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Eigenständiges (autonomes) Lernen - RoKoSOL

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<strong>Eigenständiges</strong> (<strong>autonomes</strong>) <strong>Lernen</strong><br />

Theoretische Grundlagen und Ergebnisse<br />

der Lehr- und Lernforschung<br />

Prof. Dr. Kurt Reusser<br />

Pädagogisches Institut der Universität Zürich<br />

Lehrstuhl für Pädagogische Psychologie und Didaktik<br />

Boldern, NDS, 21. Oktober 2005


Weilburg_18_11_2004<br />

Tagesübersicht<br />

Vormittag<br />

� Hinführung zum Thema anhand von empirischen Daten und<br />

Videobeispielen<br />

� <strong>Eigenständiges</strong> <strong>Lernen</strong> - theoretisch betrachtet<br />

Nachmittag<br />

� Über die Wirksamkeit ‚offener‘ Lehr- und Lernformen:<br />

Ergebnisse einer repräsentativen Studie in der<br />

Deutschschweiz<br />

� Die Rolle der Lehrperson beim eigenständigen <strong>Lernen</strong> der<br />

Schülerinnen und Schüler - Theoretisches und Videobeispiele<br />

� Abschluss: <strong>Lernen</strong> aus Unterrichtsvideos<br />

© Prof. Dr. Kurt Reusser, Universität Zürich


Weilburg_18_11_2004<br />

Verstehenskontrolle als ein Indikator für<br />

eigenständiges <strong>Lernen</strong><br />

Zu einem guten Schüler gehört, dass er lernt, sich über den Stand<br />

seiner Aufmerksamkeit und den Grad seines Verstehens jederzeit im<br />

klaren zu sein. ...<br />

Der schlechte Schüler dagegen kennt diese Art von Selbstkontrolle<br />

nicht, so dass er meist gar nicht weiss, ob er das Erklärte verstanden<br />

hat oder nicht.<br />

Das Problem besteht also nicht so sehr darin, dass wir die Schüler<br />

dazu bringen, uns zu fragen, was sie nicht wissen. Das Problem ist,<br />

wie man sie lehrt, zu erkennen, was sie begriffen und nicht begriffen<br />

haben.<br />

(John Holt, amerikanischer Reformpädagoge, 1969, S. 19)<br />

© Prof. Dr. Kurt Reusser, Universität Zürich


Weilburg_18_11_2004<br />

Wie alt ist der Kapitän?<br />

(Reusser, 1984)<br />

Auf einem Schiff hat es 125 Schafe und<br />

5 Hunde.<br />

Wie alt ist der Kapitän?<br />

76 von 97 Grundschülern "lösten" das Problem<br />

unter Verwendung der in der Aufgabe<br />

vorkommenden Zahlen.<br />

© Prof. Dr. Kurt Reusser, Universität Zürich


Weilburg_18_11_2004<br />

Wie alt ist der Kapitän?<br />

Auf einem Schiff hat es 125 Schafe und 5 Hunde.<br />

Wie alt ist der Kapitän?<br />

76 von 97 Grundschülern "lösten" das Problem<br />

unter Verwendung der in der Aufgabe<br />

vorkommenden Zahlen.<br />

Lautdenk-Protokoll eines 3. Klässlers:<br />

"...125 + 5 = 130...das ist zu gross ...<br />

125 - 5 = 120 ... das ist auch zu gross ...<br />

aber ... 125 : 5 = 25, das geht...<br />

Ich denke, der Kapitän ist 25 Jahre alt."<br />

© Prof. Dr. Kurt Reusser, Universität Zürich


Weilburg_18_11_2004<br />

Reusser & Stebler, 1997: Wie Schüler beim Problemlösen jeden Sachverstand<br />

vermissen lassen. „Realistische“ Antworten 5. Klasse<br />

Stefan hat 4 Holzlatten gekauft. Jede Latte ist 2,5 m lang.<br />

Wie wiele 1 m lange Latten kann er daraus machen? 13.4 %<br />

Johanns Bestzeit im 100-Meter-Lauf ist 17 Sekunden.<br />

Wie lange braucht er für 1 km? 2.7 %<br />

Ein Mann möchte ein Seil zwischen zwei Pfähle spannen,<br />

die in 12 m Entfernung voneinander stehen. Er hat aber<br />

nur 1.5 m lange Seilstücke zur Verfügung. Wie viele<br />

solcher Stücke muss er zusammenbinden, um das Seil<br />

zwischen den beiden Pfählen spannen zu können? 6 %<br />

Bruno und Alice besuchen dieselbe Schule. Bruno wohnt<br />

in 17 km Entfernung von der Schule und Alice in 8 km<br />

Entfernung von der Schule. Wie weit wohnen Bruno und<br />

Alice auseinander? 4.5 %<br />

... Die Ergebnisse von 7. Klässlern waren nur geringfügig besser<br />

© Prof. Dr. Kurt Reusser, Universität Zürich


Weilburg_18_11_2004<br />

7. Klasse Gymnasium<br />

Sch. „löst“ 10 von 11 unterbestimmten oder<br />

unlösbaren Aufgaben<br />

© Prof. Dr. Kurt Reusser, Universität Zürich


Weilburg_18_11_2004<br />

Multiple Rationalität beim schulischen <strong>Lernen</strong><br />

� Rationalität des Sachgegenstandes (z.B. Mathematik)<br />

� Rationalität des lebenspraktischen Handelns<br />

� Rationalität der Klassenzimmers bzw. der traditionellen<br />

Schülerrolle<br />

....<br />

© Prof. Dr. Kurt Reusser, Universität Zürich


Weilburg_18_11_2004<br />

Multiple Rationalität beim schulischen <strong>Lernen</strong><br />

� Rationalität des Sachgegenstandes (z.B. Mathematik)<br />

� Rationalität des lebenspraktischen Handelns<br />

� Rationalität der Klassenzimmers bzw. der traditionellen<br />

Schülerrolle<br />

.... es scheint, dass die Schule zumindest eines ganz sicher lehrt, nämlich<br />

den intelligenten Umgang mit sich selbst ...<br />

© Prof. Dr. Kurt Reusser, Universität Zürich


Weilburg_18_11_2004<br />

A. Was verstehen Sie unter eigenständigem <strong>Lernen</strong>?<br />

� Was sind Merkmale qualitativ hochwertiger Lernprozesse?<br />

� Woran erkennt man eigenständige, autonome Lerner/innen?<br />

� Wie eigenständig sind Ihre Schüler/innen?<br />

B. Wie lässt sich eigenständiges <strong>Lernen</strong> im Unterricht<br />

fördern?<br />

� Gibt es (spezielle) didaktische Settings, Werkzeuge, Stoffe, Methoden ... zur<br />

Förderung eigenständigen <strong>Lernen</strong>s?<br />

� Welches sind die spezifischen Herausforderungen an die Rolle der<br />

Lehrpersonen dabei?<br />

� Was sind Ihre Erfahrungen bei der Förderung eigenständigen <strong>Lernen</strong>s?<br />

© Prof. Dr. Kurt Reusser, Universität Zürich


Weilburg_18_11_2004<br />

Zwei Unterrichts-Beispiele aus der DVD<br />

„Einführungssequenzen“ unserer<br />

schweizerischen Videostudie<br />

(8. Klasse, Mathematik)<br />

© Prof. Dr. Kurt Reusser, Universität Zürich


Weilburg_18_11_2004<br />

I. Zum Begriff des eigenständigen <strong>Lernen</strong>s<br />

© Prof. Dr. Kurt Reusser, Universität Zürich


Weilburg_18_11_2004<br />

Was ist eigenständiges <strong>Lernen</strong>?<br />

Selbstorganisiertes <strong>Lernen</strong> ist eine Lernform, bei der der<br />

Handelnde die wesentlichen Entscheidungen, ob, was, wann,<br />

wie und woraufhin er lernt, gravierend und folgenreich<br />

beeinflussen kann.<br />

(Weinert, 1982)<br />

© Prof. Dr. Kurt Reusser, Universität Zürich


Weilburg_18_11_2004<br />

Hans Aebli, 1987, S. 181f.<br />

„Unsere Schüler müssen fähig werden<br />

� mit Sachen und Ideen selbständig in Kontakt zu treten,<br />

� Erscheinungen und Texte selbständig zu verstehen<br />

� Handlungen selbständig zu planen und Probleme selbständig<br />

zu lösen<br />

� Tätigkeiten selbständig zu üben, Informationen<br />

gedächtnismässig verfügbar zu machen,<br />

� ihre Tätigkeit- und Lernmotivation selbständig aufrecht zu<br />

erhalten“<br />

© Prof. Dr. Kurt Reusser, Universität Zürich


Weilburg_18_11_2004<br />

Beim selbständigen <strong>Lernen</strong><br />

bezieht sich die Autonomie des <strong>Lernen</strong>den auf alle<br />

Dimensionen des Lernprozesses, d.h. auf die Wahl oder<br />

nähere Bestimmung der<br />

� Ziele<br />

� Inhalte<br />

� Methoden und Lernwege<br />

� raum-zeitlichen Organisation<br />

� beanspruchten Lehrmittel und Werkzeuge<br />

sowie auf die<br />

� (Selbst-) Kontrolle und Beurteilung der erzielten Ergebnisse<br />

© Prof. Dr. Kurt Reusser, Universität Zürich


Weilburg_18_11_2004<br />

Konstruktivistisches Lernverständnis als<br />

Hintergrund<br />

Der (ideale) Basisprozess des <strong>Lernen</strong>s:<br />

<strong>Lernen</strong> ist Konstruktion oder Nach-Konstruktion,<br />

optimalerweise mit hoher Selbststeuerung und<br />

Selbstmotivation<br />

© Prof. Dr. Kurt Reusser, Universität Zürich


Weilburg_18_11_2004<br />

Konstruktivistisches Lernverständnis als<br />

Hintergrund<br />

Der (ideale) Basisprozess des <strong>Lernen</strong>s:<br />

<strong>Lernen</strong> ist Konstruktion oder Nach-Konstruktion<br />

optimalerweise mit hoher Selbststeuerung und<br />

Selbstmotivation<br />

Immanuel Kant, Jean Piaget: Erkenntnis heisst Synthesis<br />

Man versteht nur das wirklich gut und kann es selber später anwenden,<br />

was man selbst erarbeitet - geistig konstruiert - hat.<br />

Richard Feynman (Nobel Preisträger für Physik, 1965):<br />

„What I cannot create, I don‘t understand.“<br />

© Prof. Dr. Kurt Reusser, Universität Zürich


Weilburg_18_11_2004<br />

Wirksamkeit „konstruktivistischen“ <strong>Lernen</strong>s<br />

( = ein Resümee der modernen Lerntheorie)<br />

Je � aktiver und selbstgesteuerter<br />

� problemorientierter<br />

� besser mit dem eigenen Vorwissen verknüpft<br />

� bewusster und reflexiver<br />

� dialogischer und interaktiver<br />

Wissen erworben, (ko-)konstruiert wird,<br />

desto ...<br />

© Prof. Dr. Kurt Reusser, Universität Zürich


Weilburg_18_11_2004<br />

Wirksamkeit „konstruktivistischen“ <strong>Lernen</strong>s<br />

( = ein Resümee der modernen Lerntheorie)<br />

desto<br />

� besser wird es verstanden und behalten<br />

(Transparenz, Stabilität)<br />

� beweglicher kann es beim Denken und Handeln<br />

genutzt werden (Transfer, Mobilität)<br />

� bedeutsamer und positiver werden die damit<br />

verbundenen Lernprozesse und -inhalte erlebt<br />

(Motivationsgewinn, Interesse, Bedeutsamkeit,<br />

Selbstwirksamkeit)<br />

© Prof. Dr. Kurt Reusser, Universität Zürich


Weilburg_18_11_2004<br />

Jenseits von Illusionen: Geistige Tätigkeit bleibt<br />

„90% Transpiration und 10% Inspiration“ (Picasso)<br />

In der Regel Selten<br />

Nach-Konstruktion Neu-Konstruktion<br />

mit Hilfe<br />

• unseres Vorwissens<br />

• von Texten und<br />

didaktischen Materialien<br />

(Lern-Tools)<br />

• von Lehrpersonen und<br />

Lernpartnern<br />

im Sinne von<br />

• kreativer Neuschöpfung<br />

• erstmaligem Verknüpfen<br />

© Prof. Dr. Kurt Reusser, Universität Zürich


Weilburg_18_11_2004<br />

Basisformen eigenständigen <strong>Lernen</strong>s<br />

� Selbstmotiviertes, interessegeleitetes (intrinsisches) <strong>Lernen</strong><br />

� Problemlösendes <strong>Lernen</strong> (anknüpfend ans eigene Vorwissen,<br />

auf individuellen Wegen)<br />

� Reflexives (metakognitives) <strong>Lernen</strong> (Erwerb von Lernstrategien)<br />

� Soziales <strong>Lernen</strong>: Dialog, Ko-Konstruktion, Kooperation,<br />

Lernpartnerschaft<br />

� <strong>Lernen</strong> mit Lernwerkzeugen (Lehrmittel, Computer, Internet ...)<br />

© Prof. Dr. Kurt Reusser, Universität Zürich


Weilburg_18_11_2004<br />

Interessegeleitetes, selbstmotiviertes<br />

<strong>Lernen</strong><br />

© Prof. Dr. Kurt Reusser, Universität Zürich


Weilburg_18_11_2004<br />

Motivation, Interesse<br />

„Ich habe keine besondere<br />

Begabung, sondern bin nur<br />

leidenschaftlich neugierig.“<br />

Albert Einstein<br />

Folie von kkrammer<br />

© Prof. Dr. Kurt Reusser, Universität Zürich


Weilburg_18_11_2004<br />

Motivation, Interesse<br />

„Ich habe keine besondere<br />

Begabung, sondern bin nur<br />

leidenschaftlich neugierig.“<br />

Albert Einstein<br />

Alles <strong>Lernen</strong> ist keinen Heller<br />

wert, wenn Mut und Freude<br />

dabei verloren gehen<br />

J.H. Pestalozzi<br />

Folie von kkrammer<br />

© Prof. Dr. Kurt Reusser, Universität Zürich


Weilburg_18_11_2004<br />

Interessegeleitetes <strong>Lernen</strong>s führt zu<br />

� tieferer Verarbeitung<br />

� positiver emotionale Gestimmtheit<br />

� höherer Anstrengungsinvestition<br />

� originelleren Problemlösungen<br />

© Prof. Dr. Kurt Reusser, Universität Zürich


Weilburg_18_11_2004<br />

Problemlösendes <strong>Lernen</strong><br />

© Prof. Dr. Kurt Reusser, Universität Zürich


Weilburg_18_11_2004<br />

Vom Wert von guten Problemen und Lernaufgaben<br />

Wer von einem Problem durchdrungen ist, bemüht sich eine<br />

Lösung zu finden. Es braucht keine didaktischen Kunstgriffe,<br />

um <strong>Lernen</strong>den einen Gegenstand mit extrinsischen Mitteln<br />

schmackhaft zu machen und ihre Such- und Denktätigkeit<br />

anzustacheln.<br />

Probleme motivieren, energetisieren, erzeugen Interesse,<br />

mobilisieren die geistigen Kräfte<br />

© Prof. Dr. Kurt Reusser, Universität Zürich


Weilburg_18_11_2004<br />

Problembasiertes <strong>Lernen</strong> (PBL, POL)<br />

Der Begriff des problemorientierten <strong>Lernen</strong>s ist in den<br />

vergangenen Jahren (vor allem in der höheren Bildung) zum<br />

Leitkonzept eines Selbständigkeit fördernden, kognitiv<br />

aktivierenden Unterrichts bzw. der Gestaltung von<br />

entsprechenden Lernumgebungen geworden.<br />

Die Kernidee besteht darin, Unterricht und <strong>Lernen</strong> im<br />

Geiste des Problemlösens zu gestalten.<br />

© Prof. Dr. Kurt Reusser, Universität Zürich


Weilburg_18_11_2004<br />

Eines Morgens, genau bei Sonnenaufgang, brach ein Mönch<br />

auf, um einen hohen Berg zu besteigen. Ein schmaler Pfad<br />

wand sich in einer Spirale den Berg empor zu einem Tempel.<br />

Nach mehreren Tagen des Fastens und der Meditation<br />

machte er sich wiederum bei Sonnenaufgang auf den<br />

Rückweg. Er ging denselben Pfad hinunter, den er hinauf<br />

gekommen war.<br />

Beweise, dass es auf dem Bergpfad einen Ort gibt, den der<br />

Mönch beim Aufstieg wie beim Abstieg zu genau der gleichen<br />

Tageszeit erreicht.<br />

© Prof. Dr. Kurt Reusser, Universität Zürich


Weilburg_18_11_2004<br />

Problemlösen als das Finden einer geeigneten<br />

Repräsentation<br />

© Prof. Dr. Kurt Reusser, Universität Zürich


Weilburg_18_11_2004<br />

Problemlösen als Bewegung in Suchräumen<br />

Neun-Punkte-Aufgabe: mit 4 zusammenhängenden Linien<br />

ohne Absetzen alle 9 Punkte durchfahren.<br />

© Prof. Dr. Kurt Reusser, Universität Zürich


Weilburg_18_11_2004<br />

Neun-Punkte-Aufgabe<br />

Um die Aufgabe zu lösen, muss man über das Punktequadrat<br />

hinausgehen. Dies ist keine triviale Leistung. Die meisten<br />

Versuchspersonen verfallen einem impliziten Verbotsirrtum.<br />

© Prof. Dr. Kurt Reusser, Universität Zürich


Weilburg_18_11_2004<br />

Oft bedeutet Problemlösen auch ‚divergentes Denken‘<br />

''Zeigen Sie wie man mit Hilfe eines Barometers die Höhe<br />

eines Hochhauses bestimmen kann.''<br />

© Prof. Dr. Kurt Reusser, Universität Zürich


Weilburg_18_11_2004<br />

Oft bedeutet Problemlösen auch ‚divergentes Denken‘<br />

''Zeigen Sie wie man mit Hilfe eines Barometers die Höhe<br />

eines Hochhauses bestimmen kann.''<br />

Physikalisch korrekte Lösung:<br />

''Man kann die geforderte Höhe aus der mit dem<br />

Barometer ablesbaren Luftdruckdifferenz<br />

Strasse-Dach berechnen.<br />

Pro 10-11 Meter Höhe nimmt der Luftdruck nämlich um 1<br />

Torr (= 1 mm Hg) ab.''<br />

© Prof. Dr. Kurt Reusser, Universität Zürich


Weilburg_18_11_2004<br />

Ein Gymnasiast habe an der Prüfung jedoch erwartungswidrig wie<br />

folgt geantwortet ...<br />

und die Examinatoren dabei mehr als bloss irritiert ...<br />

© Prof. Dr. Kurt Reusser, Universität Zürich


Weilburg_18_11_2004<br />

Barometer-Aufgabe<br />

� "Man nimmt das Barometer mit aufs Dach, bindet es an eine<br />

lange Schnur und lässt es daran auf die Strasse hinunter.<br />

Dann holt man es wieder herauf und misst die Länge der<br />

Schnur. Diese Länge entspricht der Höhe des Gebäudes."<br />

B<br />

© Prof. Dr. Kurt Reusser, Universität Zürich


Weilburg_18_11_2004<br />

Barometer-Aufgabe<br />

� "Sie nehmen das Barometer und gehen die Treppe hoch. Dabei<br />

markieren Sie die Höhe der Wand jeweils in 'Barometer-<br />

Einheiten'. Dann brauchen Sie nur diese 'Barometer-Einheiten'<br />

zusammenzuzählen, und Sie erhalten die Höhe des Gebäudes in<br />

'Barometer-Einheiten'. Es ist allerdings eine sehr 'handgreifliche'<br />

Methode."<br />

1B<br />

2B<br />

3B<br />

4.<br />

B<br />

B<br />

B<br />

B<br />

B<br />

© Prof. Dr. Kurt Reusser, Universität Zürich


Weilburg_18_11_2004<br />

Barometer-Aufgabe<br />

� "Man nimmt das Barometer mit aufs Dach des Gebäudes und<br />

lehnt sich über die Dachkante. Dann lässt man es fallen und<br />

stoppt die Dauer des Falles mit einer Stoppuhr. Schliesslich<br />

ermittelt man die Höhe, indem man folgende Formel benutzt: s<br />

= 1/2 g•t 2 ."<br />

B<br />

© Prof. Dr. Kurt Reusser, Universität Zürich


Weilburg_18_11_2004<br />

Barometer-Aufgabe<br />

� "... oder Sie können an einem sonnigen Tag das Barometer<br />

mit nach draussen nehmen und seine Höhe sowie die Länge<br />

seines Schattens abmessen. Dann messen Sie, wie lang der<br />

Schatten des Hochhauses ist und bestimmen mit einer<br />

einfachen Verhältnisgleichung die Höhe des Gebäudes."<br />

© Prof. Dr. Kurt Reusser, Universität Zürich


Weilburg_18_11_2004<br />

Barometer-Aufgabe<br />

� "Sollten Sie an einer etwas subtileren Methode interessiert<br />

sein, dann könnten Sie das Barometer an eine Schnur binden<br />

und es als Pendel schwingen lassen. Sie bestimmen den Wert<br />

von g (Schwerebeschleuni-gung in der Formel T = 2(1/g) 2 auf<br />

Strassennieveau und auf dem Dach. Aus der Differenz von g 1<br />

und g 2 können Sie prinzipiell die Höhe des Gebäudes<br />

errechnen."<br />

© Prof. Dr. Kurt Reusser, Universität Zürich


Weilburg_18_11_2004<br />

Barometer-Aufgabe<br />

� Schliesslich meinte er: "Wenn Sie mich nicht auf eine<br />

physikalische Lösung festlegen, dann gibt es noch viele<br />

andere Möglichkeiten. Zum Beispiel können Sie das<br />

Barometer nehmen und beim Hausmeister anklopfen. Wenn er<br />

sich meldet, dann sprechen Sie wie folgt: 'Lieber Herr<br />

Hausmeister, ich habe hier ein wunderbares Barometer. Wenn<br />

Sie mir die Höhe des Hauses verraten, dann gehört es Ihnen.'"<br />

© Prof. Dr. Kurt Reusser, Universität Zürich


Irritation<br />

Weilburg_18_11_2004<br />

Problemlösender Denkakt<br />

Problemdefinition<br />

Hypothesenbildung<br />

Hypothesenprüfung<br />

Lösung<br />

(verbesserte Struktur)<br />

© Prof. Dr. Kurt Reusser, Universität Zürich


Weilburg_18_11_2004<br />

John Dewey (1910): Der geistige Vater der<br />

Problemlösepsychologie<br />

Die fünf Stufen eines Denkaktes<br />

1) Bemerken einer Schwierigkeit<br />

("a felt difficutly")<br />

2) Abgrenzung der Schwierigkeit<br />

3) Entstehung einer möglichen<br />

Erklärung/Lösung<br />

4) Durcharbeiten der Lösung,<br />

Analyse der Konsequenzen<br />

5) Prüfung, Bestätigung,<br />

Akzeptierung der Lösung<br />

- S püren eines Problems, Unbehagen,<br />

"etwas stimmt nicht", Kognitiver Konflikt,<br />

- Identifikation des Problems<br />

- Problemdefinition, seine bewusste<br />

sprachlich-begriffliche Fassung<br />

- H ypothesen bilden, Fragen formulieren<br />

- Lösungsplan erstellen, Synthese,<br />

Einsicht<br />

- H ypothesen überprüfen, durchdenken<br />

- Verifikation, Verwirklichung, Umsetzung<br />

- Evaluation, Erprobung<br />

- Akzeptierung, Kommunikation<br />

© Prof. Dr. Kurt Reusser, Universität Zürich


Weilburg_18_11_2004<br />

Wissen als Produkt vs. Wissen als Prozess<br />

Beim problemlösenden <strong>Lernen</strong> wird<br />

Wissen nicht nur als Produkt, sondern auch als<br />

Prozess erfahren<br />

© Prof. Dr. Kurt Reusser, Universität Zürich


Weilburg_18_11_2004<br />

Wissen als Prozess<br />

"Jemandem bestimmte Wissensgebiete zu lehren heisst<br />

nicht, ihn dazu zu bringen, dass er sich die fertigen<br />

Ergebnisse einprägt, sondern es heisst, dass wir ihn lehren,<br />

wie er an dem Prozess der Wissensgewinnung teilhaben<br />

kann ... Wissen in diesem Sinne ist kein Produkt, sondern ein<br />

Prozess" (Jerome Bruner 1974, S. 74; zitiert nach Kron 1993,<br />

S. 251).<br />

© Prof. Dr. Kurt Reusser, Universität Zürich


Weilburg_18_11_2004<br />

Reflexives, metakognitives <strong>Lernen</strong> und<br />

der Erwerb von Soft skills<br />

© Prof. Dr. Kurt Reusser, Universität Zürich


Weilburg_18_11_2004<br />

<strong>Lernen</strong> lernen<br />

=> Ein Verhalten 2. Ordnung, ein Metaverhalten<br />

Selbstbeobachtung<br />

Selbstaufmerksamkeit<br />

Selbstdiagnose<br />

Selbststeuerung<br />

Selbstbewertung<br />

ICH<br />

BEOBACHTE<br />

REFLEKTIERE<br />

ICH<br />

O<br />

L<br />

Tätigkeit 1. Ordnung<br />

Tätigkeit 2. Ordnung<br />

Aufbau von<br />

STANDARDS<br />

GÜTEMASS-<br />

STÄBEN<br />

Orientierung an<br />

ZIELEN<br />

L : <strong>Lernen</strong><br />

© Prof. Dr. Kurt Reusser, Universität Zürich


Weilburg_18_11_2004<br />

Metakognition, Metakognitive Prozesse<br />

(1) Metakognitives WISSEN:<br />

Wissen über gelingendes, misslingendes<br />

<strong>Lernen</strong>, Problemlösen<br />

(2) Metakognitive BEWUSSTHEIT:<br />

Sensibilität in der Wahrnehmung<br />

eigener (abgeleitet: fremder) Lern-<br />

und Denkprozesse<br />

(3) Metakognitive KONTROLLE:<br />

Selbststeuerung des <strong>Lernen</strong>s in<br />

Kongruenz von Wissen und<br />

Handeln<br />

Wissenserwerb<br />

Selbstreflexion<br />

Arbeitsrückschau<br />

Kognitive Diagnose<br />

Selbststeuerung<br />

Situierte Integration<br />

von Wissen, Denken<br />

und eigenem Tun<br />

© Prof. Dr. Kurt Reusser, Universität Zürich


Weilburg_18_11_2004<br />

Der Erwerb von Strategien der Lernsteuerung -überwachung ist eine<br />

Entwicklungsaufgabe, die sich über die gesamte Schulzeit mindestens<br />

bis zum Gymnasium erstreckt<br />

Überwachung<br />

der Wirksamkeit<br />

der Strategie<br />

Beobachtung<br />

und Evaluation<br />

des eigenen <strong>Lernen</strong>s<br />

Strategie anwenden<br />

und ihre<br />

Anwendung überwachen<br />

Lernziel setzen<br />

und Wahl einer<br />

geeigneten Strategie<br />

Ein zyklisches Modell des selbstregulierten <strong>Lernen</strong>s. Aus: Zimmermann, B.J., 1998, Academic studying and the development<br />

of personal skills: A self-regulatory perspective. Educational Psychologist, 33/2/3), S. 83.<br />

(Übersetzung: K. Reusser)<br />

© Prof. Dr. Kurt Reusser, Universität Zürich


Weilburg_18_11_2004<br />

„Aufbau und Mitübung von „Soft Skills“<br />

Im traditionellen Instruktionsunterricht werden<br />

„personale Schlüsselkompetenzen“ wie<br />

� selbstgesteuertes <strong>Lernen</strong> und Selbstmanagement-fähigkeiten<br />

� die Fähigkeit zu Kommunikation, Ko-Konstruktion und Dialog<br />

� zielorientierte Planung und Projektmanagement<br />

� die Fähigkeit zum Umgang mit Unsicherheit, Dynamik, und<br />

Mehrperspektivität<br />

� <strong>Lernen</strong> aus Fehlern<br />

� Lernstrategien, Metakognition und Metainteraktion<br />

kaum oder zu wenig trainiert.<br />

© Prof. Dr. Kurt Reusser, Universität Zürich


Weilburg_18_11_2004<br />

Soziales <strong>Lernen</strong><br />

© Prof. Dr. Kurt Reusser, Universität Zürich


Weilburg_18_11_2004<br />

Kooperatives, dialogisches <strong>Lernen</strong><br />

in Lernpartnerschaften und in Gruppen<br />

• Man lernt voneinander<br />

(neue Argumente, neue<br />

Lösungen).<br />

• Man lernt miteinander<br />

(gemeinsames Ergebnis,<br />

Kooperation, Helfen).<br />

• Man lernt gegeneinander<br />

(Bewältigung von Konflikten,<br />

Durchsetzung, Toleranz).<br />

Perspektivenübernahme,<br />

Lernstrategien,<br />

Erfahrung von Kooperation, sozialer<br />

Eingebundenheit, Vertrauen und<br />

Teamarbeit<br />

Debatte, Konflikt als Motor der<br />

eigenen Weiterentwicklung<br />

© Prof. Dr. Kurt Reusser, Universität Zürich


Weilburg_18_11_2004<br />

<strong>Lernen</strong> mit Lernwerkzeugen<br />

Zu den Buchwerkzeugen treten heute Computer und<br />

Internet als kognitive Werkzeuge‘ hinzu<br />

© Prof. Dr. Kurt Reusser, Universität Zürich


Weilburg_18_11_2004<br />

Zusammenfassend: Was <strong>Lernen</strong>de beim<br />

selbstgesteuerten <strong>Lernen</strong> können müssen<br />

� das <strong>Lernen</strong> selbständig und realistisch planen<br />

� seine Durchführung mit Blick auf (Zwischen-) Ziele und<br />

durch die Wahl geeigneter Arbeitsformen und<br />

Arbeitsrhythmen sichern<br />

� Relevante Informationen auswählen, strukturieren und ans<br />

eigene Vorwissen assimilieren<br />

� Lern-, Such-, Gedächtnis-, Ordnungs-, Informations-,<br />

Repräsentationsstrategien und -werkzeuge einsetzen<br />

� Lern- und Verstehensfortschritte prüfen; Erkennen, ob<br />

man verstanden hat<br />

� Aufmerksamkeit und Lernmotivation aufrecht erhalten, die<br />

eigenen Gefühle kontrollieren<br />

© Prof. Dr. Kurt Reusser, Universität Zürich


Weilburg_18_11_2004<br />

Zusammenfassend: Was selbständig <strong>Lernen</strong>de<br />

können müssen<br />

� das <strong>Lernen</strong> selbständig und realistisch planen<br />

� seine Durchführung mit Blick auf (Zwischen-) Ziele und<br />

durch die Wahl geeigneter Arbeitsformen und<br />

Arbeitsrhythmen sichern<br />

� Relevante Informationen auswählen, strukturieren und ans<br />

eigene Vorwissen assimilieren<br />

� Lern-, Such-, Gedächtnis-, Ordnungs-, Informations-,<br />

Repräsentationsstrategien und -werkzeuge einsetzen<br />

� Lern- und Verstehensfortschritte prüfen; Erkennen, ob<br />

man verstanden hat<br />

� Aufmerksamkeit und Lernmotivation aufrecht erhalten, die<br />

eigenen Gefühle kontrollieren<br />

© Prof. Dr. Kurt Reusser, Universität Zürich


Weilburg_18_11_2004<br />

Kompetenzen eigenständiger Lerner/innen<br />

(vgl. Beck et al. 1991) A. Kognitive Kompetenz<br />

Eigenständige Lerner sind fähig, differenziert zu denken,<br />

bewegliche Probleme zu lösen, und sie verfügen über ein<br />

gut organisiertes Wissen.<br />

Sie<br />

� setzen sich selbst Ziele<br />

� beobachten genau<br />

� beherrschen das Planen<br />

� nutzen verschiedene Informationsquellen<br />

� verstehen tief<br />

� entwickeln verschiedene Lösungswege<br />

� verfügen über ein reiches Repertoire an Strategien<br />

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B. Kommunikative Kompetenz<br />

Eigenständige Lerner können sich ausdrücken und mit<br />

anderen verständigen<br />

Sie<br />

� stellen Fragen<br />

� berichten über eigene Erfahrungen<br />

� tauschen mit anderen Erfahrungen aus<br />

� hören anderen zu und lernen daraus<br />

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C. Soziale Kompetenz<br />

Eigenständige Lerner verstehen es, von anderen und mit<br />

anderen zu lernen.<br />

Sie<br />

� beobachten anders<br />

� fordern andere fragend und vergleichend heraus<br />

� helfen anderen<br />

� beraten andere<br />

� arbeiten mit anderen zusammen<br />

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D. Motivation, Selbstvertrauen<br />

Eigenständige Lerner sind an der Sache und am <strong>Lernen</strong><br />

selbst interessiert. Sie sind antriebsstark, intrinsisch<br />

motiviert und haben Selbstvertrauen.<br />

Sie<br />

� entwickeln eigene Interessen<br />

� tun etwas aus eigenem Antrieb<br />

� setzen ihrem <strong>Lernen</strong> selbst Ziele<br />

� arbeiten ausdauernd aus Freude an der Sache<br />

� steuern und regulieren ihr kognitives Handeln selbst<br />

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E. Metakognitive Kompetenz<br />

Eigenständige Lerner verfügen über Strategien, eigene<br />

Erfahrungen zu nutzen und daraus zu lernen.<br />

Sie<br />

� verstehen es, ihre eigenen Stärken und Schwächen<br />

einzuschätzen<br />

� steuern, beobachten und kontrollieren sich selbst beim<br />

Ausführen einer Handlung<br />

� denken über ihr eigenes Verhalten nach<br />

� reflektieren über Mittel-Zweck-Zusammenhänge<br />

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Die drei Säulen des autonomen <strong>Lernen</strong>s: Wissen,<br />

Können und Wollen (Aebli 1987)<br />

(1) Die Wissenskomponente:<br />

� Sein eigenes <strong>Lernen</strong> kennen - eine klare Vorstellung von<br />

günstig verlaufenden Lernprozessen haben.<br />

(2) Die Könnenskomponente:<br />

� Lernverfahren praktisch anwenden - über ein<br />

Handlungsrepertoire von Arbeits- und Lernstrategien verfügen.<br />

(3) die Willenskomponente:<br />

� Vom Nutzen des <strong>Lernen</strong>s und von Lernverfahren überzeugt<br />

sein und sich verantwortlich fühlen für sein eigenes <strong>Lernen</strong>.<br />

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II. Förderung des eigenständigen <strong>Lernen</strong>s:<br />

Folgerungen für die Rolle von Lehrpersonen<br />

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Die drei Teilkulturen des Lehrens und <strong>Lernen</strong>s<br />

Lehrperson<br />

Stoffkultur<br />

Gegenstand<br />

Lernunterstützungskultur<br />

Lernkultur<br />

<strong>Lernen</strong>de<br />

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Die Teilkulturen bezogen auf je unterschiedliche<br />

Bereiche von Lehr-Lern-Qualität<br />

Lehrperson<br />

Stoffkultur<br />

Signifikanz der Inhalte<br />

Aufgabenqualität<br />

Lehrstofforganisation<br />

Gegenstand<br />

Lernunterstützungskultur<br />

Kommunikation- und Interaktionsqualität<br />

Lern-Unterstützung und -begleitung<br />

Lernkultur<br />

Qualität der Lernprozesse<br />

Verstehen, Kompetenzaufbau<br />

(Ko-) Konstruktives <strong>Lernen</strong><br />

<strong>Lernen</strong>de<br />

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I. STOFFKULTUR<br />

Als kognitiv aktivierende Aufgaben- und<br />

Aufgabenbearbeitungskultur:<br />

Der fachdidaktische Unterrichtsqualitätsaspekt<br />

i.e.S.<br />

© Prof. Dr. Kurt Reusser, Universität Zürich


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Das A und O jedes problemorientierten Unterrichts sind<br />

gute Lernaufgaben und Probleme<br />

Gute Aufgaben<br />

• sind herausfordernd und repräsentativ für fachliches Wissen und Denken<br />

(Aspekt der „Authentizität“)<br />

• sind zielbezogen formuliert, was nicht heisst, dass sie von allem Anfang an<br />

„wohldefinierte und konvergente Probleme darstellen“<br />

• erlauben sowohl das Erreichen von Minimalstandards als auch natürliche<br />

Differenzierung unter den <strong>Lernen</strong>den sowie genügende Spielräume die<br />

Eröffnung verschiedener Lösungswege<br />

• enthalten Informationen<br />

• zum Zeitbudget<br />

• zu Sozialformen, Bearbeitungs- und Kooperationsskripts<br />

• zu Hilfsmitteln und abrufbaren Ressourcen (Materialien, Expertise, Coaching)<br />

• zur Form der Ergebnispräsentation<br />

• stimulieren die Fortentwicklung von Lernstrategien und und Soft Skills<br />

© Prof. Dr. Kurt Reusser, Universität Zürich


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Stoffkultur als Inhalts- und Aufgabenkultur<br />

=> Kultivierung und Weiterentwicklung der Aufgabenkultur<br />

– Gute Lernaufgaben als Kern einer erweiterten Unterrichtskultur<br />

� => Die Art der Aufgabenstellungen bestimmt den Unterricht<br />

in allen Phasen (Erarbeiten, Durcharbeiten, Üben,<br />

Anwenden)<br />

– Entwicklung von Aufgaben, die sowohl das Erreichen von Minimalstandards als auch<br />

natürliche Differenzierung unter den <strong>Lernen</strong>den sowie genügende Spielräume die Eröffnung<br />

verschiedener Zugänge, Lösungs- und Denkwege zulassen<br />

- Gute Aufgaben stimulieren die Fortentwicklung von Lernstrategien und Soft Skills<br />

=> Durcharbeiten variabler Aufgabenstellungen führt zu<br />

flexiblem Wissen (vgl. Aeblis operative Didaktik)<br />

– Entwicklung von offenen Aufgabenstellungen<br />

=> Aufgaben können Problemlösen bzw. „höhere“ Denkprozesse<br />

stimulieren, aber nur, wenn man die Potenziale bei ihrer<br />

Bearbeitung auch nutzt<br />

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‘<br />

Unterschiedliche Stufen ‚kognitiver Aktivierung‘<br />

durch Aufgaben<br />

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�<br />

Aus: Schweizerisch- deutsche Videostudie<br />

(Klieme, Pauli, Reusser)<br />

Bsp. Konzepte wiedergeben<br />

Konzepte wiedergeben: Diese Aufgaben fordern Schüler auf,<br />

Informationen über mathematische Definitionen, Formeln oder<br />

Eigenschaften zu erinnern und anzugeben.<br />

© Prof. Dr. Kurt Reusser, Universität Zürich


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�<br />

Bsp. Prozeduren ausführenAus: Schweizerischdeutsche<br />

Videostudie<br />

(Klieme, Pauli, Reusser)<br />

Prozeduren ausführen: Hierunter werden Aufgaben gefasst, die<br />

mit einer oder mehreren Routineprozeduren (Berechnungen,<br />

Termumformungen, Übung von Formeln...) zu lösen sind.<br />

Indikatoren für<br />

kognitive<br />

Aktivierung der<br />

Schüler/-innen<br />

© Prof. Dr. Kurt Reusser, Universität Zürich


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� Konzepte verknüpfen: Es handelt es sich um Aufgaben, die auf<br />

Bsp. Konzepte verknüpfen Schweizerisch- deutsche<br />

Videostudie (Klieme, Pauli, Reusser)<br />

einem kognitiv anspruchsvollen Niveau angesiedelt sind. Die Schüler<br />

werden durch die Aufgabenstellung aufgefordert, Beziehungen zwischen<br />

mathematischen Ideen, Konzepten, Prozeduren zu entwickeln bzw. zu<br />

erkennen.<br />

Indikatoren für<br />

kognitive<br />

Aktivierung der<br />

Schüler/-innen<br />

© Prof. Dr. Kurt Reusser, Universität Zürich


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Kognitive Aktivierung – Der Pizzabäcker<br />

Schweizerisch- deutsche Videostudie<br />

(Klieme, Pauli, Reusser); Folie F. Lipowsky<br />

Eine Pizzeria bietet zwei runde Pizzas mit<br />

derselben Dicke in verschiedenen Größen an.<br />

Die kleinere hat einen Durchmesser von 30<br />

cm und kostet 30 Zeds. Die größere hat einen<br />

Durchmesser von 40 cm und kostet 40 Zeds.<br />

Bei welcher Pizza bekommt man mehr für<br />

sein Geld? Gib eine Begründung an!<br />

© Prof. Dr. Kurt Reusser, Universität Zürich


Weilburg_18_11_2004<br />

Kognitive Aktivierung – Der Pizzabäcker<br />

Schweizerisch- deutsche Videostudie<br />

(Klieme, Pauli, Reusser); Folie F. Lipowsky<br />

Eine Pizzeria bietet zwei runde Pizzas mit<br />

derselben Dicke in verschiedenen Größen an.<br />

Die kleinere hat einen Durchmesser von 30<br />

cm und kostet 30 Zeds. Die größere hat einen<br />

Durchmesser von 40 cm und kostet 40 Zeds.<br />

Bei welcher Pizza bekommt man mehr für<br />

sein Geld? Gib eine Begründung an!<br />

Handelt es sich hier um eine Aufgabe, die Schüler/-innen<br />

kognitiv zu aktivieren vermag? Wenn ja, warum?<br />

© Prof. Dr. Kurt Reusser, Universität Zürich


Weilburg_18_11_2004<br />

Kognitive Aktivierung – Der Pizzabäcker:<br />

Lösungswege Schweiz- deutsche Videostudie Klieme, Pauli, Reusser); Folie F. Lipowsky<br />

© Prof. Dr. Kurt Reusser, Universität Zürich


Weilburg_18_11_2004<br />

Kognitive Aktivierung – Der Pizzabäcker:<br />

Lösungswege Schweiz- deutsche Videostudie Klieme, Pauli, Reusser); Folie F. Lipowsky<br />

Rechnerische Lösungen:<br />

© Prof. Dr. Kurt Reusser, Universität Zürich


Weilburg_18_11_2004<br />

Kognitive Aktivierung – Der Pizzabäcker:<br />

Lösungswege Schweiz- deutsche Videostudie Klieme, Pauli, Reusser); Folie F. Lipowsky<br />

Rechnerische Lösungen:<br />

kleinere Pizza: A= π r 2 = π 15 2 = 706,9 cm 2<br />

706,9 : 30 = 23,6 Quadratzentimeter pro Zed<br />

größere Pizza: A= π r 2 = π 20 2 = 1256,6 cm 2<br />

1256,6 : 40 = 31,4 Quadratzentimeter pro Zed<br />

© Prof. Dr. Kurt Reusser, Universität Zürich


Weilburg_18_11_2004<br />

Kognitive Aktivierung – Der Pizzabäcker:<br />

Lösungswege Schweiz- deutsche Videostudie Klieme, Pauli, Reusser); Folie F. Lipowsky<br />

Rechnerische Lösungen:<br />

kleinere Pizza: A= π r 2 = π 15 2 = 706,9 cm 2<br />

706,9 : 30 = 23,6 Quadratzentimeter pro Zed<br />

größere Pizza: A= π r 2 = π 20 2 = 1256,6 cm 2<br />

1256,6 : 40 = 31,4 Quadratzentimeter pro Zed<br />

Bei der größeren Pizza bekomme ich für einen<br />

Zed mehr Pizza.<br />

© Prof. Dr. Kurt Reusser, Universität Zürich


Weilburg_18_11_2004<br />

Kognitive Aktivierung – Der Pizzabäcker:<br />

Lösungswege Schweizerisch- deutsche Videostudie (Klieme, Pauli, Reusser)<br />

Rechnerische Lösungen:<br />

kleinere Pizza: A= π r 2 = π 152 = 706,9 cm 2<br />

größere Pizza: A= π r 2 = π 202 = 1256,6 cm 2<br />

Kosten pro Quadratzentimeter<br />

30 Zeds : 706,9 cm 2 = 0,042 Zeds/cm 2<br />

40 Zeds : 1256,6 cm 2 = 0,031 Zeds/cm 2<br />

Bei der größeren Pizza kostet mich der<br />

Quadratzentimeter weniger als bei der kleineren.<br />

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Kognitive Aktivierung – Der Pizzabäcker:<br />

Lösungswege Schweizerisch- deutsche Videostudie (Klieme, Pauli, Reusser);<br />

Folie F. Lipowsky<br />

© Prof. Dr. Kurt Reusser, Universität Zürich


Weilburg_18_11_2004<br />

Kognitive Aktivierung – Der Pizzabäcker:<br />

Lösungswege Schweizerisch- deutsche Videostudie (Klieme, Pauli, Reusser);<br />

Folie F. Lipowsky<br />

Begriffliche Modellierungen:<br />

© Prof. Dr. Kurt Reusser, Universität Zürich


Weilburg_18_11_2004<br />

Kognitive Aktivierung – Der Pizzabäcker:<br />

Lösungswege Schweizerisch- deutsche Videostudie (Klieme, Pauli, Reusser);<br />

Folie F. Lipowsky<br />

Begriffliche Modellierungen:<br />

Da der Preis linear zunimmt, die Fläche aber quadratisch, ergibt sich, dass es<br />

bei der größeren Pizza "mehr fürs Geld" gibt.<br />

© Prof. Dr. Kurt Reusser, Universität Zürich


Weilburg_18_11_2004<br />

Kognitive Aktivierung – Der Pizzabäcker:<br />

Lösungswege Schweizerisch- deutsche Videostudie (Klieme, Pauli, Reusser);<br />

Folie F. Lipowsky<br />

Begriffliche Modellierungen:<br />

Da der Preis linear zunimmt, die Fläche aber quadratisch, ergibt sich, dass es<br />

bei der größeren Pizza "mehr fürs Geld" gibt.<br />

Die größere Pizza bietet mehr fürs Geld. Man bekommt für je 10 Zeds<br />

314,16cm 2 , bei der anderen gibt's für 10 Zeds nur 235,62cm 2 . Grund: Mit größer<br />

werdendem Radius steigt die Fläche der Pizza schneller an als der Preis der<br />

Pizza. Je größer also die Pizza ist, desto preiswerter isst man!<br />

© Prof. Dr. Kurt Reusser, Universität Zürich


Weilburg_18_11_2004<br />

Kognitive Aktivierung – Der Pizzabäcker:<br />

Lösungswege Schweizerisch- deutsche Videostudie (Klieme, Pauli, Reusser);<br />

Folie F. Lipowsky<br />

Begriffliche Modellierungen:<br />

Da der Preis linear zunimmt, die Fläche aber quadratisch, ergibt sich, dass es<br />

bei der größeren Pizza "mehr fürs Geld" gibt.<br />

Die größere Pizza bietet mehr fürs Geld. Man bekommt für je 10 Zeds<br />

314,16cm 2 , bei der anderen gibt's für 10 Zeds nur 235,62cm 2 . Grund: Mit größer<br />

werdendem Radius steigt die Fläche der Pizza schneller an als der Preis der<br />

Pizza. Je größer also die Pizza ist, desto preiswerter isst man!<br />

Variation: Es gibt Pizzaliebhaber, für die der Rand das<br />

entscheidende Teil an einer Pizza ist. Bei welcher der beiden<br />

Pizzen bekommt man mehr Rand für sein Geld?<br />

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Weilburg_18_11_2004<br />

II. LERNKULTUR<br />

der Schülerinnen und Schüler bzw. der<br />

Studierenden<br />

Der lern- und kognitionspsychologische<br />

Unterrichtsqualitätsaspekt<br />

© Prof. Dr. Kurt Reusser, Universität Zürich


Weilburg_18_11_2004<br />

Hans Aebli unterlegt seinen „Zwölf Grundformen des<br />

Lehrens“ das tiefenstrukturelle PADUA-Modell eines<br />

vollständigen Lernzyklus<br />

Problemstellung Aufbau Durcharbeiten Üben Anwenden<br />

� Zugang schaffen<br />

� Motivation<br />

� Zielvorstellung<br />

AUFBAU<br />

ERWERB<br />

� Strukturbildung<br />

� Verknüpfung<br />

� Verstehen,<br />

Einsicht<br />

� Transparenz<br />

� Beweglichkeit<br />

� Vertiefung<br />

� Reversibilität<br />

KONSOLIDIERUNG<br />

FESTIGUNG<br />

ARTIKULATION / REFLEXION<br />

� Einprägen<br />

� Festigen<br />

� Wiederholen<br />

TRANSFER<br />

ÜBERTRAGUNG<br />

� Transfer<br />

� Lernübertragung<br />

� Wissensnutzung<br />

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Weilburg_18_11_2004<br />

III. Lernbegleitungs- und Unterstützungskultur<br />

von Lehrpersonen und Dozierenden<br />

© Prof. Dr. Kurt Reusser, Universität Zürich


Weilburg_18_11_2004<br />

(nicht abgeschlossener) Wandel der<br />

Unterrichtskultur<br />

Von einer Zu einer<br />

als passiv erlebten<br />

Wissensvermittlung<br />

direkten Instruktion im Gleichschritt<br />

und Lektionentakt<br />

als monologisch und<br />

lehrerzentriert erlebten Lehrkultur<br />

dominanten Fremdsteuerung<br />

reinen fachlichen Stoffvermittlung<br />

kognitiv aktivierenden<br />

Wissenskonstruktion<br />

indirekten Instruktion durch die<br />

Gestaltung individualisierter<br />

Lernumgebungen<br />

dialogischen Kultur der<br />

Lernunterstützung und Lernhilfe<br />

verstärkten Selbststeuerung<br />

Mit-Ausbildung von<br />

Schlüsselkompetenzen (<strong>Lernen</strong><br />

lernen)<br />

© Prof. Dr. Kurt Reusser, Universität Zürich


Weilburg_18_11_2004<br />

Rollenverständnis der Lehrperson<br />

Traditionelles Rollenverständnis:<br />

Lehrperson als Stoffdarsteller/in<br />

– Planer/in<br />

– Unterweiser/in<br />

– Überwacher/in<br />

– Beurteiler/in<br />

Modell der direkten Instruktion<br />

Erweitertes Rollenverständnis:<br />

Lehrperson als Lernhelfer/in<br />

– Problemlösemodell<br />

– Coach<br />

– Lerngerüst<br />

– Lernberater/in<br />

– Animator/in<br />

– Fazilitatorin<br />

– Kommunikator/in<br />

– Moderator/in<br />

Modell der indirekten Instruktion<br />

Entwicklung neuer Handlungskompetenzen;<br />

Erweiterung des eigenen didaktischen Repertoires<br />

© Prof. Dr. Kurt Reusser, Universität Zürich


Weilburg_18_11_2004<br />

"Cognitive apprenticeship“ - Kognitive Lehre<br />

Unterrichten nach dem Lehrlingsprinzip<br />

[<strong>Lernen</strong> als "cognitive apprenticeship"]<br />

Modelling Scaffolding Coaching Fading Reflection<br />

Direkte Instruktion<br />

• Vorzeigen<br />

• Erzählen, Erklären<br />

• Fragend-entwickelnder<br />

Unterricht<br />

• Darstellende Unterrichtsphasen<br />

Selbstorganisiertes <strong>Lernen</strong><br />

• Selbststudium<br />

• Entdeckendes <strong>Lernen</strong><br />

• Projektarbeit<br />

• Selbständiges Üben und<br />

Anwenden<br />

• Problemorientiertes <strong>Lernen</strong><br />

• Lernplanarbeit<br />

Metakognition<br />

• Arbeitsrückschau<br />

• Lernreflexion<br />

• Lerntagebuch<br />

• Metakommunikation<br />

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Weilburg_18_11_2004<br />

Die Rolle der Lehrperson als "Coach"<br />

Lehrperson in der Funktion des Lernhelfers, Lerngerüsts und<br />

Lernberaters beim selbständigen <strong>Lernen</strong><br />

� Diagnostiker und Analytiker von Lern- und Arbeitsprozessen<br />

� Einfühlender Zuhörer und Dialogpartner<br />

� Fragensteller, "Geburtshelfer"<br />

� Spiegel, der durch Feedback dem <strong>Lernen</strong>den dessen<br />

Verhalten reflektiert<br />

� Fachexperte, Agent der Realität<br />

� Expertenhaftes Verhaltensmodell und Lerngerüst<br />

� Motivator, Provokateur, Herausforderer der besten Kräfte des<br />

<strong>Lernen</strong>den<br />

� Häufig auch ein Therapeut, der einem <strong>Lernen</strong>den aus einer<br />

Krise hilft<br />

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Weilburg_18_11_2004<br />

Effektive individuelle Lernberatung<br />

und -begleitung<br />

setzt eine dreifache Kompetenz voraus:<br />

I das Verstehen der Lern-Sache: Fachkompetenz,<br />

fachdidaktische Kompetenz Verstehen des objektiven<br />

Aufgabenraumes (task space)<br />

II das Verstehen (wollen) des/der <strong>Lernen</strong>den: Kognitive<br />

Empathie bzw. Eindenken in die subjektive Lern- und<br />

Denkwelt, in den Problemraum von <strong>Lernen</strong>den (problem<br />

space)<br />

III Interaktionale Kompetenz: Fähigkeit zum Führen von<br />

dialogischen Lehr-Lern-Gesprächen<br />

© Prof. Dr. Kurt Reusser, Universität Zürich


Weilburg_18_11_2004<br />

Verantwortung der Lehrpersonen:<br />

Übernahme von Lernhilfe und Lernbegleitung<br />

VOM<br />

Singulären<br />

Individuellen<br />

Vgl. auch Gallin/Ruf)<br />

Subjektiven<br />

ICH<br />

ZUM<br />

Regulären<br />

Sozialen<br />

Intersubjektiven<br />

WIR / MAN<br />

© Prof. Dr. Kurt Reusser, Universität Zürich


Weilburg_18_11_2004<br />

Lernwege vom "Ich" zum "Wir"/"Man"<br />

Problemstellungsraum<br />

öffnen schliessen<br />

Subjektivität<br />

freisetzen<br />

Der Denkweg des Lehrers<br />

= Lehrpfad für alle ?<br />

Subjektivität<br />

begrenzen<br />

Lösungsraum<br />

© Prof. Dr. Kurt Reusser, Universität Zürich


Weilburg_18_11_2004<br />

Lehr-Lernqualität im didaktischen Dreieck<br />

L<br />

Sach-Repräsentation:<br />

Eindenken in die Sache<br />

S<br />

Vollständige Lernprozesse<br />

Pädagogischer Bezug:<br />

Eindenken in den Schüler<br />

Sch<br />

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Weilburg_18_11_2004<br />

Stoffkultur<br />

Didaktische Kultur des<br />

problemorientierten <strong>Lernen</strong>s<br />

Gegenstand<br />

situieren<br />

modellieren<br />

unterstützen<br />

begleiten<br />

Lernkultur<br />

Lehrperson<br />

Lernbegleitungs- und Unterstützungskultur<br />

<strong>Lernen</strong>de<br />

© Prof. Dr. Kurt Reusser, Universität Zürich


Weilburg_18_11_2004<br />

III. Theorie- und Forschungshintergrund<br />

(Unterrichtsforschung)<br />

© Prof. Dr. Kurt Reusser, Universität Zürich


Weilburg_18_11_2004<br />

Merkmale von Unterrichtsqualität<br />

Was ist guter Unterricht?<br />

© Prof. Dr. Kurt Reusser, Universität Zürich


Weilburg_18_11_2004<br />

Ein Paradigma mit grosser intuitiver Plausibilität, aber geringem empirischem<br />

Gehalt: Das Paradigma der Lehrerpersönlichkeit<br />

© Prof. Dr. Kurt Reusser, Universität Zürich


Weilburg_18_11_2004<br />

Einfaches Prozess-Produkt-Paradigma<br />

© Prof. Dr. Kurt Reusser, Universität Zürich


Weilburg_18_11_2004<br />

“Lehr-Lern-Kurzschluss”<br />

"Lehren bewirkt <strong>Lernen</strong>"<br />

Diese verkürzte Vorstellung der Wirkung didaktischen Handelns,<br />

von der man als Lehrperson häufig wie selbstverständlich<br />

ausgeht (didaktisches Wenn-Dann-Denken) entspricht einem<br />

“Lehr-Lern-Kurzschluss”<br />

LEHREN BEWIRKT KEINESWEGS IMMER LERNEN<br />

© Prof. Dr. Kurt Reusser, Universität Zürich


System<br />

Schule<br />

Familie<br />

Klasse<br />

Individuum<br />

Weilburg_18_11_2004<br />

Angebotsbezogene Stützsysteme<br />

System-Architektur,<br />

Lehrplan und<br />

Pädagogische<br />

Traditionen<br />

Lehrermerkmale<br />

� Professionelles<br />

Wissen, Einstellungen,Überzeugungen<br />

� Biografie<br />

Reusser & Pauli, 1999;<br />

after Fend, 1998; Schmidt,<br />

1993; Wang, Haertel &<br />

Walberg, 1993<br />

Systemisches Modell von Unterrichtsqualität und -wirksamkeit<br />

Qualität des Bildungsangebotes<br />

Lehrerbildung,<br />

Qualifikation, Ausund<br />

Fortbildung der<br />

Lehrpersonen<br />

Merkmale der Einzelschule:<br />

Organisation, Ressourcen, Schulleitung,<br />

Leitbild, Standards, Kollegium<br />

Klassenkontext, Normen, Klima, Beziehungen, Lehrmittel<br />

Qualität<br />

und Quantität<br />

des Lehrangebots<br />

UNTERRICHT<br />

Nutzungsbezogene Stützsysteme<br />

Soziokultureller<br />

Kontext<br />

Peers, Familie:<br />

Ökonomisches,<br />

soziales und kulturelles<br />

Kapital<br />

Qualität<br />

der Nutzung<br />

des Angebots<br />

MEHRDIMENSIONALE BILDUNGSWIRKUNGEN<br />

Qualität der Angebotsnutzung<br />

Fachliche Leistungen und Kompetenzen, motivationale<br />

Orientierungen, Lernstrategien, Fachinteresse, Ein-stellungen,<br />

generalisierbare Fähigkeiten<br />

Schülermerkmale<br />

Kognitive, motivationale<br />

und soziale<br />

Fähigkeiten und<br />

Dispositionen<br />

© Prof. Dr. Kurt Reusser, Universität Zürich


Weilburg_18_11_2004<br />

Unterricht Bildungssystem<br />

Unterricht ist zugleich eine abhängige und unabhängige<br />

Variable des Bildungssystems<br />

� Unterricht ist mehr als das intentionale Handeln von<br />

Lehrpersonen - und Schülern<br />

� Unterricht ist immer auch vom Bildungssystem ermöglichter<br />

erm glichter<br />

Unterricht<br />

� Unterricht ist abhängig von Rahmenbedingungen und<br />

eingebettet in einen systemischen, gesellschaftlichinstitutionellen<br />

Kontext<br />

© Prof. Dr. Kurt Reusser, Universität Zürich


Weilburg_18_11_2004<br />

Der Einfluss des Lehrerhandelns:<br />

5 Merkmalsbereiche von Unterrichtsqualität<br />

Klassenführung<br />

Zeitnutzung<br />

Regelklarheit<br />

Überwachung der<br />

Schüleraktivitäten<br />

Disziplinprobleme<br />

Klarheit und<br />

Strukturiertheit<br />

Erklärkompetenz der Lehrperson<br />

Strukturierungshilfen<br />

Zielklarheit, sprachliche<br />

Qualität des Unterrichts<br />

Problemfokussierung<br />

Kognitive<br />

Aktivierung<br />

Motivationsqualität<br />

Alltagsbezug<br />

Vermittlung von Problemlösestrategien<br />

Entdeckender Problemzugang<br />

Multiple Lösungswege<br />

Anspruchsvolles Üben<br />

Repetitives Üben<br />

Klassenklima<br />

Kooperation unter Schüler/innen<br />

Aufmunterndes Lehrerverhalten<br />

Positives Sozialklima<br />

Fehlerkultur<br />

Individualisierung /<br />

Schülerorientierung<br />

Diagnostische Kompetenz der LP<br />

Individuelle Lernunterstützung<br />

Überforderndes Unterrichtstempo<br />

Lernzielvereinbarungen<br />

Schülermitbestimmung bei der<br />

Wahl von Lernwegen und<br />

Arbeitstechniken<br />

Anforderungsdifferenzierung<br />

Individ. Bezugsnormorientierung<br />

Unterrichtsskalen aus BIJU (Baumert et al., 1997), LASSO (vonSaldern & Littig, 1985); Konstanzer Längsschnittstudien (Fend &<br />

Specht, 1986), Weiterentwicklung durch Reusser, Pauli & Waldis, 1999.<br />

© Prof. Dr. Kurt Reusser, Universität Zürich


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Merkmale der Unterrichtsqualität<br />

Streuung der<br />

Merkmalsausprägungen<br />

Ausprägungen von Merkmalen der Unterrichtsqualität in 3 Klassengruppen (Aus: Weinert, F.E. & Helmke, A. (1996). Der<br />

gute Lehrer: Person, Funktion oder Fiktion? In A. Leschinsky (Hrsg.), Die Institutionalisierung von Lehren und <strong>Lernen</strong>.<br />

Zeitschrift für Pädagogik, 34. Beiheft, 223-233)<br />

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Abschluss<br />

Zehn Dimensionen oder Gütemerkmale kognitiv<br />

aktivierender Lehr-Lern-Umgebungen<br />

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10 Dimensionen oder Gütemerkmale von Lehr-Lern-<br />

Umgebungen<br />

1. Zielklarheit<br />

– Herrscht Klarheit über Ziele, Erwartungen, Standards?<br />

2. Stoffbezogene Interaktivität<br />

– Kann mit Lerngegenständen variabel interagiert werden?<br />

– Werden Exploration, Wissenserwerb und -anwendung durch interessante<br />

Lernaufgaben unterstützt?<br />

3. Soziale Ko-Konstruktivität<br />

– Werden soziale Interaktion und Kooperation unterstützt?<br />

– Wird diskutiert, ausgehandelt, zusammengearbeitet?<br />

4. Reflexives <strong>Lernen</strong>, <strong>Lernen</strong> lernen<br />

– Wird die (Selbst)Reflexion des <strong>Lernen</strong>s angeregt?<br />

– Werden Prozessziele wie "<strong>Lernen</strong> lernen" bzw. der Erwerb von (methodischen)<br />

Strategien und Soft Skills gefördert?<br />

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10 Dimensionen von Lehr-Lern-Umgebungen<br />

5. Problemorientiertes, situiertes <strong>Lernen</strong><br />

– Erfolgt das <strong>Lernen</strong> im Geist des Problemlösens<br />

– Knüpft der Wissens- und Könnenserwerb an das Vorwissen der <strong>Lernen</strong>den an?<br />

– Erfährt der Lehrstoff eine Einbettung in authentische, motivierende,<br />

praxisrelevante Problemstellungen?<br />

6. Innere Differenzierung, Individiualisierung<br />

– Trägt die Gestaltung der Lernumgebung der Heterogenität der Lern-gruppe<br />

Rechnung?<br />

7. Selbstregulation<br />

– Haben die <strong>Lernen</strong>den ausreichend Gelegenheit zu selbstgesteuertem <strong>Lernen</strong>?<br />

(Definitionsmacht über die Lernsituation)<br />

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10 Dimensionen von Lehr-Lern-Umgebungen<br />

8. Verfügbarkeit von Informations- und Wissensmedien<br />

– Stehen unterschiedliche Informationsquellen zur Verfügung?<br />

– Können neue Medien wie Computer und Internet genutzt werden?<br />

9. Adaptive Instruktion und Lernbegleitung<br />

– Steht eine Lehrperson (stehen Coachs, Tutoren) oder stehen Mitlernende<br />

(Peers) als Lerngerüste oder Coachs zur Verfügung?<br />

10. Feedback, Evaluation<br />

– Sind reziprokes Feedback und Erfolgskontrollen vorgesehen?<br />

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