Mut zur Vision - Kommunikations-Kolleg AG Beratung Training
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FACHTEIL Führung<br />
Mehr <strong>Mut</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vision</strong><br />
Unternehmensvisionen sollen die Leidenschaft der<br />
Mitarbeiter beflügeln und den Aktivitäten von<br />
Unternehmen Sinn und Richtung geben. Aber in den<br />
meisten Unternehmen lächeln die Mitarbeiter<br />
nur müde, wenn sie das Wort „<strong>Vision</strong>“ hören.<br />
Hat die Unternehmensvision als Führungsinstrument<br />
ausgedient?<br />
U<br />
nternehmensvisionen formulieren ein<br />
erwünschtes Bild von der Zukunft des<br />
Unternehmens und sind weit verbreitet. In<br />
einer aktuellen Umfrage der <strong>Kommunikations</strong>-<strong>Kolleg</strong><br />
<strong>AG</strong> (KK <strong>AG</strong>) unter 291 Führungskräften<br />
deutscher Unternehmen sagen 90<br />
Prozent der Befragten, dass ihr Unternehmen<br />
eine <strong>Vision</strong> hat. Allerdings scheint die<br />
<strong>Vision</strong> <strong>zur</strong> Nebensache zu geraten: Nur 17<br />
Prozent stimmen zu, dass ihr Leitbild für<br />
die Zukunft eine hilfreiche Funktion erfüllt.<br />
Das Ergebnis überrascht, zumal wissenschaftliche<br />
Studien in der Vergangenheit<br />
eindrücklich zeigen konnten, dass <strong>Vision</strong>en<br />
Mitarbeiter motivieren und dem Geschäftserfolg<br />
zuträglich sind.<br />
<strong>Vision</strong>en statt Ziele formulieren<br />
Zwei Fehlentwicklungen im Umgang mit<br />
Unternehmensvisionen tragen dazu bei, dass<br />
<strong>Vision</strong>en ihre Bedeutung verlieren. Zum<br />
einen versteckt sich bei vielen Unternehmen<br />
hinter dem Begriff <strong>Vision</strong> keine <strong>Vision</strong><br />
im eigentlichen Sinne. Häufig nutzen<br />
Unternehmen den <strong>Vision</strong>sbegriff, um ihre<br />
Ziele zu formulieren: „zehn Prozent mehr<br />
Marktanteil in zwei Jahren“ oder „die 100 Millionen<br />
Umsatzgrenze überschreiten in drei<br />
Jahren“. So griffig und messbar derartige<br />
Ziele sind, so wenig entsprechen sie dem<br />
34<br />
01|2011 www.personalwirtschaft.de<br />
Grundgedanken einer <strong>Vision</strong>.<br />
Eine <strong>Vision</strong> entfaltet nur dann ihre Wirkung,<br />
wenn sie einzigartig ist, ein vorstellbares<br />
und emotional ansprechendes Bild der<br />
Zukunft erzeugt und die Mitarbeiter unter<br />
einem gemeinsamen Ansinnen vereint. Bei<br />
genauerer Betrachtung genügen die wenigsten<br />
<strong>Vision</strong>en diesem Anspruch. Von 140<br />
Unternehmensvisionen von deutschen Mittelstandsunternehmen<br />
konnten nach unse-<br />
rer Prüfung nur 20 Prozent zumindest einen<br />
Teil dieser Kriterien erfüllen. Vergleicht man<br />
die zumeist nüchternen, zahlenorientierten,<br />
zeitlich befristeten und kurzfristig gedachten<br />
vermeintlichen <strong>Vision</strong>en mit dem<br />
Zukunftsbild von Microsoft Gründer Bill<br />
Gates vor 30 Jahren („jeder Haushalt soll<br />
einen Computer mit Microsoft-Software<br />
haben“), wird klar, weshalb Pseudovisionen<br />
häufig kaum Bedeutung haben. Während<br />
Die 7-Punkte-Checkliste für <strong>Vision</strong>en Info<br />
1. Bildhaft: Können Sie sich die Zukunft, die die <strong>Vision</strong> beschreibt, bildlich vorstellen?<br />
❒ ja ❒ nein<br />
2. Spezifisch: Ist die <strong>Vision</strong> so auf Ihr Unternehmen zugeschnitten, dass sie nicht für ein beliebiges<br />
anderes Unternehmen gelten kann?<br />
❒ ja ❒ nein<br />
3. Identitätsstiftend: Können sich alle Bereiche der Organisation mit der <strong>Vision</strong> identifizieren?<br />
❒ ja ❒ nein<br />
4. Stabil: Ist die <strong>Vision</strong> übergreifend genug formuliert, so dass sie auch in Krisenzeiten Geltung<br />
behalten kann und durch notwendigen Change nicht hinfällig wird?<br />
❒ ja ❒ nein<br />
5. Sinngebend: Ist es wirklich wichtig, die <strong>Vision</strong> zu erreichen?<br />
❒ ja ❒ nein<br />
6. Zukunftsorientiert: Beschreibt die <strong>Vision</strong> einen Soll-Zustand in weiter, aber vorstellbarer Zukunft?<br />
❒ ja ❒ nein<br />
7. Klar: Versteht die <strong>Vision</strong> jeder?<br />
❒ ja ❒ nein<br />
Je öfter Sie „ja“ angekreuzt haben, desto wirkungsvoller ist Ihre Unternehmensvision.
Umfrage bei Unternehmen<br />
Plant Ihr Unternehmen aufgrund der Krise eine Anpassung<br />
oder Veränderung der Unternehmensvision?<br />
Vollständig 4%<br />
Teilweise 45%<br />
die Mitarbeiter von Microsoft förmlich sehen<br />
konnten, wie auf den Bildschirmen in Büros<br />
und Wohnungen überall auf der Welt das<br />
Windows Zeichen aufleuchtet, finden es die<br />
wenigsten Mitarbeiter mitreißend, von zehn<br />
Prozent mehr Marktanteil zu träumen.<br />
<strong>Vision</strong>en verteidigen<br />
Der zweite Grund für die zunehmende Vernachlässigung<br />
von <strong>Vision</strong>en ist die Wirtschaftskrise.<br />
70 Prozent der von uns befragten<br />
Führungskräfte sagen, dass ihre<br />
Unternehmensvision den Mitarbeitern im<br />
wirtschaftlichen Auf und Ab des letzten Jahres<br />
kaum Orientierung geben konnte. In Krisenzeiten<br />
diktieren die Ereignisse die Handlungen.<br />
Die großen und ambitionierten<br />
Unternehmensvisionen scheinen da realitätsfern.<br />
Was in guten Zeiten vielleicht gerade<br />
so machbar schien, wirkt in schlechten<br />
Zeiten allemal vermessen.<br />
Aber kein Führungsinstrument ist besser<br />
geeignet als die <strong>Vision</strong>, um eine langfristige<br />
Orientierung in kurzfristigen Turbulenzen<br />
zu geben. Gerade wenn die <strong>Vision</strong> in<br />
Gefahr gerät, gerade wenn der Traum zu<br />
platzen droht, sind Mitarbeiter bereit, all<br />
ihre Energie zu investieren. Wer dazu aufruft,<br />
eine wertvolle <strong>Vision</strong> zu verteidigen,<br />
entfacht eine enorme Widerstandskraft<br />
gegen die Krise und gewinnt die beherzte<br />
Unterstützung der Mitarbeiter.<br />
Gar nicht 30%<br />
Kaum 21%<br />
Nicht alle Unternehmen wollen ihre <strong>Vision</strong>en in Zeiten der Krise anpassen.<br />
Abbildung<br />
Anstatt aber die Unternehmensvision in widrigen<br />
Zeiten zu verteidigen, geben immerhin<br />
fast die Hälfte der Führungskräfte an,<br />
dass ihr Unternehmen plant, aufgrund der<br />
Krise die Unternehmensvision vollständig<br />
(vier Prozent) oder teilweise (45 Prozent)<br />
anzupassen (siehe Abbildung). Derartige<br />
Kompromisse sind falsch. Sie weisen entweder<br />
auf, dass bei der Formulierung der<br />
<strong>Vision</strong> nicht genügend Puffer eingebaut wurde,<br />
um mit Krisen und Rückschlägen umzugehen.<br />
Oder dass es die <strong>Vision</strong> nicht wert ist<br />
verteidigt zu werden. Wenn Unternehmensvisionen<br />
aber beliebig anpassbar sind, verlieren<br />
sie ihren motivierenden Effekt.<br />
Die Kraft der <strong>Vision</strong> <strong>zur</strong>ückgewinnen<br />
Auf dem Weg aus der Krise heraus können<br />
Unternehmen die <strong>Vision</strong> als Führungsinstrument<br />
neu entdecken. Der erste Schritt<br />
hin zu einer wirkungsvollen <strong>Vision</strong> ist die<br />
Überprüfung und Überarbeitung der bisherigen<br />
<strong>Vision</strong>. Wer die eigene Unternehmensvision<br />
liest, muss ein Bild vor Augen haben,<br />
wie die Zukunft des Unternehmens aussieht<br />
– und er muss das Gefühl im Bauch haben,<br />
dass es sich lohnt, diesen Weg in die Zukunft<br />
zu gehen (selbst wenn der Weg schwer<br />
erscheint). <strong>Vision</strong>en, die nur Zahlen oder<br />
Zeitspannen enthalten, sind oft wenig hilfreich,<br />
weil sie weniger emotionale Begeisterung<br />
als Leistungsdruck schüren und in<br />
Krisenzeiten oft hinfällig werden. Ferner<br />
dürfen <strong>Vision</strong>en keine Worthülsen sein, die<br />
beliebig austauschbar sind. Wenn die <strong>Vision</strong><br />
noch gut klingt, obwohl man den Namen<br />
eines anderen Unternehmens einsetzt, ist<br />
sie zu wenig spezifisch.<br />
Der zweite Schritt ist, der <strong>Vision</strong> Bedeutung<br />
zu verleihen. Wenn Führungskräfte die <strong>Vision</strong><br />
für nutzlos halten, werden Mitarbeiter<br />
den schönen Worten von der Zukunft allemal<br />
keinen Glauben schenken. Wenn Führungskräfte<br />
hingegen auf die <strong>Vision</strong> verweisen,<br />
um Mitarbeitern eine langfristige<br />
Orientierung zu geben, dann werden viele<br />
oftmals kurzfristig strapaziöse Maßnahmen<br />
nachvollziehbar und ertragbar. Die Orientierung<br />
an der <strong>Vision</strong> ermöglicht ein Gefühl<br />
von Kontinuität über das „Jetzt“ hinaus, das<br />
insbesondere in Zeiten von Wandel und Unsicherheit<br />
von großer Bedeutung ist.<br />
Im letzten Schritt geht die <strong>Vision</strong> über in<br />
das tägliche Leben und Handeln der Mitarbeiter.<br />
Der Glaube an die <strong>Vision</strong>, die Hoffnung<br />
und Begeisterung, die sich daraus ergeben,<br />
macht es letztlich obsolet, die Mitarbeiter<br />
an die <strong>Vision</strong> zu erinnern. Eine gelebte <strong>Vision</strong><br />
braucht nicht ständig ausgesprochen zu<br />
werden – sie steuert und motiviert die Mitarbeiter<br />
von selbst. Um dieses Ziel zu erreichen,<br />
muss die <strong>Vision</strong> die Mitarbeiter verbinden,<br />
für alle gleichsam attraktiv und<br />
bedeutungsvoll sein und unabhängig von<br />
einzelnen Führungskräften Bestand haben.<br />
Dass Unternehmensvisionen jüngst belächelt<br />
wurden, lag weniger an dem Instrument<br />
an sich als an dessen Umsetzung und<br />
Nutzung. Wenn fesselnde <strong>Vision</strong>en richtig<br />
eingesetzt werden, tragen sie auch zum<br />
Geschäftserfolg bei. Wer das bezweifelt, der<br />
schaue auf seinen Bildschirm und das Logo,<br />
dass da unten links leuchtet.<br />
Autoren<br />
Dr. Jochen Menges,<br />
Dozent für Personalmanagement an der<br />
Universität Cambridge, j.menges@jbs.cam.ac.uk<br />
Hannes Horn,<br />
Trainer & Berater der <strong>Kommunikations</strong>-<strong>Kolleg</strong> <strong>AG</strong>,<br />
horn@kkag.com<br />
Jan Kabath,<br />
London School of Economics,<br />
jankabath@gmail.com<br />
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