Holzwelten Berghütte - Mikado
Holzwelten Berghütte - Mikado
Holzwelten Berghütte - Mikado
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
66<br />
<strong>Holzwelten</strong> <strong>Berghütte</strong><br />
mikado 12.2012
Die Schutzhütte<br />
auf dem Weg<br />
zum Gipfel des<br />
Mont Blanc<br />
bietet Unterkünfte<br />
für 120 Personen<br />
VELUX DEUTSCHLAND<br />
<strong>Holzwelten</strong><br />
Etwa 30 000 Bergsteiger nehmen<br />
Jahr für Jahr die Besteigung<br />
des Mont Blanc in Angriff.<br />
Eine Schutzhütte aus dem Jahr 1962<br />
konnte diesen Ansturm nicht mehr<br />
bewältigen. Sie diente Kletterern –<br />
vor dem letzten Abschnitt zum Gipfel<br />
des Mont Blanc – dazu, übernachten<br />
und sich ausruhen zu können. Zudem<br />
entsprach sie den heutigen Ansprüchen<br />
an Energieeffizienz nicht mehr.<br />
Darum entschloss sich der französische<br />
Alpenverein, eine neue Hütte in<br />
3835 m Höhe zu errichten.<br />
Dem Himmel so nah<br />
Im Sommer 2012 wurde die Schutzhütte<br />
fertiggestellt. „Le Refuge du<br />
Goûter“ in den Savoyer Alpen an der<br />
Kante der Aiguille du Goûter bietet<br />
Unterkünfte für 120 Personen. 2013<br />
soll die Hütte in Betrieb genommen<br />
werden. Holzbauingenieur Thomas<br />
Büchi vom Ingenieurbüro Charpente<br />
Concept und Architekt Hervé Dessimoz<br />
vom Architekturbüro Groupe H<br />
entschieden sich für einen Holzleichtbau.<br />
Das Gebäude, das eine ovale<br />
Form hat, hat außen eine Verkleidung<br />
aus Inox-Stahl. Zudem bildeten Photovoltaik-<br />
und Solarthermie-Kollektoren<br />
sowie insgesamt 55 Dachfenster<br />
die Außenhaut des Gebäudes. Das<br />
Innere besteht aus einer Gebälkkonstruktion<br />
mit aussteifenden Decken<br />
von Lignotrend. Tannen- und Fichtenholz<br />
wurde hier verwendet. Ziel<br />
war es, dass die Hütte weitestgehend<br />
energieautark sein soll. Ein Team von<br />
Velux Frankreich war am Bau in luftiger<br />
Höhe beteiligt.<br />
Für den Standort der Hütte wählte<br />
der Bauherr einen außergewöhnlichen<br />
Platz. Denn nur eine Hälfte der<br />
Hütte liegt auf einem Fels, die andere<br />
schwebt über dem Abgrund und<br />
erlaubt einen Blick in die Tiefe. Den<br />
äußersten Rand des Bergkamms als<br />
Standort bestimmten mehrere Faktoren:<br />
Hier war die Qualität des Felsens<br />
gut genug, um die Fundamente<br />
sicher zu verankern. Zudem musste<br />
im schneefreien Gelände gebaut werden,<br />
das aufgrund der vorwiegend<br />
vorherrschenden Westwinde hier am<br />
ehesten gegeben war. Die Windrichtung<br />
spielte auch bei der Ausrichtung<br />
des Gebäudes eine Rolle. Der Schnee<br />
67
<strong>Holzwelten</strong> <strong>Berghütte</strong><br />
soll sich auf der sonnigen Ostseite des<br />
Gebäudes sammeln, um die Wasserversorgung<br />
des Gebäudes sicherzustellen:<br />
Der Schnee schmilzt durch<br />
die Sonnenenergie und wird in einem<br />
bis zu 20 000 l fassenden Speicher<br />
gesammelt.<br />
Mit wenig hoch hinaus<br />
„Le Refuge du Goûter“ sollte sowohl<br />
energieeffizient im Betrieb sein als<br />
auch eine gute Ökobilanz aufweisen.<br />
Das bedeutete, dass möglichst<br />
wenig Energie beim Bau, Materialtransport<br />
und beim späteren Rückbau<br />
verbraucht werden sollte. Ein Helikopter,<br />
dessen maximale Tragkraft<br />
auf 500 kg beschränkt war, stellte die<br />
einzige Möglichkeit für den Transport<br />
zur Baustelle dar. Deshalb galt<br />
es, möglichst wenig Material zu verbrauchen.<br />
Das war ein wesentlicher<br />
Faktor bei der Entwicklung des Entwurfs<br />
und der Entscheidung für eine<br />
Konstruktion aus Brettschichtholz.<br />
68<br />
▴ Die Mont-<br />
Blanc-Schutzhütte<br />
scheint zu<br />
schweben. Nur<br />
eine Hälfte<br />
des Gebäudes<br />
liegt auf<br />
dem Felsen auf.<br />
Dadurch<br />
ergibt sich ein<br />
fesselnder<br />
Blick in den<br />
Aufgrund<br />
mikado 12.2012<br />
Rund 150 t Holz wurden insgesamt<br />
am Gebäude verbaut. Nach dem<br />
Fällen der Bäume folgte eine Prüfung<br />
der Stämme mit Ultraschall und<br />
Scanner, um sicherzustellen, dass nur<br />
die am gleichmäßigsten gewachsenen<br />
Hölzer zum Einsatz kamen.<br />
Eine schlanke Tragkonstruktion war<br />
das Ergebnis: Bis zu 60 % Material<br />
sparten die Ingenieure dadurch.<br />
Das Holzbauunternehmen fertigte die<br />
Holz-Leichtbaukonstruktion in für<br />
den Hubschrauber und die Monteure<br />
handhabbaren Segmenten vor.<br />
Windstärken bis 300 km/h<br />
Da der Mont Blanc als das Dach Europas<br />
bezeichnet wird, lag es für die<br />
Architekten wohl nahe, Dachfenster<br />
einzubauen. Die Anforderungen<br />
an diese waren enorm. Velux musste<br />
nach der Anfrage erst einmal klären,<br />
ob es überhaupt Fenster herstellen<br />
kann, die den Klima- und<br />
Wetterbedingungen in 3800 m Höhe<br />
standhalten. Windstärken von bis zu<br />
300 km/h können hier oben auftreten.<br />
Das Unternehmen entschied sich<br />
für eine Dreifachverglasung mit einer<br />
zusätzlichen 8 mm starken Glasschicht<br />
als Klimaschutz.<br />
Das Bauteam von Velux bestand<br />
aus neun Fachleuten – acht aus<br />
Frankreich, einer aus Dänemark. „Wir<br />
mussten uns alle zuerst einer ärztlichen<br />
Untersuchung unterziehen,<br />
um sicherzustellen, dass wir fit genug<br />
sind, auf über 3800 m in Kälte<br />
und dünner Luft zu arbeiten“, erzählt<br />
Jakob Swane Lund.<br />
Arbeiten neben 800 m Tiefe<br />
Allein die paar hundert Meter von<br />
dem alten Haus, in dem sie wohnten,<br />
bis zur Baustelle stellten eine Herausforderung<br />
dar. „Wir hatten Spikes an<br />
den Schuhen und brauchten manchmal<br />
Eispickel, um dorthin zu gelangen.<br />
Manche von uns litten ein bisschen<br />
an Höhenkrankheit. Ich habe<br />
VELUX DEUTSCHLAND
<strong>Holzwelten</strong> <strong>Berghütte</strong><br />
noch nie unter solch außerordentlichen<br />
Bedingungen gearbeitet. Schon<br />
bei der geringsten Anstrengung waren<br />
wir außer Atem. Aber die Landschaft<br />
dort oben ist atemberaubend!<br />
Es war ein tolles Erlebnis“, berichtet<br />
er. „Wegen der besonderen Bauweise<br />
mussten die Scheiben von außen<br />
montiert werden. Wir mussten<br />
auf einem Gerüst arbeiten, von dem<br />
aus es 800 m in die Tiefe ging. Wir<br />
nutzten jede erdenkliche Sicherheitsausrüstung.“<br />
Der Teil der Bauarbeiten, die den<br />
Einbau der Fenster betrafen, wurde<br />
in drei Phasen durchgeführt. Zunächst<br />
lieferten die Monteure die<br />
55 Fenster, bei denen die Scheiben<br />
durch Sperrholzplatten ersetzt wurden,<br />
an einen Schreiner, der sie in<br />
die vorgefertigten Elemente einbaute.<br />
In der zweiten Phase flog ein Helikopter<br />
die Dreifachglasscheiben zur<br />
Baustelle, wo sie eine Woche gelagert<br />
wurden, damit sie sich an den<br />
atmosphärischen Druck in dieser extremen<br />
Höhe anpassen konnten. Erst<br />
dann bauten sie die Handwerker in<br />
der dritten Phase nach Fertigstellung<br />
der Holzkonstruktion in die Fensteröffnungen<br />
ein.<br />
Leichter – höher – energieautark<br />
Durch die Holzleichtbauweise sparte<br />
der Neubau der Hütte bis zu 35 %<br />
Gewicht. Vor drei Jahren war mit<br />
der Monte-Rosa-Hütte bei Zermatt<br />
die erste energieautarke <strong>Berghütte</strong> in<br />
den Alpen eingeweiht worden, nun<br />
folgte der zweite Holzbau. Die Goûter-Schutzhütte<br />
des Bauherrn „Club<br />
Alpin Francais“ (CAF) wurde rund<br />
1000 m höher gebaut als die Monte-Rosa-Hütte<br />
des Schweizer Alpenclubs<br />
(SAC).<br />
Zwischen Juni und September ist<br />
die Schutzhütte bewirtschaftet, von<br />
Oktober bis Mai ist nur das Winterlager<br />
geöffnet.<br />
Astrid Unger, Hamburg ▪<br />
LIGNoTREND VELUX DEUTSCHLAND<br />
◂▴ Das Velux-<br />
Team arbeitete<br />
auf einem Gerüst,<br />
von dem aus es<br />
teilweise 800 m in<br />
die Tiefe ging<br />
◂ Ganz aus Holz:<br />
So zeigt sich<br />
der Speisesaal<br />
im Inneren<br />
der Schutzhütte<br />
▴ Rund 150 t Holz<br />
wurden<br />
am Gebäude<br />
verbaut<br />
Steckbrief<br />
Bauprojekt:<br />
„Le Refuge du Goûter“<br />
Mont-Blanc-Schutzhütte<br />
www.refugedugouter.fr<br />
Bauweise:<br />
Holzrahmenbau<br />
mit Brettsperrholz-Decken<br />
Bauzeit: Juli 2010 bis Juni 2012<br />
Baukosten: 6,5 Mio. Euro<br />
Architektur:<br />
Groupe H ı F-75008 Paris<br />
www.groupe-h.com<br />
Tragwerksplanung Holzbau:<br />
Charpente Concept<br />
F-75008 Paris<br />
www.charpente-concept.com<br />
Hersteller Brettsperrholz-Decken:<br />
Lignotrend Produktions GmbH<br />
www.lignotrend.de<br />
Hersteller Fenster:<br />
VELUX<br />
www.velux.com<br />
www.mikado-online.de 69<br />
VELUX DEUTSCHLAND