13.01.2013 Aufrufe

Restaurator im Handwerk – Ausgabe 1/2010 - Kramp & Kramp

Restaurator im Handwerk – Ausgabe 1/2010 - Kramp & Kramp

Restaurator im Handwerk – Ausgabe 1/2010 - Kramp & Kramp

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

4<br />

Editorial<br />

Fr a n k Sp r e n g e r<br />

Der ständig steigende Verbrauch nicht erneuerbarer<br />

Energien zwingt zur Ressourcenschonung, zur Minderung<br />

kl<strong>im</strong>aschädlicher CO2-Emissionen und damit vor<br />

allem zu Modernisierungsempfehlungen <strong>im</strong> Gebäudebestand.<br />

Die energetische Aufrüstung des historischen<br />

Gebäudebestandes hat sich durch ehrgeizige Kl<strong>im</strong>aziele<br />

und attraktive Förderangebote zu einem Milliardenmarkt<br />

entwickelt. Jede zweite der insgesamt 39 Millionen<br />

Wohnungen in Deutschland wird derzeit als sanierungsbedürftig<br />

eingestuft, bei einer Sanierungsrate von<br />

2,5 % müssen also jährlich 950.000 Wohnungen modernisiert<br />

werden!<br />

Sollen Förderprogramme in Anspruch genommen<br />

werden, sind Hauseigentümer zu einem EnEV-konformen<br />

Handeln gezwungen. Mit der Erhaltung der kulturhistorischen<br />

Bedeutung einer Immobilie steht dies oft<br />

nicht <strong>im</strong> Einklang, da bauliche Eingriffe in vielen Fällen<br />

zu deren Entwertung führen. Dabei weisen nach Aussage<br />

von Dipl. Ing. Frank Essmann, Vorstandsmitglied<br />

der Wissenschaftlich-Technischen Arbeitsgemeinschaft<br />

für Bauwerkserhaltung und Denkmalpflege (WTA),<br />

über 60% aller Energieausweise Rechenfehler auf. Seiner<br />

ihm angedachten Funktion, für Transparenz auf dem<br />

Wohnungsmarkt zu sorgen, käme der Energieausweis<br />

bisher kaum nach. In vielen Fällen würden bei Modernisierungsempfehlungen<br />

die bauphysikalische wie die<br />

baukonstruktive Machbarkeit, die Wirtschaftlichkeit<br />

und die energetische wie die ökologische Gesamtbilanz<br />

nicht geprüft. Für den historischen Gebäudebestand,<br />

in dem sich andere, teilweise wesentlich kompliziertere<br />

Rahmenbedingungen als in Altbauten der 60er und 70er<br />

Jahre finden, sei er als Instrument eher praxisfremd.<br />

Anzumerken ist an dieser Stelle auch, dass derzeit<br />

weder der Energieverbrauch der Herstellung noch die<br />

Rückführung der verwendeten Baumaterialien in die<br />

Stoffkreisläufe oder deren Entsorgung betrachtet werden.<br />

Die Energiebilanz eines Dämmstoffes berücksichtigt<br />

bestenfalls dessen Pr<strong>im</strong>ärenergiebedarf, welchem die<br />

durch seinen Einsatz eingesparte Energie gegenübergestellt<br />

wird. In ökologischer Hinsicht ist die Verringerung<br />

des Heizenergiebedarfs daher häufig teuer erkauft! Aber<br />

<strong>Restaurator</strong> <strong>im</strong> <strong>Handwerk</strong> <strong>–</strong> <strong>Ausgabe</strong> 1/<strong>2010</strong><br />

nicht nur aus diesem Grund ist das Kosten-Nutzen-Verhältnis<br />

einer energetischen Opt<strong>im</strong>ierung nach Vorgaben<br />

der EnEV 2009 oft nicht gegeben, die erforderlichen Investitionen<br />

können kaum vollständig auf die Miete oder<br />

den Verkehrswert einer Immobilie umgelegt werden.<br />

Unter Beachtung der Wirtschaftlichkeit dürften die angestrebten<br />

Kl<strong>im</strong>aziele demnach nicht erreichbar sein.<br />

Grundsätzlich wird der Energiepass <strong>im</strong> denkmalgeschützten<br />

Bestand zwar nicht gefordert, aufgrund rasant<br />

steigender Energiekosten müssen aber auch Konzepte<br />

zur energetischen Opt<strong>im</strong>ierung denkmalgeschützter<br />

Bausubstanz entwickelt werden. Mit dem seit 2008 eingeführten<br />

Energieausweis und den mit Inkrafttreten der<br />

EnEV 2009 erheblich verschärften Anforderungen stehen<br />

insbesondere Eigentümer historischer Bausubstanz<br />

vor der Schwierigkeit, moderne Technik und Materialien<br />

integrieren zu müssen, die vielfach noch nicht hinreichend<br />

erprobt sind. Ob, wo und wie schnell es in solchen<br />

Konstruktionen zu Schäden kommt, kann derzeit kaum<br />

abgeschätzt werden. Weil die Mindestanforderungen der<br />

EnEV in der Praxis aber nur mit erheblichen Eingriffen<br />

in den Bestand realisiert werden können, ist gerade bei<br />

historischer Bausubstanz eine ganzheitliche, analytische<br />

Betrachtung erforderlich. Gesucht sind wirtschaftlich<br />

und bauphysikalisch vertretbare Detaillösungen die den<br />

besonderen Rahmenbedingungen <strong>im</strong> Altbau gerecht<br />

werden, die Anforderungen der Denkmalpflege berücksichtigen<br />

und so den Erhalt unseres baukulturellen Erbes<br />

sichern.<br />

Standardisierte Lösungen kann es in so unterschiedlichen<br />

und <strong>im</strong> Einzelfall komplexen Systemen wie historischen<br />

Gebäuden nicht geben. Vor diesem Hintergrund<br />

sind bei der energetischen Bewertung, nicht nur<br />

historischer Gebäude vor allem Kernkompetenzen in der<br />

Gebäudediagnostik und Bauphysik gefragt. Die energetische<br />

Opt<strong>im</strong>ierung historischer Bausubstanz kann<br />

nur unter Berücksichtigung aller bauphysikalischen und<br />

gestaltungsspezifischen Gegebenheiten gelingen, jede<br />

andere Herangehensweise birgt unkalkulierbare Risiken<br />

und Folgeschäden. Umso wichtiger ist es, dass alle<br />

beteiligten Akteure auf der Basis einer detaillierten Bestandsanalyse<br />

vorurteilsfrei und gemeinsam individuelle<br />

Sanierungskonzepte entwickeln und verantwortungsbewusst<br />

umsetzen.<br />

Dipl.-Ing. Frank Sprenger<br />

ist fachlicher Leiter des Zentrums für Restaurierung<br />

und Denkmalpflege der <strong>Handwerk</strong>skammer Koblenz<br />

und Geschäftsführer des Bundesverbandes <strong>Restaurator</strong><br />

<strong>im</strong> <strong>Handwerk</strong> e.V.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!