kunst spektakel revolution - Kunst, Spektakel und Revolution ...
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festzuhalten. [...] Wir erkennen die historische Kontinuität in<br />
der <strong>Kunst</strong> an; auf der Gr<strong>und</strong>lage der <strong>revolution</strong>ären Weltanschauung<br />
errichten wir, indem wir diesen Stil des heroischen<br />
Realismus schaffen, das F<strong>und</strong>ament des Weltgebäudes der<br />
<strong>Kunst</strong> der Zukunft, der <strong>Kunst</strong> der klassenlosen Gesellschaft.« 3<br />
Ihr Programm zitiert fast wörtlich dasjenige der vor<strong>revolution</strong>ären<br />
Peredwischniki (Wanderer), einer antizaristischen<br />
aber ebenso antisozialistischen realistischen Malereiströmung,<br />
die gegen den Symbolismus des Zarismus die Landidylle der<br />
vormodernen Bauernschaft setzten. Mit dem Zugriff der <strong>revolution</strong>ären<br />
künstlerischen Avantgarden auf die <strong>Kunst</strong>hochschulen<br />
<strong>und</strong> Kommissariate nach 1917 sahen diese Gruppen<br />
ihren Einfluss schwinden <strong>und</strong> schlossen sich zu Interessensgemeinschaften<br />
zusammen. Trotz des durchgängig negativen<br />
Echos auf die erste Ausstellung der AChRR 1923 »Leben <strong>und</strong><br />
Alltag der Roten Armee«, in der neben den Künstlern der Vereinigung<br />
auch dem Realismus wohl gesonnene Unterstützer,<br />
Generäle <strong>und</strong> Kommissare der Roten Armee ihre eigenen Arbeiten<br />
ausstellten, wuchs die AChRR innerhalb kürzester Zeit<br />
zu einer in weiten Teilen Russlands verbreiteten Struktur heran.<br />
Im Mai 1926 bestanden bereits 34 Vertretungen, zu denen<br />
(Moskau ausgenommen) 650 Künstler zählten, <strong>und</strong> bis 1929<br />
realisierte die AChRR elf große, jeweils thematische Ausstellungen.<br />
1925 formulierte Boris Arwatow (1896-1940), einer<br />
der wichtigsten produktivistischen Theoretiker in einer Kritik<br />
an A. Grigorjew (1886-1939): »Es ist für niemanden ein Geheimnis,<br />
dass es nicht zu den Verdiensten der AChRR-Leute<br />
gehört, Widerwillen gegen die Obrigkeitshörigkeit zu hegen.« 4<br />
Durch das eingangs zitierte Dekret von 1932 wurde die<br />
AChRR ebenso aufgelöst wie die konstruktivistischen Künstlervereinigungen.<br />
Der Staat zentralisierte alle Produktion<br />
auf sich, machte sie planbar um so scheinbar den Markt auszuschließen.<br />
Die KPdSU (B) verordnete so zwar keinen »Realismus«,<br />
da jedoch Stalins Staatspolitik mit der endgültigen<br />
Hinwendung zum »Sozialismus in einem Land« 1926 auf die<br />
Konsolidierung der nationalen Verhältnisse angelegt war, entsprach<br />
der »heroische Realismus« nach Lenins Tod im Januar<br />
1924 mehr <strong>und</strong> mehr dem Sozialismus der Partei.<br />
Von der Komposition zur Konstruktion<br />
Mit ihrer systematischen Organisierung traditionalistischer<br />
Auftragsarbeit standen die heroischen Realisten im<br />
krassen Gegensatz zur <strong>revolution</strong>ären künstlerischen Avantgarde,<br />
denjenigen Produzenten, die in der bürgerlichen<br />
<strong>Kunst</strong>geschichtsschreibung meist unter dem Namen »Konstruktivisten«<br />
zusammengefasst werden. Während der »heroische<br />
Realismus« ein malerischer Stil war, der sich aus wieder<br />
erkennbaren bildnerischen Motiven, Formelementen, Themen<br />
<strong>und</strong> sogar Farbtönen zusammensetzte, war im Gegensatz<br />
hierzu der Konstruktivismus nie ein Stil, sondern ein Stadium<br />
innerhalb des <strong>revolution</strong>ären Versuchs die <strong>Kunst</strong>produktion<br />
in eine allgemeine künstlerische Produktion aufzulösen. Sein<br />
Name entstand nicht als Verkaufsemblem, wie es beim »heroischen<br />
Realismus« der AChRR der Fall gewesen war, sondern<br />
als programmatische Positionierung innerhalb des Moskauer<br />
Inchuk (Institut für künstlerische Kultur) 1920, wo der von<br />
Alexei Gan geprägte Begriff Teil der strikten Ablehnung des<br />
von Wassili Kandinski vorgeschlagenen kompositorischen<br />
Curriculums der Fakultät war. 5<br />
Ziel der <strong>revolution</strong>ären Künstler <strong>und</strong> Autoren war es,<br />
die künstlerische Praxis von ihrer festen Eindämmung in die<br />
klassischen bürgerlichen Medien Malerei, Bildhauerei <strong>und</strong> Architektur<br />
zu lösen, um ihre Arbeit über das gesamte Feld gesellschaftlicher<br />
Produktion zu verstreuen, <strong>und</strong> zwar durch die<br />
Auflösung der <strong>Kunst</strong> in die künstlerische Konstruktion des<br />
Alltags. Die bürgerliche <strong>Kunst</strong> war hierin nicht mehr als die<br />
bloße Voraussetzung ihrer eigenen Auflösung. Was den Konstruktivisten<br />
gemein war, war kein »Stil«, sondern die Konstruktion:<br />
die praktische <strong>und</strong> systematische Rekonstruktion ihrer<br />
eigenen Praxis auf der Basis des industriellen Denkens, durch<br />
die gr<strong>und</strong>legende Neuorientierung der Wahrnehmung <strong>und</strong> des<br />
Materialbegriffs. El Lissitzky studierte zu Beginn der zwanziger<br />
Jahre. Alfred Einsteins Publikationen, um architektonisch<br />
auf eine Überwindung der dreidimensionalen Wahrnehmung<br />
zuzusteuern, Ljubow Popowa <strong>und</strong> Warwara Stepanowa gingen<br />
in die Textilproduktion, Alexander Rodtschenko arbeitete<br />
mit Holzwerkstätten <strong>und</strong> Theaterbühnen zusammen um<br />
die theaterverhafteten Ideen multifunktionalen Mobiliars in<br />
massenproduzierbarer (Holz)Form in den Alltag zu transferieren<br />
<strong>und</strong> Wladimir Tatlin <strong>und</strong> Boris Arwatow eröffneten in<br />
Petrograd ein Studio für Materialkultur <strong>und</strong> Produktion in einer<br />
der ersten großen Stahlfabriken, der Lessner Fabrik. Konstruktivisten<br />
waren also wesentlich diejenigen Künstler, die sich<br />
im Übergang von den 1910er in die zwanziger Jahre von dem<br />
künstlerischen Prinzip der Komposition lösten, dessen Regeln<br />
weiterhin die Arbeiten nicht nur der Realisten, sondern<br />
vor allem auch der vor<strong>revolution</strong>ären »esoterischen« Avantgarde<br />
(z.B. Kasimir Malewitsch <strong>und</strong> Wassili Kandinski) bestimmten.<br />
Die Materialien künstlerischer Produktion sollten<br />
nicht länger von den Kompositionsschemata erzwungen werden,<br />
sondern stattdessen selbst zu Ausgangspunkten der eigenen<br />
Produktion avancieren.<br />
Phase drei: der Produktivismus<br />
Der Konstruktivismus war die zweite Phase der <strong>revolution</strong>ären<br />
künstlerischen Avantgarde, deren Phase Drei zeitgleich,<br />
aber raumversetzt ebenfalls um 1921 eintrat. Diese letzte Phase<br />
war der so genannte Produktivismus, der von dem Versuch<br />
geprägt war, die künstlerische Produktion von den Ateliers<br />
in die Fabriken zu verlegen. Im Produktivismus sollten sich