Download - Choreographie und Regie
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le<br />
SACRE<br />
du printemps<br />
Musik: Igor Stravinsky<br />
Tanz: Kompanie Konstantin Tsakalidis<br />
Perkussion: Patrick Manzecchi<br />
Das Thema „Opfer“ hat mich sehr berührt, weil es, wie ich denke, zu einem<br />
der Themenbereiche gehört, die in unserer Gegenwart zwar sehr präsent<br />
vorhanden sind, denen jedoch kein Raum zur Reflexion geboten wird.<br />
Opfer zu bringen oder Opfer zu sein ist ein Tabu, das sich unter dem<br />
Mantel des Schweigens nur noch vergrößert. Oft denke ich, Kunst braucht<br />
Opfer, <strong>und</strong> mit dieser Rolle identifiziert, wächst die Kraft des Opfers in mir.<br />
Sensibilisiere ich mich für dieses Thema, begegnet es mir überall – aber<br />
nie offenk<strong>und</strong>ig: das Aufopfern für den Job, für den Partner, für dessen Job<br />
oder fast immer für die Kinder, die es einmal besser haben sollen. Und mit<br />
der Märtyrerrolle wächst nicht nur die Kraft, mit der du über deine Grenzen<br />
hinausgehen kannst, es entsteht auch eine stille Befriedigung, alles gegeben<br />
zu haben. Und mit ihr überragst du alles <strong>und</strong> jeden. Da stehen Schicksale<br />
wie Türme. Auf der reaktiven Gegenseite wird der, für den sich<br />
jemand opfert, ohne Zutun zum Täter, dessen Verantwortung für den Märtyrer<br />
spiegelt sich in einer Verstrickung aus Schuldgefühlen. Sich aus der<br />
Opferrolle emotional zu befreien ist ein Verrat am Märtyrer <strong>und</strong> bringt beide<br />
Parteien in eine Abhängigkeit. Deren einfachste Lösung scheint das Verlagern<br />
der Thematik in eine tiefere Schicht, von der aus von Zeit zu Zeit nur<br />
die Spitzen des Konfliktes in den bewussten Raum vordringen.<br />
Dem Märtyrergedanken geht immer ein Ideal voraus: die Vision eines<br />
Paradieses, die Erneuerung der Welt. Jeder, der sich opfert oder der der<br />
Meinung ist, andere opfern zu müssen, tut dies im Gedanken an eine bessere<br />
Welt in der Zukunft. Nur so ist es möglich, diesen Vorgang rechtfertigen<br />
zu können. Strawinsky hat diesen Erneuerungsgedanken in den<br />
Mittelpunkt seiner Musik gestellt. Die Wiedergeburt der ganzen Welt. Eine<br />
großartige Idee, die ein großes Opfer fordert. Auf der Handlungsebene<br />
spielt die Vorlage zur Musik im heidnischen Russland, wo eine Jungfrau<br />
der Erde geopfert wird. Das hört sich sehr entfernt <strong>und</strong> unwirklich an. Ich<br />
kann mir jedenfalls nicht vorstellen, meine Tochter in der Hoffnung auf den<br />
Frühling zu opfern. Es hört sich für mich nach einem primitiven Ritual an,<br />
das das Leben eines unschuldigen Mädchens kostet <strong>und</strong> nichts bringt.<br />
Weit weg. Und doch wurden inmitten unserer Gesellschaft von rechten<br />
Terroristen türkische <strong>und</strong> griechische Mitbürger hingerichtet. In Libyen<br />
haben Tausende den Märtyrertod in der Hoffnung auf eine bessere Welt<br />
auf sich genommen, in Syrien wurden unlängst über h<strong>und</strong>ert Kinder hingerichtet,<br />
<strong>und</strong> weltweit gab es in jüngerer Zeit unzählige Attentate mit einer<br />
Vielzahl von Opfern. Alle sind gestorben mit der Vision, die zukünftige Welt<br />
in einer Erneuerung wiederzufinden, ausgehend von einem Ideal, das aus<br />
Religionen oder Ideologien besteht.<br />
Meiner Interpretation der Musik von Stravinsky hab ich deshalb einen Prolog<br />
vorangestellt, der einen Idealzustand formuliert, der immer mehr aus den Fugen<br />
gerät. Dieses Entgleisen des Idealgedankens rechtfertigt die Notwendigkeit zur<br />
Handlung, die sich zuerst in einem Gebet ausdrückt. Aber auch nach dem Gebet<br />
lässt sich die Symbiose, das Paradies, nicht finden. Dadurch steigt der Druck im<br />
Inneren der Figuren. Die Musik beginnt in dem Moment, wo der Betenden klar wird,<br />
dass es mehr von ihr braucht. Im Lauf der Inszenierung gibt sie alles von sich für<br />
die anderen. Dabei durchlebt sie die Vision des Paradieses – diesen Erneuerungsgedanken<br />
ebenso wie die Huldigung, die ihr, der Märtyrin, entgegengebracht wird.<br />
Diese Huldigung schafft Nachahmer, die sich in dem Ruhm sonnen wollen, aber<br />
nicht bereit sind, die letzte Konsequenz auf sich zu nehmen: die Erneuerung mit<br />
dem eigenen Leben zu bezahlen. Die emotionale Verstrickung zwischen Täter <strong>und</strong><br />
Opfer kommt in all ihren Facetten zum Tragen. Das alles passiert auf einer nonverbalen<br />
Ebene <strong>und</strong> nicht in erzählerischer Form. Der Tanz umkreist die Thematik auf<br />
einer fühlenden <strong>und</strong> ahnenden Erzählform, in der es Raum für Interpretationen<br />
gibt, die eigene Erfahrungen, die im Innersten gelagert sind, zum Schwingen<br />
bringen <strong>und</strong> so Reflexionen auslösen. (KT)<br />
Konstantin Tsakalidis<br />
Freischaffender Choreograph <strong>und</strong> Regisseur, erhielt<br />
1993 ein Stipendium am Laban Centre in London für<br />
den Studiengang Master of Arts in <strong>Choreographie</strong>. In<br />
Dresden, Berlin, London <strong>und</strong> Zürich inszenierte er an<br />
staatlichen Theatern <strong>und</strong> in der Freien Szene. Seine<br />
Stücke wurden für verschiedene Preise nominiert.<br />
Sein Buch „<strong>Choreographie</strong> – Handwerk <strong>und</strong> Vision“<br />
erschien 2011.<br />
Von 2010 bis 2012 erhielt Konstantin Tsakalidis für die<br />
Produktionen mit professionellen Tänzern die Konzeptionsförderung<br />
des Landes Baden Württemberg.<br />
Daraus entstanden bisher die Stücke BORDERLINES<br />
<strong>und</strong> RIDERS ON THE STORM.
Susanne Eder<br />
studierte Tanz an der Hochschule für Musik <strong>und</strong> Tanz in<br />
Köln. Anschließend verbrachte sie während eines<br />
apprentice Programms mit der Kibbutz Contemporary<br />
Dance Company sechs Monate im Kibbutz Ga´aton,<br />
Israel. Wieder zurück in Deutschland lebt sie nun als<br />
freiberufliche Tänzerin in Berlin. Sie ist Mitbegründerin<br />
des jungen Kollektivs "The Foreigners´collective"<br />
Yuta Hamaguchi<br />
wurde 1982 in Japan geboren. Seine Tanz-Karriere<br />
begann er im Street Dance, den er von 1997 bis<br />
2005 auch unterrichtete. Anschließend erweiterte er<br />
sein tänzerisches Spektrum <strong>und</strong> konzentrierte sich<br />
zunehmend auf zeitgenössische Tanzformen. Es<br />
folgten Engagements am Polish Dancetheater<br />
(2006-07) <strong>und</strong> am Landestheater Coburg (2008-11).<br />
Seit 2011 arbeitet Hamaguchi als freischaffender<br />
Tänzer (u.a. für Angie Hisl <strong>und</strong> die Oper am Rhein).<br />
Beatrice Kessi<br />
geboren in der Schweiz, studierte Tanz an der<br />
CODARTS in Rotterdam (NL) <strong>und</strong> besuchte als<br />
Gasttänzerin die CINEVOX Junior Company <strong>und</strong><br />
die Spellbo<strong>und</strong>ance Company in Rom (IT). Sie hat<br />
international freischaffend mit unterschiedlichen<br />
Choreografen wie Amy Raymond, Jan Fabre,<br />
Hildegard Draaijer <strong>und</strong> Gloria Pomardi zusammengearbeitet.<br />
Seit 2012 ist sie Mitglied der Tanzgesellschaft<br />
EMOX Balletto Contemporaneo in Florenz<br />
unter der Leitung von Beatrice Paoleschi.<br />
Dorianne Locatelli<br />
geboren in der Schweiz, absolvierte ihre Tanzausbildung<br />
an der Züricher Tanz-Theater Schule im<br />
Jahr 2006. Dort sammelte sie bereits die ersten<br />
Bühnenerfahrungen mit den Choreografen Samuel<br />
Meystres, Kjersti Sandstö Mueller, Gisela Rocha<br />
<strong>und</strong> Julia Medugno. Seitdem arbeitete sie u. a. in<br />
den Kompanien „Cie le Marchepied“, „Cie Somafon“<br />
<strong>und</strong> „Cie Tsakalidis“. Weitere Erfahrungen<br />
sammelte sie als freischaffende Tänzerin mit den<br />
Choreografen Tino Sehgal, Nicholas Pettit <strong>und</strong><br />
Ismael Lorenzo.<br />
Ahmed Soura<br />
Tänzer <strong>und</strong> Choreograph, geboren in Burkina Faso<br />
(BFA). Ausbildung am Institut National de Formation<br />
Artistique et Culturelle in BFA <strong>und</strong> am "Exerce 2007" des<br />
CCN Montpellier durch Mathilde Monnier <strong>und</strong> Xavier Le<br />
Roy. Er studierte zeitgenössischen Tanz bei Carolyn<br />
Carlson <strong>und</strong> Eddy Malem, war Mitglied der Kompanie<br />
Saliani Seydou, Angelin Preljocaj (Frankreich), gewann<br />
2011 den dritten Preis am 15. internationalen Solo-Tanz-<br />
Theater Festival in Stuttgart. Er ist Tänzer in Stück "Via<br />
Intolleranza II" von Christoph Schligensief <strong>und</strong> assistiert<br />
in den <strong>Choreographie</strong>n von Irène Tassembedo in BFA.<br />
Yasha Wang<br />
Studierte chinesischen Tanz in Shanghai <strong>und</strong> Hongkong,<br />
zeitgenössischen Tanz an der Hochschule für Musik <strong>und</strong><br />
Tanz Köln. Als Tänzerin arbeitete sie mit Choreographen<br />
wie Nick Hobbs, Massimo Gerardi, Amanda Miller, Trisha<br />
Brown, La Fura dels Baus <strong>und</strong> anderen. Engagements u.<br />
a. an der Oper Köln, Theater Bonn, Stadttheater Gießen,<br />
Tanzhaus NRW, „documenta 12" Kassel. Eigene choreographische<br />
Arbeiten u.a. Kölner Philharmonie, Bayerische<br />
Staatsoper München. Langjährige Arbeit beim<br />
Education-Projekt des Klavierfestivals Ruhr.<br />
Herzlichen Dank an:<br />
Patick Manzecchi Perkussion<br />
Vornehmlich im Jazz zu Hause, leitet er sein eigenes<br />
Quartett, arbeitet aber auch mit bedeutenden internationalen<br />
Größen wie Richie Beirach, Mark Soskin, Barry<br />
Harris. Offen für Experimente aller Art, ob Solo, mit dem<br />
Schauspieler Frank Lettenewitsch oder bereits wie in<br />
verschiedenen Tsakalidis-Produktionen. Grenzüberschreitende<br />
Exzesse, gepaart mit einem tiefen Kunstverständnis,<br />
zeichnen seine expressive Stimme aus. Künstlerförderpreisträger<br />
der Stadt Friedrichshafen 2004 <strong>und</strong><br />
laut 'Südkurier' (April 2012) einer der 10 besten Schlagzeuger.<br />
Werner Nater Projektleiter <strong>und</strong> <strong>Regie</strong>assistent<br />
ausgebildeter Atmosphärenphysiker <strong>und</strong> Manager für<br />
Entwicklungszusammenarbeit, studierte bei Anna Halprin<br />
Tanzpädagogik am Tamalpa Institut (USA) <strong>und</strong> bei K.<br />
Tsakalidis <strong>Choreographie</strong>. Leitete verschiedene Entwicklungsprojekte<br />
in Nepal <strong>und</strong> Indien <strong>und</strong> arbeitete als<br />
Tanztherapeut in psychiatrischen Kliniken in der Schweiz.<br />
Zurzeit leitet er das Projekt "Science meets Dharma" an<br />
den buddhistischen Ausbildungsklöstern in Südindien, in<br />
denen im Auftrag des Dalai Lama westliche Naturwissenschaften<br />
als Unterrichtsfach für Mönche <strong>und</strong> Nonnen<br />
eingeführt wird.