„Am liebsten sind mir die Verwalter mit Rückgrat“ - INDat-Report ...
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Richter-Porträt<br />
Manfred Ley.<br />
Das Insolvenz- und Vollstreckungsgericht<br />
befi ndet sich in der Flaschenhofstraße<br />
und ist nicht weit vom Zentrum entfernt.<br />
Richter Manfred Ley empfängt mich in<br />
seinem Zimmer. Ley, Jahrgang 43, ist<br />
einer der ältesten und angesehensten<br />
Insolvenzrichter Deutschlands.<br />
Geboren ist der Richter in Nürnberg.<br />
„Eigentlich bin ich ein Fürther. Das Krankenhaus<br />
stand aber in Nürnberg“, erklärt<br />
der Richter. Der Vater ist Großkaufmann.<br />
In seiner Kindheit erlebt er un<strong>mit</strong>telbar<br />
das Leben eines Kaufmanns, das<br />
heißt rechnen, Rabatte, Zahlungsziele,<br />
aber auch <strong>die</strong> Stimmung, wenn ein<br />
Kunde nicht zahlt und Konkurs anmeldet.<br />
Seine Kindheit verbringt er in der<br />
Arbeiterstadt Fürth, in un<strong>mit</strong>telbarer<br />
Nähe der Grundig-Werke, <strong>die</strong> heute<br />
bankrott <strong>sind</strong>. Er besucht <strong>die</strong> Volksschule<br />
und später das Realgymnasium<br />
in Nürnberg. Seine Lieblingsfächer <strong>sind</strong><br />
Sprachen, <strong>die</strong> er <strong>mit</strong> zwei Sprachaufenthalten<br />
in England ausbaut. Abitur legt<br />
er 1963 ab. Er möchte seinem Vater<br />
folgen und Kaufmann werden. Doch<br />
er befolgt den Rat eines Patenonkels,<br />
der ihm eine Banklehre und das Jurastudium<br />
empfi ehlt. Doch zuerst musste<br />
Ley <strong>mit</strong> weiteren 22 Klassenkameraden<br />
Lose ziehen, wer zum Bund muss. Ley<br />
hat ‚Pech’ und wird eingezogen. „Ich<br />
empfand es nicht als ärgerlich, eher im<br />
Gegenteil“, erinnert er sich. Er verlängert<br />
seine Dienstzeit und schlägt eine<br />
Reserveoffi zierslaufbahn ein, <strong>die</strong> ihn <strong>mit</strong><br />
späteren Wehrübungen noch nach der<br />
Dienstzeit begleiten.<br />
1965 wird er als Leutnant der Reserve<br />
entlassen und er beschließt wegen des<br />
fortgeschrittenen Alters und des Wehr<strong>die</strong>nstes<br />
auf <strong>die</strong> Banklehre zu verzichten.<br />
Er bleibt in Nürnberg und schreibt sich<br />
an der „Friedrich Alexander Universität<br />
Erlangen-Nürnberg“ ein, da „ich in anderen<br />
Städten vielleicht einige Semester<br />
verloren hätte.“<br />
Er lässt es sich gutgehen, ohne sein Ziel<br />
aus den Augen zu verlieren. So führen<br />
ihn einige Reisen durch Europa. „In<br />
Schottland trampen war nicht so einfach“,<br />
erinnert er sich an eine schöne<br />
Zeit. In den Ferien arbeitet er in dem<br />
Geschäft seines Vaters oder fährt zu<br />
Wehrübungen. 1970 besteht er sein<br />
erstes Staatsexamen, der Besuch eines<br />
„Paukers“ hatte sich gelohnt.<br />
Richterliche Unabhängigkeit<br />
war ausschlagebend für<br />
den Berufswunsch<br />
Den Referendar<strong>die</strong>nst leistet im Bereich<br />
des OLG Nürnberg ab. Nebenbei arbeitet<br />
er in einer bekannten Kanzlei, <strong>die</strong><br />
wirtschafts- und steuerrechtlich ausgerichtet<br />
ist. Er lernt alle Facetten der<br />
Arbeit, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Kanzlei aufweist. „Diese<br />
Nebentätigkeit hat <strong>mir</strong> im zweiten<br />
Staatsexamen, das ich 1973 abgelegt<br />
habe, sehr geholfen. Ich habe dort eine<br />
Erbrechtsklausur geschrieben, <strong>die</strong> ein<br />
Praktiker kontrolliert hat. Diese Klausur<br />
hat <strong>mir</strong> sehr viele Punkte gebracht“, erinnert<br />
sich Ley.<br />
Er entscheidet sich für den Richterberuf.<br />
„Richterliche Unabhängigkeit war<br />
ausschlagebend für den Berufswunsch.<br />
Ich hatte in meiner Referendarzeit <strong>mit</strong><br />
vielen Richtern gesprochen und daher<br />
ein klares Berufsbild“, begründet er seine<br />
Entscheidung.<br />
Am 1. September 1973 tritt er in <strong>die</strong><br />
Justiz ein. Nach dem bayrischen Rota-<br />
<strong>„Am</strong> <strong>liebsten</strong> <strong>sind</strong> <strong>mir</strong> <strong>die</strong><br />
<strong>Verwalter</strong> <strong>mit</strong> <strong>Rückgrat“</strong><br />
Von Jens Hertling<br />
NÜRNBERG. Ist eine Stadt <strong>mit</strong> einer tausendjährigen Geschichte. Gleichzeitig ist<br />
sie eine bedeutende Industriestadt in Bayern, <strong>die</strong> 2003 durch <strong>die</strong><br />
Pleite des Grundig-Konzerns in den Schlagzeilen stand. Diese und<br />
andere Pleiten sorgen dafür, dass dem Insolvenzgericht <strong>die</strong> Arbeit<br />
nicht ausgeht. Hier ist <strong>die</strong> Arbeitsstelle von Manfred Ley, der als<br />
weiterführender Richter das Insolvenz- und Vollstreckungsgericht<br />
Nürnberg leitet.<br />
tionsprinzip arbeitet er zuerst als Jugendstaatsanwalt<br />
und danach als Verkehrsstaatsanwalt.<br />
Sein Chef ist der<br />
bekannte Beruferater Hans Sachs aus<br />
der TV-Serie „Was bin ich?“.<br />
Verkehrsrecht gefällt dem jungen Staatsanwalt<br />
recht gut. Den Tipp seines Vorgesetzten:<br />
„Wenn sie etwas erreichen wollen,<br />
dann müssen sie Richter werden“,<br />
nimmt er sich zu Herzen und wechselt<br />
1977 als Richter auf Lebenszeit in das<br />
Zivil- und Mietreferat am Nürnberger<br />
Amtsgericht, wo er <strong>die</strong> ZPO-Novelle<br />
erlebt.<br />
Später wechselt er in das Verkehrsreferat,<br />
dann in das Jugendreferat.<br />
Gleichzeitig erteilt er Rechtskunde an<br />
der staatlichen Fachoberschule und bildet<br />
Referendare aus. Später kommen<br />
regelmäßige Vorträge für Zeitungsvolontäre<br />
hinzu.<br />
„Wenn sie etwas erreichen<br />
wollen, dann müssen<br />
sie Richter werden“<br />
Von Ende 1993 bis Anfang 1994 hilft<br />
er als Vorsitzender eines Jugendschöffengerichtes<br />
beim Amtsgericht Leipzig<br />
aus. Als eher unangenehm empfi ndet<br />
er <strong>die</strong> kurze Zeit: „Es gab einige Fälle<br />
von Kindesmissbrauch, <strong>die</strong> sehr unschön<br />
waren. Ich kann so etwas bewältigen,<br />
andere Kollegen weniger.“<br />
Am 1. Januar 1994 wird er zum weiter<br />
aufsichtführenden Richter und Abteilungsleiter<br />
des Konkurs-, Mahn und<br />
Vollstreckungsgericht ernannt. „Ich hatte<br />
mich auf eine Stelle beworben, <strong>die</strong><br />
frei geworden war. Ich hatte keine Berührungsängste<br />
<strong>mit</strong> dem Konkursrecht<br />
– eher im Gegenteil.“
Keine Berührungsangst<br />
<strong>mit</strong> dem Konkursrecht<br />
Der Richter bekennt, dass er damals wenig<br />
Erfahrung <strong>mit</strong> der Materie hatte: „Ich<br />
habe das Konkurs- und Vollstreckungsrecht<br />
auf der jeweils vierstündigen Hin-<br />
und Rückfahrt von und nach Leipzig <strong>mit</strong><br />
neu erworbenen Skripten von Alpmann<br />
& Schmidt stu<strong>die</strong>rt.“<br />
Er übernimmt <strong>die</strong> Abteilung <strong>mit</strong> zwei<br />
Rechtspfl egern und vier Mitarbeitern.<br />
Heute <strong>sind</strong> es am Insolvenzgericht drei<br />
Richter, ein Gruppenleiter, sieben Rechtspfl<br />
eger und 15 Mitarbeiter. Er ist Konkursrichter<br />
allerdings <strong>mit</strong> Vorverfügung<br />
durch den Rechtspfl eger. „Üblich war<br />
zu <strong>die</strong>ser Zeit noch, dass <strong>die</strong> Amtsgerichtsdirektoren<br />
praktisch im Nebenreferat<br />
Konkursrichter waren und alle<br />
Entscheidungen etc. unterschriftsreif<br />
vorgelegt erhielten.“<br />
Ley organisiert alles neu: „Ich hätte<br />
auch den bequemen Weg beschreiten<br />
können. Ich habe mich dann entschieden,<br />
alles selbst zu er<strong>mit</strong>teln und zu<br />
entscheiden.“<br />
Lernen auf der Zugfahrt<br />
Viel passiert im Vorfeld der neuen Insolvenzordnung<br />
1999. „Damals war eine<br />
Aufbruchsstimmung“, erinnert sich der<br />
Richter. Es wird eine regionale Vorbereitungsgruppe<br />
für <strong>die</strong> gemeinsame<br />
Erarbeitung der Insolvenzordnung für<br />
<strong>Verwalter</strong>, Richter und Rechtspfl eger<br />
der Konkursgerichte Ansbach, Fürth<br />
und Nürnberg organisiert, wobei fast<br />
jeder Teilnehmer ein Referat hält und<br />
ein Skript erstellt.<br />
Seitdem ist in Nürnberg viel passiert.<br />
Die Eingänge im Konkursgericht haben<br />
sich vervielfacht. Bearbeiten 1994 zwei<br />
Richter und zwei Rechtspfleger 798<br />
Eingänge (31 eröffnete Verfahren), so<br />
bearbeiten 2003 drei Richter und acht<br />
Rechtspfl eger an 1153 Regelinsolvenzverfahren<br />
(417 eröffnet) und 386 IK-<br />
Verfahren (282 eröffnet). „Vor allem <strong>die</strong><br />
vielen Verbraucherinsolvenzverfahren<br />
haben sich im Gegensatz zu der Personalsituation<br />
vervielfacht“, klagt der<br />
Richter. „Die Rechtschuldbefreiung ist<br />
nicht besonders gut geregelt. Ich fi nde<br />
es wichtig, dass der Schuldner nichts<br />
umsonst bekommt.“ Er beklagt sich:<br />
„Plötzlich haben alle Schuldner kein Geld<br />
mehr. Das letzte Mal habe ich vor einem<br />
halben Jahr 1.500 Euro Verfahrenskos-<br />
tenvorschussbekommen.“ Und:<br />
„Wenn wir mehr<br />
in gute Schuldenberaterinvestierenwürden,<br />
hätten wir<br />
bei den Gerichten<br />
nicht soviel<br />
Arbeit.“<br />
Ley hält das<br />
Ver braucherinsolvenzrecht als einen<br />
Schwachpunkt der neuen InsO, da hier<br />
„ständig gefl ickt wird.“<br />
Schuldner sollten nichts<br />
umsonst bekommen.<br />
Was schätzt er an einem guten <strong>Verwalter</strong>?<br />
„Das ist einer, der sich in das Verfahren<br />
reinkniet.“ Ley: <strong>„Am</strong> <strong>liebsten</strong> <strong>sind</strong><br />
<strong>mir</strong> <strong>die</strong> <strong>Verwalter</strong> <strong>mir</strong> Rückgrat.“<br />
Und wie denkt er über einen ‚closed<br />
shop‘? „Wir hatten vor meiner Amtszeit<br />
einen strengen ‚closed shop‘. Inzwischen<br />
hat <strong>die</strong> Zahl der <strong>Verwalter</strong> zugenommen.<br />
Heute arbeiten sogar drei <strong>Verwalter</strong>innen<br />
für das Gericht.“ Weiter: „Neue<br />
<strong>Verwalter</strong> bekommen eine Chance – ich<br />
sehe gerne neue Gesichter am Gericht.<br />
Aber ich habe eine Verpfl ichtung – <strong>die</strong><br />
beauftragten Kanzleien müssen ihren<br />
Standard halten.“<br />
„Ich habe eine persönliche Liste, <strong>die</strong><br />
gehe ich bei jedem Fall durch. Ich verteile<br />
meine Fälle gerecht“, betont der Richter.<br />
Und: „Ich muss bei der Bestellung<br />
bei lukrativen Unternehmensinsolvenzverfahren<br />
an <strong>die</strong> Kanzleien denken, <strong>die</strong><br />
auch <strong>die</strong> Verbraucherinsolvenzverfahren<br />
machen.“<br />
Wie regelt er <strong>die</strong> Vergütung bei den<br />
masselosen Kleinverfahren? Ley: „Wir<br />
gehen von einem Stundensatz von 78<br />
Euro aus. Bei der Berechnung gehen<br />
wir von der Anzahl der Gläubiger und<br />
der Anzahl der Stunden aus.“<br />
„Ich sehe gerne neue<br />
Gesichter am Gericht“<br />
Besonders wichtig ist Ley der Kontakt<br />
zu den Praktikern.<br />
So ist er 2000 Mitgründer- und organisator<br />
des „Arbeitskreises Reorganisation,<br />
Sanierung und Insolvenzen“ innerhalb<br />
der Juristischen Gesellschaft zu Mittelfranken<br />
e.V. Ley ist ein gerngesehener<br />
Redner bei zahlreichen Veranstaltungen.<br />
Der Richter ist korrespon<strong>die</strong>rendes Mit-<br />
Das Insolvenz- und Vollstreckungsgericht befi ndet sich in der Flaschenhofstraße.<br />
glied beim Arbeitskreis der Insolvenzverwalter<br />
Deutschlands e.V. (AID).<br />
Gleichzeitig gibt er Kurse für Fachanwälte<br />
für Insolvenzrecht und Seminare<br />
an der Rechtsanwaltskammer Nürnberg<br />
für Rechtsanwälte <strong>mit</strong> dem Thema „Verbraucherinsolvenzrecht“.<br />
Er leistet Vorarbeiten für das bayerische<br />
IT-Vollstreckungs- und Insolvenzprogramm<br />
im Rahmen von der bay-<br />
Tech2000, deren Einführung nicht vor<br />
2006 erfolgen soll.<br />
Im Sommer 2001 war Ley Mitglied der<br />
Formulararbeitsgruppe der Bund-Länder-Arbeitsgruppe<br />
Insolvenzrecht <strong>mit</strong><br />
mehreren Sitzungen im niedersächsischen<br />
Justizministerium zur Erstellung<br />
des Formulars für den Verbraucherinsolvenzantrag.<br />
Mitglied der<br />
Formulararbeitsgruppe der<br />
Bund-Länder-Arbeitsgruppe<br />
Insolvenzrecht<br />
Ley ist Mitautor des Handbuchs „Praxis<br />
der Insolvenz – Beck/Depre`“ sowie<br />
Autor in verschiedenen Fachbeitragen<br />
in der ZIP, MDR und der ZVI. Im neuen<br />
„Anwaltshandbuch Runkel“ hat er einen<br />
Beitrag zum Verbraucherinsolvenzverfahren<br />
verfasst.<br />
Ley ist seit 1971 verheiratet und Vater<br />
eines Sohnes. Seit 30 Jahren ist er<br />
Amateurfi lmer. Seine Erfahrung gibt<br />
er als Leiter eines Film- und Videoclubs<br />
weiter.<br />
Bis 65 in <strong>die</strong> Arbeit reinstürzen<br />
Der Richter bekennt, dass sich in den<br />
Jahren viel Routine angesammelt hat, <strong>die</strong><br />
„es zu überprüfen gilt“. Dabei hat er es<br />
sich zum Grundsatz gemacht, auch mal<br />
über „den Tellerrand zu blicken“.<br />
Was bringt <strong>die</strong> Zukunft? „Ich bereite<br />
mich nicht auf den Vorruhestand vor,<br />
ich werde mich bis 65 in <strong>die</strong> Arbeit<br />
reinstürzen.“