Restaurator im Handwerk – Ausgabe 1/2010 - Kramp & Kramp
Restaurator im Handwerk – Ausgabe 1/2010 - Kramp & Kramp
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4<br />
Editorial<br />
Fr a n k Sp r e n g e r<br />
Der ständig steigende Verbrauch nicht erneuerbarer<br />
Energien zwingt zur Ressourcenschonung, zur Minderung<br />
kl<strong>im</strong>aschädlicher CO2-Emissionen und damit vor<br />
allem zu Modernisierungsempfehlungen <strong>im</strong> Gebäudebestand.<br />
Die energetische Aufrüstung des historischen<br />
Gebäudebestandes hat sich durch ehrgeizige Kl<strong>im</strong>aziele<br />
und attraktive Förderangebote zu einem Milliardenmarkt<br />
entwickelt. Jede zweite der insgesamt 39 Millionen<br />
Wohnungen in Deutschland wird derzeit als sanierungsbedürftig<br />
eingestuft, bei einer Sanierungsrate von<br />
2,5 % müssen also jährlich 950.000 Wohnungen modernisiert<br />
werden!<br />
Sollen Förderprogramme in Anspruch genommen<br />
werden, sind Hauseigentümer zu einem EnEV-konformen<br />
Handeln gezwungen. Mit der Erhaltung der kulturhistorischen<br />
Bedeutung einer Immobilie steht dies oft<br />
nicht <strong>im</strong> Einklang, da bauliche Eingriffe in vielen Fällen<br />
zu deren Entwertung führen. Dabei weisen nach Aussage<br />
von Dipl. Ing. Frank Essmann, Vorstandsmitglied<br />
der Wissenschaftlich-Technischen Arbeitsgemeinschaft<br />
für Bauwerkserhaltung und Denkmalpflege (WTA),<br />
über 60% aller Energieausweise Rechenfehler auf. Seiner<br />
ihm angedachten Funktion, für Transparenz auf dem<br />
Wohnungsmarkt zu sorgen, käme der Energieausweis<br />
bisher kaum nach. In vielen Fällen würden bei Modernisierungsempfehlungen<br />
die bauphysikalische wie die<br />
baukonstruktive Machbarkeit, die Wirtschaftlichkeit<br />
und die energetische wie die ökologische Gesamtbilanz<br />
nicht geprüft. Für den historischen Gebäudebestand,<br />
in dem sich andere, teilweise wesentlich kompliziertere<br />
Rahmenbedingungen als in Altbauten der 60er und 70er<br />
Jahre finden, sei er als Instrument eher praxisfremd.<br />
Anzumerken ist an dieser Stelle auch, dass derzeit<br />
weder der Energieverbrauch der Herstellung noch die<br />
Rückführung der verwendeten Baumaterialien in die<br />
Stoffkreisläufe oder deren Entsorgung betrachtet werden.<br />
Die Energiebilanz eines Dämmstoffes berücksichtigt<br />
bestenfalls dessen Pr<strong>im</strong>ärenergiebedarf, welchem die<br />
durch seinen Einsatz eingesparte Energie gegenübergestellt<br />
wird. In ökologischer Hinsicht ist die Verringerung<br />
des Heizenergiebedarfs daher häufig teuer erkauft! Aber<br />
<strong>Restaurator</strong> <strong>im</strong> <strong>Handwerk</strong> <strong>–</strong> <strong>Ausgabe</strong> 1/<strong>2010</strong><br />
nicht nur aus diesem Grund ist das Kosten-Nutzen-Verhältnis<br />
einer energetischen Opt<strong>im</strong>ierung nach Vorgaben<br />
der EnEV 2009 oft nicht gegeben, die erforderlichen Investitionen<br />
können kaum vollständig auf die Miete oder<br />
den Verkehrswert einer Immobilie umgelegt werden.<br />
Unter Beachtung der Wirtschaftlichkeit dürften die angestrebten<br />
Kl<strong>im</strong>aziele demnach nicht erreichbar sein.<br />
Grundsätzlich wird der Energiepass <strong>im</strong> denkmalgeschützten<br />
Bestand zwar nicht gefordert, aufgrund rasant<br />
steigender Energiekosten müssen aber auch Konzepte<br />
zur energetischen Opt<strong>im</strong>ierung denkmalgeschützter<br />
Bausubstanz entwickelt werden. Mit dem seit 2008 eingeführten<br />
Energieausweis und den mit Inkrafttreten der<br />
EnEV 2009 erheblich verschärften Anforderungen stehen<br />
insbesondere Eigentümer historischer Bausubstanz<br />
vor der Schwierigkeit, moderne Technik und Materialien<br />
integrieren zu müssen, die vielfach noch nicht hinreichend<br />
erprobt sind. Ob, wo und wie schnell es in solchen<br />
Konstruktionen zu Schäden kommt, kann derzeit kaum<br />
abgeschätzt werden. Weil die Mindestanforderungen der<br />
EnEV in der Praxis aber nur mit erheblichen Eingriffen<br />
in den Bestand realisiert werden können, ist gerade bei<br />
historischer Bausubstanz eine ganzheitliche, analytische<br />
Betrachtung erforderlich. Gesucht sind wirtschaftlich<br />
und bauphysikalisch vertretbare Detaillösungen die den<br />
besonderen Rahmenbedingungen <strong>im</strong> Altbau gerecht<br />
werden, die Anforderungen der Denkmalpflege berücksichtigen<br />
und so den Erhalt unseres baukulturellen Erbes<br />
sichern.<br />
Standardisierte Lösungen kann es in so unterschiedlichen<br />
und <strong>im</strong> Einzelfall komplexen Systemen wie historischen<br />
Gebäuden nicht geben. Vor diesem Hintergrund<br />
sind bei der energetischen Bewertung, nicht nur<br />
historischer Gebäude vor allem Kernkompetenzen in der<br />
Gebäudediagnostik und Bauphysik gefragt. Die energetische<br />
Opt<strong>im</strong>ierung historischer Bausubstanz kann<br />
nur unter Berücksichtigung aller bauphysikalischen und<br />
gestaltungsspezifischen Gegebenheiten gelingen, jede<br />
andere Herangehensweise birgt unkalkulierbare Risiken<br />
und Folgeschäden. Umso wichtiger ist es, dass alle<br />
beteiligten Akteure auf der Basis einer detaillierten Bestandsanalyse<br />
vorurteilsfrei und gemeinsam individuelle<br />
Sanierungskonzepte entwickeln und verantwortungsbewusst<br />
umsetzen.<br />
Dipl.-Ing. Frank Sprenger<br />
ist fachlicher Leiter des Zentrums für Restaurierung<br />
und Denkmalpflege der <strong>Handwerk</strong>skammer Koblenz<br />
und Geschäftsführer des Bundesverbandes <strong>Restaurator</strong><br />
<strong>im</strong> <strong>Handwerk</strong> e.V.