Diese Medikamente sind diabetogen - Fachkommission Diabetes in ...
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SEMINAR–FORTBILDUNG<br />
SEMINAR<br />
Arzneimittel<strong>in</strong>teraktionen<br />
Vorsicht: <strong>Diese</strong> <strong>Medikamente</strong><br />
<strong>s<strong>in</strong>d</strong> <strong>diabetogen</strong><br />
Von L. Schaaf<br />
<strong>Medikamente</strong>, die potenziell e<strong>in</strong>e gestörte Glukosetoleranz oder e<strong>in</strong>en<br />
iatrogenen <strong>Diabetes</strong> mellitus verursachen können, gehören mit zu den<br />
am häufigsten verordneten Arzneimitteln. Bei welchen <strong>Medikamente</strong>n<br />
Sie mit e<strong>in</strong>er Verschlechterung e<strong>in</strong>es bestehenden <strong>Diabetes</strong> mellitus<br />
rechnen, an welche Kontrollen und Therapieanpassungen Sie denken<br />
müssen, lesen Sie im nachfolgenden Beitrag.<br />
_ Die Klassifikation des <strong>Diabetes</strong> mellitus<br />
wurde 1997 von der American <strong>Diabetes</strong><br />
Association (ADA) revidiert und<br />
nach pathogenetischen Aspekten geordnet<br />
(Tab. 1) [7]. Die WHO und die<br />
Deutsche <strong>Diabetes</strong>-Gesellschaft (DDG)<br />
haben diese Klassifikation übernommen.<br />
Sie grenzt vom Typ-1-, Typ-2-<strong>Diabetes</strong><br />
mellitus und Gestationsdiabetes<br />
sekundäre <strong>Diabetes</strong>formen als Typ-3-<br />
<strong>Diabetes</strong> ab, denen e<strong>in</strong>e andere spezifische<br />
Ursache zugrunde liegt.<br />
In dieser Gruppe spielen praktisch<br />
v. a. medikamentenbed<strong>in</strong>gte bzw. -mitbed<strong>in</strong>gte<br />
Formen e<strong>in</strong>e wichtige Rolle.<br />
Grün de <strong>s<strong>in</strong>d</strong> die hohe Inzidenz und Prä-<br />
Bei dieser Vielzahl von <strong>Medikamente</strong>n:<br />
unbed<strong>in</strong>gt an die Verlaufskontrolle des<br />
Blutzuckers und des HbA1c denken!<br />
© Klaus Rose<br />
valenz von Erkrankungen wie arterielle<br />
Hypertonie, koronare Herzerkrankung<br />
und entzündliche Erkrankungen sowie<br />
die Verschiebung der Alterspyramide<br />
mit zunehmender Multimorbidität. Damit<br />
gehören <strong>Medikamente</strong>, die potenziell<br />
zu e<strong>in</strong>er gestörten Glukosetoleranz<br />
oder e<strong>in</strong>em iatrogenen <strong>Diabetes</strong> mellitus<br />
führen können, zu den am häufigsten<br />
verordneten Arzneimitteln (Tab. 2).<br />
Beim E<strong>in</strong>satz dieser <strong>Medikamente</strong>,<br />
<strong>in</strong>sbesondere bei Glukokortikoiden,<br />
muss stets an Verlaufskontrollen des<br />
Blutzuckers und des HbA1c gedacht werden.<br />
Inwieweit es sich im E<strong>in</strong>zelfall dann<br />
um e<strong>in</strong>e unerwünschte Nebenwirkung<br />
oder um e<strong>in</strong>en bisher nicht erkannten<br />
bzw. nicht diagnostizierten <strong>Diabetes</strong><br />
mellitus handelt, lässt sich im E<strong>in</strong>zelfall<br />
nicht entscheiden.<br />
Diuretika<br />
Die Benzothiadiaz<strong>in</strong>-Derivate und<br />
-Analoga (Thiaziddiuretika) werden<br />
sehr häufig zur diuretischen Therapie<br />
bei Herz<strong>in</strong>suffizienz und als Basistherapeutika<br />
der arteriellen Hypertonie<br />
e<strong>in</strong>gesetzt. Durch den i. d. R. zu verzeichnenden<br />
Kaliumverlust kann die Insul<strong>in</strong>sekretion<br />
direkt negativ bee<strong>in</strong>flusst<br />
werden. Deshalb muss bei der Therapie<br />
mit Diuretika, <strong>in</strong>sbesondere beim bereits<br />
diabetischen Patienten, auf e<strong>in</strong>e<br />
MMW-Fortbildungs<strong>in</strong>itiative:<br />
Diabetologie für den Hausarzt<br />
Regelmäßiger Sonderteil der<br />
MMW-Fortschritte der Mediz<strong>in</strong><br />
Herausgeber:<br />
<strong>Fachkommission</strong> <strong>Diabetes</strong> <strong>in</strong> Bayern –<br />
Landesverband der Deutschen Dia betes-<br />
Gesellschaft,<br />
Dr. med. Hans-J. Lüddeke (1. Vorsitzender)<br />
Cosimastr. 2<br />
D-81927 München<br />
Redaktion:<br />
Priv.-Doz. Dr. M. Hummel (Koord<strong>in</strong>ation);<br />
Prof. Dr. L. Schaaf (wissenschaftliche<br />
Leitung); Prof. Dr. P. Bottermann;<br />
Prof. Dr. M. Haslbeck; alle München.<br />
Prof. Dr. med.<br />
Ludwig Schaaf<br />
Internist, Endokr<strong>in</strong>ologe,<br />
Diabetologe,<br />
Max-Planck-Institut<br />
für Psychiatrie,<br />
München<br />
ausreichende Kaliumsubstitution sowie<br />
zusätzlich auf die Korrektur e<strong>in</strong>er hyperglykämiebed<strong>in</strong>gten<br />
und durch Diuretikae<strong>in</strong>nahme<br />
noch weiter verstärkten Hypomagnesiämie<br />
geachtet werden.<br />
Der <strong>diabetogen</strong>e Effekt der Thiazide<br />
ist zeitverzögert, meist erst Wochen bis<br />
Monate nach Therapiebeg<strong>in</strong>n festzustellen.<br />
Allerd<strong>in</strong>gs wird die <strong>in</strong> früheren Jahren<br />
häufig praktizierte Hochdosistherapie<br />
mit Thiaziddiuretika heutzutage fast<br />
nicht mehr e<strong>in</strong>gesetzt.<br />
Betablocker<br />
Nicht selektive Betablocker (z.B. Propranolol,<br />
Carvedilol, Sotalol) hemmen<br />
die Ausschüttung von Insul<strong>in</strong> stärker als<br />
selektive Betablocker (z. B. Atenolol,<br />
Bisoprolol, Metoprolol). Insgesamt wird<br />
die Insul<strong>in</strong>resistenz erhöht, z.B. als Folge<br />
der Gewichtszunahme, der Aktivitätsm<strong>in</strong>derung<br />
des sympathischen Nervensystems,<br />
der Reduktion der Insul<strong>in</strong>-<br />
42 MMW-Fortschr. Med. Nr. 37 / 2011 (153. Jg.)
freisetzung aus der Betazelle und/oder<br />
der verr<strong>in</strong>gerten Muskeldurchblutung.<br />
Blocker des<br />
Ren<strong>in</strong>-/Angiotens<strong>in</strong>-Systems<br />
Blocker des Ren<strong>in</strong>-/Angiotens<strong>in</strong>-Systems<br />
(ACE-Hemmer, AT1-Rezeptorblocker,<br />
Ren<strong>in</strong><strong>in</strong>hibitoren) <strong>s<strong>in</strong>d</strong> weitgehend<br />
stoffwechselneutral und verbessern so-<br />
Tabelle 1<br />
Ätiologische Klassifikation<br />
des <strong>Diabetes</strong> mellitus [7]<br />
I: <strong>Diabetes</strong> mellitus Typ 1 (Betazellzerstörung,<br />
die zum absoluten Insul<strong>in</strong>mangel<br />
führt)<br />
II: <strong>Diabetes</strong> mellitus Typ 2 (Insul<strong>in</strong>resistenz<br />
und/oder Defekt der Betazellsekretion)<br />
III: Andere spezifische <strong>Diabetes</strong>typen<br />
(„sekundäre <strong>Diabetes</strong>formen“):<br />
A) Genetische Defekte der<br />
Betazelle<br />
B) Genetische Defekte der<br />
Insul<strong>in</strong>wirkung<br />
C) Pankreaserkrankung oder<br />
-zerstörung<br />
D) <strong>Diabetes</strong> mellitus durch Endokr<strong>in</strong>opathien<br />
E) <strong>Diabetes</strong> mellitus durch <strong>Medikamente</strong><br />
oder Chemikalien<br />
_ Nikot<strong>in</strong>säure<br />
_ Glukokortikoide<br />
_ Schilddrüsenhormon<br />
_ α-adrenerge Agonisten<br />
_ β-adrenerge Agonisten<br />
_ Thiazide<br />
_ Dilant<strong>in</strong><br />
_ Pentamid<strong>in</strong><br />
_ Vacor<br />
_ Interferon-α<br />
_ Andere<br />
F) Infektionen<br />
G) Ungewöhnliche Formen des<br />
immunvermittelten <strong>Diabetes</strong><br />
mellitus<br />
H) Andere genetische Syndrome,<br />
die mit <strong>Diabetes</strong> mellitus assoziiert<br />
<strong>s<strong>in</strong>d</strong><br />
IV: Gestationsdiabetes<br />
MMW-Fortschr. Med. Nr. 37 / 2011 (153. Jg.)<br />
gar unter Umständen die Insul<strong>in</strong>sensitivität,<br />
z. B. durch vasodilatatorische<br />
Effekte, Beschleunigung der Insul<strong>in</strong>-<br />
Rezeptor-Signalwege, verr<strong>in</strong>gerten<br />
Ka liumverlust und damit konsekutiv<br />
verbesserter Insul<strong>in</strong>sekretion sowie Erhöhung<br />
der Adiponekt<strong>in</strong>spiegel und/<br />
oder der Aktivierung der PPAR-γ-<br />
Rezeptoren [3].<br />
Tabelle 2<br />
SEMINAR–FORTBILDUNG<br />
Kalziumantagonisten gelten als im<br />
Wesentlichen glukosestoffwechselneutral<br />
[8].<br />
Glukokortikoide<br />
Glukokortikoide erhöhen die hepatische<br />
Glukosefreisetzung und fördern die Insul<strong>in</strong>resistenz.<br />
Dies beruht unter anderem<br />
auf Veränderungen des Glukose-<br />
<strong>Medikamente</strong>, die potenziell zu e<strong>in</strong>er gestörten Glukosetoleranz oder<br />
e<strong>in</strong>em iatrogenen <strong>Diabetes</strong> mellitus führen können<br />
<strong>Medikamente</strong> Mechanismus Besonderheiten<br />
Diuretika (Thiazide) Glukose<strong>in</strong>duzierte<br />
Insul<strong>in</strong>sekretion ↓<br />
(durch Kalium-/Magnesiumverlust)<br />
Betablocker Hepatische Glukoseaufnahme↓<br />
Zentrale Alphablocker<br />
Insul<strong>in</strong>resistenz ↑<br />
Aktivierung des sympathischen<br />
Nervensystems ↓<br />
Insul<strong>in</strong>freisetzung aus der<br />
Betazelle↓<br />
Muskeldurchblutung ↓<br />
Glukokortikoide Insul<strong>in</strong>resistenz ↑<br />
Antidepressiva<br />
Antipsychotika<br />
Immunmodulatoren<br />
(Interferon-α)<br />
HIV-Therapie:<br />
Nukleosid-Analogon<br />
Didanos<strong>in</strong><br />
Proteasehemmer:<br />
Ind<strong>in</strong>avir<br />
Nelf<strong>in</strong>avir<br />
Ritonavir<br />
Saqu<strong>in</strong>avir<br />
veränderter zellulärer Glukosemetabolismus<br />
Insul<strong>in</strong>resistenz ↑<br />
(Gewichtszunahme)<br />
Induktion organspezifischer Autoimmunerkrankungen(Typ-1-<strong>Diabetes</strong><br />
mellitus)<br />
Pankreatitis<br />
Insul<strong>in</strong>sekretion ↓<br />
Insul<strong>in</strong>resistenz ↑<br />
Immunsuppressiva Insul<strong>in</strong>sekretion ↓ (Hemmung der<br />
Prote<strong>in</strong>-Phosphatase-Aktivität des<br />
Calc<strong>in</strong>eur<strong>in</strong>-Calmodul<strong>in</strong>-Komplexes)<br />
Vacor<br />
Streptozotoc<strong>in</strong><br />
Pentamid<strong>in</strong><br />
direkte betazelltoxische Effekte<br />
Vor allem bei hohen<br />
Dosen<br />
Furosemid, Triamteren,<br />
Aldactone ±<br />
stoffwechselneutral<br />
Effekte bei nicht<br />
selektiven > als bei<br />
selektiven Blockern<br />
Ke<strong>in</strong>e signifikante<br />
Bee<strong>in</strong>flussung des<br />
Glukosestoffwechsels<br />
Standardtherapie<br />
Hepatitis B/Hepatitis C<br />
Zentripetale Adipositas<br />
mit Hypertriglyzeridämie<br />
43
SEMINAR–FORTBILDUNG<br />
Tabelle 3<br />
<strong>Diabetes</strong>therapie unter Glukokortikoidgabe<br />
Ke<strong>in</strong> <strong>Diabetes</strong> Ggf. OAD nötig<br />
bekannt<br />
_ z. B. Gl<strong>in</strong>ide zum Frühstück und Mittagessen,<br />
z. B. Repagl<strong>in</strong>id 1 mg – 2 mg – 0<br />
_ Alternativ aber auch andere Sulfonylharnstoffe oder evtl. Glipt<strong>in</strong>e<br />
Vorbestehender Insul<strong>in</strong> nötig<br />
<strong>Diabetes</strong>, mit _ z. B. Normal<strong>in</strong>sul<strong>in</strong> zum Frühstück und Mittagsessen,<br />
Diät/OAD z. B. Rapid-Insul<strong>in</strong> 4 – 8 – 0 IE s. c.<br />
therapiert _ Alternativ auch Misch<strong>in</strong>sul<strong>in</strong> möglich (z. B. Insuman® Comb 50/50)<br />
ke<strong>in</strong>e Daten<br />
Tabelle 4<br />
Antipsychotische <strong>Medikamente</strong> und deren metabolische Folgen [1]<br />
Antipsychotikum Gewichts-<br />
zunahme<br />
Clozap<strong>in</strong> +++ +<br />
Olanzap<strong>in</strong> +++ +<br />
transportsystems der Zellen. Mehr als<br />
1 Million Menschen werden pro Jahr<br />
mit diesen Substanzen behandelt.<br />
Zum obligaten Screen<strong>in</strong>g auf e<strong>in</strong>en<br />
sekundären <strong>Diabetes</strong> mellitus unter<br />
Glukokortikoidtherapie ist e<strong>in</strong> Blutglukosetagesprofil<br />
notwendig. Hierbei ist<br />
der beste Screen<strong>in</strong>g-Zeitpunkt zwei Std.<br />
nach dem Mittagessen. Das Therapieziel<br />
ist e<strong>in</strong>e normnahe Blutglukosee<strong>in</strong>stellung,<br />
<strong>in</strong>sbesondere bei Langzeittherapie.<br />
Zu achten ist <strong>in</strong>sbesondere auch auf<br />
das von der Applikationsform abhängende<br />
zeitliche Wirkmaximum und die<br />
Wirkdauer der Glukokortikoide. Die<br />
pharmakologische Halbwertszeit ist teils<br />
deutlich länger als die biologische Halbwertszeit.<br />
Wird z.B. Prednisolon e<strong>in</strong>-<br />
<strong>Diabetes</strong>risiko Dyslipidämie<br />
Risperidon ++ une<strong>in</strong>heitliche Daten une<strong>in</strong>heitliche Daten<br />
Quetiap<strong>in</strong> ++ une<strong>in</strong>heitliche Daten une<strong>in</strong>heitliche Daten<br />
Aripiprazol ± ke<strong>in</strong>e Daten ke<strong>in</strong>e Daten<br />
Ziprasidon ± ke<strong>in</strong>e Daten ke<strong>in</strong>e Daten<br />
Amisulprid ± ke<strong>in</strong>e Daten ke<strong>in</strong>e Daten<br />
Abb. 1 Die pharmakologische Halbwertszeit<br />
von Prednisolon ist deutlich länger<br />
als die biologische. Wird Prednisolon<br />
z.B. e<strong>in</strong>malig am Morgen oral verabreicht,<br />
muss mit dem stärksten Blutzuckeranstieg<br />
um die Mittagszeit gerechnet<br />
werden.<br />
malig am Morgen oral verabreicht, ist<br />
der stärkste Blutglukoseanstieg um die<br />
Mittagszeit zu erwarten.<br />
Als grober Anhaltspunkt gilt hier die<br />
„6-Stunden-Regel“: max. Blutglukoseerhöhung<br />
nach sechs Stunden, Dauer<br />
der Blutglukoseerhöhung ca. sechs Stunden<br />
(Abb. 1) [6].<br />
Insul<strong>in</strong>therapie oft nicht vermeidbar<br />
Mit e<strong>in</strong>er Alt<strong>in</strong>sul<strong>in</strong>gabe morgens und<br />
mittags lassen sich <strong>in</strong> dieser kl<strong>in</strong>ischen<br />
Situation oft befriedigende Blutglukose-<br />
– Abbildung 1<br />
Kortisol (μg/dl)<br />
20<br />
10<br />
0<br />
0h 4h 8h 12h 16h 20h 24h<br />
Tageszeit<br />
Prednisolongabe<br />
tagesprofile erreichen, e<strong>in</strong> nächtliches<br />
Basal<strong>in</strong>sul<strong>in</strong> ist meist nicht notwendig.<br />
Bei sehr starken Blutglukoseanstiegen<br />
ist auch die Aufteilung der Glukokortikoiddosen<br />
zu erwägen. Bei milden Verläufen<br />
können zusätzlich orale Antidiabetika<br />
(OAD) e<strong>in</strong>gesetzt werden (z.B.<br />
Gl<strong>in</strong>ide, Sulfonylharnstoffe oder auch<br />
Glipt<strong>in</strong>e – DPP4-Inhibitoren). E<strong>in</strong>e Insul<strong>in</strong>therapie<br />
lässt sich aber oft nicht<br />
vermeiden (Tab. 3) [6].<br />
Antidepressiva und Antipsychotika<br />
Besonders praxisrelevant ist die gewichtssteigernde<br />
und <strong>diabetogen</strong>e Wirkung<br />
zahlreicher Antidepressiva und<br />
Antipsychotika. Schizophreniepatienten<br />
<strong>s<strong>in</strong>d</strong> schon vor Therapiebeg<strong>in</strong>n bis zu<br />
dreimal häufiger übergewichtig, und<br />
auch Patienten mit e<strong>in</strong>er Depression haben<br />
e<strong>in</strong> erhöhtes <strong>Diabetes</strong>risiko. Außerdem<br />
ist die <strong>Diabetes</strong>therapie bei diesen<br />
Grunderkrankungen oft auch aus Compliancegründen<br />
sehr schwierig.<br />
Trizyklische Antidepressiva führen<br />
teilweise zu deutlichen Gewichtszunahmen,<br />
z.B. Amitriptyl<strong>in</strong> mehr als 6 kg <strong>in</strong><br />
sechs Monaten. Deshalb <strong>s<strong>in</strong>d</strong> selektive<br />
Seroton<strong>in</strong>-Wiederaufnahmehemmer<br />
(z.B. Citalopram, Fluoxet<strong>in</strong>) zu bevorzugen<br />
[2]. Die metabolischen Folgen antipsychotischer<br />
<strong>Medikamente</strong> <strong>s<strong>in</strong>d</strong> <strong>in</strong><br />
Tab. 4 [1] zusammengefasst.<br />
Die unterschiedliche Gewichtung der<br />
Risikofaktoren sollte bei der Wahl des<br />
Antipsychotikums berücksichtigt werden.<br />
Monitor<strong>in</strong>g<br />
Bezüglich des Monitor<strong>in</strong>gs metabolisch<br />
relevanter Parameter vor und während<br />
der antipsychotischen Therapie gibt es<br />
von den entsprechenden Gesellschaften<br />
– American <strong>Diabetes</strong> Association, American<br />
Psychiatric Association, American<br />
Association of Cl<strong>in</strong>ical Endocr<strong>in</strong>ologists<br />
und North American Association for<br />
the Study of Obesity – e<strong>in</strong> geme<strong>in</strong>sames<br />
Konsensuspapier, das den Ablauf des<br />
Screen<strong>in</strong>gs festlegt [1]. In regelmäßigen<br />
Intervallen sollten überprüft werden:<br />
■ BMI,<br />
■ Bauchumfang,<br />
■ Nüchternglukose,<br />
■ Lipidprofil.<br />
44 MMW-Fortschr. Med. Nr. 37 / 2011 (153. Jg.)
MMW-Fortschr. Med. Nr. 37 / 2011 (153. Jg.)<br />
SEMINAR–FORTBILDUNG<br />
Immunsuppressiva<br />
Die Insul<strong>in</strong>sekretion wird durch Immunsuppressiva, die die<br />
kalziumabhängige Prote<strong>in</strong>-Phosphatase-Aktivität des Calc<strong>in</strong>eur<strong>in</strong>-Calmodul<strong>in</strong>-Komplexes<br />
<strong>in</strong>hibieren, gehemmt (Ciclospor<strong>in</strong>,<br />
Tacrolimus). In Komb<strong>in</strong>ation mit Glukokortikoiden<br />
ist e<strong>in</strong>e gestörte Glukosetoleranz oder e<strong>in</strong> <strong>Diabetes</strong> mellitus<br />
e<strong>in</strong>e häufige Folge der immunsuppressiven Therapie, <strong>in</strong>sbesondere<br />
auch <strong>in</strong> der Transplanta tionsmediz<strong>in</strong>.<br />
Immunmodulatoren<br />
Interferon-α ist mit der Induktion organspezifischer Autoimmunerkrankungen<br />
wie Typ-1-<strong>Diabetes</strong> mellitus belastet.<br />
HIV-Therapie<br />
Das Nukleosid-Analogon Didanos<strong>in</strong> kann über e<strong>in</strong>en direkt<br />
toxischen Effekt (Pankreatitis) zum <strong>Diabetes</strong> mellitus führen.<br />
Die HIV-Protease-Hemmer (Ind<strong>in</strong>avir, Nelf<strong>in</strong>avir, Ritonavir,<br />
Saqu<strong>in</strong>avir) können e<strong>in</strong>e zentripetale Adipositas, verbunden<br />
mit e<strong>in</strong>er Hypertriglyzeridämie bewirken (wahrsche<strong>in</strong>lich<br />
Komb<strong>in</strong>ation aus Insul<strong>in</strong>sekretionshemmung und Insul<strong>in</strong>resistenz).<br />
Literatur unter mmw.de<br />
Anschrift des Verfassers:<br />
Prof. Dr. med. Ludwig Schaaf, Max-Planck-Institut für Psychiatrie,<br />
Innere Mediz<strong>in</strong>/Endokr<strong>in</strong>ologie und Kl<strong>in</strong>ische Chemie, Kraepel<strong>in</strong>str. 10,<br />
D-80804 München und Städtisches Kl<strong>in</strong>ikum München GmbH, Kl<strong>in</strong>ikum<br />
Schwab<strong>in</strong>g, Kl<strong>in</strong>ik für Endokr<strong>in</strong>ologie, Diabetologie, Suchtmediz<strong>in</strong>,<br />
Nuklearmediz<strong>in</strong>, Kölner Platz 1, D-80804 München, E-Mail: schaaf@<br />
mpipsykl.mgp.de<br />
Fazit für die Praxis<br />
Viele <strong>Medikamente</strong> verschlechtern e<strong>in</strong>en bestehenden <strong>Diabetes</strong><br />
mellitus bzw. <strong>s<strong>in</strong>d</strong> potenziell <strong>diabetogen</strong>. Während<br />
Thiazide und Betablocker als <strong>diabetogen</strong> gelten, werden für<br />
ACE-Hemmer und AT1-Rezeptorblocker protektive Effekte<br />
postuliert. Betablocker erhöhen die Insul<strong>in</strong>resistenz und<br />
reduzieren die Insul<strong>in</strong>freisetzung aus der Betazelle – nicht<br />
selektive vermutlich stärker als selektive Betablocker.<br />
Therapieziel unter e<strong>in</strong>er Langzeit therapie mit Glukokortikoiden<br />
ist e<strong>in</strong>e normnahe E<strong>in</strong>stellung des sekundären<br />
<strong>Diabetes</strong> mellitus. Bei e<strong>in</strong>maliger oraler Prednisolongabe<br />
am Morgen gilt die 6-Stunden-Regel: maximale Blutglukoseerhöhung<br />
nach 6 Std., Dauer der Blutglukose erhöhung<br />
ca. 6 Std.<br />
Trizyklische Antidepressiva haben e<strong>in</strong>e gewichtssteigernde<br />
Wirkung. Metabolische Überlegungen und bereits bestehende<br />
kardiovaskuläre Risikofaktoren des Patienten sollten<br />
bei der Wahl des Antipsychotikums stets berücksichtigt<br />
werden.<br />
Keywords<br />
Worsen<strong>in</strong>g of Glucose Metabolism, Demasquerade of Drug<br />
Induced <strong>Diabetes</strong> Mellitus<br />
Secondary diabetes mellitus – Type 3 diabetes mellitus – Drug<br />
<strong>in</strong>duced diabetes mellitus – Metabolic effects of Beta blocade –<br />
Glucocorticoids – Antidepressants – Antipsychotics<br />
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