong>: „E<strong>in</strong>e Partei, welche Gleichheit auf ihre Banner schreibt, schlägt<br />
sich selbst <strong>in</strong>s Gesicht, wenn sie der Hälfte des Menschengeschlechts die<br />
politischen Rechte versagt“. 33 Liebknecht konnte sich mit se<strong>in</strong>er Forderung jedoch<br />
nicht durchsetzen.<br />
August Bebel (1840-1930) sah die Stellung der Frau im Kapitalismus durch den<br />
Wandel der Produktionsverhältnisse gekennzeichnet. Er sah e<strong>in</strong>e Parallele<br />
zwischen Frauen und Arbeiterklasse. „Arbeiter und Frauen haben geme<strong>in</strong>,<br />
Unterdrückte zu se<strong>in</strong>“ 34 , so Bebel. Durch das Erwerbsleben der Frauen seien die<br />
politischen Rechte vorbereitet, um das politische Interesse der Frauen zu steigern.<br />
Nicht die simple Übertragung der Rechte der Männer auch auf die Frau war Bebels<br />
Me<strong>in</strong>ung nach entscheidend für die Beendigung der Unterdrückung der Frauen, er<br />
sah hierfür die Umformung der gesamten Gesellschaft <strong>zum</strong> Sozialismus h<strong>in</strong> als<br />
grundlegende Voraussetzung an.<br />
33 Rosenbusch: „<strong>Der</strong> <strong>Weg</strong> <strong>zum</strong> <strong>Frauenwahlrecht</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong>“, Baden-Baden 1998, S. 304<br />
34 Wickert: „Heraus mit dem <strong>Frauenwahlrecht</strong>“, Pfaffenweiler 1990, S. 65<br />
10
Bereits im Jahre 1895 brachte Bebel <strong>in</strong> den Reichstag <strong>zum</strong> ersten Mal die<br />
Forderung nach dem Wahlrecht für Frauen e<strong>in</strong>, es gelang ihm jedoch nicht, diese<br />
Forderung durchzusetzen. Das <strong>Frauenwahlrecht</strong> sollte e<strong>in</strong> „Etappenziel auf dem<br />
<strong>Weg</strong> <strong>zum</strong> Sozialismus“ 35 se<strong>in</strong>.<br />
Als Mitglied der SPD grenzte Clara Zetk<strong>in</strong> (1857-1933) 36 sich von der bürgerlichen<br />
Frauenbewegung ab. Ab 1892 fungierte sie für e<strong>in</strong> viertel Jahrhundert als<br />
Redakteur<strong>in</strong> der sozialdemokratischen Frauenzeitung ‚Die Gleichheit’.<br />
Die Entwicklung zur Industriegesellschaft verursachte ihrer Me<strong>in</strong>ung nach<br />
unterschiedliche Probleme für Frauen der unterschiedlichen Klassen. Das<br />
Bemühen um bessere Berufschancen der Bürgerlichen wird von Zetk<strong>in</strong> nur<br />
belächelt. Frauen des Proletariats hatten ke<strong>in</strong>e Probleme, Arbeit zu f<strong>in</strong>den, doch für<br />
diese Arbeit erhielten sie nur e<strong>in</strong>en Hungerlohn, der darüber h<strong>in</strong>aus dazu diente,<br />
die Gehälter der Männer zu drücken. E<strong>in</strong>es der Hauptziele Zetk<strong>in</strong>s war die<br />
Durchsetzung der Vergesellschaftung der Produktionsmittel. Neben der Forderung<br />
politischer Rechte setzte sich Zetk<strong>in</strong> für den 8-Stunden-Tag, die Mutterschafts- und<br />
Krankenversicherung, das Verbot von gesundheitsschädlicher Frauenarbeit und<br />
die Teilhabe von Frauen <strong>in</strong> der Gewerbeaufsicht e<strong>in</strong>.<br />
Clara Zetk<strong>in</strong> sah das Wahlrecht für die Frau als Kampfmittel gegen die<br />
kapitalistische Gesellschaft an. „Die Rechtsgleichheit der Geschlechter war also für<br />
die Arbeiter<strong>in</strong> nicht Endziel, sondern nur Mittel <strong>zum</strong> Zweck, damit sie<br />
gleichausgestattet an Waffen mit dem Proletarier <strong>in</strong> den Kampf ziehen kann“ 37 .<br />
Im Jahre 1907 führte Zetk<strong>in</strong> auf der Ersten Konferenz der Sozialistischen<br />
Frauen<strong>in</strong>ternationale <strong>in</strong> Stuttgart „e<strong>in</strong>en Beschluss herbei, nach dem auch<br />
Sozialdemokrat<strong>in</strong>nen anderer Länder, wie z.B. die Dän<strong>in</strong>nen Kontakte und<br />
Zusammenarbeit mit bürgerlichen Frauenstimmrechtsvere<strong>in</strong>en abbrechen<br />
mussten“ 38 . Die Schranken zwischen den Klassen wurden immer unüberw<strong>in</strong>dbarer.<br />
Darüber h<strong>in</strong>aus war politische Arbeit auf Grund des Sozialistengesetzes von 1878<br />
bis 1890 nur noch im Geheimen möglich. Aber die Arbeit der Sozialdemokrat<strong>in</strong>nen<br />
g<strong>in</strong>g im Verborgenen weiter. Ungebrochen war ihr Kampfeswille. Er äußerte sich <strong>in</strong><br />
Form von verteilten Flugblättern und Zeitschriften, Geldsammlungen für<br />
sozialdemokratische Zwecke und dem geheimen Werben um Frauen als Anhänger<br />
der Sozialdemokratie. Empört über das Sozialistengesetz schlossen sich viele<br />
Frauen der sozialdemokratischen Arbeiter<strong>in</strong>nenbewegung an. Diese funktionierte,<br />
<strong>in</strong>dem sie durch e<strong>in</strong> spezielles Organisationspr<strong>in</strong>zip die schweren E<strong>in</strong>schränkungen<br />
durch das Vere<strong>in</strong>sgesetz und das Sozialistengesetz umg<strong>in</strong>g. Die Frauen<br />
organisierten sich <strong>zum</strong> Beispiel <strong>in</strong> Frauenbildungsvere<strong>in</strong>en, welche Lese- und<br />
Diskutierabende durchführten. Hier wurde den Frauen sozialdemokratisches<br />
Gedankengut näher gebracht und die Frauen wurden mit dem Lesen politischer<br />
Schriften vertraut gemacht.<br />
Bereits ab dem Jahre 1903 wurde die SPD <strong>in</strong> ihrer Wahlkampfarbeit von Frauen<br />
unterstützt. Den Sozialdemokraten wurde auch durch diese Unterstützung die<br />
große Bedeutung der Frauen für die Arbeit <strong>in</strong> der Partei bewusst. Sie leisteten<br />
massive Überzeugungsarbeit <strong>in</strong> der Bevölkerung nach dem Motto: „Können wir<br />
nicht wählen, so können wir doch wühlen“ 39 . Die Arbeit während der Wahlkämpfe<br />
35 Rosenbusch: „<strong>Der</strong> <strong>Weg</strong> <strong>zum</strong> <strong>Frauenwahlrecht</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong>“, Baden-Baden 1998, S. 306<br />
36 Clara Zetk<strong>in</strong> war e<strong>in</strong>e der führenden Sozialdemokrat<strong>in</strong>nen. Sie gründete im Jahr 1891 die Zeitschrift ‚Die<br />
Gleichheit’. In der Zeit des I. Weltkrieges war sie Mitglied der USPD, der Unabhängigen<br />
Sozialdemokratischen Partei <strong>Deutschland</strong>s und ab 1919 Mitglied der KPD. In den Jahren von 1920 bis 1933<br />
war sie Mitglied des Reichstages.<br />
37 Rosenbusch: „<strong>Der</strong> <strong>Weg</strong> <strong>zum</strong> <strong>Frauenwahlrecht</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong>“, Baden-Baden 1998, S. 308<br />
38 Wickert: „Heraus mit dem <strong>Frauenwahlrecht</strong>“, Pfaffenweiler 1990, S. 70<br />
39 Wickert: „Heraus mit dem <strong>Frauenwahlrecht</strong>“, Pfaffenweiler 1990, S. 72<br />
11
wurde von den Frauen genutzt, um die Frauenstimmrechtsforderung zu<br />
popularisieren.<br />
Im Jahre 1910 wurde auf der Internationalen Frauenkonferenz <strong>in</strong> Kopenhagen<br />
beschlossen, die Aufmerksamkeit der Welt auf das Frauenstimmrecht zu lenken,<br />
<strong>in</strong>dem <strong>in</strong> möglichst vielen Ländern zeitgleich e<strong>in</strong> Kampftag für das <strong>Frauenwahlrecht</strong><br />
stattf<strong>in</strong>den sollte. Am 19. März 1911 wurde erstmals der Internationale Frauentag<br />
<strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> und Österreich gefeiert. Auch <strong>in</strong> Dänemark und der Schweiz fand<br />
e<strong>in</strong> solcher Frauentag statt. So warb beispielsweise der Sozialdemokratische<br />
Vere<strong>in</strong> Elberfeld folgendermaßen für die Beteiligung am Internationalen Frauentag:<br />
Dieser Tag soll zeigen, dass „ihr es satt habt, als Gleichverpflichtete, aber<br />
M<strong>in</strong>derberechtigte Euch zu mühen“ 40 . <strong>Der</strong> Erste Internationale Frauentag im Jahre<br />
1911 hatte massiven Zulauf unter den Sozialdemokrat<strong>in</strong>nen. Bis <strong>zum</strong> Ausbruch des<br />
I. Weltkrieges fand jährlich e<strong>in</strong> Internationaler Frauentag <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> statt.<br />
Die Entwicklung der Stimmrechtsfrage im Ersten Weltkrieg<br />
Mit Ausbruch des I. Weltkrieges traten viele politische Themen <strong>in</strong> den H<strong>in</strong>tergrund,<br />
so auch die Debatte um das Frauenstimmrecht. Die Euphorie zu Kriegsausbruch<br />
ließ die Gräben zwischen den Klassen, Parteien und Interessengruppen zunächst<br />
verschw<strong>in</strong>den.<br />
Die bürgerliche und die sozialdemokratische Frauenbewegung arbeiteten nun<br />
verstärkt zusammen.<br />
Im Jahre 1916 schlossen sich der Deutsche Verband für Frauenstimmrecht und die<br />
Deutsche Vere<strong>in</strong>igung für Frauenstimmrecht <strong>zum</strong> Deutschen Reichsbund für<br />
Frauenstimmrecht zusammen. <strong>Der</strong> Deutsche Stimmrechtsbund schloss sich nicht<br />
dieser Vere<strong>in</strong>igung an und wurde „<strong>in</strong>s Abseits gedrängt“ 41 .<br />
Während des Krieges fielen die Positionen darüber, wie die Arbeit <strong>in</strong> den<br />
Stimmrechtsvere<strong>in</strong>en weiter gehen sollte, ause<strong>in</strong>ander. Für Heymann war es<br />
besonders <strong>in</strong> Kriegszeiten erforderlich, die <strong>in</strong>ternationale Zusammenarbeit der<br />
Frauen aufrecht zu erhalten. M<strong>in</strong>na Cauer wollte, dass die Forderung nach dem<br />
Frauenstimmrecht erst e<strong>in</strong>mal h<strong>in</strong>ter die Kriegs<strong>in</strong>teressen zurücktreten sollte.<br />
Die vielfältigen Aufgaben zu Kriegszeiten ließen die Frauen mehr und mehr am<br />
öffentlichen Leben teilhaben. Viele der D<strong>in</strong>ge, die vorher Aufgabe der Familie<br />
waren, wurden nun mehr und mehr vom Staat übernommen, um Frauen als<br />
Arbeiter<strong>in</strong>nen und zur Übernahme öffentlicher Aufgaben zu gew<strong>in</strong>nen. Diese<br />
wachsende Teilhabe am öffentlichen Leben ließ auch die Forderung nach dem<br />
Frauenstimmrecht wieder lauter werden.<br />
So forderte der Bund Deutscher Frauenvere<strong>in</strong>e im Jahr 1917 von Regierung und<br />
Parlament <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Denkschrift das aktive und passive Wahlrecht für Frauen und<br />
bezog somit „<strong>zum</strong> ersten Mal explizit gegenüber dem Gesetzgeber Stellung“ 42 .<br />
Hauptanliegen war jedoch nicht mehr die Err<strong>in</strong>gung des Frauenstimmrechts,<br />
sondern die Unterstützung der Kriegsziele. Frauen engagierten sich nun besonders<br />
im Bereich der Wohlfahrt.<br />
Gertrud Bäumer bezeichnete diese H<strong>in</strong>tenanstellung folgendermaßen:<br />
„Heimatdienst ist für uns die Kriegsübersetzung des Wortes ‚Frauenbewegung’“ 43 .<br />
Es gab <strong>in</strong> über sechzig Städten Zusammenschlüsse von Frauen aus den<br />
verschiedenen Strömungen der Frauenbewegung im Nationalen Frauendienst. Sie<br />
40 Wickert: „Heraus mit dem <strong>Frauenwahlrecht</strong>“, Pfaffenweiler 1990, S. 73<br />
41 Wickert: „Heraus mit dem <strong>Frauenwahlrecht</strong>“, Pfaffenweiler 1990, S. 105<br />
42 Wickert: „Heraus mit dem <strong>Frauenwahlrecht</strong>“, Pfaffenweiler 1990, S. 106<br />
43 Wickert: „Heraus mit dem <strong>Frauenwahlrecht</strong>“, Pfaffenweiler 1990, S. 106<br />
12
etreuten Familien, deren Männer im Krieg waren, vermittelten den Frauen Arbeit<br />
und kümmerten sich um die Verbesserung der kriegsbed<strong>in</strong>gt schlechten<br />
Lebensmittelversorgung.<br />
Solche ehrenamtliche Arbeit unterstützte die Erreichung der Kriegsziele, aber auch<br />
die Erwerbstätigkeit von Frauen, die nun auf Grund mangelnder männlicher<br />
Arbeitskräfte erforderlich war, um die Wirtschaft, Kriegswirtschaft und das<br />
öffentliche Leben aufrecht zu erhalten. Im Jahre 1916 wurde e<strong>in</strong> Kriegsamt<br />
e<strong>in</strong>gerichtet, <strong>in</strong> dem es e<strong>in</strong>e Frauenarbeitszentrale gab. <strong>Der</strong>en Aufgabe war es<br />
unter anderem, den Frauen den Zugang zur Erwerbsarbeit zu erleichtern. Auch die<br />
Vere<strong>in</strong>barkeit von Arbeit und Familie sollte verbessert werden.<br />
Die Zusammenarbeit zwischen Sozialdemokrat<strong>in</strong>nen und Bürgerlichen verlief dabei<br />
fast reibungslos und durch die geme<strong>in</strong>same Arbeit näherten sich ihre Positionen<br />
an. Die wirtschaftliche Selbständigkeit der Frauen wuchs mit der Zunahme ihrer<br />
Erwerbstätigkeit.<br />
Mehr und mehr wurde klar, dass Frauen Männerarbeit gleichwertig erfüllen konnten<br />
und immer weniger konnte der Ausschluss der Frauen von Wahlrecht mit<br />
geschlechtsspezifischen Unterschieden begründet werden. Frauen übernahmen<br />
auch immer mehr staatliche Aufgaben. Die neu gewonnenen Arbeitsbereiche<br />
verschafften den Frauen e<strong>in</strong> neues Selbstbewusstse<strong>in</strong> und e<strong>in</strong> neues<br />
Politikverständnis. Es bestand e<strong>in</strong> zunehmendes Informations- und<br />
Mitsprachebedürfnis. Durch die Teilhabe an staatlichen und öffentlichen Aufgaben<br />
fühlte sich die Frau dem Staate mehr und mehr verbunden und viele Frauen<br />
stellten neben ihrer Erwerbstätigkeit ihr ehrenamtliches Engagement <strong>in</strong> den Dienst<br />
des Staates. Für e<strong>in</strong>ige Männer und Frauen g<strong>in</strong>g die ehrenamtliche Tätigkeit nicht<br />
weit genug - analog zur Wehrpflicht der Männer wurde verstärkt über die<br />
E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>er weiblichen Dienstpflicht geredet, bei welcher die Frauen z.B.<br />
soziale Aufgaben übernehmen sollten. Trotz längerer Debatten kam e<strong>in</strong>e<br />
gesetzliche Verankerung dieser Dienstpflicht nie zustande. <strong>Der</strong> BDF hatte sich<br />
nicht gegen die Dienstpflicht gestellt, aber letztendlich sah er auch die Aufgaben<br />
der Mütter als Dienst am Staate an. Die allgeme<strong>in</strong> „schon vor dem Krieg aktuelle<br />
Tendenz, die Erfüllung der Mutterpflicht als staatsbürgerliche Leistung zu werten,<br />
erhielt im Krieg neuen Aufschwung“ 44 .<br />
In der sozialdemokratischen Frauenbewegung war <strong>zum</strong> Teil die gleiche<br />
Kriegsbegeisterung vorhanden, wie <strong>in</strong> der bürgerlichen. Es gab jedoch auch e<strong>in</strong>ige<br />
Kriegsgegner <strong>in</strong> den Reihen der sozialdemokratischen Frauenbewegung.<br />
Hauptgrund dafür, den Krieg nicht zu befürworten, war, dass es nicht im<br />
Sozialdemokratischen S<strong>in</strong>n se<strong>in</strong> könnte, wenn Arbeiter <strong>in</strong> den Krieg ziehen<br />
müssen für das kapitalistische Deutsche Reich. Diese unterschiedlichen<br />
Me<strong>in</strong>ungen hatten e<strong>in</strong>e Spaltung im sozialdemokratischen Lager zur Folge.<br />
Luise Zietz (1865-1922) 45 verhielt sich zunächst konform zur Me<strong>in</strong>ung der<br />
Parteimehrheit, die den Krieg befürworteten. Sie kümmerte sich <strong>in</strong> den<br />
Kriegsjahren für den Auf- und Ausbau sozialer E<strong>in</strong>richtungen <strong>in</strong>sbesondere für<br />
Arbeiterfamilien.<br />
Bis <strong>zum</strong> Ausbruch des I. Weltkrieges stand die Erhaltung des Friedens auf den<br />
Fahnen aller Sozialdemokraten. Am 04. August 1914 stimmten die<br />
Sozialdemokraten im Reichstag der Bewilligung der Kriegskredite jedoch zu. Wie<br />
44 Rosenbusch: „<strong>Der</strong> <strong>Weg</strong> <strong>zum</strong> <strong>Frauenwahlrecht</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong>“, Baden-Baden 1998, S. 404<br />
45 Luise Zietz war als führende Sozialdemokrat<strong>in</strong> im Jahre 1908 das erste weibliche Vorstandsmitglied <strong>in</strong> der<br />
SPD. Im Jahre 1919 wurde sie Mitglied der Nationalversammlung. Von 1920 bis 1922 war sie Mitglied des<br />
Reichstages.<br />
13
schon oben erwähnt, waren auch viele sozialdemokratische Frauen von der<br />
Kriegseuphorie erfasst worden. Andere Sozialdemokrat<strong>in</strong>nen, wie z.B. Clara<br />
Zetk<strong>in</strong>, behielten ihre antimilitaristischen Forderungen durchgehend bei. Sie<br />
äußerte ihre Me<strong>in</strong>ung öffentlich, obwohl sie damit Gefahr lief, das e<strong>in</strong>heitliche Bild<br />
der SPD nach außen h<strong>in</strong> zu schwächen. Sie kritisierte offenkundig<br />
Lebensmittelkürzungen und Preiserhöhungen und wollte die <strong>in</strong>ternationale<br />
Zusammenarbeit aufrechterhalten.<br />
Im Kriegsjahr 1915 fand <strong>in</strong> Bern, also e<strong>in</strong>em politisch neutralen Veranstaltungsort,<br />
e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>ternationale Frauenkonferenz statt, welche durch Clara Zetk<strong>in</strong> organisiert<br />
wurde. Diese Frauenkonferenz beschloss e<strong>in</strong>e Friedensresolution. Zetk<strong>in</strong> wurde<br />
nach der Beteiligung an der Konferenz des Landesverrates angeklagt, was durch<br />
die e<strong>in</strong>geschränkte Presse-, Vere<strong>in</strong>s- und Versammlungsfreiheit möglich war. Die<br />
Polizei g<strong>in</strong>g verstärkt gegen Zetk<strong>in</strong> vor, sie wurde mehrmals festgenommen. In<br />
Zetk<strong>in</strong>s Arbeit trat demnach auch die Forderung nach politischer<br />
Gleichberechtigung <strong>in</strong> den H<strong>in</strong>tergrund h<strong>in</strong>ter die Friedensforderung.<br />
Auch die Arbeit der anderen Kriegsgegner aus der Sozialdemokratie wurde immer<br />
mehr erschwert. Die Gruppe ‚Spartakus’, welche sich für pazifistische Bemühungen<br />
zusammengeschlossen hatte, wurde im Jahre 1917 sogar aus der SPD<br />
ausgeschlossen. Die ausgeschlossenen Mitglieder gründeten e<strong>in</strong>e neue Partei, die<br />
USPD, die Unabhängige Sozialdemokratische Partei <strong>Deutschland</strong>s. <strong>Der</strong> USPD<br />
traten unter anderem Clara Zetk<strong>in</strong> und Luise Zietz bei, beide Mitglieder der<br />
sozialdemokratischen Frauenbewegung. Auch die sozialdemokratische<br />
Frauenbewegung war, wie die SPD selbst, somit gespalten.<br />
Im Verlauf des Krieges flaute die Kriegsbegeisterung immer mehr ab. So wie <strong>in</strong> der<br />
Frauenbewegung spalteten sich auch Parteien und Volk h<strong>in</strong>sichtlich der<br />
Kriegsfrage. Die Bevölkerung wurde mit zunehmenden militärischen Misserfolgen<br />
unzufriedener. <strong>Der</strong> für die Sozialdemokratie typische Friedensgedanke gewann<br />
wieder an Bedeutung. Im Jahre 1917 verstärkten die Sozialdemokraten ihre<br />
Friedensbemühungen. Sie forderten „e<strong>in</strong>en Frieden ohne Annexionen und<br />
Entschädigungen und die sofortige Beseitigung aller Ungleichheiten der<br />
Staatsbürgerrechte <strong>in</strong> Reich, Staat und Geme<strong>in</strong>de“ 46 . Auch Teile der<br />
Frauenbewegungen setzten sich verstärkt für den Frieden e<strong>in</strong>. Mitglieder der<br />
bürgerlichen Stimmrechtsbewegung nutzten den Krieg für die verstärkte Forderung<br />
nach Frauenstimmrecht, denn ihrer Me<strong>in</strong>ung nach war der Krieg „ultima ratio der<br />
Staatsweisheit der Männer“ 47 und e<strong>in</strong> dauerhafter Friede könne nur zustande<br />
kommen, wenn die Frauen durch die Erlangung des aktiven und passiven<br />
Wahlrechtes E<strong>in</strong>fluss auf die Politik nehmen können.<br />
Um dem starken Druck von außen standzuhalten, war es erforderlich, die<br />
<strong>in</strong>nenpolitische E<strong>in</strong>heit im Deutschen Reich zu stärken. Dies war nicht ohne<br />
<strong>in</strong>nenpolitische Reformen möglich. Selbst Kaiser Wilhelm II sprach sich im Jahre<br />
1917 für e<strong>in</strong>e Wahlrechtsreform <strong>in</strong> Preußen aus. Er erkannte, dass sich das<br />
gesamte deutsche Volk gleichermaßen im Krieg bemüht hatte und dass es somit<br />
ke<strong>in</strong>e Berechtigung mehr für das Klassenwahlrecht gäbe. E<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>führung des<br />
Frauenstimmrechts erwähnte er jedoch nicht.<br />
Immer häufiger gab es ab 1917 groß organisierte öffentliche Streiks. Das<br />
Bevorstehen der Revolution konnte kaum noch übersehen werden.<br />
46 Rosenbusch: „<strong>Der</strong> <strong>Weg</strong> <strong>zum</strong> <strong>Frauenwahlrecht</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong>“, Baden-Baden 1998, S. 389<br />
47 Rosenbusch: „<strong>Der</strong> <strong>Weg</strong> <strong>zum</strong> <strong>Frauenwahlrecht</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong>“, Baden-Baden 1998, S. 409<br />
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Auch <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> war der Lauf der Ereignisse nicht mehr zu stoppen. Am 9. November<br />
1918 verzichtete der Kaiser auf den Thron und es wurde die Republik ausgerufen.<br />
Noch wenige Tage vorher wurde versucht, durch Reformen die Revolution zu<br />
stoppen. Man hoffte, die gesetzliche Verankerung der allgeme<strong>in</strong>en, freien und<br />
gleichen Wahl würde die Situation im Volke beruhigen und e<strong>in</strong>en Aufstand<br />
verh<strong>in</strong>dern zu können und brachte e<strong>in</strong>en dementsprechenden Antrag <strong>in</strong> den<br />
Reichstag e<strong>in</strong>.<br />
Die E<strong>in</strong>führung des <strong>Frauenwahlrecht</strong>s wurde nicht auf Grund des veränderten<br />
Zeitgeistes vom Reichstag beschlossen, sondern war nur Mittel <strong>zum</strong> Zweck, um<br />
e<strong>in</strong>e Revolution zu verh<strong>in</strong>dern.<br />
Zur Umsetzung des Antrages kam es nicht mehr, da am 9.November 1918 die<br />
Revolutionäre die Macht im Lande übernahmen. Am 12. November 1918 erfolgte<br />
dann die umfassende Umsetzung aller Wahlrechtsforderungen auf kommunaler<br />
Länder- und Reichsebene.<br />
Am gleichen Tag wurde nach dem Zusammenbruch der Habsburger-Monarchie<br />
die Republik Deutschösterreich ausgerufen.<br />
Die ersten neu entstandenen Gesetze <strong>in</strong> der Republik betrafen die neue<br />
österreichische Demokratie. <strong>Der</strong> Antrag von Staatskanzler Karl Renner über das<br />
„allgeme<strong>in</strong>e, gleiche, direkte und geheime Stimmrecht aller Staatsbürger ohne<br />
Unterschied des Geschlechts“ passierte noch am 12. November 1918 die<br />
Nationalversammlung.<br />
Das <strong>Frauenwahlrecht</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> und Österreich war nun erkämpft.<br />
In Österreich wurde e<strong>in</strong> Wahlalter von 20 Jahren beschlossen. Gewählt werden<br />
durften Männer und Frauen mit 29 Jahren. Die erste freie Wahl zur<br />
Konstituierenden Nationalversammlung fand am 16. Februar 1919 statt. Sie<br />
brachte allerd<strong>in</strong>gs noch e<strong>in</strong>ige Probleme auf Grund der noch unklaren<br />
Staatsgrenzen mit sich, die dann durch den Friedensvertrag von Sa<strong>in</strong>t Germa<strong>in</strong> am<br />
10. September 1919 festgelegt wurden.<br />
Verhalten nach dem Erlass des Gesetzes<br />
Hauptthema nach der E<strong>in</strong>führung des <strong>Frauenwahlrecht</strong>s war ganz klar der Blick auf<br />
die nächste Wahl, die reichsweit stattf<strong>in</strong>den würde. Wichtig hierfür war es vor<br />
allem, die Frauen politisch zu bilden, um sie auf die Wahl vorzubereiten. Man wollte<br />
erreichen, dass alle Frauen ihr neu gewonnenes Recht auch wahrnehmen würden.<br />
Und die Frauen nutzen die Möglichkeit, sich über die verschiedenen Parteien zu<br />
<strong>in</strong>formieren, sehr <strong>in</strong>tensiv. Sämtliche Veranstaltungen, die zur Aufklärung über die<br />
verschiedenen Parteien <strong>zum</strong> Beispiel durch den Bund Deutscher Frauen <strong>in</strong>s Leben<br />
gerufen wurden, waren gut besucht.<br />
Die Parteien sollten die Frauenverbände und Frauenvere<strong>in</strong>e <strong>in</strong>sofern unterstützen,<br />
dass sie die volle E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung der Frauen <strong>in</strong> das politische Leben förderten, um die<br />
endgültige politische Gleichberechtigung der Frauen zu erreichen.<br />
Die bürgerlichen Parteien, auch die Konservativen und Rechtsliberalen,<br />
versuchten, diese Forderung zu erfüllen und nahmen Frauen als neue<br />
Parteimitglieder und Mitstreiter<strong>in</strong>nen gern <strong>in</strong> ihre Reihen auf. Die Unterstützung der<br />
bürgerlichen Parteien g<strong>in</strong>g teilweise so weit, dass sie die „völlige Gleichheit aller<br />
Staatsbürger<strong>in</strong>nen und Staatsbürger vor dem Gesetz forderten“ 48 . Die Frauen<br />
wurden als neue gleichwertige Mitglieder der bürgerlichen Parteien angesehen und<br />
wurden unterstützt bei der Ausübung ihres aktiven und passiven Wahlrechts und<br />
48 Rosenbusch: „<strong>Der</strong> <strong>Weg</strong> <strong>zum</strong> <strong>Frauenwahlrecht</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong>“, Baden-Baden 1998, S. 467<br />
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auch <strong>in</strong> der möglichen Ausführung von Staatsämtern. Besonderer Respekt wurde<br />
von den bürgerlichen Parteien der Arbeit der Frauen im I. Weltkrieg gezollt.<br />
Sicher lässt sich der mangelnde Widerstand gegen das nun gesetzlich verankerte<br />
<strong>Frauenwahlrecht</strong> auch damit erklären, dass die Frauen auch neues<br />
Wählerpotential, das immerh<strong>in</strong> etwa die Hälfte der Bevölkerung ausmachte,<br />
darstellten. Ke<strong>in</strong>e Partei wollte durch Forderung der Wiederrücknahme des<br />
<strong>Frauenwahlrecht</strong>s diese potentiellen Wähler verprellen.<br />
Da e<strong>in</strong>e Quotenregelung über den Frauenanteil auf den Listen, wie schon erwähnt,<br />
abgelehnt wurde, lag es nun an den Parteien, ob sie den Frauen den Zugang <strong>zum</strong><br />
passiven Wahlrecht gewährten. De facto stellten auch alle bürgerlichen Parteien<br />
Frauen auf ihren Wahllisten zur Nationalversammlung auf. Meistens erhielten die<br />
Frauen jedoch nur die h<strong>in</strong>teren Listenplätze, die kaum aussichtsreiche Chancen<br />
hatten, es auch wirklich <strong>in</strong> die Nationalversammlung zu schaffen.<br />
Frauen waren e<strong>in</strong> noch unberechenbarer Faktor, denn es war nicht vorhersehbar,<br />
welche Parteien die Frauen bei der Wahlbevorzugen würden. Die bürgerlichen<br />
Parteien fürchteten, dass die Frauen der bürgerlichen Wähler nicht zur Wahl<br />
mobilisiert werden könnten, da diese Parteien gegen das <strong>Frauenwahlrecht</strong> waren.<br />
Sie glaubten h<strong>in</strong>gegen, dass die Sozialdemokraten viele Stimmen bekommen<br />
würden, weil sie das <strong>Frauenwahlrecht</strong> vor der E<strong>in</strong>führung befürwortet hatten. Es<br />
gab Diskussionen über die E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>er Wahlpflicht für alle, auch die<br />
unpolitischen Bürger. Kärnten, Tirol und Vorarlberg führten e<strong>in</strong>e solche Wahlpflicht<br />
e<strong>in</strong>.<br />
Nutzung des aktiven und passiven Wahlrechts der Frauen<br />
Alle Parteien, Frauenvere<strong>in</strong>igungen und -verbände hatten sich dafür<br />
ausgesprochen, dass die Frauen ihr Stimmrecht bei den Wahlen zur<br />
Nationalversammlung unbed<strong>in</strong>gt nutzen sollten. Tatsächlich machten bei den<br />
Wahlen 82,3 % der Frauen und 82,4 % der Männer von ihrem Wahlrecht<br />
Gebrauch. Diese hohe Wahlbeteiligung bei den Frauen konnte <strong>in</strong> der Zeit der<br />
Weimarer Republik nicht noch e<strong>in</strong>mal erreicht werden. Auch nach der Gründung<br />
der Bundesrepublik <strong>Deutschland</strong> blieb die Wahlbeteiligung der Frauen unter dem<br />
Ergebnis von 1919.<br />
Die Frauen bevorzugten bei der Wahl 1919 die bürgerlichen Parteien. Die<br />
Sozialdemokratie blieb h<strong>in</strong>ter den bürgerlichen Parteien zurück. Erstaunlicherweise<br />
stimmten die Frauen also gerade für die Parteien, die ihnen vorher das Wahlrecht<br />
verwehren wollten.<br />
Bei der Wahl zur Nationalversammlung erhielten <strong>in</strong>sgesamt 36 Frauen e<strong>in</strong> Mandat.<br />
Dies ergab e<strong>in</strong>en Frauenanteil von 8,5% <strong>in</strong> der Nationalversammlung.<br />
Später, <strong>in</strong> der Zeit der Weimarer Verfassung setzten die weiblichen Abgeordneten<br />
entscheidende Verbesserungen für die Gleichberechtigung der Frauen durch. So<br />
wurden Frauen im Jahre 1922 <strong>zum</strong> Richteramt zugelassen, im Jahre 1923 wurde<br />
das Heimarbeitslohngesetz und e<strong>in</strong> Mutterschutzgesetz beschlossen.<br />
Bei den ersten Wahlen nach der E<strong>in</strong>führung des <strong>Frauenwahlrecht</strong>s <strong>in</strong> Österreich<br />
h<strong>in</strong>gegen erreichten die Sozialdemokratische Partei mit 72 Mandaten die relative<br />
Mehrheit und die Christlichsozialen Partei 69 Mandate, weitere Mandate g<strong>in</strong>gen an<br />
16
verschiedene deutschnationale Parteien. E<strong>in</strong> überproportionaler Anteil der Frauen<br />
stimmte für die Christlichsoziale Partei. Nur acht Frauen von 170 Abgeordneten<br />
wurden <strong>in</strong> die Konstituierende Nationalversammlung gewählt. 7 von 8 Frauen<br />
waren Sozialdemokrat<strong>in</strong>nen und e<strong>in</strong>e Christlichsozial.<br />
Während der Zeit des Nationalsozialismus wurde das passive Wahlrecht für<br />
Frauen abgeschafft. Sie wurden unter dem NS-Regime systematisch von<br />
politischen Funktionen und Ämtern auf höherer Ebene ausgeschlossen. So wurde<br />
beispielsweise die Zulassung der Frauen <strong>zum</strong> Richteramt wieder abgeschafft. Die<br />
Frauen sollten sich vorrangig auf ihre Hausfrauenrolle konzentrieren und auf die<br />
Reproduktion des deutschen Volkes.<br />
<strong>Der</strong> Anteil von studierenden Frauen wurde während der Zeit des<br />
Nationalsozialismus auf maximal 10% beschränkt.<br />
Nach der Beendigung des II. Weltkrieges kam es zur Teilung <strong>Deutschland</strong>s. Bei<br />
der Wahl <strong>zum</strong> Ersten Deutschen Bundestag im Jahre 1949 <strong>in</strong> Westdeutschland<br />
ergab sich e<strong>in</strong> Frauenanteil von 7,1%. Maßnahmen der Gleichberechtigungspolitik<br />
wie Frauenförderplänen und Quotierungsregelungen wurden e<strong>in</strong>geführt und der<br />
Frauenanteil verdoppelte sich 1987 und stieg dann 1998 dann auf fast 30 %.<br />
Zusammenfassung<br />
<strong>Der</strong> Kampf der deutschen und österreichischen Frauenbewegung für das<br />
<strong>Frauenwahlrecht</strong> war geprägt durch den Kampf der deutschen Frauen für die<br />
Verbesserung ihrer sozialen Lage.<br />
Historisch gewachsen, von der männerbeherrschten Gesetzgebung<br />
festgeschrieben und von bedeutenden Philosophen, Politikern, Wissenschaftlern<br />
und Künstlern der Zeit unterstützt, war e<strong>in</strong> Frauenbild gezeichnet, das den Frauen<br />
jegliche Rechte verweigerte und sie zu dienenden Ehefrauen und<br />
k<strong>in</strong>dergebärenden Geschöpfen verpflichtete. Immer untergeordnet dem männlichen<br />
Geschlecht, abhängig von dessen Wohlwollen und unmündig <strong>in</strong> der Gesellschaft<br />
führte diese staatlich verordnete Unterdrückung, Erniedrigung und ökonomische<br />
Abhängigkeit zunehmend zu dem Bestreben der Frauen, an dieser Situation etwas<br />
zu ändern.<br />
Trotz Begrenzung durch die Politik begannen die Frauen, sich zu organisieren.<br />
E<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>heitlichkeit im Kampf konnte jedoch nicht herbeigeführt werden, zu<br />
unterschiedlich waren die def<strong>in</strong>ierten Zielsetzungen der beiden bedeutenden<br />
Strömungen der Frauenstimmrechtsbewegung, der bürgerlichen und der<br />
sozialdemokratischen Frauenstimmrechtsbewegung. <strong>Der</strong> Kampf der Frauen blieb<br />
verhaftet <strong>in</strong> ihrer Zugehörigkeit zu e<strong>in</strong>er sozialen Schicht <strong>in</strong> Abhängigkeit von ihrem<br />
Besitzstand.<br />
Erfolge im Bestreben um die Verbesserung ihrer sozialen Lage wurden im<br />
wesentlichen gefördert durch gesamtgesellschaftliche ökonomische Zwänge, durch<br />
die Weiterentwicklung der Produktionsverhältnisse und durch <strong>in</strong>nen- und<br />
außenpolitische Geschehnisse.<br />
Und schließlich war es die Novemberrevolution von 1918, die den Frauen das<br />
Wahlrecht brachte, genauer gesagt der Versuch, diese politische Umwälzung zu<br />
vermeiden. Die bürgerlichen Parteien, vehemente Widersacher des<br />
Frauenstimmrechts, sahen dar<strong>in</strong> ihre letzte Chance, das Volk zu beschwichtigen<br />
und ihre Machtposition zu halten.<br />
17
In erster L<strong>in</strong>ie entschied die „Beziehung zwischen Geschlecht, Familie und Staat“ 49<br />
über die staatsbürgerlichen Rechte der Frauen. Erst durch die Trennung von<br />
Haushalt und Arbeit im Rahmen der <strong>in</strong>dustriellen Revolution entwickelte sich e<strong>in</strong><br />
Staatsbürgerbegriff, der die Frauen e<strong>in</strong>schloss. Trotz dieses E<strong>in</strong>schlusses wurde<br />
den Frauen das Wahlrecht zunächst nicht gewährt.<br />
Die Familie und der Zusammenhalt des Haushalts galten als Grundlage e<strong>in</strong>es<br />
geordneten öffentlichen sowie privaten Lebens. Es wurde davon ausgegangen,<br />
dass die Frau ke<strong>in</strong>e eigene Beziehung <strong>zum</strong> Staat und somit zur Politik brauchte,<br />
sondern dass sie lediglich e<strong>in</strong>e Beziehung zu der Familie habe, <strong>in</strong> der sie lebte.<br />
Diese Familie konnte sowohl durch den Vater als auch durch den Ehemann<br />
repräsentiert werden. Die weibliche Beziehung zu Staat und Politik wurde<br />
demzufolge durch den Ehemann oder Vater hergestellt und die Frau galt damit <strong>in</strong><br />
ihren Rechten gegenüber dem Staat als ausreichend vertreten. Es wurde also auch<br />
davon ausgegangen, dass die Frau ke<strong>in</strong> eigenes Wahlrecht benötige, da sie<br />
erstens ke<strong>in</strong> eigenes Verhältnis <strong>zum</strong> Staat hat und zweitens <strong>in</strong> ihren Rechten<br />
h<strong>in</strong>reichend durch ihren Mann vertreten wird.<br />
Durch die gesellschaftlichen Veränderungen während der <strong>in</strong>dustriellen Revolution<br />
konnte diese strikte Trennung nicht mehr aufrechterhalten werden. E<strong>in</strong>erseits<br />
lebten nicht mehr alle Frauen im Schutz e<strong>in</strong>er Familiengeme<strong>in</strong>schaft, denn es gab<br />
mehr und mehr alle<strong>in</strong> stehende Frauen und auch unverheiratete Mütter,<br />
andererseits arbeiteten durch die Verlagerung der Produktionsstätten außerhalb<br />
der Hausgeme<strong>in</strong>schaft viele Frauen nicht mehr zu Hause, konnten also nicht mehr<br />
auf e<strong>in</strong>e re<strong>in</strong> private Wirkungssphäre beschränkt werden.<br />
Die Arbeit der Frauen außerhalb des Hauses und die Entwicklung <strong>zum</strong><br />
Sozialstaat, <strong>in</strong> dem alle<strong>in</strong> stehende Frauen und Mütter staatliche Fürsorge<br />
erhielten, sorgten als wichtige Faktoren dafür, dass auch von Frauen<br />
staatsbürgerliche Rechte gefordert wurden. „Die Frauen brauchten<br />
staatsbürgerliche Rechte, um ihre Interessen zu vertreten, der Staat brauchte<br />
Staatsbürger<strong>in</strong>nen, um se<strong>in</strong>en Aufgaben gewachsen zu se<strong>in</strong>.“ 50<br />
Es erfolgte e<strong>in</strong> <strong>in</strong>tensiver Kampf der Frauen- und Stimmrechtsvere<strong>in</strong>e um das<br />
<strong>Frauenwahlrecht</strong>. Doch erst die Novemberrevolution im Jahre 1918 brachte den<br />
entscheidenden Erfolg. Die gesetzliche Verankerung des Frauenstimmrechts war<br />
ke<strong>in</strong> vorrangiger Erfolg der Frauenrechtler<strong>in</strong>nen, sondern Folge revolutionärer<br />
Umstände im Reich. Die Frauen- und Stimmrechtsvere<strong>in</strong>e erkannten dies auch.<br />
Nach der E<strong>in</strong>führung des Frauenstimmrechts blieb das aktive Wahlrecht (das<br />
passive wurde <strong>in</strong> der Zeit des Nationalsozialismus bis zu dessen Ende wieder<br />
abgeschafft) bis heute durchgehend erhalten. Diskussionen über die<br />
Wiederabschaffung des <strong>Frauenwahlrecht</strong>s nach se<strong>in</strong>er gesetzlichen Verankerung<br />
gab es kaum, da die erste Wahl im Jahre 1919 vor allem die konservativen Kräfte<br />
stärkte, die sich zuvor immer gegen das <strong>Frauenwahlrecht</strong> ausgesprochen hatten.<br />
<strong>Der</strong> lange Kampf der Sozialisten um das Frauenstimmrecht wurde von den Frauen<br />
bei dieser Wahl nicht belohnt. Doch nachdem seit 1919 auch Frauen <strong>in</strong> den<br />
Parlamenten vertreten waren, gab es <strong>in</strong> den Parlamenten <strong>zum</strong><strong>in</strong>dest<br />
Ansprechpartner<strong>in</strong>nen für Frauenprobleme, die auf dem <strong>Weg</strong>e der Gesetzgebung<br />
lösbar gewesen wären.<br />
Nach der ersten freien Wahlen, war man bereit „geduldig darauf zu vertrauen, dass<br />
das Gesetz auch faktisch Wirkungen entfaltet und die Gleichstellung der<br />
Geschlechter erreicht wird“ 51 .<br />
49 Rosenbusch: „<strong>Der</strong> <strong>Weg</strong> <strong>zum</strong> <strong>Frauenwahlrecht</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong>“, Baden-Baden 1998, S. 499<br />
50 Rosenbusch: „<strong>Der</strong> <strong>Weg</strong> <strong>zum</strong> <strong>Frauenwahlrecht</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong>“, Baden-Baden 1998, S. 500<br />
51 Wickert: „Heraus mit dem <strong>Frauenwahlrecht</strong>“, Pfaffenweiler 1990, S. 116<br />
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