sardinien - Alpinschule Allgäu
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Capo d’Orso:<br />
Erklimmen Sie den<br />
Kopf des Bären<br />
Abenteuer, Idylle, Auszeit – Sardinien ist das Paradies<br />
128 MY LIFE<br />
für alle, die Klettern und Segeln verbinden wollen.<br />
MY LIFE-Autor Michael Hirsack hat’s ausprobiert.<br />
Sein Fazit: auch für Anfänger ein echter Traum
ARDINIEN<br />
G E N U S S - K L E T T E R N A U F<br />
ENJOY YOUR LIFE<br />
Der Blick geht erst nach<br />
hinten, dann nach oben.<br />
Hinten schaukelt unsere<br />
Segelyacht „Observer II“<br />
im türkisblauen Wasser<br />
der Codula Fuili, einer<br />
kleinen Bucht nahe der sardinischen<br />
Hafenstadt Cala Golone. Über uns wartet<br />
ein enges Tal mit unzähligen Aufschwüngen,<br />
Grotten, Überhängen und<br />
Wänden aus Kalk. Ein Kletterparadies<br />
mit mehr als 100 Routen für Anfänger,<br />
Fortgeschrittene und Könner. Wir stehen<br />
auf einem schmalen Fußweg, gesäumt<br />
von Büschen, kleinen Bäumen,<br />
Felsbrocken. Mit angelegten Klettergurten<br />
lauschen wir den letzten Tipps<br />
von Peter, unserem Bergführer und<br />
Guide. „Ruhige Bewegung, die Ferse<br />
leicht hängen lassen. Macht stets kleine<br />
Schritte, ihr müsst tänzerisch klettern.<br />
Und denkt daran: Klettern geht übers<br />
Stehen, in den Haxen habt ihr die meiste<br />
Kraft; dies gilt für Anfänger wie auch<br />
für Experten“, erläutert Peter. Vier fast<br />
parallel verlaufende Routen beginnen<br />
hier auf dem schmalen Pfad direkt<br />
MY LIFE 129<br />
Foto: Bildagentur LOOK
ENJOY YOUR LIFE<br />
SARDINIEN: KLETTER-ELDORADO FÜR JEDERMANN<br />
Auf der italienischen Sonneninsel kommen Anfänger wie Profis auf ihre Kosten. Das sollten Sie wissen:<br />
FÜR WEN GEEIGNET?<br />
Sardinien bietet eine unerschöpfliche<br />
Auswahl an Ge -<br />
bieten und Routen. Klettern<br />
ist ein Ganzkörper training,<br />
bei dem die gesam te Muskulatur<br />
im Einsatz ist. Oft liegen<br />
unterschiedliche Schwierigkeiten<br />
beieinander, so<br />
dass vom Anfänger bis zum<br />
Könner alle Spaß haben.<br />
Außerdem: Wer Sinn für Na -<br />
tur hat, wird von den maleri-<br />
130 MY LIFE<br />
schen Buchten und schroffen<br />
Felsen gefesselt sein.<br />
VORAUSSETZUNGEN<br />
Anfänger benötigen eine<br />
gewisse Grund sportlichkeit<br />
und etwas Mut. Je nach<br />
Schwierigkeitsgrad der Route,<br />
Gesteinsart und individuellen<br />
körperlichen Voraussetzungen<br />
(Größe, Gewicht<br />
usw.) beeinflussen Kraft, Ausdauer,<br />
Technik, Taktik, Be -<br />
weglichkeit, Moti va tion und<br />
Psyche die Klet terleistung.<br />
WELCHE AUSRÜSTUNG<br />
BRAUCHT MAN?<br />
Der Veranstalter (s. S. 133)<br />
hält alles bereit. Wer gern<br />
eigenes Equipment mitbringen<br />
möchte: Kletterschuhe<br />
(sollten nicht zu eng sein)<br />
sind sehr empfehlenswert.<br />
Man schafft auch mit Turnschuhen<br />
leichte Routen,<br />
allerdings findet man weniger<br />
gut Halt. Außerdem<br />
gehören zur Grundausstattung:<br />
ein Helm (Leichthelme<br />
bieten hohen Tragekomfort);<br />
eng anliegende Funktionstextili<br />
en gegen Schweiß und<br />
Auskühlung, da sich Belastungs-<br />
und Erholungsphasen<br />
(beim Sichern) abwechseln;<br />
Gurt, Karabiner, Seil und<br />
ein Rucksack (zwecks<br />
Materialtransport).<br />
Fotos: Bildagentur LOOK (l.), <strong>Alpinschule</strong> <strong>Allgäu</strong> (M., r.)
Abwechslung<br />
garantiert:<br />
Entspannung beim<br />
Segeln, sportliche<br />
Herausforderung<br />
beim Klettern<br />
(oben) – auch für<br />
MY LIFE-Autor<br />
Michael Hirsack<br />
ENJOY YOUR LIFE<br />
über mir, dem Erstlingskraxler. Dort<br />
amüsieren sich bereits Bettina, Roland<br />
und Dagmar – allesamt Bergroutiniers,<br />
flink und behände steigen sie<br />
empor, man hat das Gefühl, sie spielen<br />
mit dem Fels. Klack! Der Karabiner<br />
schnappt ein, Peter prüft den Sitz meines<br />
Hüftgurts, seilt mich an. Nun hilft<br />
nix mehr, da muss ich durch – besser<br />
gesagt: rauf …<br />
Einen Moment lang wünsche ich<br />
mich zurück aufs Schiff, in die<br />
Obhut von Sandro und Tansy, unserem<br />
Skipper-Ehepaar. Möchte<br />
doch lieber wieder segeln, so wie gestern.<br />
Als wir übers ruhige Mittelmeer<br />
schipperten, Sightseeing zu verschiedenen<br />
Buchten, Klettergipfeln und Höhlen,<br />
dabei zumeist müßig an Deck lagen,<br />
bei leckeren Sandwiches, köstlicher<br />
Linzer Torte und duftendem Espresso,<br />
und jeder unter kundiger Anleitung<br />
der Skipper mal selbst Hand an Segel<br />
oder Ruder legen konnte. Gerade jetzt<br />
fühle ich allerdings null Entspannung<br />
und habe wenig Entscheidungsfreiheit.<br />
Doch zu meiner Überraschung geht es<br />
besser als gedacht: Ich finde im Kalk<br />
guten Halt, steige langsam mit kleinen<br />
Schritten von Haken zu Haken, die hier<br />
etwa alle zwei Meter verankert sind –<br />
ausgezeichnete Bedingungen auch für<br />
Anfänger. Zum Hochsteigen benötige<br />
ich viel Kraft und vor allem Konzentration,<br />
um die für mich passenden Löcher<br />
und Vorsprünge in der Felswand<br />
auszumachen. Am letzten Bohrhaken<br />
angekommen – geschafft! Klasse Gefühl,<br />
meinen eigenen Weg nach oben<br />
gefunden zu haben. Fast wie damals, als<br />
ich mich als Kind auf Nachbars Kirschbaum<br />
hinaufgeschwungen hatte.<br />
Gestein und Wasser – an beiden Elementen<br />
können wir in diesen Tagen<br />
reichlich erfreuen; dank unserer Segelyacht<br />
„Observer II“. Denn: Viele Kletterfelsen<br />
sind auf Sardinien am besten<br />
über Buchten und nicht via Straße erreichbar.<br />
So gelangen wir mit unserem<br />
16 Meter langen und 4,6 Meter breiten<br />
Boot je nach Wetterlage und Laune<br />
MY LIFE 131
DIE BESTEN KLETTER-<br />
SPOTS AUF SARDINIEN<br />
Sardinien lockt mit über 3000 Routen.<br />
Infos: www.pietradiluna.de –<br />
über die Homepage des Kenners<br />
Ralf Glaser gibt es auch den ausführlichen<br />
„Kletterführer Sardinien“.<br />
132 MY LIFE<br />
in die schönsten Klettergebiete. Wir<br />
Anfänger profitieren von Peters Kraxelgrundkurs<br />
und den vielen Erklärungen.<br />
Außerdem davon, dass einen Sardinien<br />
nicht vor die gleichen Herausforderungen<br />
stellt wie etwa die Alpen und das<br />
mediterrane Klima praktisch das ganze<br />
Jahr über Klettern erlaubt.<br />
Was ist es, das so sehr am Klettern<br />
fasziniert? Immerhin rund 250 000<br />
Menschen steigen regelmäßig in die<br />
Höh’, mehr als 200 Klettergärten gibt es<br />
in Deutschland, Tendenz steigend.<br />
Auch nimmt die Zahl der Kraxelwände<br />
in den Fitness-Studios stetig zu. Sportlich<br />
herausfordernd ist es, dass nicht<br />
nur eine Muskelgruppe beansprucht,<br />
sondern der gesamte Körper einbezogen<br />
wird – von den Füßen bis zu den<br />
Fingerspitzen. Für Andreas, der seit<br />
zwei Jahren regelmäßig seinem vertikalen<br />
Drang nachgibt, ist das Loslassen<br />
vom Alltag das Wichtigste: „Spätestens<br />
nach einer Stunde Klettern habe ich<br />
alles vergessen, was mich zu Hause be-<br />
Anspruchsvoll: Auch für<br />
Könner gibt’s auf Sardinien<br />
echte Herausforderungen<br />
lastet. Ich kann total abschalten. Auch<br />
weil ich meine ganze Konzentration für<br />
den Fels benötige“, erzählt der Bauingenieur.<br />
Auch Bettina, eine 42-jährige<br />
Diplompädagogin, die fast an jedem<br />
Wochenende mit Freunden im <strong>Allgäu</strong><br />
in irgendwelchen Wänden hängt, kann<br />
nicht mehr anders. „Klettern hat mir<br />
nach dem Scheitern meiner Ehe auch<br />
neue Kontakte verschafft, hat mir sozialen<br />
Halt gegeben“, erzählt die zierliche<br />
Frau, die zwar weniger Kraft als die<br />
Männer hat, dafür aber reichlich Geschick<br />
und Gespür. Längst hat sie das<br />
Virus infiziert: „Felsen ziehen mich magisch<br />
an. Und die Kombination Klettern<br />
und Meer ist unschlagbar. Ich liebe<br />
beides.“<br />
Lieben tue ich im Moment gar nix.<br />
Denn jetzt muss ich hier wieder<br />
runter. Und der Abstieg ist überhaupt<br />
nicht mein Ding. Mir gelingt<br />
es einfach nicht, mich mit meinem<br />
Oberkörper vom Fels nach hinten weg-<br />
Alle Fotos: <strong>Alpinschule</strong> <strong>Allgäu</strong>; Karte: www.AxelKock.de für MY LIFE
zulehnen. Aber nur so kann der Partner,<br />
der unten auf dem Weg sichert,<br />
den anderen Seillänge für Seillänge<br />
hi nunterlassen und man selbst ruhig<br />
hinabsteigen. Ich will nur runter, hänge<br />
aber in dieser verdammten Felswand<br />
wie ein zappelnder Fisch an der Angel<br />
und fühle mich höchst unwohl. „Vertrau<br />
mir, ich habe dich sicher am Seil. Lehn<br />
deinen Oberkörper nach hinten, dann<br />
geht es leichter“, beruhigt mich Peter<br />
von unten. Klar, im Grunde nur eine<br />
Frage des Vertrauens in den sichernden<br />
Partner, für Kopfmenschen aber<br />
äußerst schwie rig. Das Sich-Verlassen<br />
auf den anderen macht diesen Sport<br />
zum idealen Managertraining, heißt es.<br />
Mag alles richtig sein. Ich jedenfalls bin<br />
heilfroh, als ich wieder auf dem Felsweg<br />
stehe und vollständige Kontrolle über<br />
meinen Körper erlangt habe.<br />
Festen Halt suchen und finden – das<br />
wird dann auch der zentrale Lerneffekt<br />
dieser Woche. Mit jeder Route, die ich<br />
bewältige, wächst der Einklang von<br />
Balance und Technik und damit auch<br />
mein Kletterwohlgefühl – und auf den<br />
leichten Touren kann selbst ich den<br />
herrlichen Ausblick aufs meist glatte,<br />
blaue Mittelmeer genießen. Stetiges<br />
Labsal ist auch das abendliche Dinner<br />
an Deck. Dort sitzen wir zwar eng, aber<br />
gemütlich zusammen, wenn Tansy und<br />
Alessandro das viergängige Menü servieren.<br />
Nach Pane Carasau (hauchdünnem<br />
olivenölgetränktem Brot) gibt’s<br />
diesmal Fischsuppe, Pasta mit Huhn<br />
und Salat, dazu italienischen Biowein<br />
sowie zum Abschluss stets Käse, Gebäck,<br />
Espresso und selbst gebrannten<br />
Schnaps. Vorzüglich – und gefühlt ein<br />
schwimmendes Drei-Sterne-Restaurant.<br />
Nur des Nachts in den engen Kojen<br />
wird man daran erinnert, dass man<br />
sich auf einem Segelboot befindet.<br />
Am vorletzten Tag geht es auf<br />
eine Tour unweit von Cala<br />
Gonone, unserem Basishafen.<br />
Nach kurzem Autotransfer<br />
wandern wir zunächst auf Geröll<br />
und Stein hinauf. Beschwerliche<br />
Sache, auch der Schwierigkeitsgrad der<br />
Kletterrouten ist höher, fordert selbst<br />
unseren Könnern einiges ab. Und mir<br />
sowieso. Den Schlussteil meiner Route<br />
schaffe ich einfach nicht, ich finde keinen<br />
Weg nach ganz oben, die beiden<br />
letzten Haken bleiben unerreichbar, obwohl<br />
ich mich öfter im Seil hängen lasse,<br />
um Kraft zu sammeln. Letztlich gebe ich<br />
auf. Was mich zunächst ärgert. Doch<br />
beim Abseilen, das ich am Ende der<br />
Woche ohne Probleme bewältige, nehme<br />
ich es fast philosophisch: Niemand muss<br />
ganz hoch. Und denke an einen Satz von<br />
Dagmar, der Besten in unserer Gruppe.<br />
„Das Abenteuer ist das Salz des Lebens“,<br />
sagte die Ärztin aus Graz. Und das passte<br />
für mich schon damals, als ich mich<br />
mit zehn Jahren hi naufgeschwungen<br />
hatte, auf Nachbars Kirschbaum.<br />
ENJOY YOUR LIFE<br />
Mit dem Schiff<br />
zum Fels: Viele<br />
Kletterrouten<br />
erreicht man<br />
nur übers Meer.<br />
Mediterrane<br />
Kost: Nichts<br />
geht über fangfrischen<br />
Fisch<br />
ADRESSEN<br />
KLETTERN & SEGELN<br />
ALPINSCHULE ALLGÄU<br />
Die siebentägige Reise „Klettern<br />
und Segeln“ gibt es als Komplettprogramm<br />
für 1140 Euro inklusive<br />
Flug nach Olbia, Vollverpfle gung<br />
an Bord, Unterbringung in<br />
Doppelkabinen, Betreuung durch<br />
Bergführer und Skipper (Segeln<br />
muss niemand können). Geeignet<br />
ist die Reise auch für Anfänger (sie<br />
bekommen einen Kletter grundkurs,<br />
auch die Ausrüstung wird gestellt).<br />
Voraussetzungen: eine gewisse<br />
Sportlichkeit, Freude an der<br />
Bewegung und Teamgeist.<br />
Nächste Termine: 3. bis 10.6.06,<br />
30. bis 7.10.06, 21. bis<br />
28.10.06. Weitere Infos und<br />
Buchung: <strong>Alpinschule</strong> <strong>Allgäu</strong>,<br />
Bahnhof straße 5, 88171 Weiler<br />
im <strong>Allgäu</strong>, Tel. 08387/9 90 32,<br />
www.alpinschule-allgaeu.de<br />
SEGELN & MOUNTAINBIKEN<br />
Eine reizvolle sportliche Kombination<br />
bietet auch der Veranstalter<br />
ZeitReisen (Tel. 07531/8 19 93-90,<br />
www.inselhuepfen.de): Per Schiff<br />
schippert man herrliche Mittelmeerbuchten<br />
an, dann wird per<br />
Rad oder Mountainbike eine Insel<br />
erkundet. Ziele: Kroatien, Türkei,<br />
Griechenland. 20 bis 30 Gäste<br />
werden von jeweils zwei Guides<br />
betreut. Zumeist zwei Leis tungsgruppen:<br />
sportlich ambitioniert<br />
oder eher gemütliches Tempo.<br />
MY LIFE 133