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Der Maler Kurt Kühn (1880 - 1957) Versuch einer ...

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Magisterarbeit im Fachbereich<br />

Altertums- und Kulturwissenschaft<br />

an der Universität Tübingen<br />

WS 1979/80<br />

<strong>Der</strong> <strong>Maler</strong> <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> (<strong>1880</strong> - <strong>1957</strong>)<br />

<strong>Versuch</strong> <strong>einer</strong> Positionsbestimmung<br />

- Band 1 -<br />

vorgelegt von<br />

Hartmut W. Honzera<br />

Neue Straße 10<br />

74 Tübingen


Band 1<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

Teil I............................................................................................................. 2<br />

1. Einleitung............................................................................................................................2<br />

2. Biographie <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong>s....................................................................................................3<br />

3. Die Ausstellungstätigkeit <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong>s.......................................................................11<br />

4. Das frühe Werk. Arbeiten bis 1910.............................................................................12<br />

Anmerkungen Teil I.............................................................................................................22<br />

Teil II.......................................................................................................... 25<br />

1.0. Zum Begriff Orientalismus und Exotismus..........................................................25<br />

1.1. Zum Forschungsstand des Orientalismus ...........................................................27<br />

1.2. Zur Geschichte des Orientalismus .........................................................................27<br />

1.2.1. <strong>Der</strong> Orientalismus im 19. Jahrhundert........................................................28<br />

1.3. <strong>Der</strong> Orientalismus in Algerien..................................................................................30<br />

2. Die afrikanischen Bilder <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong>s......................................................................32<br />

2.1. Monumentale Darstellung von Einzelpersonen oder Personengruppen.....33<br />

2.2. Gruppenszenen. Markt- oder Arbeitsszenen, bei denen mehrere Personen<br />

dargestellt sind, die in Handlung begriffen sind.................................................37<br />

2.3. Darstellungen und Ansichten aus Afrika, bei denen die Architektur die<br />

vorrangige Rolle innerhalb des Bildes einnimmt. ..............................................38<br />

2.4. Reiterszenen.................................................................................................................41<br />

2.5. Landschaftsdarstellungen. Gartenszenen............................................................42<br />

3. <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> im Zusammenhang mit dem Orientalismus des ausgehenden<br />

neunzehnten Jahrhunderts und des beginnenden zwanzigsten<br />

Jahrhunderts..................................................................................................................44<br />

Anmerkungen Teil II............................................................................................................51<br />

Teil III......................................................................................................... 54<br />

1.1. Arbeiten aus der Gefangenschaft, 1914-1919......................................................54<br />

1.2. Werke aus den Jahren 1919-1925, bzw. aus Holzhausen.................................58<br />

1.3. Werke aus den Jahren 1925-1942, Düsseldorf, Paris ........................................60<br />

1.4. Bilder von der Spanienreise 1932 und von der Jugoslawienreise 1939.......63<br />

1.5. Die Portraits ..................................................................................................................64<br />

1.6. Die Selbstbildnisse .....................................................................................................69<br />

1.7. Akt-Darstellungen........................................................................................................72<br />

1.8. Werke der letzten Jahre 1934-<strong>1957</strong>.........................................................................73<br />

2. Zusammenfassung. <strong>Versuch</strong> <strong>einer</strong> Einordnung <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong>s in die Kunst<br />

des 20. Jahrhunderts..................................................................................................74<br />

Anmerkungen Teil III...........................................................................................................77<br />

Bibliographie............................................................................................ 78


Teil I<br />

1. Einleitung<br />

- 2 -<br />

Das neunzehnte Jahrhundert ist in den letzten Jahren verstärkt auch ins Blickfeld der kunsthistorischen<br />

Forschung geraten. Nachdem lange Zeit Künstler wie Markart, Böcklin, Feuerbach,<br />

um nur einige wenige wahllos herauszugreifen, in der Versenkung verschwunden waren,<br />

bemüht man sich in letzter Zeit verstärkt, gerade auch die Künstler zu würdigen, die -<br />

orientiert man sich nur an der Kunst, die zu einem Fortschritt der Kunst, was immer man<br />

auch darunter verstehen mag, beitrug - leicht außer acht gelassen werden.<br />

Seminare zur Frage der Akademiemalerei, Publikationen über Salonmalerei, Ausstellungen<br />

zum Komplex Weltausstellung im 19. Jahrhundert verbindet die gemeinsame Frage nach der<br />

'zweiten Kultur', nach der Kunst, die zu ihrer Entstehungszeit äußerst beliebt war, im 20.<br />

Jahrhundert aber völlig vergessen wurde. Die Komplexität, die das neunzehnte Jahrhundert<br />

gerade in seinen künstlerischen Äußerungen kennzeichnet, bedingt, dass bisher nur ein<br />

ganz geringer Teil dieser Kunst annähernd erschöpfend untersucht wurde; - oft begnügt man<br />

sich in <strong>einer</strong> nur oberflächlichen Präsentation des damals wie heute so wirksamen schönen<br />

Scheins. Es sei an dieser Stelle nur die Ausstellung der Düsseldorfer <strong>Maler</strong>schule erinnert.<br />

Vor allem aber verdeckt das so schwergewichtige neunzehnte Jahrhundert, dass diese Erscheinungen<br />

mit der Jahrhundertwende keineswegs ihren Abschluss fanden, sondern dass<br />

in vielen Bereichen eine mehr oder weniger ungebrochene Kontinuität besteht. Auch der<br />

erste Weltkrieg kann vielfach nicht als Zäsur angesehen werden, wie das zum Beispiel bei<br />

der jüngst veranstalteten Ausstellung der Münchener Schule der Fall war.<br />

Im zwanzigsten Jahrhundert existiert zum Beispiel, neben der anerkannt 'avantgardistischen'<br />

Kunst, eine Akademiemalerei, die völlig anders aussieht. Auch das Heer der Künstler, die in<br />

den jährlichen Kunstausstellungen verschiedener Kunstvereine ihre große Stunde erleben,<br />

ist heute vorhanden, so wie es im vergangenen Jahrhundert der Fall war. Welche Bedeutung<br />

gerade diesen Künstlern zukommen kann, hat die Kunstpolitik des Nationalsozialismus gezeigt.<br />

Zum größten Teil waren es eben Künstler, die in die Bresche sprangen, nachdem so<br />

gut wie alles, was künstlerischen Wert besessen hatte, verfemt und verdammt worden war.<br />

Außerdem darf nicht vergessen werden, dass diese Künstler, die ich als Vertreter <strong>einer</strong><br />

'zweiten Kultur' bezeichnen möchte, keineswegs im Abseits des allgemeinen Interesses stehen.<br />

Können sie zwar keinen Platz in der Kunstgeschichte für sich beanspruchen, so genießen<br />

sie doch vielfach eine Wertschätzung beim Publikum, das ihre Werke kauft und als Dekoration<br />

konsumiert. Sie stellen damit möglicherweise zwar nicht den Gegenstand der<br />

Kunstwissenschaft dar, bilden aber einen Teil der gesellschaftlichen Realität, die auch der<br />

Kunsthistoriker nicht außer acht lassen darf.<br />

Will man mit dieser Realität umgehen, so muss man sie erst einmal zur Kenntnis nehmen,<br />

und damit nicht genug, man muss versuchen sie kennen zu lernen.<br />

Einen solchen <strong>Versuch</strong> soll diese Arbeit darstellen. <strong>Der</strong> Künstler, um den es hier geht, gehört<br />

zweifellos nicht zur künstlerischen Avantgarde, er hat der Entwicklung der Kunst sicherlich<br />

keine weiterführenden Impulse gegeben, doch handelt es sich um eine künstlerische Leistung,<br />

die abgesehen von ihrer qualitativen Bedeutung sicherlich nicht vereinzelt im Raum


- 3 -<br />

steht. Dies exemplarisch zu zeigen, scheint mir eines <strong>Versuch</strong>es wert zu sein.<br />

Darüber hinaus, und das scheint mir besonders wichtig, ist in <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> ein Vertreter des<br />

Orientalismus zu sehen. Ein Künstler jener Richtung, die im neunzehnten Jahrhundert Triumphe<br />

feierte, die heute fast völlig vergessen ist und erst seit wenigen Jahren, vor allem in<br />

England und Frankreich, von der Kunstwissenschaft der Beachtung für würdig befunden<br />

wird. Gerade der Orientalismus stellt eine Kunstform dar, die aufs äußerste von gesellschaftlichen<br />

Gegebenheiten abhängig war, die nicht als isolierte Kunst betrachtet werden kann, wie<br />

das so gerne getan wird. Was ihre Qualität oder ihren Rang, gemessen an der übrigen zeitgenössischen<br />

Kunst, angeht, so sei diese Frage zunächst ausgeklammert. Zu wenig Grundlagenforschung<br />

ist bisher geleistet worden, als dass endgültiges darüber ausgesagt werden<br />

könnte, doch soll diese Frage nicht aus dem Auge gelassen werden. Nicht weil sie für den<br />

Orientalismus allein von Bedeutung wäre, vielmehr stellt sich diese Frage in besonderem<br />

Maße bei jeder Kunst, die in hohem Grade von gesellschaftlichen Bedingungen abhängig ist.<br />

Und gerade hinsichtlich der zeitgenössischen Kunst könnte eine solche Fragestellung zu<br />

ganz besonders aufschlussreichen Antworten führen.<br />

Nun kann im Rahmen dieser Arbeit naturgemäß nur ein kl<strong>einer</strong> Teil dieser angerissenen Aspekte<br />

ausgeführt werden. Vielmehr soll hier ein Künstler exemplarisch vorgeführt werden,<br />

der die tonangebenden künstlerischen Strömungen absorbierte, der durchaus eigenständige<br />

interessante Arbeiten vorlegte, der zwar nie großen Erfolg beim Publikum hatte, aber dennoch<br />

unbeirrt weiterarbeite.<br />

Es geht nicht darum, einen Künstler zu seinem endlich fälligen Nachruhm zu verhelfen, vielmehr<br />

soll ein Stück der kunstgeschichtlichen Quelle im zwanzigsten Jahrhundert gezeigt<br />

werden, Kunst, die neben der, die in opulenten Übersichtsausstellungen der Jahre in Berlin<br />

und Paris gezeigt wurde, auch existierte.<br />

2. Biographie <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong>s<br />

<strong>Kurt</strong> Alexander <strong>Kühn</strong> wurde am 3. Dezember <strong>1880</strong> in Dresden geboren. Als einziges Kind<br />

wohlhabender Eltern - sie besaßen eine Wein- und Essigfabrik - wuchs er in <strong>einer</strong> Umgebung<br />

auf, die frei aller materiellen Sorgen war.<br />

Im Jahr 1886 zog die Familie nach Liegnitz um. Für den jungen <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong>, der gerade eingeschult<br />

worden war, brachte dieser Ortswechsel vom Sächsischen ins Schlesische zunächst<br />

beträchtliche Schwierigkeiten mit, da er aufgrund der Sprache von den Schulkameraden<br />

zunächst nicht akzeptiert wurde. Doch konnte er sich bald durchsetzen. Später wechselte<br />

er dann auf ein Internat in Lahn über und legte schließlich in Guben das humanistische<br />

Abitur ab 1 .<br />

Für <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> stand schon früh fest, <strong>Maler</strong> zu werden. Nachdem sein Vater gestorben war,<br />

wurde die Fabrik verkauft, da sich eine Verpachtung als nachträglich erwiesen hatte und <strong>Kurt</strong><br />

<strong>Kühn</strong> nicht beabsichtigte, den Betrieb zu übernehmen. Seine Mutter setzte seinen Plänen<br />

keinen Widerstand entgegen, so dass die künstlerische Ausbildung in Dresden begonnen<br />

wurde 2 .<br />

Zwar haben wir also keine genauen Angaben über den Beginn des Studiums in Dresden,<br />

doch muss man davon ausgehen, dass er um 1899/1900 das Studium der Künste begonnen


- 4 -<br />

hat. Einige Zeichnungen, die zweifellos im akademischen Unterricht entstanden, Aktstudien,<br />

Studien nach Antiken, Fuß- und Handstudien, datieren ab 1900.<br />

Dresden, das sich stets gerne als Metropole der Kunst dargestellt hatte, begann zu jener Zeit<br />

Schritte zu unternehmen, um aus dem Provinzialismus und der Bedeutungslosigkeit, in die<br />

es seit der Mitte des 19. Jahrhunderts gefallen war, herauszukommen.<br />

Wichtigste Schritte auf diesem Wege waren die 'Erste internationale Kunstausstellung 1897',<br />

die als "epoche-machend für Dresden" gelten kann 3 . Unter der Ausstellungsleitung Gotthard<br />

Kühls wurden hier zum ersten Mal <strong>Maler</strong>ei, Plastik und graphische Künste gemeinsam gezeigt.<br />

Höhepunkte der Ausstellung waren eine Retrospektive Konstantin Meuniers sowie das<br />

geschlossene Auftreten der Worpsweder. Auch Kunsthandwerk wurde ausgestellt, unter anderem<br />

Werke von Tiffany.<br />

Auf der zwei Jahre später folgenden Ausstellung war vor allem der deutsche Jugendstil vertreten:<br />

Die Vereinigten Werkstätten München, Richard Riemerschmidt, Bernhard Pankok,<br />

Bruno Paul, Hans von Berlepsch, Herman Billing, um nur einige zu nennen.<br />

Auch der Dresdner Kunsthandel bemühte 'sich, in den neunziger Jahren der Avantgarde<br />

etwas näher zu kommen. Neben Klinger und Uhde wurde bei Theodor Lichtenberg auch<br />

Munch gezeigt. Die Kunsthandlung Ernst Arnold zeigte Künstler der Münchner Sezession.<br />

Im Sächsischen Kunstverein wurde eine Sonderausstellung mit Werken Gotthard Kühls gezeigt,<br />

die Aufsehen erregte. Gemessen an Ausstellungen und Kunstereignissen anderer<br />

Städte nehmen sich diese Ereignisse als durchaus schüchterne <strong>Versuch</strong>e aus, den Anschluss<br />

an die zeitgenössische Kunst zu gewinnen. So sollte Dresden auch erst 1905 mit<br />

dem Entstehen der 'Brücke' internationale Bedeutung erlangen. An der Akademie lehrten<br />

erst ab den zwanziger Jahren Künstler vom Rang eines Kokoschka (1920-1924) oder Dix<br />

{1927-1933) 4 .<br />

Doch zurück zum Jahre 1900. Unter den damals lehrenden Professoren dürfen wohl Carl<br />

Bantzer (1896-1908), Eugen Bracht (1897-1902) und Gotthard Kühl (1895-1915) 5 als die<br />

wichtigsten gelten.<br />

Alle drei vertreten einen Spätimpressionismus und stehen in der Nachfolge Liebermanns.<br />

Die Freilichtmalerei 6 , das Einfangen des flüchtigen Augenblicks sind wichtige Elemente ihrer<br />

<strong>Maler</strong>ei. Das malerische Moment der Kunst ist dabei besonders betont.<br />

Dies sind Elemente, die bei <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> ebenfalls eine große Rolle spielen; worauf schon an<br />

dieser Stelle hingewiesen werden soll. Die Vermittlung kann über den akademischen Unterricht,<br />

über das Ausstellungswesen oder durch persönliche Kontakte stattgefunden haben.<br />

Sein Studienkollege Richard Dietze 7 gehörte z.B. der Gruppe 'Die Elbier' an, die sich um<br />

Gotthard Kühl gebildet hatte. Wenn <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> auch nicht Mitglied dieser Vereinigung war - er<br />

verhielt sich zeit seines Lebens sehr individualistisch und schloss sich nur ungern irgendwelchen<br />

Vereinigungen an - so hatte er doch zumindest persönlichen Kontakt zu dieser Gruppe<br />

und wusste von deren künstlerischem Bestreben.<br />

Richard Dietze hatte <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> in der Dresdner Studienzeit kennen gelernt, was durch ein<br />

Portrait Dietzes von der Hand <strong>Kühn</strong>s belegt ist. Die beiden Künstler verband eine langjährige<br />

Freundschaft, die sich erst in den fünfziger Jahren lockerte.


- 5 -<br />

Die nächste Station der Ausbildung war die Akademie München, wo <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> ab Herbst<br />

1902 eingeschrieben war 8 ,und zwar in der Zeichenschule Ludwig Herterichs. Möglicherweise<br />

hat er auch in der Klasse von Wilhelm von Dietz Unterricht gehabt 9 . Herterich stellt insofern<br />

eine gewisse Kontinuität in <strong>Kühn</strong>s Ausbildung dar, als auch er (Herterich) dem Pleinairismus<br />

anhing und sich um eine 'moderne realistische Natur-darstellung' 10 bemühte. Allerdings haben<br />

die dekorativen Tendenzen, die sich in Wandmalereien zur Monumentalität steigern<br />

können 11 , bei <strong>Kühn</strong> keinen Niederschlag gefunden, wie überhaupt der ganze Jugendstil im<br />

Werk <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong>s k<strong>einer</strong>lei Rolle gespielt hat, obwohl er zu jener Zeit in München eine der<br />

populärsten Kunstrichtungen darstellte.<br />

Auch die als wahrscheinlich anzunehmende Ausbildung bei Wilhelm von Dietz lässt sich in<br />

den Bildern <strong>Kühn</strong>s nicht ohne weiteres nachweisen. Aus der Studienzeit in Dresden und<br />

München sind so gut wie keine Ölgemälde oder -skizzen erhalten. Hang zur feinabgestuften<br />

Farbigkeit und zur genauen Naturbeobachtung, beides tritt im Werk nach 1920 verstärkt auf,<br />

könnte auf die Dietz-Schule zurückgeführt werden. Da aber gerade aus dieser Schule die<br />

unterschiedlichsten Künstler hervorgingen 12 , ist der stilistische Nachweis <strong>einer</strong> dort erlebten<br />

Ausbildung wohl kaum möglich. Das Verhältnis zwischen Lehrer und Schülern hinsichtlich<br />

der künstlerischen Beeinflussung muss bei Dietz ebenso liberal gewesen sein wie zum Beispiel<br />

bei von Stuck oder in Paris bei Bourgereau.<br />

Von München aus unternahm <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> zahlreiche Reisen, vor allem in den Süden, wohin er<br />

auch später immer wieder gerne zurückkehrte. 1903 war er in Riva, im Frühjahr des darauffolgenden<br />

Jahres unternahm er eine größere Italienreise, die u.a. nach S. Vigilia, Vicenza<br />

und Venedig führte. Ins selbe Jahr fiel auch eine Reise nach Ungarn, wobei er auch Budapest<br />

besuchte. Von München aus besuchte er die bayrische Umgebung, vor allem Starnberg<br />

und Diessen, wo sich der Freundeskreis um die <strong>Maler</strong>in Halla Wanja des öfteren traf.<br />

In die Münchner Zeit - <strong>Kühn</strong> hielt sich bis 1905 dort auf - ist wohl auch die Freundschaft mit<br />

Adolf Münzer und weiteren Mitgliedern der Scholle bzw. der Jugend und des Simplizissimus<br />

zu datieren. Diese Künstler bauten sich ab 1903 in dem München sehr nahe gelegenen<br />

Holzhausen am Ammersee Atelier- oder Sommerhäuser, die dann teilweise erweitert und<br />

später auch ständig bewohnt wurden 13 . 1903 bauten sich Walter Georgi, 1905 Adolf Münzer<br />

und Fritz Erler, 1911 Klara Ewald und Paul Neu, 1912 Eduard Thöny und <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> ihre<br />

Häuser.<br />

Die Bekanntschaft mit diesen <strong>Maler</strong>n hat sich im Werk <strong>Kühn</strong>s kaum niedergeschlagen. Dafür<br />

dürfte nicht zuletzt die kurze Zeit, die <strong>Kühn</strong> in München war, die Ursache sein.<br />

Im Herbst 1905 siedelte er nach Paris über, um in der Académie Julian die Ausbildung fortzusetzen<br />

und zu einem Abschluss zu bringen. Nachdem in Dresden und München wohl eher<br />

die handwerklich-technische Seite der <strong>Maler</strong>ei studiert worden war, sind in Paris die entscheidenden<br />

künstlerischen Anregungen und Impulse auf den Künstler eingeströmt. Glücklicherweise<br />

sind aus der Pariser Zeit auch einige Bilder erhalten, an denen dies festgemacht<br />

werden kann (Kat. Nr. 4 - 27).<br />

In Paris war nun im Gegensatz zu München oder Dresden die künstlerische Avantgarde zum<br />

Greifen nahe, es ist kein Zufall, dass 'man' zu Beginn des 20.Jahrhunderts nach Paris reiste,<br />

wie einige Zeit zuvor Italien das Reiseziel der Künstler aus ganz Europa gewesen war.


- 6 -<br />

Das Angebot der verschiedenen kleinen Galerien, die sich der zeitgenössischen Kunst widmeten,<br />

sowie der Salon des Indépendants und der Salon d'Automne zeigten einen beachtlichen<br />

Querschnitt des Kunstschaffens der damaligen Zeit.<br />

Ganz so einfach, wie Wilhelm Uhde in seinen Erinnerungen schreibt, wird es für den ausländischen<br />

Besucher nicht immer gewesen sein, sich über die Kunst zu informieren; allerdings<br />

beschränkte sich das, was es zu sehen galt, doch auf einen relativ kleinen Kreis, der aber<br />

äußerst aktiv war 14 .<br />

"Das damalige Paris war einfach und klar", schreibt der Kunstsammler und Schriftsteller Wilhelm<br />

Uhde, der eben nach Paris gekommen war, "nicht vollgestopft mit verwirrenden Dingen.<br />

"Man wusste, wohin man zu gehen hatte, wenn man schöne Bilder sehen wollte. Durand-<br />

Ruel, Vollard, Bernheim-Jeune waren in der Rue Lafitte, Paul Rosenberg und Hessel in der<br />

Avenue de l'Opéra, Druet im Faubourg Saint-Honoré. Dann gab es noch drei oder vier kleine<br />

Galerien, das war alles. Die impressionistischen <strong>Maler</strong> waren herrschend; nach schweren<br />

materiellen Krisen, nach Jahren voll Schimpf und Hohn hatte Durand-Ruel sie durchgesetzt.<br />

In seinem Laden und in s<strong>einer</strong> Wohnung sahen wir ihren Triumph .. Cézanne und Gauguin<br />

waren in der Rue Lafitte, ein paar Schritte näher den Boulevards, in dem kleinen Laden Vollards<br />

zu sehen. Die Straße weiter hinauf hatte Bernheim-Jeune eine kleine Galerie, in der<br />

befanden sich entzückende Bilder von Bonnard, Vuillard, auch solche von Signac und Cross.<br />

Es war damals leicht einen Überblick zu haben über das, was auf dem Gebiet der <strong>Maler</strong>ei in<br />

Paris vor sich ging. Innerhalb zweier Stunden konnte man sämtliche Galerien moderner <strong>Maler</strong>ei<br />

einen Besuch abgestattet haben, über die <strong>Maler</strong> selbst konnte man sich in drei Tagen<br />

informieren. In dem Salon d'Automne und in den Indépendants stellten die Besten der Zeit<br />

aus und die <strong>Maler</strong> zweiten und dritten Ranges merkte man sich leicht in den paar Sälen dieser<br />

Ausstellungen" 5 .<br />

Nachdem die Impressionisten anerkannt waren, erregten die Nabis, die Fauves und der frühe<br />

Kubismus das meiste Aufsehen. Sie waren auch recht oft und zahlreich in den kleinen<br />

Galerien ausgestellt sowie auf den Salons vertreten 16 . Innerhalb des Salon d'Automne fand<br />

jedes Jahr die Retrospektive eines Künstlers statt. 1905 war Manet mit 31 Werken, 1906<br />

Gauguin mit 227 Werken, 1907 Cézanne mit 56 Werken, 1908 Monticelli mit 177 Werken,<br />

1909 von Marees mit 26 Werken vertreten.<br />

Über Kontakte <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong>s zu anderen deutschen oder französischen Künstlern ist leider<br />

wenig bekannt. Zum engeren Freundeskreis des Café du Dôme gehörte <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> offensichtlich<br />

nicht 17 . Dennoch wäre es möglich, dass er hier schon Kontakt zu Paul Cassirer aufgenommen<br />

hat, den er später für eine Ausstellung s<strong>einer</strong> Werke in Berlin interessieren konnte.<br />

In Paris hat <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> nachweislich zum ersten Mal öffentlich ausgestellt. Er war auf dem<br />

Salon d'Automne von 1906 und 1909 vertreten sowie auf dem Salon des Indépendants von<br />

1907 und 1910 18 . Aufgrund der Teilnahme am Salon d'Automne erhielt <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> eine Einladung<br />

des deutschen Kunsthistorikers Otto Grautoff, der damals in Paris lebte und als <strong>einer</strong><br />

der Vorkämpfer für die französische Moderne in Deutschland gelten kann 19 .<br />

Im Jahre 1909 unternahm <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> eine Reise in den Süden Frankreichs, ein Bild von Nizza<br />

(Kat. Nr. 24) ist davon noch erhalten. 1910 brach er nach einem Aufenthalt in Holzhausen<br />

am Ammersee zu s<strong>einer</strong> ersten Afrika-Reise auf. Nachdem er einige Wochen in Collioure


- 7 -<br />

verbracht hatte und dort zufälligerweise im selben Hause, in dem Matisse zu wohnen pflegte,<br />

untergekommen war, schiffte er sich nach Algier ein, um von dort nach Bou-Saada zu reisen<br />

20 . Bou-Saada liegt etwa 250 km südöstlich von Algier am Rande der Sahara zu Füßen<br />

der Ouled-Nail-Berge. Ein gewisser Professor R., ein Geograph, hatte ihm in Paris nahegelegt,<br />

diesen Ort zu besuchen 21 . Von Algier aus fuhr er mit seinem <strong>Maler</strong>freund Weckerling 22 ,<br />

der aus gesundheitlichen Gründen schon längere Zeit in Algerien lebte, mit Zug und Pferdedroschke<br />

an jenen Oasenort. Bou-Saada war damals noch territoire militaire, es hatte ein<br />

Fort, das eine Kompanie des Bataillon d'Afrique beherbergte 23 . In dem relativ kleinen Ort<br />

lebten aber damals immerhin etwa 60 Europäer, meist Künstler. Zwei Straßen des Ortes<br />

bildeten das sogenannte europäische Viertel' 24 .<br />

Schon im neunzehnten Jahrhundert hatte es zahlreiche Künstler an diesen Ort verschlagen,<br />

wie zum Beispiel Gustave Achille Guillaumet (1840-1887} 25 , der eine Ansicht von Bou-Saada<br />

malte die ganz ähnlich zu Kat. Nr. 70 von <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> ist. George Ciairin (1843-1919), dessen<br />

'Femmes de Bousaada se rendant au bain' 1895 im Salon des Artistes Français ausgestellt<br />

war 27 , und Etienne Dinet (1861-1929) gehören zu den bekanntesten Künstlern, die in Bou-<br />

Saada tätig waren. Dinet lebte. lange Zeit dort und konvertierte schließlich zum Islam. Er<br />

wurde in Bou-Saada auch beerdigt. Zwar gibt es keine Belege dafür, aber es ist sehr wahrscheinlich,<br />

dass <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> Etienne Dinet zumindest gekannt hat, wenn er nicht mit ihm befreundet<br />

war 28 . Wie Dinet versuchte auch <strong>Kühn</strong> Afrika nicht nur als Exotikum und Malvorlage<br />

zu erleben, sondern versuchte das tägliche Leben der Araber kennen zu lernen, was ihm<br />

auch zum Teil gelang. Kr lernte in kurzer Zeit die arabische Sprache zu sprechen, was ihm<br />

im Umgang mit der Bevölkerung sehr zustatten kam und auch eine gewisse Vertrauensbasis<br />

schuf, wie er in seinen Aufzeichnungen wiederholt beschrieb.<br />

Bis 1914 blieb <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> in Bou-Saada, von einigen Aufenthalten in Europa unterbrochen.<br />

1911 war er im Sommer in Deutschland und heiratete seine erste Frau Margareta, mit der er<br />

am 8.9.1911 von Genua aus sich nach Afrika einschiffte. In den folgenden beiden Jahren<br />

stattete er jeweils im Sommer Paris einen Besuch ab.<br />

1914 wurde er in Algier vom Kriegsausbruch überrascht und konnte nicht mehr rechtzeitig<br />

nach Deutschland zurückkehren. Als feindlicher Ausländer wurde er im damals französischen<br />

Hoheitsgebiet als Zivilgefangener interniert. Zunächst wurde er in Cap Matifou bei<br />

Algier festgehalten, Anfang 1915 wurde er dann nach Berrouaghia, das etwa 60 km südlich<br />

von Algier liegt, verlegt. Am 31.5.1916 erfolgte die Einschiffung nach Frankreich.<br />

Auf einem französischen Kriegsschiff, das mehrere Hundert Senegalesen und zahlreiches<br />

Kriegsgerät beförderte, gelangten die Gefangenen nach Port Vendre. Von dort aus ging es<br />

nach Garaison in den Hautes Pyrenées. Im ehemaligen Krankenhausbau <strong>einer</strong> Garnison<br />

wurden die Gefangenen untergebracht. Die Unterbringung und Verpflegung war sehr dürftig,<br />

was 'zum Teil mit der schlechten Ernährungslage in ganz Europa zusammenhing. Dies konnte<br />

eine Zeit lang durch Pakete und Geldsendungen seitens der Angehörigen, die das Rote<br />

Kreuz zustellte, gemildert werden.<br />

Nur so ist auch zu erklären, dass noch einige Bilder, die in der Gefangenschaft entständen<br />

sind, erhalten blieben bzw. überhaupt entstehen konnten, denn es ist unwahrscheinlich, dass<br />

der Künstler von Afrika her noch viel <strong>Maler</strong>material mitgebracht hatte.<br />

Nach <strong>einer</strong> gewissen Zeit konnten die Gefangenen schließlich auch stundenweise ohne militärische<br />

Begleitung ausgehen. 1917 und 1918 besuchten Schweizer Kommissionen das Lager,<br />

um den Gesundheitszustand der Insassen zu überprüfen und veranlassten die Entlas-


- 8 -<br />

sung zahlreicher Frauen und Kinder sowie kranker Gefangener. Die allgemeine Entlassung<br />

aber stand noch in weiter Ferne. Auch Gerüchte über den Austausch von Gefangenen erwiesen<br />

sich bald als falsch.<br />

Im August 1918 wurden Internierte, die in Frankreich ansässig gewesen waren, entlassen,<br />

im November wurden die restlichen Insassen verlegt, über Toulouse, Sète, Nîmes, Avignon<br />

wurden sie schließlich nach Verviers gebracht. Von dort aus entzog sich <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> der weiteren<br />

Gefangenschaft durch Flucht und kehrte nach Deutschland zurück 29 .<br />

Abgesehen von der Behinderung der Arbeitsmöglichkeit über einen Zeitraum von fünf Jahren<br />

hatte der Krieg auch weitere große Verluste für <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> verursacht. Seine ganze Habe in<br />

Afrika war verloren gegangen, einen großen Teil der Bilder hatte er dort zurücklassen müssen.<br />

Sie sind nie wieder zum Vorschein gekommen. Vor allem aber ist eine Kollektion von 24<br />

Bildern, die als Ausstellung für Paul<br />

Cassirer in Berlin, bestimmt war, auf dem Transport verloren gegangen. So haben wir heute<br />

kein einziges Bild aus Afrika mehr, das mit Sicherheit in das Jahr 1914 zu datieren ist.<br />

Dies erschwert auch die Beurteilung des gesamten afrikanischen Oeuvres ungemein, da<br />

durch das Fehlen gerade der späten Werke eine sich anbahnende Entwicklung nur andeutungsweise<br />

nachvollzogen werden kann. Zum anderen dürfte es sich gerade bei den für die<br />

Ausstellung bestimmten Bildern um eine Auslese gehandelt haben, für die viele der noch<br />

erhaltenen Werke gewissermaßen als künstlerische Vorstufen zu gelten haben 30 .<br />

Nach Deutschland zurückgekehrt, galt es hier wieder Fuß zu fassen, was durch die schwierige<br />

Lage der Nachkriegszeit nicht gerade vereinfacht wurde. <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> zog nach Holzhausen,<br />

wo er - wie schon erwähnt - seit 1912 ein Haus besaß. Wie für viele andere Künstler so<br />

war es auch für ihn nicht möglich, allein vom Verkauf s<strong>einer</strong> Bilder zu leben, er musste versuchen,<br />

durch andere Arbeit Geld zu verdienen. Glücklicherweise konnte ihm sein Holzhausener<br />

Nachbar, der Architekt Hollweck, dabei behilflich sein. Durch dessen Vermittlung bekam<br />

K. <strong>Kühn</strong> eine Stelle im Straßenbau, schließlich eine Büroarbeit. Auch als Anstreicher<br />

arbeitete er eine Zeit lang. Schließlich konnte er eine Stelle bekommen, die seinem künstlerischen<br />

Beruf etwas näher lag. Das Münchner Architekturbüro Wach & Roskotten gründete in<br />

Krefeld eine Gobelin-Fabrik. Dort sollte <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> die Farbmischung und Farbzusammenstellung<br />

in der Fertigung überwachen. 1925 zog <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> deshalb nach Krefeld; die Firma<br />

aber hielt sich nicht lange, anscheinend konnten die Produkte nicht entsprechend abgesetzt<br />

werden, so dass bald der Bankrott vor der Tür stand. Zur Ausführung von Gobelins nach<br />

Entwürfen von <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong>, wie ursprünglich vorgesehen, ist es deshalb nicht mehr gekommen.<br />

Einzelne Skizzen und Entwürfe im Nachlass des Künstlers zeigen, dass er sich mit<br />

diesem Problem beschäftigt hat. Von Krefeld aus knüpfte <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> Kontakte zum nahen<br />

Düsseldorf, wo auch sein Freund Adolf Münzer wohnte, der seit 1909 eine Professur an der<br />

Düsseldorfer Akademie innehatte. 1927 zog <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> nach Düsseldorf, um dort bis 1943 zu<br />

wohnen. Inzwischen hatte sich durch die Währungsreform die materielle Situation erheblich<br />

gebessert.<br />

Zwar war ein Teil des Vermögens verloren gegangen, aber <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> war nun wieder in der<br />

Lage, als freischaffender Künstler ohne irgendwelche Verpflichtungen oder berufsfremde<br />

Arbeit zu leben. Er gewann bald einen neuen Freundeskreis, wobei ihm die Bekanntschaft<br />

mit Adolf Münzer sowie seine Mitgliedschaft im Künstlerverein Malkasten zu Hilfe kam. Zahlreiche<br />

s<strong>einer</strong> Bekannten hat er in Portraits aus der Düsseldorfer Zeit festgehalten:


'Bildnis des Ehepaar Starting', Kat. Nr. 150<br />

'Bildnis Frau Münzer', Kat. Nr. 154<br />

'Bildnis Frau Bracht', Kat. Nr. 172, 201<br />

- 9 -<br />

'Bildnis des Landgerichtspräsidenten Starting', Kat. Nr. 205<br />

'Bildnis des <strong>Maler</strong>s Bernhard Hergaben', Kat. Nr. 211<br />

'Bildnis Walter Kaufmann', Kat. Nr. 213.<br />

<strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong>s aus der Jugendzeit herrührende Theaterbegeisterung - er hatte einmal ein Theaterstück<br />

verfasst und an Max Reinhardt geschickt, das von jenem zwar wohlwollend beurteilt,<br />

aber nicht aufgeführt wurde, woraufhin dann jeder weitere Schritt in dieser Kunst-Sparte unterblieb<br />

- diese trotzdem anhaltende Theaterbegeisterung veranlasste ihn, unter anderem für<br />

das Apollo-Theater in Düsseldorf Kulissen zu machen. Es war ein Variete-Theater, in dem<br />

lange Zeit eine russische Tänzerin auftrat. Das Portrait, das <strong>Kühn</strong> von ihr malte, ist leider<br />

nicht mehr erhalten. Diesem Ausflug ins Theater folgte 1939 eine kurze Rückkehr. Wegen<br />

Personalmangels infolge des Kriegsbeginns herrschte in den Werkstätten der Oper große<br />

Aufregung, da die Kulissen nicht zum Premierentermin fertig zu werden drohten. Auf Bitten<br />

des Leiters der Theatermalerei Georg (?) Hacker half <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> eine Zeit lang aus.<br />

Ende der zwanziger Jahre hatte sich <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> von s<strong>einer</strong> ersten Frau Margarete scheiden<br />

lassen. Seine Frau kaufte das Haus in Holzhausen, auf das sie sehr großen Wert legte. Da<br />

<strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> bei s<strong>einer</strong> Rückkehr nach Deutschland die Erfahrung gemacht hatte, wie nützlich<br />

es ist, im Notfall eine feste Bleibe zu haben, und er den Süden, auch den Süden Deutschlands,<br />

mehr schätzte als den Norden, beschloss er, sich sofort nach einem neuen Haus bzw.<br />

Grundstück umzusehen.<br />

1933, nachdem er im Frühjahr die Pianistin Lotte Bracht geheiratet hatte, fand das Ehepaar<br />

schließlich in Waging am See, wenige Kilometer nordöstlich von Traunstein, ein passendes<br />

Grundstück. Es lag am Ende des Ortes und bot einen herrlichen Ausblick auf den See. <strong>Der</strong><br />

Architekt Hollweck machte die Pläne für den Bau, im Sommer 1933 wurde er begonnen, im<br />

Frühjahr 1934 war es fertig. Dies sollte nun das Domizil für die Sommermonate der folgenden<br />

Jahre werden.<br />

Ausschlaggebend für den Bau war aber noch ein anderer Grund. <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> fühlte sich stets<br />

dem Süden sehr verbunden, was sich schon durch seinen langen Afrika-Aufenthalt gezeigt<br />

hatte. Er träumte immer wieder davon, wenigstens zeitweise in südlichen Ländern zu leben.<br />

1932 unternahm er eine ausgedehnte Spanienreise, bei der er unter anderem die Möglichkeiten<br />

untersuchte, Zeitenweise oder eventuell auch ständig in Spanien sich niederzulassen.<br />

Sein Augenmerk war dabei auf die Balearen-Insel Ibiza gefallen, die damals noch weit davon<br />

entfernt war, ein populäres Urlaubsziel zu sein, wie es heute der Fall ist.<br />

Anfang Juni 1932 brach er nach Paris auf, um ein paar Tage später nach Barcelona weiterzureisen.<br />

Am 10.6. erreichte er Palma de Mallorca. Von dort reiste er am 2.7. nach Ibiza weiter.<br />

Mitte Juli war er in Valencia kehrte dann nach Ibiza zurück, am 3.8. reiste er wieder nach<br />

Valencia, darin weiter nach Oropeza und Taragona, um Ende August wieder in München<br />

einzutreffen. Von dieser Reise sind einige Bilder erhalten, meist kleine Ölskizzen (Kat. Nr.<br />

190 - 200). Einige Jahre später schrieb er einen Zeitungsartikel, basierend auf Tagebuchnotizen,<br />

der mit zwei Zeichnungen versehen war 31 . Als Ergebnis dieser Reise wurde der Ent-


- 10 -<br />

schluss gefasst, in Ibiza wenigstens für jeweils ein paar Monate im Jahr zu wohnen. Jedoch<br />

wurde dieser Plan, wie so mancher andere in <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong>s Leben, durch die politischen Umstände<br />

vereitelt. Nach der Machtergreifung Hitlers waren strikte Devisenausfuhrbeschränkungen<br />

eingeführt worden, die zwar noch kl<strong>einer</strong>e Auslandsreisen ermöglichten, aber ein<br />

gewisses Kapital, wie es zur Ausführung dieses Planes nötig gewesen wäre, konnte nicht<br />

mitgenommen werden.<br />

<strong>Der</strong> Spanienplan musste auf unbestimmte Zeit verschoben werden und quasi als Entschädigung<br />

wurde der Hausbau in Bayern in Angriff genommen.<br />

1937 nahm <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> mit einigen anderen Künstlern auf Einladung des Regierungspräsidenten<br />

von Düsseldorf an <strong>einer</strong> Finnlandreise teil. Ihn begleitete unter anderem der <strong>Maler</strong> Bernhard<br />

Hergaden, den <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> auch portraitiert hat (Kat. Nr. 211). Zwei Jahre später reiste<br />

<strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> mit s<strong>einer</strong> Frau nach dem Süden. Am 10.8.39 brachen sie nach Jugoslawien auf<br />

und blieben auf der Insel Lagosta. <strong>Der</strong> Rückweg sollte über Oberitalien führen, der drohende<br />

Kriegsbeginn ließ aber eine beschleunigte Rückkehr über Triest angeraten sein. So erreichten<br />

sie Deutschland am Tage des Kriegsausbruchs. Von dieser Reise sind nur wenige Bilder<br />

erhalten (Kat. Nr. 217, 218).<br />

Aufgrund seines Alters wurde <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> im 2. Weltkrieg nicht mehr eingezogen, jedoch sollte<br />

der Krieg noch genügend unangenehme Überraschungen bereithalten. Im Frühjahr 1943<br />

wurden bei einem Luftangriff das Atelier und die Düsseldorfer Wohnung völlig zerstört. Nur<br />

weniges konnte aus der Wohnung gerettet werden. <strong>Der</strong> größte Teil davon wurde in der Nähe<br />

Düsseldorfs untergestellt, da keine Transportmöglichkeiten vorhanden waren, die Sachen<br />

nach Waging zu schaffen. In den Kriegswirren ging aber auch dies alles verloren und konnte<br />

nicht mehr ausfindig gemacht werden.<br />

Besonders schmerzlich war der Verlust aller Bilder, die sich noch im Düsseldorfer Atelier<br />

befunden hatten. Aber auch zahlreiche Dokumente, die über die künstlerische Entwicklung<br />

Aufschluss geben können, wie zum Beispiel Ausstellungskataloge, Rezensionen und ähnliches,<br />

gingen hierbei verloren.<br />

Von 1943 an lebten <strong>Kühn</strong>s nun ständig in Waging, an eine Rückkehr nach Düsseldorf war<br />

vorläufig nicht zu denken. Im Sommer 1944 wurde <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> schließlich noch zivildienstverpflichtet.<br />

Zunächst musste er in Teisendorf in einem Büro, schließlich in Ainring auf einem Flugplatz<br />

arbeiten. Dies währte bis kurz vor Kriegsende, da er die letzten Wochen durch Krankheit<br />

arbeitsunfähig war.<br />

Nach Kriegsende mit der darauffolgenden Währungsreform galt es wiederum harte Zeiten<br />

durchzustehen. Das Vermögen war nun völlig verschwunden, Wohnung und Atelier in Düsseldorf<br />

zerstört, man war froh, in Waging ein Dach über dem Kopf zu haben, und die Nahrungsmittelbeschaffung<br />

war wie für die meisten Menschen in der Nachkriegszeit das vordringlichste<br />

Problem. Mangels Kapital, das für eine Rückkehr in eine größere Stadt nötig<br />

gewesen wäre - die Entschädigungen für Vermögensverluste wurden ja erst im Laufe der<br />

fünfziger Jahre ausgezahlt - blieb man zunächst in Waging.<br />

Anfang der fünfziger Jahre versuchte sein Jugendfreund Ernst Richard Dietze <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> für<br />

eine Zusammenarbeit zu gewinnen. Dietze wollte in München eine Galerie aufmachen und


- 11 -<br />

dort Bilder, hauptsächlich bayrische Landschaften, verkaufen. Dabei handelte es sich aber<br />

wohl eher um gemalte Souvenirs denn um <strong>Maler</strong>ei, so dass <strong>Kühn</strong> dankend ablehnte. Er lebte<br />

und arbeitete fortan zurückgezogen in Waging. Kl<strong>einer</strong>e Reisen in die nähere Umgebung,<br />

nach Frisach, Wasserburg, Passau, Salzburg, brachten etwas Abwechslung. 1955 konnte er<br />

endlich wieder in den Süden reisen. Das Ehepaar verbrachte ein paar Wochen in Florenz.<br />

Doch machte sich hier schon der Beginn <strong>einer</strong> langwierigen Krankheit bemerkbar, wodurch<br />

seine Energie und seine Unternehmungslust etwas eingeschränkt wurden. Im Winter wurde<br />

er dann völlig arbeitsunfähig, und als man nach einem Erholungsurlaub im Sommer des folgenden<br />

Jahres in Kufstein schon an eine anhaltende Besserung zu glauben wagte, verschlimmerte<br />

sich im Winter 56/57 der Gesundheitszustand, so dass <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> am 27.3.<strong>1957</strong><br />

im Alter von 77 Jahren starb.<br />

3. Die Ausstellungstätigkeit <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong>s<br />

Hier wird versucht nachzuweisen, an welchen Ausstellungen <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> beteiligt war, beziehungsweise<br />

welche Einzelausstellungen seines Werks veranstaltet wurden.<br />

Aufgrund der schwierigen Quellenlage - die meisten persönlichen Unterlagen aus dem Besitz<br />

des Künstlers gingen im zweiten Weltkrieg verloren - war dies nur ganz bruchstückhaft möglich.<br />

Auch die einschlägige Literatur, soweit vorhanden, gibt hierzu keine vollständige Information.<br />

Im Thieme-Becker 32 beispielsweise wurde die Teilnahme <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong>s am Salon d'Automne<br />

1909 nicht erwähnt.<br />

Deshalb werden hier nur Ausstellungen aufgelistet, deren Kataloge eingesehen werden<br />

konnten 33 .<br />

Somit kann diese Aufstellung k<strong>einer</strong>lei Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Ausstellungen,<br />

an denen <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> während der Jahre 1925 bis <strong>1957</strong> teilgenommen hatte, die in Düsseldorf,<br />

Dresden, München und Wien stattfanden 34 , konnten leider durch die entsprechenden<br />

Kataloge nicht belegt werden. <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> war beispielsweise Mitglied des Sächsischen<br />

Kunstvereins Dresden, wo er auch ausgestellt hatte 35 ; die entsprechenden Belege konnten in<br />

den Archiven aber nicht mehr ausfindig gemacht werden. Dasselbe gilt zum Beispiel für den<br />

Duisburger Museumsverein, mit dem er nachweislich in Verbindung stand 36 .<br />

Man kann also davon ausgehen, dass <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> auf sehr viel mehr Ausstellungen als den<br />

hier erwähnten vertreten war. In diesem Verzeichnis ist jeweils die Nummer, die das jeweilige<br />

Exponat in der Ausstellung trug, angegeben sowie bei den Gemälden, die noch im Nachlass<br />

vorhanden sind, die Katalognummer bzw. die Abbildungsnummer aufgrund des dieser<br />

Arbeit beigefügten Werkeverzeichnisses.<br />

1906: Paris, Salon d'Automne<br />

Nr. 894 Portrait de M.G.......<br />

Nr. 895 Boulevard de Vaugirard (Kat. Nr. 12)<br />

1907: Paris, Salon des Indépendants<br />

Nr. 2780 Devant la mer<br />

Nr. 2781 Femme couchée<br />

Nr. 2782 Ouvriers<br />

Nr. 2783 Boulevard de Vaugirard (Kat. Nr. 12)


- 12 -<br />

Nr. 2784 Portrait de M.S.<br />

Nr. 2785 La terre promise (esquisse)<br />

1909: Paris, Salon d'Automne<br />

Nr. 891 Le Prophète et les femmes<br />

Nr. 892 Le petit jardin<br />

Nr. 893 Le parc (Kat. Nr. 22)<br />

1910: Paris, Salon des Indépendants<br />

Nr. 2860 Mon voisin<br />

Nr. 2861 Portrait<br />

Nr. 2862 Jeune femme dans un jardin<br />

Nr. 2863 Nature morte<br />

Nr. 2864 Le mont Baron (Nice)<br />

Nr. 2865 Portrait (Kat. Nr. 24)<br />

1913: München, Brakls Kunsthaus<br />

Nr. 191 Garten an einem See in Algerien<br />

1930: Düsseldorf, Juryfreie Kunstausstellung<br />

Nr. 382 Damen mit Handspiegel<br />

Nr. 383 Frühlingsgarten (Kat. Nr. 176)<br />

1931: München, Künstlerbund Die Unabhängigen e.V.<br />

Nr. 161 Die Terrasse<br />

Nr. 161 Grauer Frühling<br />

1937: Düsseldorf, Große Kunstausstellung<br />

Nr. 297 Bildnis L.K.<br />

1940: Düsseldorf, Frühjahrsausstellung<br />

Nr. 75 Florenz (Aquarell)<br />

1941: Düsseldorf, Kunstausstellung Düsseldorfer Künstler<br />

Nr. 133 Mädchen am Waldtal<br />

1950: München, Große Kunstausstellung<br />

Nr. 400 <strong>Der</strong> <strong>Maler</strong> W.K. (Kat. Nr. 213)<br />

4. Das frühe Werk. Arbeiten bis 1910<br />

Zwar sind eine ganze Reihe Bilder erhalten, die in diesem Zeitraum entstanden (Kat. Nr. 1 -<br />

30), doch stammen sie alle - mit Ausnahme des Selbstbildnisses von 1902/03 (Kat. Nr. 1,<br />

Abb. 1) - aus den Jahren ab 1905.<br />

Insofern muss, kaum dass ein Ordnungsprinzip aufgestellt wurde (dass nämlich im Rahmen<br />

dieser Arbeit nur die Ölgemälde <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong>s berücksichtigt werden sollen), dasselbe durchbrochen<br />

werden. Da aber Regeln und Ordnungsprinzipien in erster Linie zur Arbeitserleichterung<br />

und nicht um ihrer selbst willen bestehen, soll das nicht allzu schwer fallen. Um den<br />

Anfängen der künstlerischen Entwicklung <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong>s etwas näher zu kommen, seien deshalb<br />

vier Aquarelle herangezogen, die aus den Jahren 1904 und 1905 stammen. Sie sollen


- 13 -<br />

gewissermaßen als Ersatzbeispiele für Gemälde dienen, die sehr wahrscheinlich in jener Zeit<br />

entstanden, heute aber nicht mehr auffindbar sind. Diese Aquarelle sind nicht willkürlich ausgewählt,<br />

vielmehr sind sie die einzigen Arbeiten aus jener Zeit, die erhalten sind, während<br />

Skizzenbücher und einzelne Zeichnungen bis 1898 zurückreichen. Insofern scheint mir die<br />

These, dass <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> sich auch vor 1905 mit der Ölmalerei beschäftigt hat, durchaus haltbar.<br />

Mehrere Gründe sprechen dafür. Das Selbstbildnis von 1902/03 (Kat. Nr. 1, Abb. 1)<br />

zeigt gemessen an Arbeiten, die nach 1905 entstanden, eine künstlerische Souveränität, die<br />

es keineswegs plausibel erscheinen lässt, dass <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> noch einige Jahre gezögert hätte,<br />

bevor er sich verstärkt der Ölmalerei widmete.<br />

1905 war <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> fünfundzwanzig Jahre alt, hatte sich seit sieben Jahren intensiv mit der<br />

Kunst beschäftigt und sich künstlerisch geäußert, was durch zahlreiche Zeichnungen und<br />

Skizzenbücher belegt ist. Es wäre somit ein recht später Zeitpunkt, sich mit der Farbe auseinander<br />

zusetzen. Zwar gibt es ähnliche Fälle, vor allem in der neueren Kunstgeschichte, es<br />

sei nur der Name Paul Klee erwähnt, doch muss dabei der grundsätzliche Unterschied in der<br />

Einstellung zur Zeichnung berücksichtigt werden. Für <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> war weder die Zeichnung<br />

noch das Aquarell eine dem Ölgemälde auch nur annähernd gleichwertige Gattung. Vielmehr<br />

dienten sie in erster Linie als Skizzen, als vorbereitende Studien für Gemälde, die später im<br />

Atelier ausgeführt wurden. Und selbst auf diesem Gebiet hatte die Zeichnung keine Vorrangstellung,<br />

fertigte <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> doch des öfteren Skizzen in öl an, wie zum Beispiel Kat. Nr. 41<br />

und 42 Skizzen zu dem Fragment Kat. Nr. 40, Abb. 22 darstellen. Des weiteren gibt es zu<br />

Kat. Nr. 38, Abb. 21 eine Ölskizze Kat. Nr. 39 und zu Kat. Nr. 57, Abb. 31 eine Ölskizze Kat.<br />

Nr. 58.<br />

Drei Themen beherrschen das frühe Werk: Landschaftsdarstellungen und Städtebilder, Portraits<br />

und Aktdarstellungen. Die Landschaften und die Stadtszenen sind deshalb als Einheit<br />

zu sehen, weil <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> - von wenigen Ausnahmen abgesehen (Kat. Nr. 157, Abb. 77, Kat.<br />

Nr. 221, 222) - niemals Städtebilder malte, in denen die Stadt zum Thema wird, wie wir es<br />

von den Impressionisten und auch von den Naturalisten her kennen. Vielmehr malte er in<br />

den Städten die Parks (Kat. Nr. 155, Abb. 75 und Nr. 156, Abb. 76 sowie die zahlreichen<br />

Bilder aus dem Düsseldorfer Hofgarten) oder Boulevards, die von Bäumen gesäumt sind<br />

(Kat. Nr. 12-14, 179). Insofern handelt es sich auch hierbei eher um Landschaftsmalerei als<br />

um Stadtansichten oder um Szenen aus dem städtischen Leben.<br />

Diese drei Themenbereiche bestimmen übrigens das gesamte Oeuvre des <strong>Maler</strong>s, in den<br />

vierziger Jahren kommt dann noch das Blumenstilleben hinzu.<br />

<strong>Versuch</strong>t man nun eine künstlerische Entwicklung anhand der Werke <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong>s nachzuzeichnen,<br />

so fällt zunächst auf, dass es bei den hier zu Debatte stehenden Bildern sich keineswegs<br />

um eine in sich geschlossene Gruppe handelt, was naturgemäß auch gar nicht der<br />

Fall sein kann. So abwechslungsreich wie die verschiedenen Aufenthalte <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong>s in dieser<br />

Zeit waren und damit auch die Anregungen und Einflüsse, die auf ihn einströmten, so<br />

verschieden sind auch die Bilder; von <strong>einer</strong> 'eigenen Handschrift' ist er noch weit entfernt.<br />

Beginnen wir mit dem Selbstbildnis von 1902/03 (Kat. Nr. 1, Abb. 1), das in Dresden entstand.<br />

Es zeigt den Künstler im Dreiviertelprofil, stehend, bis zur Brust sichtbar. Im dunklen<br />

Anzug mit Vatermörder und Hut tritt uns ein junger Mann gegenüber, der von seinem Stand<br />

und seinen Fähigkeiten überzeugt ist - an Selbstbewusstsein scheint es ihm nicht zu mangeln<br />

-, der sein Gegenüber genau ins Visier nimmt. Ein ähnlich selbstbewusstes Auftreten<br />

als junger Künstler - <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> war damals 22 Jahre alt - ist selten. In gewissem Sinne vergleichbar<br />

ist Anselm Feuerbachs Selbstbildnis von 1854 (Katalog Anselm Feuerbach, Karls-


- 14 -<br />

ruhe 1976, Nr. 20, Abb. S. 235), und zwar in der Art, wie er den Betrachter fixiert. Ansonsten<br />

ist das Selbstbildnis recht traditionell, weder die Haltung noch die malerische Behandlung<br />

gehen über das an der Akademie Gelehrte und Geschätzte hinaus. Schwarz (Anzug, Hut),<br />

Weiß (Kragen) und dunkles Braun (Hintergrund) sind die vorherrschenden Farben.<br />

Die drei nun folgenden Aquarelle von 1904 und 1905 sind in München entstanden (außer<br />

Katalog). Das erste (Abb. 100) zeigt eine sitzende männliche Rückenfigur am Flussufer, im<br />

Hintergrund Bauernhäuser und kahle Birken. Das zweite Bild (Abb. 101), am selben Tag entstanden<br />

(17.12.1904) zeigt die Felder von Puchheim. Die linke Bildhälfte nimmt ein sehr dekorativer<br />

kahler Baum ein, im Hintergrund wiederum Bauernhäuser. <strong>Der</strong> Horizont liegt im<br />

Gegensatz zum ersten Bild relativ tief, auf der Hälfte der Bildhöhe. Das dritte Aquarell (Abb.<br />

102), ein halbes Jahr später entstanden, zeigt ebenfalls eine Landschaft in Bayern, im Hintergrund<br />

Berge. Bestimmend sind die weißen Wolkenformationen am blauen Himmel, der<br />

zwei Drittel der Bildhöhe einnimmt. <strong>Der</strong> Vordergrund ist in Streifen angelegt, grüne Wiesen<br />

und helle Felder wechseln sich streifenartig ab, unterbrochen von kl<strong>einer</strong>en Baumgruppen.<br />

Allen drei Bildern ist ein gewisser Hang zum Dekorativen gemeinsam, der durch die Betonung<br />

der Kontur und der Flächigkeit unter Zurückdrängen der Plastizität erreicht wird. Im<br />

Aquarell mit der Rückenfigur, die den größten Teil der Bildfläche ausfüllt, ist nicht nur die<br />

Person sehr flächig gehalten; die Bildtiefe, die durch den diagonalen Verlauf der drei parallelen<br />

Zonen Ufer, Strom, Hintergrund-Ufer angedeutet wird, ist sofort zurückgenommen, indem<br />

der Horizont extrem hoch liegt und die drei Streifen mehr übereinander denn hintereinander<br />

gestaffelt erscheinen lässt.<br />

Das Aquarell Abb. 101 ist stärker perspektivisch angelegt, der Horizont liegt sehr viel tiefer,<br />

die Häuser im Hintergrund, relativ klein, das Gesträuch im Vordergrund bildet zusammen mit<br />

der Schneepfütze einen in den Hintergrund führenden Keil. Auffallend ist die Bedeutung, die<br />

der Kontur beigemessen wird. Das Bild wird vom Geäst des kahlen Baumes beherrscht, das<br />

mit Bleistift gezeichnet und somit betont wird. Die Bleistiftschraffuren im Vordergrund scheinen<br />

weniger plastische Gebilde vorzustellen, als verschiedene Flächen gegeneinander zu<br />

setzen.<br />

Im dritten Aquarell sind die dekorativen Tendenzen am stärksten ausgeprägt. Grüne Streifen<br />

verschiedener Helligkeit wechseln mit hell-gelben, durchbrochen von Bäumen und Baumgruppen.<br />

<strong>Der</strong> Hintergrund wird durch eine kaum noch sichtbare Gebirgskette abgeschlossen.<br />

Wolken führen von der Bildmitte zum linken Bildrand absteigend in die Raumtiefe. Die gesamte<br />

Anlage dieses Bildes erinnert an Gustav Kampmanns 'Ziehende Sommerwolken'<br />

(Abb. 103). Auch bei ihm wird der Gegensatz zwischen Flächigkeit und Raumtiefe ausgespielt.<br />

Allerdings mit dem Unterschied, dass bei Kampmann der Standpunkt des Beobachters<br />

extrem tief liegt, bei <strong>Kühn</strong> dagegen relativ hoch. Das führt bei Kampmann zu <strong>einer</strong> viel<br />

stärkeren Wirkung der Gegensätze, zumal die Abstraktion der Gegenstände weiter getrieben<br />

ist. Bei ihm sind keine Bäume als solche mehr erkennbar, wie sie bei <strong>Kühn</strong> am rechten Bildrand<br />

als sehr 'malerisches' Element auftauchen.<br />

Diese Hinwendung zum Dekorativen, der beginnende Gebrauch der Farbe kann auf zwei<br />

Faktoren zurückgeführt werden. Einmal auf den Unterricht bei Ludwig von Herterich 37 in<br />

München, zum andern auf den Kontakt zu den Mitgliedern der Scholle bzw. auf die Kenntnis<br />

ihrer Werke.<br />

Die Scholle muss als eine der stärksten künstlerischen Strömungen im München des beginnenden<br />

20. Jahrhunderts gelten 38 . <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> kannte deren Werke zweifellos von Ausstellun-


- 15 -<br />

gen her 39 . Wahrscheinlich kannte er auch einzelne Mitglieder persönlich. Sein Entschluss,<br />

sich in Holzhausen niederzulassen, wo verschiedene Vertreter dieser Gruppe Häuser bauten<br />

40 , dürfte wohl auf dem Kontakt zu dieser Künstlervereinigung beruhen.<br />

Doch hielten diese Eindrücke nicht lange vor, oder genauer, sie treten in Zukunft nicht in den<br />

Vordergrund. Das 'Bildnis der Mutter des Künstlers' (Kat. Nr. 3, Abb. 2), 1905, wirkt zunächst<br />

sehr konventionell: Eine Dame im Lehnstuhl ~ im Profil dargestellt. Die Ähnlichkeit mit<br />

Whistlers Bildnis der Mutter 1872 ist auffallend. Allerdings ist der Bildausschnitt hier kl<strong>einer</strong>,<br />

die Figur ist nur bis zu den Knien sichtbar, auch handelt es sich um Hochformat im Gegensatz<br />

zu Whistler. Die Farbe ist auch bei diesem Portrait noch sehr zurückhaltend, aber doch<br />

mit <strong>einer</strong> gewissen Delikatesse. Auf dem Stehkragen des schwarzen Kleides der Mutter ist<br />

eine goldene Stickerei angebracht, zum Schwarz des Kleides und zum Braun des Sessels<br />

kontrastiert die braun-goldene Tapete des Hintergrundes, die von schmalen hellilafarbenen<br />

Streifen, die selbst wiederum von grünen Streifen begleitet werden, in weiten Abständen<br />

durchzogen wird. Gesicht und Hände sind sehr fein akkurat gezeichnet und plastisch modelliert,<br />

noch ganz im Sinne der Akademie.<br />

Etwas kühner ist das Selbstportrait von 1905 (Kat. Nr. 2), eine Ölskizze. Hier werden schon<br />

mal kräftige Rottöne im Gesicht angebracht, ein etwas flotterer und pastoser Pinselstrich<br />

verleiht dem Bild eine gewisse Frische.<br />

Ab 1906 war <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> in Paris. Hier gab es nun eine Unmenge vielfältiger Anregungen für<br />

einen jungen Künstler. Entsprechend vielfältig ist auch das dort entstandene Werk. Zunächst<br />

fällt die Hinwendung zu <strong>einer</strong> stärkeren Farbigkeit auf, wobei allerdings meist die Tendenz<br />

vorherrscht, mit <strong>einer</strong> begrenzten Anzahl von Farben innerhalb eines Bildes auszukommen,<br />

ohne dass aber die Farbe ihre primäre Eigenschaft, nämlich farbig zu sein, unterdrücken<br />

müsste. Dabei herrschen zwei Gruppen vor, einmal die Bilder, in denen Gelb, Ocker, Grau<br />

und Blau vorherrschen, während eine andere Gruppe von Bildern auf kräftigen Rosa- und<br />

Blauklängen, verbunden mit starkem Kontrast von Hell und Dunkel, aufgebaut ist. Auch die<br />

Landschaftsbilder aus jener Zeit, in denen naturgemäß Grüntöne vorherrschen, lassen sich<br />

in eine mehr ins Blaue oder mehr ins Gelbliche gehende Gruppe unterscheiden. Zunächst<br />

scheinen jedoch noch Kompositionsschemata, die aus der Akademiezeit stammen, nachzuwirken.<br />

<strong>Der</strong> 'Boulevard de Vaugirard' von 1906 (Kat. Nr. 12, Abb. 6) sowie die beiden kleinformatigen<br />

Ölskizzen (Kat. Nr. 13, 14), die als Vorstudien zu gelten haben, erinnern an die Vorliebe der<br />

ausgeprägten Diagonalkomposition, wie <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> sie von Gotthard Kühl her gekannt haben<br />

kann. Als Beispiel sei G. Kühls Gemälde 'Dresden im Winter' Abb. 104 genannt. Diese Vermutung<br />

liegt auch deshalb nahe, da ein Aquarell von 1902, noch aus der Dresdner Zeit, erhalten<br />

ist, in dem diese ausgeprägte Diagonalkomposition ebenfalls angewandt wird. Es<br />

zeigt einen sich in die Tiefe erstreckenden Weg, der einseitig von <strong>einer</strong> Mauer begleitet wird,<br />

über die sich die Laubkronen der dahinter stehenden Bäume ergießen. Neu ist am 'Boulevard<br />

de Vaugirard' gegenüber den früheren Bildern die hellere Farbe. Die Bäume sind in hellen<br />

grünen. und rostfarbenen Flecken gemalt, die Häuser in hellem Grau und Beige, ihre<br />

Dächer in hellen Rottönen. Offensichtlich wurde hier der <strong>Versuch</strong> unternommen, die sonnenbeschienene<br />

Straße in ihrer Stimmung wiederzugeben.<br />

Das Männerportrait Kat. Nr. 6 bietet nichts wesentlich Neues, mit Ausnahme, dass der im<br />

Profil Dargestellte rittlings auf einem Stuhl sitzt. Stühle kommen übrigens in den Pariser Bildern<br />

<strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong>s häufig vor, wie sie in der <strong>Maler</strong>ei jener Zeit als Bildthema oder als Requisit<br />

eine große Rolle spielten.


- 16 -<br />

Die folgenden Portraits (Kat. Nr. 7, 15, 16) zeigen eine Abwendung vom Profil. Die Dargestellten<br />

werden en face dem Betrachter gegenübergestellt. Ansonsten sind die drei Bilder<br />

untereinander so verschieden, dass es scheint, als würden jeweils bestimmte Anregungen<br />

einem <strong>Versuch</strong> der künstlerischen Verarbeitung unterworfen. Am interessantesten ist das<br />

Männerbildnis Kat. Nr. 15, Abb. 7. Es ist das erste Portrait, in dem der Dargestellte in <strong>einer</strong><br />

Umgebung gezeigt wird. Es handelt sich um einen atelierähnlichen Raum, darauf deuten die<br />

Bilderrahmen. Links im Hintergrund ein kl<strong>einer</strong> Tisch mit Buch, Flaschen und Gläsern. Zwar<br />

ist kein Raum im strengen Sinne dargestellt, alles ist vor <strong>einer</strong> bildparallel verlaufenden<br />

Wand aufgereiht, aber im Gegensatz zu früheren Portraits beschränkt sich <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> in diesem<br />

Fall nicht allein auf die Person. Die schon einmal angesprochene Betonung der Kontur<br />

tritt hier vor allem in den Händen und im Gesicht des Mannes auf. Verbunden ist damit die<br />

starke Farbigkeit des Inkarnats, Rot und Blau-Grau dienen zur Modellierung vor allem der<br />

Hände und im Gesicht der Mundpartie. <strong>Der</strong> Anzug sowie die Hintergrundtapete lassen in der<br />

malerischen Behandlung die Nähe Toulouse-Lautrecs erkennen. Auch in Paul Gauguins<br />

'Bildnis der Familie Schuffenecker' 1889 (Paris, Jeu du paume) ist die Gestaltung der Kleidung<br />

ganz ähnlich vorgenommen, unter starker Betonung der Kontur. Mit nervösen parallel<br />

verlaufenden Strichen derselben Farbe in leicht unterschiedlichen Nuancen sind beide gestaltet.<br />

Das gibt dem Bild, neben dem Ambiente des Boheme-Mäßigen, etwas Frisches, Bewegtes<br />

und mildert die etwas starre Haltung der Person.<br />

Doch deutet dieses Bild keine neue Richtung im Werk an. Im selben Jahr entstand das sehr<br />

glatt gemalte Portrait Kat. Nr. 16 und wahrscheinlich auch das Portrait Kat. Nr. 17. Letzteres<br />

ist vor allem durch die Haltung des Mannes interessant. Wir sehen von einem erhöhten<br />

Standpunkt auf den Kopf, der gesenkt ist, während die Augen geschlossen sind. <strong>Der</strong> Dargestellte<br />

verrät damit einen gewissen pathogenen Charakter, ähnlich z.B. dem Selbstbildnis<br />

Feuerbachs von 1851/52 41 und Courbets 'Verzweifeltem', um 1843 42 .<br />

Eine ganz andere Art von Einfluss verraten das Selbstbildnis Kat. Nr. 5, Abb. 3 und der Akt<br />

Kat. Nr. 9, Abb. 4. Beide fallen vor allem durch den Kontrast von Blau-Grün und Anthrazit mit<br />

Rosa auf. Sicherlich rührt diese Farbigkeit von der französischen Akademie her, denn wir<br />

finden bei frühen Arbeiten der Fauves ganz ähnliche Farben als Bildbestimmende 43 .<br />

Die Auseinandersetzung mit den Fauves zeigt sich auch in den beiden Portraits der Mutter<br />

des Künstlers von 1908 (Kat. Nr. 19, Abb. 9, Kat. Nr. 20). Von der sonst herrschenden glatten<br />

<strong>Maler</strong>ei ist nichts mehr vorhanden. Nicht mehr sorgsam übereinander gelegte Farbschichten<br />

modellieren das Antlitz, sondern kräftig gegeneinandergesetzte Farbflächen 'bauen'<br />

es gewissermaßen auf. Zwar sind die Bilder weit entfernt von Matisses 'Madame Matisse',<br />

1905 (Kopenhagen, Statens Museum for Kunst) oder der 'Madame au Chapeau', 1905<br />

(San Francisco, Sammlung Mr. and Mrs. Walter A. Haas), was die malerische <strong>Kühn</strong>heit angeht,<br />

doch ist deren Rezeption unverkennbar. Arbeitet zum Beispiel Matisse mit sehr kräftigen<br />

Farben - das Bild 'Madame Matisse' ist auf dem Kontrast von grün und rot aufgebaut -,<br />

beschränkt er sich doch auf relativ wenig verschiedene Farben innerhalb des jeweiligen Bildes.<br />

Dies ist auch bei <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> der Fall, doch ist die Farbe bei ihm insgesamt wesentlicher<br />

blasser, der Kontrast wird bei ihm nicht als bildkonstituierendes Element verwandt.<br />

Am weitesten wird dieser Vorstoß in Richtung <strong>einer</strong> Verarbeitung der Fauves im Akt Kat. Nr.<br />

21, Abb. 10 getrieben. <strong>Der</strong> Körper wird nicht nur aus Farbflächen gebaut, auch die einzelnen<br />

Körperteile, Arme, Torso, Beine, sind eher Bauteile, aus denen eine Figur zusammengesetzt<br />

wird. Hier treten auch kräftige Rot- und Grüntöne im Inkarnat auf, insgesamt wird aber der<br />

Farbeindruck gedämpft, indem die Draperie, auf der die Frau liegt, fliederfarben, der Hintergrund<br />

blau-grau gehalten ist. Am rechten Bildrand ist im Hintergrund ein Stück olivgrüner und


- 17 -<br />

dunkel-blauer Vorhang zu sehen. Diese Abmilderung der Farbe, die ins Grau gebrochenen<br />

Farben, sollen später ein Charakteristikum der <strong>Maler</strong>ei <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong>s werden.<br />

1908 entstand das Bild 'Im Park' (Kat. Nr. 22, Abb. 11), das im Salon d'Automne desselben<br />

Jahres ausgestellt war. Auch hier scheint mir der Einfluss der Fauves unverkennbar, wenn<br />

dies auch nicht sofort ins Auge sticht, da er sich mehr im Formalen als in der Farbe niederschlägt,<br />

die für die Fauves ja das hervorragendste Merkmal darstellte. Und zwar betrifft der<br />

Einfluss die Komposition, in der im Vordergrund stehende Bäume, die vom Bildrand angeschnitten<br />

sind, ins Bild hineinragen und gewissermaßen einen sich teilenden Vorhang bilden,<br />

der den Blick auf die dahinter liegende Landschaft freigibt. Eine Negativform des Dreiecks<br />

lässt die Positivform des Dreiecks erscheinen. Eine prinzipiell ähnliche Komposition findet<br />

sich in Henri Manguins 'Le Rocking-Chair, la Sieste', 1905 (Winterthur, Privatsammlung, Abb.<br />

123). Dieses Prinzip wendet <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> noch in späteren Bildern gerne an, z.B. in Kat. Nr. 62,<br />

Abb. 34, Kat. Nr. 106, Abb. 63.<br />

Das Selbstbildnis von 1907 (Kat. Nr. 23, Abb. 12) stellt einen Schritt auf dem Weg zur insgesamt<br />

helleren Farbigkeit dar. Anzug und Hut des Künstlers, der diagonal zur Bildfläche steht<br />

und durch eine Drehung des Kopfes fast en face sichtbar wird, ist nicht mehr schwarz, sondern<br />

dunkelblau. <strong>Der</strong> Hintergrund, der bis zur Höhe der Hutkrempe und in der Breite Dreiviertel<br />

der Bildfläche einnimmt ist ocker und blaugrünfarbig. Das rechte Viertel sowie das<br />

obere Fünftel der Leinwand sind in Hellgrau, das leicht nach Rosa changiert, gehalten. Auch<br />

das Inkarnat weist nicht mehr gelblichen Akademie-Ton früherer Bilder (Kat. Nr. 1, 3) auf,<br />

sondern ist sehr hell und frisch gehalten, mehr in roten und weißen Tönen.<br />

Aus dem Jahre 1909 stammen drei Landschaftsbilder (Kat. Nr. 24 - 26), alle drei sind mit<br />

1909 datiert, es handelt sich um recht kleinformatige Arbeiten.<br />

'Le mont Baron (Nice)', Kat. Nr. 24, das wohl auf <strong>einer</strong> Frankreichreise entstanden ist, von<br />

der aber sonst nichts überliefert ist, war 1910 im Salon des Indépendants ausgestellt unter<br />

der Nummer 2864. Die Lokalität der beiden anderen Bilder ist nicht mehr eindeutig auszumachen.<br />

Nr. 25 zeigt mehrere Männer an einem Tisch unter Bäumen sitzend, Nr. 26 dürfte in<br />

einem der Pariser Parks entstanden sein, der in einem Kübel stehende Baum sowie der offensichtlich<br />

künstliche kreisrunde See lassen darauf schließen. Möglicherweise handelt es<br />

sich um den Jardin du Luxembourg, wo <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> auch bei späteren Parisaufenthalten gerne<br />

arbeitete (Kat. Nr. 52, 155).<br />

Allen drei Bildern ist eine gewisse Frische gemeinsam, der Pinselstrich ist sehr flott, die Details<br />

sind nicht fein ausgearbeitet, sondern mit breiten Pinselstrichen werden Farbflächen<br />

gesetzt, die ihrerseits die Gegenstände modellieren. Die unter den Bäumen sitzenden Männer<br />

sind mit einigen Pinselstrichen 'hingeworfen', ihre Gesichter sind nicht als individuelle<br />

ausgestaltet. Dies im Impressionismus beliebte Prinzip der Personendarstellung, der Entindividualisierung<br />

der Person gegenüber der Natur, in die der Mensch als höchstens gleichberechtigt,<br />

nicht aber als dominierend eingebaut wird, findet hier seinen Nachklang. Jedoch<br />

wurde weniger der französische Impressionismus als vielmehr der deutscher Provenienz,<br />

wie er z.B. durch Liebermann vertreten wird, rezipiert. <strong>Der</strong> sensuelle Reiz durch Farben, vor<br />

allem durch raffiniert gesetzte Farbakzente, wie er vor allem bei Monet (z.B. in 'Mohnblumen,<br />

1873, Paris, Jeu du Paume) 44 vorkommt, wird hier weniger gesucht, vielmehr wird eher eine<br />

Ton-in-Ton-<strong>Maler</strong>ei gepflegt. Grün, Grau, Blau und Gelb-Braun sind die Farben, aus denen<br />

die Bilder bestehen.


- 18 -<br />

Im Bild 'Mont Baron' wird das Prinzip der die Landschaft rahmenden Bäume wieder aufgenommen.<br />

Von einem hohen Standpunkt aus geht der Blick über eine Baumzone im Vordergrund,<br />

aus der zum rechten Bildrand hohe Zypressen herausragen, während links eine Pinie<br />

ins Bild hineinragt auf die sich in die Tiefe erstreckende Landschaft. Nach rechts öffnet sich<br />

eine Bucht, von links her steigt die Landschaft zum Berg an, der sich zur Bildmitte hin erhebt.<br />

Das Motiv des durch die im Vordergrund stehenden Bäume sichtbar werdenden, im Hintergrund<br />

ansteigenden Berges erinnert sehr an die Ansichten des Mont St. Victoire von Cézanne,<br />

und in der Tat scheint eine Rezeption Cézannes in diesen Jahren stattgefunden zu haben.<br />

Anlass dafür könnte die Retrospektive Cézannes im Salon d'Automne 1907 gewesen<br />

sein, wo 56 Bilder Cézannes ausgestellt waren 45 . Doch die Ähnlichkeit erstreckt sich nicht<br />

nur auf das Motivische des Bildes. So wurde das Problem der Distanz, die Komprimierung<br />

des Raums ganz ähnlich wie bei Cézanne angegangen. <strong>Der</strong> Berg im Hintergrund wird sehr<br />

nahe herangeholt, er ist nicht der Endpunkt in der Entfernung innerhalb des Bildes, worauf<br />

der Blick gelenkt wird, sondern er ist eher Mittelpunkt des tektonischen Bildgefüges.<br />

Die Auseinandersetzung mit Cézanne zeigt sich besonders deutlich in der Ansicht von Collioure<br />

(Kat. Nr. 30, Abb. 15), die 1910 entstanden sein muss.<br />

Collioure war seit 1905 eine Art Hochburg des Fauvismus geworden, vor allem Matisse und<br />

<strong>Der</strong>ain verbrachten viele Sommer in diesem Mittelmeerort, der nur wenige Kilometer von der<br />

spanischen Grenze entfernt ist 46 . Es gibt zahlreiche Ansichten von Collioure von Matisse,<br />

<strong>Der</strong>ain und Marquet, wobei sowohl motivische wie auch stilistische Ähnlichkeiten zum Bild<br />

<strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong>s vorhanden sind. Die Gemälde von Matisse 'Collioure', 1911 (Paris, Collection<br />

George Salles, Abb. 105) und 'Landschaft in Collioure', 1906 (Leningrad, Eremitage, Abb.<br />

106) sowie das Gemälde von Albert Marquet 'Blick auf Collioure', 1912 (Abb. 107) zeigen<br />

annähernd identische Ansichten des Ortes. Bei Marquet wie bei Matisse ist lediglich der<br />

Standpunkt des Betrachters so verschoben, dass sich das Meer im Hintergrund nicht frei<br />

öffnet, wie das bei <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> der Fall ist, sondern die Landzunge weit ins Bild hineinragt und<br />

das Meer gegen den Hintergrund gewissermaßen abschließt. <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong>s Ansicht von Collioure<br />

ist aus der größten Entfernung gesehen, die Marquets aus der geringsten, womit Marquet<br />

auch den stärksten Ausschnittcharakter seinem Bild verleiht.<br />

Weist das Leningrader Collioure-Bild von Matisse hinsichtlich der Farbe und des Farbauftrags,<br />

die stark an Signac orientiert sind 47 , mit dem <strong>Kühn</strong>sehen Bild keine Gemeinsamkeiten<br />

auf, so ist das bei dem Aquarell von Matisse und dem Gemälde Marquets schon eher der<br />

Fall. Ocker und Orangerot sowie ins Gelb gebrochene Grün-Töne bestimmen das Bild<br />

<strong>Kühn</strong>s, also insgesamt eine sehr warme und - an der <strong>Kühn</strong>schen Palette gemessen - gleichzeitig<br />

sehr helle Farbigkeit, womit zum einen der Landschaftscharakter getroffen wird, zum<br />

andern das Licht und die Hitze anschaulich gemacht werden. Bei Matisse wie auch bei Marquet<br />

herrschen eben dieselben Farben vor, allerdings sind sie kräftiger und sehr viel flächiger,<br />

d. h. ihre Bilder sind aus großen Farbflächen zusammengesetzt, während K. <strong>Kühn</strong> in<br />

diesem Bild einen Farbauftrag anwendet, wie er eindeutig von Cézanne herkommt. Herrscht<br />

in Marquets Bild die Tendenz, scharf umrandete Flächen farbig auszufüllen, und ist Matisse<br />

<strong>einer</strong> neo-impressionistischen Malweise verpflichtet, indem er "color-bricks" 48 verwendet,<br />

andererseits aber Flächen mit ungleichmäßig-flachem Farbauftrag ins Bild bringt, so hat bei<br />

<strong>Kühn</strong> die Farbe eher eine dingkonstituierende Funktion im Sinne Cézannes. Die so gern betonte<br />

Kontur ist völlig verschwunden, ein zeichnerisches Gerüst ist nicht feststellbar. Die<br />

Farbe erst lässt die Dinge entstehen.


- 19 -<br />

Das Bild 'Collioure' ist somit als logische Weiterentwicklung der Bilder 'Le mont Baron (Nice)'<br />

und 'Männer unter Bäumen' (Kat. Nr. 24, 25) zu sehen.<br />

Diese Rezeption Cézannes jedoch bedeutet nun nicht eine völlige Abkehr von der Beschäftigung<br />

mit den Fauyes, wie der mit 1910 datierte Akt zeigt.<br />

Zuvor jedoch noch ein paar Worte über die übrigen in Paris entstandenen Akte Kat. Nr. 8,<br />

Kat. Nr. 9 Abb. 4, Kat. Nr. 10, Kat. Nr. 11 Abb. 5, Kat. Nr. 18 Abb. 8, Kat. Nr. 21 Abb. 10, Kat.<br />

Nr. 27 Abb. 13. Sie bestätigen die schon bei den bisher besprochenen Beispielen aufgezeigte<br />

Entwicklung. <strong>Der</strong> Akt Kat. Nr. 9 Abb. 4 weist dieselbe Farbigkeit wie das Selbstbildnis Kat.<br />

Nr. 5 Abb. 3 auf: dunkle Blau- und Anthrazit-Töne, kontrastiert mit kräftigem Rosa und Weiß<br />

sowie dem rosafarbenen Inkarnat. Es dürfte somit an den Anfang der Pariser Zeit zu stellen<br />

sein, als um 1905 entstanden. Die Haltung der stehenden Rückenfigur weist noch stark auf<br />

Akademiestudien hin; es gibt ein ganz ähnliches Bild von Rouault 'Nu', ca. 1906 (Paris, Musée<br />

d'Art Moderne de la Ville de Paris, Abb. 109), das ebenfalls aus dem Akademieunterricht<br />

herrührt.<br />

Auch die Akte Nr. 10 und 11 (Abb. 5) dürften in diesen Zusammenhang gesehen werden. Sie<br />

sind wie das vorige Bild nicht datiert, dürften aufgrund der hellen Gesamtfarbigkeit etwas<br />

später einzuordnen sein, ca. 1906/07. Kat. Nr. 10 zeigt eine stehende Rückenfigur, die ihren<br />

rechten Fuß in <strong>einer</strong> Schüssel wäscht, die auf einem vor ihr stehenden Stuhl sich befindet.<br />

Nr. 11 zeigt eine Frau, die auf einem Stuhl sitzend dem Betrachter den Rücken zukehrt und<br />

sich den im Hintergrund stehenden Tisch zuwendet und dort mit der Toilette beschäftigt ist.<br />

In ganz ähnlicher Haltung zeigt Braque seinen Halbakt 'Nu assis', ca. 1907 (Paris, Privatbesitz,<br />

Abb. 110). Auch hier haben also zweifelsfrei Einflüsse der Fauves nachgewirkt, wenn<br />

auch - wie schon in den Portraits gezeigt wurde - die malerische <strong>Kühn</strong>heit der Fauves nicht<br />

erreicht wurde.<br />

Gegenüber den eher studienhaften Akten stellt sich Kat. Nr. 18 Abb. 8 recht anspruchsvoll<br />

dar. Eine Frau sitzt in einem diagonal im Bild stehenden blauen Fauteuil, über dessen linke<br />

Lehne ein Kissen gelegt ist, auf dem ihr linker Arm ruht. <strong>Der</strong> Raum, in welchem sie sich befindet,<br />

wird durch eine bildparallel verlaufende Wand oder einen Vorhang abgeschlossen,<br />

ähnlich wie dies in den Portraits der Fall war, so dass von Darstellung eines Raumes nicht<br />

gesprochen werden kann. Auch findet man hier wieder die Beschränkung auf wenige Farben.<br />

Olivgrün in verschiedenen Abstufungen bildet den Hintergrund und das Kissen über der<br />

Lehne. Im Kontrast dazu steht das dunkle Braun und das Blau des Sessels. <strong>Der</strong> Boden ist<br />

mit einem Teppich bedeckt, der geometrische Muster in den Farben rot, gelb, blau und grün<br />

trägt, womit in einem kleinen Teil des Bildes kräftige Farben verwendet werden. Damit wird<br />

das Prinzip <strong>einer</strong> zu Monochromie neigenden Gesamtfarbigkeit des Bildes durchbrochen und<br />

die Tendenz zu <strong>einer</strong> stärker aufgebrochenen Gesamtfarbigkeit eingeleitet. Insofern kann<br />

dieses Bild als eine Vorstufe zu dem Akt von 1910 (Kat. Nr. 27 Abb. 10) angesehen werden.<br />

An diesem Bild werden die Ähnlichkeiten wie auch die Unterschiede gerade zu den Fauves<br />

besonders deutlich, vergleicht man es etwa mit einem Akt von van Dongen 'Anita', 1905<br />

(Monaco, Slg. Kees van Dongen, Abb. 111). Beide querformatigen Bilder zeigen einen liegenden<br />

Frauenakt. Sie sind in ganz ähnlicher Haltung dargestellt, namentlich die Beinhaltung<br />

ist fast identisch. Doch während van Dongens Akt den gesamten Bildraum ausfüllt, indem<br />

der Akt in der Bilddiagonale angeordnet ist und der Körper vorn rechten und linken Bildrand<br />

angeschnitten ist, liegt der Körper in <strong>Kühn</strong>s Akt eher bildparallel. Er reicht nicht ganz bis<br />

zum seitlichen Bildrand und nimmt nur etwa die halbe Bildhöhe ein. Schon durch diese An-


- 20 -<br />

ordnung des Körpers innerhalb der Bildfläche gewinnt <strong>Kühn</strong>s Akt den Ausdruck des Statisch-<br />

Ruhenden.<br />

Van Dongens Frau blickt mit offenen Augen aus dem Bild heraus, während der Akt <strong>Kühn</strong>s<br />

schlafend gezeigt wird. Das Moment des Wach-Seins wird bei van Dongen verstärkt, indem<br />

sich die Frau auf <strong>einer</strong> orange-roten Decke mit <strong>einer</strong> unerschrockenen Offenheit präsentiert.<br />

Die Nacktheit wird noch unterstrichen durch das Strumpfband und den Reif am Oberarm<br />

sowie die Blumen im Haar und den Halsschmuck. <strong>Der</strong> Hintergrund, in dunklem Braun gehalten,<br />

steht nochmals in starkem Kontrast zum hellen Körper der Frau.<br />

<strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong>s Frau dagegen ist eingebettet in eine Draperie, die ihren Körper teilweise verhüllt<br />

und an der Modellierung des Körpers teilhat. Diese Draperie ist nun aber nicht fließend stofflich,<br />

sondern wirkt eher wie aus kleinen Körpern gebaut. Farbflecken in weinrot, orange, lila,<br />

blau und grün und gelb bauen diese Draperie auf und stehen durch ihre Lebhaftigkeit im Gegensatz<br />

zum schlafenden Körper, der auch in der Farbe des Inkarnats eher etwas Totes hat,<br />

als dass er eine lebendige Farbe, wie z.B. van Dongens Akt, zeigt. In der Modellierung des<br />

Körpers finden sich insofern Einflüsse der Fauves, als er durch Farben gestaltet wird, die mit<br />

der tatsächlichen Farbe der menschlichen Haut nichts zu tun haben. Vor allem im Bereich<br />

der Oberschenkel und der rechten Schulter treten Lila und Grün auf, allerdings recht zart,<br />

vergleicht man es mit Bildern zum Beispiel von Matisse. <strong>Der</strong> Hintergrund ist in Flaschengrün<br />

und Gelbgrün sehr wolkig gemalt. Auf einen Untergrund in hellem Grün sind vorn linken Bildrand<br />

her bogenförmig ansteigend flaschengrüne Dreiecke nebeneinander gesetzt. So wirkt<br />

auch der Hintergrund eher die Figur einbettend und abschirmend, nicht als kalter Kontrast<br />

wie bei van Dongen.<br />

Betrachtet man die bis 1910 entstandenen Werke <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong>s im Zusammenhang, vor allem<br />

unter dem Gesichtspunkt der Veränderung und Beeinflussung durch die Ausbildung und<br />

durch künstlerische Impulse, die er in Dresden, München und Paris empfing, so lassen sich<br />

bei aller Verschiedenheit der einzelnen Bilder doch einige Entwicklungslinien aufzeigen. In<br />

Dresden wurde zunächst auf die handwerkliche Seite Wert gelegt 49 und somit kann weder<br />

von <strong>einer</strong> ausgeprägten künstlerischen Selbständigkeit noch von der nachweislichen Abhängigkeit<br />

von <strong>einer</strong> bestimmten künstlerischen Richtung gesprochen werden.<br />

In München scheint eine Begegnung mit dem Jugendstil und mit den Vertretern der Scholle<br />

stattgefunden zu haben. Anhand der drei Aquarelle Abb. 100-102 ist eine Hinwendung zu<br />

<strong>einer</strong> Flächigkeit in der Landschaftsdarstellung zu verzeichnen. Die Bilder sind durch einen<br />

relativ einfachen, übersichtlichen Aufbau bestimmt, die perspektivische Wirkung wird zurückgenommen.<br />

Die Farbe als Fläche und nicht als Gestaltungsmittel von Körperlichkeit ist das<br />

bestimmende Gestaltungsmittel. Sie wird zwar in relativ kräftigen Tönen verwendet, jedoch<br />

bei weitem nicht in so leuchtender Konzentration wie dies beispielsweise im Werk von Püttner,<br />

Putz oder Münzer der Fall ist.<br />

War <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> in München der künstlerischen Avantgarde Deutschlands einen Schritt näher<br />

gekommen, so konnte er in Paris die zeitgenössischen tonangebenden Richtungen auf internationaler<br />

Ebene kennen lernen. Wie an verschiedenen Beispielen gezeigt wurde, war für<br />

ihn vor allem die Begegnung mit den Fauves und mit Cézanne entscheidend. Weitere Einflüsse<br />

spielten nur vorübergehend eine Rolle. Neben motivischen Ähnlichkeiten - wie z. B.<br />

die Akte Kat. Nr. 9, 11 (Abb. 4 und 5) oder das Bild 'Collioure', Kat. Nr. 30 Abb. 15-werden<br />

auch Kompositionsweisen der Fauves übernommen, wie das in 'Le parc', Kat. Nr. 22 Abb.<br />

11, der Fall ist.


- 21 -<br />

Dies führt in den Landschaftsdarstellungen zu einem Loslösen von der Diagonalkomposition,<br />

die noch völlig von der Vorstellung geprägt war, Tiefenraum zu gewinnen.<br />

Innerhalb der Farbe treten in Paris die stärksten Änderungen ein. <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> wandte sich<br />

vom 'Galerieton' der Bilder, die durch Schwarz, dunkles Braun, Gold bestimmt waren, ab.<br />

Rosa und Blau treten als bildbestimmende Farben auf (Kat. Nr. 5, 11). Alle Bilder dieser Zeit<br />

verbindet die Tendenz, zu <strong>einer</strong> stärkeren Farbigkeit zu gelangen. Zwar legte sich <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong><br />

stets eine gewisse Beschränkung der jeweils verwendeten Farbe auf, jedoch wird nun stärker<br />

mit Farbkontrasten gearbeitet. Nimmt man die beiden Akte Kat. Nr. 18, 27 (Abb. 8 und<br />

13) als Endstufe dieser Entwicklung, so kann diese als eine zu insgesamt stärkerer Polychromie<br />

drängende gesehen werden. Auch Konturen und Schatten werden nicht mehr durch<br />

Hell und Dunkel gebildet, sondern durch Farbe ausgedrückt. Besonders in dem Bild 'Le<br />

parc', Kat. Nr. 22 Abb. 11, ist dies sehr ausgeprägt der Fall. <strong>Der</strong> Farbauftrag wird sehr viel<br />

freier. In den Portraits werden die Gesichter und Hände, aber auch die Kleidung, nicht mehr<br />

feingliedrig modelliert, wie das im 'Bildnis der Mutter des Künstlers', Kat. Nr. 3 Abb. 2, der<br />

Fall war; vielmehr wird mit kräftigen Pinselstrichen gearbeitet, gegeneinander gesetzte Farbflecken<br />

bauen das Bild auf, die Farbe bekommt eine sehr viel stärker bildaufbauende Rolle,<br />

als dies zuvor der Fall war. Dabei sind <strong>einer</strong>seits Einflüsse der Fauves verantwortlich, ohne<br />

dass <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> allerdings deren <strong>Kühn</strong>heit hinsichtlich der Farbintensität erreicht, andererseits<br />

ist eine Rezeption Cézannes entscheidend. Am Beispiel des Bildes 'Collioure', Kat. Nr.<br />

30 Abb. 15, wurde dies gezeigt. Weitere Beispiele ließen sich in den Stilleben <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong>s<br />

nachweisen, auf die aber in diesem Zusammenhang nicht näher eingegangen werden soll.<br />

Trotz dieser Verarbeitung verschiedenster Anregungen aber kann noch nicht von <strong>einer</strong> eigenen<br />

Handschrift, von einem persönlichen Stil <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong>s gesprochen werden. Eine unverwechselbare<br />

persönliche Charakteristik s<strong>einer</strong> Bilder scheint sich abzuzeichnen, ist aber<br />

noch nicht völlig ausgeprägt. Im Verlauf der weiteren Betrachtung seines Gesamtwerkes wird<br />

zu untersuchen sein, wann und wie das der Fall sein wird.


Anmerkungen Teil I<br />

- 22 -<br />

1. Ein Photo, das 1899 in Guben aufgenommen wurde, entstand möglicherweise aus<br />

diesem Anlass.<br />

2. Vom Archiv der Akademie der bildenden Künste Dresden wurde auf Anfrage <strong>Kurt</strong><br />

<strong>Kühn</strong>s Studium nicht bestätigt.<br />

Er selbst hat dies aber verschiedentlich als Ausbildungsort angegeben, unter anderem<br />

im Anmeldeformular für den Berufsverband Bildender Künstler München im Jahr<br />

1949. Ebenso ist die Dresdner Ausbildung im Thieme-Becker Bd. 22, 1908 erwähnt.<br />

Des weiteren existiert das Programm eines "Festabends zu Ehren der Herren Professoren<br />

Geh. Hofrat Pauwels und Bracht, veranstaltet von den Studierenden und Schülern<br />

der Hochschule für die bildenden Künste zu Dresden, 1910", das den eigenhändigen<br />

Namenszug <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong>s trägt.<br />

3. Vergleiche hierzu: Schumann, Paul. Dresden, Leipzig, 1909, S. 329ff.<br />

4. Die angegebenen Daten beziehen sich auf die jeweilige Lehrtätigkeit.<br />

5. Siehe Anmerkung 4.<br />

6. Gotthard Kühl gründete 1902 die Gruppe 'Die Elbier'.<br />

Ihr Anliegen war es, in der freien Natur zu zeichnen und an Ort und Stelle zu malen.<br />

7. Posse, Hans: Hundert Jahre Kunst in Sachsen. Die <strong>Maler</strong>ei. in: <strong>Der</strong> große Garten.<br />

Wege und Ziele der Kunst und Kultur in Dresden. Bd. II, Dresden, 1928.<br />

8. Unter Matrikel Nr. 2497 wurde <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> am 24.10.1902 in die Zeichenklasse Herterich<br />

an der Münchener Akademie aufgenommen (Mitteilung des Archivs der Akademie<br />

der bildenden Künste München).<br />

9. Nach Auskunft Frau Lotte <strong>Kühn</strong>s hatte <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> beim 'alten Dietz' Unterricht. Wahrscheinlich<br />

handelt es sich um Wilhelm von Dietz, der von 1870 bis 1907 an der Münchener<br />

Akademie unterrichtete. <strong>Der</strong> Dresdner Lehrer gleichen Namens, Robert Dietz,<br />

hatte dort seit 1891 die Meisterwerkstätte für Plastik inne, in der <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> sicherlich<br />

nicht tätig war.<br />

10. Herterich Ludwig: 'Aus meinem Leben', in: Kunst und Künstler, VII, Berlin, 1909, S.<br />

241-249.<br />

11. Katalog: Die Münchner Schule 1850-1914, München, 1979, S. 229f.<br />

12. Ebd. S. 68-71.<br />

13. Festschrift 1200 Jahre Holzhausen am Ammersee, St. Ottilien (o. J.), S. 49ff.<br />

14. Vergleiche hierzu: Gordon, Donald E.: Modern Art Exhibition, München, 1974<br />

15. Uhde, Wilhelm von: Von Bismarck bis Picasso, Zürich, 1928, S. 118f., zitiert nach:<br />

Vriesen, Gustav und Max Imdahl: Robert Delaunay, Licht und Farbe, Köln, 1967, S.<br />

12f.<br />

16. Vergleiche hierzu: Gordon, Donald E., a.a.O.<br />

17. Vgl. Katalog: Pariser Begegnungen: 1904-1914, Café du Dôme, Académie Matisse,<br />

Lehmbrucks Freundeskreis, Duisburg, 1965.<br />

18. Vgl. Thieme-Becker, Bd. 22, 1928, S. 59. Dort wird die Teilnahme am Salon d'Automne<br />

von 1909 nicht erwähnt. Sie ist aber durch den Katalog belegt. Vgl. das Kapitel<br />

über die Ausstellungstätigkeit K. <strong>Kühn</strong>s.<br />

19. Es handelt sich um eine Visitenkarte Otto Grautoffs mit handschriftlich geschriebener<br />

Einladung. Sie wird ausgesprochen, weil Otto Grautoff dem <strong>Maler</strong> der Bilder, die er im<br />

Herbstsalon bewunderte, kennen lernen möchte. Die Karte trägt kein Datum, muss<br />

aber aus dem Jahre 1906 oder 1909 stammen, denn nur in diesen Jahren war <strong>Kurt</strong><br />

<strong>Kühn</strong> im Salon d'Automne vertreten.


- 23 -<br />

20. Aufzeichnungen <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong>s aus den fünfziger Jahren.<br />

21. Aufzeichnungen (I) <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong>s über Afrika, maschinenschriftlich, nicht veröffentlicht.<br />

22. Aufzeichnungen (II) <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong>s über Afrika 'Südwärts', S. 1 (maschinenschriftlich,<br />

nicht veröffentlicht).<br />

23. Aufzeichnungen (III) <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong>s über Afrika 'Weihnachten unter der Palme', maschinenschriftlich,<br />

nicht veröffentlicht.<br />

24. Aufzeichnungen (I) <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong>s über Afrika, S. 15, 9<br />

25. Alazard, Jean: L'orient et la peinture française en XIX e siècle. d'Eugène Delacroix à<br />

Gustave Renoir, Paris, 1930, S. 170.<br />

26. Soweit dies aufgrund der Reproduktion ohne Kenntnis des Originals zu beurteilen ist.<br />

Abgebildet in: Alazard, J., a.a.O., S. 177f.<br />

27. Katalog: Mahmal et Attatiches. Peintres et Voyageurs en Turquie, en Egypte et en<br />

Afrique du Nord, Paris, 1975-76, S.67 mit Abb.<br />

28. Nach Mitteilung von Frau Lotte <strong>Kühn</strong> kannte <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> möglicherweise Etienne Dinet,<br />

zumindest ist der Name des öfteren gefallen.<br />

29. Vgl. Aufzeichnungen <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong>s über die Gefangenschaft<br />

30. Dies wird im folgenden noch an einigen Beispielen der afrikanischen Bilder zu zeigen<br />

sein.<br />

31. "Ibiza-ein entweihtes Paradies" von <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong>, in: <strong>Der</strong> Mittag, Nr. 126 vom 7.6.1937.<br />

32. Allgemeines Lexikon der Bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart, hrsg.<br />

von U. Thieme und F. Becker, 37 Bde., 1907-1950, Bd. 22, 1928, S. 59.<br />

33. Da diese Ausstellungskataloge zum Teil in Privatbesitz sowie in verschiedenen Bibliotheken<br />

der Bundesrepublik sich befinden, wurde auf den Nachweis des Standortes<br />

des jeweiligen Kataloges verzichtet.<br />

34. Freundliche Mitteilung von Frau Lotte <strong>Kühn</strong>.<br />

35. Dies ist durch Korrespondenz sowie durch entsprechende Vermerke auf einzelnen<br />

Bildern belegt.<br />

36. Vgl. Anm. 35.<br />

37. Vgl. Katalog: Die Münchner Schule. 1850-1914, München, 1979, S. 229f.<br />

38. Vgl. Biermann, G.: Die Scholle. Eine Münchner Künstlervereinigung, München [1910]<br />

39. Die Scholle war 1899 erfolgreich auf den Jahresausstellungen des Münchner Glaspalastes<br />

vertreten. <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> hatte also Gelegenheit, deren Werke dort zu sehen.<br />

40. Festschrift 1200 Jahre Holzhausen am Ammersee, St. Ottilien, o. J., S. 49ff., S. 66ff.<br />

41. Anselm Feuerbach, Jugendliches Selbstbildnis 1851/52, Karlsruhe, Staatliche Kunsthalle,<br />

abgebildet in: Katalog: Anselm Feuerbach 1829-<strong>1880</strong>, Gemälde und Zeichnungen,<br />

Karlsruhe, 1976, S. 227.<br />

42. Gustave Courbet, <strong>Der</strong> Verzweifelte, um 1843, Luxeuil, Privatsammlung, abgebildet in:<br />

Katalog: Courbet und Deutschland, Köln, 1978, S. 192, Nr. 214a.<br />

43. Zum Beispiel bei: Henri Matisse, Nu aux soulieres Roses', 1900, Privatbesitz, abgebildet<br />

in: Diehl, G.: Matisse, Paris, o. J., Nr. 14, Henri Matisse, Etude de Nu. Atelier<br />

Carriere, 1900, Paris, Privatbesitz, abgebildet in: Crespelle, J. P.: Fauves und Expressionisten,<br />

München, 1963, Nr. 1, Albert Marquet, Nu dans l'atelier, 1903, Paris,<br />

Sammlung Mme. Marquet, abgebildet in: Crespelle, a.a.O., Nr. 11.<br />

44. Abgebildet z.B. in: Rewald, John: Die Geschichte des Impressionismus, Köln, 2 1979,<br />

Nr. 17.<br />

45. Gordon, D. E.: Modern Art Exhibitions, München, 1974, S. 228.<br />

46. Barr, Alfred jr.: Matisse. His Art and His Public, 2 New York, 1974, S. 54.


- 24 -<br />

47. a.a.O., S. 92<br />

48. a.a.O., S. 93.<br />

49. Dies zeigt sich vor allem an Skizzen und Zeichnungen der Jahre 1898-1902, die in<br />

Dresden entstanden.


Teil II<br />

- 25 -<br />

In diesem. zweiten zentralen Teil dieser Arbeit sollen die Bilder untersucht werden, die <strong>Kurt</strong><br />

<strong>Kühn</strong> in Afrika gemalt hat.<br />

"Wenn Sie nach Afrika gehen, sagte mir im Januar 1910 in Paris der alte große Geograph<br />

Professor R., so versäumen Sie nicht, Bou-Saada zu besuchen, als <strong>Maler</strong> und als Mensch" 1 ;<br />

dies schrieb <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> in seinen Aufzeichnungen über Afrika.<br />

Nach Afrika zu reisen, mag zunächst als individuelle willkürliche Entscheidung eines Künstlers<br />

erscheinen. Dies ist aber keineswegs der Fall, sondern es gibt für diese Afrikareisen<br />

durchaus eine Tradition. Deshalb erscheint es unerlässlich, an dieser Stelle ein paar Worte<br />

zu diesem Thema zu sagen, bevor auf die Bilder <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong>s eingegangen werden kann. Nur<br />

im Zusammenhang ist es möglich, seine Leistung zu beurteilen. Deshalb soll auf das Problem<br />

des Orientalismus und Exotismus eingegangen werden, wie ferner ein kurzer Abriss der<br />

Geschichte der Orientmalerei nachgezeichnet werden soll. Schließlich ist die besondere Rolle<br />

Algeriens in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen. Auf diesem Hintergrund, soll<br />

dann eine Einordnung <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong>s versucht werden.<br />

1.0. Zum Begriff Orientalismus und Exotismus<br />

Beschäftigt man sich mit dem Werk europäischer Künstler, die in außereuropäischen Ländern<br />

arbeiteten, und betrachtet man die <strong>Maler</strong>ei, die Motive außereuropäischer Länder zeigt,<br />

so stößt man bald auf eine Sprachverwirrung, nämlich die oft als austauschbar erscheinende<br />

Anwendung der Begriffe Exotismus und Orientalismus. Beide Begriffe werden gebraucht,<br />

ohne dass die Autoren sich in der Regel die Mühe machen zu erklären, was sie darunter<br />

verstehen.<br />

Dabei fällt auf, dass im deutschsprachigen Raum der Begriff Exotismus vorherrscht, während<br />

in der französischen und englischen Literatur der Begriff Orientalismus gebraucht wird. Meist<br />

ist derselbe Sachverhalt gemeint, dies muss aber nicht unbedingt der Fall sein.<br />

Als Beispiel sei der Artikel 'Exotism' in der Encyclopedia of World Art herangezogen 2 . Dort<br />

wird von der Ästhetik ausgehend Exotismus als "imitation of elements in alien cultures that<br />

differ from native tradition" definiert 3 . Im folgenden wird dann die Unterscheidung vorgeschlagen<br />

zwischen 'der Suche nach Inspiration in dem, was als exotisch gilt' und der 'Imitation<br />

fremder Kunst' 4 . Im 19. Jahrhundert kann das Interesse an den Sitten, der Kleidung, der<br />

Landschaft fremder Länder mit <strong>einer</strong> "... deliberatly idealized escape towards remote human<br />

conditionsn" 5 verbunden sein. Im Abschnitt über das 19. und 20. Jahrhundert werden Exotismus<br />

und Orientalismus parallel verwendet, ohne dass ersichtlich würde, ob ein Unterschied<br />

zwischen beiden besteht, und wenn ja, worin sich dieser ausdrückt.<br />

Da der Begriff Exotismus bisher nur sehr spärlich verwendet wurde, der des Orientalismus<br />

dagegen schon seit dem 19. Jahrhundert gebräuchlich ist 6 , so will ich mich in dieser Arbeit<br />

für letzteren als den zutreffenderen entscheiden.<br />

Bleibt aber noch zu klären, was darunter verstanden werden soll. Es geht um <strong>Maler</strong>ei, die mit<br />

<strong>einer</strong> gewissen Exaktheit im Sinne von Historiographie versucht, das Fremde einzufangen


- 26 -<br />

und wiederzugeben. Dabei spielt das Pittoreske eine große Rolle, in vielen Fällen ist nicht<br />

leicht zu entscheiden, ob es dem Künstler mehr um den malerischen Reiz des Fremden oder<br />

mehr um eine authentische Darstellung ging. Meist verbinden sich beide Anliegen in einem<br />

Bild.<br />

Daneben gibt es aber auch Orientalisten, die nicht in diesem Maße von der vordergründigen<br />

Realität abhängig waren, die vielmehr versuchten, den Geist des Orients einzufangen, zu<br />

malen, was den Orient kennzeichnet, aber nicht ohne weiteres sichtbar ist. Diesen Künstlern,<br />

hier sei nur Delacroix genannt, gelang es auch am besten, eine Einheit zwischen Bildgegenstand<br />

und bildnerischen Mitteln zu erreichen.<br />

Die meisten der sogenannten Orientalisten waren tatsächlich in den betreffenden Ländern,<br />

deren Ansichten sie wiedergeben. Jedoch erlebte der Orientalismus in der zweiten Hälfte<br />

des 19. Jahrhunderts eine solche Beliebtheit, dass es Künstler gab, die in Paris Portraits à<br />

l'Orient malten. Personen wurden orientalisch bekleidet und in orientalischen Interieurs wiedergegeben.<br />

<strong>Der</strong> Begriff Orientalismus lässt eine geographische Eingrenzung auf Kleinasien und Persien<br />

vermuten. Dies ist aber nicht der Fall. Er rührt eher von der Türkei-Mode her, die spätestens<br />

seit dem Barock in Europa herrschte, und schließt von daher zunächst die islamischen Länder<br />

ein: Kleinasien, Nordafrika sowie Ägypten. <strong>Der</strong> ferne Orient China und Japan spielten<br />

eine geringe Rolle, nicht zuletzt, weil sie schwieriger zu bereisen waren.<br />

Die Bildthemen sind recht vielfältig, aber durchweg von dem Bestreben geprägt, den Charakter<br />

des jeweiligen Landes einzufangen. Wenn dies auch oft nur vermeintlich der Fall war, wie<br />

später noch gezeigt werden wird, so war dies zumindest ein Anliegen, das dem Betrachter<br />

wie dem Künstler zu eigen war, und der Charakter des Scheinbaren wurde keineswegs immer<br />

als solcher erkannt, auf keinen Fall aber abgelehnt. Im Gegenteil, man kann überspitzt<br />

sagen, je schöner der Schein, desto erfolgreicher das Bild 7 . Landschaften, historische Szenen<br />

- wie z.B. 'Die Überführung des heiligen Teppichs von Mekka nach Kairo' von Konstantin<br />

Makowskij, 1876, oder 'Procession du Mahmal au Caire' von Ludwig Deutsch, 1909 -, vor<br />

allem aber Szenen aus dem täglichen Leben waren die Hauptthemen. Gerade an letzteren<br />

delektierte sich das Bürgertum. Boudoirszenen, Szenen aus dem Harem, Bildnisse von<br />

Sklavinnen, die einen gewissen erotischen Reiz ausstrahlten, waren äußerst beliebt 8 . Portraits<br />

gab es relativ selten, was vielleicht mit der Scheu der Moslems, sich portraitieren zu<br />

lassen, zusammenhängt. Ein weiteres häufiges Thema bilden die Reiterszenen, von Delacroix<br />

her sehr bekannt. Dies sei nur eine kurze Aufzählung der wichtigsten Motive, woraus<br />

wohl auch ersichtlich wird, inwieweit man die Orientalisten gegen den Exotismus abgrenzen<br />

kann. Es ging den Orientalisten nicht nur darum, in <strong>einer</strong> ihrer Tradition und Vorstellungswelt<br />

verhafteten Kunst einzelne exotische Elemente, Formpartikel, einzelne Zierfiguren gewissermaßen<br />

als Würze einzubauen, wie dies in der abendländischen Kunst häufig zu finden<br />

ist 9 .<br />

Schwieriger dagegen wird die Abgrenzung zur Kunst eines Gauguin oder zu den Südseebildern<br />

Pechsteins oder Noldes. Philippe Jullian 10 , dem ich mich hier anschließen möchte,<br />

grenzt diese Künstler streng vom Orientalismus ab. Dem ist im großen und ganzen sicherlich<br />

zuzustimmen, im Einzelfall müsste aber untersucht werden, inwieweit hier die Grenzen sich<br />

nicht möglichenleise aufweichen. Dies Problem ist aber an dieser Stelle nicht entscheidend.


- 27 -<br />

1.1. Zum Forschungsstand des Orientalismus<br />

Im Zuge der Aufarbeitung des neunzehnten Jahrhunderts tritt in letzter Zeit auch der Orientalismus<br />

wieder in den Blickpunkt der Kunsthistoriker. Dennoch erstaunt es, dass erst seit wenigen<br />

Jahren zu diesem Thema gearbeitet wird und auch vereinzelte Ausstellungen veranstaltet<br />

wurden. Abgesehen von verschiedenen Monographien über einzelne Künstler gibt es<br />

aber bisher kaum zusammenfassende Darstellungen. Roger Bezombes 11 behandelt in seinem<br />

1953 erschienenen Werk hauptsächlich die Aspekte des Exotismus. Die erste größere<br />

umfassende Darstellung der französischen Orientalisten legte 1977 Philippe Jullian vor 12 .<br />

Ausstellungen, die sich explizit mit dem Orientalismus beschäftigen, fanden erst seit 1971<br />

häufiger statt 13 , und zwar vornehmlich in Frankreich und England.<br />

In Deutschland scheint der Orientalismus von der Kunstgeschichte bisher noch nicht als<br />

Phänomen erkannt worden zu sein. Dies ist sicherlich nicht allein darauf zurückzuführen,<br />

dass die französischen und englischen Künstler das größte Kontingent der Orientalisten darstellen<br />

und dass Deutschland erst verhältnismäßig spät in den Besitz von Kolonien kam, was<br />

eine wesentliche Voraussetzung für die Entstehung des Orientalismus war.<br />

Des weiteren muss erwähnt werden, dass die gesamte Orientalismusforschung sich bisher<br />

auf das 19. Jahrhundert beschränkte, was die falsche Vermutung nahe legt, im 20. Jahrhundert<br />

existiere dieser nicht mehr 14 . Eine Arbeit über die französischen Orientalisten im 20.<br />

Jahrhundert ist in Vorbereitung 15 . Über deutsche Künstler gibt es aber nichts, sieht man von<br />

der Dissertation Uta Laxners ab, die das Problem Exotismus und Orientalismus in ihrer Arbeit<br />

nicht berücksichtigt.<br />

So stellen die schon mehrfach erwähnte Darstellung des Orientalismus von Philippe Jullian<br />

sowie die Kataloge der Ausstellungen 'Mahmal et Attatiches' 16 , Paris 1975/76, und 'Eastern<br />

Encounters', London 1978, die bisher umfassendste Dokumentation zu diesem Thema dar.<br />

1.2. Zur Geschichte des Orientalismus<br />

<strong>Der</strong> Orient taucht in der abendländischen <strong>Maler</strong>ei recht frühzeitig auf. Wir kennen die 'Türkerien'<br />

der Venezianischen Schule des 15. und 16. Jahrhunderts. Aufgrund der historischen<br />

und wirtschaftlichen Lage Venedigs war diese Stadt prädestiniert, die Einflüsse des Orients,<br />

für den die Türkei damals noch stellvertretend stand, auch in der Kunst zu verarbeiten.<br />

Von Orientalismus im strengen Sinne kann man hier sicher nicht sprechen, wie man auch<br />

den exotischen Gemälden des 17. und 18. Jahrhunderts gegenüber mit diesem Begriff vorsichtig<br />

sein muss. Hatte man sich zunächst am Exotischen delektiert und eine gewisse Neugier<br />

dafür entwickelt, so brachten der Barock und das Rokoko einen anderen Aspekt innerhalb<br />

der Beschäftigung mit dem Orient ein, nämlich ein mehr topographisches Interesse.<br />

Wichtig in diesem Zusammenhang ist eine Veränderung der geistigen Haltung gegenüber<br />

dem Orient. Versicherte doch im Jahre 1708 Simon Ockley, Professor für Arabisch an der<br />

University of Cambridge, dass der Okzident dem Orient keineswegs überlegen sei. Dies bedeutete<br />

die Abkehr om Orientalischen als dem Exotisch-Spielerischen und ermöglichte erstmals<br />

eine ernsthaftere Auseinandersetzung mit dem Unbekannten, das nicht mehr von vorn-


herein als Kuriosität abgetan wurde.<br />

- 28 -<br />

Nichtsdestotrotz dauerte es bis zum 19. Jahrhundert, bis man das alltägliche Leben des Orients<br />

entdeckte und den Wunsch entwickelte, von hier aus einem Verständnis des jeweiligen<br />

Landes näher zu kommen. Erst im frühen 19. Jahrhundert kann man von <strong>einer</strong> Begegnung<br />

der westlichen Künstler mit dem Orient sprechen.<br />

Zahlreiche Gründe sind daran mitbeteiligt. Die Napoleonischen Kriege brachten in ihrem Gefolge<br />

zahlreiche Künstler nach Ägypten, deren dort entstandene Werke in Paris mit großem<br />

Interesse aufgenommen wurden wie auch die in Ägypten erbeuteten und nach Paris geschafften<br />

Kunstschätze. Die verstärkten diplomatischen Beziehungen zu Ländern des Orients<br />

wie die zunehmend zahlreicher werdenden Handelskontakte zu fernen Ländern, die<br />

Passion der Romantiker für das Reisen sowie die romantische Literatur hatten einen entscheidenden<br />

Anteil daran, dass eine Begegnung mit dem Orient verstärkt stattfinden konnte.<br />

Den entscheidenden Schritt jedoch stellte die Eroberung Algeriens durch Frankreich im Jahre<br />

1830 dar und die damit verbundene Besiedelung durch Franzosen. Die zunehmende Erleichterung<br />

der Reisemöglichkeiten ließen die Zahl der in ferne Länder reisenden Künstler<br />

sprunghaft anwachsen. In der Publikumsgunst stiegen die Orientalisten derart, dass man um<br />

1870-1890 von dem absoluten Höhepunkt der orientalistischen Kunst sprechen kann. Dies<br />

spiegelte sich nicht nur in der Wertschätzung der <strong>Maler</strong>ei seitens der Bourgeoisie wieder,<br />

sondern auch in der gesamten Lebensart. Salons, Ateliers wurden 'à la sultan' ausgestattet.<br />

Dabei hatten die Weltausstellungen einen großen Anteil an dieser Begeisterung.<br />

In der Rezeption ist von der Wende zum 20. Jahrhundert ab ein Nachlassen des Interesses<br />

am Orient zu verzeichnen, während die Kontinuität der künstlerischen Betätigung aber noch<br />

weit ins 20. Jahrhundert hinein ungebrochen fortbesteht. Allerdings sind dann wieder starke<br />

Veränderungen in der Einstellung der Künstler zum Orient zu verzeichnen, was aber noch<br />

eigens <strong>einer</strong> Untersuchung wert wäre.<br />

1.2.1. <strong>Der</strong> Orientalismus im 19. Jahrhundert<br />

Durch zahlreiche politische Ereignisse wurde das allgemeine Interesse zu Beginn des 19.<br />

Jahrhunderts verstärkt auf den Orient gelenkt.<br />

1798/99 fiel Napoleon in Ägypten ein, um einen ersten Schritt gegen die koloniale Vorherrschaft<br />

Englands zu unternehmen. 1804 beseitigte Mohamed Ali endgültig die Mamelucken-<br />

Herrschaft in Ägypten und schuf ein modernes Staatswesen.<br />

1820 erhob sich Griechenland gegen die türkische Fremdherrschaft, ein Kampf, der von den<br />

Romantikern, allen voran Byron, als Symbol für den Freiheitskampf schlechthin gesehen<br />

wurde.<br />

Diese Ereignisse führten dazu, dass man die Bedeutung des Orients für das Abendland, zunächst<br />

nur in realpolitischer, schließlich aber auch in kultureller Hinsicht, begriff. Sie forderten<br />

ein besseres Kennenlernen der fernen Länder geradezu heraus. Und so war auch innerhalb<br />

der bildenden Künste eine Haltung, wie sie der Exotismus vorausgegangener Jahrhunderte<br />

gepflegt hatte, nicht mehr möglich. Dies beschränkte sich aber keineswegs auf Künst-


- 29 -<br />

ler, sondern hatte bald zur Folge, dass der Typ des englischen Reisenden in aller Welt bekannt<br />

wurde. Treten doch bereits im Jahre 1800 das Wort 'Tourist' und elf Jahre später der<br />

Begriff 'Tourismus' in den Wörterbüchern auf 18 . 1869 bot Thomas Cook die erste Gesellschaftsreise<br />

nach Ägypten an 19 , in den siebziger Jahren veranstaltete er die erste Gruppenreise<br />

um die Welt 20 .<br />

Motor dieser sich ausbreitenden Reiselust waren die Dichter der Romantik, wie Enzensberger<br />

sehr treffend bemerkt: "Autoren wie Gray und Wordsworth; Coleridge und Byron; Rousseau<br />

und Chateaubriand; Seume und Eichendorff, Tieck und Wackenroder, Chamisso und<br />

Pückler haben die Freiheit, die unter der Wirklichkeit der beginnenden Arbeitswelt und an der<br />

politischen Restauration zu ersticken drohte, im Bilde festgehalten. Ihre Einbildungskraft hat<br />

die Revolution gleichzeitig verraten und aufbewahrt. Sie verklärte die Freiheit und entrückte<br />

sie in die Ferne der Imagination, bis sie räumlich zum Bilde der zivilisationsfernen Natur, zeitlich<br />

zum Bilde der vergangenen Geschichte, zu Denkmal und Folklore gerann. Dies, die unberührte<br />

Landschaft und die unberührte Geschichte, sind Leitbilder des Tourismus bis heute<br />

geblieben" 21 .<br />

Aus dieser Entwicklung her lässt sich auch die wachsende Zahl der Künstler, die die Länder<br />

rings um das Mittelmeer bereisten, erklären. In der Folge des Jahrhunderts brachte der Imperialismus<br />

der europäischen Großmächte durch den Erwerb zahlreicher Kolonien in aller<br />

Welt einen ungeheuren Anstieg des Interesses am Exotischen.<br />

Eine entscheidende Rolle bei der Verbreitung fremder Kultur spielten dabei die Weltausstellungen.<br />

So wird z. B. der Einzug des japanischen Holzschnittes in Europa vielfach in Verbindung<br />

gebracht mit der Londoner Weltausstellung von 1862 22 . Die Weltausstellungen, die<br />

dem "...Triumph der von Menschen gemachten und auf den Menschen bezogenen Welt" 23<br />

darstellen, erheben den Anspruch, die gesamte Welt darzustellen, und sei es auch nur als<br />

deren schöner Schein. "Da man die ganze Welt an einem Punkt zusammenführt, erspart der<br />

Besuch <strong>einer</strong> Weltausstellung die Weltreise" 24 . Dazu gehörte natürlich, dass auch die jeweiligen<br />

Kolonien der einzelnen Länder einbezogen waren. Dies geschah wohl am eindrucksvollsten<br />

auf der Weltausstellung in Paris 1900 25 . Vom Trocadéro, das im maurischen Stil erbaut<br />

worden war, erstreckten sich über den Champs de Mars die Pavillons der verschiedenen<br />

Kolonien und boten Produkte der jeweiligen Länder an. Algerische Cafés, ein algerischer<br />

Basar, der Palast von Tunis, indische Tempel, neuguineische Hütten, die Nachbildung <strong>einer</strong><br />

kambodschanischen Pagode, ein Village Laotien, ein chinesisches Tor und zahlreiche weitere<br />

Bauten sollten dem Besucher einen Eindruck von außereuropäischer Kultur vermitteln.<br />

Neben Industrie- und Landwirtschaftserzeugnissen wurden auch kunsthandwerkliche Erzeugnisse<br />

und Kunstgegenstände der verschiedenen Kulturen gezeigt. Inwieweit damit ein<br />

Verständnis der fremden Kulturen vermittelt wurde, sei dahingestellt.<br />

In gewissem Sinn fanden die Weltausstellungen, deren Bedeutung mit dem Beginn des 20.<br />

Jahrhunderts schlagartig nachließ, eine Fortsetzung in den Kolonialausstellungen, die 1906<br />

und 1925 in Paris, 1907 und 1922 in Marseille, 1928 in Straßburg und 1931 in Vincennes<br />

stattfanden 26 . Allerdings war bei diesen Ausstellungen der Anteil der <strong>Maler</strong>ei, speziell der der<br />

Orientalisten, größer, als es bei den Weltausstellungen der Fall gewesen war.<br />

Trugen diese Faktoren mehr zu <strong>einer</strong> indirekten Förderung des Orientalismus bei, indem vor<br />

allem das Interesse des Publikums geweckt wurde und damit die Nachfrage nach exotischen,<br />

nach orientalischen Gemälden zusehends wuchs, so gab es auch direkte Förderung<br />

des Orientalismus. Ab 1893 stellten die Orientalisten im eigenen Salon der Société des<br />

Peintres Orientalistes Français aus 27 , deren Ehrenvorsitzende Jean Léon Gérôme und Ben-


- 30 -<br />

jamin Constant waren. Bis mindestens in die dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts fand dieser<br />

Salon statt 28 . Von staatlicher Seite wurden Künstler ermutigt, in ferne Länder zu reisen.<br />

Stipendien und Aufträge zur Ausschmückung öffentlicher Gebäude sowie die Ernennung von<br />

offiziellen Künstlern, die die politischen und sozialen Ereignisse illustrieren sollten, waren<br />

Anreize, die vom Kolonialministerium und vom Ministerium der Künste ausgingen 29 .<br />

1.3. <strong>Der</strong> Orientalismus in Algerien<br />

War bei den französischen Künstlern Nordafrika das beliebteste Reiseziel, so hatte Algerien<br />

darin noch einmal eine Vorrangstellung. Dies ist sehr leicht historisch zu begründen. 1830<br />

wurde Algerien von Frankreich erobert, 1847 waren die letzten Aufstände niedergeschlagen<br />

worden und Algerien wurde als Protektorat kolonialisiert. Eine Einwanderungswelle setzte<br />

ein, die Zahl der in Algerien ansässigen Franzosen stieg zwischen 1847 und 1872 von<br />

28.000 auf 240.000 30 . Somit war Algerien die am besten erschlossene der französischen<br />

Kolonien und recht gut zu bereisen.<br />

Horace Vernet, Adrien Dauzats, Auguste Raffet und Felix Phillipotaux wurden beauftragt, die<br />

militärischen Erfolge im Bild festzuhalten und damit das Publikumsinteresse zu wecken. Diesen<br />

Pionieren folgten bald die romantischen <strong>Maler</strong> Barye, Auguste, Géricault und Delacroix<br />

31 .<br />

Drei weitere <strong>Maler</strong> bestimmen diese 'klassische' Zeit des Orientalismus: Theodore Chassériau,<br />

Eugene Fromentin und Alfred Dehodencq. Chassériau malte melancholische Gesichter<br />

der Araber, seine Frauen scheinen wie in ferner Traumlandschaft zu leben. Fromentin malte<br />

die Reiter und die Landschaft der Sahara und der Sahel in Halbtönen, wobei ihn vor allem<br />

das Problem des hellen Lichts beschäftigte. In Dehodencqs Bildern verbindet sich die Glut<br />

der Romantik mit einem detailgetreuen Realismus. Doch hatten diese drei <strong>Maler</strong> trotz ihrer<br />

Originalität keinen überwältigenden Erfolg beim Publikum.<br />

Diesen Erfolg errangen dagegen die sogenannten 'Neokoloristen' 32 , allen voran Gabriel-<br />

Alexandré Decamps, dem bald Theodore Frère, Felix-François-George Philibert Ziem, Mariano<br />

Fortuny, Charles Emile Tournemine, Narcisse Berchère, Narcisse Virgile Diaz de la Pena<br />

und Adolphe Monticelli (die beiden letztgenannten waren niemals im Orient) folgten. Sie<br />

benutzten kräftige, starke Farben, gelb, rosa, azurblau und schwarz, sie malten postkartenhafte<br />

Landschaften, die die sengende Mittagshitze und den Abendhimmel gern in knalligen<br />

Farben darstellten 33 .<br />

Waren diese Bilder, was die Authentizität der jeweils dargestellten Landschaft betrifft, genau<br />

so weit von der Realität entfernt wie s<strong>einer</strong>zeit die Türkerien, so hinderte das nicht, dass sie<br />

äußerst zahlreich auf den Salons zwischen 1850 und 1870 erschienen, zum Entzücken des<br />

Publikums.<br />

"La manie de l'Orientalisme a tout envahi; avec un narghilé, quelques pipes en sautoir et son<br />

pan d'étoffe algérienne plus ou moins authentique, chacun s'est mis dans son coin de faire<br />

l'Orient et de la couleur ... nous finirons par connaître Smyrne, Alger et Constantinople aussi<br />

bien que la rue Saint-Honore" 34 , schreibt F. de Lagenvais 1849 in <strong>einer</strong> Salonkritik.<br />

Gegen 1870 ließ diese Richtung nach zugunsten <strong>einer</strong> mehr exakten Darstellungsweise,<br />

etwa eines Gérôme. Die Künstler malten Szenen des täglichen Lebens, und mit dem Ver-


- 31 -<br />

such, in den Geist des Islam einzudringen, erreichten sie eine Neubelebung des Orientalismus.<br />

Alexandré Bida, Maurice Bompard, Frédérick Bridgman, Alfred Chataud, J.F. Bouchor,<br />

George et Charles Landelle, Armand Point, Charles Cottet, Marius Perret, Victor Prouvé,<br />

Henry Wallis, Frank Brangwyn und vor allem Gustave Guillaumet waren die hervorragendsten<br />

Vertreter dieser Richtung. Eine vibrierende, klarfarbige Palette, verbunden mit <strong>einer</strong> differenzierten<br />

Behandlung des Schattens, ist ihnen gemeinsam 35 . Hierin berühren sie sich mit<br />

den Impressionisten, die ebenfalls vom Licht und der Farbe Nord-Afrikas fasziniert waren,<br />

deren Modelle jedoch Pariserinnen in orientalischem Kostüm blieben 36 .<br />

Gérôme war innerhalb dieser Richtung der bei weitem erfolgreichste Künstler. Er sah den<br />

Orient mit den Augen eines Historikers und Archäologen; seine Bilder, die in ihrer Genauigkeit<br />

an photographische Wiedergaben, die damals aufkamen, grenzen, bekommen dadurch<br />

allerdings leicht etwas Statisches.<br />

Nichtsdestoweniger wurde er aber von seinen Schülern wie vom Publikum außerordentlich<br />

verehrt 37 . Als in s<strong>einer</strong> Nachfolge stehend können zwei weitere sehr erfolgreiche und bekannte<br />

Orientalisten begriffen werden: Ludwig Deutsch (1855-1930) und Etienne Dinet<br />

(1861-1929).<br />

Etienne Dinet, der lange Zeit in Bou-Saada lebte, interessierte das Land nicht in erster Linie<br />

vom malerischen Aspekt her. Er versuchte vielmehr, den Sitten und Gebräuchen des Landes<br />

näher zu kommen, seinen Geist zu erfassen. Dies gipfelte in der Konversion zum Islam und<br />

dem Annehmen eines islamischen Namens. Nach islamischem Ritus wurde er schließlich in<br />

Bou-Saada begraben. "C'est sa conviction, sa foi, sa probité, l'amour ardent de son art et de<br />

ses sujets, qu'il s'est donné mission de peindre qui ont fait de Dinet une figure personnelle et<br />

exceptionnelle. A aucun moment il n'a cherché ni le succès ni le profit. Il a porte dans son art<br />

comme dans sa vie un désintéressement, une dignité, un haut esprit de conduite qui ont fait<br />

de lui, dans la plus noble acception du mot, un homme et un artiste". So wurde er 1903 von<br />

Leonce Bénédite charakterisiert 38 .<br />

Abgesehen von der öffentlichen Unterstützung, die den Orientalisten zuteil wurde, wie im<br />

vorigen Kapitel erwähnt wurde, war der Orientalismus - auch was die Kontakte der Künstler<br />

untereinander angeht - keine Sache von reinen Individualisten, die ohne gegenseitige Kontakte,<br />

ohne Austausch gearbeitet hätten. So gab es nicht nur die schon genannten Organisationen<br />

in Frankreich, sondern gerade in den betreffenden Ländern bildeten sich Gesellschaften,<br />

Akademien etc. 1897 entstand analog zur französischen Gesellschaft die Société<br />

des peintres orientalistes algériens. Sie hatten zur Société des peintres Orientalistes français<br />

enge und gute Beziehungen 39 .<br />

1906 oder 1907 40 wurde die Villa Abd-el-Tif in Algier gegründet. Dies war eine Art Villa Medici<br />

des Orients, wo Stipendiaten eigene Ateliers hatten, um zu arbeiten. Die Künstler wohnten<br />

dort und erfuhren durch die Villa Abd-el-Tif zahlreiche Anregungen. Eine Bibliothek war vorhanden,<br />

regelmäßig wurden kl<strong>einer</strong>e Ausstellungen veranstaltet. Außerdem verteilte diese<br />

Institution Stipendien, die für Reisen in den Süden Algeriens bestimmt waren. Die Villa Abdel-Tif<br />

war in gewissem Sinn ein Kristallisationspunkt der Nordafrika-<strong>Maler</strong>ei, so dass man<br />

durchaus von <strong>einer</strong> nordafrikanischen Schule sprechen kann, deren Kern diese Institution<br />

bildete 41 . Als deren Begründer kann Marc-Alfred Chataud angesehen werden 42 . Auch die<br />

algerischen Museen sowie die Ecole des Beaux-Arts hatten am Entstehen dieser nordafrikanischen<br />

Schule entscheidenden Anteil. Jedoch konnte diese Schule bald nur zweitrangige<br />

Künstler anziehen bzw. hervorbringen, die Bilder der verschiedensten Sujets und zahllose<br />

Landschaften lieferten 43 . Die Zeilen, die Theophile Gautier 1861 schrieb, treffen vierzig Jahre


- 32 -<br />

später nicht mehr zu, sie provozieren ein gewisses Lächeln: "Des utilitaires peuvent dire que<br />

l'Algérie ne sert à rien et ne rapporte pas assez à la France. Quant à nous qui ne sommes<br />

pas économistes, nous l'aimons car elle a fourni un contigent à l'art. Elle lui a procuré un<br />

élément nouveau. Le voyage d'Algérie devient pour les peintres aussi indispensable que le<br />

pèlerinage en Italie. Ils vont la apprendre le soleil, étudier la lumière, chercher des types originaux,<br />

des mœurs, des attitudes primitives et bibliques" 44 . Zwar reisten die Impressionisten<br />

weiterhin nach Algerien, sie wurden deshalb aber nicht zu Orientalisten. Eine Ansicht Algiers<br />

von Lebourg zum Beispiel unterscheidet sich nicht wesentlich von <strong>einer</strong> s<strong>einer</strong> Ansichten Le<br />

Havres.<br />

Bei den Reisen in den Süden Algeriens, die mitunter nicht ganz ungefährlich waren - vor<br />

allem zu Beginn der siebziger Jahre gab es zahlreiche Aufstände der Araber, vereinzelte<br />

Überfälle auf Reisende gab es bis 1910 45 -, waren die Städte Biskra und Bou-Saada die<br />

wichtigsten Stationen. Dort trafen sich zahlreiche Künstler teils zu längeren Aufenthalten.<br />

Biskra, rund 150 km südöstlich von Bou-Saada gelegen, war der größere Ort, der auch aufgrund<br />

s<strong>einer</strong> exponierten Lage mehr Künstler anzog. In Bou-Saada lebten um 1900 etwa 50<br />

Europäer, von den französischen Truppen abgesehen, vornehmlich Künstler. Sie wurden als<br />

eher konservativ angesehen, der Akademie mehr verhaftet als die Künstler in Biskra 46 .<br />

Soviel also zum Orientalismus in Algerien. Es handelte sich also keineswegs um eskapistische<br />

Tendenzen einzelner <strong>Maler</strong>, wie man aufgrund des Forschungsstandes und dem wenigen<br />

Material, das hierzu vorliegt, vermuten könnte. Vielmehr bestand eine Tradition, die weit<br />

zurückreicht, um die Mitte des 19. Jahrhunderts ihren Höhepunkt erreichte und hinsichtlich<br />

der künstlerischen Betätigung bis zum Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts ungebrochen<br />

anhielt, deren Fortsetzung noch in die Gegenwart reicht. Es lassen sich verschiedene Richtungen<br />

innerhalb des Orientalismus unterscheiden, sowohl in zeitlicher Abfolge, wie auch die<br />

<strong>Maler</strong>ei in verschiedenen Gegenden sehr unterschiedliche stilistische Merkmale aufweist.<br />

Generell kann aber gesagt werden, dass mit dem Fortschreiten des 19. Jahrhunderts eine<br />

gewisse Verflachung des Orientalismus eintritt. Statt neue Impulse zu geben, wie dies noch<br />

zu Zeiten Delacroix' der Fall war, wandelte sich der Orientalismus eher zu einem künstlerischen<br />

Antagonismus. Die <strong>Maler</strong> stehen eher im Gegensatz zu den weiterführenden künstlerischen<br />

Bestrebungen und verharren in einem Stil, der der Salonmalerei und dem Akademie-<br />

Stil verpflichtet ist und dem sie nur scheinbar aufgrund des fremd erscheinenden Bildthemas<br />

zu entrinnen glauben.<br />

2. Die afrikanischen Bilder <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong>s<br />

Die afrikanischen Bilder <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong>s, die zwischen 1910 und 1914 entstanden - die Bilder aus<br />

der Gefangenschaft werden in dieser Gruppe nicht berücksichtigt -, lassen sich in fünf thematische<br />

Gruppen einteilen.<br />

1. Monumentale Darstellungen von Einzelpersonen oder Personengruppen.<br />

Zwar sind in den meisten afrikanischen Bildern Personen. dargestellt, doch ist deren Rolle im<br />

Bildganzen sehr verschieden. Hier geht es um Darstellungen, bei denen die Einzelfigur oder<br />

eine Gruppe von zwei oder drei Personen zum beherrschenden Bildgegenstand wird. Landschaft<br />

oder Architektur, soweit sie überhaupt im Bild erscheinen, spielen keine entscheidende<br />

Rolle.


- 33 -<br />

2. Gruppenszenen. Markt- oder Arbeitsszenen, bei denen mehrere Personen dargestellt<br />

sind, die in Handlung begriffen sind.<br />

Hier geht es um eines der beliebtesten Themen des Orientalismus. Im Gegensatz zu den<br />

Bildern der ersten Gruppe befinden sich die Personen in Handlung. Entscheidend ist nicht<br />

das Bildnis <strong>einer</strong> Person, sondern der Handlungskontext, in welchem sie sich befindet, der<br />

somit auch ein Teil der kulturellen Umwelt, in die die Menschen eingebunden sind, darstellt.<br />

3. Darstellungen und Ansichten aus Afrika, bei denen die Architektur die vorrangige Rolle<br />

innerhalb des Bildes einnimmt.<br />

In dieser Gruppe sind recht unterschiedliche Bilder zusammengefasst. Gemeinsam ist allen,<br />

dass sie innerhalb oder in unmittelbarer Nähe bewohnter Orte entstanden sind. Menschen<br />

mit der von ihnen geschaffenen Umwelt bilden das generelle Thema der Bilder dieser Gruppe.<br />

Die Akzente liegen einmal mehr auf der Architektur, ein andermal mehr auf der Einheit<br />

von Architektur und der sie bewohnenden Menschen. Die Tendenz zur Verabsolutierung der<br />

Architektur scheint sich in den späteren Bildern dieser Gruppe abzuzeichnen.<br />

4. Reiterszenen.<br />

Obwohl auch diese Gruppe nur wenige Beispiele umfasst, soll sie doch als eigenständige<br />

behandelt werden, nicht zuletzt deshalb, weil es sich auch hier um eines der traditionellen<br />

Themen des Orientalismus handelt. Außerdem werden hier interessante kompositionelle<br />

Lösungen erreicht, was sicherlich mit dem Bildthema zusammenhängt.<br />

5. Landschaftsdarstellungen. Gartenszenen.<br />

Im Gegensatz zu den Bildern der vorhergegangenen vier Gruppen werden hier größere Ausschnitte<br />

aus der Alltagswelt des Orients gezeigt. An Stelle begrenzter Themen, die jeweils<br />

einen bestimmten Aspekt der Wirklichkeit betrachten, handelt es sich hier um 'allgem<strong>einer</strong>e'<br />

Bilder, aus denen das anekdotische Element von vornherein ausgeklammert ist. Die meisten<br />

Bilder dieser Gruppe zeigen Ausschnitte aus den Oasisgärten. Teilweise sind sie mit Personen<br />

belebt, teilweise ist Architektur der Stadt im Hintergrund sichtbar. Im Gegensatz zu den<br />

Bildern der Gruppe 3 nimmt hier aber die Natur entweder absolut oder in Verbindung mit<br />

Menschen die vorrangige Stellung ein. Sind in einzelnen Bildern Personen dargestellt, so geschieht<br />

das niemals in solch monumentaler bildbeherrschender Weise wie das bei den Bildern<br />

der ersten Gruppe der Fall ist, vielmehr sind sie in die Natur eingebunden.<br />

2.1. Monumentale Darstellung von Einzelpersonen oder Personengruppen.<br />

In dieser Gruppe sind folgende Bilder zusammengefasst: Kat. Nr. 60 Abb. 32, Kat. Nr. 37<br />

Abb. 20, Kat. Nr. 38 Abb. 21, Kat. Nr. 39, Kat. Nr. 40 Abb. 22, Kat. Nr. 41, Kat. Nr. 42, Kat.<br />

Nr. 50 Abb. 28, Kat. Nr. 57 Abb. 31, Kat. Nr. 58, Kat. Nr. 61 Abb. 33.<br />

Das früheste Bild dieser Gruppe dürfte zweifellos das 'Bildnis eines Arabers', Kat. Nr. 60<br />

Abb. 32, sein. Innerhalb der afrikanischen Bilder ist dieses Bild ungewöhnlich sowohl hinsichtlich<br />

der Komposition als auch in Bezug auf die Farbigkeit.<br />

Zeigen alle anderen Bilder dieser Gruppe die dargestellten Personen im Freien, so scheint<br />

diese Figur in einem Innenraum zu stehen. <strong>Der</strong> Hintergrund ist durch eine Tapete oder einen<br />

Vorhang gebildet und somit dem Betrachter verschlossen, wie dies in den in München und<br />

Paris entstandenen Portraits der Fall war. <strong>Der</strong> etwa vierzigjährige Mann, der in halber Figur


- 34 -<br />

sichtbar ist, wurde aus dem Bildzentrum an den rechten Rand gerückt, den er berührt. <strong>Der</strong><br />

Körper ist diagonal nach rechts gedreht, der Kopf ein wenig in Gegenrichtung, so dass er im<br />

Dreiviertelprofil sichtbar wird. <strong>Der</strong> Blick des Mannes geht aber nicht aus dem Bild heraus:<br />

sondern ruht unter den halb geschlossenen Lidern. Die Person ist mit einem weißen Burnus<br />

bekleidet. <strong>Der</strong> Hintergrund, in der Mitte ein breiter dunkelgrüner Streifen, der von hellen<br />

blauen Randstreifen gerahmt wird, der linke etwas breiter und heller als der rechte, trägt den<br />

Schatten, der durch die starke Beleuchtung der Figur von vorne entsteht. Dieser Schatten<br />

stellt das Gleichgewicht zu der nach rechts verschobenen Figur her. Die Farbe ist recht dunkel<br />

und stumpf: schmutziges Weiß, dunkles Grün, von Blau und Grau durchsetzt, das Blau<br />

ist von Rot und Grün durchbrochen.<br />

Das Bildnis eines Arabers Kat. Nr. 61 Abb. 23 dürfte ebenfalls zu den zu Beginn des Afrika-<br />

Aufenthaltes entstandenen Bildern zu rechnen sein. Seine vorherrschenden Farben: dunkles<br />

Grün, dunkles Rosa-Braun und Weiß rücken es in die Nähe des zuvor besprochenen Bildes.<br />

Gleichzeitig ist es mit dieser Farbigkeit weit von den 1912/13 datierten Bildern entfernt.<br />

In einem Garten, umgeben von Bäumen, steht ein Araber im weißen Burnus. Er hält die Arme<br />

verschränkt, sein rechter Arm ist etwas höher erhoben, so dass sich der Burnus ausbreitet<br />

und die Figur eine leicht tänzerische Haltung gewinnt. In die rechte obere Bildecke<br />

ragt ein belaubter Ast hinein. <strong>Der</strong> Hintergrund wird durch Bäume in hellerem und dunklerem<br />

Grün gebildet. Auf dem Boden bilden Grasstellen, rosafarbenes Erdreich und die Schatten<br />

der Bäume ein bewegtes Spiel verschieden heller Flecken und sind stark an der Bildung von<br />

Tiefenraum beteiligt.<br />

Das Motiv der ins Bild hineinragenden Baumkrone, das schon in 'Le parc', Kat. Nr. 22 Abb.<br />

11, verwandt wurde, tritt innerhalb der afrikanischen Bilder nur noch in Kat. Nr. 62 Abb. 34<br />

auf, das auch in der Gesamtfarbigkeit ähnlich ist und wohl ebenfalls um 1910 entstand.<br />

Eng verwandt sind die Bilder 'Mussa', Kat. Nr. 38 Abb. 21, und 'Zwei Araber', Kat. Nr. 37<br />

Abb. 20, beide 1911 entstanden. In beiden Fällen sitzen Figuren auf einem Hügel, bildbeherrschend<br />

als Herrscher über das Land.<br />

'Mussa', Kat. Nr. 38 Abb. 21, sitzt auf einem Hügel, der von rechts unten wellend ansteigt<br />

und das untere Bildviertel einnimmt. Er sitzt diagonal zur Bildebene, das rechte Bein angezogen,<br />

das linke ausgestreckt. Sein Kopf ist leicht nach rechts gedreht, so dass er aus dem<br />

Bild schaut. Mit zugekniffenen Augen und geöffnetem Mund blickt er gegen die Sonne. Seine<br />

Hände ruhen auf den Stiefelschäften, der Kopf ist in ein weißes Tuch eingebunden. Stiefel,<br />

Obergewand und Inkarnat sind aus verschiedenen Ockertönen gebildet, dazu kontrastieren<br />

die blauen Hosen sowie der weiße Turban und die weißen Manschetten. <strong>Der</strong> Dargestellte ist<br />

vor den blauen Himmel gesetzt, der Hintergrund ist rosa-gelb. Beidseitig wachsen niedrige<br />

Grünpflanzen. <strong>Der</strong> Untergrund, auf der die Figur sitzt, wie auch der den Hintergrund bildende<br />

Himmel sind sehr flächig gemalt. Eine Raumtiefe ist kaum entwickelt. Auf diese Weise wird<br />

der junge Araber äußerst direkt monumental präsentiert. Unterstrichen wird dies durch starke<br />

Untersicht, die Figur scheint gleichsam über dem Betrachter zu thronen. Die Figur erscheint<br />

äußerst plastisch gestaltet auf <strong>einer</strong> Fläche, von der sie sich außerdem durch die starke Farbigkeit<br />

des Ocker-Gelb scharf abhebt. Schließlich betont der Ausschnittscharakter des Bildes<br />

diese Monumentalität der Darstellung. Die Vegetation zu beiden Seiten sowie der Hügel sind<br />

stark angeschnitten. Das Bildbestimmende ist die Figur in ihrer Selbständigkeit.<br />

<strong>Der</strong> Aufbau von 'Zwei Araber', Kat. Nr. 37 Abb. 20, ist etwas differenzierter. Sie sitzen hintereinander<br />

gestaffelt in der Bilddiagonalen, wobei der vordere, mehr zur Frontalität hin gedreht,


- 35 -<br />

den hinteren, der mehr in Seitenansicht erscheint und etwas höher platziert ist, leicht verdeckt.<br />

Die nach links abgetreppte Anhöhe, auf der die Beiden sitzen, erstreckt sich in die<br />

Bildtiefe, um plötzlich abzubrechen und um den Blick auf eine Baumkrone und einen im Hintergrund<br />

noch sichtbaren Höhenzug freizugeben. Beide Personen sitzen mit angezogenen<br />

Beinen, auf denen die verschränkten Arme ruhen, eingehüllt in weiße Burnusse. Sie bekommen<br />

dadurch eine Blockhaftigkeit, die an ägyptische Würfelhocker erinnert.<br />

Im Gegensatz zum vorigen Bild Kat. Nr. 38 Abb. 21 sind hier weder die Gegensätze von Flächigkeit<br />

und Plastizität so stark ausgeprägt, noch sind starke Farbkontraste verwendet. Ocker,<br />

Weiß und Rosa sind die Farben, die sanft aufeinander abgestuft das Bild beherrschen.<br />

Einen Akzent bildet die Baumkrone im linken Hintergrund. <strong>Der</strong> Himmel ist in zartem Blau<br />

gehalten.<br />

Allerdings ist auch hier der Ausschnittscharakter des Bildes betont, die Untersicht wiederum<br />

verwandt. Die Figuren sitzen auf der Bilddiagonalen, die von links unten nach rechts oben<br />

führt. Parallel dazu fällt der Hügel steil ab, auch der Anstieg des Hügels vollzieht sich auf<br />

dieser Linie.<br />

Wurde im Bild 'Mussa', Kat. Nr. 38 Abb. 21, auf Modellierung durch Beleuchtung verzichtet,<br />

so ist das Licht hier entscheidend an der Modellierung der Personen und des Untergrundes<br />

beteiligt. Es fällt von links ein und beleuchtet einen Teil des Burnus der vorderen Person,<br />

lässt deren größeren Teil im Dunkel. <strong>Der</strong> Schatten, den die Figur wirft, fällt rechts von ihr auf<br />

den Boden.<br />

Die Monumentalität dieses Bildes wird im wesentlichen durch die Blockhaftigkeit der plastischen<br />

Figuren, die fast den gesamten Bildraum füllen, und durch die starke Untersicht gebildet.<br />

Das nächste 1911 entstandene Bild dieser Gruppe Kat. Nr. 40 Abb. 22 ist ein Fragment.<br />

Rechts und oben stark beschnitten, muss es ursprünglich sehr viel größer gewesen sein.<br />

Lediglich links unten ist noch eine sitzende Figur vollständig zu sehen. Aufgrund der Portraitähnlichkeit<br />

wird es sich um Mussa, den Boy, der in Diensten des Künstlers stand, der auch<br />

im Bild Kat. Nr. 38 Abb. 21 dargestellt ist, handeln, Bei dem Fragment muss es sich ursprünglich<br />

um eine mindestens drei Personen umfassende Komposition gehandelt haben.<br />

Die Ölskizzen Kat. Nr. 41 und 42 zeigen in etwas kl<strong>einer</strong>em Maßstab die sich nach links lehnende<br />

Figur, von der noch ein Teil des Kopfes zu sehen ist, und die rechts stehende, von der<br />

ein Fuß und ein Teil des Gewandes erhalten sind. Die Skizzen, die <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> offenbar öfters<br />

für solche Bilder anfertigte, stimmen mit dem Fragment derartig überein, wie schon die kleinformatige<br />

Skizze Kat. Nr. 39 mit dem ausgeführten Gemälde Kat. Nr. 38 Abb. 21.<br />

Auch bei dieser Figur fällt die Kompaktheit ins Auge. In einen Burnus gehüllt, sitzt sie mit<br />

angezogenen Beinen gegen eine Wand gelehnt, die diagonal in die Bildtiefe verläuft. <strong>Der</strong><br />

Kopf ist ein wenig gedreht, so dass der junge Mann aus dem Bilde herausschaut, mit offenem<br />

Mund und zusammengekniffenen Augen, ganz ähnlich wie das in Kat. Nr. 38 Abb. 21<br />

der Fall ist.<br />

In diesem Bilde herrschen sehr helle Farben vor. <strong>Der</strong> Burnus der sitzenden Figur ist weiß,<br />

die Burnusse der beiden anderen Figuren weiß und hellblau. <strong>Der</strong> Boden und die Wand, die<br />

als Lehne dient, sind in sehr hellem Rosa bzw. Ocker gehalten, beide eher weiß als farbig.<br />

Sehr differenziert farbig sind die Schatten gemalt. Das Licht fällt von oben ins Bild, so dass


- 36 -<br />

sich schöne Schatten durch die Falten des weißen Burnus bilden, die in Blau und Ocker wiedergegeben<br />

sind. Dieselben Farben, etwas dunkler, bilden den Schatten auf dem Boden<br />

links von der Figur. In diesem Bild tritt erstmalig die ausgesprochen helle Farbe auf, die für<br />

die spätere Palette <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong>s so bezeichnend werden soll, mit deren Hilfe das unwahrscheinlich<br />

helle Licht Afrikas und die sengende Hitze anschaulich gemacht werden sollen.<br />

In dem Bild 'Junger Araber', Kat. Nr. 57 Abb. 31, 1913, wird nochmals die monumentale Darstellung<br />

<strong>einer</strong> Einzelfigur verwirklicht. Von seinen Ausmaßen her (135 : 161 cm) ist es das<br />

größte der afrikanischen Bilder. Auf <strong>einer</strong> Anhöhe, in Untersicht gesehen, steht die Figur<br />

leicht aus dem Bildzentrum nach links verschoben in Dreivierteldrehung, in einen weißen<br />

Burnus gehüllt, der nur das Gesicht freigibt und ihn im Dreiviertelprofil zeigt. Die sich von<br />

beiden Seiten her schräg in die Bildtiefe erstreckende Anhöhe wird von niedriger Vegetation<br />

begrenzt und fällt zum Hintergrund zu jäh ab. <strong>Der</strong> Blick geht auf eine sich in die Tiefe erstreckende<br />

Ebene, während links im Hintergrund ein Höhenzug sichtbar wird. Intensives Rosa,<br />

Blau und Weiß und wenig Grün beherrschen das Bild. <strong>Der</strong> Himmel ist fast in van Gogh'scher<br />

Manier gemalt, er entfaltet sich strahlenförmig in breiten nebeneinander liegenden Pinselstrichen<br />

von einem hellblauen Zentrum in der Bildmitte aus zu einem kräftigen Stahlblau, das in<br />

Kontrast zum rosafarbigen Vordergrund steht.<br />

Das Licht fällt von links oben hinter der Figur ein, so dass sie einen Schatten wirft, der sich<br />

zur vorderen rechten Bildkante erstreckt. Er ist in Blaugrau gemalt, wie auch die Schatten<br />

der Burnusfalten gemalt sind.<br />

Das Bild könnte als Synthese zweier Wege der Monumentaldarstellungen, wie sie Kat. Nr.<br />

37 Abb. 20 und Kat. Nr. 38 Abb. 21 darstellen, verstanden werden. Es wird die Reduktion auf<br />

wenige stark kontrastierende leuchtende Farben mit der Darstellung der Einzelfigur in Landschaft<br />

mit gewisser Tiefenwirkung versucht.<br />

Neu gegenüber den beiden vorhergehenden Bildern ist das Querformat. Wurden bisher fast<br />

quadratische Bildformate gewählt, was für die Darstellung sitzender Personen nicht ungewöhnlich<br />

ist, so ist das Querformat für eine stehende Einzelfigur nicht sehr nahe liegen. So<br />

ist auch aufgrund des Formates eine Zurücknahme der Direktheit, mit der die anderen Figuren<br />

präsentiert wurden, sowie der kaum noch vorhandene Ausschnittscharakter des Bildes<br />

zu erklären.<br />

Die Farbigkeit, die in Kat. Nr. 57 Abb. 31 auffällt, ist schon ein Jahr früher ausgeprägt gewesen.<br />

Das Bild Kat. Nr. 50 Abb. 28 aus dem Jahre 1912, das eine Monumental-Figur zeigt, die<br />

stark in die Landschaft eingebunden ist, weist dieselben intensiven Farben auf. Eine Rückenfigur<br />

in rosa-lila Mullah steht an einem Wasser loch, ganz in den Vordergrund gerückt.<br />

Rechts und links steigen Anhöhen an, im Hintergrund stehen Palmen. Kräftige Farben wie<br />

die des Gewandes und des Wassers, des Himmels und der Bäume kontrastieren mit dem<br />

hellen Rosa des Vordergrundes. Auch hier ist die Tiefenwirkung an Stelle der Flächigkeit<br />

betont. Doch im Gegensatz zu den bereits besprochenen Bildern ist diese Figur zwar motivisch<br />

in die Landschaft eingebettet, fällt aber aufgrund der Farbigkeit völlig aus ihr heraus.


- 37 -<br />

2.2. Gruppenszenen. Markt- oder Arbeitsszenen, bei denen mehrere Personen<br />

dargestellt sind, die in Handlung begriffen sind.<br />

In diese Gruppe gehören die Bilder Kat. Nr. 31 Abb. 16, Kat. Nr. 62 Abb. 34, Kat. Nr. 63 Abb.<br />

35, Kat. Nr. 64 Abb.36, Kat. Nr. 65 Abb. 37, Kat. Nr. 66 Abb. 38.<br />

Da Marktszenen zu den beliebtesten Darstellungen des Orientalismus gehörten, ist es erstaunlich,<br />

dass nur sechs Bilder aus dieser Gruppe erhalten sind.<br />

Mit Ausnahme von Kat. Nr. 31 Abb. 16 aus dem Jahre 1910 ist keines dieser Bilder datiert.<br />

Von den bei den großformatigen Bildern Kat. Nr. 62 Abb. 34 und Kat. Nr. 65 Abb. 37 ist nur<br />

das erstere vom Künstler signiert. Diese beiden Gemälde wie auch Kat. Nr. 31 Abb. 16 dürfen<br />

wohl als 'endgültige' Werke gelten, während die kleinformatigen Bilder im Verhältnis dazu<br />

ausgesprochen skizzenhaft wirken.<br />

Die Marktszene Kat. Nr. 62 Abb. 34 ist wohl recht früh entstanden, das heißt um 1910. Dies<br />

Bild fällt ähnlich aus dem gesamten Afrika-Werk heraus wie die schon erwähnten Bildnisse<br />

eines Arabers Kat. Nr. 60 Abb. 32 und Kat. Nr. 61 Abb. 33, und zwar hinsichtlich der Farbigkeit<br />

und der Komposition.<br />

Auf einem großen Platz sind elf Personen kreisförmig, teils stehend, teils sitzend, angeordnet.<br />

Sie bieten Waren feil oder unterhalten sich, verbunden mit Gesten, wie die beiden im<br />

Zentrum stehenden Männer, oder aber sie stehen bzw. sitzen völlig isoliert. Zum Hintergrund<br />

zu wird der Platz durch eine Baumreihe begrenzt, dahinter sind recht hohe Gebäude sichtbar.<br />

Im Vordergrund ragen rechts und links Baumkronen ins Bild. Sie nehmen die beiden<br />

oberen Bildecken ein, wie die Reste eines eben geöffneten Vorhangs, der den Blick auf die<br />

Bühne freigibt. In gewissem Sinn wirkt das ganze Bild etwas theaterhart inszeniert. Die Personen<br />

sind alle recht isoliert platziert und wirken dadurch sehr statisch. Lediglich die beiden<br />

in der Mitte stehenden Männer, die gerade in <strong>einer</strong> Unterhaltung begriffen sind, lockern dies<br />

durch ihre Gestik auf. Die Baumreihe wirkt sehr dekorativ, die Häuser im Hintergrund wie<br />

aufgebaute Kulissen. Die Farbe ist insgesamt sehr delikat. Sie ist sehr hell, nur das Grün der<br />

Bäume setzt dazu einen dunklen Kontrast. Vorherrschend sind weiß-beige-braune Abstufungen,<br />

die mit hellem, doch kräftigern Gelb, Rosa, Rot und Blau akzentuiert werden. Das verleiht<br />

dem Bild eine Weichheit, wie sie bei den Bildern der ersten Gruppe nicht auftrat. Die<br />

einzelnen Personen in ihren Burnussen, die Bäume im Hintergrund, die Häuser, dies alles ist<br />

sehr flächig gemalt bei gleichzeitiger Betonung der Kontur. Zweifellos sind hier Nachwirkungen<br />

aus Paris am Werke, die frühen Bilder der Nabis, vor, allem die Bonnards, haben hier<br />

offensichtlich nachgewirkt.<br />

Das Bild 'Salzverkauf in der Oase', Kat. Nr. 65 Abb. 37, versucht, den Markt mit seinem Gedränge<br />

einzufangen. Die Ecke eines Platzes, die durch sich in die Bildtiefe erstreckende<br />

Häuser gebildet wird, ist angefüllt von Menschen und Salzbergen, die von kleinen Gefäßen<br />

bekrönt werden, den Maßen für den Verkauf.<br />

Die gesamte Komposition des Bildes spitzt sich keilartig zum Hintergrund zu. Den Rahmen<br />

bilden die Häuser, rechts drei hintereinander gestaffelte, links ein einziges großes Gebäude,<br />

dessen Front von großen Bogenöffnungen durchbrochen ist. Die Menschen stehen und sitzen<br />

dicht gedrängt auf dem kleinen Raum. Die Farben sind Rosa, Gelb, Ocker und Weiß<br />

sowie Blau. Alle Farben sind jedoch recht stumpf, sie sind alle nach Grau gebrochen. Im Gegensatz<br />

zur Flächigkeit des vorangegangenen Bildes ist innerhalb der Kompaktheit dieses<br />

Bildes ein hohes Maß an Plastizität den Menschen wie Gebäuden zueigen. <strong>Versuch</strong>te das


- 38 -<br />

Bild Kat. Nr. 62 Abb. 34 eher einen Überblick zu geben, so ist hier ganz bewusst der Ausschnittscharakter<br />

gewählt worden. Die relativ wenigen Personen nehmen dabei jeweils sehr<br />

viel mehr Bildraum ein, durch die geringe Distanz wird eine Direktheit erzielt, die durch Monumentalisierung<br />

der Figuren noch unterstrichen wird. Hier gibt es starke stilistische Verbindungen<br />

zu den Einzelfigurenbildern der ersten Gruppe.<br />

Die Bilder Kat. Nr. 63 Abb. 35 und Kat. Nr. 66 Abb. 38 stehen sich von der Farbe her sehr<br />

nahe. Braun-rosa Töne, die stark ins Olivefarbene gehen, mit Weiß und Blaugrau bestimmen<br />

die Bilder. Kat. Nr. 66 Abb. 38 zeigt eine Basarstraße. Von rechts vorne erstreckt sich diagonal<br />

in die Bildtiefe ein Arkadengang, unter dem die Händler ihre Waren feilbieten. Das ganze<br />

Bild ist Ton-in-Ton gehalten, einige rote Farbtupfen sind als Akzente gesetzt.<br />

Kat. Nr. 63 Abb. 35 zeigt drei Personen bei der Arbeit im Freien. Vor dem im Hintergrund<br />

hoch aufragenden Höhenzug sind die Häuser kaum wahrnehmbar gezeigt.<br />

Kat. Nr. 64 Abb. 36 zeigt mehrere Personen bei Erd- oder Feldarbeit auf einem sanft ansteigenden<br />

Hügel. Links im Hintergrund steht ein weißes Gebäude. In diesem Bild herrschen, im<br />

Gegensatz zu den beiden vorigen brauntonigen Bildern, frische Farben vor: Weiß, Weiß<br />

nach Rosa gebrochen und Blau in verschiedenen Abtönungen. Diese Farbigkeit ist in vielen<br />

afrikanischen Bildern <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong>s verwendet, meist wenn es darum ging, die vom hellen<br />

Sonnenlicht beleuchtete Landschaft wiederzugeben.<br />

Die drei zuletzt genannten Bilder sind in der Malweise sehr flott gehalten. Pastoser Farbauftrag,<br />

kräftiger, breiter Pinselstrich, die Details flüchtig angedeutet, die Personen sind nicht<br />

detailliert herausgearbeitet. Wahrscheinlich sind diese Bilder direkt an Ort und Stelle entstanden,<br />

möglicherweise dienten sie als Vorstudien für größere Gemälde, die entweder nicht<br />

ausgeführt wurden oder verloren sind. Insofern ist auch die Datierung schwierig. Ganz sicher<br />

sind sie nicht zu Beginn des afrikanischen Aufenthaltes entstanden, denn die Palette entspricht<br />

in hohem Maße der der späteren Bilder, das heißt der Werke aus den Jahren 1912,<br />

1913. In diese Jahre, frühestens jedoch 1911, sind sie wohl einzuordnen.<br />

2.3. Darstellungen und Ansichten aus Afrika, bei denen die Architektur die vorrangige<br />

Rolle innerhalb des Bildes einnimmt.<br />

Zu dieser Gruppe gehören die Bilder Kat. Nr. 32 Abb. 17, Kat. Nr. 43 Abb. 23, Kat. Nr. 44<br />

Abb. 24, Kat. Nr. 49, Kat. Nr. 67, Kat. Nr. 68, Kat. Nr. 69 Abb. 40, Kat. Nr. 70 Abb. 41, Kat.<br />

Nr. 71 Abb. 42, Kat. Nr. 72 Abb. 43<br />

Auch wenn es aufgrund der geringen Anzahl von 10 Bildern, die diese Gruppe umfasst,<br />

fragwürdig erscheinen sollte, so ist doch eine weitere Aufteilung in drei Themenbereiche<br />

möglich und sinnvoll.<br />

1. Darstellungen von Straßen und Plätzen: Kat. Nr. 32, 49, 70, 71<br />

2. Darstellungen außerhalb oder am Rande der Ortschaft mit Architektur im Hintergrund:<br />

Kat. Nr. 44, 68, 69<br />

3. Darstellungen von Gebäuden mit der Tendenz zur Verabsolutierung der Architektur:<br />

Kat. Nr. 43, 67, 72


- 39 -<br />

In allen Bildern sind Menschen in Verbindung mit Architektur dargestellt, es handelt sich also<br />

stets um bewohnte Architektur. Jedoch spielen die Menschen innerhalb der Architektur oder<br />

in Verbindung mit ihr eine ganz unterschiedliche Rolle. Haben sie in den Bildern der ersten<br />

Gruppe das Übergewicht, so ist die Bedeutung in der zweiten gleich stark, während bei den<br />

Bildern der dritten der Hauptakzent eindeutig auf der Architektur liegt.<br />

1. Darstellung von Straßen und Plätzen<br />

Die Bilder Kat. Nr. 32 Abb. 17 und Kat. Nr. 71 Abb. 42 zeigen dieselbe Lokalität: die Place<br />

des Merveilles in Bou-Saada. <strong>Der</strong> Standpunkt ist bei beiden Bildern fast identisch, bei Kat.<br />

Nr. 71 liegt er ein wenig weiter rechts. Eine Straße führt aus dem Hintergrund in die Bildmitte<br />

und öffnet sich nach vorn zum Platz, so dass eine keilförmig in den Hintergrund führende<br />

Komposition entsteht. In Kat. Nr. 32 Abb. 17 aus dem Jahre 1910 ist, dies etwas ausgeprägter<br />

der Fall als in Kat. Nr. 71 Abb. 42, das aufgrund der insgesamt helleren Farbe wohl etwas<br />

später entstanden sein dürfte. Herrschen im früheren Bild die gelben Töne, vor allem in der<br />

linken Häuserzeile, und braun-lila Töne des Erdbodens vor, so haben bei dem späteren Bild<br />

ein helles Rosa, das in Weiß übergeht und ein helles Blau des Himmels die Vorherrschaft<br />

übernommen. Hier wird auch stärker mit Licht und Schatten gearbeitet. Das Licht fällt von<br />

rechts ein und wirft einen Schlagschatten, den das rechts stehende haus bildet, in den Vordergrund,<br />

der in starkem Kontrast zum hellen Boden und den hellen Häusern der linken Seite<br />

steht.<br />

Sind im ersten Bild die Personen, die auf dem Platz gehen, in der Farbe dem beschatteten<br />

Boden angeglichen, so ist im späteren Bild Kat. Nr. 71 Abb. 42 eine herausragende Person<br />

zwischen zwei Schattenbahnen gestellt. Sie trägt die lila-rosa gestreifte Mullah, wird grell von<br />

der Sonne beschienen und wirft einen Schatten, der parallel zu dem der Häuser verläuft.<br />

Auch innerhalb der Architektur wird stärker mit Licht und Schatten gearbeitet, sie treffen hart<br />

aufeinander. Man könnte von <strong>einer</strong> größeren Sicherheit im malerischen Gestalten sprechen.<br />

Die Farbe wird kräftiger und akzentuierter eingesetzt. Licht und Schatten haben wesentlichen<br />

Anteil an der Gestaltung und am Aufbau des Bildes, während sie im Bild von 1910 mehr als<br />

Tatsachen, als Gegebenheiten registriert werden.<br />

In Kat. Nr. 70 Abb. 41 wird zwar ein anderer Platz gezeigt, das Kompositionsschema ist aber<br />

prinzipiell das gleiche. Die Diagonalen sind stärker betont, so dass der Blick des Betrachters<br />

auf deren Schnittpunkt im Bildzentrum geführt wird. Ist die linke Häuserzeile, die aus Gebäuden<br />

verschiedener Höhe besteht, in kräftigen Farben Rosa, Orange, Ockerbraun-gestaltet,<br />

so unterscheidet sich die rechte niedrigere einheitliche Zeile nicht vorn hellen Erdboden. Die<br />

Figuren auf dem Platz sind zurückhaltend in ihren weißen Burnussen. Die farbig rot und rosa-grün<br />

Gekleideten befinden sich weiter im Hintergrund, so dass sie das Bild nicht bestimmen.<br />

<strong>Der</strong> Himmel ist nahe dem Horizont türkis-blau und wird mit zunehmender Höhe tiefblau.<br />

Das kleine auf Pappe gemalte Bild von 1912 Kat. Nr. 49 zeigt ebenfalls einen Platz. Ein weißer<br />

und ein hellgelber Häuserblock, bildparallel gestellt, schließen das Bild zum Hintergrund<br />

zu ab. <strong>Der</strong> linke Bildrand schneidet ein hochaufragendes Gebäude an. Auf dem braunen<br />

Erdreich hat sich am rechten Bildrand ein Kamel niedergelassen, dahinter stehen zwei weißgekleidete<br />

Araber. Zum Hintergrund zu schreitet eine rosa gekleidete Figur, ganz klein in der<br />

Nähe der Häuser steht eine Person im blaurosa Mullah, während im Vordergrund eine dunkel<br />

gekleidete Rückenfigur erscheint. Insgesamt ist die Farbe sehr tonig, ganz im Gegensatz<br />

zu den vorigen Bildern, die trotz relativ heller Farben Strahlkraft besitzen.


- 40 -<br />

2. Darstellungen außerhalb oder am Rande von Ortschaften mit Architektur im Hintergrund<br />

Die nächsten drei Bilder, Kat. Nr. 44 Abb. 24, Kat. Nr. 68 Abb. 39, Kat. Nr. 69 Abb. 40, haben<br />

ein ähnliches Kompositionsschema, ein schräg in die Bildtiefe führender Streifen <strong>einer</strong> Anhöhe<br />

bricht jäh ab und gibt den Blick auf tiefer gelegene Häuser frei. <strong>Der</strong> Vordergrund ist mal<br />

breiter (Kat. Nr. 44 Abb. 24), mal schmaler (Kat. Nr. 69 Abb. 40), der Augenpunkt verschieden<br />

hoch.<br />

Das gelungenste Bild dürfte Kat. Nr. 44 Abb. 24 sein. Vier Personen, die eine trägt eine Last<br />

auf dem Kopf, gehen auf einem breiten Weg nahe dessen Mauer, hinter der die tiefer liegenden<br />

Häuser sichtbar werden. Während der Vordergrund beschattet ist, nur ein kl<strong>einer</strong> Keil<br />

entzieht sich dem, liegen die Häuser in gleißendem Licht. Im Hintergrund wird noch eine Vegetationszeile<br />

sichtbar. Kurz darüber stoßen Land und Himmel zusammen, für den nur ein<br />

schmaler Bildstreifen übrig bleibt. Die vorherrschenden Farben sind Braun, Rosa, Ocker. <strong>Der</strong><br />

beschattete Vordergrund ist sehr schön in Blau, Braun und Grün gemalt, während die in der<br />

Sonne liegenden Teile helles Weiß-Rosa, das nach Hellbraun spielt, tragen.<br />

Kat. Nr. 68 Abb. 39 ist mehr als Skizze zu betrachten. Es trägt die blau-weiß-rosa Farben, ist<br />

sehr flüchtig in der Ausführung wie in der Komposition.<br />

Das Bild 'Grauer Tag', Kat. Nr. 69 Abb. 40, ist mit den beiden Figuren im Vordergrund nicht<br />

ganz glücklich gelöst. <strong>Der</strong> sitzende, sich umdrehende Knabe neben der in den Burnus gehüllten<br />

Figur wirkt etwas zu künstlich anekdotisch. Es ist übrigens das einzige Bild, das ein<br />

solch erzählendes Element enthält.<br />

3. Darstellungen von Gebäuden mit der Tendenz zur Verabsolutierung der Architektur<br />

Die letzten Bilder, die hier behandelt werden, sind so gut wie ausschließlich von der Architektur<br />

bestimmt.<br />

Kat. Nr. 67 zeigt einen streng bildparallelen Aufbau. <strong>Der</strong> Vordergrund wird von <strong>einer</strong> Baumzeile,<br />

in deren Mitte eine größere Baumkrone hervorragt, eingenommen. Dahinter erstreckt<br />

sich eine Reihe Häuser über die gesamte Bildbreite, hinter der sich ein wiederum parallel<br />

verlaufender Höhenzug erstreckt. Warme Farben beherrschen das Bild. Angefangen vom<br />

frischen Grün des Vordergrundes über die vorwiegend gelb getönte Architektur bis zum in<br />

verschiedenen Brauntönen changierenden. Berg. Das Bild zeichnet sich durch geringe<br />

Räumlichkeit und die der frühen Zeit verpflichteten relativ dunklen Farben aus.<br />

Das Bild Kat. Nr. 43 Abb. 23 konfrontiert uns mit der Ansicht eines Gebäudes in sengender<br />

Hitze, das den Vorstellungen des Europäers von Afrika so sehr entspricht. Auf einem sich<br />

vom rechten Bildrand neigenden, fast bildparallel verlaufenden Abhang steht ein großes<br />

langgestrecktes Gebäude, dessen Mittelteil - er steht im Bildzentrum - sich kubisch erhebt<br />

und hinter dem das Gebäude weiter terrassenförmig ansteigt. Davor liegt ein weiter Platz,<br />

links im Vordergrund ragt die Ecke eines weiteren Gebäudes ins Bild. Ein grüner Zweig ragt<br />

über dessen Mauer hinaus und wirft seinen Schatten mit dem der ihn eingrenzenden Mauer<br />

am unteren Bildrand entlang zur Mitte hin. An dessen Ende steht eine in Rückenansicht wiedergegebene<br />

Figur, nach links in gleichmäßigen Abständen zum Mittelgrund hin drei weitere<br />

in weiße Burnusse gehüllte Personen. In der Mitte des Gebäudes ist ein Eingang zu sehen,<br />

in dem eine rotgekleidete Person steht. Doch ist der größte Teil des Bildes menschenleer,<br />

die Architektur thront förmlich im Bilde, die Hitze lähmt die Menschen, die statuarisch zu stehen<br />

scheinen. <strong>Der</strong> tiefblaue Himmel strahlt über der hellbraun-rosafarbenen Architektur und<br />

Erde, die Mauerecke im Vordergrund trägt dieselbe Farbe etwas dunkler, der Schatten ist<br />

dunkel graublau.


- 41 -<br />

Das Bild Kat. Nr. 72 Abb. 43 gewinnt einen etwas melancholischen Charakter durch das<br />

Blau, mit dem hier alle Farben durchsetzt sind. Zentral, doch nicht auf der Mittelachse des<br />

Bildes, sondern leicht nach rechts verschoben, erhebt sich ein Turm auf quadratischem<br />

Grundriss. An ihn schließt sich links eine etwas niedrigere, rechts eine etwas höhere Mauer<br />

an, die jeweils bis zum Bildrand reicht. Links und rechts erheben sich im Hintergrund Berge,<br />

die aber nur um weniges die Mauer überragen. <strong>Der</strong> Turm, der im Mittelgrund des Bildes<br />

steht, lässt einen großen Vordergrund frei. Zwei in Burnusse gehüllte Personen stehen dort<br />

in der Mittelachse des Bildes und werfen ihren Schatten, der fast bis an den unteren Bildrand<br />

reicht. Die Beleuchtung kommt von links oben, und zwar so, dass das gesamte Bild im Gegenlicht<br />

erscheint. Deshalb sind auch die verschiedenen braunen Farbtöne des Turms, der<br />

Mauer und der Berge stark mit Blau durchsetzt, ganz abgesehen vom Blau der Schatten, die<br />

die Figuren und der Turm auf den hellen leicht rosafarbenen Boden werfen.<br />

2.4. Reiterszenen<br />

Sechs Beispiele für die Gestaltung dieses Themas gibt es in <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong>s afrikanischem Werk:<br />

Kat. Nr. 33, Kat. Nr. 48 Abb. 27, Kat. Nr. 73 Abb. 44, Kat. Nr. 74 Abb. 45, Kat. Nr. 75 Abb.<br />

46, Kat. Nr. 76 Abb. 47.<br />

Das einzige mit Sicherheit im Jahre 1910 entstandene Bild dieser Gruppe, Kat. Nr. 33, weist<br />

die schon öfters bei Bildern aus dieser Zeit festgestellte Farbigkeit auf: grau und stark gelb<br />

getönte braune und weiße Farben.<br />

Die Bilder Kat. Nr. 73 Abb. 44 und Kat. Nr. 75 Abb. 46 zeigen die typische blau-weiß-rosa<br />

Färbung der Jahre 1912 und folgende.<br />

Im Bild Kat. Nr. 73 Abb. 44 nimmt ein Abhang, der an der rechten Bildseite in Dreiviertel der<br />

Bildhöhe beginnt und bis auf die halbe Höhe des linken Bildrandes abfällt, den größten Teil<br />

der Bildfläche ein. In der rechten unteren Ecke erscheint ein Reiter auf einem Esel, wobei<br />

der Rücken des Esels fast genau mit der Bilddiagonalen zusammenfällt. Im spitzen Winkel<br />

zum Abhang verläuft eine Häuserzeile zur oberen linken Bildkante. Häuser und Abhang sind<br />

in nach Rosa gebrochenem Weiß gemalt, was dem Bild eine starke Helligkeit verleiht. <strong>Der</strong><br />

Vordergrund wird durch zwei links des Reiters stehende Personen belebt, vor allem aber<br />

durch ein reiches Licht- und Schattenspiel auf dem Boden. <strong>Der</strong> Esel in schwarz bildet einen<br />

herausragenden Kontrast zu der hellen Umgebung und dem hellblauen Himmel. Seine<br />

Schwere wird dadurch gemildert und seine Bewegung, die entgegen der Lesrichtung zielt,<br />

unterstützt.<br />

Die Bilder 'Reiter bei Bou-Saada', Kat. Nr. 75 Abb. 46 und Kat. Nr. 48 Abb. 27, zeigen als<br />

einzige der afrikanischen Bilder große Landschaftsausschnitte, die den Blick tief ins Land<br />

hinein freigeben.<br />

Im Bild Kat. Nr. 75 Abb. 46 ist ein stark bildparalleler Aufbau gewählt. In <strong>einer</strong> Mulde, fast in<br />

der Bildmitte, ein Reiter auf einem Maulesel, im Profil gesehen, der sich nach links fortbewegt.<br />

Am linken Bildrand steigt ein Gebirge an, rechts zieht sich in weiter Entfernung ein<br />

Höhenzug hin. <strong>Der</strong> Horizont liegt tief, so dass das Bild vom stark blauen Himmel bestimmt<br />

wird. Er ist sehr lebhaft in verschiedenen Blautönen gestaltet, mit zunehmender Höhe des<br />

Himmels wird das Blau tiefer, das heißt dunkler.


- 42 -<br />

Das Bild Kat. Nr. 48 Abb. 27 aus dem Jahre 1912 ist besonders interessant, nicht nur weil es<br />

den weiten Blick in die Landschaft, der in Kat. Nr. 75 Abb. 46 schon angedeutet war, konsequent<br />

aufgreift und weiterführt, und schon von daher eine Sonderstellung innerhalb des afrikanischen<br />

Oeuvres einnimmt. Vielmehr stellt es den <strong>Versuch</strong> <strong>einer</strong> Synthese dar, aus zwei<br />

bisher stets parallel verlaufenden koloristischen Strömungen eine neue Einheit zu gewinnen.<br />

Etwas vereinfacht ausgedrückt: Die afrikanischen Bilder, soweit sie bisher berücksichtigt<br />

wurden, waren entweder von <strong>einer</strong> Farbigkeit, bei der Gelb, Ocker und Braun, alle mit leicht<br />

grauem Schleier überdeckt, vorherrschten (Kat. Nr. 27, 44, 49, 62, 63, 65 - 67), oder aber sie<br />

waren im wesentlichen auf Weiß, Rosa und Blau aufgebaut (Kat. Nr. 32, 33, 40, 43, 50, 57,<br />

64). Vorstufen zu <strong>einer</strong> Verschmelzung könnten in 'Mussa', Kat. Nr. 38 Abb. 21, gesehen<br />

werden, doch ist dort weniger eine Synthese versucht, als mit verschiedenen Farbbereichen,<br />

die sonst getrennt verwandt wurden, innerhalb ein und desselben Bildes experimentiert worden.<br />

Ein breiter Weg, der die gesamte Bildbreite im Vordergrund einnimmt, erstreckt sich nach<br />

rechts in die Bildtiefe. Er wird linker Hand vorn Abhang eines mächtig aufragenden Gebirges<br />

begrenzt, dessen letzte Ausläufer sich rechts des Weges fortsetzen. Im Hintergrund des<br />

sonst recht flachen Landes sieht man in weiter Ferne wiederum mächtige Berge aufragen.<br />

Im Mittelgrund des Bildes stehen zwei Menschen und, ein Pferd am Wegesrand, in weiter<br />

Entfernung sind nochmals zwei Personen sichtbar. <strong>Der</strong> Horizont liegt sehr tief, was dem Bild<br />

eine große Raumtiefe verleiht und dem Himmel innerhalb des Bildes den größten Raum über<br />

lässt.<br />

<strong>Der</strong> Berghang links ist in Ocker-Olivgrün, das stark von Blau und Blaugrau durchsetzt ist,<br />

gehalten, ebenso seine Ausläufer zur rechten Seite des Weges. <strong>Der</strong> Weg selbst hell sandfarben<br />

nach rosa gebrochen, der Höhenzug im Hintergrund erscheint lichtperspektivisch<br />

blaugrau. <strong>Der</strong> Himmel ist sehr viel heller als auf den bisherigen Bildern, zudem wird er von<br />

zahlreichen weißen Wolkenfetzen durchzogen.<br />

Wurde - wie schon angedeutet - eine Synthese der beiden koloristischen Strömungen ansatzweise<br />

bei anderen Bildern versucht, zum Beispiel auch in Kat. Nr. 72 Abb. 43,das völlig<br />

von Blau und Braun bestimmt ist, so ist im vorliegenden Bild ein weiterer Unterschied hinsichtlich<br />

der Beleuchtung festzustellen. Meist wurde mit starkem Licht gearbeitet, was sich<br />

entweder in intensiv strahlenden Farben (Kat. Nr. 38, 43, 57, 70) oder im Einbeziehen von<br />

starken Schatten bemerkbar machte (Kat. Nr. 44, 71 - 73). Darauf wird in diesem Bild völlig<br />

verzichtet. Das ganze Bild ist gleichmäßig ausgeleuchtet. Starke Schattenbildungen finden<br />

nicht statt. Darüber hinaus ist die Farbe insgesamt recht blass, sehr hell und leicht, als liege<br />

die ganze Landschaft unter einem Dunstschleier. Dies stellt eine bisher noch nicht versuchte<br />

Möglichkeit dar, die Helligkeit des Landes einzufangen und bildhaft umzusetzen.<br />

2.5. Landschaftsdarstellungen. Gartenszenen<br />

Diese Bildgruppe, mit 13 Bildern die umfangreichste innerhalb der hier getroffenen Einteilung,<br />

ist äußerst disparat. Eine Entwicklung ist hier kaum aufzuzeigen, wie dies doch wenigstens<br />

ansatzweise innerhalb der anderen Themenbereiche der Fall war. Nur fünf Bilder dieser<br />

Gruppe sind vom Künstler selber datiert, je zwei stammen aus den Jahren 1919 (Kat. Nr. 35<br />

Abb. 18, Kat. Nr. 36 Abb. 19) und 1911 (Kat. Nr. 46, Kat. Nr. 47 Abb. 26), das Bild 59 ist mit<br />

1913 bezeichnet.


- 43 -<br />

Alle Bilder sind recht kleinen Formats. Sie sind zum Teil sicherlich vor Ort entstanden, woraus<br />

sich auch ihr mitunter sehr skizzenhafter Charakter erklärt.<br />

Das Bild 'Im Oasisgarten', Kat. Nr. 35 Abb. 18, das mit 1910 datiert ist, sowie das Bild Kat.<br />

Nr. 84 Abb. 52, das wahrscheinlich im selben Jahr entstand, zeigen relativ dunkle Farben.<br />

Rosa-braune Farben, gräulich abgetöntes Grün, ein wenig heller Himmel fallen zunächst ins<br />

Auge. Architektur umgibt die Personen, hält die Komposition letztlich zusammen.<br />

Die Bilder Kat. Nr. 36 Abb. 19, Kat. Nr. 78 Abb. 48, Kat. Nr. 79 Abb. 49, Kat. Nr. 82 Abb. 51<br />

sind in der Komposition sehr viel freier, im Kolorit interessanter.<br />

Kat. Nr. 36 Abb. 19 und Kat. Nr. 79 Abb. 49 sind sich prinzipiell sehr ähnlich. Vor reich belaubten<br />

Bäumen, die von Palmen mit ihren weit ausladenden Blätterkronen überragt werden,<br />

steht eine einzelne Figur im weißen Burnus. Ist das Bild 'Im Oasisgarten', Kat. Nr. 35 Abb.<br />

18, datiert 1910, noch sehr der Darstellung europäischer Gärten verhaftet - in der Farbe unterscheidet<br />

es sich kaum davon -, so versucht das Bild Kat. Nr. 79 Abb. 49 so etwas wie typisch<br />

afrikanischen Charakter einzufangen. Kräftiges Grün und sehr dunkles leuchtendes<br />

Blau stehen in scharfem Kontrast zum weißen Burnus der stehenden Figur. Die Szene ist<br />

aus geringer Distanz gesehen. Im Gegensatz zum ersten Bild, das eine ausgewogene Komposition<br />

innerhalb des Bildes anstrebt, ist hier der Ausschnitt betont. Durch die Beschränkung<br />

auf Grün und Blau fällt dieses Bild aus dem sonst üblichen Kolorit etwas heraus.<br />

Ausschnittscharakter, verbunden mit Tiefenraumkomposition, kennzeichnen das Bild Kat. Nr.<br />

82 Abb. 51. <strong>Der</strong> sich platzartig öffnende Vordergrund - beidseitig von hochaufragenden Palmen<br />

gesäumt - gibt den Blick auf eine Häuserzeile frei, an der entlang der Blick des Betrachters<br />

weiter in die Tiefe geführt wird. Ausgesprochen warme Farben beherrschen den in praller<br />

Sonne liegenden Ort. Rosa und Goldgelb in verschiedenen Helligkeitsabstufungen herrschen<br />

vor. Die Personengruppe im Vordergrund ist auffallend farbig: weiß, gelb, rosa, blau,<br />

rot. Sie belebt damit den im Schatten liegenden Vordergrund zusätzlich und stellt die Verbindung<br />

zu den sonnenbeschienenen Häusern im Hintergrund dar.<br />

In den folgenden Landschaften kommt es zu k<strong>einer</strong> endgültigen Lösung, sie zeichnet sich<br />

auch nicht annähernd ab. Farblich nähern sich die Bilder Kat. Nr. 80 Abb. 50, Kat. Nr. 59,<br />

Kat. Nr. 77 nach verschiedenen Ausflügen ins heller gelb Getönte und grau-rosa Farbene<br />

der Stufe, auf der das Reiterbild Kat. Nr. 48 Abb. 27 steht.<br />

Nachdem in Kat. Nr. 46 von 1911 rosa-braun und grün als eigenständige Farbwerte gegeneinander<br />

gesetzt werden, in Kat. Nr. 47 Abb. 26 aus demselben Jahr unter reichlicher Verwendung<br />

von Gelb, Licht und Schatten kontrastieren, sind in den drei wahrscheinlich spätesten<br />

Werken dieser Gruppe, Kat. Nr. 59, 77, 80, die Farben gegenseitig angenähert und werden<br />

nicht mehr gegeneinander gesetzt. Helles Blau, Rosa, Grün - in Kat. Nr. 77 insgesamt<br />

etwas dunkler - gehen als Farbe fast ineinander über, so sehr sind sie aufeinander abgestuft.<br />

Sie können sich durch die gleichmäßig starke Beleuchtung, die das Bild überzieht, kaum zur<br />

Eigenständigkeit emanzipieren.<br />

Obwohl - wie schon eingangs erwähnt - diese Bildgruppe rein zahlenmäßig sehr groß ist, hat<br />

es doch den Anschein, als handle es sich in erster Linie um Gelegenheitsarbeiten, um Bilder,<br />

die schnell, so nebenbei, entstanden. Nun sagt dies prinzipiell nichts über die Qualität aus,<br />

da Skizzen oft durch ihre Frische und Ursprünglichkeit der Entstehung besonders interessant<br />

sind. Das trifft aber bei den hier zur Debatte stehenden Bildern, vergleicht man sie mit Arbei-


- 44 -<br />

ten der vorherigen Themenbereiche, nicht zu. Es ist sicherlich kein Zufall,<br />

dass sich kein auch nur annähernd so anspruchsvoll gebendes Werk wie zum Beispiel Kat.<br />

Nr. 37, 38, 47, 48, 57, 62, 65,70, 72, 75 unter diesen Bildern befindet.<br />

3. <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> im Zusammenhang mit dem Orientalismus des ausgehenden<br />

neunzehnten Jahrhunderts und des beginnenden zwanzigstenJahrhunderts<br />

Wie schon mehrfach erwähnt, gibt es bis heute noch keine vergleichende Untersuchung über<br />

den Orientalismus im 20. Jahrhundert.<br />

Merkwürdigerweise wurden aber auch die Bilder der <strong>Maler</strong>, die man nicht unbedingt zu dieser<br />

Kategorie zählen würde, die aber gleichfalls in exotischen Ländern gearbeitet haben,<br />

weder vergleichend untersucht noch unter der Fragestellung des Orientalismus, Exotismus<br />

oder Eskapismus betrachtet 47 . Zwar wird in den einzelnen Monographien stets betont, wie<br />

wichtig z.B. der Aufenthalt Matisses in Afrika oder die Tunisreise für Macke und Klee war,<br />

dies geschieht aber immer nur hinsichtlich der künstlerischen Entwicklung des jeweiligen<br />

Künstlers.<br />

Dies hat sicherlich viele Gründe. Einmal ist der Orientalismus erst seit einigen Jahren ins<br />

Blickfeld der kunsthistorischen Forschung getreten, andererseits ist Material über die einzelnen<br />

Künstler kaum zu beschaffen, deren Bilder sind nur schwer zugänglich. Damit wurde<br />

auch die ausgeprägte Reiselust der Künstler zu Beginn des 20. Jahrhunderts lediglich als<br />

Faktum hingenommen, das nicht weiter hinterfragt wurde. Um nur eine annähernde Vorstellung<br />

zu geben, wie häufig Nord-Afrika besucht wurde, unter anderem von Künstlern, von<br />

.denen dies kaum wahrgenommen wurde, sei eine kurze Aufstellung gemacht:<br />

1902 Wassily Kandinsky Tunis<br />

1904/05 Wassily Kandinsky/Gabriele Münter Tunis<br />

1904/06 Wladimir Bechtejeff Tunis<br />

1906 Henri Matisse Algerien<br />

1908 Eugen von Kahler Ägypten<br />

1911/12 Henri Matisse Marokko<br />

1911 Albert Marquet Tanger<br />

1912/13 Henri Matisse Marokko<br />

1912/13 Charles Camoin Marokko<br />

1913 Albert Marquet Tanger<br />

1914 Paul Klee, August Macke, Louis Moillet Tunis<br />

1914 Max Slevogt Ägypten<br />

1920, 1921<br />

und 1922<br />

Albert Marquet Algerien<br />

Von den Reisen Gauguins und der deutschen Expressionisten in die Südsee sei hier ganz<br />

abgesehen.<br />

Nun kann und soll hier keineswegs ein auch nur annähernder Vergleich der Arbeiten dieser<br />

Künstler geleistet werden. Ihre Aufzählung und Erwähnung geschieht aus zwei Gründen.


- 45 -<br />

Einmal stellen sie Künstler dar, die sich mit dem Exotischen, möglicherweise mit Orientalismus<br />

- das wird noch zu zeigen sein - beschäftigt haben zu <strong>einer</strong> Zeit, da auch der <strong>Maler</strong>, um<br />

den es in dieser Arbeit geht, in Afrika war und dort gearbeitet hat. Sie können also in gewissem<br />

Sinn als Richtpunkte für eine Einordnung herangezogen werden. Zum anderen war es<br />

mir innerhalb dieser Arbeit unmöglich, vergleichbare Arbeiten deutscher, französischer oder<br />

englischer Orientalisten aus diesem Zeitraum aufzutreiben, die als Vergleichsmaßstab herangezogen<br />

werden könnten.<br />

Deshalb sei für eine Einordnung der afrikanischen Arbeiten <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong>s eine Skala vorgeschlagen,<br />

auf deren einem Ende der Orientalismus des ausgehenden 19. Jahrhunderts<br />

steht 48 , an deren anderem Ende Arbeiten von Matisse, Klee, Macke und Slevogt stehen.<br />

Wie in den Kapiteln über den Orientalismus und den Orientalismus in Algerien gezeigt wurde,<br />

herrschten zum Ende des 19. Jahrhunderts Darstellungen vor, die insgesamt stark vom<br />

Erzählerischen geprägt waren. Seien es gemalte Berichte von historischen Ereignissen, wie<br />

z.B. Ludwig Deutschs 'Procession du Mahmal du Caire', 1909 49 , aufregende Jagdszenen wie<br />

William Strutts 'The terrible Scare', ca. 1895 (Abb. 112), oder buntschillernde Interieurs, wie<br />

sie vor allem Rudolf Ernst malte (z.B. Abb. 113). Des weiteren waren genrehafte Darstellungen<br />

von Handwerkern oder Marktszenen beliebt, wie sie unter anderem Joseph Farquharson<br />

in seinem 'Egyptian Market' von ca. 1890 zeigt (Abb. 114) oder wie sie von Jean-Leon<br />

Gérôme in seinem 'Marchand de peaux', vor 1901, (Abb. 115) oder von Henri-Jacques-<br />

Edouard Evenepoel im 'Marché d'oranges à Blidah', 1898 50 gezeigt werden. Auch Albert<br />

Besnards mit seinen 'Marchands de fruits à Madura', ca. 1900 51 , gehört in die Reihe der <strong>Maler</strong>,<br />

die "zu <strong>einer</strong> Darstellung des Orients" neigten, "die dem Publikum diese Märchenwelt<br />

plausibel machte und ihm nahe legte, wie sie für den modernen Menschen zu verwerten sei",<br />

wie sie Aleksa Celebonovic 52 so treffend charakterisiert. Ein weiteres sehr beliebtes Thema<br />

waren die erotischen Darstellungen, Bilder aus dem Harem oder aus den türkischen Bädern,<br />

die "... dem Betrachter die Geheimnisse des orientalischen Lebens bis in die geheimsten für<br />

den wirklichen oder eingebildeten Reisenden verführerischen Details zu enthüllen" 53 versprachen.<br />

Als typische Vertreter dieser Richtung können Jean-Jules-Antoine Lecomte de<br />

Nourys 'L'Esclave blanche' , 1888 54 , und Etienne Diners 'Claire de lune à Laghouat', 1897 55<br />

gelten. Mit dieser Art der Schilderung, die oft nur eine Schilderung zu sein vorgibt, haben die<br />

Bilder <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong>s wenig gemein. Mit dem zeitlichen Abstand von 10 bis 15 Jahren, in dem<br />

<strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong>s Werk entstanden ist, ist dies nicht zu erklären. Die oben geschilderten Themen<br />

hielten sich weit länger und an der Art der Darstellung änderte sich z.B. bei Rudolf Ernst,<br />

Etienne Dinet oder Ludwig Deutsch wenig. Doch bevor Erklärungsversuche unternommen<br />

werden, sollten vielleicht die Unterschiede noch etwas präziser formuliert werden.<br />

Vor dem Hintergrund der dramatisch inszenierten Orientmalerei des Jahrhundertendes, die<br />

großen Wert auf laute Farben und pompöse Wirkung legen, nehmen sich die Bilder <strong>Kurt</strong><br />

<strong>Kühn</strong>s eher bescheiden, um nicht zu sagen nüchtern aus.<br />

Statt des Inszenierten tragen zum Beispiel seine Marktszenen Kat. Nr. 62 Abb. 34 und Kat.<br />

Nr. 65 Abb. 37 eher den Charakter des zufällig Beobachteten, des momentanen Ausschnitts,<br />

weniger des gesucht malerischen Arrangements. Das soll nicht heißen, dass sie nicht wohl<br />

komponiert seien, doch sind sie nicht in erster Linie auf Wirkung berechnet, als dem Wunsch<br />

um eine angemessene Darstellung entsprungen. Das Bemühen um Authentizität und <strong>einer</strong><br />

dieser gerecht werdenden malerischen Umsetzung stand dabei eindeutig im Vordergrund.<br />

Seine Reiterbilder zum Beispiel zum Beispiel haben nichts gemein mit Darstellungen wie die<br />

erwähnten von William Strutt (Abb. 112), die in der Tradition von Delacroix (Abb. 116) stehen,<br />

aber nur noch einen müden theatralischen Abklatsch darstellen. Sie sind in ihrer Verhaltenheit<br />

eher der Poesie eines Gustav Macke nahestehend, allerdings ohne dessen Form-


- 46 -<br />

strenge und zwingende Umsetzung, was Form und Farbe angeht, zu erreichen (Kat. Nr. 73<br />

Abb. 44, Kat. Nr. 75 Abb. 46). Zu den in Gruppe 3 angeführten Gemälden <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong>s gibt es<br />

um die Jahrhundertwende kaum entsprechende Darstellungen. Dies ist auch nicht verwunderlich.<br />

Eigneten sich doch solche Bilder kaum, die Ziele, die der Orientalismus damals verfolgte,<br />

zu verwirklichen.<br />

Anknüpfungspunkte finden sich in Bildern von Guillaumet, Seignemartin und Lebourg. Sie<br />

entstanden etwa in den siebziger Jahren. Gustave Achille Guillaumets 'La place de Bou-<br />

Saada' (Musée des Beaux-Arts, Algier) 56 ist dem Bild <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong>s Kat. Nr. 70 Abb. 41 auffallend<br />

ähnlich, möglicherweise zeigt es denselben Platz aus der Gegenrichtung. Jedoch sind<br />

die Unterschiede für die verschiedene Grundhaltung der Künstler sicherlich typisch. Bei Guillaumet<br />

wird der weite Platz durch ein liegendes Kamel, eine am Boden sitzende Frau mit<br />

einem spielenden Kind sowie eine nahe ihr stehende Frau, die ein Kind auf dem Arm trägt,<br />

das sich ihr zuwendet, belebt. Durch handelnde Personen, die eine gewisse Idylle verbreiten,<br />

bekommt das Bild einen erzählenden, einen gemütlichen Charakter.<br />

Auch auf dem Bild <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong>s sind Personen auf dem Platz zu sehen. Doch sind sie in k<strong>einer</strong>lei<br />

Beschäftigung begriffen, sie sind nicht durch Handlung oder Gestik aufeinander bezogen,<br />

noch sind sie in ihrer individuellen Persönlichkeit dargestellt. Auf all diesen Bildern<br />

<strong>Kühn</strong>s erscheinen die Menschen als Rückenfiguren, in bodenlange Burnusse gehüllt, als<br />

statische Monumente. Insofern werden die Menschen bei <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> nicht im Gegensatz zur<br />

toten Architektur gesetzt, die sie beleben sollen, sondern es wird vielmehr versucht, eine<br />

Einheit zu zeigen, und zwar die zwischen Menschen und der von ihm geschaffenen Umgebung.<br />

Von diesem Ansatz her ist es auch verständlich, dass auf allen diesen Bildern Personen<br />

erscheinen, wenn auch in verschiedener Anzahl und von unterschiedlicher Bedeutung<br />

innerhalb des Gewichts der Gesamtkomposition.<br />

Was die Darstellung von Einzelpersonen angeht, Kat. Nr. 37 Abb. 20, Kat. Nr. 38 Abb. 21,<br />

Kat. Nr. 57 Abb. 31, so sind auch sie geprägt von dem Bemühen um eine adäquate, objektive<br />

Darstellung, die frei von aller mystischen Überhöhung ist und dem Menschen den Rang<br />

einzuräumen versucht, der ihm, als dem eigentlichen Besitzer des Landes, zusteht. Wir bekommen<br />

keine exotischen Wesen gezeigt, die aufgrund ihrer Fremdartigkeit interessant sind,<br />

die sich für den europäischen Betrachter präsentieren (müssen). Eine 'Sphinx von heute',<br />

gegen <strong>1880</strong> (Wien, österreichische Galerie) 57 , wie sie Leopold Karl Müller malte, einen 'Marokkanischen<br />

Scharfrichter' von Mariano Fortuny, 1870 58 , einen 'Arnaute' {Paris, Galerie Tanagra)<br />

59 , wie ihn Carlos Condé gegen <strong>1880</strong> darstellte, suchen wir im Oeuvre <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong>s vergeblich.<br />

Er zeigte die Nomaden in ihrer Schlichtheit, in ihrer Einfachheit, die - obwohl das<br />

Land kolonialisiert war - die eigentlichen Herrscher sind, die es im wahrsten Sinne des Wortes<br />

besitzen. Es war <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> klar, dass mit ein wenig Lokalkolorit und entsprechenden<br />

Requisiten noch längst nicht der Geist dessen getroffen ist, was dargestellt werden soll. Im<br />

entsprechenden Kapitel wurde auf die Blockhaftigkeit in der Behandlung dieser Einzelfiguren<br />

verwiesen, in seinen später verfassten Erinnerungen an die afrikanischen Aufenthalte drückt<br />

er diesen Sachverhalt folgendermaßen aus: "Ein stehender Europäer ist in der Regel eben<br />

ein dastehender Zivilist - ein dastehender burnusumhüllter Araber ist eine Statur" 60 .<br />

Auch die Landschaftsdarstellungen und Gartenszenen sind durch das Bemühen um eine<br />

künstlerische Aufrichtigkeit geprägt. Keine Sensation des Exotischen, des Unbekannt-<br />

Aufregenden wird vorgeführt, sondern das Fremde wird in <strong>einer</strong> Zurückhaltung gezeigt, die<br />

ihm eher gerecht wird als theatralische Übertreibung.


- 47 -<br />

Aber nicht nur in der formalen Art und Weise der Darstellung unterscheidet sich <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong><br />

von vielen Vertretern des Orientalismus. Stand er auch nicht an der Front der künstlerischen<br />

Avantgarde, so war er doch recht frei von jenem konservativen Akademismus, dem so viele<br />

Orientalisten zeit ihres Lebens verhaftet waren, was ihre Maltechnik und ihr Kolorit angeht.<br />

Eine entscheidende Rolle spielte dabei sicherlich, dass er frei von Erfolgszwängen war. Er<br />

war auf grund s<strong>einer</strong> materiellen Lage nicht darauf angewiesen, Bilder zu verkaufen und sich<br />

notfalls dem Publikumsgeschmack unterzuordnen. So konnte er in Afrika eine <strong>Maler</strong>ei entwickeln,<br />

die dem Gegenstand angemessen war und ihm keineswegs aufoktroyiert wurde, die<br />

sich von seinem früheren Stil grundsätzlich unterschied.<br />

Wie schon gezeigt wurde, hat sich seine Palette in Afrika völlig geändert. Sie hellte sich sehr<br />

stark auf, er beschränkte sich auf wenige Farben innerhalb eines Bildes. Die wichtigsten<br />

Farben sind sandfarbenes Gelb, helle Ockertöne, Rosa, Blau. Dunkle Farben, wie sie in den<br />

Portraits oder den Akten der Pariser Zeit gebräuchlich waren, verschwanden völlig. Grün<br />

wird nur ganz sparsam verwandt, lediglich in den Gartenbildern kommt es naturgemäß häufiger<br />

vor.<br />

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> in Afrika einen eigenen Stil fand,<br />

der sich durch ein eigenes Kolorit, durch eine Übereinstimmung von Bildgegenstand und<br />

dessen Umsetzung ins bildnerische Gestalten auszeichnet und sich damit von seinen vorausgegangenen<br />

Arbeiten ganz wesentlich unterscheidet. Innerhalb des Orientalismus ist<br />

ihm aufgrund der Arbeiten sicherlich ein hervorragender Platz e1nzuraumen.<br />

Doch nun zum anderen Ende unserer eingangs gewählten Skala. Besondere Berücksichtigung<br />

sollen dabei die Werke Matisses, Mackes und Klees erfahren. Matisse reiste 1906<br />

nach Algerien und besuchte Biskra. Die Winter 1911/12 und 1912/13 verbrachte er in Marokko.<br />

Während sich die Skizzen, die 1906 bei dem zweiwöchigen Aufenthalt in Algerien entstanden,<br />

kaum von den in Collioure entstandenen unterscheiden 62 , hatten die Aufenthalte in<br />

Marokko einen tiefen stimulierenden Effekt auf die Kunst Matisses 63 . Etwa 15 Bilder sind von<br />

diesen beiden Reisen erhalten, die meisten befinden sich in russischen Museen 64 .<br />

Diese Bilder sollen hier nicht eingehend beschrieben werden, nachdem Alfred Barr jr. dies so<br />

brillant getan hat 65 . Die Bildthemen Matisse; sind Einzelfiguren und Ausblicke aus dem Fenster<br />

auf die Gärten in Tanger. Schon auf dem ersten Blick scheinen diese Bilder (Abb. 117 -<br />

119) mit dem herkömmlichen Orientalismus nicht viel zu tun zu haben. Hier geht es weniger<br />

um eine berichtende <strong>Maler</strong>ei im Sinne von detailgetreuer Abbildung. <strong>Der</strong> Bildgegenstand ist<br />

weniger wichtig als die Frage der Malkunst als solcher. Wir haben hier in erster Linie Bilder<br />

von Matisse vorliegen als Bilder aus Afrika. Diese Gemälde sind zunächst durch die künstlerische<br />

Entwicklung Matisses geprägt, bevor ihre Gestaltung durch den Bildgegenstand bestimmt<br />

wird, wie dies bei den Orientalisten der Fall zu sein scheint. Zwar hat auch Matisse<br />

genaue Detailstudien von Gewändern und arabischem Ornament gemacht - eine wichtige<br />

Rolle spielt in diesem Zusammenhang auch der Besuch der Ausstellung islamischer Kunst in<br />

München 1910, wie Barr anhand des 'Moorish Café' nachgewiesen hat 66 -, doch ist der Bildgegenstand<br />

in s<strong>einer</strong> topographischen Bestimmtheit immer bis zu einem gewissen Grade<br />

beliebig. Das heißt: Er ist austauschbar insofern, als das Bild nicht dadurch bestimmt ist,<br />

dass es sich um eine Darstellung eines Freudenmädchens aus Tanger, um das Portrait eines<br />

Ryfkabylen oder um die Ansicht eines Gartens handelt, sondern in erster Linie um dessen<br />

künstlerische Verarbeitung. Matisse formulierte dies selbst in seinen 'Notizen eines <strong>Maler</strong>s'<br />

67 folgendermaßen: "... durch den wesentlichen Charakter der Dinge, der hinter ihrer<br />

flüchtigen Erscheinung steckt, kann der Künstler eine dauerhafte Interpretation der Wirklichkeit<br />

liefern ... Es gibt zwei Arten die Dinge auszudrücken: die eine ist, sie brutal zu zeigen,<br />

die andere, sie mit Kunst hervorzurufen" 68 . Hier liegt sicherlich der entscheidende Un-


- 48 -<br />

terschied zwischen einem <strong>Maler</strong> wie Matisse und den Orientalisten, letztlich wird auch die<br />

Abgrenzung zwischen Orientalismus und Exotismus sich an solchen Kriterien orientieren<br />

können.<br />

In dem 'brutalen Zeigen' der Dinge erschöpft sich ja so oft der traditionelle Orientalismus,<br />

speziell der der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts, womit, vom künstlerischen<br />

Aspekt her, auch sein rapider Verfall erklärbar wird. Genau das Gegenteil hat nun <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong><br />

versucht. Nicht das theatralische oder anekdotische Element, die Illustration waren ihm wichtig,<br />

sondern er zielte vielmehr auf ein Sichtbarmachen,. wie es einst in der Anfangszeit des<br />

Orientalismus vielfach gelungen war. Als Beispiel sei hier nochmals Eugene Delacroix angeführt,<br />

Abb. 116. Insofern kann <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> sicherlich als ein Erneuerer der orientalischen <strong>Maler</strong>ei<br />

gelten. Allerdings besteht ein gravierender Unterschied gerade zu Delacroix z.B. Empfing<br />

dieser Künstler in Afrika neue Impulse, die er nicht nur s<strong>einer</strong> <strong>Maler</strong>ei nutzbar machte, sondern<br />

die Auswirkungen auf die gesamte Entwicklung der <strong>Maler</strong>ei hatten, so kann man dies<br />

von <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> nicht behaupten.<br />

Die Bedeutung der Tunis-Aquarelle Mackes wird oft in den ursächlichen Zusammenhang mit<br />

dem Tunis-Aufenthalt 1914 gebracht. Bei genauerer Untersuchung zeigt sich aber, dass dies<br />

nur bis zu einem gewissen Grade stimmt. Uta Laxner hat nachgewiesen, dass diese Aquarelle<br />

sowohl in fester Verklammerung mit Mackes vorangegangener <strong>Maler</strong>ei stehen, "... da<br />

sich nahezu alle wesentlichen bildnerischen Mittel auf Voraussetzungen in s<strong>einer</strong> Kunst zurückführen<br />

lassen, andererseits aber auch die Verarbeitung neuer Einflüsse evident machen"<br />

69 . Insofern ist auch hier eher das künstlerische Potential, das schon vor der Begegnung<br />

mit dem fremden Kontinent vorhanden war, ausschlaggebend, dass es zu diesen<br />

künstlerischen Äußerungen kam, als es die Reise selbst war. Man tut August Macke sicher<br />

kein Unrecht und seinen Arbeiten keinen Abbruch, wenn man behauptet, dass es ihm in erster<br />

Linie um eine künstlerische Verarbeitung der afrikanischen Eindrücke ging und nicht primär<br />

um den Gegenstand als solchen. Zugespitzt formuliert: Es ging ihm nicht um die Darstellung<br />

Afrikas im topographisch-historiographischen Sinn, sondern um eine Selbstdarstellung,<br />

zu der Afrika als Anregung diente 70 .<br />

Auch für Paul Klee hatte diese Reise größte Bedeutung. Die an dieser Stelle stets zitierte<br />

Tagebucheintragung über das Finden der Farbe setzen wir als bekannt voraus. Darüber hinaus<br />

brachte die Tunisreise die Befreiung vom zeichnerischen Gerüst als bis dahin unerlässliches<br />

sekundierendes Mittel für die bildnerische Gestaltung <strong>einer</strong> Bildkomposition aus der<br />

Farbe. Ebenso fand Klee sein bildnerisches Gestaltungsverfahren in der Beschränkung auf<br />

das wesentliche der optischen Erfahrung. Dies stellt er in <strong>einer</strong> freien Bildsprache aus geometrisch<br />

geprägten Formen und spektral beeinflusster Farbwerte dar 71 . Das Entscheidende<br />

war also auch für Klee nicht die bildliche Wiedergabe des Ortes, sondern die Frage, wie gemalt<br />

werden kann.<br />

Die Beispiele dieser drei <strong>Maler</strong> reichen wohl aus um zu sehen, dass ein Vergleich zwischen<br />

dem Orientalismus, wie er im ausgehenden 19. Jahrhundert und zu Beginn des 20. Jahrhunderts<br />

praktiziert wurde, und den Werken der Künstler nicht ohne weiteres möglich ist. Und<br />

zwar deshalb, weil den Orientalisten schließlich 72 der zu malende Gegenstand das primäre<br />

Anliegen war, die malerische Umsetzung eines bestimmten Themas, <strong>einer</strong> Szene, <strong>einer</strong><br />

Landschaft, während Künstler wie Matisse, Klee, Macke sich mit dem Problem der Malkunst<br />

beschäftigten und dies mehr oder weniger zufällig anhand orientalischer, besser: exotischer<br />

Gegenstände zu bestimmten Lösungen führte, die aber nicht isoliert von ihrem sonstigen<br />

Oeuvre gesehen werden können.


- 49 -<br />

Max Slevogt reiste 1914 zu einem sechswöchigen Aufenthalt nach Ägypten. In dieser Zeit<br />

entstanden 21 Gemälde und einige Aquarelle, die aber nicht mehr alle erhalten sind 73 . Sie "...<br />

gehören zum stärksten an r<strong>einer</strong> <strong>Maler</strong>ei, was Slevogt geschaffen hat. Nimmt man die Aquarelle<br />

dieser Reise mit dazu (im Besitz eines Privatsammlers), so drängt sich eine Fülle s<strong>einer</strong><br />

besten <strong>Maler</strong>ei auf das Jahr 1914 zusamnlen" 74 . So beschreibt Will Grohmann die in Ägypten<br />

entstandenen Arbeiten Slevogts. Er sieht sie als Krone des bis dahin vorliegenden Schaffens<br />

Max Slevogts. Und in der Tat, vergleicht man sie mit den zuvor entstandenen Landschaftsbildern,<br />

so scheint hier hinsichtlich Komposition und malerischer Gestaltung das "Resultat<br />

<strong>einer</strong> zwanzigjährigen Bemühung" 75 vorzuliegen. Slevogts impressionistischer Malweise mit<br />

ihrer Flüchtigkeit und Skizzenhaftigkeit kommt das Reiseland Ägypten mit seinen sich bietenden<br />

Motiven sehr gelegen. Das gleißende Licht, die für Europäer so ungewohnt starke<br />

Helligkeit, die alles Gegenständliche aufzulösen scheint, ist in Slevogts sehr flüchtig gemalten<br />

Bildern, die alle vor Ort entstanden, sehr wirkungsvoll wiedergegeben. Die geheimnisvolle<br />

atmosphärisch-verschwommene Weite, ein beliebtes Stilprinzip der impressionistischen<br />

<strong>Maler</strong>ei 76 , ist gerade diesen Bildern Slevogts in hohem Maße zueigen. Zwar gelingt Slevogt<br />

damit eine der gelungensten Umsetzungen orientalischer Landschaften ins Bild, aber ob<br />

man hier von Orientalismus sprechen kann, möchte ich doch zumindest in Frage stellen.<br />

Eine Parallele mit August Macke drängt sich insofern auf, als auch bei ihm das afrikanische<br />

Werk, wie gezeigt wurde, als Summe s<strong>einer</strong> bis dahin geleisteten Arbeit gesehen werden<br />

kann, also eher als Abschluss denn als Einschnitt oder gar als neuer Abschnitt innerhalb<br />

s<strong>einer</strong> Entwicklung. Neue Impulse für das nachfolgende Schaffen gingen auch für Slevogt<br />

aus dieser Reise nicht hervor.<br />

Insofern ist auch eine Einordnung Slevogts in den Bereich Orientalismus zumindest problematisch.<br />

<strong>Der</strong> Ägypten-Aufenthalt blieb eine einmalige Episode, den Orient besuchte er danach<br />

nicht wieder. Das entscheidende Kriterium ist aber wohl, dass sein Werk durch diese<br />

Bilder zwar immens bereichert wurde, dass es aber nicht dadurch geprägt wurde, wie dies<br />

bei den Orientalisten der Fall ist. Sein künstlerischer Rang wäre ohne diese Bilder sicher<br />

nicht geringer.<br />

Damit ist ein Vergleich mit den Arbeiten <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong>s, wie auch bei den zuvor genannten <strong>Maler</strong>n,<br />

schwierig, da zu große fundamentale Unterschiede zwischen beiden Künstlern herrschen,<br />

doch soll trotz alledem nicht ganz darauf verzichtet werden. Zwei Beispiele sollen<br />

herangezogen werden: Abb. 121 und 122. <strong>Der</strong> 'Sandsturm in der lybischen Wüste', Abb.<br />

121, ist <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong>s Kat. Nr. 37 Abb. 20 und Kat. Nr. 48 Abb. 27 vergleichbar. Auf <strong>einer</strong> Anhöhe<br />

im rechten Vordergrund halten zwei Kamelreiter inne, während der Blick des Betrachters<br />

in das dahinter liegende weite Land schweifen kann. Slevogt beschränkt sich auf wenige<br />

Farben, helles. Ocker, sandfarbene Töne verschiedener Abstufungen, heller Himmel, lediglich<br />

die beiden Reiter bringen ein wenig Farbe ins Bild. Entsprechend dem durch den<br />

Sandsturm verwischten Gesamteindruck ist die flüchtige Malweise. Hier schon zeigt sich<br />

<strong>einer</strong> der entscheidenden Unterschiede zwischen Slevogt und <strong>Kühn</strong>. Malte <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> Landschaften<br />

und Personen in <strong>einer</strong> Alltäglichkeit, in mehr an getreue Wiedergabe grenzenden<br />

Darstellungen, so wählt Slevogt Motiv und Moment in <strong>einer</strong> Weise, die s<strong>einer</strong> impressionistischen<br />

Natur entsprechen. Zugespitzt formuliert hieße das: <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> geht vorn Gegenstand<br />

aus und sucht eine angemessene Darstellung, während Slevogt von s<strong>einer</strong> künstlerischen<br />

Tradition ausgehend das entsprechende Motiv wählt. In beiden Fällen kommt es dabei zu<br />

durchaus gelungenen Lösungen, doch darf der grundsätzlich unterschiedlich~ Ansatz nicht<br />

außer acht gelassen werden, auch wenn das Resultat mitunter verblüffend ähnlich ausfällt,<br />

wie z.B. Abb. 122.<br />

Nach diesem versuchten Vergleich mit Werken anderer <strong>Maler</strong>, die sich mit dem Orient beschäftigten,<br />

sowie auf dem Hintergrund des Orientalismus des ausgehenden 19. Jahrhun-


- 50 -<br />

derts kann in <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> ein Künstler gesehen werden, der diese Tradition fortzusetzen versuchte<br />

und über diesen <strong>Versuch</strong> hinaus eine Neubelebung dieser Gattung erreichte.<br />

Er ging von den traditionellen Themen des Orientalismus aus. Die Darstellungsweise ist aber<br />

völlig frei von jeder theaterhaften Inszenierung oder anekdotisch erzählenden Elementen, die<br />

den Orientalismus gerade so beliebt gemacht hatten und ihn in die Nähe der Salonmalerei<br />

abrutschen ließen. <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> schilderte das tägliche Leben in Algerien in völlig unprätentiöser<br />

Weise. Er gibt kleine Ausschnitte aus Ortschaften, von Märkten oder sehr direkte Präsentationen<br />

einzelner Personen, ohne in die Gefahr zu geraten, das Bildmotiv zum exotischen<br />

Kuriosum geraten zu lassen. Er zeigt die Menschen in ihrer Würde, in ihrer Unnahbarkeit, die<br />

sie den Europäern gegenüber vielfach zeigten 77 . Auch die Landschaften sind von der Bemühung<br />

um eine objektive Wiedergabe gekennzeichnet, bei gleichzeitigem Bestreben, den spezifischen<br />

Charakter im Bild festzuhalten.<br />

Die Mittel der Darstellung wurden durch diese Anliegen in starkem Maße geprägt. Außer<br />

dass die Palette sich gegenüber den vorausgegangenen Arbeiten grundsätzlich veränderte<br />

zugunsten sehr heller Farben, legte sich <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> stets eine Beschränkung der Farbwahl<br />

innerhalb eines Bildes auf. Nachdem zunächst zwei koloristische Strömungen - die eine<br />

durch Rosa, Blau und Weiß, die andere durch Ocker, Braun, Oliv und Blau gekennzeichnet -<br />

nebeneinander hergingen, wobei stets auf relativ starke Kontraste und die malerische Wirkung<br />

von Licht und Schatten Wert gelegt wurde, zeichnet sich um 1912 der <strong>Versuch</strong> <strong>einer</strong><br />

Synthese ab. Die Bilder sind von <strong>einer</strong> atmosphärischen Gesamtstimmung gekennzeichnet,<br />

das Licht, gleichmäßig hell, bildet keine ausgeprägten Schatten mehr, die Farben werden<br />

insgesamt noch heller und haben weniger Strahlkraft und nähern sich gegenseitig an. Leider<br />

lässt der Verlust des gesamten Werkes aus dem Jahre 1914 diesen Weg nicht weiter verfolgen.<br />

<strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> hat also in Afrika nicht nur eine Tradition sinnvoll neubelebt, er hat darüber hinaus<br />

zu einem neuen Stil gefunden, der für seine weitere künstlerische Entwicklung die Grundlage<br />

bildet.


Anmerkungen Teil II<br />

- 51 -<br />

1. <strong>Kühn</strong>, <strong>Kurt</strong>: Aufzeichnung über den Afrikaaufenthalt (I), ohne Titel, maschinenschriftlich,<br />

nicht veröffentlicht<br />

2. Encyclopedia of World Art, Vol. V, New York, Toronto, London, 1961, col. 297-311<br />

'Exotism'<br />

3. a.a.O., col. 297<br />

4. a.a.O., col. 297<br />

5. a.a.O., col. 297<br />

6. So gab es beispielsweise seit 1893 die 'Société des peintres orientalistes français',<br />

die auch in einem eigenen Salon ausstellte.<br />

7. Vgl. A. Celebonovic, Bürgerlicher Realismus. Die Meisterwerke der Salonmalerei,<br />

Berlin, 1974, S.112-119: Kapitel 'Orientalismus'<br />

Katalog: Le salon imaginaire. Bilder aus den großen Kunstausstellungen der zweiten<br />

Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts, Berlin, 1968<br />

8. Celebonovic, a.a.O., S.116f.<br />

9. Sowohl in der römischen Antike wie im Mittelalter, um nur zwei Beispiele zu nennen,<br />

wurden gern exotische Elemente in die Kunst einbezogen.<br />

10. Jullian, Philippe; Les Orientalistes, Fribourg, 1977, S.13<br />

11. Bezombes, Roger: L'exotisme dans l'art et la pensée, Elsevier, 1953<br />

12. Jullian, P., a.a.O.<br />

13. Vgl. Jullian, P., a.a.O.<br />

14. Im Artikel 'Exotism' der Encyclopedia of World Art wird dies allen Ernstes behauptet,<br />

jedoch setzt sich die ungebrochene Tradition des Orientalismus bis in unsere Tage<br />

fort, wenn auch die Länder, in die heute Künstler reisen, andere sind. Frau Lynné<br />

Thornton hat dies aufgrund ihrer bisher noch nicht veröffentlichten Forschungen festgestellt.<br />

15. Frau Lynné Thornton wird demnächst eine Dokumentation über den Orientalismus im<br />

20. Jahrhundert veröffentlichen. Dabei wird aber nur der französische Aspekt berücksichtigt.<br />

16. Katalog: Mahmal et Attaticpes. Peintres et Voyageurs en Turquie, en Egypte et en<br />

Afrique du Nord, Paris, 1975/76<br />

17. Katalog: Eastern Encounters. Orientalist Painters of the Nineteenth Century, London,<br />

The Fine Art Society, 1978<br />

18. Enzensberger, Hans Magnus: Einzelheiten I. Bewusstseins Industrie, Frankfurt/M.<br />

8<br />

1973, S. 182<br />

19. Katalog, Mahmal et Attatiches, a.a.O., S. 52<br />

20. Enzensberger, a.a.O., S. 198<br />

21. Enzensberger, a.a.O., S. 190<br />

22. Vgl. Shinoda, Yujiro: Degas. <strong>Der</strong> Einzug des Japanischen in die französische <strong>Maler</strong>ei,<br />

Diss. Köln, <strong>1957</strong>, S. 5ff. Zwar liegt, wie Shinoda nachwies, die eigentliche Entdeckung<br />

des japanischen Holzschnittes durch den Pariser Graveur Braquemopd einige Jahre<br />

früher, nämlich 1856, die Weltausstellungen spielten jedoch bei der weiteren Verbreitung<br />

eine große Rolle.<br />

23. Hofmann, Werner: Das irdische Paradies, München, 2 1974, S. 86<br />

24. a,a,0., S. 111


- 52 -<br />

25. Vgl. hierzu: Meier-Gräfe, J. (Hrsg.): Die Weltausstellung in Paris 1900, Paris, Leipzig,<br />

1900<br />

26. Katalog: Mahmal et Attatiches, a.a.O., S. 77<br />

27. a.a.O., S. 62<br />

28. a.a.O., S. 62<br />

Leider sind keine Kataloge dieser Ausstellungen mehr erhalten. Zunächst waren sie<br />

den Katalogen der jährlichen Salons angeheftet, später erschienen sie als selbständige<br />

Kataloge, die aber nicht illustriert waren (freundliche Mitteilung Frau Lynné<br />

Thornton).<br />

29. Katalog: Mahmal et Attatiches, a.a.O., S. 77<br />

30. Katalog: Mahmal et Attatiches, a.a.O., S. 36<br />

31. a.a.O., S. 35f<br />

32. a.a.O., S. 43<br />

33. a.a.O., S. 43<br />

34. zitiert nach Katalog: Mahmal et Attatiches, a.a.O., S. 43<br />

35. Katalog: Mahmal et Attatiches, a.a.O., S. 52<br />

36. a,a.0., S. 52<br />

37. a.a.O., S. 62<br />

38. Benedite, Leonce in: Art et Décoration, 1903, S. 305-315<br />

39. Freundliche Mitteilung Frau Lynné Thornton<br />

40. Etienne Bouchaud nennt in seinem Aufsatz 'La Villa Abd-el-Tif et Jean Alazard' in:<br />

Alazard, Jean: Souvenirs et Melanges, Paris, 1963, S. 101f das Jahr 1906 als Gründungsdatum.<br />

Lynné Thornton nennt im Katalog Mahmal et Attatiches, a.a.O., das Jahr 1907. Eine<br />

Überprüfung war leider nicht möglich.<br />

41. Katalog: Eastern Encounters, a.a.O., S. 8f<br />

42. Jullian, P., a.a.O., S. 124<br />

43. Jullian, P., a.a.O., S. 124<br />

Eine eigenständige Untersuchung zu dieser nordafrikanischen Schule liegt nicht vor,<br />

weshalb detaillierte Angaben nicht möglich sind.<br />

44. Theophile Gautier in: Abécédaire du Salon de 1861, zitiert nach: Jullian, P., a.a.O., S.<br />

124<br />

45. <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong>, Aufzeichnungen über Afrika (I), maschinenschriftlich, nicht veröffentlicht<br />

46. Freundliche Mitteilung Frau Lynné Thornton<br />

47. Eine Ausnahme stellt die Dissertation Uta Laxners dar: Uta Laxner: Stilanalytische<br />

Untersuchungen zu den Aquarellen der Tunisreise 1914: Macke, Klee, Moillet, Diss.<br />

Bonn, 1967. Doch wie der Titel schon angibt, geht es hier um Stilvergleiche, Orientalismus<br />

oder Exotismus spielen in der Fragestellung dieser Arbeit keine Rolle. Anhand<br />

einzelner Künstler wird diese Frage öfters gestellt, zum Beispiel in: Wedewer, Rolf:<br />

Landschaftsmalerei zwischen Traum und Wirklichkeit. Idylle und Konflikt. Köln, 1978,<br />

S. 166-177, Kapitel: Gauguins Flucht in die exotische Ferne.<br />

48. dokumentiert durch die Kataloge:<br />

Eastern Encounter, a.a.O.<br />

Mahmal et Attatiches, a.a.O.<br />

North African Traveller. Casablanca to Cairo, London,1974<br />

sowie: Jullian, P., a.a.O.


- 53 -<br />

49. abgebildet in: Jullian, P., a.a.O., S. 139<br />

50. abgebildet in: Jullian, P., a.a.O., S. 120<br />

51. abgebildet in: Jullian, P., a.a.O., S. 159<br />

52. Celebonovic, A., a.a.O., S. 112<br />

53. a.a.O., S. 112<br />

54. abgebildet in: Jullian, P., a.a.O., S. 57<br />

55. abgebildet in: Jullian, P., a.a.O., S. 119<br />

56. abgebildet in: Alazard, J.: l'Orient et la peinture français en XIX e siècle d'Eugène Delacroix<br />

à Gustave Renoir, Paris, 1930, S. 172<br />

57. abgebildet in: Jullian, P., a.a.O., S. 34<br />

58. abgebildet in: Jullian, P., a.a.O., S. 111<br />

59. abgebildet in: Jullian, P., a.a.O., S. 166<br />

60. <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong>, Aufzeichnungen über Afrika (I) [ohne Titel], maschinenschriftlich, nicht veröffentlicht<br />

61. Endgültig kann diese These natürlich erst dann erhärtet werden, wenn eine entsprechende<br />

Untersuchung und damit Vergleichsmaterial über den Orientalismus im 20.<br />

Jahrhundert vorliegt.<br />

62. Barr, Alfred jr.: Matisse. His Art and His Public, New York, 1974, S. 154<br />

63. Barr, a.a.O., S. 154<br />

64. Vgl. Barr,a.a.O., S. 154-156, S. 159f.<br />

65. Barr, a.a.O., S. 154-156, S. 159f.<br />

66. Barr, a.a.O., S. 160<br />

67. Matisse, Henri: Notizen eines <strong>Maler</strong>s, in: Kunst und Künstler VII, 1909, S. 335-347<br />

68. a.a.O., S. 340<br />

69. Laxner, Uta, a.a.O., S. 125<br />

70. Es ist sicher kein Zufall, dass auf mehreren der Tunis-Aquarelle eine Lokalisierung<br />

des Ortes durch das im Bild Dargestellte nicht ohne weiteres möglich ist. Vielfach<br />

könnte es sich aufgrund des Bildgegenstandes genauso gut um Darstellungen aus<br />

Europa handeln. Als Beispiel sei nur das Aquarell 'Helles Haus' (Abb. 120) angeführt.<br />

71. Vgl. Laxner, Uta, a.a.O., S. 152f.<br />

72. Das folgende bezieht sich auf die Spätphase des Orientalismus, also auf die Zeit um<br />

1850/60 und später. Bei Delacroix gerade war die Einheit von darzustellendem Bildgegenstand<br />

und die Beschäftigung mit fundamentalen Fragen der Malkunst sicherlich<br />

noch vorhanden.<br />

73. Imiela, H.-J.: Max Slevogt, Karlsruhe, 1968, S. 174<br />

74. Grohmann, Will: Slevogts Reisebilder aus Ägypten in der Dresdner Gemäldegalerie,<br />

in: Cicerone XX, 1928, S. 594-597, hier: S. 594<br />

75. a.a.O., S. 596<br />

76. Hamann, Richard und Jost Hermand: Impressionismus. Epochen deutscher Kultur<br />

von 1870 bis zur Gegenwart, Band III, München, 2 1974<br />

77. <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> hat in seinen Aufzeichnungen über den Afrika Aufenthalt mehrfach darauf<br />

hingewiesen.


Teil III<br />

- 54 -<br />

1.1. Arbeiten aus der Gefangenschaft, 1914-1919<br />

Im August 1914 geriet <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> in Algerien in französische Gefangenschaft und blieb bis<br />

1919 als Zivilgefangener interniert. Zunächst in Cap Matifou bei Algier, ab Mitte 1915 in Berrouaghia<br />

festgehalten, wurde er im Mai 1916 nach Garaison in den Hautes Pyrenées gebracht,<br />

Ende 1918 wurde er nach Verviers verlegt, von wo er dann nach Deutschland fliehen<br />

konnte.<br />

Von den in dieser Zeit entstandenen Gemälden sollen die Portraits hier nicht berücksichtigt<br />

werden, da an anderer Stelle die Portraits im Gesamtzusammenhang betrachtet werden.<br />

Somit stehen hier die Gemälde Kat. Nr. 89-92, 85, 95-99, 103-108, 110-113, 115-118 zur<br />

Debatte.<br />

Zwar ist ein Teil dieses Werkes in Afrika entstanden, doch haben diese Bilder mit den als<br />

afrikanisch Bezeichneten motivisch wie auch in malerischer Hinsicht so wenig gemein, dass<br />

der Zusammenhang mit den übrigen Bildern aus der Gefangenschaft größer ist und sie deshalb<br />

in diesem Zusammenhang gesehen werden.<br />

Aus Cap Matifou, der ersten Station der Gefangenschaft, stammen zweifellos die Bilder Kat.<br />

Nr. 89, Kat. Nr. 90 Abb. 53, Kat. Nr. 91, Kat. Nr. 92 Abb. 54. Keines von ihnen ist signiert,<br />

lediglich Nr. 92 Abb. 54 trägt die eigenhändige Bleistiftbezeichnung 'April 15'. Da alle vier<br />

Bilder dasselbe Motiv zeigen, einen Streifen Land, hinter dem das Meer sichtbar wird, das<br />

von einem Höhenzug eingeschlossen ist, Berrouaghia aber, die nächste Station der Gefangenschaft,<br />

weit im Landesinnern lag, ist die Lokalität somit gesichert.<br />

Abgesehen davon, dass alle vier Bilder denselben Ort mit etwas wechselndem Standpunkt<br />

zeigen, sind sich Nr. 90-92 (Abb. 53, 54) auch auffallend ähnlich in der Farbe. Kat. Nr. 89 ist<br />

etwas heller, die Farbe geht insgesamt mehr ins Gelb. Außerdem ist in diesem Bild, im Gegensatz<br />

zu den anderen, am linken Bildrand ein etwas größeres, auf der Bildmitte ein kl<strong>einer</strong>es<br />

Gebäude zu sehen. Nicht nur der Standpunkt des <strong>Maler</strong>s wechselt in den Bildern, auch<br />

die Perspektive. Nr. 89 ist in starker, Kat. Nr. 92 Abb. 54 in etwas schwächerer Draufsicht,<br />

Kat. Nr. 90 eher in Untersicht gemalt, so dass das Meer fast völlig verschwindet, während in<br />

Nr. 91 Betrachter und die in den Liegestühlen sitzenden Personen sich auf etwa derselben<br />

Höhe befinden. Landschaftsstreifen, Meer, Bergzug und der darrüberliegende Himmel sind in<br />

bildparallelen Streifen angeordnet. <strong>Der</strong> landschaftliche Vordergrund nimmt jeweils den größten<br />

Raum ein, um die sitzenden Personen zu beherbergen. Sie sind es, die den Bildern die<br />

Raumtiefe geben, mit Ausnahme von Kat. Nr. 92 Abb. 54, wo eine Dame mit weißem Sonnenschirm<br />

und ein lesender Mann sich an einem kleinen Tisch gegenüber sitzen. Sie sind<br />

bildparallel am vorderen Bildrand platziert.<br />

Das erstaunliche an diesen Bildern ist aber weniger das Sujet als die Farbe, die mit den bisherigen<br />

afrikanischen Bildern nichts gemein hat. Sattes Grün, Gelbgrün, kräftiges Blau dominieren<br />

die Bilder. Das helle Grau und das dunkle Blaugrau der Kleidung der Personen kontrastiert<br />

stark zur hellen, leuchtenden Landschaft. Helle Akzente bilden das Holz der Liegestühle,<br />

ein Buch (Kat. Nr. 89), ein weißer Sonnenschirm (Kat. Nr. 90 Abb. 53, Kat. Nr. 92<br />

Abb. 54), eine weiße Tischdecke (Kat. Nr. 92 Abb. 54), deren beschatteter Teil bläulich<br />

schimmert. Die kleinformatigen Bilder sind mit <strong>einer</strong> gewissen Verve gemalt, kräftiger Farb-


- 55 -<br />

auftrag, lockerer Pinselstrich, die Details z.B. der Kleidung sind nicht penibel herausgearbeitet,<br />

sondern pastos hingeworfen. Eine Malweise wie sie z.B. bei Manguin in seinem Bild 'Figures<br />

sur la Plage', 1902 (Avignon, Coll. Claude Manguin) vorkommt (Abb. 124). Allerdings<br />

ist die Farbe bei <strong>Kühn</strong> nicht von jener grellen Leuchtkraft, sondern insgesamt erscheint sie<br />

mehr ins Graublau gebrochen. Eine Entwicklung, die auch bei Vertretern der Fauves zu diesem<br />

Zeitpunkt zu beobachten ist 1 .<br />

Auch die Pinselführung ist nicht so expressiv wie beispielsweise bei den deutschen Impressionisten,<br />

steht <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> doch innerhalb der Farbwahl einem Liebermann oder Slevogt zu<br />

jener Zeit noch recht nahe. Die Tonigkeit, die bei Liebermann allerdings ganz besonders<br />

stark ausgeprägt ist, kann als das verbindende Element gelten.<br />

Statt dass also der Pinselstrich den Bildeindruck in einem Maße mitbestimmt, wie das gerade<br />

bei Slevogt der Fall ist, arbeitet <strong>Kühn</strong> eher mit kleinen, in sich sehr konsistenten Farbflächen,<br />

aus denen sich das Bild aufbaut. Er greift damit Gestaltungsmittel, die schon in der<br />

Pariser Zeit ausgebildet waren, wieder auf.<br />

Die Gestaltung der Belaubung der Bäume in Kat. Nr. 96 Abb. 57, Kat. Nr. 97 und Kat. Nr. 98<br />

Abb. 54 stehen der Gestaltung der Bäume in 'Boulevard de Vaugirard', Kat. Nr. 12 Abb. 6,<br />

sehr nahe, sieht man von dem völlig verschiedenen Blickwinkel und dem Stellenwert der<br />

Bäume in der jeweiligen Komposition ab.<br />

Eine weitere Gruppe bilden aufgrund desselben B1ldthemas Kat. Nr. 85, Kat. Nr. 96 Abb.57,<br />

Kat. Nr. 97, Kat. Nr. 98 Abb. 58. Kat. Nr. 85 dürfte aufgrund der Datierung 'XII.14' in Cap Matifou,<br />

die anderen drei aber in Berrouaghia entstanden sein.<br />

Kat. Nr. 96 Abb. 57 und Kat. Nr. 98 Abb. 58 sind vom Bildgegenstand her fast identisch, letzteres<br />

ist in der Farbe etwas kräftiger. An einem breiten weiß bedeckten Tisch, der sich von<br />

der rechten unteren Bildkante her in die Bildtiefe nach links erstreckt, sitzen beidseitig mehrere<br />

Personen. Sie werden von hochstämmigen Bäumen überragt, die den am Tisch Sitzenden<br />

Schatten spenden. Rechts im Mittelgrund schimmert ein kleines Haus durch die Baumstämme,<br />

in Nr. 98 Abb. 58 ist durch die Baumkronen ein wenig blauen Himmels zu sehen. Ist<br />

in Nr. 96 Abb. 57 mehr Wert auf eine gleichmäßige Helligkeit gelegt, indem die am Tisch<br />

Sitzenden weiße Hemden tragen, auf denen sich wie auf dem Tisch der Schatten nur sehr<br />

schwach bemerkbar macht, so sind die Kontraste von Hell und Dunkel in Nr. 98 Abb. 58<br />

schärfer herausgearbeitet. Die Kleidung der Menschen ist dunkel im Gegensatz zum hellen<br />

Tisch, die Schatten auf demselben sind scharf dunkel gezeichnet, zum hellen Blattwerk der<br />

Bäume steht der dunkelblaue Himmel im Gegensatz.<br />

Kat. Nr. 97 ist eine ausgesprochen bildparallele Komposition. In halber Tiefe des rosabraunen<br />

Vordergrundstreifens erheben sich beidseitig nahe dem Bildrand je ein Baum, dessen<br />

Krone durch den oberen Bildrand abgeschnitten wird. Auf einem etwas höher liegenden<br />

Streifen sitzen neun Personen auf <strong>einer</strong> Bank zwischen Bäumen, die durch ihre geringe tiefenräumliche<br />

Distanz wie aufgereiht erscheinen. Dahinter eine Zone von niedrigeren Bäumen<br />

oder Buschwerk, dessen helleres Blattwerk unterhalb der dunkleren Baumkronen der<br />

vor ihnen stehenden Bäume endet. Das Bild wird durch eine in der Mitte sitzende Frau zentriert,<br />

deren hellblaues Kleid sich von der dunklen Kleidung der anderen Männer abhebt, die<br />

außerdem von stehenden Männern flankiert wird, sowie durch zwei helle Flecken auf dem<br />

Erdboden, die von den unteren Bildecken ausgehend sich diagonal zur Bildmitte hin erstrecken,<br />

in deren Mittelpunkt ein Kaktusgewächs steht. Dazu tragen auch die beiden am Bildrand<br />

befindlichen vorgezogenen Baumstämme bei. Das Bild, das zunächst langweilig er-


- 56 -<br />

scheint, bekommt dadurch einen starken inneren Zusammenhalt. In der Farbe liegt es zwischen<br />

den beiden schon besprochenen Bildern. Es fehlt das Weiß des ersten Bildes, der<br />

Vordergrund sowie der relativ helle Himmel, der durch das Blätterdach durchschimmert. Somit<br />

ist dieses Bild von der Helligkeit von Nr. 96 Abb. 57 genau so weit entfernt wie von den<br />

insgesamt dunkleren, dafür aber kräftigeren Farben des Bildes Nr. 98 Abb. 58. Licht und<br />

Schatten sind als solche nicht wahrnehmbar, sondern sind in helle und dunklere Farbtöne<br />

aufgelöst.<br />

Das Motiv der unter sonnenbeschienenen Bäumen sitzenden Menschen, deren Kleidung mit<br />

den durch die Baumkronen fallenden Sonnenflecken ein lebhaftes Spiel von Farben sowie<br />

von Hell und Dunkel ergibt, kennen wir aus dem Impressionismus, vor allem dem eines Liebermann.<br />

Doch ist bei <strong>Kühn</strong> erstens weniger Wert auf den Kontrast von Hell und Dunkel gelegt,<br />

außerdem ist die Farbe nicht so tonig wie gerade bei Liebermann, sondern sie könnte<br />

eher als eine Verbindung aus der Graufarbigkeit des deutschen Impressionismus und den<br />

leuchtenden Farben der Fauves verstanden werden. Auch in Details lässt sich das nachweisen,<br />

so ist zum Beispiel die Gestaltung des Gesichtes der Frau in Nr. 98 Abb. 58 ganz ähnlich<br />

wie es z.B. in Manguins 'Figures sur la Plage', 1902 (Avignon, Collection Claude Manguin),<br />

geschieht (Abb. 124). Mit einem geformten Farbklecks, dessen Kontur dunkel umrandet<br />

ist, wird der Kopf gebildet. Eine individuelle Ausgestaltung oder gar Portraitähnlichkeit wird<br />

nicht angestrebt.<br />

Auch motivische Rückgriffe geschehen. So ist die Komposition der unter Bäumen sitzenden<br />

Menschen Kat. Nr. 96 - 98 Abb. 57, 58 schon in dem Bild von 1909 Kat. Nr. 25 vorweg genommen.<br />

Allerdings hat in dem früheren Bild der Wald das Übergewicht, während in den<br />

Bildern aus der Gefangenschaft die Personen im Vordergrund stehen. Sie sind viel weiter an<br />

den vorderen Bildrand gerückt, der Tisch wird angeschnitten, eine viel direktere Präsentation<br />

wird durch den Ausschnittcharakter, den das Bild hat, erreicht.<br />

<strong>Der</strong> Sinn fürs <strong>Maler</strong>ische kommt in der kleinen Gelegenheitsarbeit Kat. Nr. 95 Abb. 56 zum<br />

Ausdruck. Eine kleine Hütte unter Bäumen, wackelig, baufällig. Nach seinen Aufzeichnungen<br />

über die Gefangenschaft zu schließen, könnte es sich um eine Behausung handeln, die den<br />

Gefangenen zugeteilt wurde. Insofern wäre eher ein sich empörender Realismus der Darstellung<br />

zu erwarten, nicht aber jene ausgesprochen idyllische, poetische Art der Schilderung.<br />

Das Bild Kat. Nr. 99 Abb. 59 steht in der Farbe den afrikanischen Bildern am nächsten, da es<br />

sehr viel Rosa und Brauntöne verwendet. Doch während die Farben in den afrikanischen<br />

Bildern strahlend, leuchtend waren, mit Weiß und kräftigem Blau kontrastiert, ist nun eine<br />

Gestaltung gewählt, die Ton in Ton gemalt ist, alle Farbe stark ins Graue gebrochen und<br />

damit etwas trist, melancholisch wirkend.<br />

Ein die gesamte Bildbreite einnehmender Weg erstreckt sich stark verjüngend in die Bildtiefe.<br />

Auf der linken Seite wird er von einem niedrigen Gebäude gesäumt, im rechten Vordergrund<br />

grenzt ein Baumstamm das Bild ab, hinter dem ein wohlbeleibter Mann hervorschaut.<br />

Mehrere Personen gehen auf dem Weg in verschiedenen Richtungen. <strong>Der</strong> Blick in die Tiefe<br />

wird durch ein querstehendes Gebäude blockiert. Darüber erhebt sich blassblauer Himmel.<br />

Bei aller Zurückhaltung kommt doch das Eingesperrtsein recht anschaulich zur Geltung. Die<br />

Menschen können nur nach vorne oder in die Bildtiefe gehen, ein seitliches Ausweichen ist<br />

nicht möglich.


- 57 -<br />

In Garaison malte <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> mehrere Ansichten desselben Gebäudes aus verschiedenen<br />

Blickwinkeln zu verschiedenen Jahreszeiten. Es handelt sich wahrscheinlich um die Unterkunft<br />

der Gefangenen, die sie zunächst nur in Begleitung von Militär zeitweise verlassen<br />

durften. Diese Bilder - Kat. Nr. 103 - 108, Abb. 63, 64 - stammen alle aus dem Jahre 1916,<br />

bis auf Kat. Nr. 105 und 108 sind sie alle signiert.<br />

Sie sind nach drei verschiedenen Mustern aufgebaut: Ein breiter Vordergrund, der in mehreren<br />

hintereinander liegenden Querstreifen sich in die Bildtiefe erstreckt, gibt den Blick auf<br />

das höher stehende Gebäude frei (Kat. Nr. 103, 107). Oder aber der Vordergrund wird durch<br />

Bäume, die mit zunehmender Distanz näher beieinander stehen, raumperspektivisch angelegt,<br />

um den Blick auf das im Hintergrund erscheinende Gebäude zu führen (Kat. Nr. 105,<br />

Kat. Nr. 108 Abb. 64). In den Vordergrund des Bildes ragen Bäume und Gebüsch, die sich<br />

vorhangartig öffnen und in mehr oder weniger großer Distanz das Haus zeigen (Kat. Nr. 104,<br />

Kat. Nr. 106 Abb. 63). Das letzte Kompositionsprinzip ist wiederum keine neue Erfindung,<br />

sondern bereits in dem Bild 'Le Parc' von 1908, Kat. Nr. 22 Abb. 11, angewandt worden.<br />

Diese Komposition kam auch in den afrikanischen Bildern in vergleichbarer Weise in Kat. Nr.<br />

61 Abb. 33 und Kat. Nr. 62 Abb. 34 vor.<br />

Stehen die Bilder Kat. Nr. 103 - 105 in der Farbe denen aus Berrouaghia nahe - grün und<br />

blau mit rosabraun und weißen Akzenten geben den Bildern einen etwas kühlen Grundton -<br />

so sind die folgenden drei Ansichten aus Garaison durch ihre ausgesprochen warme Farbe,<br />

die sich aufgrund des hohen Gelbanteils im Bild erklärt, sehr unterschieden. Selbst das Bild<br />

Kat. Nr. 108 Abb. 64, das im November 1916 entstand, strahlt diese Wärme aus, es wird von<br />

einem goldgelben Licht überzogen.<br />

Aus den folgenden Jahren 1917 und 1918 stammen die Kat. Nr. 110 - 113 und 116 - 118,<br />

Abb. 65. Sie zeigen Landschaften, wohl aus der näheren Umgebung Garaisons. Von einem<br />

erhöhten Standpunkt aus geht der Blick in das weite, tiefer liegende hügelige Land. In Kat.<br />

Nr. 110 - 113 ist wieder das Prinzip des durch Bäume überragten Vordergrundes aufgenommen.<br />

In den Bildern Kat. Nr. 110, 111 nimmt eine kleine Hügelkuppe den Vordergrund<br />

ein, sie trägt zwei (Kat. Nr. 110) oder drei (Kat. Nr. 111) Personen, die ins Land schauen, als<br />

Rückenfiguren gemalt, ein Motiv, das seit der Romantik sehr beliebt ist.<br />

Das Bild Kat. Nr. 117 Abb. 65 zeigt nochmals eine Szene aus dem täglichen Leben der Gefangenen,<br />

die morgendliche Toilette im Freien. Es entstand 1918; eine zweite Fassung, die<br />

eine Studie hierzu darstellen dürfte, Kat. Nr. 118, ist nur um weniges kl<strong>einer</strong> und weicht insgesamt<br />

nur geringfügig von der endgültigen Fassung ab. An einem Zaun, der an der rechten<br />

Bildkante beginnt und sich schräg in di~ Tiefe erstreckt, sind die Waschgelegenheiten angebracht.<br />

Fünf Männer mit nacktem Oberkörper sind gerade dabei sich zu waschen oder haben<br />

diese Prozedur schon hinter sich gebracht. Hinter dem Zaun breitet sich dichtes Grün aus,<br />

das den gesamten Hintergrund ausfüllt und nur eine kleine Ecke Himmels sichtbar werden<br />

lässt.<br />

Die fünf Männer bilden einen Keil, dergestalt, dass die vorderen sich bücken, während die<br />

letzten beiden aufrecht stehen, wobei der vordere seinen Kopf gesenkt hält. Nun sind sie<br />

aber nicht in <strong>einer</strong> Linie aufgereiht, sondern die beiden stehenden Männer befinden sich weiter<br />

im Vordergrund. Die ganze Szene spielt sich in hellem, warmem Sonnenlicht ab. Das<br />

Grün der Bäume spielt stark ins Gelbe, die Sonne bildet scharfe Schatten auf Körper und<br />

Kleidung der Männer, der Boden wird durch Schatten und sonnenbeschienene Stellen belebt.


- 58 -<br />

Während <strong>einer</strong>seits motivische Rückgriffe innerhalb dieser Werkgruppe geschehen, werden<br />

andererseits die Erfahrungen des Afrika-Aufenthaltes eingebracht.<br />

Sind einzelne Kompositionsweisen, wie zum Beispiel das Motiv der unter Bäumen sitzenden<br />

Menschen (Kat. Nr. 96 - 98 Abb. 57, 58) schon früher (Kat. Nr. 25, 1909) angewandt worden,<br />

so wurden sie doch stark verändert. <strong>Der</strong> Ausschnittcharakter, das Moment des Präsentiert-<br />

Werdens, des Beobachtet-Werdens, das in zahlreichen afrikanischen Bildern eine große<br />

Rolle spielte, wurde hier in ein tradiertes Bildmotiv eingehracht, so dass die Darstellung im<br />

Verhältnis zur früheren sehr viel direkter wirkt. Die Personen verschwinden nicht im Hintergrund,<br />

vielmehr stößt der Betrachter geradezu auf sie.<br />

Auch das Motiv der durch Baumkronen oder Äste verhängten Bildecken taucht wieder auf<br />

(Kat. Nr. 104, Kat. Nr. 106 Abb. 63), wird aber in einem anderen Zusammenhang gebraucht.<br />

Und zwar innerhalb der Komposition bildparalleler Zonen, die gestaffelt werden. Wie noch zu<br />

zeigen sein wird, findet sich diese Kompositionsweise in späteren Bildern <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong>s sehr<br />

oft. Das Problem Licht und Schatten im Bild zu verwirklichen, wird nochmals aufgegriffen und<br />

schließlich ganz ähnlich wie in den afrikanischen Bildern gelöst. Statt mit Hell und Dunkel zu<br />

arbeiten, werden verschiedenartige Farben verwandt, Licht und Schatten im strengen Sinn<br />

existieren nicht mehr (Kat. Nr. 97).<br />

Die Farbe ändert sich grundsätzlich zugunsten <strong>einer</strong> insgesamt wieder kräftigeren Palette.<br />

Auf die Leuchtkraft der Farbe wird Wert gelegt, wichtig dabei ist immer ein harmonischer<br />

Gesamtklang der Farben innerhalb des Bildes, so dass niemals Dissonanzen auftreten. Hier<br />

geschieht keine direkte Anknüpfung an die Entwicklung der Farbe in Afrika, es deutet sich<br />

schon an, wie sehr <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> von der jeweiligen Umgebung abhängig war, was die Farbwahl<br />

betrifft.<br />

1.2. Werke aus den Jahren 1919-1925, bzw. aus Holzhausen<br />

Nachdem <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> 1919 nach Deutschland zurückgekehrt war, ließ er sich zunächst in<br />

Holzhausen nieder, wo er seit 1912 ein Haus besaß. Von dort aus versuchte er in Deutschland<br />

wieder Fuß zu fassen, er war von kurzen Unterbrechungen seines Afrika-Aufenthaltes<br />

abgesehen seit 1910 nicht mehr in Deutschland gewesen.<br />

Aufgrund der politischen und wirtschaftlichen Lage war mit der Kunst zunächst nicht viel<br />

Geld zu verdienen. Die Inflation machte auch gerade den Leuten, die von Vermögen lebten,<br />

das Leben nicht gerade leicht. So versuchte er sich mit Hilfe von verschiedenen Hilfsarbeiten<br />

in Holzhausen und Umgebung sowie in München über Wasser zu halten.<br />

Hier entstanden Kat. Nr. 28, Kat. Nr. 29 Abb. 14, Kat. Nr. 121, Kat. Nr. 122 Abb. 67, Kat. Nr.<br />

123, Kat. Nr. 124 Abb. 68, Kat. Nr. 125, 126, 130, 131, 137, 138, 142, Kat. Nr. 143 Abb. 71,<br />

Kat. Nr. 144, Kat. Nr. 148, Kat. Nr. 152 Abb. 74. Die in dieser Zeit entstandenen Portraits<br />

bleiben auch hier ausgeklammert, um sie an anderer Stelle im Zusammenhang zu betrachten.<br />

Die beiden Bilder Kat. Nr. 28 und Kat. Nr. 29 Abb. 14 gehören streng genommen nicht in<br />

diese Gruppe, da sie 1910 entstanden, motivisch sind sie aber besser hier aufgehoben,<br />

gleichzeitig ist es reizvoll und aufschlussreich, sie innerhalb dieser Gruppe mit den zehn Jahre<br />

später entstandenen Bildern zu betrachten.


- 59 -<br />

Das Bild 'Im Baumgarten', Kat. Nr. 29 Abb. 14, signiert und datiert 1910, zeigt zwei Damen,<br />

eine davon ist die Mutter des Künstlers, an einem weiß gedeckten Tisch unter Bäumen sitzen.<br />

Das Bild Kat. Nr. 28, nicht datiert, wohl im selben Jahr entstanden, zeigt denselben Ort 2 .<br />

Diesmal sitzen sich zwei Männer gegenüber. Die Distanz zum Betrachter ist verringert, Beine<br />

und vorderer Teil der rechten Bank werden vorn unteren Bildrand abgeschnitten. Das Bild 'Im<br />

Baumgarten' ist aus verschiedenen Gründen interessant. Das Motiv ist bekannt, es kommt<br />

schon in dem mehrfach er wähnten Bild von 1909 Kat. Nr. 25 vor. Die Anordnung des Tisches<br />

ist in beiden Bildern sehr ähnlich, wie auch die Distanz zum Betrachter und die Perspektive<br />

nahezu identisch sind. Die Frauen sitzen unter <strong>einer</strong> sorgfältig komponierten Baumlaube,<br />

die von zwei Baumstämmen gebildet wird, die in das Bild hineinragen, aufeinander zulaufen,<br />

vom oberen Bildrand aber abgeschnitten werden; sie bilden annähernd die Form eines<br />

gotischen Spitzbogens, unter dem sich der Tisch befindet. Erst dahinter werden die grünen<br />

Baumkronen sichtbar, die aber genügend Licht durchlassen, um die Frauen in der Helle<br />

erscheinen zu lassen. Auch für diese äußerst preziöse Gestaltung der Baumstämme gibt es<br />

eine Vorstufe bei <strong>Kühn</strong>, und zwar im Bild 'Le parc', Kat. Nr. 22 Abb. 11, von 1908. <strong>Der</strong> entscheidende<br />

Unterschied zu jenem Bild liegt aber darin, dass in 'Im Baumgarten', Kat. Nr. 29<br />

Abb. 14, in impressionistischer Manier mit Licht und Schattenreflexen gearbeitet wird, ein<br />

Aspekt, der in 'Le Parc' keine Entsprechung hat. Die Farbkombination von sattem Grün, von<br />

blaugrünen und gelbgrünen Tönen mit Grau-Rosa des Bodens um den Tisch herum und<br />

einem ins Rosa gehenden Braun des Holzes der Sitzbank tritt weder in dem Bild von 1909<br />

Kat. Nr. 25 noch in dem ebenfalls in Holzhausen entstandenen Bild gleichen Themas, Kat.<br />

Nr. 28, auf. Am ehesten ist eine farbliche Verwandtschaft in 'Le parc', Kat. Nr. 22 Abb. 11, zu<br />

sehen, jedoch mit dem Unterschied, dass dort die Farbe insgesamt sehr viel leichter, gewissermaßen<br />

atmosphärisch, wirkt, nicht zuletzt, weil sie dort um einiges heller ist.<br />

Interessant ist aber nun, dass motivisch vergleichbare Bilder aus Berrouaghia, Kat. Nr. 96<br />

Abb. 57 und Kat. Nr. 98 Abb. 58, k<strong>einer</strong>lei farbliche Verwandtschaft mit 'Im Baumgarten', Kat.<br />

Nr. 29 Abb. 14, aufweisen, spätere Bilder aus Holzhausen jedoch, um dies schon vorwegzunehmen,<br />

diese Farbverwandtschaft durchaus zeigen, auch bei völlig anderen Motiven.<br />

Das Bild Kat. Nr. 125, das zu Beginn der zwanziger Jahre in Holzhausen entstanden sein<br />

dürfte, beinhaltet dieselben farblichen Gestaltungsmittel. Zwei Damen schlendern Arm in<br />

Arm auf einem Waldweg auf den Betrachter zu. Sie werden von der starken Sonne, die<br />

durch die Blätterkronen dringt, beschienen, wie das Licht auch auf den Weg und das Laub<br />

helle Lichtreflexe wirft. Dieselben Farben wie in 'Im Baumgarten' beherrschen das Bild: Rosa<br />

des Weges, Grün des Laubes, Weiß und Blau der Kleidung der Damen. Einen (dem Tischtuch<br />

entsprechenden) hellen Akzent setzt die rechte Dame, die, ganz in Weiß gekleidet, einen<br />

weißen Sonnenschirm trägt. Insgesamt sind hier die Farben etwas heller, um eine stärkere<br />

Beleuchtung zu veranschaulichen.<br />

Ganz ähnlich ist Kat. Nr. 124 Abb. 68. An Stelle eines Weges ist hier eine Lichtung gezeigt,<br />

auf der zwei Damen im Spaziergang innehalten. Ein Weg, der auf der Bildmitte verläuft (Kat.<br />

Nr. 123, 125, 131, 148) oder vom rechten (Kat. Nr. 137, 138) oder linken (Kat. Nr. 130) Bildrand<br />

zur Bildmitte hin sich in starker Verkürzung erstreckt, der von Bäumen (Kat. Nr. 125,<br />

137, 138, 148) oder Häusern (Kat. Nr. 130) flankiert wird, ist ein sehr beliebtes Kompositionsmittel<br />

sowohl in der Holzhausener Zeit als auch noch späterhin, um Tiefenraum zu<br />

schaffen. Dies ist natürlich keine neue Erfindung, <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> könnte direkte Vorbilder in seinen<br />

Dresdner Lehrern gehabt haben 3 . Jedoch wirkt dieses bewährte Bildschema auch bei<br />

ihm sehr malerisch.<br />

Eine andere Lösung ist die bildparallele Schichtung von verschiedenen Streifen, womit sich<br />

ebenfalls sehr malerische Effekte erzielen lassen (Kat. Nr. 121, Kat. Nr. 122 Abb. 67, Kat. Nr.


- 60 -<br />

142, Kat. Nr. 144, Kat. Nr. 152 Abb. 74). Auch diese Kompositionsweise wurde nicht erst<br />

jetzt entwickelt, sondern, wie schon erwähnt, wurden die Bilder aus Cap Matifou (Kat. Nr. 89<br />

- 92 Abb. 53, 54) nach demselben Prinzip aufgebaut. Die strengste Komposition in diesem<br />

Sinne ist Kat. Nr. 122 Abb. 67. Im Vordergrund sind Felder zu sehen, die sich aus verschieden<br />

dunklen olivgrün-braunen Streifen zusammensetzen. Darauf folgt eine Reihe Häuser mit<br />

tief zur Erde reichenden Dächern, die in dunklem Rostrot, das leicht ins Braun spielt, gemalt<br />

sind. Zwischen und hinter den niedrigen Häusern ragen Bäume auf, sie sind in einem<br />

schmutzigen Braun-Rot gestaltet, das sich kaum von der Farbe der Hausdächer unterscheidet.<br />

über den niedrigen Horizont erhebt sich erst ein hellblauer Streifen Himmels, der dann in<br />

die Weite eines grauen Herbsthimmels ausdehnt, dessen unterer Teil etwas heller als der<br />

obere ist.<br />

Auch das Bild Kat. Nr. 152 Abb. 74 ist zunächst nach dem selben Schema gebaut. Hinter<br />

einem breiten sandfarbenen Vordergrund wird der See sichtbar. In helleren und dunkleren<br />

Streifen wird seine unterschiedliche Tiefe sichtbar. In der Entfernung ist der Höhenzug des<br />

gegenüberliegenden Seeufers sichtbar. Doch ist dies Bild durch eine rechts ins Bild ragende<br />

Hausecke belebt, in deren Schatten ein <strong>Maler</strong> an s<strong>einer</strong> Staffelei arbeitet. Das Haus wirft<br />

seinen Schatten, der sehr schön in Dunkelblau und Braun gemalt ist, auf den Vordergrund<br />

zur unteren Bildkante hin. Ein kl<strong>einer</strong> Hund auf der Bildmitte sowie drei Sträucher am Ufer<br />

des Sees, die an den linken Bildrand reichen, tragen zur weiteren Belebung der Komposition<br />

bei. Das Bild dürfte wohl auf einem der Grundstücke in Holzhausen entstanden sein, die sich<br />

am Ammersee-Ufer hin erstrecken, auf denen sich die 'Holzhausener Künstlerkolonie' niedergelassen<br />

hatte.<br />

Das ein Jahr vor diesem Bild entstandene Gemälde Kat. Nr. 143 Abb. 71 aus dem Jahr 1923<br />

ist insofern recht typisch, als es die ab 1933 in Waging und Umgebung entstandenen Bilder<br />

in gewisser Weise vorwegnimmt. In s<strong>einer</strong> recht anspruchslosen Komposition zeigt es einen<br />

Bauer beim Bestellen des Feldes, im Hintergrund ein weißes Haus, kahle Bäume. Zarte Farben,<br />

um nicht zu sagen: etwas blasse, helles Graubraun des Bodens, helles Graugrün der<br />

Wiese, helles Grau-Rosa der Hausdächer, fahles Blau des Himmels, geben dem Bild etwas<br />

sehr leichtes, aber rücken es auch in die Nähe der Substanzlosigkeit. Es fehlt ein wenig die<br />

Kraft, die alles zusammenhalten könnte.<br />

Möglicherweise zeigt es auch die Orientierungslosigkeit, das In-der-Luft-Hängen, wodurch<br />

auch bis zu einem gewissen Grade die damalige Lebenssituation des Künstlers gekennzeichnet<br />

war.<br />

1.3. Werke aus den Jahren 1925-1942, Düsseldorf, Paris<br />

1925 zog <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> nach Krefeld, um dort in <strong>einer</strong> Gobelin-Manufaktur zu arbeiten. Nach<br />

kurzer Zeit jedoch löste sich das Unternehmen auf, <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> siedelte nach Düsseldorf über,<br />

wo er bis 1942 wohnte. Von hier aus unternahm er in den folgenden Jahren Reisen nach<br />

Paris, Spanien, Finnland, Jugoslawien. Ab 1934 arbeitete er in den Sommermonaten in Waging<br />

am See, wo er sich 1933 ein Haus gebaut hatte.<br />

Zahlreiche Bilder sind aus dieser Zeit erhalten. Es handelt sich meist um Landschaften, Bilder,<br />

die in den Parks von Düsseldorf und Umgebung entstanden, in Paris malte er in den<br />

Tuilerieen, im Jardin du Luxembourg. Von der Spanienreise sind einige Skizzen, aber nur<br />

wenige größere Ölgemälde erhalten, von der Jugoslawienreise nur ein größeres Bild.


- 61 -<br />

In diesen Jahren malte er viel im Freien. Mit einem Malkasten, der die Malutensilien enthielt<br />

und gleichzeitig als tragbare Staffelei diente, war er viel unterwegs. Eine ganze Reihe kl<strong>einer</strong><br />

Holztafeln, die auf diese Weise entstanden, zeugen davon: z.B. Kat. Nr. 133 Abb. 70, Kat.<br />

Nr. 155 Abb. 75, Kat. Nr. 156 Abb. 76, Kat. Nr. 157 Abb. 77, Kat. Nr. 165, 170, um nur einige<br />

zu nennen. Ein zweites wichtiges Anliegen war in dieser Zeit das Portrait, es wird in einem<br />

gesonderten Kapitel behandelt.<br />

Aus der Fülle der diesen Zeitraum belegenden Bilder seien folgende als stellvertretende Beispiele<br />

herausgegriffen: Kat. Nr. 133 Abb. 70, Kat. Nr. 155 Abb. 75, Kat. Nr. 156 Abb. 76, Kat.<br />

Nr. 157 Abb. 77, Kat. Nr. 160 Abb. 78, Kat. Nr. 164 Abb. 79, Kat. Nr. 176 Abb. 83, Kat. Nr.<br />

186 Abb. 85. Schon wenn man diese acht Bilder betrachtet, zeigt sich, dass sich in der Kunst<br />

<strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong>s nun nichts grundlegend Neues mehr ereignet. Ein Eindruck, den die weiteren<br />

Bilder dieser Gruppe bestätigen. Statt Neuem geht es insgesamt mehr um eine Verarbeitung<br />

des Vorhandenen, eine Verf<strong>einer</strong>ung in Komposition und malerischer Ausführung.<br />

Die anhand der Holzhausener Bilder gezeigten Kompositionsschemata des Aufbaus eines<br />

Bildes aus bildparallel verlaufenden gestaffelten Zonen sowie der in die Tiefe diagonal führende<br />

Weg als raumschaffendes Element sind auch bei diesen Bildern die vorrangigen Mittel,<br />

Landschaften kompositionell zu gestalten. Die Kat. Nr. 155 Abb. 75, Kat. Nr. 160 Abb. 78,<br />

Kat. Nr. 186 Abb. 85, Kat. Nr. 187, Kat. Nr. 202 können als Beispiel für die eine Methode, die<br />

Kat. Nr. 156 Abb. 76, Kat. Nr. 164 Abb. 79, Kat. Nr. 168 Abb. 80, Kat. Nr. 169, Kat. Nr. 182<br />

können für die raumkonstituierende Diagonalkomposition beispielhaft stehen.<br />

Aus beiden Möglichkeiten versucht der Künstler in dieser Zeit mitunter eine Synthese zu<br />

schaffen oder eine Verbindung, die allerdings durchaus zu <strong>einer</strong> einheitlichen Lösung führt.<br />

In Kat. Nr. 178 zum Beispiel sehen wir im Vordergrund zwischen den bildparallel verlaufenden<br />

Eisengeländern <strong>einer</strong> Brücke zwei Damen stehen, hinter denen sich das Grün der Bäume<br />

von der Mitte her teilt, um nach oben den Bildrändern zuzustreben und damit die Mitte<br />

des Bildes zu öffnen, damit der Blick des Betrachters in die Bildtiefe wandern kann. In Ansätzen<br />

ist dies auch in den Bildern Kat. Nr. 202, 203 angestrebt, doch ist hier die Öffnung des<br />

Hintergrundes weniger strikt vollzogen.<br />

Die Farbe ändert sich bei all diesen Bildern nicht mehr grundsätzlich gegenüber der Farbigkeit<br />

der Holzhausener Bilder. Sie wird insgesamt etwas heller, und der Grauschleier, der die<br />

Bilder überzieht, wird etwas dominierender, das heißt, alle Farben sind noch stärker ins<br />

Graue gebrochen, als das bisher der Fall war. Die Leichtigkeit sowie der Aspekt des Dekorativen<br />

tritt dadurch in den Vordergrund. Grün, blaugrün, grau, sandfarbene Töne, rosa, rosabraun<br />

sind die bestimmenden Farben, die so verwendet werden, dass keine Kontrastwirkung<br />

durch Farbe angestrebt wird, sondern die Farben sanft ineinander übergehen, wie das schon<br />

in den späten afrikanischen Bildern, Kat. Nr. 48 Abb. 27, angestrebt wurde und auch in den<br />

Holzhausener Bildern ansatzweise versucht wurde.<br />

Hier sind ganz sicherlich Einflüsse von Camille Corot verantwortlich. Die Tonigkeit sowie der<br />

atmosphärische Charakter, die so viele Bilder <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong>s kennzeichnen, können dort ihr<br />

Vorbild gehabt haben, doch findet bei <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> insofern eine Fortführung dieses Ansatzes<br />

statt, als die Gegenstandsauflösung weitergetrieben wird. Dementsprechend entmaterialisiert<br />

sich auch die Farbe, das heißt, sie wird sehr hell und hat kaum mehr Leuchtkraft, wie das<br />

noch in den afrikanischen Bildern oder den frühen Holzhausener Bildern der Fall war. <strong>Der</strong><br />

Bildgegenstand, hier die Landschaft, wird so ihres Wiedererkennungscharakters beraubt.<br />

Wesentlich ist nicht die Abbildung. <strong>einer</strong> bestimmten Landschaft, sondern die Stimmung, als


- 62 -<br />

deren Träger die Landschaft noch allenfalls gelten kann, ist das Entscheidende. Am Beispiel<br />

des Bildes Kat. Nr. 188 Abb. 86 ist das besonders deutlich. Auch im Original ist die Landschaft<br />

als solche kaum noch auszumachen.<br />

Ein weiteres Kompositionsmittel, das in dieser Zeit verstärkt angewandt wird, ist die Möglichkeit,<br />

mit Hilfe mehrerer Baumstämme ein Bildgerüst zu errichten. Sie stehen meist in Kontrast<br />

zur insgesamt hellen, leichten Farbigkeit des gesamten Bildes, denn vielfach wird eine<br />

Kombination mit der zuvor beschriebenen Gestaltungsweise vorgenommen. Beispiele sind<br />

Kat. Nr. 155 Abb. 75, Kat. Nr. 156 Abb. 76, Kat. Nr. 160 Abb. 78, Kat. Nr. 186 Abb. 85.<br />

Zwar ist dies keine Erfindung <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong>s, denn schon bei den Impressionisten spielte der<br />

Baum als Strukturelement eine große Rolle, auch bei den Fauves findet sich dieses Element.<br />

Auch innerhalb des Werkes <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong>s ist dies keine Neuerung; wie wir sahen, spielte der<br />

Baum als Gliederungselement schon in dem Bild 'Le parc' von 1908, Kat. Nr. 22 Abb. 11,<br />

eine wichtige Rolle. <strong>Der</strong> wesentliche Unterschied zu jenem Bild aber besteht darin, dass die<br />

vorrangig dekorative Wirkung, die dadurch erzielt wurde, dass das Bild durch geschwungene<br />

Baumstämme in gewissem Sinne eingerahmt wurde, nun aufgegeben ist. Jetzt ragen die<br />

Bäume wie Masten kerzengerade in die Höhe und haben eine tektonische Funktion, die<br />

durch die in der Regel sehr dunkle braune Farbe, die sie tragen, im Gegensatz zur Helle der<br />

Umgebung, Kat. Nr. 155 Abb. 75, Kat. Nr. 156 Abb. 76, Kat. Nr. 160 Abb. 78, unterstrichen<br />

wird.<br />

Es ist sicherlich kein Zufall, dass bei einem Künstler, der in diesem Zusammenhang schon<br />

mehrfach erwähnt wurde, Albert Marquet, ganz ähnliche Gestaltungsmittel verwendet werden.<br />

Sein Bild 'Paris, La Madeleine' (Abb. 125) ist sehr gut mit <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong>s Kat. Nr. 160 Abb.<br />

78 vergleichbar.<br />

In beiden Bildern sieht man von einem erhöhten Standpunkt durch wie Gitterwerk das Bild<br />

überziehende kahle Bäume und deren Geäst auf den weiten Boulevard de la Madeleine bei<br />

Marquet, auf eine weite Gartenfläche bei <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong>. Dahinter erhebt sich das Gebäude der<br />

Kirche bzw. eine Häuserzeile bei <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong>, die das Bild abschließt, sich wie ein blockierender<br />

Riegel vor den Hintergrund schiebt. Indem <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> die Häuserzeile bis zum oberen<br />

Bildrand sowie über die gesamte Bildbreite führt, die Bäume wie bei Marquet ihre Basis außerhalb<br />

des Bildraumes haben, wird dem Betrachter ein räumliches Erleben des Bildes unmöglich<br />

gemacht. Dies unterstreicht <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> noch, indem er den Park oder Garten, der die<br />

halbe Bildfläche einnimmt, in der schon oben beschriebenen Weise gestaltet, also mehr als<br />

Stimmungsraum denn als realen Raum, so dass auch hier eine räumliche Orientierung nicht<br />

möglich ist. Hinzu kommt noch der Ausschnittscharakter des Bildes, der all dies ebenfalls<br />

unterstreicht.<br />

Marquet lässt links neben der Madeleine den Raum sich in den Hintergrund weiter erstrecken,<br />

wie er einen Streifen Himmel oberhalb des Gebäudes sichtbar werden lässt. <strong>Der</strong> Boulevard<br />

ist mit Droschken und Menschen bevölkert, während <strong>Kühn</strong>s Bild völlig menschenleer<br />

ist. Dadurch ist <strong>Kühn</strong>s Bild frei von allem Anekdotischen, seine Tendenz zur Aufgabe des<br />

Raums zugunsten <strong>einer</strong> Flächigkeit im Bild tritt hier ganz ausgeprägt zu Tage.<br />

Ein Vergleich hinsichtlich der Farbe ist aus Unkenntnis des Originals von Marquet nicht möglich.<br />

Aufgrund der Farbe in Bildern Marquets aus den dreißiger und vierziger Jahren kann<br />

aber eine grundsätzliche Verwandtschaft konstatiert werden. Grau, helle gelbbraune Farben,<br />

Weiß und im Vordergrund helles Graugrün und Graurosa geben dem Bild einen fast monochromen<br />

Charakter, der durch die schwarzen Baumstämme noch unterstrichen wird.


- 63 -<br />

Diese schon mehrfach erwähnte Verwandtschaft zu Albert Marquet, der in der Regel als ein<br />

Mitglied der Fauves charakterisiert wird, wobei sein Spätwerk meist zu wenig berücksichtigt<br />

wird, bedarf eines Zusatzes, da mit dem Stichwort 'Fauves' leicht falsche Assoziationen hervorgerufen<br />

werden. Oft wird darüber die weitere Entwicklung der Künstler vergessen, bzw.<br />

indem sie an der relativ kurzen Zeit, die die Fauves bestanden, gemessen werden, kommt<br />

man dabei zu beträchtlichen Schwierigkeiten, wenn es um die Gesamtwürdigung geht 4 .<br />

Gualtieri di San Lazzaro hat dies sehr anschaulich ausgedrückt: "For most of them, for<br />

Braque, <strong>Der</strong>ain, Vlaminck, Van Dongen and many others, Fauvism was no more than an<br />

incident in their evolution, an important incident, a stage but nothing more. For Matisse, Marquet,<br />

Rouault, Dufy and Friesz it was no more than a point of departure. Rouault has hardly<br />

ever moved from it since, Marquet and Priesz tended to lose sight of it, and Matisse and Dufy<br />

can recall it with an element of satisfaction when they look back on the road they have happily<br />

travelled, through dangers of every kind, each according to his own capacity" 5 . Dies nur<br />

zur Vermeidung des Eindrucks, <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> solle mit aller Gewalt für die Fauves reklamiert<br />

werden. Das ist sicherlich aufgrund der Ähnlichkeiten, vor allem aber der Unterschiede, nicht<br />

möglich noch beabsichtigt. Mit diesen Vergleichen soll lediglich auf gewisse parallel verlaufende<br />

Entwicklungen bei anderen Künstlern hingewiesen werden, um zu zeigen, dass <strong>Kurt</strong><br />

<strong>Kühn</strong> keineswegs einsam auf weiter Flur stand.<br />

1.4. Bilder von der Spanienreise 1932 und von der Jugoslawienreise 1939<br />

Diese Bilder werden nicht nur aufgrund ihres thematischen Zusammenhanges, der durch die<br />

völlig andere Lokalität gegenüber den übrigen Bildern aus diesem Zeitraum gegeben ist, gesondert<br />

behandelt, sondern auch weil sie sich im <strong>Maler</strong>ischen von den andern Bildern dieser<br />

Zeit unterscheiden.<br />

Von der ausgedehnten 1932 unternommenen Spanienreise zeugen die Bilder Kat. Nr. 190 -<br />

193, Kat. Nr. 194 Abb. 87, Kat. Nr. 195 - 199, Kat. Nr. 200 Abb. 88, während von der 1939<br />

unternommenen Reise nach Jugoslawien nur noch zwei Bilder erhalten sind: Kat. Nr. 217<br />

Abb. 94 und Kat. Nr. 218 Abb. 95.<br />

Die Skizzen zeigen eine ungeheure Frische, die Umsetzung des ersten augenblicklichen<br />

Eindrucks in Farbe und Form. Wie so oft spricht aus ihnen im Gegensatz zu den später ausgeführten<br />

Atelierbildern die Kraft der Intuition, die zunächst bezwingt. Von der Skizze Kat. Nr.<br />

196, die an das 1939 entstandene Lagostabild Kat. Nr. 218 Abb. 95 erinnert, abgesehen, ist<br />

en Bildern eine horizontal angelegte Streifenkomposition, wie sie vergleichsweise von den<br />

Holzhausener Bildern her bekannt ist, zueigen.<br />

Dabei handelt es sich in der Regel um vier übereinander gelegte horizontale Schichten: im<br />

Vordergrund der Strand, dahinter ein Streifen Meer, gefolgt vom Ausläufer <strong>einer</strong> Halbinsel<br />

oder dem Streifen <strong>einer</strong> vorgelagerten Insel, darüber der Himmel. Dabei ist der zweite Streifen,<br />

das Meer, teilweise durchgehend, das heißt, nur vom Bildrand begrenzt (Kat. Nr. 194<br />

Abb. 87, Kat. Nr. 197, 198, Kat. Nr. 200 Abb. 88) oder er ist einseitig geschlossen, indem<br />

eine Verbindung zwischen der ersten und der dritten Zone hergestellt wird, die durch eine<br />

Bucht gebildet wird (Kat. Nr. 191, 192, 195). <strong>Der</strong> streifenartige Aufbau wird farblich nachvollzogen,<br />

und somit wird eine Räumlichkeit erzielt. Die erste Zone, also der Vordergrund, ist<br />

heller als der dritte Streifen, die in der Entfernung erscheinende Landzunge oder Insel. Das<br />

Meer, die zweite Zone, ist dunkler blau als der helle durchlichtete Himmel.


- 64 -<br />

Figuren, meist in Rückenansicht (Kat. Nr. 192, 197, Kat. Nr. 217 Abb. 94), Gebäude, die in<br />

die Bildtiefe führen (Kat. Nr. 194 Abb. 87, Kat. Nr. 199), ragen in die zweite Bildzone hinein,<br />

eine weitere Verklammerung.<br />

Die Grundfarbigkeit ist den frühen Afrikabildern sehr verwandt. Rosa und gelbbraune Farben<br />

in starker Aufhellung werden mit hellem Blau kontrastiert. Grün kommt in der Ibiza-Skizze<br />

Kat. Nr. 196 und in den Holztafeln Kat. Nr. 190, 193 vor, bei letzteren ist das Grün aber stark<br />

nach Blaugrau abgetönt.<br />

Die Ölskizze Kat. Nr. 217 Abb. 94, die wahrscheinlich im Hafen von Triest entstand, ist den<br />

spanischen Bildern prinzipiell sehr ähnlich im Aufbau. Das Meer ist nach rechts durch aufragende<br />

Bauten begrenzt, sie leiten zu den dem Hafen gegenüber liegenden Häusern über,<br />

die den Fuß eines Berges einnehmen. Im Vordergrund sehen wir gestapeltes Frachtgut auf<br />

Deck eines Schiffes. <strong>Der</strong> Mast mit dem gerafften Segel ragt schräg nach rechts oben, im<br />

rechten Winkel dazu Taue, deren Verankerung in der Bildmitte liegt. Diese Taue führen nach<br />

links oben, wo sie dann vom Bildrand abgeschnitten werden. Hier ist also zur Horizontalgliederung<br />

noch eine leicht vertikale hinzugefügt, gleichsam über das Bild als Spannungsnetz<br />

gelegt. Dies verleiht dem Bild letztlich seine Kompaktheit.<br />

Das relativ großformatige Bild Kat. Nr. 218 Abb. 95 hat einen von den in Spanien entstandenen<br />

Bildern völlig verschiedenen Aufbau, während die Farbe sich von jenen nicht grundsätzlich<br />

unterscheidet. Vier Fünftel der Bildfläche werden von einem Berghang eingenommen,<br />

der von der unteren Bildkante her ansteigt. Rechts im Vordergrund steht ein großer Baum,<br />

kl<strong>einer</strong>e Bäume ziehen sich vom linken Bildrand her halb kreisförmig vom Mittel- bis zum<br />

Hintergrund hin. Über der fast bildparallelen Gipfelkante des Berges erscheint ein schmaler<br />

Streifen Himmel. Wie sich die Landschaft hinter dem Berge fortsetzt, ist aus dem Bilde nicht<br />

zu entnehmen. Auf der linken Seite steigt im Vordergrund ein Mann den Berg hinan, rechts<br />

sind zwei weitere Menschen sichtbar. <strong>Der</strong> Hang ist insgesamt sehr flächig, durch helles Rosa,<br />

das in der Mitte etwas dunkler wird, ist er nur ganz schwach modelliert. Auch die Bäume<br />

haben keine rechte Plastizität.<br />

Die Gegenstände scheinen sich im hellen Licht aufzulösen, an Substanz zu verlieren. Von<br />

daher ist eine Verbindung zu den stimmungshaften Landschaftsbildern aus der Düsseldorfer<br />

Zeit zu sehen, z.B. zu Kat. Nr. 188 Abb.86, das eine vergleichsweise ähnliche Tendenz zur<br />

Entmaterialisierung zeigt. Andererseits ist aufgrund der Farbe und des Lichts, die dem Bild<br />

den atmosphärischen Charakter geben, eine Verbindung zu den afrikanischen Bildern der<br />

Jahre 1912/13 gegeben.<br />

1.5. Die Portraits<br />

Zahlenmäßig stellen die Portraits die größte thematische Gruppe im Werk <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong>s dar.<br />

Zeit seines Lebens hat er sich dem Bildnis gewidmet, die frühesten Beispiele stammen aus<br />

dem Jahre 1905, die spätesten aus den fünfziger Jahren. Lediglich in den Jahren 1910-1914<br />

entstanden wohl wenig Portraits. Neben den im Nachlass erhaltenen Bildnissen existieren<br />

einige, die auf Bestellung. gemalt und verkauft wurden und sich heute in Privatbesitz befinden.<br />

<strong>Der</strong> überwiegende Teil der Bildnisse zeigt Personen aus dem familiären Umkreis oder<br />

aus dem engeren Bekanntenkreis <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong>s. Viele der Dargestellten konnten somit identifiziert<br />

werden, allerdings ist dies nicht bei allen Portraits mehr möglich gewesen.


- 65 -<br />

Da die Bildnisse, die bis 1910 entstanden, schon im Kapitel 'Werke bis 1910' ausführlich behandelt<br />

wurden, soll hier nur kurz auf diese Bilder eingegangen werden. Das 'Bildnis der<br />

Mutter des Künstlers', 1905, Kat. Nr. 3 Abb. 2, und das 'Bildnis eines Mannes', 1906, Kat. Nr.<br />

6, zeigen beidesmal eine sitzende Person im Profil, nach links schauend, parallel zum vorderen<br />

Bildrand sitzend, der die Personen in Höhe der Sitzfläche abschneidet. Sie sind unmittelbar<br />

vor eine bildparallel verlaufende Wand gesetzt, die im Fall des 'Bildnis der Mutter<br />

des Künstlers', Kat. Nr. 3 Abb. 2, mit <strong>einer</strong> gestreiften Tapete geschmückt ist. Ist dieses Bild<br />

vorwiegend in Braun und Gelb-Gold gehalten, weist das ein Jahr später in Paris entstandene<br />

Bildnis Kat. Nr. 6 eine Farbigkeit auf, die durch die blau-graue Kleidung des Mannes und den<br />

grauen Hintergrund bestimmt wird. Hier ist die <strong>Maler</strong>ei etwas freier, nicht mehr fein modelliert,<br />

sondern durch kräftigere Pinselstriche werden Hintergrund und Kleidung gestaltet.<br />

Das 'Bildnis eines Mannes', 1907, Kat. Nr. 15 Abb. 7 zeigt deutlich die Auseinandersetzung<br />

mit der französischen Kunst. In einem atelierähnlichen Raum sitzt ein älterer Herr mit Hut im<br />

dunklen Anzug mit weißem Schal dem Betrachter frontal gegenüber. Im Hintergrund links<br />

steht ein Tisch, auf dem sich eine Flasche, ein Buch und ein Becher befinden. In kräftig parallel<br />

verlaufenden Pinselstrichen unterschiedlicher Helligkeit ist das Bild sehr lebendig gestaltet.<br />

Hände und Gesicht sind nicht fein und glatt gemalt wie in den frühen Portraits, sondern<br />

in kräftigem Rot und Rosa mit grau-grünen Schatten und dunkler Kontur. Hier sind sicher<br />

Einflüsse von Toulouse-Lautrec und Gauguin verarbeitet. So ist zum Beispiel in Gauguins<br />

'Bildnis der Familie Schuffenecker', 1889 (Paris, Jeu de Paume) die malerische Behandlung<br />

der Fläche ganz ähnlich vollzogen worden.<br />

Eine weitere Auflockerung der Malweise, namentlich was die Gestaltung des Gesichts angeht,<br />

wird im 'Bildnis eines Mannes', 1907, Kat. Nr. 16, vor allem aber im 'Bildnis der Mutter<br />

des Künstlers', 1908, Kat. Nr. 19, 20 Abb. 9 erreicht. Aus breiten pastosen Pinselstrichen und<br />

kräftig farbigen Flächen wird das Bild aufgebaut. Die Farbe hat sich bei beiden Bildern merklich<br />

aufgehellt und verändert, grünweiß, auf dem die Sonne grünliche Schatten wirft, gelb<br />

und rosa-braun als vorherrschende Farben lassen das Bild sehr licht erscheinen.<br />

Drei Portraits malte <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> von s<strong>einer</strong> ersten Frau Margarete <strong>Kühn</strong> um 1912. Einmal (Kat.<br />

Nr. 54) sitzt sie in weißem Kleid auf <strong>einer</strong> grünen Wiese, die teilweise beschattet ist, lesend<br />

in einem Journal, ihren rechten Arm auf die Stuhllehne gestützt, von der ein lila Tuch herabhängt.<br />

Ein andermal (Kat. Nr. 55) sitzt sie auf einem Balkon, ist durch die geöffneten Balkontüren<br />

sichtbar, während sie sich in einem Handspiegel betrachtet, den sie in ihrer Rechten<br />

hält. Das Bildnis Kat. Nr. 53 Abb. 29 zeigt sie stehend, fast frontal dem Betrachter zugewandt,<br />

in einem blau-schwarzen Kleid mit weißem Kragen und weißem Einsatz, den rechten<br />

Arm in die Hüfte gestemmt. Gesicht und Hals sind sehr fein modelliert, in zartem Rosa, leicht<br />

grüngetönte Schatten tragen zur Modellierung bei. <strong>Der</strong> grüne ungegenständliche Hintergrund<br />

ist mit arabesken Formen geziert, eine Gestaltung, die in späteren Portraits in abgewandelter<br />

Form wieder aufgenommen wird (Kat. Nr. 171, 172, 213 Abb. 93, Kat. Nr. 129).<br />

In dem 'Bildnis zweier Männer', 1912, Kat. Nr. 56 Abb. 30, kehrt <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> zu <strong>einer</strong> Farbigkeit<br />

zurück, die eher in die der frühen Bildnisse verweist. Grau sind die Kleidung der beiden<br />

Männer sowie der etwas hellere glatte Hintergrund. Einziger Farbakzent ist die blaue Krawatte<br />

des am linken Bildrand stehenden Mannes, der im Profil erscheint. Die Köpfe und Hände<br />

der Männer sind sehr markant gestaltet, indem das rosafarbene Inkarnat mit grauen Schatten<br />

kontrastiert.<br />

Während der Gefangenschaft in Cap Matifou sowie in Garaison sind zahlreiche Portraits,<br />

auch Gruppenportraits, entstanden, die untereinander recht verschieden sind. Das 'Bildnis


- 66 -<br />

dreier Männer', Kat. Nr. 86, ist hinsichtlich der Farbauffassung den Kat. Nr. 89-92 Abb. 53,<br />

54 nahestehend. Sehr helles, aber dennoch warmes Licht konturier die Köpfe der Männer<br />

und hebt sie scharf vom hellblauen Hintergrund des Himmels ab. Licht und Schatten tragen<br />

auch in großem Maß zur Modellierung bei, die Wärme des Lichtes drückt sich in der gelbockerfarbenen<br />

Grundstimmung aus, die das Bild überzieht. Ganz ähnlich verhält es sich mit<br />

dem Doppelportrait Kat. Nr. 87, 1915.<br />

Sind diese letztgenannten Portraits eher als Gelegenheitsarbeiten anzusehen - es existieren<br />

ganz ähnliche kleinformatige Aquarelle -, so stellen die Portraits Kat. Nr. 94 Abb. 55, vor allem<br />

aber Kat. Nr. 102 'Bildnis des Herrn H.' Abb. 62 einen eher repräsentativen Anspruch.<br />

Das Bildnis Kat. Nr. 94 Abb. 55, eines der wenigen, die eine Person in der Landschaft zeigen,<br />

dürfte wahrscheinlich in der Gefangenschaft entstanden sein. Die Identität des Dargestellten<br />

war leider nicht zu ermitteln, genauso wenig wie das genaue Entstehungsdatum. Das<br />

Bild ist weder signiert noch datiert. In den in der Pariser Zeit entstandenen Bildnissen erscheinen<br />

die Personen stets vor <strong>einer</strong> Wand, nie aber in einem Tiefenraum. Das erste Bildnis,<br />

das eine Person im Freien zeigt, ist das 'Bildnis Margarete <strong>Kühn</strong>', 1912, Kat. Nr. 54. In<br />

den frühen Arbeiten werden die Personen entweder im Profil oder aber en face gezeigt; eine<br />

freiere Haltung, wie sie der hier Gezeigte, Kat. Nr. 94 Abb. 55, einnimmt, also z.B. mit leichter<br />

Drehung, was die Darstellung von Raum im Bild erfordert, kommt erstmals in dem 'Bildnis<br />

der Mutter', 1908, Kat. Nr. 20 Abb. 9, vor. Auch in der Farbe steht dies Portrait den in Garaison<br />

entstandenen Bildern recht nahe. Kühle blaue Farben spielen ins Grüne und in Ocker,<br />

der helle Lichteinfall wird malerisch verwendet. Von daher ist es den Bildern Kat. Nr. 104,<br />

105 sehr verwandt und eine Datierung dürfte mit:1916/17 anzusetzen sein.<br />

Ganz anders verhält es sich mit dem 'Bildnis des Herrn H.', 1916, Kat. Nr. 102 Abb. 62. <strong>Der</strong><br />

auf einem Faltstuhl, von dem nur ein Teil der Sitzfläche sichtbar ist, sitzende Mann ist auf der<br />

Bilddiagonale angesiedelt, seinen rechten Arm hat er auf einen neben ihm stehenden Tisch<br />

gelegt. Direkt hinter ihm wird der Raum durch einen Vorhang begrenzt, so dass auch hier<br />

zwar eine Räumlichkeit angedeutet, aber nicht in ihrer vollen Entfaltung sichtbar wird. Hintergrund<br />

und Tischtuch sind in Ocker gehalten, die Kleidung des Mannes, graugrüne Jacke,<br />

grau-blaue Hose und weißer Pullover, heben sich davon ab, kontrastieren aber nicht. Schon<br />

vom Format her nimmt dies Bild eine herausragende Stellung ein unter den Portraits, auch<br />

ist es eines der wenigen aus dieser Zeit, die eine sitzende Person zeigen.<br />

Sehr viel freier, pastoser im Farbauftrag sind die ebenfalls in Berrouaghia entstandenen<br />

Bildnisse Kat. Nr. 100, Kat. Nr. 101 Abb. 61, beide 1916. Ist die Person in Kat. Nr. 101 Abb.<br />

61 etwas gedreht, so dass durch eine weitere Drehung des Kopfes nach links das Gesicht<br />

frontal erscheint, so ist in Kat. Nr. 100 die ganze Person fast völlig frontal gestellt, d. h. ohne<br />

Torsion des Körpers oder des Kopfes. Die Gesichter wirken wie aus plastischem Material<br />

geformt, indem Farbflecken unterschiedlicher Valeurs gegeneinandergesetzt sind.<br />

Ganz ähnlich ist das 'Bildnis der Mutter des Künstlers', 1919, Kat. Nr. 120 Abb. 66, gestaltet.<br />

Sie steht ebenfalls dem Betrachter frontal gegenüber, hat den Kopf etwas nach rechts geneigt<br />

und schaut nach links aus dem Bilde heraus. Auch findet sich wieder die plastische<br />

Modellierung; die Farbe bewegt sich im Rahmen braun-grau-grün, wovon sich als einzige<br />

lebendigere Farbe das Gelb des Inkarnats abhebt.<br />

Das einzige erhaltene Bildnis, in dem eine Person in ihrer sie bestimmenden Umgebung gezeigt<br />

wird, ist das 'Bildnis der <strong>Maler</strong>in Klara Ewald', Kat. Nr. 146. Es dürfte Anfang der zwanziger<br />

Jahre, als <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> in Holzhausen war, entstanden sein: Klara Ewald gehörte zu jener<br />

Künstlergruppe, die sich dort niedergelassen hatte. Das Bild zeigt den Atelierraum im Aus-


- 67 -<br />

schnitt über Eck, eine seit dem Impressionismus beliebte Perspektive der Innenraumdarstellung.<br />

In halber Höhe öffnet sich auf der linken Bildseite das große Atelierfenster und lässt<br />

das Licht einfallen, das den Raum gleichmäßig ausleuchtet. Tische, Staffeleien, Bilder füllen<br />

den Raum, in dessen Mitte die <strong>Maler</strong>in vor <strong>einer</strong> Staffelei steht, an einem Bilde arbeitend.<br />

Im 'Bildnis eines Mannes', Kat. Nr. 147 Abb. 72, wird ein sitzender Mann gezeigt, der gerade<br />

einen Architekturentwurf studiert. Das Bild ist weder signiert noch datiert, möglicherweise<br />

handelt es sich um einen Architekten, den <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> in der Holzhausener Zeit kannte; da es<br />

sich mit Sicherheit nicht um seinen Nachbarn Hollweck 6 handelt, könnte ein Angehöriger des<br />

Architektenbüros Wach-Rosskow 7 dargestellt sein. <strong>Der</strong> Mann sitzt in einem Lehnstuhl, der in<br />

die vordere rechte Bildecke gerückt ist, in Halbdrehung, so dass wir ihn im Profil sehen. Mit<br />

übergeschlagenen Beinen sitzt er recht bequem und hält den Plan in den ausgebreiteten<br />

Armen. Hier ist also ein Hinweis auf die Beschäftigung des Dargestellten gegeben, ohne<br />

dass der Betreffende jedoch bei der Arbeit gezeigt würde. Wie bei den übrigen Portraits geht<br />

es also weniger um eine Charakterisierung der Person durch deren äußere Lebensumstände,<br />

sei es Wohnung, Beruf, geistige Beschäftigung, die im Bild attributiv gezeigt würden,<br />

sondern die Person als Individuum steht im Mittelpunkt des Interesses.<br />

Die Komposition dieses Bildes ist auf den Bilddiagonalen aufgebaut. Sessellehne, Kopf des<br />

portraitierten und Knie bilden fast eine Linie: von der oberen rechten Bildecke zur linken unteren.<br />

Die Farben dieses Teils sind sehr einheitlich: ocker-grün sind Stuhllehne sowie die<br />

Kleidung des Mannes. Ist die durch diese Diagonale abgetrennte Bildhälfte durch plastisches<br />

ausgefüllt, ist die andere Hälfte sehr flächig. Die den Hintergrund bildende bildparallel verlaufende<br />

Wand erscheint in graublau, das, rechts unten dunkler, zur Bildhöhe hin sich auflichtet.<br />

Die Diagonale von links oben nach rechts unten verläuft durch die Mitte der Architekturzeichnung,<br />

die genau dort einen Knick auf weist. Da sie nicht ganz plan gehalten werden<br />

kann, vermittelt sie zwischen dem plastischen und dem ebenen Bildteil. Hier herrscht eine<br />

eigene Farbe: helles Sandbraun, leicht rosa getönt. Die Lichtquelle befindet sich rechts vorne,<br />

außerhalb des Bildes. Dies hat zur Folge, dass sich der Mann, der zur Bildfläche nach<br />

rechts gedreht sitzt, den Plan so halten muss, dass sich die rechte Hälfte näher, die linke<br />

weiter entfernt von ihm befindet. Legte man räumlich verlaufende Diagonalen, auf deren <strong>einer</strong><br />

sich der Oberkörper des Mannes, auf deren anderer die Unter- und Oberkante des Planes<br />

sich befänden, so schneiden diese sich in einem Winkel, der fast ein rechter ist.<br />

Das ganze Bild wird also durch Verklammerungen zusammengehalten, hinsichtlich der<br />

Räumlichkeit, der Plastizität, der Farbe, der Aufteilung der Bildfläche.<br />

Aus der Krefelder Zeit stammt das 'Bildnis des Ehepaars Starting', 1924, Kat. Nr. 150 Abb.<br />

73. Es dürfte sich um eine Skizze handeln, möglicherweise zu einem Bild, das sich im Besitz<br />

der Portraitierten befindet. Die rechts etwas weiter im Vordergrund stehende Frau verdeckt<br />

ein wenig ihren Mann, der anscheinend sitzt. Sie überragt ihn fast um Haupteslänge. Die<br />

Körper der beiden sind zueinander gekehrt, doch schauen sie sich dabei nicht an, sondern<br />

ihre Blicke gehen aus dem Bild heraus auf den Betrachter hin. Sie präsentieren sich als Paar<br />

dem Betrachter. Das Bild ist in flott hingesetzten Pinselstrichen gemalt, die den Untergrund<br />

durchscheinen lassen. Die Kleidung ist in parallelen Pinselstrichen gemalt, die die beiden<br />

Bilddiagonalen nachzeichnen. Somit wird die Betonung auf die Bildmitte gelegt. Die Farbe ist<br />

auch hier insgesamt recht dunkel, die Gesichter heben sich hell davon ab.<br />

Ab Ende der zwanziger Jahre wird der Portraitstil <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong>s präzisiert im Sinne <strong>einer</strong> weitergehenden<br />

Vereinfachung, <strong>einer</strong> gewissen Klassizität. Die Dargestellten erscheinen vor<br />

<strong>einer</strong> monochromen Hintergrundfläche hell beleuchtet. Ihre Plastizität wird dadurch erhöht,


- 68 -<br />

statuarisch präsentieren sie sich dem Betrachter. Die Haltung ist von großer Schlichtheit. Im<br />

Profil (Kat. Nr. 154), in Vierteldrehung sitzend, den Kopf im Dreiviertelprofil (Kat. Nr. 174<br />

Abb. 82, Kat. Nr. 158) oder en face (Kat. Nr. 206) schauen sie den Betrachter an.<br />

Ein typisches Beispiel dieser Portraitart ist das 'Bildnis Lotte <strong>Kühn</strong>', Kat. Nr. 174 Abb. 82, das<br />

etwa 1929/30 entstand. <strong>Der</strong> Körper beschreibt eine Dreivierteldrehung nach rechts, der Kopf<br />

ist in die Gegenrichtung gedreht, so dass er fast en face erscheint. Die Dargestellte nimmt<br />

ein Dreieck innerhalb der hochformatigen Bildfläche ein, wobei der Kopf sich auf der Bildmitte<br />

im oberen Viertel befindet. Dies gibt dem Bild schon einen ruhenden Charakter. Farben<br />

treten fast gar nicht mehr auf. Die Bluse wie der unbekleidete Arm sind weiß, das Inkarnat<br />

sehr hell, eher grauweiß als rosafarben, der Hintergrund grau. Alles 'überflüssige' ist hier<br />

weggelassen, nur das Antlitz ist Träger von Ausdruck und Stimmung. Dies erinnert an Portraits<br />

von z. B. André <strong>Der</strong>ain (Abb. 126) und Albert Marquet (Abb. 127). Während Marquet<br />

noch mehr Gewicht auf die Gestaltung des Hintergrundes legt, beschränkt sich <strong>Der</strong>ain ganz<br />

ähnlich wie <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> völlig auf die Person, auf deren Antlitz. Nicht nur die frontale Präsentation<br />

des Portraitierten vor einem monochromen Hintergrund auch die malerische Behandlung<br />

ist auffallend ähnlich.<br />

Als letztes Beispiel soll das 'Bildnis W.K.', Kat. Nr. 213 Abb. 93, betrachtet werden. Es zeigt<br />

den <strong>Maler</strong> Walter Kaufmann, den <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> in Düsseldorf kennen gelernt hatte. Das Bild ist<br />

Ende der dreißiger Jahre entstanden. Es zeigt den <strong>Maler</strong> in sehr lässiger Haltung auf dem<br />

Stuhl sitzend. Den linken Unterarm auf den linken Oberschenkel gelegt, den rechten Arm mit<br />

nach innen gekehrter Hand auf den rechten Oberschenkel gestemmt, beugt er sich vor und<br />

fixiert seinen fiktiven Gegenüber mit abschätzendem Blick, während die Pfeife im Mund<br />

klemmt. Ähnlich forsch wie die Haltung ist auch die malerische Gestaltung. <strong>Der</strong> Portraitierte,<br />

uns frontal gegenüber sitzend, trägt einen weißen Anzug mit Weste und Krawatte, vor einem<br />

grünen flächigen Hintergrund, der mit wenigen braunen Pinselhieben strukturiert ist und wie<br />

ein Vorhang wirkt. Die Stofflichkeit des Anzugs ist ungeheuer stark akzentuiert. Kräftige<br />

Schatten bilden sich in den Falten des Stoffes und kontrastieren in Grau-Blau zum Weiß.<br />

Dabei gewinnt der Anzug aber keinen Eigenwert, sondern hat seine Funktion als Bekleidung<br />

<strong>einer</strong> Person. Diese kräftige Modellierung sowie der Kontrast von dem weißen Anzug der<br />

Figur zum dunkelgrünen Hintergrund verleiht dem Bild eine ungeheure Vitalität und Lebendigkeit.<br />

Betrachtet man die Portraits im Zusammenhang hinsichtlich der malerischen Entwicklung, so<br />

fällt eine gewisse Uneinheitlichkeit des Stils und der malerischen Mittel auf, wie dies in Bildern<br />

anderer Themen schon der Fall war. Ja man kann gewissermaßen die künstlerische<br />

Entwicklung anhand der Portraits nachzeichnen.<br />

Schon von den frühesten Portraits an stellt <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> Personen dem Betrachter direkt gegenüber,<br />

indem sie wie auf <strong>einer</strong> Bühne präsentiert werden. Sie erscheinen in der Regel vor<br />

<strong>einer</strong> Wand oder einem Vorhang, die dicht hinter ihnen das Bild abschließen. Kein Raum<br />

umgibt sie oder bietet sich schützend an, in dem sie sich aufhalten könnten. Im 'Bildnis der<br />

Mutter des Künstlers', Kat. Nr. 3 Abb. 2, ist die Tapete dekorativ gemustert, bei den folgenden<br />

Bildnissen ist das nicht mehr der Fall, alle Aufmerksamkeit des Betrachters wird auf den<br />

Portraitierten gelenkt. Die dargestellten Personen haben genauso wenig wie eine sie umgebende<br />

Umwelt keine Requisiten, wodurch sie näher ausgezeichnet würden. Die <strong>Maler</strong>kollegen,<br />

Kat. Nr. 211, Kat. Nr. 213 Abb. 93, werden nicht im Atelier oder bei der Arbeit gezeigt,<br />

sondern völlig losgelöst von ihrem Beruf. Ist das Bild ganz auf die Person beschränkt, so<br />

liegt bei den Dargestellten das Hauptgewicht auf dem Antlitz. Dies erklärt die Vorliebe für<br />

Bruststücke; nur wenige Bilder zeigen eine Person in voller Größe, selbst dann sind zumindest<br />

die Beine angeschnitten (Kat. Nr. 128, Kat. Nr. 213 Abb. 93). Somit kann auch durch


- 69 -<br />

Körperhaltung oder Gestik in der Regel keine zusätzliche Charakterisierung der Person vorgenommen<br />

werden. Alles Gewicht liegt also auf dem Gesicht. <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> versteht es, durch<br />

sehr genaue Beobachtung das Gesicht zum Ausdrucksträger der Person zu machen, so<br />

dass die Portraits durchweg sehr interessant aussehen, da man etwas vom jeweils Dargestellten<br />

mitgeteilt bekommt. Es ist sicherlich am Platze, von psychologischen Portraits zu<br />

sprechen, jedoch nicht im Sinn von Darstellung bestimmter Typen, sondern dem Betrachter<br />

wird die psychische Verfassung der Person gezeigt. Stets wird dabei die Portraitähnlichkeit<br />

in höchstem Maße gewahrt. Eine Auflösung der Person, wie es z.B. Kokoschka anstrebte,<br />

oder gar eine Deformation, wie es der Kubismus betrieb, wird nicht angestrebt. Das Abbilden<br />

hat bei allem Sichtbarmachen immer entscheidendes Gewicht.<br />

1.6. Die Selbstbildnisse<br />

Ist jedes Kunstwerk zu einem bestimmten Grade auch Ausdruck und ein Stück Selbstverwirklichung<br />

des Künstlers, so trifft dies auf die Selbstbildnisse in besonderem Maße zu. Ist<br />

dem Künstler doch die Möglichkeit gegeben, sich selbst zu reflektieren und das Bild, das er<br />

von sich selbst hat, zu zeigen. Unter diesem Gesichtspunkt sollen auch die Selbstbildnisse<br />

<strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong>s betrachtet werden.<br />

Insgesamt sind 13 Selbstbildnisse erhalten, die einen Zeitraum von fünfzig Jahren umfassen:<br />

Kat. Nr. 1 Abb. 1, Kat. Nr. 2, Kat. Nr. 4, Kat. Nr. 5 Abb. 3, Kat. Nr. 23 Abb. 12, Kat. Nr. 129<br />

Abb. 69, Kat. Nr. 135, 145, 163, Kat. Nr. 173 Abb. 81, Kat. Nr. 210 Abb. 91 Kat. Nr. 233 Abb.<br />

99, Kat. Nr. 236.<br />

Das früheste Beispiel von 1902/03, Kat. Nr. 1 Abb. 1, weist schon einen durchgehenden Zug<br />

aller späteren Selbstbildnisse auf: die äußerst selbstbewusste Haltung, das Fixieren des Gegenübers.<br />

<strong>Der</strong> junge zweiundzwanzigjährige Künstler zeigt sich im dunklen Anzug mit Hut, in<br />

Seitenansicht über die Schulter blickend. Nur das Gesicht hebt sich vorn dunkelbraunen Hintergrund<br />

ab, mit um so stärkerem Ausdruck. Hinweise auf seine Tätigkeit als <strong>Maler</strong> fehlen.<br />

Wie schon an anderer Stelle erwähnt, ist das Bild von der akademischen Malweise geprägt,<br />

was Farbe und Malweise anbelangt.<br />

Das 1905 entstandene Selbstbildnis Kat. Nr. 2, wohl eine Gelegenheitsarbeit, hat völlig anderen<br />

Charakter. In bewusst lässiger Kleidung, schwarzes Jackett mit hochgeschlagenem<br />

Kragen, schwarzes Halstuch, braune Schirmmütze, mit Zigarette im Hundwinkel, wendet es<br />

sich von der Präsentation als junger Vertreter des Bürgertums ab und zeigt den Künstler in<br />

der Rolle eines Bohemien oder Proletariers. Auch die Ausführung ist in gewisser Weise roh.<br />

Kräftige Pinselstriche malen Kleidung und Gesicht, mit roten Akzenten wird das gelbe Inkarnat,<br />

namentlich an Nase und Ohr, belebt. Hinter dem Körper erstreckt sich ein breiter senkrechter<br />

Streifen in Rostbraun, seitlich davon auf der linken Seite ein schmaler grüner Streifen,<br />

der bis zur halben Bildhöhe reicht, darüber ein hellbraunes Farbfeld. Auf der rechten<br />

Seite ist die Randzone von unten her hellbraun, das letzte Drittel moosgrün ausgeführt.<br />

Das Selbstbildnis Kat. Nr. 4, das in Paris um 1906 entstanden sein dürfte, ist wieder völlig<br />

anders geartet. <strong>Der</strong> Künstler vor der Staffelei als Akt, bis zur Hüfte sichtbar, steht im Bildzentrum,<br />

hinter ihm ein Stuhl dessen blaue Polsterlehne sichtbar ist. Die Staffelei steht außerhalb<br />

der Bildfläche, so dass der nach links ausgestreckte Arm, der den Pinsel hält, den<br />

Bildrand erreicht. Interessant ist die Modellierung des Körpers aus elfenbeinfarbenen Tönen<br />

verschiedener Helligkeit, die mit blaugrau und gelb durchsetzt sind und den Körper in groben<br />

Zügen modellieren. <strong>Der</strong> flächige Hintergrund ist in hellem Blaugrün gehalten. Auch hier blickt


- 70 -<br />

der Künstler über die Schulter aus dem Bilde heraus, doch nicht den Betrachter fixierend,<br />

sondern eher abschätzig, verwehrend, wie um mit dem Blick ein Eindringen in die Sphäre<br />

des Künstlers abzuwehren. Auch der ausgestreckte linke Arm wirkt wie eine abwehrende<br />

Geste, wie eine Barrikade, die vor das Bild gelegt ist. Diese Distanzierung wird durch die<br />

äußerst kühle Farbe unterstrichen, Körper wie Umgebung strahlen eine distanz-schaffende<br />

Kühle aus.<br />

Das Selbstbildnis Kat. Nr. 5 Abb. 3 ist das einzige, in welchem sich der Künstler in einem<br />

Innenraum bei der Arbeit darstellt. Es dürfte in Paris entstanden sein, um 1906/07. <strong>Der</strong><br />

schräg angeschnittene Innenraum lässt den Blick durch ein geöffnetes bis zum Boden reichendes<br />

Fenster ins Freie schweifen, wo die gegenüberliegende Häuserfront andeutungsweise<br />

sichtbar wird. In der Mitte des Raumes sitzt der <strong>Maler</strong> lässig auf einem zierlichen<br />

Stuhl. In der rechten Hand hält er die Palette, in der Hand des linken ausgestreckten Armes<br />

hält er den Pinsel, der die Leinwand berührt. Sie steht auf <strong>einer</strong> Staffelei am rechten Bildrand.<br />

<strong>Der</strong> Künstler schaut etwas überrascht aus dem Bild heraus, als sei der Betrachter derjenige,<br />

der ihn gerade bei der Arbeit überrascht hat. <strong>Der</strong> Innenraum ist kein Atelier, sondern<br />

scheint ein Hotelzimmer zu sein. Indem durch das Fenster einfallenden Gegenlicht erscheint<br />

der dunkle Anzug des Künstlers fast schwarz, wozu der Boden in hellem und dunklerem Rosa<br />

prächtig kontrastiert. Das Rosarot kehrt noch in einem Fleck auf der Leinwand wie der,<br />

wobei aber der dort dargestellte Gegenstand nicht zu erkennen ist.<br />

<strong>Der</strong> Künstler präsentiert sich hier als eleganten jungen Mann, für den die Arbeit nichts<br />

Handwerkliches oder Schmutziges an sich hat. Diese Auffassung steht insgesamt dem<br />

neunzehnten Jahrhundert recht nahe, wo die Ateliers wie Salons ausgestattet waren, in denen<br />

Hof gehalten wurde, als sich Künstler eher als gesellschaftlich tonangebende Ereignisse<br />

auffassten denn als handwerklich arbeitende Menschen. <strong>Maler</strong> wie Hans Markart und Franz<br />

von Lenbach verkörperten diesen Typ sehr anschaulich.<br />

Das Selbstbildnis von 1909, Kat. Nr. 23 Abb. 12, zeigt wiederum den Typ des eleganten jungen<br />

Mannes, der sich sehr selbstbewusst in der Pose des <strong>Maler</strong>s zeigt. Er steht, leicht aus<br />

dem Zentrum nach links gerückt, uns zugewendet; den linken Arm ausgestreckt, führt er den<br />

Pinsel. Die Staffelei ist nicht sichtbar. Ähnlich wie in den meisten Portraits ist der Raum, in<br />

dem er steht, als solcher nicht erkennbar. Hinter dem stehenden Künstler, der bis in Brusthöhe<br />

sichtbar ist, erstreckt sich eine grün-ocker-farbene Fläche, die bis zur Höhe der Hutkrempe<br />

reicht und zwei Drittel der Bildbreite einnimmt. <strong>Der</strong> übrige Bildraum ist in Hellgrau mit<br />

leichtem Rosa-Schimmer gehalten. Vermittelte der blau gestrichene Hintergrund des Selbstbildnisses<br />

Kat. Nr. 4 noch eine gewisse Raumtiefe, so herrscht hier völlige Flächigkeit. Zunächst<br />

ist die grünliche Fläche nicht gegenständlich zu identifizieren, vor allem aber ist ihre<br />

räumliche Distanz zum Künstler nicht auszumachen, genauso wenig wie dahinter liegenden<br />

hellen Fläche. Insofern ist es richtig, dass die Staffelei, die eine Raumbildung hätte, nicht im<br />

Bild erscheint.<br />

So tritt die Person als plastischer Körper im Gegensatz zur Flächigkeit sehr direkt und wirksam<br />

hervor, es findet eine ungleich stärkere Konfrontation statt als dies zum Beispiel bei<br />

dem zuvor entstanden Selbstbildnis Kat. Nr. 5 Abb. 3 der Fall ist, wo die Person in den Raum<br />

eingebunden ist. Zog er sich einst in den Raum zurück und zeigte sich im hellen Gegenlicht,<br />

so setzt sich der Künstler nun in vollem Licht dem Gegenüber aus. <strong>Der</strong> Blick ist nicht direkt<br />

auf den vermeintlichen Gegenüber gerichtet, sondern er geht, durch die Hutkrempe etwas<br />

verschattet, über ihn hinweg in die Ferne. Dieses Selbstbewusstsein in der Art der Selbstdarstellung<br />

hat durchaus Parallelen in der Biographie des Künstlers.


- 71 -<br />

<strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> war seit 1906 in Paris gewesen, hatte mannigfaltige künstlerische Anregungen<br />

erhalten, sich zu <strong>einer</strong> Art eigenem Stil entwickelt, indem er das in Deutschland Erlernte mit<br />

den französischen Eindrücken zu verbinden suchte. Er hatte mehrfach im Salon d'Automne<br />

und Salon des Indépendants ausgestellt, mit dem Erfolg, dass sich z. B. der deutsche<br />

Kunsthistoriker Otto Grautoff für ihn interessierte. Er stand vor der Entscheidung, nach Afrika<br />

zu reisen, was er ein Jahr später ausführte. Er hatte also Erfolg, und dies spiegelt sich in<br />

diesem Selbstbildnis recht deutlich wieder.<br />

Aus den Jahren 1910-1919, der Zeit, in der <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> in Afrika und in Gefangenschaft war,<br />

haben sich keine Selbstbildnisse erhalten.<br />

Das zeitlich folgende Selbstbildnis ist Kat. Nr. 129 Abb. 69. Es ist weder signiert noch datiert,<br />

seine Entstehungszeit ist nicht mit Sicherheit auszumachen. Aufgrund der Malweise dürfte<br />

es 1919 oder 1920 zu datieren sein. Es handelt sich um ein Brustbild. <strong>Der</strong> Künstler zeigt sich<br />

fast völlig en face, mit <strong>einer</strong> blauen Jacke mit weißem Kragen bekleidet, vor grau-lilafarbenem<br />

flächigem Hintergrund, der nur teilweise ausgeführt ist; am rechten Bildrand<br />

scheint die Grundierung durch.<br />

Das von links einfallende Licht beleuchtet die rechte Gesichtshälfteschlaglichtartig und lässt<br />

die linke etwas verschattet erscheinen. Das Gesicht ist sehr kantig und scharf modelliert, wie<br />

es z.B. im 'Bildnis der Mutter des Künstlers', Kat. Nr. 120 Abb. 66, der Fall ist. Die Farbe ist<br />

sehr pastos aufgetragen, nicht nur Hell und Dunkel prallen aufeinander, auch völlig verschiedene<br />

Farben werden eingesetzt blau, grün dienen dazu, die Schattenwirkung plastisch anschaulich<br />

zu machen. Gegenüber den früheren Porträts ist die malerische Gestaltung sehr<br />

viel freier, aber auch etwas brutaler, nicht so feinnervig. Es gibt ein ähnliches Selbstbildnis<br />

von Albert Marquet, 1904 (Bordeaux, Musée des Beaux Arts, Abb. 128), das eine ganz ähnliche<br />

malerische Behandlung aufweist. Ist jedoch bei <strong>Kühn</strong> die Grundfarbigkeit blau lila, so ist<br />

sie bei Marquet gelb-sandfarben. Auch ist das Bildnis Marquets nicht ganz so expressiv gestaltet,<br />

doch kann es sicherlich als Beispiel gelten für Anregungen, die <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> in der Pariser<br />

Zeit erhalten hat und verarbeitete. Am Beispiel der Bilder aus der Gefangenschaft wurde<br />

schon gezeigt, dass einige Stilmittel der Fauves, nachdem sie in den Jahren 1906-1909 adaptiert<br />

worden waren, nach der afrikanischen Zeit wieder aufgenommen wurden.<br />

Die beiden Selbstbildnisse Kat. Nr. 135 und 145 sind aufgrund ihrer Skizzenhaftigkeit eher<br />

als momentane Studien oder Gelegenheitsarbeiten einzustufen.<br />

Aus dem Jahre 1928 resultiert das Selbstbildnis Kat. Nr. 163. Hier zeigt sich der schon bei<br />

den Portraits angesprochene Stil, der eine weitgehende Versachlichung in Richtung eines<br />

Neuen Realismus oder auch <strong>einer</strong> gewissen Klassizität darstellt. Es handelt sich wiederum<br />

um ein Bruststück. <strong>Der</strong> Künstler wird von der Seite gesehen, er dreht den Kopf nach rechts,<br />

schaut über seine linke Schulter aus dem Bilde heraus. <strong>Der</strong> linke Arm ist angewinkelt, der<br />

Ellenbogen vom unteren Bildrand angeschnitten, die Hand taucht in der linken unteren Bildecke<br />

wieder auf. <strong>Der</strong> Künstler ist mit einem grauen Pullover bekleidet, der um einiges heller<br />

ist als der mehr ins Blaugrau gehende flächige Hintergrund. Zwar ist der Körper sehr plastisch<br />

gestaltet, doch hat die Kleidung keine eigene Plastizität, keinen eigenen Stellenwert,<br />

sondern erscheint mehr wie über den Körper gelegt, bis zu einem gewissen Grade entmaterialisiert.<br />

Auch die Behandlung des Gesichts ist sehr viel f<strong>einer</strong>, glatter. Es erscheint nicht<br />

mehr so kantig modelliert wie auf dem Selbstbildnis Kat. Nr. 129 Abb. 69. Die Farbe gibt dem<br />

Bild eine sehr zurückhaltende, um nicht zu sagen: düstere, Grundstimmung. Doch trotz der<br />

monochromen Gestaltung ist der Körper fest umrissen, die Kontur ist stark betont und scharf<br />

gegen den Hintergrund abgegrenzt.


- 72 -<br />

Dies ist im Selbstbildnis Kat. Nr. 173 Abb. 81, das Ende der zwanziger Jahre zu datieren ist,<br />

noch stärker ausgeführt. Hier präsentiert sich der Künstler frontal dem Betrachter, in der<br />

Rechten die Palette, den linken Arm ausgestreckt, um an die Staffelei zu reichen, die am<br />

rechten Bildrand sichtbar wird. <strong>Der</strong> orange-gelbgrau-blau-changierende Pullover, mit dem<br />

der Künstler bekleidet ist, lässt ihn relativ flächig erscheinen, die Kontur ist dunkel nachgezogen,<br />

um ihn gegen den hellblauen Hintergrund abzusetzen. Die Staffelei ist grau, am rechten<br />

Bildrand wird noch ein kl<strong>einer</strong> blauer Streifen sichtbar. Das Bild ist insgesamt sehr hell<br />

und fast ganz gleichmäßig ausgeleuchtet.<br />

Das 1935 entstandene Selbstbildnis Kat. Nr. 210 Abb. 91 ist recht atypisch, der Künstler<br />

zeigt sich im Garten. An anderer Stelle wurde schon erwähnt, dass Portraits im Freien sehr<br />

selten bei <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> sind. Leicht nach rechts gedreht, den Kopf nach links gewandt, steht er<br />

in der Bildmitte. Zu beiden Seiten sind im Hintergrund Bäume zusehen, die Mitte gibt den<br />

Blick auf den blauen Himmel frei. In weißem Kittel mit Strohhut, eine Zigarre rauchend,<br />

schaut der Künstler gegen die Sonne, die ihm ins Gesicht scheint. Ein Schatten färbt einen<br />

Teil des weißen Kittels rost-grün. Kein Hinweis deutet auf seinen Beruf als <strong>Maler</strong>, er zeigt<br />

sich als ein in der Freizeit befindender Privatier.<br />

Die beiden letzten Selbstbildnisse, Kat. Nr. 233 Abb. 99 und Kat. Nr. 236 sind 1949 und Anfang<br />

der fünfziger Jahre entstanden. Sie bezeugen eine große Zurückhaltung in der Selbstdarstellung.<br />

In Kat. Nr. 233 Abb. 99 füllt die Büste den gesamten Bildraum aus. Das Licht fällt<br />

von unten links ein, so dass die Kragenecke und die rechte Schläfe hell beleuchtet sind, die<br />

ganze linke Gesichtshälfte befindet sich im Dunkel. <strong>Der</strong> rechte Hintergrundstreifen ist jedoch<br />

ebenfalls beleuchtet und lässt den Kopf sich stark vom Hintergrund abheben. Eine Synthese<br />

der sehr kantigen Modellierung, wie sie in Kat. Nr. 129 Abb. 69 anzutreffen war, und der sehr<br />

glatten, ein wenig zum Flächigen tendierenden Gestaltung von Kat, Nr. 173 Abb. 81 scheint<br />

hier vollzogen. Bei aller Plastizität erscheint der Kopf doch eher weich gerundet und gibt zusammen<br />

mit den das Bild bestimmenden Grautönen und mit dem Grau des Hemdes und des<br />

Jackenkragens sowie der Haare der Darstellung einen gewissermaßen herbstlichen Charakter.<br />

Auch der Blick ist nach innen gekehrt und betont den Ausdruck der Abgeklärtheit, des In-<br />

Sich-Ruhens.<br />

Das Selbstbildnis Kat. Nr. 236 dürfte 1952 begonnen worden sein, es wurde aber mehrfach<br />

verändert und scheint nicht ganz vollendet zu sein, weshalb das zuvor erwähnte Bildnis Kat.<br />

Nr. 233 Abb. 99 als die letzte vollgültige Aussage des Künstlers über sich selbst anzusehen<br />

ist.<br />

1.7. Akt-Darstellungen<br />

<strong>Der</strong> Akt spielt im Werk <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong>s vor allem in der Pariser Zeit, also 1906-1910, und dann<br />

nochmals in den dreißiger und vierziger Jahren eine größere Rolle.<br />

Auf die frühen Akte wurde eingehend im Kapitel 'Das frühe Werk. Arbeiten bis 1910' hingewiesen.<br />

Farbigkeit und Haltung waren teilweise vom Akademieunterricht her erklärbar, Ähnlichkeiten<br />

mit frühen Arbeiten der Fauves, vor allem Braques und Rouaults sowie Matisses<br />

waren festzustellen, Abb. 4, 5, 109, 110. In den Akten Kat. Nr. 18 Abb. 8, Kat. Nr. 21 Abb.<br />

10, Kat. Nr. 27 Abb. 13 vollzog sich eine Hinwendung zu größerer Gesamtfarbigkeit innerhalb<br />

des Bildes, der Farbauftrag änderte sich gegenüber frühen Bildern entscheidend. Mit


- 73 -<br />

den Portraits und den Landschaften gehören die Akte zu den entscheidenden Bildern jener<br />

Zeit, an denen sich die künstlerische Entwicklung ablesen lässt.<br />

Die beiden stehenden Akte Kat. Nr. 140, 141 sowie der Halbakt Kat. Nr. 139, die wohl alle<br />

drei im Jahre 1922 entstanden sein dürften, sind ähnlich typisch für die Entwicklung der Farbe<br />

zu Beginn der Holzhausener Zeit; sie ist äußerst kräftig. Die Baumstämme, an denen die<br />

Frau in Kat. Nr. 140 und 141 lehnt, sind in kräftigem Grau-Blau gemalt, zu dem der hellrosafarbene<br />

Körper sehr malerisch kontrastiert. Die übrige Bildfläche wird von hellgrünem<br />

leuchtendem Blattwerk, das von der Sonne beschienen wird, eingenommen. Wie auch andere<br />

Bilder aus den frühen zwanziger Jahren, Kat. Nr. 121, 131, knüpfen diese Akte in der Farbe<br />

an die 1910 in Holzhausen entstandenen Bilder Kat. Nr. 28, 29 an.<br />

Auch die später entstandenen Akte Kat. Nr. 208 Abb. 90, Kat. Nr. 212 Abb. 92, Kat. Nr. 214,<br />

224 - 227 zeigen dieselbe Entwicklung, wie sie z.B. in den Portraits der dreißiger Jahre zu<br />

finden war. Und zwar ist auch hier ein Abrücken vom primär <strong>Maler</strong>ischen zu <strong>einer</strong> isolierten<br />

Präsentation, die in gewissem Sinn an Nüchternheit grenzt, festzustellen. Die Frauenkörper<br />

werden in größter Einfachheit auf einem Sofa liegend als Rückenakt (Kat. Nr. 208 Abb. 90),<br />

zusammengekauert liegend (Kat. Nr. 225), auf dem Rücken liegend (Kat. Nr. 226) oder sitzend<br />

beim Lesen (Kat. Nr. 224, 227) gezeigt. <strong>Der</strong> Akt Kat. Nr. 212 Abb. 92 bildet in mehrfacher<br />

Hinsicht eine Ausnahme. <strong>Der</strong> Frauenkörper liegt auf <strong>einer</strong> Ottomane, die wie ein theatralischer<br />

Aufbau im Bild erscheint. Sie ist von <strong>einer</strong> Draperie bedeckt, die das Möbel als solches<br />

nicht erkennen lässt. Dabei handelt es sich um keinen weichen, fließenden Stoff, er ist<br />

vielmehr sehr spröde, in s<strong>einer</strong> Stofflichkeit nicht gezeigt, sondern wirkt eher wie bearbeiteter<br />

Stein. Diese Art von Draperie kommt zweifellos von Cézanne her, der in seinen Stilleben<br />

eine ganz ähnliche Darstellung der Stofflichkeit verwirklicht. Diese stilllebenhafte Art der Aktdarstellung<br />

wird noch dadurch unterstrichen, dass der Raum, wie in den Portraits der dreißiger<br />

Jahre, in s<strong>einer</strong> Räumlichkeit nicht dargestellt ist, sondern lediglich eine helle monochrome<br />

Hintergrundfläche das Bild abschließt. Sind die zuvor erwähnten Akte in kühlem<br />

Grau und Brau~ gemalt, so herrschen hier Ocker und Olivgrün sowie ein sehr warmer gelblich-rosafarbener<br />

Ton des Inkarnats vor. Die Datierung dieses Bildes ist nicht ganz leicht,<br />

wahrscheinlich ist es zu Ende der zwanziger Jahre entstanden, möglicherweise auch etwas<br />

später.<br />

1.8. Werke der letzten Jahre 1934-<strong>1957</strong><br />

Ab 1934 verbrachte <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> die Sommermonate in Waging am See, ab 1943 wohnte er<br />

mit s<strong>einer</strong> Frau ständig dort, nachdem in Düsseldorf Wohnung und Atelier zerstört worden<br />

waren. Aus dieser Zeit stammen zahlreiche Landschaftsdarstellungen, die alle die nähere<br />

Umgebung Wagings als Bildmotiv haben. Teils sind es größere Übersichten, das Dorf mit<br />

s<strong>einer</strong> markanten Kirche aus größerer Entfernung gesehen, wie in Kat. Nr. 207, teils sind es<br />

einzelne Gebäude oder Ausschnitte aus der Ortschaft, Kat. Nr. 223 Abb. 96, Kat. Nr. 231<br />

Abb. 97, Kat. Nr. 232 Abb. 98. Greifen die größeren Landschaftsdarstellungen in der Regel<br />

das Prinzip der Streifenkomposition auf, wie es in der Holzhausener Zeit entwickelt worden<br />

war und auch in den Bildern der Spanienreise angewandt wurde, so liegen den anderen Bildern<br />

ebenfalls Kornpositionsmethoden zugrunde, die schon früher angewandt worden waren.<br />

In Kat. Nr. 223 Abb. 96 wird ein von Häusern gesäumter Weg gezeigt, der im Vordergrund<br />

die gesamte Bildbreite einnimmt, um sich zum Hintergrund zwischen den Häusern zu<br />

verlieren. Dies Prinzip wurde ebenfalls in den zwanziger Jahren angewandt, z. B. in Kat. Nr.<br />

130.


- 74 -<br />

Die Möglichkeit, das Bild durch parallel zum unteren Rand verlaufende Zonen zu gliedern,<br />

wird in Kat. Nr. 231 mit der Diagonalkomposition verbunden. Vom linken Bildrand her führt<br />

eine niedrige Hauer, hinter der sich hohe Bäume erheben, auf ein weißes Gebäude zu, das<br />

sich bis zum rechten Bildrand erstreckt. Das Haus besitzt einen niedrigeren Vorbau, der die<br />

halbe Breite des Gebäudes einnimmt. Zwischen unterem Bildrand und dem Haus liegen parallel<br />

angeordnete schmale Felder in verschiedener Farbe. Am rechten Bildrand sind über<br />

dem Dach noch Baumkronen sichtbar. Hier werden französische Anregungen, und zwar die<br />

des Impressionismus aufgegriffen. Die Felder in verschiedenen Grün-Abstufungen und blaulila<br />

Abtönungen werden durch das weiße Haus in ihrer Frische noch unterstrichen, einen<br />

malerischen Akzent setzt die im Vordergrund stehende Frau durch ihre orangefarbene Jacke.<br />

In Kat. Nr. 232 Abb. 98 wird der Typ der Stimmungslandschaft aufgegriffen. Zwar ist im Gegensatz<br />

zu den dafür typischen Landschaften <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong>s die Wiedererkennbarkeit der Örtlichkeit<br />

nicht aufgegeben, doch ist durch die verschwommene, atmosphärische Darstellung<br />

der Bäume, durch die ausdrucksvolle Gestaltung des Himmels, die Stirnn1ung sehr betont.<br />

Die Farbe hellt sich bei allen Landschaftsbildern der vierziger und fünfziger Jahre noch sehr<br />

stark auf. Sie wird, nachdem sie zuvor stets recht kühl war, was durch die Grautonigkeit erreicht<br />

wurde, nun etwas weicher und wärmer. Das Grün geht mehr ins Gelbe, viel Weiß verbunden<br />

mit roten, orangeroten Akzenten lassen die Bilder sehr leicht, sehr dürftig erscheinen.<br />

Die angestrebte Entmaterialisierung und Auflösung der Gegenständlichkeit wird in Waging<br />

aber nicht mehr weitergeführt. eher etwas zurückgenommen, zugunsten des' Abbildcharakter<br />

des Bildes.<br />

2. Zusammenfassung. <strong>Versuch</strong> <strong>einer</strong> Einordnung <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong>s in die Kunst des<br />

20. Jahrhunderts<br />

Um das Werk <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong>s im Zusammenhang mit der Kunst s<strong>einer</strong> Zeit zu sehen und zu verstehen,<br />

sei hier noch einmal seine Entwicklung in den wichtigsten Stationen umrissen.<br />

Nach der akademischen Ausbildung in Dresden, wo er zumindest durch indirekten Kontakt<br />

über seinen Studienfreund Richard Dietze in Berührung mit der Freilichtmalerei kam, begegnete<br />

<strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> in München den Künstlern der Scholle jener damals in München tonangebenden<br />

Künstlergruppe. Persönliche Freundschaft verband ihn noch lange mit diesen Künstlern.<br />

In seinem Werk hat diese Begegnung jedoch kaum Niederschlag gefunden. Drei Aquarelle,<br />

Abb. 100 - 102, zeigen einen Hang zum Flächig-Dekorativen, die Farbe bleibt aber weit<br />

hinter den leuchtenden Bildern der Scholle-Mitglieder zurück.<br />

Erst in Paris, wohin <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> 1906 reiste, verarbeitete er nachweislich verschiedene Einflüsse<br />

der französischen Kunst. Toulouse-Lautrec, Gauguin, vor allem aber die Fauves und<br />

Cézanne haben nachhaltig auf ihn eingewirkt. In der Komposition sowie in der Farbigkeit löst<br />

er sich von den starren Akademieregeln, wovon die frühen Bilder Kat. Nr. 1 Abb. 1, Kat. Nr. 3<br />

Abb. 2 zeugen und schließt sich <strong>einer</strong> Farbigkeit an, die von frühen Bildern der Fauves her<br />

bekannt ist. Blau in verschiedenen Abtönungen mit hellern Rosarot kontrastieren, teilweise<br />

im Gegenlicht mit Weiß, Kat. Nr. 5 Abb. 3. Auch motivische Ähnlichkeiten, namentlich in den<br />

Aktdarstellungen, sind vorhanden. <strong>Der</strong> Farbauftrag wird sehr viel freier. Statt in fast altmeisterlicher<br />

Manier zu malen, wird die Farbe mit kräftigen Pinselstrichen aufgetragen, die selbst<br />

den Bildcharakter mitbestimmen, Kat. Nr. 15 Abb. 7. Schließlich wird die Farbe in kräftigen<br />

kleinen Flächen aufgetragen, die nebeneinander gesetzt den Gegenstand modellieren, Kat.


- 75 -<br />

Nr. 20 Abb. 9 Kat. Nr. 21 Abb. 10. Die einzelnen Bilder beinhalten eine zusehends größere<br />

Anzahl verschiedener Farben, sie sind nicht mehr monochrom wie die frühen Bilder. Die<br />

wichtigsten Beispiele hierfür sind die beiden Akte Kat. Nr. 18 Abb. 8, Kat. Nr. 27 Abb. 13. Die<br />

Auseinandersetzung mit Cézanne findet in erster Linie innerhalb der Landschaftsmalerei<br />

statt, Kat. Nr. 24, Kat. Nr. 30 Abb. 15. In Anlehnung an Cézanne baut <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> die Natur<br />

aus der Farbe heraus auf, sie wird bildkonstituierend eingesetzt.<br />

War die Farbe vielseitiger eingesetzt worden und hatte sich die Palette in Paris wesentlich<br />

aufgehellt, so fand <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> in Afrika ab 1910 zu <strong>einer</strong> insgesamt sehr viel freieren Malweise.<br />

Gegenüber den nun auftretenden Farben, die naturgemäß völlig anders sind, wirken die<br />

der vorausgegangenen Zeit dunkel und matt. Mit dieser Entwicklung schreitet die Beschränkung<br />

innerhalb der Farbwahl einher. Selten werden für ein und\ dasselbe Bild mehr als drei<br />

verschiedene Farben verwandt. Am häufigsten tritt die Kombination von rosa, gelbbraun und<br />

blau auf. Eine weitere beliebte Kombination ist die von ocker, braun, blau und rosa sowie<br />

grün. Nachdem zu Beginn des afrikanischen Aufenthaltes die Farben sehr kräftig und leuchtend<br />

gebraucht wurden, werden sie gegen 1912/13 blasser, dunstiger, im selben Maße wie<br />

eine Verbindung der beiden koloristischen Strömungen vollzogen wird, Kat. Nr. 48 Abb. 27.<br />

Die Bildthemen unterscheiden sich nicht wesentlich von denen des traditionellen Orientalismus,<br />

lediglich historische Schilderungen fehlen völlig. Innerhalb der Darstellungsweise versuchte<br />

<strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong>, einen neuen Weg einzuschlagen. Nachdem der Orientalismus zu <strong>einer</strong><br />

pomphaften Theatermalerei verkommen war, versuchte <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> mit <strong>einer</strong> sachlichen, realistischen<br />

Schilderung seine Eindrücke wiederzugeben, ohne das Exotische als Attraktion zu<br />

benützen. Durch das Bemühen, das Land mit seinen Sitten und Gebräuchen kennen zu lernen,<br />

um dadurch zu einem Verständnis zu kommen, das hinter die Oberfläche gelangen<br />

kann, sind seine Darstellungen gekennzeichnet. Er versuchte zu zeigen, was nicht vordergründig<br />

sichtbar war, vielmehr versuchte er, sichtbar zu machen, im Gegensatz zu den<br />

Orientalisten des ausgehenden neunzehnten Jahrhunderts, die sich damit begnügten, abzubilden.<br />

Dadurch bekommen seine Bilder eine Ehrlichkeit und eine Überzeugungskraft, die<br />

den ägyptischen Bildern Slevogts nicht nachsteht, Abb. 121, 122, und die Etienne Dinets<br />

oder Rudolf Ernsts weit übertrifft. Bezeichnend ist, dass <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> in Afrika zu einem eigenen<br />

Stil fand, sowohl in der Kompositionsweise wie in Farbe und Farbauftrag. Letzterer experimentiert<br />

nicht mehr so viel wie in Paris, sondern ist einheitlich pastos und kräftig. Seine<br />

Gemälde sind in der Konzeption entscheidend vom Bildgegenstand geprägt, im Gegensatz<br />

zu Slevogt beispielsweise, was <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> mit den Orientalisten verbindet, und zwar mit denen<br />

der klassischen Zeit, ,also der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts.<br />

Auf diesem Gebiet hat <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> ganz Entscheidendes geleistet, der Verlust sämtlicher Bilder<br />

aus dem Jahre 1914 ist deshalb ganz besonders schmerzlich.<br />

In den Jahren der Gefangenschaft, 1914-1919, knüpfte <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> an den Stil der Pariser Zeit<br />

an, um zu Ausdrucksmitteln zu gelangen, die der völlig anderen Umgebung gerecht würden.<br />

Hier schon deutet sich an, in welchem Maße <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> von s<strong>einer</strong> jeweilige~ Umgebung<br />

abhängig war, was die Bildgestaltung anbelangt.<br />

Die Farbe wird wieder dunkler, oder besser: kräftiger und leuchtend, die Komposition strenger.<br />

Die Methode, Landschaften durch eine Abfolge mehrerer zur unteren Bildkante parallel<br />

verlaufender Streifen zu bilden, setzt sich hier durch. Sie wird immer wieder bis in die vierziger<br />

und fünfziger Jahre angewandt.<br />

In Holzhausen, in den Jahren 1919-1924, hellt sich dann die Farbe nochmals auf, bis sie<br />

schließlich recht blass, um nicht zu sagen kraftlos, wird, Kat. Nr. 143 Abb. 71. In den folgen-


- 76 -<br />

den Jahren entstehen viele Bilder aus Düsseldorfer oder Pariser Parks, Hier wird das Prinzip<br />

eines Weges, der entweder diagonal das Bild durcheilt oder in starker Verkürzung in den<br />

Hintergrund führt, angewandt. Die Farbe zeichnet sich durch ihre Tonigkeit, durch den Grauschleier,<br />

der sie zu überdecken scheint, aus. Eine Verwandtschaft zu Albert Marquet ist dabei<br />

zu konstatieren. Zu jenem Künstler und zu André <strong>Der</strong>ain gibt es auch innerhalb der Portraits,<br />

die in den dreißiger Jahren entstanden, Parallelen. Eine ähnliche Sachlichkeit, mit der<br />

der Dargestellte der Umwelt, d. h. dem Betrachter ausgesetzt wird, ist ihm zueigen. Man<br />

kann hier durchaus von <strong>einer</strong> Klassizität sprechen, die in das Werk eingeht. Damit steht <strong>Kurt</strong><br />

<strong>Kühn</strong> keineswegs allein; wenn auch mit etwas anderen Resultaten, findet sich ein solcher<br />

Hang zum Plaststisch-Klassischen im Werk zahlreicher anderer Künstler dieser Zeit. In den<br />

Skizzen, die während der Spanienreise 1932 entstanden, klingt nochmals die Frische an, die<br />

auch die afrikanischen Bilder auszeichnete. Die Farbe ist insgesamt kräftiger und leuchtender.<br />

Die in Waging während der vierziger und fünfziger Jahre entstandenen Bilder greifen schon<br />

entwickelte Kompositionsweisen auf, die Farbe bleibt grundsätzlich gleich, sie ändert sich<br />

lediglich in der Nuancierung und wird etwas wärmer, statt den kühlen Grauton aufzuweisen,<br />

der für die Düsseldorfer Zeit so typisch war.<br />

Soviel zur künstlerischen Entwicklung <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong>s. Diese ist sicherlich auch durch äußere<br />

Einflüsse so verlaufen. Dass sein Werk, das nach 1919 entstand, nicht das einlöste, was die<br />

zuvor entstandenen Bilder versprachen, ist sicherlich kein Zufall. Die Rückkehr nach Afrika<br />

war zunächst nicht möglich, Pläne, die das später anstrebten, wurden ebenfalls zunichte<br />

gemacht, für einen Künstler wie <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong>, der in solch starkem Maß vom Land, in dem er<br />

arbeitete, abhängig war, sicherlich ein harter Schlag. So ist es nicht verwunderlich, dass er,<br />

der sich im Norden nie besonders wohl fühlte, verstärkt dem Portrait zuwandte und auf diesem<br />

Gebiet zu recht interessanten Ergebnissen kam. Er arbeitete nicht gesellschaftskritisierend<br />

oder satirisch, seine Bildnisse sind Charakterstudien, fein beobachtet, sie versuchen<br />

den Dargestellten in s<strong>einer</strong> Persönlichkeit festzuhalten.<br />

Die differenzierte Beobachtung und unprätentiöse Wiedergabe sind durchgehende Züge<br />

s<strong>einer</strong> Kunst.<br />

Ebenso durchzieht alle seine Werke eine Poesie und verleiht gerade seinen Landschaften<br />

eine Leichtigkeit und Heiterkeit, die nicht so schnell ihresgleichen findet. Insofern ist wieder<br />

die Verbindung zur französischen Kunst hergestellt. Vor allem die Parallele zu André <strong>Der</strong>ain<br />

und Albert Marquet, die eine relativ kurze Zeit sich zu höchster Blüte aufschwingen konnten<br />

und später in eine Art Orientierungslosigkeit verfielen, drängt sich auf, zumal jene Künstler<br />

derselben Generation wie <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> angehörten. Es sei somit nochmals an das Zitat von<br />

San Lazzaro erinnert 8 , dass der Fauvismus eine Etappe, eine Episode innerhalb der Entwicklung<br />

der einzelnen Künstler darstellte und dass die sich anschließende Entwicklung völlig<br />

verschieden verlief. Steht somit nur ein Teil des Werkes auf höchstem künstlerischem<br />

Niveau, so legitimiert dies doch zumindest eine Auseinandersetzung mit dem betreffenden<br />

Künstler, und unter diesem Aspekt ist eine Beachtung des Werkes <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong>s sicherlich berechtigt.<br />

Deshalb sei abschließend nochmals auf das in Afrika entstandene Werk hingewiesen, das<br />

innerhalb des Orientalismus des zwanzigsten Jahrhunderts sicherlich eine hervorragende<br />

Stellung einnimmt.


Anmerkungen Teil III<br />

- 77 -<br />

1. Bei Marquet fand die Wende von der leuchtenden Farbe, die so typisch für die Fauves<br />

ist, zu <strong>einer</strong> grauen Tonigkeit endgültig 1906 statt.<br />

vgl. Katalog: Albert Marquet, Hamburg, 1965, Einführung von Hans Platte (ohne Paginierung<br />

).<br />

2. In beiden Fällen ist der so genannte Zimmermannsche Garten in Holzhausen geze1gt,<br />

des damals einzigen Gasthauses in Holzhausen. (Freundliche Mitteilung Frau<br />

Lotte <strong>Kühn</strong>)<br />

3. Hier sei nochmals an die z.B. bei Gotthard Kühl so beliebte Diagonalkomposition erinnert,<br />

worauf schon an anderer Stelle hingewiesen wurde. Abb. 104<br />

4. Dies zeigt sich vor allem innerhalb der Literatur über André <strong>Der</strong>ain, der einst neben<br />

Matisse als der wichtigste französische <strong>Maler</strong> im 20. Jahrhundert galt.<br />

Mit <strong>Der</strong>ains Einordnung hatte man spätestens seit den zwanziger Jahren erhebliche<br />

Schwierigkeiten.<br />

vgl.:<br />

Sutton, D.: André <strong>Der</strong>ain, Köln, 1960<br />

Cooper, D.: <strong>Der</strong>ain Exhibition at the Musée d'Art Moderne, in:<br />

The Burlington Magazine XCII, 1955, S. 51f<br />

5. San Lazzaro, Gualtieri di: Painting in France 1895-1949, London, 1949, S. 39<br />

6. Freundliche Mitteilung Frau Lotte <strong>Kühn</strong>.<br />

7. <strong>Kurt</strong> <strong>Kühn</strong> hatte durch dieses Architekturbüro die Stelle in der Krefelder Gobelinmanufaktur<br />

erhalten. Da das Bildnis in jenen Jahren entstanden sein dürfte, liegt die Vermutung<br />

nahe, dass es sich um einen Angehörigen dieses Büros handelt. Dies aber<br />

konnte nicht positiv bestätigt werden.<br />

8. vgl. Anmerkung 5.


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