das argument - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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Kongreßankündigungen und -berichte 95<br />
Mehrheitssozialdemokratie einerseits, linken Positionen außerhalb der SPD gegenüber<br />
andererseits. Die Wiederaneignung des Marxismus in der Diskussion der frühen 7üer<br />
Jahre über die <strong>Theorie</strong> des staatsmonopolistischen Kapitalismus war ein erster Durchbruch<br />
in dieser Richtung. Es gelang aber damals nicht, auf der Grundlage dieser Position<br />
eine mehrheitsfähige sozialistische Programmatik <strong>für</strong> die SPD-Linke zu formulieren.<br />
Die Reproduktion des zersplitterten <strong>Theorie</strong>spektrums der Linken unter dem Dach<br />
der SPD blockiert diese Arbeit bis heute. Die Bedeutung der Her/order Thesen liegt<br />
darin, daß sie durch produktive Kombination von theoretischen und strategischen Traditionen<br />
über die Stamokap-Position der 7üer Jahre hinaus hier einen Durchbruch<br />
möglich machen. Dazu müssen sie, wie Woifgang Abendroth sagte, von der Bewegung<br />
selbst ergriffen und weitergeschrieben werden.<br />
Detlev Alben führte die strategischen Säulen der Thesen vor, die auf eine Aneignung<br />
dreier Traditionslinien im Marxismus gebaut sind - Austromarxismus, Gramsei<br />
und französischer Linkssozialismus der CERES-Gruppe: ein demokratischer und friedlicher<br />
Weg zum Sozialismus, der mit einer grundlegenden Demokratisierung von Staat<br />
und Gesellschaft beginnen soll; der Einstieg in diesen Prozeß der Transformation des<br />
Staates ist mit einem Programm alternativer Wirtschaftspolitik markiert, die auf die<br />
Etablierung einer neuen ökonomischen Logik zielt. Diese setzt als Bruch mit der Profitorientierung<br />
eine Mindestschwelle der Vergesellschaftung von Schlüsselindustrien voraus.<br />
Als soziales Subjekt dieses Prozesses nennen die Her/order Thesen die Arbeiterklasse<br />
im Bündnis mit anderen antimonopolistischen Klassen und Schichten; politisch<br />
könne der Übergang nur in einem Pluralismus von Parteien und politischen Strömungen<br />
vollzogen werden. Hauptaufgabe von Marxisten in der Sozialdemokratie sei die Rekonstruktion<br />
von Klassenbewußtsein der Arbeiterklasse; sie müsse die ideologische Stabilisierung<br />
bürgerlicher Herrschaft im hochentwickelten Kapitalismus durch die Erringung<br />
der geistigen Hegemonie der Arbeiterklasse aufbrechen.<br />
Wie stellten sich die verschiedenen Gruppierungen innerhalb und außerhalb der<br />
SPD zu diesen Vorschlägen) - Peter von Oertzen verblüffte die Versammelten durch<br />
weitgehende Zustimmung zum strategischen Konzept der Her/order Thesen: es sei <strong>das</strong><br />
wichtigste marxistische Programm-Dokument der Sozialdemokratie nach 1945. Besonders<br />
lobte er <strong>das</strong> Festhalten am Marxismus und an der Arbeiterklasse als revolutionärem<br />
Subjekt. In den Thesen fehle eine Bestimmung des Charakters der realsozialistischen<br />
Länder. Nur wenn man die SowJetunion <strong>für</strong> sozialistisch halte, könne man sie noch<br />
nach Afghanistan als internationale Friedensmacht sehen und mit ihren Freunden hier<br />
Bündnisse propagieren. Woifgang Abendroth setzte dagegen die Einsicht, daß die<br />
Möglichkeit <strong>für</strong> Sozialisten, heute einen demokratischen und friedlichen Weg zum Sozialismus<br />
in Westeuropa ins Auge zu fassen. erst durch die Existenz der Sowjetunion<br />
und des sozialistischen Blocks gegeben sei. Die Form des Übergangs zum Sozialismus<br />
hänge immer von den Kräfteverhältnissen - also auch vom Gegner - ab. Sozialisten<br />
müßten deswegen am meisten Interesse an der Erhaltung des internationalen Gleichgewichts<br />
haben und seiner Zerstörung durch Antikommunismus und Rüstungswettlauf<br />
widerstehen. - In einem Punkt signalisierte von Oertzen Übereinstimmung: eine<br />
Hauptursache des Stalinismus sei <strong>das</strong> historische Versagen der deutschen Sozialdemokratie<br />
vor dem Faschismus.<br />
Konnte auch von dieser Diskussion gelernt werden, so hatten hier doch die alten<br />
über die neuen Fragen gesiegt. Die Gefahr zeigte sich auch in der Diskussion der anderen<br />
Themenblöcke: neue ökonomische Logik und alternative Wirtschaftspolitik, Transformation<br />
des Staates, Veränderbarkeit der Sozialdemokratie. Die verschiedenen Gruppierungen<br />
der SPD- und übrigen Linken neigen. dazu, die neuen Fragestellungen der<br />
Her/order Thesen in die alten Fragen und Fronten rückzuübersetzen und damit ihr produktives<br />
politisches Potential zu blockieren. Die Perspektive der weiteren Diskussion