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Eintauchen in die Frauenseele - Lio Elfie Payer

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<strong>E<strong>in</strong>tauchen</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong><br />

<strong>Frauenseele</strong><br />

<strong>Lio</strong> Hero de la Luna<br />

1


2<br />

Diese Arbeiten (Texte und Gedichte entstanden im Zeitraum 1981-1995, <strong>die</strong> Zeichnungen<br />

von 1990-1995). Sie bilden e<strong>in</strong>en kle<strong>in</strong>en Auszug aus dem persönlichen Wachstumsprozeß.<br />

Ich habe <strong>die</strong> Beiträge nicht aktualisiert, weil ich der Me<strong>in</strong>ung b<strong>in</strong>, dass sie damit den<br />

unmittelbaren Bezug zur Entstehungsgeschichte verlieren. Hi <strong>Lio</strong>


Mit me<strong>in</strong>em lautlosen, <strong>in</strong>neren S<strong>in</strong>nen<br />

Hör‘ ich den Ton und das Echo der Welt<br />

Hör‘ ich den wahren heiligen Namen,<br />

der <strong>die</strong>se Erde zusammenhält.<br />

Über <strong>die</strong> Stufen der schweigenden Sprache<br />

Steig‘ ich h<strong>in</strong>ab <strong>in</strong> <strong>die</strong> Formen der Welt,<br />

sprech‘ ich <strong>die</strong> uralten mächtigen Worte<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em schw<strong>in</strong>genden, s<strong>in</strong>genden Feld.<br />

Jede das Ihre,<br />

alle geme<strong>in</strong>sam<br />

bauen wir Ton um Ton<br />

unsere Welt.<br />

Über <strong>die</strong> Stimmen der tanzenden Hölzer<br />

Fühl‘ ich mich e<strong>in</strong> <strong>in</strong> den Körper der Erde,<br />

flüstre der D<strong>in</strong>ge wirklichen Namen,<br />

flüstre von Wandel und Se<strong>in</strong> und von Werde.<br />

Durch <strong>die</strong> Silben der lebenden Kräfte<br />

Hol‘ ich mir wieder <strong>die</strong> Wahrheit des Traums,<br />

geb‘ ich der Zeit ihre wahre Bedeutung<br />

b<strong>in</strong>d‘ ich mich e<strong>in</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> Weite des Raums.<br />

Jede das Ihre,<br />

alle geme<strong>in</strong>sam<br />

bauen wir Ton um Ton<br />

unsre Welt.<br />

Autor<strong>in</strong> mir unbekannt.<br />

3


4<br />

E<strong>in</strong>leitung<br />

Mit <strong>die</strong>sem Buch möchte ich allen Frauen, <strong>die</strong> auf der Suche nach ihrem Selbst und<br />

ihren eigenen Maßstäben für das Frause<strong>in</strong> s<strong>in</strong>d, me<strong>in</strong>e Erfahrungen und E<strong>in</strong>sichten aus<br />

me<strong>in</strong>em Entwicklungsprozeß geben. Es heißt, daß große Freude und großes Leid zur<br />

Erweckung des Menschen führen. Doch gerade <strong>in</strong> leidvollen Zeiten merken wir, daß es<br />

ke<strong>in</strong>en Weg an der eigenen Entwicklung vorbei gibt.<br />

Im ewigen Wandel des Lebens erfährt auch unsere eigene Person e<strong>in</strong>en ständigen Wandel.<br />

Wenn wir <strong>die</strong>sen Entwicklungen offen gegenüberstehen, erleben wir <strong>die</strong> Veränderung<br />

nicht mehr als tragisch, als Leid, als Zerfall unseres Selbst – sondern erkennen<br />

immer besser, daß wir uns freiwillig verändern können und damit für e<strong>in</strong> Leben offen<br />

werden, das wir selbst aus uns schöpfen.<br />

Es wurde Frauen <strong>in</strong> den vergangenen Jahrtausenden nicht leicht gemacht, ihren eigenen<br />

Wert und <strong>die</strong> eigene Würde als Mensch und Frau für sich selbst zu def<strong>in</strong>ieren. Die<br />

meisten Werte und Bewertungen s<strong>in</strong>d aus Männermund und Männerhand – und nun, da<br />

sich immer mehr Frauen bewußt werden, daß sie auch <strong>in</strong> der Interpretation ihres Lebens<br />

e<strong>in</strong> Wörtchen mitzureden haben, tauchen gleichzeitig neue Ängste auf. Als selbständige<br />

Frau womöglich ke<strong>in</strong>en Mann mehr zu f<strong>in</strong>den, als Emanze abklassifiziert zu<br />

werden, als Mannweib <strong>in</strong> <strong>die</strong> Schublade gesteckt zu werden und vieles mehr.<br />

Unsere Gesellschaft neigt dazu, alles <strong>in</strong> Schwarz/Weiß e<strong>in</strong>zuteilen und vor allem <strong>in</strong><br />

Fe<strong>in</strong>d und Freund. Doch das eigene Selbst fragt nicht nach <strong>die</strong>sen E<strong>in</strong>teilungen. Letztendlich<br />

geht es um das erfüllt gelebte eigene Leben – und dafür lohnt es sich, sich auf<br />

<strong>die</strong> Suche nach sich selbst zu begeben.<br />

Dazu möchte ich allen Frauen Mut machen. Sich selbst <strong>in</strong> der Vielfalt ihrer Möglichkeiten,<br />

<strong>in</strong> der Echtheit ihrer eigenen Gefühle und Bedürfnisse zu erkennen und zu leben.<br />

Die eigenen Stärken und Schwächen anzunehmen und damit dem persönlichen Glück<br />

und der Selbstentfaltung von Tag zu Tag näher zu kommen.<br />

Denn: echtes Selbstvertrauen erwächst aus der immer größeren Selbsterkenntnis. Es ist<br />

e<strong>in</strong> Weg <strong>in</strong> <strong>die</strong> eigenen Tiefen, <strong>in</strong> <strong>die</strong> eigene Seele und ihr Sose<strong>in</strong>. Dieses Sose<strong>in</strong> immer<br />

besser zu erkennen und zu leben macht uns frei von den Ent- und Bewertungen von<br />

außen, <strong>die</strong> so oft das eigene Gleichgewicht zerstören und uns gebrochen zurücklassen.<br />

„No hay cam<strong>in</strong>os, hay que cam<strong>in</strong>ar“, was übersetzt soviel bedeutet: es gibt ke<strong>in</strong>e Wege,


wir müssen gehen. Uns so wird der Weg zum Ziel.<br />

In <strong>die</strong>sem S<strong>in</strong>ne soll <strong>die</strong>ses Buch Anregungen vermitteln, eigene Wege der Selbstsuche<br />

zu f<strong>in</strong>den und angstfrei zu gehen. Es gibt viele Wege, <strong>die</strong> begangen werden können und<br />

es führen viele Wege zu unserem Urgrund, zu unserem Sose<strong>in</strong>.<br />

Die Die Suche Suche beg<strong>in</strong>nt beg<strong>in</strong>nt von von Neuem<br />

Neuem<br />

Mit Dreißig beg<strong>in</strong>nt <strong>die</strong> Suche nach me<strong>in</strong>er Identität, me<strong>in</strong>em Sose<strong>in</strong> von Neuem und<br />

ich merke, dass das e<strong>in</strong>zig Beständige des Lebens der Wandel ist. Als ich gerade fünfzehn<br />

Jahre alt war, dachte me<strong>in</strong>e Mutter wohl noch, dass ich <strong>in</strong> ihre Fußstapfen treten<br />

werde und ich selbst ja auch. E<strong>in</strong>e frauenspezifische Schulbildung bis zur Matura festigte<br />

<strong>die</strong>ses Bild noch.<br />

Die Abenteuerlust trieb mich mit sechzehn <strong>in</strong> <strong>die</strong> Welt h<strong>in</strong>aus. Me<strong>in</strong> Freund war drei<br />

Jahre älter und da <strong>die</strong> Erziehung im gut katholischen S<strong>in</strong>ne erfolgte, verlobten wir uns,<br />

damit wir als Reisegefährten legitimiert waren.<br />

Diese erste große Liebe war von romantischen Vorstellungen durchtränkt. E<strong>in</strong>e rosarote<br />

B<strong>in</strong>dung auf Lebenszeit, wie es <strong>die</strong> Eltern so bemüht vorlebten? Wir träumten von<br />

e<strong>in</strong>em Häuschen, m<strong>in</strong>destens vier K<strong>in</strong>dern und e<strong>in</strong>em trauten, liebevollen Heim bis das<br />

der Tod uns scheide.<br />

Me<strong>in</strong>e Eltern priesen me<strong>in</strong>e weiblichen Tugenden des Kochens, des Dekorierens von<br />

Partyhappen, <strong>die</strong> Näh- und Stickkünste und sonstige herausragende Eigenschaften e<strong>in</strong>er<br />

guten, zukünftigen Ehefrau und Mutter.<br />

Doch es sollte anders kommen. Mit bestandener Matura wusste ich, dass ich <strong>in</strong> <strong>die</strong> Stadt<br />

wollte, um dort zu stu<strong>die</strong>ren. Der Verlobte aber hatte bereits e<strong>in</strong>e „sichere“ Anstellung<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em öffentlichen Amt – und da das genau dem Wunschbild se<strong>in</strong>er Eltern entsprach,<br />

trennten sich unsere Ziele. In mir tobte großer Schmerz – aber gleichzeitig auch<br />

das Wissen, dass <strong>die</strong> Trennung unvermeidlich vor uns stand. Der Schmerz war so neu –<br />

so heftig – und zum ersten Mal <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em Leben erlebte ich <strong>die</strong> Tiefen me<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>samkeit.<br />

Me<strong>in</strong>e Eltern waren wie vor den Kopf geschlagen – sie wollten uns mit aller Kraft<br />

wieder zusammenführen. Sie me<strong>in</strong>ten, dass es nur <strong>die</strong> Laune e<strong>in</strong>es heranwachsenden<br />

Mädchens war. Doch <strong>in</strong> mir breitete sich <strong>die</strong> Trauer des Abschieds aus und h<strong>in</strong>terließ<br />

angstvolle Spuren. Zum ersten Mal <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em Leben glaubte ich, dass mit mir etwas<br />

nicht stimmen könne, weil ich den Erwartungen <strong>die</strong>ser Menschen, <strong>die</strong> ich liebte, nicht<br />

entsprach. Und das verdoppelte den Schmerz.<br />

5


6<br />

Langsam erwachsen werden<br />

Euphorisch kam ich mit Neunzehn <strong>in</strong> <strong>die</strong> Stadt. Noch tat <strong>die</strong> Trennung von den Eltern<br />

nicht weh. Die neugewonnenen Freiheiten waren viel zu aufregend. Neben dem Studium<br />

arbeitete ich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Betriebsberatungs<strong>in</strong>stitut und fand alles aufregend.<br />

Bald fand ich mich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er neuen Partnerbeziehung wieder und so wurde me<strong>in</strong> Leben<br />

zu e<strong>in</strong>er der vielbesprochenen „Mehrfachbelastungen“. Die Unbekümmertheit wich<br />

immer mehr dem Bewusstse<strong>in</strong> von Verantwortung, Leistung, Frau im Männerberuf und<br />

<strong>die</strong> „tüchtige Frau“ h<strong>in</strong>ter dem erfolgreichen Mann.<br />

In <strong>die</strong>ser Zeit beschäftigte ich mich <strong>in</strong>tensiv mit Frauenliteratur. Mit der Def<strong>in</strong>ition von<br />

„Frau“ und „Frause<strong>in</strong>“. Die Unzufriedenheit, nicht <strong>in</strong> dem Maße anerkannt zu werden,<br />

wie es e<strong>in</strong> Mann von Haus aus wird – <strong>die</strong> Konfrontation mit den Männerclubs <strong>in</strong> den<br />

Führungsetagen, den Parteien, den Geheimbünden und Männerseilschaften - das alles<br />

vermittelte mir das Gefühl der Wertlosigkeit. Die Anstrengungen steigerten sich <strong>in</strong>s<br />

Unermeßliche. Ich dachte, dass ich nur mehr leisten, lernen, können müsse, um <strong>die</strong><br />

Anerkennung zu f<strong>in</strong>den, <strong>die</strong> ich für me<strong>in</strong>e Person suchte. Doch alle Jahre der Karriere<br />

blieben mir <strong>die</strong>se Anerkennung schuldig. Natürlich wurde das perfekte Funktionieren<br />

honoriert – doch etwas fehlte – und ich wusste noch nicht was.<br />

Warum war me<strong>in</strong> „Lohn“ für <strong>die</strong> Arbeit gleich um e<strong>in</strong> Drittel kle<strong>in</strong>er, als für me<strong>in</strong>en<br />

männlichen Kollegen. Langsam lernte ich, wie es mir gel<strong>in</strong>gen kann, mich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Runde<br />

männlicher Gesprächspartner zu Wort zu melden. Ich bemerkte, dass ich von den<br />

Freunden me<strong>in</strong>es Partners als charmantes „Anhängsel betrachtet wurde, von männlichen<br />

Auftraggebern als „Botengänger<strong>in</strong>“ für <strong>die</strong> kompetenten männlichen Ausgaben<br />

gehalten wurde. Und <strong>in</strong> mir wuchs Verzweiflung. Ich wollte doch geliebt werden. Und<br />

ich hatte gelernt, mir Liebe über Leistung zu erarbeiten. Doch wo blieb der Erfolg?<br />

In me<strong>in</strong>er Identität als Frau fühlte ich mich angeschlagen. War ich denn nicht gleich viel<br />

wert wie me<strong>in</strong> Kollege? War ich neben me<strong>in</strong>em Partner niemand? Die zweite Geige?<br />

Wer war ich?


Frau, Karriere, Glück?<br />

Die Lernjahre im „Frause<strong>in</strong>“ g<strong>in</strong>gen weiter. Ich fragte mich, ob es nicht besser wäre,<br />

„selbständig“ zu arbeiten. Dann könnte mir ke<strong>in</strong>e Entwertung widerfahren. Tatsächlich<br />

hatte ich das Gefühl, damit den Schlüssel der Weisheit gefunden zu haben. Bis <strong>die</strong> ersten<br />

Über- und Untergriffe auf me<strong>in</strong> Geschlecht erfolgten. Me<strong>in</strong>e Wut tobte ich <strong>in</strong> bissigen<br />

Pamphlets aus.<br />

In <strong>die</strong>ser Zeit reifte <strong>in</strong> mir das Bewusstse<strong>in</strong>, dass ich nicht Mensch unter Menschen b<strong>in</strong>,<br />

sondern Frau <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er von Männern dom<strong>in</strong>ierten Gesellschaft.<br />

Bislang war ich der Me<strong>in</strong>ung gewesen, dass ich me<strong>in</strong>em <strong>in</strong>neren und äußeren Wachstum<br />

nur genug Zuwendung geben müsste, um als vollwertiger Mensch gesehen zu werden.<br />

Doch nun stellte sich heraus, dass das genau das Gegenteil bewirkte.<br />

Ab e<strong>in</strong>em bestimmten Moment erhielt ich <strong>die</strong> Rückmeldung aus der Männerwelt, dass<br />

ich zu selbständig b<strong>in</strong>, dass ich ja nicht e<strong>in</strong>mal den starken Arm als Stütze „benütze“<br />

und dass me<strong>in</strong>e f<strong>in</strong>anzielle Unabhängigkeit das Gefühl vermittle, der Mann, würde nicht<br />

„gebraucht“.<br />

Immer mehr beschäftigten sich me<strong>in</strong>e Gedanken mit den Klischees der Rollendef<strong>in</strong>itionen<br />

von Mann und Frau.<br />

„Getroffen“ 1/90 <strong>Lio</strong><br />

7


8<br />

„Hilflose EP schreit nach Symbiose“ 1010/91 <strong>Lio</strong>


Alte Def<strong>in</strong>itionen, neue Def<strong>in</strong>itionen,<br />

Def<strong>in</strong>itionen<br />

Rollenbilder, Rollenverhalten, Rollen spielen, Rollen erarbeiten, Rollen verlernen, Rollen<br />

erlernen. Aus alt mach’ neu... In jedem Buch von Frauen für Frauen suchte ich nach<br />

Strohhalmen, mich selbst zu f<strong>in</strong>den. E<strong>in</strong>mal war es <strong>die</strong> erlernte Hilflosigkeit, e<strong>in</strong> anderes<br />

Mal der C<strong>in</strong>derella-Komplex, dann wieder <strong>die</strong> Sprache, der Mutterkomplex, der Vaterkomplex,<br />

das eigene Unvermögen mich durchzusetzen, me<strong>in</strong>e Fehler, me<strong>in</strong>e<br />

Unweiblichkeit, fehlende Konsequenz, falsches Zeitmanagement, dann wieder Rollenkonflikte...<br />

Ich hatte das Gefühl, ich bräuchte nur me<strong>in</strong>e angelernte Hilflosigkeit als Frau bekämpfen,<br />

um e<strong>in</strong> vollwertiger Mensch zu werden. E<strong>in</strong> anderes Mal glaubte ich, dass ich nur<br />

lernen müsste, mich hart abzugrenzen.<br />

Dann wiederum las ich, wie ich erfolgreich als Frau im Management b<strong>in</strong>. Ich bräuchte<br />

nur so und so zu se<strong>in</strong>, mich so und so zu verhalten... und das wäre dann das Geheimnis<br />

me<strong>in</strong>es Glücks und Erfolgs.<br />

Um „weiblich“ zu se<strong>in</strong> bräuchte ich nur me<strong>in</strong>e Garderobe verändern oder ke<strong>in</strong>e Hosen<br />

zu tragen. Als „echte“ Frau müsste ich nur me<strong>in</strong>e weiblichen Vorzüge herausstreichen.<br />

In den Partnerbeziehungen erkannte ich, dass H<strong>in</strong>gabe und E<strong>in</strong>fühlungsvermögen mit<br />

Schwäche gleichgesetzt wurden und erfolgreiches Agieren im Außen als<br />

„Vermännlichung“. Egal, wie sehr ich mich bemühte – ich war nie wirklich richtig.<br />

9


10<br />

„Zertreten. Verletzt. Getroffen.2“ 278/91 <strong>Lio</strong><br />

Beziehungskrisen, Wachstumskrisen.<br />

Trennung. Verlassenheit. Trauer und Wiedergeburt. Jede Trennung von e<strong>in</strong>em geliebten<br />

Menschen ist mit viel Leid und Trauer verbunden. Die Vergangenheit hatte mich das<br />

gelehrt. Doch das Wissen darum l<strong>in</strong>derte nicht den Schmerz e<strong>in</strong>er neuerlichen Trennung<br />

von me<strong>in</strong>em Beziehungspartner. Nach sieben Jahren, den verflixten, wie man sagt,<br />

stand ich vor den Trümmern der selbstgezimmerten Zweisamkeit. Doch <strong>die</strong>smal sollte<br />

es dicker kommen. Und das, was passierte, bohrte sich mit aller Macht <strong>in</strong> me<strong>in</strong> Herz. Ich<br />

hätte es mir nie träumen lassen, dass ich das Opfer männlicher Gewalt werden könnte.<br />

Grün- und blaugeprügelt lag ich auf me<strong>in</strong>em Sofa und heulte <strong>die</strong> ganze Entwertung der<br />

Vergangenheit und Gegenwart aus mir h<strong>in</strong>aus. Wie konnte das passieren. Dieser Mann<br />

hat mich geliebt? Die Nachbarn haben aus ihren Fenstern zugesehen, bis ich ohnmächtig<br />

auf dem Boden des Hofes lag – und dann erst riefen sie nach dem E<strong>in</strong>schreiten der<br />

Polizei? In mir tobte unsagbare Verletztheit, Entwertung, Ohnmacht und Nichtbegreifen.<br />

Ich machte Bekanntschaft mit der E<strong>in</strong>stellung der Gesellschaft, dass männliche Gewalt<br />

gegen Frauen e<strong>in</strong> „Kavaliersdelikt“ sei – und <strong>die</strong> Schuldige natürlich <strong>die</strong> Frau. Trotz der<br />

<strong>in</strong>neren Zwiespälte und Verzweiflung erstattete ich Anzeige und g<strong>in</strong>g vor Gericht. Dass<br />

mir <strong>die</strong> Richter<strong>in</strong> alle Strafen für e<strong>in</strong>en „Me<strong>in</strong>eid“ androhte, konnte mich nach allem<br />

nicht mehr verwundern. War ich doch Mensch zweiter Klasse und offensichtlich auch<br />

zweiter Rechte. Was mir zu <strong>die</strong>sem Zeitpunkt so große Probleme machte, war das H<strong>in</strong>und<br />

Hergerissense<strong>in</strong> zwischen Liebe und Haß. Heute weiß ich, dass es me<strong>in</strong>e Selbstrettung<br />

war, zum<strong>in</strong>dest den Versuch zu unternehmen, auf me<strong>in</strong>em Wert und auf me<strong>in</strong>er<br />

Würde zu bestehen. Und <strong>die</strong> tiefste Verzweiflung führte mich zu mir zurück.<br />

Zu me<strong>in</strong>em Sose<strong>in</strong>, zu me<strong>in</strong>er Seele.


GEDEMÜTIGT<br />

Nichts wert,<br />

ke<strong>in</strong> Wert,<br />

ke<strong>in</strong>e Sprache,<br />

ke<strong>in</strong>e Gebet.<br />

Getreten.<br />

Ke<strong>in</strong> Gefühl ist genug,<br />

alles verloren,<br />

Werte s<strong>in</strong>d draußen<br />

Ohnmacht und schmerzerfüllt.<br />

Getreten.<br />

Hilflos, voll Angst,<br />

Ke<strong>in</strong> Rückhalt, ke<strong>in</strong> Wehren.<br />

H<strong>in</strong>aufschauen und flehen.<br />

Um Vergebung.<br />

Getreten.<br />

Wehrhaft im Verstand.<br />

Schwach das Gefühl.<br />

H<strong>in</strong>nehmen und erleiden.<br />

Wehren mit Verstand.<br />

Nie mehr getreten.<br />

Auf der Suche nach dem Selbst.<br />

11


12<br />

Schmerz fühlen, Schmerz ausdrücken.<br />

Der tiefempfundene Schmerz durch Fremd- und Selbstentwertung suchte sich e<strong>in</strong> Ventil<br />

<strong>in</strong> Bildern und Texten. Die Seele suchte nach Erleichterung und fand sie im unmittelbaren,<br />

spontanen Ausdruck ihrer Bilder. Und ich sah <strong>die</strong> Bilder me<strong>in</strong>er Seele und lernte<br />

sie zu verstehen. Mitleid mit mir selbst und me<strong>in</strong>em Leben machte mich empfänglich<br />

für mich selbst und half mir, mich furchtlos <strong>in</strong> <strong>die</strong> Tiefen me<strong>in</strong>es Unbewussten h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>zugehen<br />

und alle me<strong>in</strong>e Gefühle und Bedürfnisse als me<strong>in</strong> wahres Sose<strong>in</strong> anzunehmen.<br />

Schuld- und Schamgefühle, Hass und Wut. Verletztheit und Hoffnung, E<strong>in</strong>samkeit und<br />

Selbstverlust, Zweifel und Angst waren nur e<strong>in</strong> Teil der im Schatten liegenden Gefühle.<br />

Und ich erkannte, dass ich nur dann ganz se<strong>in</strong> werde, wenn ich auch me<strong>in</strong>e Schattenseiten<br />

annehme und <strong>die</strong> Bilder, <strong>die</strong> ich auf andere Menschen projiziere, wieder auf mich<br />

selbst zurücknehme.<br />

Und so begann e<strong>in</strong> <strong>in</strong>niger Dialog mit me<strong>in</strong>er Seele. Mit den Wassern und dem Feuer<br />

des Lebens und führte mich zu me<strong>in</strong>en Urgründen zurück. Damit beg<strong>in</strong>nt me<strong>in</strong>e Reise<br />

<strong>in</strong>s Innere, zurück zu mir selbst.<br />

„Der Griff nach den Sternen“ 1810/91 <strong>Lio</strong>


Vom<br />

gesellschaftlichen<br />

Tod.<br />

„Das letzte Taschentuch“ 268/91 <strong>Lio</strong><br />

Menschen, <strong>die</strong> unter e<strong>in</strong>er leichten oder<br />

massiven „Betriebsstörung“ leiden, werden<br />

<strong>in</strong> unserer Gesellschaft sofort ausgegrenzt.<br />

Alles hat perfekt zu funktionieren. Lässt<br />

sich der Ausfall e<strong>in</strong>zelner Funktionen nicht<br />

gleich mit Pillen beheben, tritt der gesellschaftliche<br />

Tod e<strong>in</strong>.<br />

Die aus dem Gleichgewicht gebrachten<br />

Personen wirken auf das künstlich stabil<br />

gehaltene Selbstverständnis der meisten<br />

Mitmenschen äußerst bedrohlich. Die<br />

Angst, das eigene wackelige Selbstbild<br />

könnte <strong>in</strong>s Schleudern kommen und <strong>die</strong><br />

tiefen Abgründe dah<strong>in</strong>ter zum Vorsche<strong>in</strong><br />

br<strong>in</strong>gen, nötigt sie offenbar zum Selbstschutz<br />

und damit zur Abkehr von beunruhigenden<br />

Geschehnissen und Gefühlen.<br />

Es dauert nicht lange und der Hilfe- und<br />

Trostsuchende steht vor versperrten Türen.<br />

Und ist sich selbst überlassen. Gebrandmarkt,<br />

als säße er auf e<strong>in</strong>er Insel der<br />

Leprakranken. Zufall oder Regelfall?<br />

Doch das Zurückgeworfense<strong>in</strong> auf sich<br />

selbst, auf se<strong>in</strong> e<strong>in</strong>sames, erwachsenes Ich<br />

kann jenes Bewusstse<strong>in</strong> wachrufen, dass<br />

Geborgenheit und Sicherheit nur <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

selber gesucht und gefunden werden kann.<br />

Und dass es immer e<strong>in</strong>en Menschen gibt,<br />

auf den wir uns verlassen können –<br />

uns selbst.<br />

13


14<br />

77/91 <strong>Lio</strong><br />

Blockaden<br />

Nicht loslassen und nicht losgelassen werden. Die Starre des Haltens. Nicht verändern.<br />

Bleiben. Stillestehn. Verharren – im Trotz des Unvermögens.<br />

Beh<strong>in</strong>dert durch <strong>die</strong> Beh<strong>in</strong>derungen, <strong>die</strong> nicht freilassen. Die <strong>die</strong> Energie aufstauen –<br />

<strong>die</strong> verzehren und nicht h<strong>in</strong>auskönnen. Die zerstören und nicht kreieren. Ohnmacht,<br />

<strong>die</strong> nicht weicht. Die Weichheit und Verletzlichkeit von E<strong>in</strong>geweiden, <strong>die</strong> begehren –<br />

nach Festigkeit und Starre suchen und bleiben.<br />

Bleiben, um zu bleiben. Um <strong>die</strong> Angst des Flusses nicht zu spüren. Die Starre des<br />

Überichs von anderen. Festgefahren. E<strong>in</strong>gekeilt. Beh<strong>in</strong>dert. Blicklos blockiert.<br />

Blockade.


Verträumt...<br />

Verträumt, verzückt, verzerrt.<br />

Zerschlagene Spiegelbilder me<strong>in</strong>er Gestalt<br />

In der Kürze des Erkennens.<br />

Die tiefe Kluft von Traum und Wirklichkeit.<br />

Der auszehrende Schmerz der Selbsterkenntnis.<br />

Zerstückelte Seele. Projiziertes Se<strong>in</strong> –<br />

Ke<strong>in</strong> eigener Gedanke, ke<strong>in</strong> Weg, ke<strong>in</strong> Bild.<br />

„Blicklos“ 268/91 <strong>Lio</strong><br />

15


16<br />

Selbstwert zwischen Größenwahn und<br />

Depression<br />

Das Selbstverständnis unserer Kultur, unserer Gesellschaft zwischen Grandiosität und<br />

Depression und das eigene Unvermögen, den Selbstwert zu bestimmen, der <strong>die</strong> Veräußerung<br />

<strong>in</strong>nenliegender Möglichkeiten zulässt. Karma des E<strong>in</strong>zelwesens <strong>in</strong> der Masse.<br />

Traum und Vorstellung, <strong>die</strong> auf den Boden der Realität, des Gemachten gerückt werden<br />

muss? Wie aber soll sich jenes Wesen, das sich se<strong>in</strong>er nicht im vollen Umfange<br />

bewusst ist, veräußern.? Woh<strong>in</strong> äußern? Ist Mitteilbarkeit nicht alle<strong>in</strong>e schon e<strong>in</strong>e Illusion?<br />

Wie oft s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> Schranken des Verständnisses so eng an <strong>die</strong> eigenen Hautzellen<br />

gebunden. Nichts geht weiter als der eigene Atem. Nichts ist realer, als der eigene Tod,<br />

und nicht das Leben als Gesamtheit. Wie soll es jemals gel<strong>in</strong>gen, das Gedachte <strong>in</strong> Materie<br />

umzusetzen, wenn der S<strong>in</strong>n im Immateriellen liegt? Ist nicht jedes gesprochene Wort<br />

Versäumnis und Schuld? Und das Nichtgedachte und Nichtgesprochene Lebensaufgabe<br />

und S<strong>in</strong>n?<br />

Selbst-Verständnis. Die anderen überbewertet, sich unterbewertet zu erleben. Unvermögen<br />

auszuatmen und gleichzeitig e<strong>in</strong>e Ganzkörperlähmung hervorzurufen. Körperlich<br />

und geistig. Weil es ke<strong>in</strong>en eigenen Lebensraum gibt? Weil alles nur <strong>in</strong> der Wechselwirkung<br />

mit dem Wirkraum im Außen zusammenfällt. Weil <strong>die</strong> anderen so notwendig<br />

als Projektionsfläche s<strong>in</strong>d? Weil das Selbst beharrlich bleibt und sich gespiegelt sehen<br />

will. Alles <strong>in</strong> Relation setzen will. Sogar das Nichts?<br />

„Mack mit Canabisaugen“ 88/92 <strong>Lio</strong>


Du bist me<strong>in</strong> Selbst für Jahre<br />

Jetzt b<strong>in</strong> ich alle<strong>in</strong>.<br />

Ohne Boden r<strong>in</strong>nt <strong>die</strong> Leere<br />

Durch mich und <strong>die</strong> Zeit.<br />

Ohne Dich e<strong>in</strong> Niemand.<br />

Mit Dir e<strong>in</strong> Nichts.<br />

„E<strong>in</strong>samkeit ohne Selbst“<br />

„Entwurzelt“ 268/91 <strong>Lio</strong><br />

17


18<br />

„Woh<strong>in</strong> tragen?“ 268/91 <strong>Lio</strong>


Wer b<strong>in</strong> ich, woh<strong>in</strong> geh’ ich.<br />

Jede Trennung von e<strong>in</strong>em Menschen bedeutet, dass wir <strong>die</strong> Projektionen, <strong>die</strong> wir auf<br />

den Partner geworfen haben, wieder auf uns selbst zurücknehmen müssen. Für Frauen<br />

und ihr Selbstverständnis bedeutet e<strong>in</strong>e Trennung oft das Gefühl, <strong>in</strong>s Nichts, <strong>in</strong> den<br />

Abgrund vers<strong>in</strong>ken zu müssen. Umso mehr, als sich viele männliche Partner mit den<br />

Worten verabschieden: „Du wirst schon sehen, dass Du ohne mich <strong>in</strong> der Gosse landest.“<br />

Ke<strong>in</strong>e sehr große Aufmunterung, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e ungewisse Zukunft h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>zugehen.<br />

Das Leben war durch konkrete Beziehungen def<strong>in</strong>iert. Zum Partner und zur Umwelt.<br />

Jetzt sche<strong>in</strong>t alles zerbrochen. Und das eigene Leben e<strong>in</strong> Trümmerhaufen.<br />

Die alte Identität geht verloren und <strong>die</strong> neue ist noch nicht gefunden. Und bis sich <strong>die</strong><br />

neue Identität entwickelt hat, gähnt e<strong>in</strong> tiefes Loch im Bewusstse<strong>in</strong>. Angst und Zweifel<br />

begleiten <strong>die</strong>sen zermürbenden Wachstumsprozess. Doch e<strong>in</strong>es Tages blitzt e<strong>in</strong> erster<br />

Hoffnungsfunken durch <strong>die</strong> Nebendecke des negativ verzerrten Selbstbildes.<br />

„268/91“ <strong>Lio</strong><br />

19


20<br />

Aufbruch zu neuen Ufern.<br />

Das re<strong>in</strong>e Beobachten und Benennen. Die Objektklarheit. Die Objekterkenntnis. Ruhe<br />

und Gelassenheit und <strong>die</strong> Wahrheit des eigenen Se<strong>in</strong>s. Die Ichlosigkeit. Der Anfang, <strong>die</strong><br />

Mitte, das Ende. Erkennen, dass alles ENDLICH ist, unbefriedigend und substanzlos.<br />

Sie<br />

Die Verlassenheit ihrer Mutterlosigkeit war im Rücken ihrer großen Anstrengungen zu<br />

erkennen gewesen. Sie hatte sich <strong>die</strong> Liebe der Menschen immer erarbeiten, erleisten<br />

wollen. E<strong>in</strong> endloser Kreislauf s<strong>in</strong>nloser Verletzungen der Seele. Und sie hatte es nicht<br />

erkannt! Die Gewohnheit war stärker als der Schmerz gewesen. Viel stärker als <strong>die</strong> eigenen<br />

Wünsche nach Liebe und Geborgenheit.<br />

Sie hatte <strong>die</strong> „felix culpa“, <strong>die</strong> glückselige Schuld auf sich genommen und konnte glücklich<br />

lachen. Die verkrusteten Gedanken waren aufgebrochen <strong>in</strong> e<strong>in</strong> neues Sehen. Sie<br />

konnte sich plötzlich annehmen. Ihre Schatten an der Wand entlang laufen lassen, ohne<br />

davor <strong>in</strong> <strong>die</strong> Knie zu gehen.<br />

„Der Aufbruch des Helden“ 258/91 <strong>Lio</strong>


Vom Neuen Leben<br />

Absage an <strong>die</strong> Vergangenheit.<br />

Träume und Hoffnung f<strong>in</strong>den.<br />

Neue Gedanken denken.<br />

Selbst nicht mehr <strong>die</strong> se<strong>in</strong>, <strong>die</strong> man war.<br />

Andere Menschen, Gerüche und Töne.<br />

Offen für <strong>die</strong> Gegenwart.<br />

Nicht abgegrenzt nach außen,<br />

Fe<strong>in</strong>fühlig für den Tag.<br />

H<strong>in</strong>e<strong>in</strong>schauen <strong>in</strong> <strong>die</strong> Gefühle,<br />

Und ausleben der Triebe.<br />

Denken an <strong>die</strong> Seiten, <strong>die</strong> nicht waren.<br />

Die se<strong>in</strong> werden im Morgen.<br />

„Selbstentwertung“ 68/91 <strong>Lio</strong><br />

21


22<br />

lied<br />

Hörst Du das Flüstern,<br />

Hörst Du sie schlagen,<br />

Hörst Du sie richten und verklagen<br />

Hörst Du sie streiten,<br />

Hörst Du sie?<br />

Hörst Du sie werben,<br />

hörst Du sie lügen,<br />

hörst Du sie fordern und fordern<br />

hörst Du sie flöten,<br />

hörst Du sie?<br />

Hörst Du sie alle,<br />

hörst Du <strong>die</strong> andern,<br />

hörst Du auf sie und <strong>die</strong> andern,<br />

hörst Du auf Dich<br />

hörst Du Dich?<br />

„Der Krenn ist unverfehlbar, sagt der heilige Geist“ 1110/92 <strong>Lio</strong>


„Zum Licht“ 268/91 <strong>Lio</strong><br />

23


24<br />

„Hero“ 188/91 <strong>Lio</strong>


Schritt für Schritt zu neuen Ufern<br />

Es ist Zeit zu gehen, sagen manche und me<strong>in</strong>en doch nur, dass sie auf der gleichen<br />

Stelle treten. Und andere gehen, ohne vorher zu wissen, woh<strong>in</strong>. Ich bleibe, weil ich noch<br />

nicht weiß, woh<strong>in</strong> ich gehen werde. Es s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> Träume und Wünsche, <strong>die</strong> mich auf<br />

me<strong>in</strong>em Weg begleiten.<br />

E<strong>in</strong>gefleischte Yogis wissen um den Wert der Gedankenkontrolle. In tiefer Meditation<br />

soll <strong>die</strong> Gedankenleere, das Nichts erreicht werden – als höchstes Ziel. Wie schön wäre<br />

es, Zwangsgedanken e<strong>in</strong>fach abstellen zu können wie e<strong>in</strong> Radio. E<strong>in</strong> anderes Programm<br />

zu wählen, wenn der Inhalt nicht den eigenen Vorstellungen entspricht.<br />

Und tatsächlich. Wir alle haben <strong>die</strong> Fähigkeit, unsere Gedanken zu erkennen und zu<br />

kontrollieren. Wahrsche<strong>in</strong>lich nie alle (und es sollen pro Tag doch immerh<strong>in</strong> 15.000<br />

Gedanken se<strong>in</strong>).<br />

Gedankenkontrolle durch Achtsamkeit, <strong>die</strong> Kraft der <strong>in</strong>neren Vorstellung, Selbstsuggestion<br />

und positives Denken wird zwar nicht <strong>in</strong> der Schule gelehrt, aber wir haben<br />

alle <strong>die</strong> Möglichkeit zu erkennen, dass wir Kraft unserer Gedanken das s<strong>in</strong>d, was wir<br />

s<strong>in</strong>d. Die fernöstliche Kultur sagt sogar: „Alles was ist, ist verdichteter Geist“.<br />

Die Selbstheilung der Seele f<strong>in</strong>det ihren Helfer <strong>in</strong> den heilenden Gedanken. Das<br />

Bewusstwerden e<strong>in</strong>es neuen, kraftvollen und harmonischen Weltbildes führt zur Entfaltung<br />

e<strong>in</strong>er „neuen“ Persönlichkeit.<br />

„Agua“ 128/91 <strong>Lio</strong><br />

25


26<br />

„Geborgenheit geben“ 169/91 <strong>Lio</strong>


„Pars pro toto“ 58/91 <strong>Lio</strong><br />

27


28<br />

Sicherheit und Geborgenheit<br />

<strong>in</strong> der eigenen Mitte.<br />

„Erst das schmerzhafte Erlebnis und <strong>die</strong> Annahme der eigenen Wahrheit macht uns<br />

von der Hoffnung frei, doch noch <strong>die</strong> verstehende, emphatische Mutter zu f<strong>in</strong>den“,<br />

schreibt Alice Miller im Buch: „Das Drama des begabten K<strong>in</strong>des.“<br />

Und sie me<strong>in</strong>t weiter: „Eigentlich ist <strong>die</strong> Grandiosität <strong>die</strong> Abwehr gegen <strong>die</strong> Depression<br />

und <strong>die</strong> Depression <strong>die</strong> Abwehr des tiefen Schmerzes über den Selbstverlust.“<br />

In e<strong>in</strong>em Zeitalter der Grandiosität und der Depression verfallen wir nur zu leicht dem<br />

Glauben, dass wir durch e<strong>in</strong>e symbiotische Paarbeziehung <strong>die</strong> Trennung von der Mutter<br />

wiedergutmachen können. Doch das ist e<strong>in</strong>e Illusion. Und viele <strong>die</strong>ser „suchtartigen“<br />

Bemühungen zerplatzen wie e<strong>in</strong>e Seifenblase. Und wieder stehen wir alle<strong>in</strong>e mit unserem<br />

e<strong>in</strong>samen Selbst.<br />

Doch wenn wir e<strong>in</strong>mal erkannt haben, dass wir alle<strong>in</strong>e auf <strong>die</strong> Welt gekommen s<strong>in</strong>d –<br />

und sie alle<strong>in</strong>e wieder verlassen werden – lohnt es sich da nicht, zu den eigenen Wurzeln<br />

zurückzukehren und uns selbst <strong>die</strong> Sicherheit und Geborgenheit zu vermitteln, <strong>die</strong> wir<br />

benötigen. Maßgeschneidert?<br />

„H<strong>in</strong>ausstreben“ 149/91 <strong>Lio</strong>


„Ich glaub’ das war ich nicht...“<br />

Verrat und Betrug an mir selber,<br />

wann war ich schon so pervers,<br />

mich zu quälen und zu foltern<br />

mit der Norm.<br />

Die Eigenart anzupassen,<br />

an <strong>die</strong> e<strong>in</strong>zig gültige Form.<br />

Heuchel und Lüge tragen <strong>die</strong> Züge,<br />

<strong>die</strong> mir raten mit dem Strom –<br />

<strong>in</strong>nig verschlungen dah<strong>in</strong>zutreiben,<br />

me<strong>in</strong>e Kraft abzulegen<br />

und den philosophischen Kram.<br />

In schleimige Watte packen sie me<strong>in</strong>e Gefühle,<br />

ihre gierigen Fratzen fangen me<strong>in</strong>e Seele –<br />

h<strong>in</strong>ter den goldenen Stäben bleibt ihr Leben<br />

auf der Strecke, für Neid und Geld.<br />

„<strong>Lio</strong>“ 149/91 <strong>Lio</strong><br />

„Endgültige Abkehr“ 149/91 <strong>Lio</strong><br />

29


30<br />

„Der Mittelpunkt der Welt“ 267/92 <strong>Lio</strong>


Die eigenen<br />

Maßstäbe.<br />

Den eigenen Wert<br />

f<strong>in</strong>den.<br />

Jede Frau verdankt <strong>die</strong> Erweiterung des<br />

Frauenbildes den unermüdlichen Vorkämpfer<strong>in</strong>nen<br />

für <strong>die</strong> Gleichberechtigung sowohl<br />

im gesellschaftlichen als auch im privaten<br />

S<strong>in</strong>ne.<br />

Mögen viele Frauen auch heute noch <strong>die</strong><br />

Nase über <strong>die</strong> Fem<strong>in</strong>ist<strong>in</strong>nen rümpfen, profitiert<br />

haben sie dennoch von deren Arbeit.<br />

Es ist noch nicht e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong> Jahrhundert<br />

her, als <strong>die</strong> Frauen sich mühsam den Weg<br />

<strong>in</strong> <strong>die</strong> Universitäten erkämpften. Im alten<br />

Griechenland jedoch gab es <strong>in</strong> der vorchristlichen<br />

Zeit hochangesehene Philosoph<strong>in</strong>nen.<br />

Wie <strong>die</strong> von Frauen „richtiggestellte“ Geschichte<br />

zeigt, gab es vor dem Patriarchat<br />

e<strong>in</strong> Matriarchat – <strong>in</strong> dem <strong>die</strong> Würde und<br />

Bedeutung der Frau unsere heutigen Vor-<br />

stellungen weit <strong>in</strong> den Schatten gestellt hat.<br />

Doch zu me<strong>in</strong>er Zeit wurde im Geschichtsunterricht<br />

ke<strong>in</strong> Wort davon erwähnt.<br />

Kaum anzunehmen, dass sich an den Lehrplänen<br />

so viel geändert hat. Und so glaube<br />

ich, dass ke<strong>in</strong>e Frau an dem Studium ihrer<br />

eigenen Geschichte vorbeikommt, will sie<br />

ihr Dase<strong>in</strong> als Frau def<strong>in</strong>ieren und ihrer<br />

Möglichkeiten e<strong>in</strong>es erfüllten Lebens nicht<br />

von den Maßstäben unserer patriarchalen<br />

Gesellschaft abhängig machen.<br />

Den „männlichen“ Maßstäben zu folgen<br />

würde für <strong>die</strong> Frau bedeuten, ihre Eigenständigkeit<br />

mit „Geschlechtslosigkeit“ zu<br />

bezahlen.<br />

In Verb<strong>in</strong>dung mit e<strong>in</strong>em Macho-Mann<br />

hätte sie dann Teilhabe an se<strong>in</strong>er Macht.<br />

Der Easy-Rider sorgt für ihre Teilhabe an<br />

der Welt männlicher Abenteuer – und der<br />

Besitzergreifende sorgt für Fürsorge und<br />

Kontrolle, bis zur Gefangenschaft.<br />

Doch wir Frauen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> der Lage, unsere<br />

eigenen Wertmaßstäbe zu f<strong>in</strong>den und unsere<br />

schöpferische Kreativität nach eigenem<br />

Gutdünken zu entfalten. Im Bewusstse<strong>in</strong>,<br />

dass wir so geme<strong>in</strong>t s<strong>in</strong>d, wie wir s<strong>in</strong>d.<br />

„E<strong>in</strong>gesperrte Kraft“ 149/91 <strong>Lio</strong><br />

31


32<br />

„Re<strong>in</strong>karnation im Pendel“ 3110/91 <strong>Lio</strong>


„Zweifel opfern“ 261/92 <strong>Lio</strong><br />

Frauenbild.<br />

Männerbild.<br />

Die Emanzipation der Geschlechter, e<strong>in</strong><br />

Wirrwarr an Polarisierungen und Abgrenzungen.<br />

Auf der Suche nach dem neuen<br />

Verständnis der Geschlechter, den Begriffen<br />

Männlichkeit und Weiblichkeit, aktivpassiv<br />

etc. fand ich mich <strong>in</strong> me<strong>in</strong>er Zweigeschlechtlichkeit<br />

wieder. Mit männlichen<br />

und weiblichen Hormonen, mit me<strong>in</strong>er<br />

passiven und aktiven Seite, mit der ich mich<br />

im Leben bewegte. Und im „neuen“ Mann<br />

stieß ich auf das Vorhandense<strong>in</strong> „weiblicher“<br />

Gefühlskomponenten.<br />

Die Suche nach der<br />

<strong>in</strong>neren Frau, dem<br />

<strong>in</strong>neren Mann.<br />

Mit zunehmender Selbsterkenntnis sah ich,<br />

wie „patriarchal“ sich me<strong>in</strong> <strong>in</strong>nerer Mann<br />

verhielt. Wie sehr me<strong>in</strong>e <strong>in</strong>nere Frau von<br />

den eigenen Entwertungen geh<strong>in</strong>dert wurde,<br />

sich <strong>in</strong> ihrem ganzen Reichtum „weiblicher“<br />

Facetten zu entfalten. Und ich begriff,<br />

dass es ke<strong>in</strong>en S<strong>in</strong>n hatte, <strong>die</strong> eigenen<br />

Entwertungen auf den „Fe<strong>in</strong>d Mann“ zu<br />

projizieren.<br />

Wieder e<strong>in</strong>mal war ich zurückgeworfen auf<br />

mich selbst und me<strong>in</strong>e Seele. Schritt für<br />

Schritt schälte ich me<strong>in</strong>e Fähigkeiten, Gefühle<br />

und Bedürfnisse h<strong>in</strong>ter den Verkleidungen<br />

heraus.<br />

„Selbstf<strong>in</strong>dung“ 54/92 <strong>Lio</strong><br />

33


34<br />

„<strong>Lio</strong> Hero de la Luna“ 92/93 <strong>Lio</strong>


Innere Frau<br />

und<br />

<strong>in</strong>nerer Mann<br />

schließen e<strong>in</strong><br />

Bündnis mit dem<br />

Mond.<br />

Die Mythologie birgt wahre Schätze für <strong>die</strong><br />

Selbstsuche der Frauen. TIAMAT, das personifizierte<br />

Salzwassermeer, als Urmutter<br />

des Alls und der Gottheiten verehrt – und<br />

wir Menschen, <strong>die</strong> das Salzwasser <strong>in</strong> sich<br />

tragen.<br />

Das Meer als Mutter des Lebens.<br />

Der Mond als Symbol des Lebens, eng verknüpft<br />

mit dem weiblichen Zyklus und den<br />

neun Mondzyklen e<strong>in</strong>er Schwangerschaft.<br />

So war der Mondkalender der erste Kalender<br />

der Menschheit.<br />

Dem weiblichen Pr<strong>in</strong>zip zugeordnet, als<br />

Symbol der Fruchtbarkeit, des<br />

Unbewussten, der fruchtbaren Passivität<br />

und der Empfänglichkeit. Als Ixchel<br />

(Mondgött<strong>in</strong> der Maya) verehrt als Gött<strong>in</strong><br />

der Wasserfluten und des Regenbogens.<br />

Die Sonne, als SOL (römischer Sonnengott)<br />

dem Mond als Bruder beigesellt, als<br />

Verkörperung des Lichtes und der<br />

Bewusstheit, erhalten <strong>die</strong> eignen<br />

Persönlichkeitsanteile ihre <strong>in</strong>newohnende<br />

Bedeutung.<br />

Der Mond ist vergleichbar der <strong>in</strong>neren<br />

Stimme, oft auch als Intuition bezeichnet,<br />

<strong>die</strong> Sonne als handelnde Energie im Au-<br />

„Kampf“ 123/92 <strong>Lio</strong><br />

ßen. Die harmonische Integration unserer<br />

Anteile macht uns ganz und gibt uns <strong>die</strong><br />

Möglichkeit, unseren <strong>in</strong>neren Reichtum<br />

immer besser <strong>in</strong> der Außenwelt sichtbar<br />

werden zu lassen.<br />

„Me<strong>in</strong>e Vorstellung“ 287/92 <strong>Lio</strong><br />

35


36<br />

„Alles loslassen, was niederdrückt<br />

und abhängig macht“ 72/92 <strong>Lio</strong><br />

Sie (Text)<br />

In der <strong>in</strong>neren Sicherheit und im Bewusstse<strong>in</strong>,<br />

nie alle<strong>in</strong> zu se<strong>in</strong>, sondern immer<br />

geborgen <strong>in</strong> allem, verliert sie ihre<br />

selbstbezogenen Ängste, <strong>die</strong> aus der E<strong>in</strong>stellung<br />

kamen, etwas erreichen zu müssen.<br />

Sie hat alles losgelassen, was sie <strong>in</strong> den<br />

Fesseln überkommener Werte und Erwartungen<br />

ankerte und fließt ganz frei im<br />

Energiefluss des Kosmos, des Alls, dem<br />

warmen und salzigen Wasser von Tiamat.<br />

Mit ihr und <strong>in</strong> ihr suhlt sie ihre Seele, befreit<br />

sie ihren Geist und ihr Herz von alten<br />

Gefühlen und Wünschen. Von überflüssigen<br />

Gedanken und Zielen. Es ist wie e<strong>in</strong>e<br />

Generalüberholung, sich selbst PUR neu<br />

zu f<strong>in</strong>den. Und <strong>in</strong> <strong>die</strong>ser kargen, puren Ersche<strong>in</strong>ung<br />

spiegelt sich doch <strong>die</strong> Vielfalt<br />

und Farbigkeit wie schillernder Glimmer,<br />

<strong>in</strong> dem sich das Sonnenlicht bricht und <strong>die</strong><br />

Regenbogen zeichnet.<br />

Ihr Auge ruht liebevoll auf ihrem Sose<strong>in</strong>.<br />

Ruhe und Zuversicht br<strong>in</strong>gen <strong>die</strong> verschütteten<br />

Kräfte zum Vorsche<strong>in</strong>. Die Wiedergeburt<br />

e<strong>in</strong>er neuen Identität auf Zeit – bis<br />

neue Wachstumsängste den Prozess wiederholen<br />

werden und alte Kleider <strong>in</strong> <strong>die</strong><br />

Truhe am Dachboden wandern, nicht ohne<br />

sie vorher sorgfältig e<strong>in</strong>zumotten.<br />

Doch sie wird nichts mitnehmen und nichts<br />

dalassen. Alles, was ihr Leben ausmachte,<br />

wird sie immer mit sich tragen. Und ke<strong>in</strong><br />

menschliches Auge wird je alles davon zu<br />

sehen bekommen. Wie Momentaufnahmen<br />

durch e<strong>in</strong> Fischauge, wie der Klang der<br />

Glocken, der <strong>die</strong> Abendstunde e<strong>in</strong>läutet –<br />

so vergänglich und doch prägnant scheidet<br />

alles aus dem Weltgeschehen. Um <strong>in</strong> veränderter<br />

Gestalt wiederzukehren und dort<br />

weiterzumachen, wo sie zuletzt aufgehört<br />

hatte, ihren Weg immer besser zu gehen<br />

und ihre Aufgaben zu lösen. Und damit zu<br />

erlösen.<br />

Die E<strong>in</strong>zigartigkeit des Se<strong>in</strong>s – <strong>die</strong> abgegrenzte<br />

Sose<strong>in</strong>sfähigkeit. Fasz<strong>in</strong>ierend und<br />

belebend. Und sie baut sich ihr Leben wie<br />

e<strong>in</strong>e große Baumeister<strong>in</strong>. Sie bestimmt <strong>die</strong><br />

Höhe, <strong>die</strong> Breite, <strong>die</strong> Gestalt des Sose<strong>in</strong>s.<br />

Und mit jedem erfüllten Augenblick erfüllt<br />

sich ihr Leben, ihr Dase<strong>in</strong>. Unendlichkeit<br />

und Endlichkeit. Ewigkeit und Zeitlichkeit.<br />

Harmonisch vere<strong>in</strong>t.


„Teil von Allem“ 219/92 <strong>Lio</strong><br />

37


38<br />

Die Energie hängt davon<br />

ab, wie und was<br />

wir denken.<br />

Wenn Frauen sagen: „Ich mag’ Frauen<br />

nicht, ich traue ihnen nicht“, dann sagen<br />

sie im Grunde „Ich kann mich selbst nicht<br />

leiden. Ich lehne alles Weibliche ab.“ Das<br />

beschreibt Anne Wilson Schaef sehr<br />

e<strong>in</strong>drücklich im Kapitel: Die Ursünde: E<strong>in</strong>e<br />

Frau zu se<strong>in</strong>. (<strong>in</strong>: Weibliche Wirklichkeit, S<br />

34.)<br />

Unsere gesellschaftlichen Werte s<strong>in</strong>d von<br />

Männern gesetzt. Das weibliche Sose<strong>in</strong> ist<br />

<strong>in</strong> <strong>die</strong>sem System ständigen Entwertungen<br />

ausgesetzt. Die eigenen Wahrnehmungen<br />

und Fähigkeiten werden nur allzu oft mit<br />

dem Satz: „Du hast ke<strong>in</strong>e Ahnung von der<br />

Realität“ im Keim erstickt. Der Urmythos<br />

vom Gottse<strong>in</strong> des weißen Mannes, gepaart<br />

mit dem Mythos, dass es möglich ist, absolut<br />

logisch, rational und objektiv zu se<strong>in</strong> –<br />

und damit „göttlich“.<br />

„Kampf und Sieg gegen Patriarchen“281/92<br />

Das männliche System me<strong>in</strong>t, es könnte<br />

über <strong>die</strong> „Angemessenheit von Gefühlen,<br />

von Lebendigkeit, von Lust und Freude“<br />

bestimmen. Sie als richtig oder falsch abqualifizieren.<br />

Die weibliche Identität macht sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

ersten Entwicklungsphase fast immer von<br />

e<strong>in</strong>er Primärbeziehung zu e<strong>in</strong>em Partner<br />

abhängig. Doch kaum <strong>in</strong>tegriert sich <strong>die</strong><br />

Frau <strong>in</strong> das männliche System, erkennt sie<br />

irgendwann, dass das nicht alles se<strong>in</strong> kann.<br />

Und beg<strong>in</strong>nt mit der Suche nach dem<br />

„Weiblichen System“.<br />

Das Bewusstse<strong>in</strong>, dass wir Frauen uns<br />

selbst von der „Erbsünde“ befreien können,<br />

<strong>in</strong>dem wir <strong>die</strong> Beziehung zu unserem<br />

eigenen Ich aufnehmen, befreit uns für e<strong>in</strong><br />

lebendiges Wachstum unseres Selbst. A.W.<br />

Schaef (o.A. S 117) sagt dazu: „E<strong>in</strong>e Frau,<br />

<strong>die</strong> zum Weiblichen System zurückgefunden<br />

hat, sieht das Wesentliche des Lebens


„Kollektive Träne“ 47/92 <strong>Lio</strong><br />

<strong>in</strong> ihren Beziehungen – allerd<strong>in</strong>gs nicht <strong>in</strong><br />

Beziehungen, <strong>die</strong> nur def<strong>in</strong>ieren und bewerten,<br />

sondern <strong>in</strong> wachsenden, nährenden<br />

Beziehungen: mit dem Ich, mit der<br />

Arbeit, mit den anderen und dem Universum.“<br />

Das s<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong>e Beziehungen, <strong>die</strong> fe<strong>in</strong> säuberlich<br />

kategorisiert und fix und fertig abgepackt<br />

s<strong>in</strong>d, sondern Beziehungen, <strong>die</strong><br />

sich ständig entwickeln und verändern.<br />

Beziehungen im Wandel.<br />

Männer brauchen ihren Penis oder <strong>die</strong> Verlängerung<br />

ihres Gliedes als Waffe oder<br />

Faust. Sie brauchen den für Frauen<br />

unnotwendigen täglichen Kampf des<br />

„Kräftemessens“, weil sie nicht LEBEN <strong>in</strong><br />

sich tragen und weitertragen können. Ihr<br />

ganzes Dase<strong>in</strong> ist darauf abgestellt, s<strong>in</strong>nlose<br />

Verrichtungen um Macht und Geld zu<br />

tun, <strong>die</strong> ke<strong>in</strong>erlei E<strong>in</strong>druck auf <strong>die</strong> Essenz<br />

des Lebens machen:<br />

NEUES LEBEN ZUM LEBEN<br />

ZU ERWECKEN.<br />

„Schuld, Versäumnisse“ 47/92 <strong>Lio</strong><br />

Ihre Aufgabe ist es, den Samen zu produzieren<br />

und e<strong>in</strong>er Frau zu geben, <strong>die</strong> damit<br />

neues Leben aus sich herausbr<strong>in</strong>gen kann.<br />

Wie sehr verblassen hier alle Produkte und<br />

Erzeugnisse, Kunstwerke aus Glas oder<br />

Stahl - EIN LEBEWESEN. Blutgefüllte<br />

Adern, e<strong>in</strong>em Alchimisten gleich aus e<strong>in</strong>em<br />

Leib herausgetreten. Aus dem Nichts des<br />

Unverständnisses e<strong>in</strong>es Mannes, der es<br />

nicht ertragen kann, dass e<strong>in</strong>e Frau das<br />

schafft, was er mit aller Macht, mit allem<br />

Geld nicht schaffen kann –<br />

ETWAS LEBENDIGES.<br />

Sosehr hat <strong>die</strong> patriarchale Macht danach<br />

gestrebt, Frauen <strong>in</strong> <strong>die</strong> unmündige, rechtlose<br />

Ecke des Lebens zu drängen – obwohl<br />

nichts so wichtig ist, als nur zu LEBEN.<br />

Lebt Macht für sich? Lebt Geld für sich?<br />

Leben alle Konventionen und Intoleranz<br />

für sich? Um wie viel lebendiger s<strong>in</strong>d da<br />

Gefühle, Fleisch und Blut oder Gedanken<br />

der Menschlichkeit, des Überlebens, der<br />

Sehnsucht nach Harmonie und Frieden.<br />

39


40<br />

TRÄNEN<br />

E<strong>in</strong>e Träne fällt zu Boden.<br />

Laß’ sie auf <strong>die</strong> Erde fallen.<br />

Sie sehnt sich nach dem Fall.<br />

Laß’ sie nicht nach <strong>in</strong>nen.<br />

In das ungewisse Dunkel.<br />

Wo sie ausweglos gefangen ist.<br />

Die Tränen sehnen sich nach Erde.<br />

Es müssen noch viele Tränen fallen.<br />

Auf <strong>die</strong>ser Erde.<br />

„Verteidigen“ 178/91 <strong>Lio</strong><br />

FROST<br />

Frost <strong>in</strong> den Händen<br />

Frost <strong>in</strong> den Schultern<br />

Frost <strong>in</strong> den Augen<br />

Frost <strong>in</strong> den Zehen<br />

Frost im Mund<br />

Frost<br />

Ich fröstle vor De<strong>in</strong>er Froschnatur


„Sanfte Befreiung von Schatten“ 128/92 <strong>Lio</strong><br />

DIE MASKE<br />

FLETSCHT DIE<br />

ZÄHNE<br />

E<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Traumwelt<br />

Mit vielen Wachsgesichtern<br />

Und hohlen Augen<br />

E<strong>in</strong>e Welt der Gnome<br />

Mit schrillen Lachern<br />

Und kranken Herzen<br />

E<strong>in</strong> Platz für Tiefkühlleichen<br />

Mit starren Händen<br />

Und verätzter Zunge<br />

41


„Neue Aspekte“ 207/92 <strong>Lio</strong><br />

Objekt Objekt F FFrau.<br />

F rau.<br />

Trostlose Statistiken 1 beschreiben <strong>die</strong> Welt der Frauen nur unvollständig. 84 Millionen<br />

Frauen wurden 1982 genital verstümmelt. Durch Exzision (Herausschneiden<br />

der Klitroris und der ganzen oder Teile der kle<strong>in</strong>en Schamlippen) und durch<br />

Infibulation (Herausschneiden der Klitoris, der kle<strong>in</strong>en und Teile der großen Schamlippen,<br />

Zusammennähen des größten Teils der Vulva).<br />

[1997 s<strong>in</strong>d es rund 130 Millionen Frauen und Mädchen weltweit, <strong>die</strong> an den<br />

Genitalien verstümmelt s<strong>in</strong>d]<br />

Männer-Me<strong>die</strong>n wie der Playboy verbreiten Männerphantasien <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Auflage<br />

von 15 Mio. Stück (<strong>in</strong>ternational) 2 , <strong>die</strong> größte traditionelle Frauenzeitschrift „Family<br />

Circle“ (USA, Auflage 3 7,1 Mio. Stück) verkauft <strong>die</strong> Frau als gläubiges Verbraucherschaf<br />

für Modetrends, Schönheitsideale und Kosmetik<strong>in</strong>dustrie.<br />

Schönheitsvergleiche <strong>die</strong>nen dazu, Frauen zu erhöhen und zu degra<strong>die</strong>ren und<br />

auch, um von der Realität abzulenken. H<strong>in</strong>ter der Fassade der Unterhaltung verbirgt<br />

sich be<strong>in</strong>hartes Geschäft. Die Umsätze der Kosmetik<strong>in</strong>dustrie (z.B. Procter &<br />

Gamble, USA, 1994 8,7 Mrd. US Dollar) und steigende Nachfrage nach Schönheitsoperationen<br />

zeigen <strong>die</strong>sen Trend zum Körper nach Maß.


Internationaler Frauenhandel, weltweiter Sextourismus durch organisierte Sexreisen<br />

für Männer, <strong>die</strong> steigende Zahl der Sexualverbrechen und <strong>die</strong> zunehmende Gewalt<br />

gegen Frauen und K<strong>in</strong>der zeigen <strong>die</strong> traurige Situation des Subjektes Frau im<br />

be<strong>in</strong>harten Objekt- und Konsumismus-Denken des Patriarchats.<br />

1 Der Frauenatlas: Fischer. Herausgegeben von Joni Saeger, Ann Olson. 1987 und 1998.<br />

2<br />

Playboy is the world’s best-sell<strong>in</strong>g men’s magaz<strong>in</strong>e. Almost 10 million American adults read Playboy every<br />

month, and the magaz<strong>in</strong>e’s U.S. total paid circulation of 3.15 million is larger than that of Esquire, GQ, and<br />

Roll<strong>in</strong>g Stone comb<strong>in</strong>ed. Additionally, an estimated 5 million adults read the 17 <strong>in</strong>ternational editions of the<br />

magaz<strong>in</strong>e, br<strong>in</strong>g<strong>in</strong>g Playboy’s global readership to almost 15 million.<br />

http://www.playboyenterprises.com/fact_sheet/<strong>in</strong>dex.html, 15.11.01<br />

3<br />

Titel: Family Circle<br />

Land: USA<br />

Gründungsjahr: 1932<br />

Verkaufte Auflage: 5.002.906 (2000)<br />

Ersche<strong>in</strong>ungsweise: 17x jährlich<br />

ttp://www.guj.de/<strong>in</strong>tern/unternehmen/<strong>in</strong>dex.html<br />

„Selbst tragen“ 148/92 <strong>Lio</strong>


44<br />

„Mit abgegrenztem Selbst zusammenleben“<br />

294/92 <strong>Lio</strong><br />

Weibliche eibliche Sexualität.<br />

Sexualität.<br />

Die Die Quelle Quelle der<br />

der<br />

L LLebendigkeit.<br />

L ebendigkeit.<br />

Frauen haben es auch heute noch nicht<br />

leicht, ihre eigene Sexualität mit eigenen<br />

Augen zu sehen. Die allgegenwärtige<br />

Darstellung der Frau als Sexualobjekt<br />

ist h<strong>in</strong>länglich bekannt – doch wie<br />

sieht das „SEXUAL-SUBJEKT FRAU“ aus?<br />

Im Weiblichen System ist Sex wichtig,<br />

beglückend – aber Sex wird nicht zur<br />

Def<strong>in</strong>ition der Welt, der Menschen, der<br />

Beziehungen benutzt.<br />

Frauen sehen ihre Sexualität meist als<br />

Aspekt ihrer Liebe. Intimität möchte <strong>die</strong><br />

Frau über das Gespräch, der Mann fasst<br />

ausschließlich über <strong>die</strong> körperliche Nähe<br />

herstellen.<br />

In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts<br />

dämonisierte <strong>die</strong> katholische Kirche <strong>die</strong><br />

weibliche Sexualität, <strong>die</strong> bis dah<strong>in</strong> <strong>in</strong> den<br />

matriarchalen Vorstellungen mit<br />

Fruchtbarkeitsriten zelebriert wurde.<br />

Und noch heute wird <strong>die</strong> Frau zwischen<br />

Jungfrau, Hexe und Hure gehandelt.<br />

Daran hat <strong>die</strong> sexuelle Befreiung nichts<br />

geändert. Sie hat höchstens dem Suchtcharakter<br />

der Gesellschaft <strong>in</strong> <strong>die</strong> Hand<br />

gearbeitet.<br />

Unsere Gesellschaft präsentiert sich als<br />

„Sucht-Gesellschaft“, wo alles, was auch<br />

lebenserhaltend ist, wie Essen, Tr<strong>in</strong>ken,<br />

Arbeit, Sex als „Kick“ benützt wird. Und<br />

so ist es nicht verwunderlich, dass immer<br />

mehr Menschen erkennen, dass sie<br />

Sexsüchtige, Romanzensüchtige oder<br />

Beziehungssüchtige s<strong>in</strong>d. 1<br />

Auch <strong>die</strong> Frage unserer Sexualität können<br />

wir Frauen nur durch <strong>die</strong> Echtheit<br />

unserer Gefühle und Bedürfnisse beantworten<br />

– doch dazu müssen wir viele<br />

Fremdbewertungen und Normen zurücklassen<br />

und <strong>die</strong> eigenen Maßstäbe wiederf<strong>in</strong>den.<br />

1 Anne Wilson Schaef: „Gesellschaft als<br />

Suchtgesellschaft“


„Begehren“ 187/92 <strong>Lio</strong><br />

Zarte Hände und unendliche Zärtlichkeit<br />

me<strong>in</strong>em Geschlecht gegenüber. Es erblüht<br />

wie e<strong>in</strong>e Rose unter De<strong>in</strong>en Lippen. S<strong>in</strong>nlichkeit<br />

im Austausch. Nicht <strong>die</strong> direkte, <strong>die</strong><br />

unnachgiebige Vere<strong>in</strong>igung von Gliedern.<br />

Geistig und seelisch getragenes Verschmelzen<br />

der Energien. Mit Dir erfahre ich das,<br />

was auf der körperlichen Ebene Offenheit<br />

und Liebe ist. Und erlebe me<strong>in</strong>e Fülle <strong>in</strong><br />

den rosigen Zwischentönen mitmenschlichen<br />

Austausches. Ich danke Dir für De<strong>in</strong>e<br />

Zartheit, für De<strong>in</strong>e Nähe. Es ist, als würden<br />

Farben auf feuchtem Papier zusammenfließen<br />

<strong>in</strong> <strong>die</strong> Harmonie e<strong>in</strong>es E<strong>in</strong>sse<strong>in</strong>s.<br />

Als würde De<strong>in</strong> Rosa sich mit me<strong>in</strong>em<br />

Blau zu e<strong>in</strong>em Violett ergänzen. Als<br />

wäre <strong>die</strong> Liebe geistige Wesenheit.<br />

Ich falle, ich falle <strong>in</strong> Dich und De<strong>in</strong>e Hände.<br />

Ich falle <strong>in</strong> <strong>die</strong> Tiefe De<strong>in</strong>es Körpers,<br />

<strong>in</strong> me<strong>in</strong>e bodenlosen Gefühle und ich kann<br />

den Fall nicht bremsen. Unendliche Traurigkeit<br />

und gleichzeitig glühende Hitze umgibt<br />

mich, wenn me<strong>in</strong> Körper <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem<br />

schwerelosen Zustand tanzt.<br />

SIE<br />

Als er sie fragte, ob er ihre Hände halten<br />

dürfe, hatte sie gewusst, dass es genau das<br />

war, was sie von ihm wollte. Sie wusste, dass<br />

das nicht e<strong>in</strong>e oberflächliche Geste war,<br />

sondern das E<strong>in</strong>gehen e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>neren Verb<strong>in</strong>dung.<br />

Sie sehnte sich sosehr danach,<br />

se<strong>in</strong>e weichen Lippen auf ihrem Mund zu<br />

spüren und se<strong>in</strong>e konzentrierte Potenz <strong>in</strong><br />

sich e<strong>in</strong>zusaugen.<br />

Sie war für <strong>die</strong>se Kraft, <strong>die</strong> ihre Eigendynamik<br />

aus der eigenen Mitte bezog. Sie<br />

spürte <strong>die</strong> Zähne der Leidenschaft <strong>in</strong> ihrem<br />

Fleisch. Das starke, strahlende Feld des<br />

Chrysopras <strong>in</strong> ihren Händen. Fast schmerzhaftes<br />

Treiben <strong>in</strong> Trieben. Das Berühren<br />

über <strong>die</strong> äußeren S<strong>in</strong>ne und <strong>die</strong> Begegnung<br />

<strong>in</strong> Gedanken – nicht sosehr <strong>in</strong> der Wärme<br />

von Haut und Haar.<br />

***<br />

Ich möchte De<strong>in</strong>e König<strong>in</strong>, De<strong>in</strong>e Gött<strong>in</strong>,<br />

De<strong>in</strong>e Geliebte se<strong>in</strong>. Dich <strong>in</strong> <strong>die</strong> Arme nehmen<br />

und <strong>in</strong> me<strong>in</strong>e Liebe hüllen. Dir Flügel<br />

wachsen lassen, dass Du Dich stolz wie der<br />

Adler <strong>in</strong> <strong>die</strong> Lüfte schw<strong>in</strong>gen kannst. Du<br />

sollst Dich frei und mächtig fühlen, wie e<strong>in</strong><br />

Löwe. Es wäre schlimm glauben zu müssen,<br />

dass Liebe Illusion ist. Auch wenn es<br />

lebendige Gefühle s<strong>in</strong>d. Me<strong>in</strong>etwegen<br />

unbewusst wahrgenommene Geruchsstoffe,<br />

Phernome.<br />

E<strong>in</strong>e Formel drückt nicht <strong>die</strong> äußerste<br />

Offenheit aus, <strong>die</strong> Liebe zulässt. Und dann<br />

45


46<br />

geht es wohl darum, offen zu se<strong>in</strong> und den<br />

Zustand der äußersten Verschlossenheit,<br />

den Hass nicht zuzulassen. Dann würde ich<br />

mir wünschen, <strong>die</strong>sen äußersten Grad von<br />

Durchlässigkeit möglichst lange aufrechtzuerhalten<br />

– und Dich zu lieben.<br />

Aber es ist und bleibt Sehnsucht. Die Sehne<br />

ist etwas sehr Elastisches. Stark, dehnbar,<br />

sich weitend und zusammenziehend.<br />

„Anziehung“ 157/92 <strong>Lio</strong><br />

„Froschkönig“ 287/92 <strong>Lio</strong><br />

Lebendige Suche.<br />

SEHNSUCHE,<br />

statt Sehnsucht.<br />

„La fleur“ 261/92 <strong>Lio</strong>


„Die Katzenfrau“ 147/92 <strong>Lio</strong><br />

Ich b<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Katze<br />

Me<strong>in</strong> Kopf schnurrt an De<strong>in</strong>er Brust<br />

De<strong>in</strong>e Hand streicht über me<strong>in</strong> Fell<br />

Und ich denke –<br />

Ich mag Dich<br />

Ich b<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Katze<br />

Wenn Du mich streichelst, schnurre ich<br />

Wenn Du mich trittst, schlage ich<br />

Me<strong>in</strong>e Krallen <strong>in</strong> De<strong>in</strong> Fleisch<br />

Hüte Dich<br />

Ich b<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Katze<br />

47


48<br />

„<strong>Lio</strong> lebt ihre Sexualität“ 910/91 <strong>Lio</strong>


La vida<br />

Er spiegelt se<strong>in</strong> Gesicht <strong>in</strong> ihren Tränen<br />

Am Boden liegend sieht sie se<strong>in</strong> Gesicht<br />

Gespiegelt von den Perlen des<br />

Vergehens<br />

Die sich ballen und ihn zeigen, wie er<br />

ist<br />

Befreit von Zwängen fühlt sie ke<strong>in</strong><br />

Gewicht<br />

Ihn nicht verachten, nicht besitzen<br />

Erfühlen <strong>die</strong> Zeit und ihre Freiheit<br />

H<strong>in</strong>geben an den Moment des<br />

Glücks<br />

Text5<br />

„Im Sonnene<strong>in</strong>fluß“ 258/91 <strong>Lio</strong><br />

Sie pflegte ihren Körper. Parfümierte sich<br />

und fühlte sich erotisiert.<br />

Der schwarze, durchsichtige Bodystock<strong>in</strong>g,<br />

<strong>die</strong> zarte Haut. Ihre F<strong>in</strong>gerkuppen<br />

pulsierten schneller und ihre Augen verrieten<br />

mit ihrem Glanz, dass sie sich wirklich<br />

mochte.<br />

Sie spürte den Pulsschlag an ihrem Halsansatz.<br />

Hitze <strong>in</strong> der Vere<strong>in</strong>igung mit sich<br />

selbst. Irgendetwas lag <strong>in</strong> der Luft.<br />

Unbeschreiblich leicht und frei. Das Gefühl<br />

alles zu besitzen ohne etwas zu haben.<br />

Da und stark. E<strong>in</strong> glücklicher Lidschlag.<br />

Die Farben irisierten im Spiegelbild<br />

ihres zufriedenen Lächelns. Sie lächelte sich<br />

ruhig <strong>in</strong>s Gesicht und vertraute ganz auf<br />

<strong>die</strong> Wärme ihrer haltenden Geste.<br />

49


50<br />

„Grenzenlose Liebe <strong>in</strong> All-Liebe“ 142/93 <strong>Lio</strong>


Selbstliebe. S<strong>in</strong>nlichkeit und Lebensfreude.<br />

Mit der zunehmenden Fähigkeit, uns selbst so anzunehmen, wie wir s<strong>in</strong>d und dass wir<br />

genauso geme<strong>in</strong>t s<strong>in</strong>d, wie wir s<strong>in</strong>d, gew<strong>in</strong>nen wir <strong>die</strong> Fülle, den Überfluss der Lebensfreude<br />

und der S<strong>in</strong>nlichkeit <strong>in</strong> allen Lebensäußerungen zurück.<br />

Der Ausdruck aller unserer Gefühle und Bedürfnisse macht uns zu Mitschöpfer<strong>in</strong>nen<br />

und Gestalter<strong>in</strong>nen unseres Lebens. Angst und Wut, Verzweiflung und Ohnmacht verlieren<br />

ihren Schrecken und wir merken, dass wir uns davon befreien, wenn wir <strong>die</strong>se<br />

Gefühle ausdrücken. Und so nehmen wir unsere Schattenseiten an und <strong>in</strong>tegrieren sie<br />

<strong>in</strong> unser facettenreiches Leben.<br />

Die zunehmende Selbsterkenntnis gibt uns Selbstvertrauen und <strong>die</strong> Stärke, gesunde und<br />

gleichwertige Beziehungen e<strong>in</strong>zugehen. Die Beziehung mit dem e<strong>in</strong>en Selbst wird zur<br />

reichen Quelle der Zufriedenheit und Erweiterung. Die Beziehung zu anderen Menschen<br />

e<strong>in</strong>e Arena des geme<strong>in</strong>samen Wachstums.<br />

Sobald wir <strong>die</strong> Zügel unseres Lebens selbst <strong>in</strong> <strong>die</strong> Hand nehmen, übernehmen wir auch<br />

<strong>die</strong> Verantwortung für das, was uns geschieht. Und s<strong>in</strong>d selbst unseres Glückes Schmid<strong>in</strong>.<br />

Frei von falschen Erwartungen und von der Delegation des Glücklichmachens an<br />

Beziehungspartner.<br />

Und wir lernen, dass Liebe nicht geschaffen und manipuliert werden kann, dass sie e<strong>in</strong><br />

Geschenk ist. Liebe erfüllt sich im Geben, <strong>in</strong> der Freude an und mit dem, war wir lieben.<br />

„The Queen. Ami und <strong>die</strong> Otter Silber und Gold“ 57/92 <strong>Lio</strong><br />

51


52<br />

„Facettenreich. La rica“ 1210/91 <strong>Lio</strong>


HER-ZÄHLUNG<br />

Her mit De<strong>in</strong>en Gedanken<br />

Sie gehören uns allen<br />

Her mit De<strong>in</strong>en Träumen<br />

Wir wollen sie alle träumen<br />

Her mit De<strong>in</strong>en Gefühlen<br />

Wir haben sie nicht mehr<br />

Her mit De<strong>in</strong>en Idealen<br />

Wir haben unsere verloren<br />

Her mit Dir<br />

Du sollst für uns verzweifeln<br />

„Eierlegen“ 211/92 <strong>Lio</strong><br />

„Träume“ 27/92 <strong>Lio</strong><br />

„Erneuerung“ 88/92 <strong>Lio</strong><br />

53


54<br />

„Morgendämmerung“ 138/92 <strong>Lio</strong>


Lied<br />

Mit beiden Füßen fest <strong>in</strong> der Luft,<br />

Such’ ich nach mir.<br />

In me<strong>in</strong>er Phantasie<br />

Laufen <strong>die</strong> Gestalten,<br />

Der Wirklichkeit <strong>in</strong>s Nichts.<br />

Weil sie vor me<strong>in</strong>en Welten<br />

Ängstlich flieh’n.<br />

Mit beiden Füßen fest <strong>in</strong> der Luft,<br />

Such’ ich nach me<strong>in</strong>em Grund –<br />

Der mir <strong>die</strong> Wirklichkeit <strong>in</strong> Erde<br />

Auf <strong>die</strong> S<strong>in</strong>ne drückt.<br />

Die Wirklichkeit ist Nichts,<br />

Weil sie vor me<strong>in</strong>en Welten<br />

Ängstlich flieht.<br />

55


56<br />

„Gebende Liebe mit der Rose der Erkenntnis“ 261/93 <strong>Lio</strong>


„La re<strong>in</strong>a de la vida“ 298/92 <strong>Lio</strong><br />

Tiefenkräfte<br />

der Seele.<br />

Die schöpferische<br />

Kraft.<br />

Der Mensch, der sich selbst angenommen<br />

hat, lebt aus der schöpferischen Mitte und<br />

entdeckt neue Ziele. Geist und Herz s<strong>in</strong>d<br />

offen für <strong>die</strong> Fülle des Lebens.<br />

Die Verfe<strong>in</strong>erung der Sensibilität schafft<br />

Raum für e<strong>in</strong> noch tiefer erlebbares Glück.<br />

Und mit der Rückb<strong>in</strong>dung an unseren Urgrund<br />

verlieren wir unsere Angst.<br />

Träume s<strong>in</strong>d F<strong>in</strong>gerzeige unseres Innenlebens<br />

und können uns helfen, uns immer<br />

besser zu erkennen, um immer mehr E<strong>in</strong>sicht<br />

zu gew<strong>in</strong>nen, <strong>die</strong> Welt und ihre Ersche<strong>in</strong>ungen<br />

mehr und mehr <strong>in</strong> ihrem<br />

Sose<strong>in</strong> zu betrachten, ohne sie zu werten.<br />

Wünsche und Träume s<strong>in</strong>d wie Wegweiser,<br />

<strong>die</strong> uns zeigen, woh<strong>in</strong> wir gehen möchten.<br />

Wenn wir unsere Vorstellungskräfte und<br />

<strong>in</strong>neren Bilder darauf richten, werden wir<br />

alles erreichen, was wir auch denken und<br />

„sehen“ können.<br />

Desto freier wir <strong>die</strong> eigenen schöpferischen<br />

Kräfte entfalten, zur eigenen Freude und<br />

H<strong>in</strong>gabe an erfüllte Momente, desto erfüllter<br />

wird unser Leben se<strong>in</strong>.<br />

„Dem Leben zugewendet“ 88/92 <strong>Lio</strong><br />

57


58<br />

„Wasserfrau und Mond<strong>in</strong> mit dem Sonnenmann“ 152/93 <strong>Lio</strong><br />

Geistige Erneuerung und Spiritualität.<br />

Wir ziehen an, was uns vollkommen macht. Und so f<strong>in</strong>det unser Geist immer wieder<br />

Inhalte, <strong>die</strong> unser Leben erneuern und weiterführen.<br />

Die eigene Spiritualität wächst mit dem Vertrauen auf <strong>die</strong> eigene „Sicht“ und <strong>die</strong> „E<strong>in</strong>sicht“,<br />

<strong>die</strong> wir daraus gew<strong>in</strong>nen.<br />

In der E<strong>in</strong>heit allen Se<strong>in</strong>s gibt es ke<strong>in</strong>e Polarität. Nachdem wir Menschen aber zeitlich<br />

begrenzt erleben, sehen wir <strong>die</strong> D<strong>in</strong>ge <strong>in</strong> ihrem zeitlichen Nache<strong>in</strong>ander.<br />

Sobald wir uns als Teil e<strong>in</strong>es größeren Ganzen begreifen, <strong>in</strong> dem alles als zugehörig<br />

erlebt wird und unsere Froschperspektive verlassen, können wir <strong>die</strong> Welt, das Universum<br />

von e<strong>in</strong>er höheren Warte aus begreifen und annehmen. Daraus können das Vertrauen<br />

und <strong>die</strong> Gelassenheit wachsen, <strong>die</strong> uns <strong>die</strong> Kraft geben, das Leben so zu nehmen,<br />

wie es ist.


Die alte Identität, der Tod, das große Loslassen<br />

r<strong>in</strong>gt um das Vertrauen mit dem Rad<br />

des Schicksals, das <strong>die</strong> Unterwelt repräsentiert.<br />

Hilfe <strong>in</strong> der Oberwelt ist <strong>die</strong> äußere<br />

und <strong>die</strong> <strong>in</strong>nere Sicherheit. Der Reichtum<br />

an Erkenntnissen und der Reichtum im<br />

Alltag. Die helfenden Kräfte s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> Hohepriester<strong>in</strong><br />

und der Hohepriester. Die Jungfrau,<br />

<strong>die</strong> mit der <strong>in</strong>tuitiven Vorstellungskraft<br />

geduldig abwartet – und der Heilige, der<br />

<strong>die</strong> eigenen <strong>in</strong>nere Wahrheit f<strong>in</strong>det und im<br />

Vertrauen auf das Höhere <strong>die</strong> eigene Mitte<br />

entdeckt. Das s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> Helfer zur neuen<br />

Identität der Liebenden. Die Entscheidung<br />

aus vollem Herzen, <strong>die</strong> E<strong>in</strong>deutigkeit, <strong>die</strong><br />

große Liebe und Treue und <strong>die</strong> H<strong>in</strong>gabe<br />

an <strong>die</strong> Aufgabe, an das Leben.<br />

Die Kraft der Bilder, <strong>die</strong> Schönheit des<br />

Dase<strong>in</strong>s und <strong>die</strong> wahre Lebensfreude. So<br />

löst sich das verkrustete Korsett auf und<br />

br<strong>in</strong>gt <strong>die</strong> weichen empf<strong>in</strong>dsamen Gefühle<br />

an <strong>die</strong> Außenseite. Die Sonne dr<strong>in</strong>gt<br />

durch <strong>die</strong> Poren zum Herzen und es<br />

schmilzt mit der Kraft der Liebe. Alle Verhärtungen<br />

s<strong>in</strong>d weggefegt. Die ganze Empf<strong>in</strong>dsamkeit<br />

der K<strong>in</strong>derseele wird lebendig<br />

und erfüllt das Wesen mit der Fülle des<br />

Lebens. Mit der Liebe des Lebens und zu<br />

allem Leben.<br />

Die <strong>in</strong>tuitiven Kräfte ihrer Seele machten<br />

sich <strong>die</strong> Begierden untertan und sie gelangte<br />

zu ihrer Kraft zurück. Sie war nicht länger<br />

<strong>die</strong> Sklav<strong>in</strong> e<strong>in</strong>es Unbekannten Unbewussten.<br />

Das Tor war offen und sie konnte<br />

h<strong>in</strong>durchschreiten, wann immer sie wollte<br />

und so tief und lange sie es wollte. Und<br />

damit hatte sie <strong>die</strong> Formel für <strong>die</strong> spirituelle<br />

Ganzheit gefunden, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Anwesenheit<br />

der Geister aus dem Jenseits erklärte.<br />

„Wasserfrau und Poseidon“ 92/93 <strong>Lio</strong><br />

Unbekannte Schriftzeichen und doch vertraut<br />

aus e<strong>in</strong>em Leben, das h<strong>in</strong>ter ihr lag.<br />

Vage Er<strong>in</strong>nerungen waren wie schwärende<br />

Narben im Halbdunkel zu erahnen.<br />

Und sie er<strong>in</strong>nerten an den unaufhörlichen<br />

Wandel allen Lebens. Sie mahnten <strong>die</strong> Fragende,<br />

<strong>die</strong> Antwort von neuem zu suchen.<br />

Und sie stellt sich <strong>in</strong> den künstlich geworfenen<br />

Schatten und hüllt sich <strong>in</strong> <strong>die</strong> Dämmerung,<br />

ohne den Abend abzuwarten. In<br />

der H<strong>in</strong>gabe erfährt der <strong>in</strong>tuitive Geist<br />

se<strong>in</strong>e Ratschläge, <strong>die</strong> ihm sonst verschlossen<br />

bleiben.<br />

59


60<br />

„Die gute Mutter“ 219/92 <strong>Lio</strong>


Frau als Mutter<br />

Frauen <strong>in</strong> den reichen Industrieländern<br />

haben heute <strong>die</strong> Möglichkeit zu entscheiden,<br />

ob sie K<strong>in</strong>der haben wollen oder nicht.<br />

Nach wie vor s<strong>in</strong>d Mütter mit K<strong>in</strong>dern<br />

beruflich benachteiligt und der vielbeschriebenen<br />

Mehrbelastung durch Haushalt,<br />

Beruf und K<strong>in</strong>d/ern ausgesetzt.<br />

Die Mutterschaft ist je nach „Bedarf“ entweder<br />

verklärt oder verdammt worden. Wir<br />

Frauen müssen für uns selbst def<strong>in</strong>ieren,<br />

wieweit und wie wir Mütter se<strong>in</strong> wollen und<br />

können.<br />

Schlüsselk<strong>in</strong>der, Rabenmutter, Mütterchen<br />

und Emanze – unsere eigenen Def<strong>in</strong>itionen<br />

kann sich mit Kästchen und Schubladen<br />

nicht zufrieden geben.<br />

Doch e<strong>in</strong>es sche<strong>in</strong>t mir wichtig. Dass <strong>die</strong><br />

Frau e<strong>in</strong> Recht auf ihren Körper hat und<br />

<strong>die</strong>ses Recht auch lebt. Ob als Mutter oder<br />

Frau. Die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen<br />

Seiten der Mutterschaft muss jede<br />

Frau, ob alle<strong>in</strong> oder <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Beziehung lebend<br />

– selbst abschätzen. Dass es hier<br />

Nachteile gibt, wissen wir.<br />

Die Spiritualität der K<strong>in</strong>der mag viele Mütter<br />

für <strong>die</strong> Mehrarbeit und <strong>die</strong> Verantwortung<br />

entschädigen. Ob es so ist, kann wieder<br />

nur jede Mutter für sich entscheiden.<br />

Dass <strong>die</strong> Zeit Sorgen und Ängste für <strong>die</strong><br />

Zukunft der Neugeborenen aufwirft ist für<br />

viele Frauen bereits e<strong>in</strong> Gewissenskonflikt<br />

geworden. Wie immer <strong>die</strong> Entscheidung<br />

fällt – wir Frauen tragen <strong>die</strong> Verantwortung.<br />

„Alfredo y Viola con Mama“ 152/93 <strong>Lio</strong><br />

61


62<br />

„1000% JA zum Leben“ 142/93 <strong>Lio</strong>


Frau als Mutter.<br />

Historischer Rückblick.<br />

Die Neandertaler<strong>in</strong>nen kennen ke<strong>in</strong>e Väter<br />

(60.000 v. Chr.), Ste<strong>in</strong>zeitfrauen bestimmen<br />

<strong>die</strong> K<strong>in</strong>derzahl selbst (um 80.000 v.<br />

Chr.), <strong>die</strong> Frau als Zentrum kultischer Verehrung<br />

(um 30.000 v. Chr.), Mond – Symbol<br />

des Lebens (um 21.000 v. Chr.), Entmachtung<br />

der Gött<strong>in</strong> (2.000 v. Chr.), Sumerische<br />

Frauen entwickeln Schwangerschaftstests<br />

und Verhütung (2.250 v. Chr.).<br />

Geburt und Menstruation s<strong>in</strong>d im Matriarchat<br />

heilige Vorgänge. Doch seit dem 2.<br />

Jahrtausend v. Chr. Dämonisieren <strong>die</strong> Männer<br />

<strong>die</strong> für sie mit e<strong>in</strong>em Tabu belegten<br />

Bereiche weiblicher Sexualität.<br />

Aufgrund des patriarchalen LILITH-Mythos<br />

erklären <strong>die</strong> Priester weibliche Sexualität<br />

für „unre<strong>in</strong>“ und damit für kult-unfähig.<br />

Die Frauenverachtung treibt im Laufe der<br />

Geschichte seltsame Blüten. Ende des<br />

5.Jahrhunderts werden Griech<strong>in</strong>nen zu<br />

Unwissenheit und Arbeit erzogen. 18 v.<br />

Chr. ruft der römische Kaiser Augustus mit<br />

gesetzlichen Anreizen zu mehr Geburten<br />

auf. Söhne für den Krieg werden gebraucht.<br />

(Die Römer<strong>in</strong> benützte Öle oder Salben<br />

zum Verschließen des Muttermundes als<br />

Verhütung).<br />

314 n. Chr. Wird Abtreibung von den kirchlichen<br />

Würdenträgern als Mord gewertet.<br />

Das Verbot der Abtreibung ist e<strong>in</strong>e typisch<br />

christliche Ersche<strong>in</strong>ung. In der ganzen<br />

Antike war <strong>die</strong> Abtreibung e<strong>in</strong>e weit ver-<br />

breitete Methode der Bevölkerungsregulierung.<br />

Mit August<strong>in</strong>us (5. Jh.) wird <strong>die</strong> Geschichte<br />

von Eva und dem Sündenfall proklamiert.<br />

Mit Eva werden alle Frauen als Gefahrenquelle<br />

für den Mann verdammt.<br />

Durch ihre s<strong>in</strong>nlichen Reize löse <strong>die</strong> Frau<br />

das Begehren im Mann aus und verführe<br />

ihn zu unkontrolliertem Handeln. Daher<br />

rührt der Versuch, <strong>die</strong> Frau – das Objekt<br />

der Begierde – zu unterwerfen und zu diffamieren.<br />

1000 n. Chr.: Lust an der Liebe gilt im Mittelalter<br />

offiziell als Sünde. Das geme<strong>in</strong>same<br />

Lager darf nur der Zeugung von K<strong>in</strong>dern<br />

<strong>die</strong>nen. Weil Frauen als besonders<br />

triebhaft und lustempf<strong>in</strong>dend gelten, ist ihre<br />

Sexualität Beschränkungen unterworfen.<br />

1267: Thomas von Aqu<strong>in</strong> verkündet <strong>die</strong><br />

zweifache M<strong>in</strong>derwertigkeit der Frau. Sie<br />

sei nicht nur wegen ihrem Sündenfall dem<br />

Manne untergeordnet, sondern sei schon<br />

vorher, gleichsam von Natur aus, dem<br />

Mann <strong>in</strong> Logik und Klugheit unterlegen<br />

gewesen.<br />

1520 n. Chr. Taucht das Verbot auf, abtreibende<br />

Mittel zu verkaufen und das Heilwissen<br />

von Hebammen und kräuterkundigen<br />

Frauen kommt immer mehr <strong>in</strong> Verruf.<br />

Ab 1550 wird <strong>die</strong>ses Wissen durch <strong>die</strong><br />

Hexenverfolgungen und –verbrennungen<br />

nahezu ausgerottet.<br />

1589 n. Chr. Begründen <strong>die</strong> Engländer<strong>in</strong>nen<br />

den Fem<strong>in</strong>ismus. 1601 werden <strong>die</strong><br />

Frauen von selbständiger Berufsarbeit ausgegrenzt.<br />

Im 17. Jh. macht das Ideal der „guten Haus-<br />

63


64<br />

frau“ Schule. Mit der Zurückdrängung der<br />

Frauen aus der qualifizierten Erwerbsarbeit<br />

bilden Familie und Haushalt den weiblichen<br />

Lebensraum. Als moralisches Vorbild soll<br />

sie sich durch Fügsamkeit, Gottesfurcht,<br />

Häuslichkeit, Fleiß, Güte und Treue auszeichnen.<br />

Anfang des 18. Jahrhunderts gibt es e<strong>in</strong><br />

neues Ideal der Mütterlichkeit. Der Mensch<br />

wird jetzt als Rohstoff betrachtet, der <strong>die</strong><br />

Grundlage für Reichtum darstellt.<br />

1850 verdichten sich <strong>die</strong> Kämpfe der Fem<strong>in</strong>ist<strong>in</strong>nen<br />

unter dem ungeheuren Elend<br />

der Masse der Frauen. Bildungse<strong>in</strong>richtungen<br />

und mediz<strong>in</strong>ische Versorgung wird e<strong>in</strong>gerichtet<br />

und erste Frauengruppen organisieren<br />

sich, um <strong>die</strong> wirtschaftliche Lage zu<br />

verbessern.<br />

1870 wird der § 218, Zuchthaus für Abtreibung<br />

e<strong>in</strong>geführt.<br />

Die Frauenrechtler<strong>in</strong> Lilly Braun setzt sich<br />

für berufstätige Mütter e<strong>in</strong>. Sie klagt über<br />

<strong>die</strong> Doppel- und Dreifachbelastung. Sie<br />

fordert e<strong>in</strong>e Herabsetzung der Arbeitszeit<br />

und e<strong>in</strong>e Mutterschaftsversicherung, <strong>die</strong><br />

den Frauen e<strong>in</strong>ige Wochen vor und nach<br />

der Geburt Schutz gibt.<br />

1901 ersche<strong>in</strong>t e<strong>in</strong> Ratgeber für Verhütungsmittel.<br />

Gummihütchen, Pessarien,<br />

Sicherheits-Schutzr<strong>in</strong>g und ähnliche Mittel<br />

werden vorgestellt. (Frau als Hausärzt<strong>in</strong>,<br />

von Anne Fischer—Dückelmann).<br />

1905 wird <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> e<strong>in</strong> Bund zum Mutterschutz<br />

und K<strong>in</strong>derschutz unverheirateter<br />

Mütter gegründet. Und im selben Jahr forderte<br />

Käthe Schirmacher, dass Hausfrauenarbeit<br />

entlohnt werden müsse.<br />

„Unverstandener Liebesentzug“ 219/91 <strong>Lio</strong><br />

1913 treten 4.000 Frauen e<strong>in</strong>en Gebärstreik<br />

an und fordern das Recht auf den eigenen<br />

Körper.<br />

Der erste Weltkrieg erweitert den Handlungsspielraum<br />

der Frauen.<br />

1927 wird im deutschen Reichstag e<strong>in</strong> Mutterschutzgesetz<br />

verabschiedet.<br />

1932 veröffentlicht Hermann Knaus <strong>die</strong><br />

natürliche Empfängnisverhütung, Knaus-<br />

Og<strong>in</strong>o-Methode.<br />

1935 Der nationalsozialistische Mutterkult<br />

und Mythos von der Re<strong>in</strong>heit der Frau tritt<br />

h<strong>in</strong>ter dem Ziel zurück, zukünftige Kriegsverluste<br />

auszugleichen.<br />

1939 erhalten Frauen mit überdurchschnittlicher<br />

Gebärleistung das Ehrenkreuz der<br />

deutschen Mutter.


1949 wird <strong>in</strong> Bonn <strong>die</strong> Gleichberechtigung<br />

von Männern und Frauen vor dem Gesetz<br />

verkündet.<br />

1960 Mit der Pille zur Selbstbestimmung,<br />

vorerst nur für <strong>die</strong> verheiratete Frau.<br />

1962 Die Ehe steckt <strong>in</strong> der Krise. 60 % der<br />

Frauen aus den Industrieländern s<strong>in</strong>d <strong>in</strong><br />

ihrer Ehe unglücklich oder enttäuscht.<br />

1967 Freie Liebe wird e<strong>in</strong> populäres Thema<br />

<strong>in</strong> den Me<strong>die</strong>n.<br />

1971 Gegen § 218<br />

1972 Fordern Frauen <strong>in</strong> Los Angeles <strong>die</strong><br />

Selbstbestimmung über den eigenen Körper.<br />

1975 Frauenbücher über Fem<strong>in</strong>ismus und<br />

Selbstf<strong>in</strong>dung.<br />

1979 Verbesserung des Mutterschutzes.<br />

1980 Beg<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>er systematischen Frauengeschichtsforschung,<br />

Frauenforschung.<br />

1985 Frauen gegen Gentechnik<br />

1992 Der § 218 wird im Deutschen Bundestag<br />

mit 12 Wochen straffrei gestellt.<br />

1993 Sollen mehr Frauenrechte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

neuen Verfassung verankert werden.<br />

Seit 1980 Bemühungen um Gleichbehandlung<br />

der Frauen <strong>in</strong> der Gesellschaft.<br />

„Mutterliebe“ 1010/91 <strong>Lio</strong><br />

Stand 2001:<br />

Frauen verrichten 2/3 der Weltarbeit und<br />

besitzen 2 % des Weltvermögens.<br />

Frauen ver<strong>die</strong>nen im Schnitt 33 % weniger<br />

für gleiche Arbeit.<br />

Frauen s<strong>in</strong>d zu 2-4 % <strong>in</strong> Führungspositionen,<br />

obwohl sie bei der Bildung führen.<br />

Frauenanteil an Universitäten über 55 %.<br />

Von der EU verordnetes Genderma<strong>in</strong>stream<strong>in</strong>g:<br />

Alibihandlungen der Regierungen?<br />

65


66<br />

„Die liebevolle Integration der Triebenergie des Pan“ 261/93 <strong>Lio</strong>


„Seelchens“ 78/92 <strong>Lio</strong><br />

K<strong>in</strong>dererziehung und<br />

Bildungsarbeit<br />

Mit dem gesellschaftlichen Wertewandel<br />

verändern sich auch <strong>die</strong> Grundsätze der<br />

K<strong>in</strong>dererziehung. Wurden zur Zeit me<strong>in</strong>er<br />

Eltern noch „gesunde Ohrfeigen“ für e<strong>in</strong><br />

wichtiges Erziehungsmittel gehalten, wenden<br />

sich viele Mütter und Väter vertrauensvoll<br />

an Bücher und Beratungsstellen.<br />

Der erzieherische Drill hat sich mancherorts<br />

gelockert und hat viele neue Möglichkeiten<br />

aufgemacht, das K<strong>in</strong>d, <strong>in</strong> der persönlichen<br />

Entwicklung zu unterstützen und<br />

Erziehung als liebevolle Führung zu verstehen.<br />

Richtig und falsch lassen sich nicht immer<br />

leicht beurteilen. Dass <strong>die</strong> Allgeme<strong>in</strong>heit es<br />

lieber hätte, von Anfang an perfekt funktionierende<br />

kle<strong>in</strong>e Erwachsene zu haben,<br />

mag praktisch und ordentlich se<strong>in</strong>, aber es<br />

entspricht nicht der K<strong>in</strong>derseele.<br />

Mit der liebevollen H<strong>in</strong>wendung, der Abgrenzung<br />

und mit dem Zeigen des eigenen<br />

Zustandes, kann das K<strong>in</strong>d langsam lernen,<br />

wo es anfängt und wo andere Menschen<br />

anfangen. Und sich dabei doch frei <strong>in</strong> allen<br />

Fähigkeiten entwickeln.<br />

Alternativschulen, Schulversuche und eigene<br />

Vorstellungen der Eltern erleichtern <strong>die</strong><br />

Lockerung der bestehenden Schulpflicht.<br />

Gendersensible Erziehungsmodelle und<br />

erweiterte Montessori-Pädagogik <strong>in</strong> der<br />

„Wild-Schule“ s<strong>in</strong>d wichtige Impulse, umzudenken,<br />

k<strong>in</strong>dgerechter zu lehren und zu<br />

lernen.<br />

„Aufbruch <strong>in</strong> Konzentration“ 308/92 <strong>Lio</strong><br />

67


68<br />

„Kreative Lösung“ 152/93 <strong>Lio</strong>


Beruf, Berufung.<br />

Krisenzeiten und Kriege, <strong>in</strong> denen <strong>die</strong> Frauen mehr Handlungsspielraum erhielten haben<br />

immer wieder gezeigt, wie viel Frauen Kraft ihres Verstandes und ihrer Fähigkeiten<br />

zustandebr<strong>in</strong>gen. Dass Frauen heute noch immer ihre geistigen und schöpferischen<br />

Talente verteidigen und <strong>in</strong>s rechte Licht rücken müssen, ist traurig aber wahr.<br />

Zwei Drittel aller Analphabeten der Welt s<strong>in</strong>d Frauen. In vielen Ländern werden Mädchen<br />

gegenüber Buben benachteiligt. In ihrer Ausbildung und <strong>in</strong> ihrem Leben.<br />

In den „reichen“ Ländern haben wir als Frauen zwar <strong>die</strong> gleichen Bildungs- und Ausbildungsstätten<br />

zur Verfügung, was aber nicht heißt, dass wir auch <strong>die</strong> gleichen Berufschancen<br />

haben.<br />

Gleichbehandlungsgesetze weiblicher und männlicher Bewerber werden unter dem zunehmenden<br />

Druck (von Frauenorganisationen und Politiker<strong>in</strong>nen) festgeschrieben, doch<br />

noch gibt es zu viele Lücken und Fallstricke.<br />

Die Frauen, <strong>die</strong> im männlich dom<strong>in</strong>ierten, hierarchischen Karrierekampf mitmachen,<br />

s<strong>in</strong>d gezwungen, sich an <strong>die</strong>ses System anzupassen – was oft das Aufgeben e<strong>in</strong>er Fülle<br />

von „unerwünschten“ weiblichen Eigenschaften bedeutet.<br />

Frauensache ist für mich Sache aller Frauen. Musiker<strong>in</strong>nen gründen eigene Orchester<br />

mit Frauen und Männern, Frauen als Künstler<strong>in</strong>nen solidarisieren und organisieren sich,<br />

Frauen schreiben und treten <strong>in</strong> <strong>die</strong> Öffentlichkeit, sie formulieren ihre Rechte und setzen<br />

sich dafür e<strong>in</strong>.<br />

Das sollte Mut machen, für <strong>die</strong> eigenen Berufspläne und <strong>die</strong> eigene Berufung loszugehen<br />

und berufliche Wünsche und Träume zu realisieren.<br />

„Nuith“ 303/93 <strong>Lio</strong><br />

69


70<br />

„Die Kaiser<strong>in</strong> im Zeichen der Venus“ 291/93 <strong>Lio</strong>


B26a<br />

Nur noch <strong>die</strong> Innenschau konnte ihr helfen,<br />

sich im Außen zu veräußern, durch das,<br />

was sie im Inneren erschaute und durch das<br />

Erschauen sichtbar machte. Die <strong>in</strong> den<br />

Kristallspiegeln der Eispr<strong>in</strong>zess<strong>in</strong> gespiegelten<br />

Fratzen, ihre eigenen K<strong>in</strong>der verschl<strong>in</strong>gend<br />

– und <strong>die</strong> grausamen Züge der<br />

folternden Knechte und der selbstgerechten<br />

Herrscher.<br />

Sie fürchtete nichts sosehr, wie ihren Erfolg.<br />

Denn damit würde sie sich endgültig<br />

als e<strong>in</strong>sames erwachsenes Selbst deklarieren<br />

und hätte ke<strong>in</strong>en Anspruch auf Leid<br />

und Hilflosigkeit. Und so klammerte sie<br />

sich wie e<strong>in</strong>e Untergehende im Strom der<br />

Gezeiten an <strong>die</strong> Überreste ihrer alten Ängste,<br />

<strong>die</strong> wie Eis <strong>in</strong> der Sonne dah<strong>in</strong>schmolzen<br />

und sie aus der Behaglichkeit<br />

der selbstgezimmerten Beschränkungen <strong>in</strong><br />

<strong>die</strong> Welt h<strong>in</strong>auszogen.<br />

Ja, nichts würde mehr von den Ängsten und<br />

beengenden Denk- und Handlungsmustern<br />

übrigbleiben. Sie würde im Strom der eigenen<br />

kreativen Energien stehen und sie würde<br />

zum Kanal für <strong>die</strong> kosmische, gestaltende<br />

Kraft, <strong>die</strong> Himmel und Erde mite<strong>in</strong>ander<br />

verband.<br />

„Der mutige Sprung zu neuer Stärke“<br />

710/92 <strong>Lio</strong><br />

„Der Boss beim Eierlegen - mit<br />

Dampfablaßrohr“ 87/93 <strong>Lio</strong><br />

71


72<br />

„Goldhelm, Silberpfeil“ 142/93 <strong>Lio</strong>


S<strong>in</strong>n<br />

„Der Armlose mit der Doppelzunge“<br />

249/91 <strong>Lio</strong><br />

Monologe der Eitelkeit<br />

Reihen sich an Monologe der Eitelkeit<br />

Und aus dem Vakuum steigt Langeweile<br />

Gähnende Stille und das Gefühl<br />

vertaner Zeit.<br />

Solidarität des Schlamassels<br />

Humanität des Essens und Tr<strong>in</strong>kens<br />

Wärme des Kleiderkaufens<br />

Schönheit <strong>in</strong> Plastik<br />

Harmonie des Papiers<br />

Freunde des Vorteils<br />

Mächte um Macht<br />

Krankheit wegen des großen Angebots<br />

an Pillen<br />

Brillenträger für <strong>die</strong> Optiker<br />

Schmuck wegen des Gewichtes<br />

Zweifel wegen der zwischenmenschlichen<br />

Kommunikation<br />

Und der Verschiebung von<br />

Verantwortung<br />

Taten der Tätlichkeit<br />

Fragliche Fragen<br />

Und Statements wegen der<br />

elektronischen Übertragbarkeit<br />

Krieg, weil es Waffenlager gibt<br />

Entwicklungshilfe wegen des Exportmarktes<br />

Existieren für das F<strong>in</strong>anzamt<br />

Klagen wegen der Erhaltungskosten der<br />

Gerichte<br />

Richten, weil sich’s alle richten.<br />

Leben – damit es vielleicht e<strong>in</strong>e<br />

Biographie gibt<br />

Die möglicherweise e<strong>in</strong> Kassenschlager<br />

werden könnte<br />

Oder: Die Geme<strong>in</strong>de weiterh<strong>in</strong> <strong>die</strong> hervorragende<br />

Beschäftigungslage<br />

Der beamteten Totengräber halten kann<br />

Wer weiß?<br />

„Geteilte Gefühle“ 88/92 <strong>Lio</strong><br />

73


74<br />

„Gerüstet vor dem Fe<strong>in</strong>d, dem Freund“ 72/93 <strong>Lio</strong>


„Liebe. H<strong>in</strong>gabe“3012/92 <strong>Lio</strong><br />

Lied<br />

„Me<strong>in</strong> Lied ist e<strong>in</strong><br />

trauriges Lied...“<br />

Me<strong>in</strong> Lied ist e<strong>in</strong> trauriges Lied<br />

Und me<strong>in</strong>e Träume so fremd<br />

Der Tag ist e<strong>in</strong> Zw<strong>in</strong>ger<br />

In dem ich ohnmächtig sitze<br />

Beherrscht und verraten von der Macht<br />

Me<strong>in</strong> Lied ist e<strong>in</strong> trauriges Lied<br />

Und me<strong>in</strong>e Träume so fern<br />

Der Mensch ist verkauft schon<br />

Die Seele kennt niemand<br />

Wenn es ums Geld geht, das regiert<br />

Me<strong>in</strong> Lied ist e<strong>in</strong> trauriges Lied<br />

Und me<strong>in</strong>e Träume so kalt<br />

Ich morde mich selber<br />

Mit Zweifeln und Angst<br />

Beherrscht und verraten von der Macht<br />

„Im Regen. MR y EP“ 235/92 <strong>Lio</strong><br />

75


76<br />

10.11.1990<br />

Härte<br />

Plastikblumen<br />

Seidenblumen<br />

Atomkrieg<br />

Weltuntergang<br />

Kriege<br />

Hass<br />

Degeneration<br />

Härte<br />

Unfairness<br />

Dreck<br />

Verdrängt <strong>in</strong> <strong>die</strong> Ungelebtheit der Verstoßenen.<br />

Gebrandmarkt von Verlassenheit und Untreue.<br />

Sie haben es gerne <strong>in</strong> der Gemütlichkeit<br />

und verlassen <strong>die</strong> Verlassenen, weil<br />

sie sich sonst und ihre trügerische Idylle<br />

und Sicherheit verlassen.<br />

Zerbröckelte trügerische Begehrlichkeit<br />

h<strong>in</strong>ter dicken Vorhängen der Seele und des<br />

stumpfen Geistes.<br />

De<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>samkeit macht Dich reich und<br />

stark.<br />

Unser Morgengebet<br />

Große Mutter, lass uns ohne <strong>die</strong> Angst<br />

Vor den Atombomben aufwachen –<br />

Große Mutter, lass unsere K<strong>in</strong>der auch<br />

In Wäldern spazieren gehen –<br />

Große Mutter, lass uns nicht<br />

An unserer Beziehungslosigkeit<br />

verzweifeln –<br />

Große Mutter, lass uns noch e<strong>in</strong>mal<br />

Mit unserem Herzen empf<strong>in</strong>den –<br />

Große Mutter, lass uns e<strong>in</strong>en Weg f<strong>in</strong>den,<br />

Die Welt – und Selbstzerstörung<br />

aufzuhalten –<br />

Große Mutter, lass uns noch e<strong>in</strong>mal<br />

Wirklich Mensch se<strong>in</strong>.<br />

„Beziehung?“ 188/92 <strong>Lio</strong>


Brief an e<strong>in</strong>en Patriarchen.<br />

Du sagst, Du bist e<strong>in</strong> Rationalist und ich<br />

me<strong>in</strong>e, Du me<strong>in</strong>st damit, dass alles, was Du<br />

an Machtgebaren an den Tag legst gerechtfertigt<br />

ist. Du glaubst, dass alle Gedanken,<br />

<strong>die</strong> zum Leben führen, Kram für Idealisten,<br />

Blöds<strong>in</strong>n, weiblich – e<strong>in</strong>fach Nebensache<br />

sei. Aber woh<strong>in</strong> führt Dich De<strong>in</strong><br />

Rationalismus. Sollen alle Menschen daran<br />

zugrunde gehen?<br />

Soll <strong>die</strong> Natur nur noch aus Bildern bestehen?<br />

Soll alles, was das Leben schön und<br />

lebenswert macht e<strong>in</strong>e Er<strong>in</strong>nerung se<strong>in</strong>?<br />

E<strong>in</strong>e Er<strong>in</strong>nerung von jenen, <strong>die</strong> Du Idealisten<br />

schimpfst? Die Bilder erstehen lassen,<br />

<strong>die</strong> Dir <strong>die</strong> Welt zeigen, <strong>in</strong> der es sich lohnen<br />

würde, fürs Leben und für <strong>die</strong> Liebe<br />

zu se<strong>in</strong>? Was hast Du schon alles mit De<strong>in</strong>er<br />

„Sachlichkeit“ angestellt.<br />

K<strong>in</strong>der, <strong>die</strong> schon im Schulalter auf Leistung<br />

getrimmt s<strong>in</strong>d. Die nie gelernt haben,<br />

schöpferisch und spielerisch mit ihren<br />

eigenen Lebensmöglichkeiten umzugehen.<br />

Die sich im Leistungszwang und im Gegene<strong>in</strong>ander<br />

der Ellebogen wiederf<strong>in</strong>den.<br />

Frauen und K<strong>in</strong>der, Idealisten und Ausländer,<br />

<strong>die</strong> <strong>in</strong> M<strong>in</strong>derheiten jenes Ausgegrenztse<strong>in</strong><br />

erleben, das Du ihnen zuweist.<br />

Du selbst bist e<strong>in</strong> sterbender, e<strong>in</strong> toter Ast<br />

im Getriebe des zukünftigen Werdens des<br />

Weltgeschehens.<br />

Du hast verlernt, den Himmel mit Sternen<br />

zu sehen, Du hast verlernt, den Mond als<br />

wichtige Quelle De<strong>in</strong>er Inspiration zu nützen,<br />

Du hast verlernt, De<strong>in</strong>e <strong>in</strong>nere Stimme<br />

zu hören und De<strong>in</strong>en weiblichen Part<br />

<strong>in</strong> De<strong>in</strong> Leben e<strong>in</strong>fließen zu lassen. Wie<br />

schal und kalt s<strong>in</strong>d De<strong>in</strong>e Worte, <strong>die</strong> Du <strong>in</strong><br />

<strong>die</strong> Welt trägst. Wie schal und kalt s<strong>in</strong>d alle<br />

D<strong>in</strong>ge, <strong>die</strong> jeder mit Geld kaufen kann. Wie<br />

schal und kalt s<strong>in</strong>d jene Klischees, <strong>die</strong> Du<br />

uns mit aufwendigen Bildern auf <strong>die</strong> Augen<br />

drückst. Wie schal und kalt s<strong>in</strong>d <strong>die</strong><br />

elektronischen Me<strong>die</strong>n, <strong>die</strong> uns <strong>die</strong> S<strong>in</strong>nlosigkeit<br />

<strong>die</strong>ses Lebens nicht zum Bewusstse<strong>in</strong><br />

br<strong>in</strong>gen soll.<br />

Wie schal und kalt ist De<strong>in</strong>e Geste, <strong>die</strong> Du<br />

De<strong>in</strong>er Geliebten entgegenbr<strong>in</strong>gst. Wo hast<br />

Du alte Menschen h<strong>in</strong>gestellt? Du hast <strong>die</strong><br />

Reife und Erfahrung e<strong>in</strong>es alternden Menschen<br />

<strong>in</strong>s Abseits gestellt. Woh<strong>in</strong> führt e<strong>in</strong>e<br />

Gesellschaft, <strong>in</strong> der Patriarchen, alle <strong>die</strong><br />

nicht „LEISTEN“, <strong>in</strong>s Ghetto des körperlichen<br />

und seelischen Siechtums stellen.<br />

Wird <strong>die</strong> Welt nur noch aus Ausgegrenzten<br />

bestehen und aus e<strong>in</strong> paar Patriarchen,<br />

<strong>die</strong> sich alle Pfründe und Sahnetöpfe <strong>in</strong>s<br />

eigene Zimmer stellen?<br />

Wird alles, was Menschse<strong>in</strong> bedeuten kann,<br />

auf Befehlsempfänger und Roboter reduziert?<br />

„Dreifaltige und <strong>die</strong> Sonne im harlek<strong>in</strong>sgewand. Die Weisheit des Narren“ 18/92 <strong>Lio</strong><br />

77


78<br />

Wie armselig s<strong>in</strong>d unsere Seelen <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem Reichtum.<br />

Wie armselig s<strong>in</strong>d unsere Freuden <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem Reichtum.<br />

Wie armselig s<strong>in</strong>d wir selbst <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem Reichtum.<br />

Wie armselig wird das Leben unserer K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem Reichtum.<br />

Vorstellungen schaffen Wirklichkeit, heißt es. Doch welche Vorstellungen schaffen<br />

<strong>die</strong>se grässlichen Wirklichkeiten, <strong>die</strong> von jenen Menschen, <strong>die</strong> <strong>in</strong> Schlüsselpositionen<br />

der Macht sitzen, als gegeben h<strong>in</strong>gestellt werden?<br />

Wehe dem, der es wagt, <strong>die</strong>ses System zu kritisieren.<br />

Wehe dem, der Rückgrat und Zivilcourage beweist.<br />

Intelligenz wird ignoriert. Phantasie und Kreativität werden benützt und ausgenützt.<br />

Und der Mensch selbst dah<strong>in</strong>ter ausgegrenzt.<br />

Die Volkswirtschaft schreit nach jungen UnternehmerInnen.<br />

Die Volkswirtschaft schreit nach gebärfreudigen Frauen.<br />

Die Volkswirtschaft schreit nach PensionszahlerInnen.<br />

Die Volkswirtschaft schreit nach umweltbewussten Menschen.<br />

Die Volkswirtschaft schreit nach Ideenbr<strong>in</strong>gern und Erf<strong>in</strong>dern.<br />

„Akt“ 179/91 <strong>Lio</strong><br />

Doch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em politischen System der Gewerkschaften und Kämmerer,<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em politischen System der Ignoranz und der gegenseitigen Beschimpfung,<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Politischen System des Rassismus und<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em politischen System des persönlichen Vorteils e<strong>in</strong>zelner Politiker,<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em solchen System hat Wahrhaftigkeit und Intelligenz ke<strong>in</strong>e Platz.<br />

Denn hier geht es um re<strong>in</strong> materialistische Vorteile. Um ganz persönliche Macht, um<br />

ganz persönliche Geltung.<br />

Nicht für das Volk – Ne<strong>in</strong>! Für sich selber.<br />

Und ke<strong>in</strong> Mittel ist zu niedrig, ke<strong>in</strong> Mittel ist zu hart, ke<strong>in</strong> Mittel ist zu....<br />

Ke<strong>in</strong> Mittel ist zu unmenschlich.


Verständnisheischende Jugendliche werden<br />

zu Drogensüchtigen gemacht, engagierte<br />

Frauen werden zu Mannweibern gestempelt,<br />

K<strong>in</strong>der werden zu Psychopathen erzogen,<br />

Kranke werden <strong>in</strong> Ghettos aufgefangen<br />

und jeder, der noch gesund ist, wird<br />

mit Medikamenten krank gemacht.<br />

Wo bleibt <strong>die</strong> heilende Kraft des E<strong>in</strong>zelnen<br />

für das Gute zum Leben?<br />

Welchen Stellenwert nimmt Seele, Geist<br />

und Verstand e<strong>in</strong>er Gesellschaft e<strong>in</strong>, <strong>die</strong> von<br />

Halbdebilen, Psychopathen, Machtgierigen<br />

und Workaholics regiert wird.<br />

„Das retournierte Paket“ 59/91 <strong>Lio</strong><br />

„La Luna y los hombres“ 611/92 <strong>Lio</strong><br />

79


80<br />

„La re<strong>in</strong>a. <strong>Lio</strong> Hero“ 82/93 <strong>Lio</strong>


„Die neue Ganzheit im Bewußtse<strong>in</strong> des Pan. Geschützt von Nuith“ 301/93 <strong>Lio</strong><br />

Ich denke an Dich<br />

Ich möchte Dich gerade seh’n<br />

De<strong>in</strong> Gesicht entspannt<br />

Die Augen auf mich gerichtet<br />

Spürbar De<strong>in</strong> Verständnis<br />

Lautlos das Gefühl<br />

Es schreit nicht nach Dir<br />

Doch fragt es, ob es Dich gibt<br />

Viel freier ohne Schrei<br />

Viel lebendiger im Schweigen<br />

Ich denk’ an Dich<br />

Ich lebe um zu lieben<br />

Das Leben ist <strong>die</strong> Liebe<br />

Zu dem, was fließt,<br />

und ohne Fragen gibt<br />

Zu dem, was heute lebt und morgen<br />

stirbt<br />

Und wieder lebt und liebt.<br />

Ich liebe Dich im Jetzt<br />

Die Seele fliegt zu Dir<br />

Das Glück ist schon <strong>in</strong> mir<br />

Weil ich Dich eben liebe –<br />

Und nicht frag’ nach De<strong>in</strong>er Liebe.<br />

Die Liebe ist das freiste D<strong>in</strong>g,<br />

das ich erlebe.<br />

Stets gewandelt an mir selbst.<br />

Deshalb b<strong>in</strong> ich frei und liebe<br />

So frei ich lieben kann.<br />

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82<br />

„Atlantiden. Die alte Erde und ihr Mensch“ 97/92 <strong>Lio</strong><br />

Entpatriarchalisierung als Humanisierung<br />

Frauen von der patriarchalen Herrschaft zu befreien nennt nicht nur Erich Fromm (Se<strong>in</strong><br />

und Haben S 182, dtv) als fundamentale Voraussetzung der Humanisierung der Gesellschaft,<br />

sie ist für <strong>die</strong> Zukunft der Welt von der größten Bedeutung.<br />

Noch viele Männer fühlen sich gottähnlich und belegen den obersten Platz <strong>in</strong> der gesellschaftlichen<br />

Hierarchie. In ihren Augen kommen männliche Pr<strong>in</strong>zipien zuerst. Gott und<br />

Mann, dann <strong>die</strong> Frau, das K<strong>in</strong>d, das Tier, zuletzt <strong>die</strong> Erde.<br />

Wie lange kann unsere Erde das todesorientierte System des weißen Mannes noch ertragen?<br />

Die Meere s<strong>in</strong>d zum Abfalleimer für Öl und Müll geworden, Forschungse<strong>in</strong>richtungen<br />

beschäftigen sich mit dem genauen Aufzeichnen von „Weltraum-Müll“<br />

(es könnte sonst zu größeren Müll-Zusammenstößen kommen, <strong>die</strong> Umlaufbahnen der<br />

Müllteile werden genau bestimmt und jedes Müllteilchen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Karte e<strong>in</strong>gezeichnet –<br />

wie lange noch?)


Umweltschutz bedeutet längst überfällige Notreparaturen unserer Lebensgrundlage Erde,<br />

wie lange wird man Giftmüll noch von Land zu Land weiterschieben können? Es s<strong>in</strong>d<br />

beängstigende, mörderische Akte e<strong>in</strong>er respektlosen Haltung gegenüber dem Leben und<br />

der Lebendigkeit.<br />

„Take the toys from the boys“, was soviel heißt wie: „Nehmt den Jungs das Spielzeug<br />

weg“, e<strong>in</strong> Spruch des Fem<strong>in</strong>ismus – sche<strong>in</strong>t immer dr<strong>in</strong>gender dazu aufzufordern, Entwicklungen<br />

zu stoppen, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Vernichtungskapazität <strong>in</strong> der Welt erhöhen.<br />

Nicht genug, dass <strong>die</strong> Welt bis auf <strong>die</strong> Zähne bewaffnet ist – gehen Technologien <strong>in</strong> den<br />

Labors (z.B. Gentechnologie) <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Richtung, <strong>die</strong> für alle äußerst bedrohlich werden<br />

könnte.<br />

Wer hier glauben kann, dass <strong>die</strong> Wissenschaftler sich ihrer Verantwortung bewusst s<strong>in</strong>d,<br />

so möchte ich das stark anzweifeln. Die Gefahr e<strong>in</strong>es Atomkrieges ist noch lange nicht<br />

gebannt – und jede Erf<strong>in</strong>dung und Entwicklung wurde bisher <strong>in</strong> <strong>die</strong> Masch<strong>in</strong>erie der<br />

Vernichtung gestellt, sobald sich <strong>die</strong> Gelegenheit dazu ergab. Ob Giftgase oder Viren.<br />

Und das gibt mir zu denken und ruft mich auf, nicht untätig zuzusehen.<br />

„Der Papst <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er -Unverfehlbarkeit- „ 1110/92 <strong>Lio</strong><br />

83


84<br />

„Hombre y mujer al agua“ 261/93 <strong>Lio</strong>


Die Utopie e<strong>in</strong>es<br />

neuen Geschlechterverständnisses<br />

Mann und Frau <strong>in</strong> Gleichberechtigung und<br />

Gleichwertigkeit neben- und mite<strong>in</strong>ander.<br />

E<strong>in</strong>e unerreichbare Illusion?<br />

Das Weibliche als<br />

gleichberechtigte<br />

Hälfte zum<br />

Männlichen<br />

Männer, <strong>die</strong> ihre weiblichen Anteile und<br />

ihre Gefühlsfähigkeit entwickeln und Frauen,<br />

<strong>die</strong> ihre aktiven Seiten ohne gesellschaftliche<br />

Ächtung <strong>in</strong> Anerkennung ihres Geschlechts<br />

leben können?<br />

Die Selektion der Geschlechter der Vergangenheit:<br />

Macho sucht mütterlichen Frauentyp mit<br />

großem Busen - ausgetauscht gegen:<br />

Erwachsene Frau sucht erwachsenen Mann:<br />

Sie gehen e<strong>in</strong>e Beziehung e<strong>in</strong> <strong>in</strong> gegenseitiger<br />

Anerkennung der Gleich- und Andersartigkeit<br />

– <strong>in</strong> Liebe. In e<strong>in</strong>er Liebe, <strong>die</strong> gibt,<br />

uns sich im Geben erfüllt?<br />

Es müsste für <strong>die</strong> Seelchen der K<strong>in</strong>der e<strong>in</strong>e<br />

wahre Wonne se<strong>in</strong>, <strong>in</strong> solchen Bed<strong>in</strong>gungen,<br />

unabhängig von ihrem Geschlecht<br />

Wärme, Liebe und Förderung zu erlangen.<br />

Und es müsste daraus e<strong>in</strong>e glückliche Welt<br />

entstehen können. Mit K<strong>in</strong>dern, <strong>die</strong> ihre<br />

Liebesfähigkeit aus tiefem Urvertrauen beziehen<br />

und sich <strong>in</strong> ihrer ganzen Kraft entfalten<br />

können. Frei von quälender Urangst<br />

und quälenden Überforderungen.<br />

In e<strong>in</strong>em Unternehmen <strong>in</strong> der Schweiz, von<br />

e<strong>in</strong>er Frau geführt, können Mütter und<br />

Väter ihrer K<strong>in</strong>der mit zum Arbeitsplatz<br />

nehmen. Auf ihre Fragen e<strong>in</strong>gehen, sie<br />

halten und daneben arbeiten. Und das<br />

Schöne daran: das System hat sich für das<br />

Unternehmen und <strong>die</strong> Mitarbeiter als voller<br />

Erfolg herausgestellt. Die Mitarbeiter<br />

bleiben länger und arbeiten sorgenfreier.<br />

Und <strong>die</strong> K<strong>in</strong>der fühlen sich wohl und sehen<br />

ihren Eltern bei der Arbeit zu.<br />

Es ist e<strong>in</strong> gutes Beispiel für <strong>die</strong> Humanisierung<br />

der Arbeitswelt und ich b<strong>in</strong> sicher,<br />

dass es viele Wege und Möglichkeiten <strong>in</strong><br />

allen Bereichen des Lebens gibt, sie lebensbejahend<br />

und glücksbetont zu gestalten.<br />

Das gilt auch für <strong>die</strong> Themen der Erziehung,<br />

der Bildung, der Berufswahl, der<br />

Arbeitswelt, des Gesundheitswesens, allen<br />

Formen des Ausgegrenztse<strong>in</strong>s, zu Strafund<br />

Bewachungssystemen, zur Sicherheit,<br />

zur Menschenwürde, Individuum/Gesellschaft,<br />

Selbstf<strong>in</strong>dung und Eigenkreativität.<br />

Denn <strong>die</strong> Überbetonung e<strong>in</strong>es krankhaften<br />

und suchtförmigen Perfektionismus <strong>in</strong><br />

unserer Gesellschaft schadet uns allen. Die<br />

Angst vor Versagen h<strong>in</strong>dert uns an der H<strong>in</strong>gabe<br />

ans Leben und am angstfreien Lernen.<br />

Vielleicht funktionieren wir dann nicht alle<br />

so perfekt, aber wer weiß: vielleicht gew<strong>in</strong>nen<br />

wir alle unsere Lebensfreude und Lust<br />

an uns selbst und anderen Menschen zurück<br />

und damit zum Pr<strong>in</strong>zip der Liebe.<br />

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86<br />

„Nut umhüllt den W<strong>in</strong>ter“ 12/92 <strong>Lio</strong><br />

„H<strong>in</strong>gabe“ 2811/93 <strong>Lio</strong>


Jo im Stammbeisl<br />

Es war an e<strong>in</strong>em Samstag. Und <strong>die</strong>ser Samstag<br />

war wie viele Samstage davor heiß und<br />

gleichförmig. Jo stand vor se<strong>in</strong>em Spiegel<br />

im Schlafzimmer, schnippelte e<strong>in</strong> paar verwachsene<br />

Härchen se<strong>in</strong>es schwarzen<br />

Oberlippenbartes zurecht, zog sich mit viel<br />

Sorgfalt an, schmierte <strong>die</strong> Pomade <strong>in</strong>s Haar<br />

und legte <strong>die</strong> e<strong>in</strong>zelnen Locken wie er es<br />

am besten fand, bückte sich e<strong>in</strong> wenig, um<br />

den Hut mit e<strong>in</strong>em kecken Schmiss aufs<br />

Haupt zu setzen und verließ se<strong>in</strong>e Wohnung<br />

gegen Mittag. Er g<strong>in</strong>g langsam und<br />

aufrecht. Sich jeden Schrittes bewusst und<br />

se<strong>in</strong>e Augen, <strong>die</strong> h<strong>in</strong>ter e<strong>in</strong>er dunklen Sonnenbrille<br />

versteckt waren, schauten auf <strong>die</strong><br />

Passanten. Er wollte <strong>die</strong> Wirkung, se<strong>in</strong>e<br />

Wirkung auf <strong>die</strong> Welt spüren. Er wollte<br />

sehen, ob sich se<strong>in</strong>e Erwartungen erfüllen<br />

würden.<br />

Jo richtete se<strong>in</strong>en Blick nach oben und sah,<br />

dass ke<strong>in</strong> Wölkchen am Himmel stand. Er<br />

verhielt den Schritt, drehte sich zum Schaufenster<br />

des Videoshops, aber nicht, um <strong>die</strong><br />

neuesten Pornotitel zu stu<strong>die</strong>ren, sondern<br />

um zu sehen, ob se<strong>in</strong>e schwarze Jacke mit<br />

den vergoldeten Knöpfen faltenlos saß. In<br />

se<strong>in</strong>em Kopf meldeten sich Er<strong>in</strong>nerungen<br />

an den Zocalo von Acapulco. Nächtelang<br />

war er dort auf der Mauer gesessen und<br />

hatte <strong>die</strong> Musik der Mariachis über sich herunterprasseln<br />

lassen. Das hatte ihn auf <strong>die</strong><br />

Idee gebracht, sich <strong>die</strong>se Uniform zuzulegen.<br />

Es war e<strong>in</strong>e gute Entscheidung gewesen.<br />

Der Schneider arbeitete gut und billig.<br />

Nichts verzollt. Und jetzt, <strong>in</strong> der gewohnten<br />

Umgebung konnte er e<strong>in</strong> Image pflegen,<br />

das ihn weit von den anderen distanzierte.<br />

Er war e<strong>in</strong>zigartig. Se<strong>in</strong> Auftreten,<br />

se<strong>in</strong>e Worte. La alma und el corazon. El<br />

patron etc. geschickt e<strong>in</strong>geflochten <strong>in</strong> e<strong>in</strong><br />

paar banale Sätze. Es würde se<strong>in</strong>e Wirkung<br />

nicht verfehlen. Jo warf noch e<strong>in</strong>en letzten<br />

Blick auf se<strong>in</strong> Gesicht, bleckte <strong>die</strong> Zähne,<br />

<strong>die</strong> <strong>in</strong> strahlend weiß anlächelten und spazierte<br />

langsam Richtung Stammlokal.<br />

Jo suchte sich e<strong>in</strong>en prom<strong>in</strong>enten Platz,<br />

setzte sich langsam und schlug <strong>die</strong> Be<strong>in</strong>e<br />

übere<strong>in</strong>ander. Den Hut nahm er mit der<br />

l<strong>in</strong>ken Hand schwungvoll vom Kopf und<br />

legte ihn mitten auf den Tisch. Auf das<br />

l<strong>in</strong>ke Hosenbe<strong>in</strong> breitete er mit Andacht<br />

e<strong>in</strong> kariertes Taschentuch und legte se<strong>in</strong>e<br />

ber<strong>in</strong>gte Hand mit lässiger Gebärde auf das<br />

Tuch am Oberschenkel. So hatte er es <strong>in</strong><br />

Mexiko gesehen. Es schonte <strong>die</strong> Hose und<br />

verh<strong>in</strong>derte den Glanz auf der Hose. Der<br />

Schweiß, der sich bildete wurde vom Taschentuch<br />

aufgesogen. Zufrieden mit sich<br />

lehnte sich Jo zurück, nahm kurz se<strong>in</strong>e Sonnenbrille<br />

ab und schaute sich um. Wenige<br />

bekannte Gesichter heute, dachte er bei<br />

sich. Der Wirt des MOZ kam schon mit<br />

e<strong>in</strong>em breiten Lächeln auf ihn zu. „Amigo,<br />

was darf es se<strong>in</strong>?“ Jo’s Herz hüpfte höher.<br />

Se<strong>in</strong>e monatelange Anstrengung hatte sich<br />

gelohnt. Se<strong>in</strong> Image zog bereits se<strong>in</strong>e Kreise<br />

und bald würde es weitere Kreise ziehen.<br />

Er hatte vor, se<strong>in</strong>en Aktionsradius zu vergrößern.<br />

Jo bestellte e<strong>in</strong> Bier. Früher hatte er mit all<br />

se<strong>in</strong>en Freunden über das Thema Seele<br />

gesprochen. Jetzt fand er, dass man <strong>die</strong>sen<br />

Banausen nichts aufdrängen sollte, was sie<br />

nicht hatten. Für ihn zählte sie, <strong>die</strong> Seele.<br />

Der Machismo der mexikanischen Männer<br />

hatte ihm gefallen. Die Inszenierung der<br />

eigenen Männlichkeit. Das Spiel mit der<br />

eigenen Wirkung. Die europäischen Männer<br />

ließen jeden Individualismus, jeden<br />

Stolz auf ihr Se<strong>in</strong> vermissen. Er fand sie<br />

87


88<br />

langweilig <strong>in</strong> ihrer E<strong>in</strong>fältigkeit. Mit den<br />

genagelten Schuhen und den stillosen Polohemden.<br />

Massenware. Als Mann und als<br />

Inszenierung . Jo wusste, wovon er sprach.<br />

Se<strong>in</strong>e Selbstdef<strong>in</strong>ition hatte nicht <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er<br />

Heimat, sondern im Ausland begonnen. Im<br />

Gegene<strong>in</strong>ander des Bekannten und des Unbekannten<br />

hatte er Lücken gefunden, <strong>die</strong><br />

er für sich schließen wollte. Dazu brauchte<br />

es nur e<strong>in</strong>en geistigen Reißverschluss. Und<br />

den hatte er gefunden. Spiel und Ernst <strong>in</strong><br />

der Selbstdarstellung gegenüber den anderen.<br />

Wie leicht sich manche über se<strong>in</strong>e wahre<br />

Identität täuschen ließen. Für Jo war es<br />

e<strong>in</strong> weiterer Beweis für <strong>die</strong> Oberflächlichkeit<br />

des Kontaktes. Für <strong>die</strong> Oberflächlichkeit<br />

des Austausches. Für das Fehlen ihrer<br />

Seele. Sie suchten nicht se<strong>in</strong>e Seele, sondern<br />

se<strong>in</strong> Image. Und im Glauben darüber,<br />

was er nicht war, <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem Glauben wollte<br />

er sie lassen.<br />

Und nächsten Samstag würde er an se<strong>in</strong>er<br />

Brücke zu den anderen weiterbauen. Se<strong>in</strong><br />

Kunstwerk Samstag für Samstag mehr und<br />

mehr der Vollendung zuführen. Bis er selbst<br />

auch daran glauben würde, etwas Besonderes<br />

zu se<strong>in</strong>. Dann würde er se<strong>in</strong> Ziel erreicht<br />

haben und <strong>in</strong> <strong>die</strong> Normalität se<strong>in</strong>es<br />

Se<strong>in</strong>s zurückgehen können. Ohne Illusion.<br />

„Masked life“ 139/92 <strong>Lio</strong>


„Tr<strong>in</strong>ität der weiblichen Intuition“ 3012/92 <strong>Lio</strong><br />

Schwesterlichkeit und<br />

Brüderlichkeit<br />

Wenn kirchliche Würdenträger von den<br />

Menschen <strong>die</strong>ser Welt sprechen, so sprechen<br />

sie von der „Brüderlichkeit“, niemals<br />

aber von der „Schwesterlichkeit“. Zufall<br />

oder Absicht?<br />

Für <strong>die</strong> meisten großen Weltreligionen<br />

wurde <strong>die</strong> Frau im Laufe des Patriarchats<br />

„kultunfähig“, da sich <strong>die</strong>se Institutionen<br />

mit aller Kraft und Macht bemühten, das<br />

unre<strong>in</strong>e und sündenhafte Weib zu diskreditieren.<br />

Humanisierung der Gesellschaft bedeutet<br />

für uns Frauen auch e<strong>in</strong>e Befreiung von den<br />

verächtlichmachenden Doktr<strong>in</strong>en der<br />

mächtigen Kirchenfürsten.<br />

Solange der Papst als Mann <strong>die</strong> UNFEHL-<br />

BARKEIT e<strong>in</strong>es Menschen, e<strong>in</strong>es Mannes<br />

behauptet, solange kann es ke<strong>in</strong>e angestammte<br />

Würde der Frau geben. Solange<br />

unter dem Deckmantel e<strong>in</strong>es patriarchalen<br />

Gottes Frauen gedemütigt und verstümmelt<br />

werden, solange kann ich nicht an <strong>die</strong> Liebe<br />

und Güte solcher Götter glauben.<br />

Jede Verehrung von Muttergottheiten, sei<br />

es <strong>die</strong> Erdgött<strong>in</strong> Gea, <strong>die</strong> Meeresgött<strong>in</strong><br />

Tiamat, <strong>die</strong> Himmels- und Sternengött<strong>in</strong><br />

Nut, <strong>die</strong> katzenköpfige Gött<strong>in</strong> der Freude<br />

und Liebe „Bastet“, oder <strong>die</strong> Mutter-, Frauen-<br />

und Geburtsgött<strong>in</strong> Isis ersche<strong>in</strong>t mir<br />

unter <strong>die</strong>sen Umständen als Stärkung der<br />

<strong>Frauenseele</strong>.<br />

89


90<br />

„F<strong>in</strong>gerzeig“ 277/92 <strong>Lio</strong>


Immerh<strong>in</strong> musste <strong>die</strong> katholische Kirche<br />

<strong>die</strong> Jungfrau Maria wieder <strong>in</strong> <strong>die</strong> Reihe der<br />

verehrungswürdigen Katholiken aufnehmen,<br />

um dem Wunsch der Frauen nach e<strong>in</strong>er<br />

Muttergottheit gerecht zu werden. Das<br />

sollte zu denken geben.<br />

Für <strong>die</strong> Zukunft <strong>die</strong>ser Welt heißt es für<br />

mich, dass wir zu unserer SCHWESTER-<br />

LICHKEIT f<strong>in</strong>den müssen, <strong>in</strong>nerlich und<br />

<strong>in</strong> der Öffentlichkeit, um <strong>die</strong> Humanisierung<br />

der Welt voranzutreiben.<br />

Der gewaltlose Widerstand von mutigen,<br />

für das Leben e<strong>in</strong>tretenden Frauen <strong>in</strong> aller<br />

Welt kann uns hier e<strong>in</strong> Beispiel se<strong>in</strong>. Internationale<br />

Solidarität <strong>in</strong> vielen Organisationen<br />

fördern das Bewusstse<strong>in</strong>, dass es um<br />

<strong>die</strong> ganze Welt geht. Die Menschenrechte<br />

<strong>in</strong> allen Ländern. Schwesterlichkeit und<br />

Brüderlichkeit auf der ganzen Erde.<br />

„Ver<strong>in</strong>nerlichung von Sprache“ 197/92 <strong>Lio</strong><br />

„Auf Empfang“ 187/92 <strong>Lio</strong><br />

91


92<br />

Der Delph<strong>in</strong> auf der<br />

Schlangen<strong>in</strong>sel<br />

Tiefe Ruhe breitete sich über <strong>die</strong> hügelige<br />

Landschaft des Küstenstriches von<br />

Suchmich. Der W<strong>in</strong>d bewegte <strong>die</strong> Blätter<br />

der Maulbeerbäume und <strong>die</strong> Sonne streifte<br />

<strong>die</strong> Stirne der sitzenden Gestalt, <strong>die</strong> sich<br />

auf dem Felsen <strong>in</strong> der Nähe des Meeresufers<br />

niedergelassen hatte und voll Hoffnung<br />

über <strong>die</strong> blaue, tröstende Wellenlandschaft<br />

schaute.<br />

Sie wusste nicht, wie sie <strong>die</strong> Landschaft<br />

beschreiben sollte. Eigenartig fremd und<br />

weit weg. E<strong>in</strong> knorriger Baumstamm. E<strong>in</strong><br />

verdorrter Hagebuttenstrauch. Die Luft<br />

stand still und legte sich auf <strong>die</strong> Nasenflügel.<br />

Sie hatte das Gefühl, dass sie nicht mehr<br />

atmen konnte. Der Herzschlag verlangsamte<br />

sich und sie horchte auf das Beben <strong>in</strong><br />

ihrem Inneren. Der Brustkorb hob und<br />

senkte sich. Irgend etwas zog sie zu Boden.<br />

Sie verlor das Bewusstse<strong>in</strong>.<br />

Fünfzehn Milliarden Jahre vor unserer Zeit<br />

erhob sich das Licht und umfloss <strong>die</strong> Gestalt,<br />

<strong>die</strong> sich im Spiegelbild zeigte. Hochgereckte<br />

Brüste, wallendes Haar bis zu den<br />

Hüften. Die Venus, <strong>die</strong> vor den Teufelsfüßen<br />

kam. Der Lichtkranz hüllte ihre Gestalt<br />

e<strong>in</strong>, breitete sich über <strong>die</strong> ganze Welt<br />

wie e<strong>in</strong> Schleier des Entzückens.<br />

Am unteren Ende <strong>die</strong>ser Welt erhoben sich<br />

<strong>die</strong> Teufelsfüße. Schwarze Klauen, <strong>die</strong> Gehörnten.<br />

Grau wurde alles, was vorher Weiß<br />

und Schwarz war. Grau wie das Gefieder<br />

der Taube. Solange sie ihre Flügel und ihr<br />

Gefieder <strong>in</strong> Weiß flattern ließ, gab es Frieden<br />

auf <strong>die</strong>ser Erde, <strong>die</strong> nach sovielen Milliarden<br />

Jahren wie durch e<strong>in</strong> Wunder hervorkam.<br />

Wir suchen unsere Spuren umsonst. Wir<br />

tappen im Dunklen. Ungeschickte Pfoten<br />

tasten sich nach vorne. Abgehobene Gedanken<br />

knoten sich zu merkwürdigen<br />

Gedankengebilden. Ohne Zusammenhang<br />

mit dem Ursprung. Fremd und unwirklich.<br />

Dicke Schleier senken sich über das<br />

Bewusstse<strong>in</strong> des kosmischen Geschehens.<br />

Und wieder wird <strong>die</strong> Welt aufgeteilt <strong>in</strong><br />

Schwarz und Weiß. In das Gute und <strong>in</strong> das<br />

Böse. In Gott und Teufel. E<strong>in</strong>e w<strong>in</strong>zige<br />

Gestalt kauert am Boden. Die Ellebogen<br />

auf <strong>die</strong> nasse Erde gestemmt. Große blaue<br />

Tränen quellen aus den Augen. Der Mond<br />

ist verzerrt und e<strong>in</strong> Hilfeschrei entr<strong>in</strong>gt sich<br />

ihm. Die Luft vibriert. Der Himmel bewölkt<br />

sich und dichthängende Nebel, <strong>die</strong><br />

ke<strong>in</strong> Licht durchlassen hüllen <strong>die</strong> ängstliche<br />

Kreatur e<strong>in</strong>.<br />

Tautropfen legen sich auf <strong>die</strong> langen Zoten.<br />

Stampfen mit aller Gewalt <strong>in</strong> <strong>die</strong> Erde.<br />

Langsam kriecht e<strong>in</strong> Etwas im Schlamm<br />

dah<strong>in</strong>. E<strong>in</strong> riesiges Tor tut sich auf. Wie das<br />

Tor e<strong>in</strong>es Stalles, durch das man später das<br />

Vieh treiben würde. E<strong>in</strong> riesiger Körper,<br />

alles verschluckend steht da. Breitbe<strong>in</strong>ig.<br />

Die Knie deuten nach Norden und Süden.<br />

Das Herz pocht. Die Lippen wölben sich<br />

wulstig wie das Maul e<strong>in</strong>es Riesenwals.<br />

Dampfende heiße Luft strömt nach draußen<br />

und formt Wolken. So wie <strong>die</strong> riesige<br />

Kröte ihren Körper bläht, so bläht sich <strong>die</strong><br />

Oberlippe. Langsam öffnet sich der Mund<br />

und <strong>die</strong> Kreatur kriecht langsam nach vorne.<br />

Der Kopf ist e<strong>in</strong>gedrungen und wie<br />

schlangenartig aufgesogen vom Leben.<br />

Zähne schieben sich <strong>in</strong> das nasse Wesen<br />

und ziehen es <strong>in</strong> <strong>die</strong> Wärme der Höhle. E<strong>in</strong>


schwaches, magisches Licht, ähnlich dem<br />

leuchtenden Gral tut sich auf.<br />

Die Tränen trocknen und gleisendes, rötlich<br />

weiches Licht hüllt sie e<strong>in</strong>. Das<br />

Urwissen, das Urvertrauen im Schoße der<br />

großen Mutter Erde. Es kleidet sich mit<br />

Geborgenheit und hält sich fest.<br />

Die schlanken Arme recken sich nach oben<br />

und halten sich am nährenden Busen fest.<br />

Die keimenden Drüsen nähren das neue<br />

Wachsen. Der Ausblick durch <strong>die</strong> Augen<br />

ist verschlossen. Sie s<strong>in</strong>d bl<strong>in</strong>d, denn sie<br />

haben zuviel gesehen und haben sich geschlossen.<br />

Das <strong>in</strong>nere Licht erwärmt <strong>die</strong><br />

Pupille und e<strong>in</strong> Gehörgang öffnet sich.<br />

Spitze, kalte Töne fallen frostig auf das<br />

Trommelfell. Die abgewendete Seele. Das<br />

Dunkel im Widerspruch. Alles fließt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>es.<br />

Der Bocksfüßige, der Gehörnte – er kann<br />

nicht aufrecht stehen. Im Schlamm kriecht<br />

er zu sich h<strong>in</strong>. Zu den Vorfahren des Bösen,<br />

das als Schatten sich zeigt, undurchdr<strong>in</strong>glich<br />

ist und durch nichts verlöschend.<br />

Geträumte Träume, visionierte Visionen.<br />

Die Würde ohne Herrschaft, <strong>die</strong> Gleichheit<br />

aller gleichen.<br />

Nicht ausgesucht, geboren zu werden.<br />

Das E<strong>in</strong>swerden zweier Seelen unter e<strong>in</strong>em<br />

christlichen Gotte. Fischartige Kiemen e<strong>in</strong>es<br />

ungeborenen Wesens. Nicht Sie nicht<br />

Er. Das Anschlagen der Wellen am Ohr.<br />

Die nach <strong>in</strong>nen gewendeten Augen. Den<br />

sicheren Halt verlieren und im Draußen nie<br />

wieder f<strong>in</strong>den. Der Schrei nach dem Verlust<br />

der Geborgenheit. Die eigene Entscheidung<br />

nicht zu atmen, nicht zu sehen. Und<br />

es auf Neugierde tun.<br />

93


94<br />

„Dharana“ 211/91 <strong>Lio</strong>


B29d<br />

„Musik“<br />

Ich lege mich auf Dich<br />

Ich schwebe mit <strong>in</strong> De<strong>in</strong>e Welt<br />

Auf Dir will ich tanzen<br />

Mit Dir me<strong>in</strong>e Träume erfüllen<br />

Tag und Nacht streiten<br />

Dich köpfen<br />

Dich erhöhen<br />

Dich zermalmen<br />

Dich auf <strong>die</strong> Zunge legen<br />

Und zergehen lassen<br />

Mich ändern mit Dir.<br />

Mei Mei Mei Söl Söl hot hot a a Loch<br />

Loch<br />

Mei Söl hot a Loch<br />

Und mei Gfühl r<strong>in</strong>nt do aus<br />

Ols war’s nia g’stockt<br />

So lar is olls<br />

Und I Muaß denkn,<br />

Doss gor nia wos wor<br />

In me<strong>in</strong>a Söl<br />

Mochst Di hort gegn dos,<br />

Wos da weh tuat<br />

Und norchan bist sölba<br />

Da Blöde.<br />

Du siagst und riachst<br />

Nix mehr<br />

Vom Spürn host kann Schimma<br />

Hiaz is es aus<br />

Host es verlurn<br />

Ka Heach und ka Tiafn.<br />

„La Gota blickt wieder nach oben“ 179/91 <strong>Lio</strong><br />

95


96<br />

„Pars pro toto“ 89/91 <strong>Lio</strong>


„Gewohnheit Gewohnheit ist<br />

ist<br />

Gewöhnlichkeit...“<br />

Gewöhnlichkeit...“<br />

Was heißt gewöhnen – ich will es nicht –<br />

Gewöhnlich se<strong>in</strong>.<br />

Ich weiß, dass vieles sich verändert<br />

Und vieles ich verändern kann<br />

Und wenn nichts sich ändert <strong>in</strong> dem<br />

Vielen,<br />

Werde ich verändert se<strong>in</strong>.<br />

Dass alles fließt, sich stets verändert,<br />

Gibt mir Leben<br />

Freude, S<strong>in</strong>n<br />

Ich weiß, dass ich im Flusse<br />

Mitten dr<strong>in</strong>nen b<strong>in</strong>.<br />

Und morgen ist e<strong>in</strong> Teil von heute<br />

Anders als er gestern war<br />

Ich spüre Stärke <strong>in</strong> dem Wandel<br />

Von dem, was menschlich<br />

Schön und wichtig ist.<br />

Gewohnheit ist e<strong>in</strong> Räuber,<br />

Der Stärke stiehlt und das Gefühl,<br />

Für das, was grade eben<br />

Jetzt nur – im Entstehen ist.<br />

„Geborgenheit“ 92/93 <strong>Lio</strong><br />

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98<br />

„Frag’ De<strong>in</strong>en Tod“ 249/91 <strong>Lio</strong>


Demaskierung und<br />

Öffnung für das<br />

Leben<br />

Die Masken, <strong>die</strong> wir selbst tragen, stellen<br />

sich früher oder später nicht nur als Schutz,<br />

sondern auch als Trennung von uns selbst<br />

heraus. Und so entfernen wir uns mit der<br />

Anzahl der aufgesetzten Masken immer<br />

weiter von unserem Sose<strong>in</strong>.<br />

Wenn wir <strong>die</strong> Fülle aller Lebensmöglichkeiten<br />

für unser Leben erkennen<br />

wollen, dann müssen wir <strong>die</strong> Masken nach<br />

und nach fallen lassen und mutig verwundbar<br />

<strong>in</strong>s Leben h<strong>in</strong>ausgehen. In alle unsere<br />

Gefühle, <strong>in</strong> <strong>die</strong> S<strong>in</strong>neserfahrungen, <strong>in</strong> neue<br />

Aufgaben und Situationen.<br />

Doch der Gew<strong>in</strong>n ist groß. Wir lernen,<br />

angstfrei Nähe zuzulassen und beziehen<br />

daraus Wärme. E<strong>in</strong> andermal erkennen wir<br />

durch <strong>die</strong> Schutzlosigkeit, was uns weh tut<br />

und was uns freut.<br />

Desto näher wir uns selbst kommen,<br />

desto mehr Nähe werden wir auch zulassen<br />

können, weil wir wissen, dass nichts<br />

geschehen kann, wenn <strong>die</strong> Masken fallen.<br />

Außer: mehr Nähe, mehr Verständnis, mehr<br />

Ehrlichkeit und Vertrauen. Und im Vertrauen<br />

wächst <strong>die</strong> Intimität. Unser e<strong>in</strong>sames<br />

erwachsenes Selbst wird sich mit dem<br />

Selbst der anderen tiefer Austauschen und<br />

damit Geborgenheit <strong>in</strong> sich selbst und <strong>in</strong><br />

Anwesenheit anderer f<strong>in</strong>den.<br />

Immer mehr können wir übergehen, unser<br />

aufgeblasenes Ego h<strong>in</strong>ter uns zu lassen und<br />

uns selbst nicht so wichtig zu nehmen. Die<br />

Zeit wird nicht mehr ausschließlich mit der<br />

Uhr gemessen, sondern <strong>in</strong> ihrer Qualität.<br />

Für unser Glück s<strong>in</strong>d wir selbst verantwortlich.<br />

Und wir tragen über unsere S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>e<br />

unerschöpfliche Quelle von Freude und<br />

S<strong>in</strong>nlichkeit <strong>in</strong> uns, <strong>die</strong> Zeit, <strong>die</strong> wir erleben<br />

<strong>in</strong> Selbstvergessenheit zu genießen. In<br />

H<strong>in</strong>gabe und Zuwendung zu unseren Gefühlen<br />

und Bedürfnissen.<br />

Ob <strong>die</strong> Selbstliebe nun durch den Magen,<br />

das Herz oder das Ohr geht... oder sich mit<br />

e<strong>in</strong>em Spaziergang Luft verschafft, das<br />

kann jeder für sich entscheiden. Doch ich<br />

glaube, dass wir oft viel zu sehr mit dem<br />

Zählen der M<strong>in</strong>uten beschäftigt s<strong>in</strong>d, als uns<br />

möglichst viele Höhepunkte an Freude,<br />

Glück und Genuss zu verschaffen.<br />

Die Yogi-Tradition sagt: „Der Hastende<br />

verzappelt se<strong>in</strong>e Zeit.“ Und daran mag viel<br />

Wahres se<strong>in</strong>. Wir brauchen nur daran zu<br />

denken, wie oft unsere Zeitplanung danebengeht<br />

und wir uns dem Stress<br />

unserer Erf<strong>in</strong>dung Zeit aussetzen.<br />

Es ist e<strong>in</strong> Plädoyer für <strong>die</strong> Qualität der Zeit.<br />

Und für <strong>die</strong> Qualität des Lebens. Nicht für<br />

<strong>die</strong> Quantität.<br />

99


100<br />

„Selbstbeschau nach der Wurzel“ 1211/92 <strong>Lio</strong><br />

One day...<br />

One day, everyth<strong>in</strong>g comes to an end.<br />

Life, and anyth<strong>in</strong>g.<br />

War, and anyth<strong>in</strong>g.<br />

Peace, and anyth<strong>in</strong>g.<br />

Love, and anyth<strong>in</strong>g.<br />

One day, everyth<strong>in</strong>g comes to an end.<br />

De<strong>in</strong>e Augen<br />

De<strong>in</strong>e Stimme<br />

De<strong>in</strong>e Hand auf me<strong>in</strong>em Arm<br />

Glaube ich e<strong>in</strong> Gott zu se<strong>in</strong><br />

Weder reich und auch nicht arm.<br />

Hast De<strong>in</strong> Herz ganz vorn getragen<br />

Erste Reihe, erstes Glied<br />

Hast <strong>die</strong> Schläge abgefangen<br />

Die es nur für Erste gibt.<br />

Hast gelitten wie e<strong>in</strong> Erster<br />

Hast gekämpft ja ebenso<br />

Niemand hat Dich festgehalten –<br />

Als De<strong>in</strong> Leben aus Dir floh.<br />

„Das Lebensbarometer“ 1511/92 <strong>Lio</strong>


Host Dir gonz umsonst<br />

das Lebn<br />

gnommen<br />

Host Dir gonz umsonst das Lebn<br />

gnommen,<br />

Host Di gonz umsunst so graft,<br />

Host umsonst De<strong>in</strong> Gspü ernst<br />

gnommen<br />

Host vül pleart und Hoar ausgraft,<br />

Nix is onders ohne Di<br />

Olls is gleich bliebn weg’n dem –<br />

Wos host es wegschmissn –<br />

Dei Lebn<br />

„Klare Zukunftsperspektiven“ 152/93 <strong>Lio</strong><br />

„F<strong>in</strong>“ 308/92 <strong>Lio</strong><br />

101


102<br />

„Selbstverwirklichung“ 242/93 <strong>Lio</strong>


„Das Neue gebären“ 82/93 <strong>Lio</strong><br />

Vom abschiedlichen<br />

Leben<br />

Kaum e<strong>in</strong>e Tradition wie <strong>die</strong> europäische<br />

ist so geschickt im Verdrängen des Todes.<br />

Wir glauben, dass wir mit Geldhorten,<br />

Materialhorten dem Tod entgehen.<br />

Doch es gibt auch Kulturen, wo der Tod<br />

offen <strong>in</strong>s Leben <strong>in</strong>tegriert wird. In Mexiko<br />

zum Beispiel, feiern <strong>die</strong> Verwandten zu<br />

Allerheiligen/Allerseelen mit ihren Verstorbenen<br />

auf dem Friedhof. Sie tr<strong>in</strong>ken und<br />

tanzen und lachen.<br />

Das tibetanische und ägyptische Totenbuch<br />

gibt umfassend Auskunft über den Tod.<br />

Seit unserer Geburt begleitet uns der<br />

verlässlichste aller Begleiter – der Tod. Wir<br />

wissen, dass das Ziel des Lebens der Tod<br />

ist. Dass er unvermeidlich ist.<br />

Die Sufi-Tradition sagt: „Stirb’, bevor Du<br />

stirbst.“ Was nichts anderes bedeuten soll,<br />

dass wir vor dem realen persönlichen Tod<br />

alles Loslassen sollen, was nicht zum Leben<br />

gehört. Der Tod ist nur e<strong>in</strong>e andere<br />

Form des Lebens.<br />

Ob wir an Re<strong>in</strong>karnation glauben oder das<br />

Glück im Himmelreich, oder an das absolute<br />

Ende – danach fragt der Tod nicht.<br />

Der Tod kann uns aber im Leben e<strong>in</strong> weiser<br />

Ratgeber se<strong>in</strong>. Wenn wir nicht wissen,<br />

was und wie wir etwas tun sollen, dann weiß<br />

der Tod Antwort.<br />

Für viele Verzweifelte ist im Angesicht der<br />

größten Not oft der Gedanke an Selbstmord<br />

hilfreich. Natürlich ist das ke<strong>in</strong> Ausweg,<br />

für den es sich lohnt, das Leben wegzuwerfen.<br />

Doch im ersten Moment des tiefsten<br />

Unvermögens entsteht Ruhe bei dem<br />

Gedanken, dass wir uns damit Erleichterung<br />

schaffen könnten.<br />

„Lebe, als sei jeder Tag De<strong>in</strong> letzter Kampf<br />

auf Erden“, heißt es <strong>in</strong> Carlo Castanedas<br />

Werk „Die Reise nach Ixtlan“.<br />

Wenn wir wissen, dass es nur e<strong>in</strong>en Richter<br />

<strong>in</strong> unserem Leben gibt – und nur e<strong>in</strong>e<br />

Angst, dann können wir vielleicht aus dem<br />

Wissen den größten Mut, <strong>die</strong> größte Zuversicht<br />

und <strong>die</strong> grenzenloseste H<strong>in</strong>gabe<br />

ans Leben, an jeden Moment unseres Dase<strong>in</strong>s<br />

gew<strong>in</strong>nen. Wovor sollten wir sonst<br />

Angst haben? Niemand sollte zwischen der<br />

103


104<br />

„Harmonie“ 222/93 <strong>Lio</strong>


Angst vor dem Leben und der Angst vor<br />

dem Tod dah<strong>in</strong>vegetieren.<br />

Und so kann das Wissen, dass wir nicht<br />

ewig leben werden, der Maßstab für e<strong>in</strong><br />

mutigeres, <strong>in</strong>tensiveres, erfüllteres Leben<br />

werden.<br />

In Gelassenheit und Leichtigkeit. Mit Humor<br />

und Bes<strong>in</strong>nlichkeit. Im Zweifelsfalle:<br />

„Frag’ De<strong>in</strong>en Tod“...<br />

„Seniora de emotiones“ 811/92 <strong>Lio</strong><br />

Ich lebe,<br />

um zu lieben...<br />

Ich lebe um zu lieben<br />

Mit allen me<strong>in</strong>en S<strong>in</strong>nen<br />

Dr<strong>in</strong>gt <strong>die</strong> Welt und Du<br />

Voll Kraft <strong>in</strong> mich h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>.<br />

In b<strong>in</strong> nicht treu, ich liebe –<br />

Die Freiheit lässt Dich frei<br />

Nur im Moment geb’ ich Dir Liebe<br />

Denn sie ist vogelfrei.<br />

Ich liebe Dich, und Dich,<br />

Und Dich, und alles,<br />

Was ich <strong>in</strong> mir spüre.<br />

Was konzentriert ist <strong>in</strong> mir selbst<br />

In me<strong>in</strong>er Liebe.<br />

Lieben ist das Leben<br />

Und das hat e<strong>in</strong> eigenes Gesetz<br />

Nicht De<strong>in</strong> b<strong>in</strong> ich, nicht immer<br />

Werde ich Dich lieben<br />

Wie im Jetzt.<br />

E<strong>in</strong> Augenblick am Morgen,<br />

Entscheidet, ob ich Dich liebe –<br />

Oder nicht –<br />

Vielleicht hat sich das Leben über Nacht,<br />

E<strong>in</strong>e andere Liebe ausgedacht.<br />

Ich möchte, dass ich immer liebe<br />

Ganz offen streifen me<strong>in</strong>e S<strong>in</strong>ne<br />

Die glatten Arme <strong>die</strong>ser Welt<br />

Voll Gefühl und voll Vertrauen<br />

In <strong>die</strong> Güte des Moments<br />

105


106<br />

„Neue Inhalte - La gota“ 88/91 <strong>Lio</strong>


Unerschöpfliche Fülle<br />

und Intensität des<br />

Lebens<br />

Desto mehr wir uns selbst annehmen und<br />

desto offener wir s<strong>in</strong>d, desto mehr entdekken<br />

wir unsere <strong>in</strong>neren Reichtümer, <strong>die</strong> wir<br />

<strong>in</strong> unserem Leben nach außen tragen können.<br />

Wenn wir alle unsere Gefühle und Bedürfnisse<br />

lebendig leben und uns empfänglich<br />

für alles, was uns geschieht machen, uns<br />

ganz e<strong>in</strong>lassen auf unsere Freude und Begeisterung,<br />

aber auch unsere Wut und Trauer,<br />

dann löst sich <strong>die</strong> Erstarrung, <strong>die</strong> durch<br />

das Niederknüppeln von uns selbst entstanden<br />

ist.<br />

Die ganze Fülle an Leben wird zu e<strong>in</strong>em<br />

Erlebnis, wenn wir uns erlebnisfähig machen<br />

und halten. Nur dann werden wir das<br />

Gefühl haben, mit jeder Faser unseres<br />

Körpers, unserer Seele, unseres Herzens<br />

und unseres Geistes zu leben.<br />

Das wünsche ich mir und allen Menschen<br />

<strong>die</strong>ser Erde. Hier und jetzt <strong>die</strong> ganze <strong>in</strong>nere<br />

und äußere Fülle des Lebens auszukosten.<br />

Maßstab dafür sollte unser eigenes<br />

Gewissen und <strong>die</strong> Stimme des Herzens<br />

se<strong>in</strong>.<br />

Die Schatzsuche. Das verborgene Gold <strong>in</strong><br />

Schwarz aus den Tiefen der eigenen Möglichkeiten<br />

zu heben und ihnen Leben e<strong>in</strong>zuhauchen.<br />

Verborgene Aspekte der eigenen<br />

Persönlichkeit erkennen und <strong>in</strong>tegrieren<br />

und damit e<strong>in</strong>e neue Ganzheit erleben<br />

und Trost <strong>in</strong> <strong>die</strong>ser E<strong>in</strong>samkeit zu f<strong>in</strong>den.<br />

Im Erkennen der verwandten Seele e<strong>in</strong>e<br />

Reise zu wagen, <strong>die</strong> weit über <strong>die</strong> Grenzen<br />

des Meeres h<strong>in</strong>ausführt. In <strong>die</strong> Tiefe des<br />

Vulkankraters h<strong>in</strong>unterzufallen und am<br />

anderen Ende der Welt neu zu erstehen.<br />

Reicher um <strong>die</strong> Erfahrung des Todes und<br />

<strong>die</strong> E<strong>in</strong>igkeit <strong>in</strong> dem Wissen um den Tod.<br />

Der Tod als Maßstab allen Lebendigen und<br />

als Verb<strong>in</strong>dungsglied allen Lebens.<br />

„<strong>Lio</strong>, der Hahn“ 297/92 <strong>Lio</strong><br />

107


108<br />

„<strong>Lio</strong> und Hero <strong>in</strong> ihrer gleichwertigen Kraft“ 202/93 <strong>Lio</strong>


Rückkehr <strong>in</strong> <strong>die</strong><br />

Harmonie des<br />

Ganzen<br />

Wer verachtet, ist im Grunde selbst der<br />

Verachtete. Sobald wir aufhören, das Rad<br />

der Verachtung weiterzudrehen, können wir<br />

anfangen, uns selbst und das Leben zu achten.<br />

Anerkennen wir, dass wir Teil e<strong>in</strong>es größeren<br />

Ganzen s<strong>in</strong>d, verliert sich <strong>die</strong><br />

Grandiosität und se<strong>in</strong> Gegenteil, <strong>die</strong> Depression<br />

und wir können zu unserer <strong>in</strong>neren<br />

Harmonie zurückkehren. Zur Harmonie<br />

mit uns selbst, mit der Umwelt, mit dem<br />

Ganzen.<br />

Nur der Grandiose muss verachten. Weil<br />

er denkt, andere seien schlechter, böser,<br />

m<strong>in</strong>derwertiger, ärmer...<br />

Die Erkenntnis, dass wir über das Ganze<br />

mit allen und allem verbunden s<strong>in</strong>d, kann<br />

uns von Hochmut und starrer Abgrenzung<br />

befreien. Im Bewusstse<strong>in</strong>, dass alles was ist,<br />

e<strong>in</strong> Spiegelbild für uns selbst ist.<br />

Nicht umsonst heißt es: „Liebe Dich selbst<br />

und Du wirst geliebt werden.“ „Gib’, und<br />

Dir wird gegeben“...<br />

Das ließe sich endlos fortsetzen. Wenn wir<br />

erkennen, dass wir das zurückbekommen,<br />

was wir als Ursache gesetzt haben, werden<br />

wir <strong>die</strong> Verantwortung für unser Leben<br />

selbst übernehmen können und uns bewusst<br />

werden, dass wir unsere Lebensumstände<br />

selbst schaffen, <strong>in</strong> denen wir leben.<br />

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110<br />

„Die gespeicherte Kraft ist wach und strömt frei“ 281/93 <strong>Lio</strong>


Literaturh<strong>in</strong>weise<br />

„Die Liebe der Frauen“. Über Weiblichkeit und Misshandlung.<br />

Margit Brückner. Fischer TB 1988<br />

„Verlassenheit und Selbstenfremdung“.<br />

Kathr<strong>in</strong> Asper. Dtv TB 1990<br />

„Frauensprache: Sprache der Veränderung“.<br />

Senta Trömel-Plötz. Fischer 1982<br />

“Die Stärke weiblicher Veränderung”.<br />

Jean Baker Miller. Fischer 1979<br />

„Wir werden nicht als Mädchen geboren – wir werden dazu gemacht.“<br />

Ursula Scheu. Fischer 1977<br />

„Der C<strong>in</strong>derella Komplex“.<br />

Die heimliche Angst der Frauen vor der Unabhängigkeit.<br />

Colette Dowl<strong>in</strong>g. Fischer 1987<br />

„Das Drama des begabten K<strong>in</strong>des“.<br />

Alice Miller. Suhrkamp tb 1983<br />

„Die positive Kraft der Träume.“<br />

Ann Faraday. Knaur 1972<br />

“Die Trennung der Liebenden”.<br />

Igor A. Caruso. Fischer 1986<br />

“Lebenskrisen”.<br />

Hg. Von Christ<strong>in</strong>e Stromberger. Verlag für Gesellschaftskritik, Wien 1990<br />

„Wege aus Angst und Symbiose“.<br />

Verene Kast, dtv tb 1987<br />

„Imag<strong>in</strong>ation als Raum der Freiheit“.<br />

Verena Kast. Walter Verlag, Olten 1989<br />

„Der schöpferische Sprung“.<br />

Vom therapeutischen Umgang mit Krisen.<br />

Verene Kast. Dtv tb 1989<br />

111


112<br />

„Weibliche Wirklichkeit“.<br />

Anne Wilson Schaef. Heyne 1981<br />

„Die Flucht vor der Nähe“<br />

Anne Wilson Schaef. Dtv 1992<br />

„Im Zeitalter der Sucht“<br />

Anne Wilson Schaef. Dtv 1991<br />

„Symbole“<br />

Herder Lexikon. 1990<br />

„Der Frauenatlas“<br />

Joni Seager. Ann Olson. Fischer 1986<br />

Joni Seager. Fischer 1998<br />

„Geistheilung durch sich selbst“.<br />

Kurt Tepperwe<strong>in</strong>. Goldmann 1991<br />

„Stell’ Dir vor...“ und<br />

„Leben im Licht“<br />

Shakti Gawa<strong>in</strong>.<br />

„Die Chronik der Frauen“<br />

Chronikverlag, Dortmund 1992<br />

Knaurs Lexikon der Mythologie<br />

Gerhard J. Bell<strong>in</strong>ger. Droemer Knaur 1989<br />

„Karriere ist weiblich“<br />

Ruth Merkel. Rororo Rowohlt 1989<br />

„Mut zum Erfolg“. Warum Frauen blockiert s<strong>in</strong>d und was sie dagegen tun können“.<br />

Susan Schenke. Campus Verlag Frankfurt 1986<br />

„Wenn Frauen Karriere machen“.<br />

Bock-Rosenthal, Haase, Streeck. Campus Verlag Frankfurt 1978<br />

„Perfekte Frauen“.<br />

Colette Dowl<strong>in</strong>g. S. Fischer 1989<br />

„Die Angst der Frauen, sie selbst zu se<strong>in</strong>.“<br />

Dan Kiley. Kagel Verlag Hamburg und Heyne München 1988


„Matriarchat I“<br />

Heide Göttner-Abendroth, Kohlhammer, 1988<br />

„Matriarchat II“<br />

Heide Göttner-Abendroth, Kohlhammer , 1991<br />

„Die Gött<strong>in</strong> und ihr Heros“<br />

Von Heide Göttner Abendroht, Frauenoffensive, München 1980<br />

„Die Tanzende Gött<strong>in</strong>“<br />

Von Heide Göttner Abendroht, Frauenoffensive, München 1988<br />

„Am Anfang war <strong>die</strong> Frau“<br />

Elizabeth Gould Davis, Ullste<strong>in</strong> Sachbuch, 1990<br />

„Die Zweierbeziehung“<br />

Jürg Willi<br />

„Die Therapie der Zweierbeziehung“<br />

„Die Revolution der Hoffnung“<br />

Erich Fromm. Rowohlt 1974<br />

„Haben und Se<strong>in</strong>“<br />

Erich Fromm. Dtv 1980<br />

Dieser Stand bezieht sich auf <strong>die</strong> Jahre 1990/1991.<br />

„<strong>Lio</strong> y Hero“ 68/91 <strong>Lio</strong><br />

113


114<br />

Dieses Buch wurde von <strong>Lio</strong> <strong>Elfie</strong> <strong>Payer</strong><br />

Kolonitzplatz 6/11, A-1030 Wien<br />

gestaltet und im Eigenverlag als Unikat produziert.<br />

<strong>Lio</strong>. 4.12.2001, Vienna

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