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Weltoffenes <strong>Darmstadt</strong> leben und gestalten<br />
Bericht Bericht zur kommunalen Integrationspolitik<br />
und und Integrationsarbeit<br />
<strong>Interkulturelles</strong> <strong>Büro</strong>
Weltoffenes <strong>Darmstadt</strong> leben und gestalten<br />
Bericht zur kommunalen Integrationspolitik und Integrationsarbeit<br />
1
Herausgeberin | Kontakt<br />
Wissenschaftsstadt <strong>Darmstadt</strong><br />
<strong>Interkulturelles</strong> <strong>Büro</strong><br />
Stadthaus<br />
Frankfurter Str. 71<br />
64283 <strong>Darmstadt</strong><br />
E-Mail: interkulturell@darmstadt.de<br />
Internet: www.ikb-darmstadt.de<br />
Druck: Netsch Werbegruppe Griesheim<br />
2012<br />
2
Vorwort<br />
<strong>Darmstadt</strong> ist eine internationale und weltoffene Stadt. Alle Menschen,<br />
die zu uns kommen sind herzlich willkommen – welcher Herkunft auch<br />
immer!<br />
In <strong>Darmstadt</strong> arbeiten, forschen, lernen und leben Menschen aus<br />
über 140 Nationen und aus allen fünf Kontinenten friedlich miteinander.<br />
Von den über 147.000 Menschen haben ca. 24 %, also knapp<br />
ein Viertel, eigene Migrationserfahrung oder einen Elternteil, der im<br />
Ausland geboren ist.<br />
Alle diese Menschen sind längst selbstverständlicher und nicht wegzudenkender<br />
Teil unserer Stadt geworden. Sie bereichern unseren<br />
Alltag, unsere Gesellschaft und unsere Wirtschaft durch ihre Erfahrungen,<br />
ihre Persönlichkeiten und ihre Potentiale. Und sie tragen wesentlich<br />
zur Vielfalt unserer Stadtgesellschaft bei. Diese Vielfalt ist eine<br />
wichtige Ressource und Chance für die Zukunft. Eine vielfältige Gesellschaft kann allerdings nur bestehen,<br />
wenn einzelne Menschen wegen ihrer Herkunft und Religion, aber auch wegen ihres Alters, ihres<br />
Geschlechts oder ihrer sexuellen Identität nicht benachteiligt oder diskriminiert werden.<br />
Integration bedeutet für uns, die gleichberechtigte Teilhabe von Zugewanderten in allen Bereichen<br />
des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens zu ermöglichen. Sie erfordert die gleichen Bildungschancen<br />
für alle Kinder, den Zugang zu Ausbildungsplätzen, den Einstieg in den Arbeitsmarkt, die Anerkennung<br />
von im Ausland erworbenen Qualifikationen, das Recht auf gesundheitliche Versorgung.<br />
In der öffentlichen Integrationsdebatte wird der Fokus zu oft auf Probleme und vermeintliche Defizite<br />
von Zugewanderten gelegt. Dies versperrt den Blick darauf, dass im Alltag das Zusammenleben von<br />
Menschen mit Migrationsgeschichte und Einheimischen in der Regel gut funktioniert. Und es versperrt<br />
den Blick auf die vorhandenen Potentiale und die Möglichkeiten, diese noch stärker für uns alle zu<br />
nutzen. Die überwiegende Mehrheit der Zugewanderten fühlt sich in <strong>Darmstadt</strong> heimisch und unserer<br />
Stadt verbunden. Sie wollen sich einbringen und ihren Beitrag zum Wohl aller leisten. Dieses Engagement<br />
schätzen und unterstützen wir.<br />
Unsere Integrationspolitik will daher Partizipation fördern, aber auch Barrieren abbauen und Ausgrenzung<br />
bekämpfen. Und auch wenn Kommunen nicht alle Hebel in der Hand haben, um notwendige Veränderungen<br />
einzuführen, da diese in Landes- und Bundeszuständigkeit liegen, so müssen Impulse zur Integration<br />
vor Ort erfolgen, und vor Ort muss Integration in den Alltag übersetzt werden.<br />
Wir nehmen uns in unterschiedlichen Handlungsfeldern zielorientiert und systematisch der vielfältigen<br />
Herausforderungen an, die mit Einwanderungsprozessen verbunden sind. Dies tun wir als Stadt und<br />
gemeinsam mit den vielen Kooperationspartnerinnen und -partnern, die sich ebenfalls dem Ziel der<br />
gleichberechtigten Teilhabe von Zugewanderten verschrieben haben.<br />
Der vorliegende Bericht stellt statistische Daten und Ergebnisse zur Lage der Menschen nicht deutscher<br />
Herkunft zur Verfügung. Er gibt viele Hinweise darüber, dass Integration fortschreitet. So z. B., dass<br />
immer mehr Kinder aus Familien mit Migrationshintergrund höhere Schulabschlüsse erreichen und an<br />
Hochschulen vertreten sind.<br />
3
Der Bericht zeigt aber auch, dass trotz dieser positiven Entwicklung nach wie vor die Diskrepanz zwischen<br />
den Kindern mit Migrationshintergrund und den einheimischen Kindern groß ist, was die Bildungserfolge<br />
betrifft. Er zeigt auch, dass die Arbeitslosigkeit von Migrantinnen und Migranten noch immer doppelt so<br />
hoch ist wie die der Darmstädterinnen und Darmstädter ohne Migrationshintergrund. So wird deutlich,<br />
dass wir bei der Integration auf dem Arbeitsmarkt, der sozialen Sicherung der Familien und der beruflichen<br />
Eingliederung von Jugendlichen unsere Anstrengungen fortführen und verstärken müssen.<br />
Viele Menschen in unserer Stadt engagieren sich für das friedliche und konstruktive Miteinander. Gleich -<br />
wohl gibt es auch bei uns Menschen, die Migrantinnen und Migranten mit Vorbehalten, mit Ablehnung<br />
und sogar mit rassistischem Verhalten begegnen. Diese gesellschaftliche Realität macht es erforderlich,<br />
permanent Gesicht zu zeigen – für Weltoffenheit, für Gleichberechtigung und Integration von zugewanderten<br />
und einheimischen Minderheiten, gegen jede Art von Diskriminierung und Ausgrenzung.<br />
Es bleibt also noch viel zu tun, bis alle Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt gleiche Zugänge zu allen<br />
Bereichen des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens erreicht haben.<br />
Deshalb arbeiten wir weiter: gemeinsam mit Ihnen und dank Ihres Engagements. Dafür, dass unsere<br />
gemeinsamen Visionen Wirklichkeit werden.<br />
Ich danke allen unseren Kooperationspartnerinnen und -partnern, die zur Erstellung dieses Berichtes<br />
beigetragen haben, sei es mit einem eigenen Beitrag oder sei es mit Hinweisen und Unterstützung bei<br />
der Überarbeitung und hoffe auf eine weitere konstruktive Zusammenarbeit im Sinne eines weltoffenen<br />
<strong>Darmstadt</strong>s.<br />
Jochen Partsch<br />
Oberbürgermeister<br />
4
Inhalt<br />
Einleitung........................................................................................................................................... 9<br />
I Migration und Integration in <strong>Darmstadt</strong>........................................................................................ 11<br />
1. Historische Streiflichter................................................................................................................. 11<br />
Die 1970er Jahre..................................................................................................................... 11<br />
Die 1980er Jahre.....................................................................................................................13<br />
Die 1990er Jahre.....................................................................................................................15<br />
Schlussbemerkungen...............................................................................................................17<br />
2. Die nichtdeutsche Bevölkerung in <strong>Darmstadt</strong> heute – Daten und Trends…….................................. 18<br />
a. Statistik und Migrationshintergrund – Stand und Perspektive...............................................18<br />
b. Zuwanderung und neue Migrationstendenzen.......................................................................19<br />
c. Wohnen...............................................................................................................................26<br />
d. Bildung...............................................................................................................................28<br />
e. Arbeit..................................................................................................................................32<br />
II Strategien kommunaler Integrationssteuerung.............................................................................40<br />
1. Integrationsverständnis und integrationspolitische Ziele der Wissenschaftsstadt <strong>Darmstadt</strong>...........40<br />
2. Das Interkulturelle <strong>Büro</strong> – Fachstelle für Integration und Querschnittsamt..................................... 41<br />
3. Steuerungsgremien und -instrumente ........................................................................................... 42<br />
Städtische Steuerungsgruppe für Integration ................................................................................ 42<br />
Integrationsforum <strong>Darmstadt</strong>....................................................................................................... 43<br />
Integrationsmonitoring................................................................................................................. 43<br />
III Kommunale Integrationsmaßnahmen........................................................................................... 44<br />
III a. Handlungsfelder des Interkulturellen <strong>Büro</strong>s............................................................................. 44<br />
1. Verwaltung: interkulturelle Öffnung...............................................................................................44<br />
Bestandsaufnahmen über den Stand der interkulturellen Öffnung..................................................44<br />
Fortbildungen zu Interkultureller Kompetenz.................................................................................45<br />
Ausblick........................................................................................................................................46<br />
2. Bildung: Elternarbeit an Schulen und Kitas....................................................................................47<br />
Das Projekt „Mama lernt Deutsch“................................................................................................47<br />
Gesprächskreise von Migranteneltern an Schulen und Kindergärten...............................................48<br />
3. Soziales und Gesundheit...............................................................................................................49<br />
Der Arbeitskreis „Migration und Soziale Arbeit“.............................................................................49<br />
Der Arbeitskreis „Migration und Gesundheit“.................................................................................50<br />
4. Migranten-Communities und ihre Selbstorganisationen: Öffnung und Stärkung..............................52<br />
Migranten-Communities und ihre Selbstorganisationen in <strong>Darmstadt</strong>.............................................52<br />
Kulturzentren und Vereine.............................................................................................................53<br />
Neue Entwicklungen: Frauen, Bildung und Soziales .......................................................................55<br />
Kulturarbeit..................................................................................................................................57<br />
Professionalisierung der Community- und Vereinsarbeit................................................................59<br />
5
5. Interkulturelle Vermittlung: Qualifizierung und Einsatz von Multiplikatorinnen<br />
und Multiplikatoren aus den Migranten-Communities ....................................................................60<br />
Weiterbildung zu Integrationsassistentinnen und -assistenten........................................................60<br />
Weiterqualifizierung zu Gesundheitslotsinnen und -lotsen..............................................................61<br />
Weitere Qualifizierungsmaßnahmen..............................................................................................62<br />
Einsatz von Interkulturellen Vermittlungskräften............................................................................62<br />
6. Interkulturelle Stadtteilarbeit: Stärkung der Partizipation..............................................................62<br />
Der Darmstädter Ansatz im Rahmen des Programms „Soziale Stadt“…………..…………..................62<br />
7. Antirassismus...............................................................................................................................65<br />
Kurzbeschreibung der Situation in <strong>Darmstadt</strong> ...............................................................................65<br />
Arbeitsgruppe „Aktion Weltoffenes <strong>Darmstadt</strong>“ sowie andere Initiativen.........................................66<br />
Maßnahmen und Aktivitäten gegen Rechtsextremismus und Rassismus.........................................67<br />
Der Lokale Aktionsplan (LAP) und seine Gremien...........................................................................69<br />
8. Bürgerschaftliches Engagement: Integrationsbegleiterinnen und -begleiter ....................................74<br />
III b. Weitere Integrationsmaßnahmen der Wissenschaftsstadt <strong>Darmstadt</strong> ........................................76<br />
Jugendamt, Abteilung Kinderbetreuung.........................................................................................76<br />
Sprachförderung in den städtischen Kindertagesstätten...........................................................76<br />
Sportamt, Abteilung Sport.............................................................................................................77<br />
Amt für Soziales und Prävention / Beratungs- und Servicezentrum für Ältere<br />
und Menschen mit Behinderung (BuS) .................................................................................... 78<br />
Interkulturelle Öffnung der Altenhilfe – das interkulturelle Seniorenzentrum............................. 78<br />
Weitere Angebote für ältere Migrantinnen und Migranten .........................................................79<br />
Volkshochschule <strong>Darmstadt</strong> (vhs) .................................................................................................80<br />
Integrationskurse.................................................................................................................... 80<br />
IV Weitere Integrationsmaßnahmen in der Stadt <strong>Darmstadt</strong> .............................................................81<br />
1. Soziales und Beratung..................................................................................................................81<br />
Berichte freier Träger ...................................................................................................................81<br />
Caritasverband <strong>Darmstadt</strong>.......................................................................................................81<br />
Migrationsberatung des Migrationsdienstes........................................................................81<br />
Frauenintegrationskurs...................................................................................................... 82<br />
Beratung für Menschen ohne Aufenthaltserlaubnis..............................................................83<br />
Externe Ausländerberatung in <strong>Darmstadt</strong>............................................................................84<br />
Beratung ausländischer Strafgefangener und ihrer Familien................................................84<br />
Diakonisches Werk <strong>Darmstadt</strong>-Dieburg....................................................................................87<br />
Flüchtlingsberatung ...........................................................................................................87<br />
Migrationsberatung............................................................................................................88<br />
DRK Kreisverband <strong>Darmstadt</strong>..................................................................................................89<br />
Älter werden in <strong>Darmstadt</strong> – Begegnungs- und Bewegungsangebote<br />
für ältere Migrantinnen und Migranten ...............................................................................89<br />
Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer (MBE) ......................................................90<br />
Einsatz von Interkulturellen Vermittlungskräften.................................................................90<br />
Internationaler Bund ...............................................................................................................92<br />
Jugendmigrationsdienst.....................................................................................................92<br />
„Qualifizierung nach Maß“ .................................................................................................94<br />
Magnolya e.V. – Interkultureller Treffpunkt älterer Menschen im Heiner-Lehr-Zentrum..............96<br />
Mäander e.V. ..........................................................................................................................97<br />
Mädchenleben in verschiedenen Welten und Schutz vor drohender Zwangsheirat................97<br />
Sozialkritischer Arbeitskreis ....................................................................................................99<br />
Beratungs- und Bildungsangebote......................................................................................99<br />
6
Berichte von Behörden................................................................................................................100<br />
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF)..................................................................100<br />
Jobcenter <strong>Darmstadt</strong>.............................................................................................................102<br />
Polizeidirektion <strong>Darmstadt</strong>-Dieburg........................................................................................103<br />
Sozialberatung Studentenwerk <strong>Darmstadt</strong>..............................................................................105<br />
2. Gesundheit..................................................................................................................................107<br />
Berichte der Träger im Gesundheitswesen...................................................................................107<br />
Darmstädter Kinderkliniken Prinzessin Margaret....................................................................107<br />
DemenzForum<strong>Darmstadt</strong> e. V. ..............................................................................................107<br />
Deutscher Kinderschutzbund, Bezirksverband <strong>Darmstadt</strong> e. V. ..............................................109<br />
Ehe- und Familienberatung e.V. <strong>Darmstadt</strong>............................................................................110<br />
Elisabethenstift – Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie ..........................110<br />
Frauenhaus <strong>Darmstadt</strong>...........................................................................................................111<br />
Gemeindepsychiatrisches Zentrum des Caritasverbandes <strong>Darmstadt</strong> e. V. .............................113<br />
Klinikum <strong>Darmstadt</strong>...............................................................................................................113<br />
Malteser-Migranten-Medizin (MMM) am Marienhospital <strong>Darmstadt</strong> ........................................115<br />
Pro familia <strong>Darmstadt</strong> e. V. ...................................................................................................115<br />
Weiterleben e. V. Psychosoziale Krebsberatung......................................................................116<br />
3. Bildung ....................................... ..............................................................................................117<br />
Ausländerbeirat / Caritasverband <strong>Darmstadt</strong>, Migrationsdienst..............................................117<br />
„Frühwarnsystem“ – Präventionsprojekt zur Vermeidung von Sonderschulzuweisungen…..117<br />
Caritasverband <strong>Darmstadt</strong>, Migrationsdienst..........................................................................118<br />
Hausaufgabenhilfe ...........................................................................................................118<br />
DRK Kreisverband <strong>Darmstadt</strong> ................................................................................................120<br />
HIPPY-Familienbildungsprogramm in <strong>Darmstadt</strong>..............................................................120<br />
Staatliches Schulamt ....................................................................................….....................121<br />
Fördermaßnahmen Deutsch als Zweitsprache (DaZ) in den Schuljahren<br />
2007/2008 und 2008/2009............................................................................................122<br />
Unterricht in Herkunftssprachen………………………………...................................................123<br />
Aufnahme- und Beratungszentrum (ABZ)………………………………………………….................124<br />
Verein für interkulturelle Arbeit und Sprachförderung Deutsch e. V. .......................................125<br />
4. Stadtteil………………………………………………………….……………....................................................127<br />
Gemeinschaftshaus Pallaswiesenviertel ............................................................................127<br />
Gemeinwesenarbeit Arheilgen – sozialräumlich die Integration fördern .............................128<br />
Soziale Stadt in den Stadtteilen Eberstadt Süd und Kranichstein ......................................129<br />
AG Senioren.....................................................................................................................135<br />
Projekt „Ältere Migranten in Kranichstein“........................................................................135<br />
V Standpunkte und Empfehlungen von Expertinnen und Experten..................................................138<br />
1. Handlungsempfehlungen des Integrationsforums.........................................................................138<br />
Bildung ..................... ................................................................................................................138<br />
Soziales und Gesundheit.............................................................................................................140<br />
Partizipation...............................................................................................................................141<br />
Antirassismus ............................................................................................................................142<br />
2. Stellungnahme von Migranteneltern zur Situation von Migrantenkindern in <strong>Darmstadt</strong>.................143<br />
3. Stellungnahme und Empfehlung des Ausländerbeirates ..............................................................145<br />
7
VI Strategische Weiterentwicklung kommunaler Integrationspolitik /<br />
Fachpolitische Handlungsempfehlungen....................................................................................146<br />
1. Verwaltung.................................................................................................................................146<br />
2. Bildung......................................................................................................................................148<br />
3. Gesundheit und Soziales.............................................................................................................149<br />
4. Wirtschaft und Arbeitsmarkt........................................................................................................150<br />
5. Migranten-Communities und Lotsen............................................................................................150<br />
6. Stadtteil .....................................................................................................................................151<br />
7. Antirassismus ............................................................................................................................152<br />
8. Politische Partizipation...............................................................................................................152<br />
9. Sport..........................................................................................................................................152<br />
10. Bürgerschaftliches Engagement ..................................................................................................153<br />
VII Literatur.....................................................................................................................................154<br />
8
Einleitung<br />
Der vorliegende Bericht zur Integrationspolitik und zur Integrationsarbeit in <strong>Darmstadt</strong> ist der zweite<br />
Bericht, der in <strong>Darmstadt</strong> zu diesem Thema verfasst wird. Der erste Bericht (1980) trug den Titel<br />
„Bericht zur Situation der ausländischen Mitbürger in <strong>Darmstadt</strong> mit besonderer Berücksichtigung der<br />
laufenden Aktivitäten zur Integration der zweiten und dritten Generation“ und wurde viermal fortgeschrieben,<br />
zuletzt im Jahre 1988 mit einem erweiterten Dokumententeil.<br />
Im Rahmen der aktuellen Einführung der kommunalen Integrationssteuerung hat der Magistrat der Wissenschaftsstadt<br />
<strong>Darmstadt</strong> entschieden, einen Integrationsbericht zu verfassen, der als Grundlage für<br />
integrationspolitisch relevante Handlungsempfehlungen dienen soll. Der Berichtsentwurf aus dem Jahr<br />
2009 wurde bei der inhaltlichen Überarbeitung in den Jahren 2010 und 2011 aktualisiert. Der Berichtszeitraum<br />
reicht bis zum Jahr 2010.<br />
Dieser Bericht zur Integrationspolitik und zu Integrationsmaßnahmen besteht aus folgenden Kapiteln:<br />
Im ersten Kapitel „Migration und Integration in <strong>Darmstadt</strong>“ werden zunächst in einem historischen<br />
Abriss einige Entwicklungstendenzen der letzten vier Jahrzehnte Einwanderungsgeschichte nach <strong>Darmstadt</strong><br />
nachgezeichnet. Im Anschluss daran folgt eine kritische Stellungnahme zur begrenzten Aussagekraft<br />
der vorliegenden statistischen Daten. Danach werden für den Berichtszeitraum 2005 – 2010 Daten<br />
zur ausländischen Bevölkerungsentwicklung unter Berücksichtigung neuerer Migrationstendenzen sowie<br />
Daten zur Einbürgerung und zu bi-nationalen Eheschließungen vorgestellt. Dem folgt die Betrachtung<br />
der Daten zu den zentralen Themen Bildung, Arbeit und Wohnen differenziert nach Alter, Geschlecht<br />
und Stadtteil. In diesem Teil werden beide Aspekte – mangelnde Zugangschancen als auch erfolgreicher<br />
Zugang zu diesen gesellschaftlichen Ressourcen – deutlich. Gleichzeitig werden in Bezug auf diese<br />
Tendenzen bereits erste integrationspolitisch relevante Handlungsfelder und -maßnahmen in diesen<br />
Bereichen aufgeführt.<br />
Im zweiten Kapitel „Strategien kommunaler Integrationssteuerung“ werden das Integrationsverständnis<br />
und das integrationspolitische Ziel der Wissenschaftsstadt <strong>Darmstadt</strong> sowie die Strategien zur kommunalen<br />
Integrationssteuerung dargestellt, die die Wissenschaftsstadt <strong>Darmstadt</strong> seit mehr als 10 Jahren<br />
kontinuierlich weiterentwickelt.<br />
Danach werden die Funktion, die Aufgaben und Befugnisse des Interkulturellen <strong>Büro</strong>s als Querschnittsamt,<br />
Fachstelle für Integration und „Motor“ der Integrationssteuerung der Wissenschaftsstadt <strong>Darmstadt</strong><br />
erläutert. Schließlich werden in diesem Kapitel die bereits bestehenden sowie die geplanten neuen<br />
Steuerungsgremien und -instrumente vorgestellt.<br />
Das dritte Kapitel „Handlungsfelder kommunaler Integrationsarbeit“ stellt die Handlungsfelder vor, in<br />
denen die Wissenschaftsstadt <strong>Darmstadt</strong> ihre integrationspolitischen Schwerpunkte gelegt hat und in<br />
denen Integrationsarbeit entsprechend dem weiter oben ausgeführten Integrationsverständnis und den<br />
Handlungsleitlinien gestaltet wird.<br />
Es werden zunächst die Maßnahmen aufgeführt, die vom Interkulturellen <strong>Büro</strong> in enger Vernetzung und<br />
Kooperation mit den zahlreichen in <strong>Darmstadt</strong> in der Integrationsarbeit tätigen Organisationen und Einrichtungen<br />
durchgeführt werden. Strukturiert ist dieses Kapitel nach den zentralen integrationspolitisch<br />
relevanten Handlungsfeldern der Wissenschaftsstadt <strong>Darmstadt</strong>: Verwaltung, Bildung, Soziales und<br />
Gesundheit, Migranten-Communities, Interkulturelle Vermittlung, Interkulturelle Stadtteilarbeit, Antirassismus<br />
und bürgerschaftliches Engagement.<br />
Im Anschluss werden die Integrationsmaßnahmen weiterer städtischer Ämter vorgestellt.<br />
9
Im vierten Kapitel „Weitere Integrationsmaßnahmen in der Stadt <strong>Darmstadt</strong>“ kommen die in der Integrationsarbeit<br />
tätigen Organisationen und Einrichtungen selbst zu Wort und berichten über ihre eigenen<br />
Aktivitäten in den Bereichen Soziales, Gesundheit, Bildung und Stadtteil. Hier werden z. B. die Aufgaben<br />
und Angebote der Migrationsdienste, spezifische Angebote von Freien Trägern für Mädchen und ältere<br />
Migrantinnen, Angebote des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge in <strong>Darmstadt</strong>, zahlreiche Berichte<br />
der Träger im Gesundheitswesen, die Maßnahmen des Staatlichen Schulamtes, das Präventionsprojekt<br />
des Ausländerbeirates oder die Arbeit der Stadtteilarbeitsgruppen vorgestellt. Dieses Kapitel<br />
zeigt, wie breit das Spektrum der Integrationsmaßnahmen in <strong>Darmstadt</strong> ist.<br />
Das fünfte Kapitel „Standpunkte von Expertinnen und Experten“ gibt die Standpunkte, Stellungnahmen<br />
und auch Handlungsempfehlungen verschiedener Gremien und Personengruppen wieder: zunächst die<br />
Empfehlungen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer des neu eingerichteten Steuerungsgremiums, des<br />
Integrationsforums. Danach die Stellungnahme von Migranteneltern zur Bildungssituation von Kindern<br />
und Jugendlichen und im Anschluss die Stellungnahme und Empfehlungen des Ausländerbeirates.<br />
Im sechsten und letzten Kapitel „Strategische Weiterentwicklung kommunaler Integrationspolitik /<br />
Fachpolitische Handlungsempfehlungen“ werden die Empfehlungen der lokalen Expertinnen und<br />
Experten aufgenommen und ergänzt durch Empfehlungen des Nationalen Integrationsplans (NIP),<br />
Empfehlungen der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände sowie integrationspolitische<br />
Handlungsempfehlungen anderer Kommunen. Diese werden in verschiedenen Handlungsfeldern zu-<br />
sammenfassend und unter strategischen Überlegungen wiedergegeben. Die Weiterführung und Vertiefung<br />
bereits bestehender Maßnahmen wird dabei empfohlen, gleichwohl werden neue Handlungsfelder<br />
aufgeführt, wie z. B. Wirtschaft und Sport. Die einzelnen Handlungsempfehlungen sind jedoch nicht als<br />
abschließend und zu Ende diskutiert zu sehen, sondern als Gestaltungsmöglichkeiten eines dynamischen<br />
Integrationsprozesses in einer vielfältigen Einwanderungsgesellschaft zu verstehen.<br />
10
I. Migration und Integration in <strong>Darmstadt</strong><br />
I.1. Historische Streiflichter<br />
Der Prozess der Zuwanderung nach <strong>Darmstadt</strong> vollzog sich entsprechend den Phasen der Migration<br />
in Deutschland: der Phase der Arbeitskräfteanwerbung, der Niederlassung und Herausbildung der<br />
„Einwanderungssituation“ und der Ausweitung der „Einwanderungssituation“ auf das wiedervereinigte<br />
Deutschland. Ab dem Jahr 1980 begann eine verstärkte Zufluchtsuche von Flüchtlingen und mit dem<br />
Jahr der Wiedervereinigung 1990 eine ansteigende Zuwanderung von Spätaussiedlerinnen und -aussiedlern<br />
mit ihren Familienangehörigen. Ab dem Jahr 2000 kann von der Phase der Anerkennung der<br />
„Einwanderungssituation“ gesprochen werden. In den entsprechenden Statistiken sind diese Gruppen,<br />
wie auch die sog. Bildungsausländerinnen und -inländer, sofern sie einen ausländischen Pass besitzen,<br />
nicht als spezifische Gruppen erkennbar.<br />
Jahr Phase<br />
1955 – 1973 Anwerbung von Arbeitskräften<br />
1974 – 1989 Niederlassung und Einwanderungssituation<br />
1990 – 1999 Ausweitung der Zuwanderungsrealität BRD<br />
Seit 2000 Phase der Anerkennung von Zuwanderung<br />
Tabelle 1<br />
Im Folgenden werden einige Aspekte der städtischen Berichterstattung zu diesem Thema vom Ende der<br />
1970er Jahre bis zum Ende der 1990er Jahre kurz beleuchtet.<br />
Die 1970er Jahre<br />
Von 1954 bis 1960 stieg die Darmstädter Bevölkerung mit ausländischem Pass nur langsam an. Durch<br />
die verstärkte Anwerbung von Arbeitskräften für die Industrie ab 1960 stieg er jedoch sprunghaft an.<br />
So hat sich die Zahl der in <strong>Darmstadt</strong> lebenden ausländischen Bevölkerung von 1.225 (1,1%) im Jahre<br />
1954 auf 13.058 (9,4 %) bis 1978 erhöht (Wissenschaftsstadt, 2000b:14). Bereits 1970 gab es statistische<br />
Bezirke mit einem überproportional hohen Anteil ausländischer Bevölkerung von bis zu 24,6 %. 1<br />
(Magistrat, 1980, 45 f.).<br />
1960 bildeten Migrantinnen und Migranten aus Italien die größte Gruppe der in <strong>Darmstadt</strong> lebenden<br />
ausländischen Bevölkerung, der die deutlich kleineren Gruppen der Migrantinnen und Migranten aus<br />
Spanien, Griechenland, der Türkei, Jugoslawien, Marokko und Portugal folgten.<br />
Auch 1970 stellte die italienische Zuwanderergruppe den größten Teil der in <strong>Darmstadt</strong> lebenden<br />
Nichtdeutschen, aber auch die Gruppen aus der Türkei, aus Griechenland und aus dem damaligen<br />
Jugoslawien hatten sich erheblich vergrößert. Die Zuwanderung von Menschen aus Spanien, Marokko<br />
und Portugal blieb vergleichsweise gering.<br />
1 Industrieviertel mit 24,6 % (1970: 20,8 %), Hochschulviertel mit 21,7 % (1970: 12,3 %), Martinsviertel-West mit 18,8 %<br />
(1970: 7,2 %) oder Rheintor / Grafenstr. mit 18,4 % (1970: 8,0 %) (Magistrat, 1980, 45 f.).<br />
11
Noch 1978 bildeten Zugewanderte aus Italien die größte Gruppe, gefolgt von Zugewanderten aus der<br />
Türkei, aus Jugoslawien, aus Griechenland, aus Spanien, aus Marokko und Portugal (Magistrat, 1980:51).<br />
Dies änderte sich ab dem Jahr 1980. Von diesem Zeitpunkt an bis heute bilden die aus der Türkei<br />
Stammenden mit 3.041 Einwohnerinnen und Einwohnern die größte Gruppe der in <strong>Darmstadt</strong> lebenden<br />
Zugewanderten.<br />
12<br />
Italien Türkei Griechenland Jugoslawien Spanien Portugal Marokko<br />
1960 609 122 132 113 180 2 1<br />
1970 2.533 1.191 1.179 1.754 805 208 147<br />
1978 2.675 2.376 1.184 1.903 746 529 181<br />
1980 2.900 3.041 1.080 1.910 723 551 471<br />
Tabelle 2<br />
Quelle: Wissenschaftsstadt <strong>Darmstadt</strong>, 2000b:19 sowie Magistrat, 1980:51.<br />
Der Anteil der Ausländer an den in <strong>Darmstadt</strong> gemeldeten Arbeitslosen betrug 1979 bei einer Arbeitslosenquote<br />
von insgesamt 1,8 % (Stadt und Landkreis zusammengenommen) 14,4 %; d.h. er war ca.<br />
1,5 mal so hoch wie ihr Bevölkerungsanteil. Die Gesamtarbeitslosenquote betrug 1,8 %. Der Anteil der<br />
Nicht-Deutschen unter den arbeitslosen Jugendlichen unter 20 Jahren betrug etwa 14 % (vgl. Magistrat,<br />
1980: 56 sowie eigene Berechnungen).<br />
Im Laufe der 1970er Jahre wurde die allgemeine Tendenz der ausländischen Bevölkerung zur Niederlassung<br />
auch in <strong>Darmstadt</strong> sichtbar. Die Wohnheime waren immer weniger nachgefragt. Fast die Hälfte<br />
der Heimplätze war nicht belegt, wohingegen bei der städtischen Wohnungsbaugesellschaft Bauverein<br />
AG in wenigen Jahren die Zahl der an Zugewanderte vermieteten Wohnungen von ca. 200 auf 500 anstieg<br />
(vgl. Magistrat, 1980:60 ff.).<br />
Während Ende 1964 noch 52,1 % der in <strong>Darmstadt</strong> registrierten Nichtdeutschen (vgl. Statistisches<br />
Jahrbuch <strong>Darmstadt</strong>, 1965) in Gemeinschaftsunterkünften lebten, ergab eine Umfrage des Instituts<br />
Wohnen und Umwelt Mitte der 70er Jahre bei den Beratungsstellen der Wohlfahrtsverbände, dass die<br />
Mehrheit ihrer Klienten in privaten Altbauwohnungen ohne Bad und Zentralheizung wohnte und die<br />
Wohnungen zu klein und zu teuer waren. Tendenzen zur örtlichen Konzentration von Migrantengruppen<br />
bei gleichzeitigem Wegzug einheimischer Familien wurden bereits festgestellt (vgl. Magistrat, 1980,<br />
66 ff.).<br />
Die Zahl der Kinder ausländischer Familien in städtischen Kindergärten hatte sich 1979 durch eine<br />
Aktion der Stadt „Kindergartenplätze zum Null-Tarif für kinderreiche und sozial schwache Familien“<br />
und eine entsprechende mehrsprachige Informationskampagne von 87 auf 187 mehr als verdoppelt.<br />
Somit besuchten insgesamt mehr als 76 % der 3- bis 6-jährigen Kinder ausländischer Herkunft einen<br />
Kindergarten (vgl. ebenda, 72 ff.).<br />
Die Verteilung der Kinder auf einzelne Schulformen war in Hessen bereits deutlich asymmetrisch:<br />
Während 1977/78 hessenweit 58,5 % der 14-jährigen Kinder ausländischer Herkunft die Hauptschule<br />
und 13,1 % das Gymnasium besuchten, lagen die Vergleichszahlen für deutsche Kinder bei 26,4 % für<br />
die Hauptschule und bei 26,0 % für das Gymnasium (Magistrat, 1980:99). Daten zu <strong>Darmstadt</strong> liegen<br />
für den untersuchten Zeitraum erst ab 1981/82 vor. In dem Schuljahr besuchten 25,1 % der Schülerinnen<br />
und Schüler aus zugewanderten Familien die Hauptschule und 3,1 % das Gymnasium.
In den 1970er Jahren entwickelte sich auch die Vereinsbildung unter der Migrantenbevölkerung in<br />
<strong>Darmstadt</strong>. Es gab Vereine, die für den internationalen Kulturaustausch mit den Herkunftsländern tätig<br />
waren sowie politisch aktive Gruppen, die sich dabei auf das Herkunftsland orientierten. Die meisten<br />
Vereine waren multifunktional: Sie befassten sich sowohl mit sozialen und Bildungsfragen als auch mit<br />
kulturellen Kontakten. Darüber hinaus gab es Vereine der kleineren Migrantengruppen aus westeuropäischen<br />
Ländern und den USA (vgl. ebenda, 137 ff.).<br />
In diesen Jahren ist auch der „Initiativkreis für Fragen ausländischer Mitbürger“ entstanden, der die<br />
Beratungsdienste der freien Träger mit der Stadtverwaltung vernetzte (vgl. ebenda, 174 f.).<br />
Die 1980er Jahre<br />
Ende 1986 hatte sich in <strong>Darmstadt</strong> die Anzahl von zugewanderten Menschen ausländischer Herkunft<br />
auf 15.502 erhöht (11,7 %). Die Stadtviertel mit höherer Konzentration blieben in etwa die gleichen. 2<br />
Aber parallel zeichneten sich von 1978 – 1986 neue Tendenzen in Kranichstein II und III sowie in der<br />
Kirchtannensiedlung zu höherer Konzentration ab, wie die folgende tabellarische Übersicht zeigt.<br />
(Magistrat, 1988:43).<br />
Migrationskonzentration Kranichstein II Kranichstein III Kirchtannensiedlung<br />
1978 11,7 % 7,6 % 7,5 %<br />
1986 17,9 % 15,7 % 14,6 %<br />
Tabelle 3<br />
Quelle: Magistrat der Stadt <strong>Darmstadt</strong>, 1988:43.<br />
In der Zusammensetzung der nichtdeutschen Bevölkerung gab es deutliche Verschiebungen. Nun waren<br />
Zugewanderte aus der Türkei mit einem Zuwachs von ca. 37 % (durch Flüchtlinge und zugewanderte<br />
Familienangehörige) zu der größten Gruppe geworden. Die Anzahl der italienischen Bevölkerungsgruppe<br />
sank nur geringfügig. Gleichzeitig gab es, bis auf Marokko, auch rückläufige Tendenzen bei Zugewanderten<br />
aus den ehemaligen Anwerbeländern. 3 Dagegen stieg die Zahl der zugewanderten Personen aus<br />
Iran und anderen Fluchtländern 4 (Magistrat, 1988:48).<br />
Italien Türkei Griechenland Jugoslawien Spanien Portugal Marokko Iran<br />
1986 2.665 3.259 983 1.758 664 437 741 726<br />
Tabelle 4<br />
Quelle: Magistrat der Stadt <strong>Darmstadt</strong>, 1988:48.<br />
2 Das Hochschulviertel (29,7 %), Rheintor / Grafenstraße. (28,9 %) und das Industrieviertel (27,3 %) und das Martinsviertel-<br />
West (20,4 %) (Magistrat, 1988:43).<br />
3 Die Rückkehr nach Jugoslawien hatte zu einem Minus von 7,5 % (1.758), nach Griechenland zu einem Minus von 17 % (983),<br />
nach Spanien zu einem Minus von 11 % (664) und nach Portugal zu einem Minus von 17 % (437) geführt (Magistrat, 1988:48).<br />
4 Aufgrund der Lockerung der Ausreisebedingungen war die Zahl der Migrantinnen und Migranten aus Marokko mit nun 741 auf<br />
das Doppelte gewachsen. Die große Fluchtbewegung aus Iran hatte zu einem Zuwachs der entsprechenden Gruppe um 726 sogar<br />
auf das 2 ½-fache geführt (Magistrat, 1988:48).<br />
13
Im Jahr 1986 betrug – bei einer Arbeitslosenquote von insgesamt 5,9 % (Stadt <strong>Darmstadt</strong> und Landkreis<br />
<strong>Darmstadt</strong>-Dieburg zusammengenommen) – der Anteil der Nichtdeutschen unter den Arbeitslosen<br />
31,7 %; d.h. das 2,7-fache ihres Bevölkerungsanteils (3.051 Personen) in <strong>Darmstadt</strong> (vgl. Magistrat,<br />
1988:52 f.).<br />
Die Wohnsituation wurde durch die eindeutige Tendenz zur Niederlassung charakterisiert. Interesse<br />
an privaten oder werkseigenen Wohnheimen gab es kaum noch, wohl aber noch an Werkswohnungen.<br />
Die Vermietung von Wohnungen an zugewanderte Menschen durch die städtische Bauverein AG stieg<br />
zwischen 1978 und 1986 um 60 % bzw. 800 Wohnungen (Magistrat, 1988:57).<br />
Die Versorgung mit Kindergartenplätzen hatte sich weiter verbessert. Bereits über 80 % der Kinder<br />
ausländischer Herkunft zwischen 3 und 6 Jahren besuchten einen Kindergarten (vgl. ebenda, 66 ff.).<br />
Die Palette an sozialen Beratungsangeboten durch migrantionsspezifische Dienste der freien Träger<br />
war relativ breit; die Psychosoziale Arbeitsgemeinschaft (PSAG) machte jedoch bereits auf Versorgungslücken<br />
im psychosozialen Bereich aufmerksam (Magistrat, 1988: 88 ff.). Auch die Gesundheitsverwaltung<br />
wies auf festgestellte gesundheitliche Beeinträchtigungen bei Schuleingangsuntersuchungen hin,<br />
die möglicherweise durch das Netz der angebotenen Vorsorgemaßnahmen nicht vollständig erfasst und<br />
behandelt würden (ebenda, 106).<br />
In den 1980er Jahren blieb der Anteil der Kinder ausländischer Herkunft in den Darmstädter Grundschulen<br />
stabil. Die Konzentration auf die Bereiche der nördlichen Innenstadt mit der Kyritzschule (54 %),<br />
der Diesterwegschule (47 %) und der Schillerschule (42 %) hatte sich jedoch verstärkt (ebenda, 110).<br />
Die Asymmetrie bei der Verteilung auf die unterschiedlichen Schulformen war geblieben: 9 % der<br />
deutschen Schülerinnen und Schüler besuchten die Hauptschule, während 60 % der gymnasialen Mittelstufe<br />
angehörten, dagegen besuchten 36 % der Kinder ausländischer Herkunft die Hauptschule und nur<br />
31 % die gymnasiale Mittelstufe bzw. 4 % die gymnasiale Oberstufe (Magistrat, 1988:107).<br />
14<br />
Schüler und Schülerinnen Hauptschule Gymnasium (Mittelstufe)<br />
Deutscher Herkunft 9 % 60 %<br />
Ausländischer Herkunft 36 % 31 % (bzw. 4 % Oberstufe)<br />
Tabelle 5<br />
Quelle: Magistrat der Stadt <strong>Darmstadt</strong>, 1988:112.<br />
Im Bereich der Vereinsbildung hatte sich die Anzahl der Vereine deutlich erhöht. Am 3. Internationalen<br />
Begegnungsfest 1986 beteiligten sich 30 Vereine mit Informationsständen, 12 Vereine boten ein Bühnenprogramm<br />
an. Folklore prägte überwiegend die kulturelle Praxis der Vereine. Die meisten Vereine<br />
legten ihren Schwerpunkt auf den internationalen Kulturaustausch oder waren politische aktiv auf ihr<br />
Herkunftsland orientiert. Daneben gab es aber auch Migrantenvereine, die sich mit sozialen, kulturellen<br />
und mit Bildungsfragen der hier lebenden Migrantenbevölkerung befassten (vgl. ebenda, 150 ff.).<br />
Im Jahr 1981 wurde die „Kommission für Fragen ausländischer Mitbürger“ eingerichtet (ebenda, 196 ff.).
Die 1990er Jahre<br />
Im Jahr 2000 hatte <strong>Darmstadt</strong> 21.050 ausländische Einwohnerinnen und Einwohner (15,5 %). In den<br />
Stadtvierteln mit einer höheren Konzentration von Nichtdeutschen gab es zwischen 1986 und 2000<br />
einige Verschiebungen. Erhöht hat sich ihr Anteil im Stadtzentrum, im Industrie- und Bahnhofsviertel. 5<br />
Die Tendenz zur Konzentration in Kranichstein-Süd und in der Kirchtannensiedlung setzte sich ebenfalls<br />
fort 6 (Wissenschaftsstadt, 2000b:22).<br />
Die (zahlenmäßig) wichtigsten Herkunftsländer in den 1990er Jahren sind im Folgenden tabellarisch<br />
aufgeführt, wobei die Türkei und Italien mit deutlichem Abstand am stärksten vertreten sind.<br />
Wichtigste Herkunftsländer der in <strong>Darmstadt</strong> lebenden Zuwanderer und Zuwanderinnen im Jahr 2000<br />
Türkei Italien Marokko Serbien und<br />
Montenegro/<br />
Bosnien /<br />
Herzegowina<br />
4994 2418 915 855<br />
478<br />
Tabelle 6<br />
Quelle: Wissenschaftsstadt <strong>Darmstadt</strong>, 2000b:15. 7<br />
Griechenland Iran Kroatien Portugal Polen Spanien<br />
861 693 761 574 572 528<br />
18,8 % der nichtdeutschen Bevölkerung war unter 18 Jahre und nur 4,3 % über 65 Jahre alt. Innerhalb<br />
der Bevölkerung der unter 18-Jährigen betrug der Ausländeranteil 17,9 %, innerhalb der Bevölkerung<br />
der über 65-Jährigen dagegen nur 3,6 % (vgl. ebenda, 34 f.).<br />
Der Anteil von Nichtdeutschen unter den Arbeitslosen lag 1998 mit 28% in <strong>Darmstadt</strong> deutlich höher<br />
als der durchschnittliche Bevölkerungsanteil von 15,5 % (Wissenschaftsstadt, 1999:39).<br />
Ausländische Bevölkerung<br />
gesamt<br />
Arbeitslosenquote<br />
gesamt<br />
1978 9,4 % 1,8 % 14,4 %<br />
1986 11,7 % 5,9 % 31,7 %<br />
1998 15,1 % 11 % 28 %<br />
Tabelle 7<br />
Quelle: Wissenschaftsstadt <strong>Darmstadt</strong>, 1999:19.<br />
Arbeitslosenquote<br />
Nichtdeutsche<br />
5 Im Stadtzentrum ist der Anteil um 9,7 % auf 28,6 %, im Rheintor/Grafenstraße um 7,9 % auf 36,8 %, im Industrieviertel<br />
um 10,6 % auf 37,9 % und im Bahnhofsviertel um 18,5 % auf 37,5 % gestiegen (Wissenschaftsstadt, 2000b:22).<br />
6 2000 hatte Kranichstein-Süd einen Anteil von 24,7 % mit einem Zuwachs von ca. 8 % und die Kirchtannensiedlung einen Anteil<br />
von 19,1 % mit einem Zuwachs von 4,5 % (Wissenschaftsstadt, 2000b:22).<br />
7 Veränderungsquoten (1986 – 2000) waren: Türkei (+ 53 %), Italien (– 9 %), Marokko (+ 23 %), Griechenland (– 12,4 %),<br />
Iran (– 4,5 %), Portugal (+ 31 %), Polen (+ 80 %) und Spanien (– 20 % ) (Wissenschaftsstadt <strong>Darmstadt</strong>, 2000b:15).<br />
15
<strong>Darmstadt</strong> hatte als Folge der hohen Arbeitslosenquote mit 32,6 % einen relativ hohen Anteil Nichtdeutscher<br />
im Sozialhilfebezug (SH). 8 Dieser Prozentsatz war mehr als doppelt so hoch wie der Ausländeranteil<br />
an der Stadtbevölkerung (15,1 %) Unter den Nichtdeutschen lag die Quote der SH-Bezieher<br />
1998 bei 14,0 % und damit beinahe dreimal so hoch wie die der Deutschen (5,2 %) (ebenda, 19).<br />
Der Anteil ausländischer Sozialhilfeempfängerinnen betrug 51,7 % von allen ausländischen Sozialhilfeempfängern,<br />
wohingegen der Anteil der ausländischen Frauen innerhalb der ausländischen Population<br />
insgesamt ca. 46 % betrug. Der Anteil von SH-Bezieherinnen bei deutschen Frauen war zwar mit 56 %<br />
höher, aber auch der Anteil der Frauen innerhalb der deutschen Bevölkerung lag mit 53 % nahe dabei<br />
(vgl. ebenda, 18 f.).<br />
16<br />
ausländische Frauen deutsche Frauen ausländische Männer deutsche Männer<br />
Sozialhilfedichte 15,8 % 6,8 % 12,4 % 6,1 %<br />
Tabelle 8<br />
Quelle: Wissenschaftsstadt <strong>Darmstadt</strong>, 1999:18 ff.<br />
Jedes vierte Kind und jeder vierte Jugendliche unter 18 Jahren mit nichtdeutschem Pass lebte 1998<br />
von der Sozialhilfe seiner Eltern. Unter den deutschen Kindern lag dieser Anteil bei 11,6 %. Unter den<br />
14- bis 18-jährigen Mädchen war die SH-Dichte mit 29,7 % nicht nur höher als bei den gleichaltrigen<br />
Jungen, sie war auch die höchste Dichtezahl in sämtlichen Altersgruppen (ebenda, 20).<br />
Die Altersarmut war bei der nichtdeutschen Bevölkerung 1998 stark ausgeprägt. 9 Die Quote derer, die<br />
Hilfe zum Lebensunterhalt (HLU) erhielten, erreichte bei Migrantinnen und Migranten, die älter als 65<br />
Jahre waren, 21,5 %. Damit ist die Quote 11-mal größer als bei Deutschen dieser Altersgruppe (1,9 %).<br />
Bei älteren Migrantinnen war die SH-Dichte mit 24,4 % höher als bei älteren Migranten mit 19,0 %<br />
(ebenda, 20).<br />
1998 hatten insgesamt 21,3 % der Schülerinnen und Schüler an Grundschulen keinen deutschen Pass.<br />
Sowohl die Verteilung auf die verschiedenen Schultypen als auch auf die beruflichen Ausbildungsmöglichkeiten<br />
war weiterhin stark asymmetrisch, wie aus der folgenden Tabelle zu erkennen ist:<br />
Nichtdeutsche<br />
Schüler/-innen und<br />
Auszubildende 1998<br />
Schultyp Ausbildungsbeteiligung 10<br />
Grundschule Hauptschule Gymnasium IHK HWK<br />
21,3 % 41,7 % 12,6 % 10,9 % 16,6 %<br />
Tabelle 9<br />
Quelle: Wissenschaftsstadt <strong>Darmstadt</strong>, 1998:161.<br />
Der Anteil der ausländischen Jugendlichen zwischen 18 und 21 Jahren an der entsprechenden Altersgruppe<br />
insgesamt betrug 1998 dagegen ca. 22 % (ebenda, 34 f).<br />
8 Der höhere Anteil der Zugewanderten beim SH-Bezug dürfte vorwiegend aus den höheren Arbeitsmarktrisiken, der schwierigen<br />
Arbeitssuche aufgrund des Aufenthaltsstatus und der Nichtanerkennung der im Herkunftsland erworbenen Abschlüsse zu erklären<br />
sein (s. a. Wissenschaftsstadt, 1999:25).<br />
9 Ein ständig wachsender Teil der Migrantenbevölkerung erreicht das Rentenalter und ihre Renten sind – aufgrund geringerer<br />
Beitragszeiten und niedrigerer Durchschnittsentgelte – niedriger.<br />
10 Aus nicht veröffentlichten Statistiken der Industrie- und Handelskammer und der Handwerkskammer (31.12.1998).
In <strong>Darmstadt</strong> gab es zwei statistische Bezirke mit einer hohen Sozialhilfedichte: Kranichstein-Süd mit<br />
20,9 % und Kirchtannensiedlung mit 20,6 % (Wissenschaftsstadt, 1999:27).<br />
Kranichstein-Süd hatte Ende 1999 eine relativ hohe ausländische Population (24,7 %), darunter eine<br />
hohe Zahl von Flüchtlingen. Es ist davon auszugehen, dass auch der Anteil von Aussiedlerfamilien entsprechend<br />
hoch war. Gegen Ende der 1990er Jahre war eine Zunahme der SH-Dichte allgemein und<br />
speziell bei den Nichtdeutschen zu erkennen. Im SH-Bezug lag der Anteil der Nichtdeutschen bei 61,6 %<br />
(Wissenschaftsstadt, 2000a:9).<br />
Der Bezirk Kirchtannensiedlung hatte Ende 1995 mit 18,7 % einen niedrigeren Anteil an nichtdeutscher<br />
Bevölkerung, der gleichwohl über dem städtischen Durchschnitt von 15,0 % lag (Magistrat, 1996:15).<br />
Auch wohnte hier ein überdurchschnittlicher Anteil von Aussiedlerfamilien.<br />
1995 waren 21,3 % der Nichtdeutschen im SH-Bezug im Vergleich zu ihrem Anteil von 18,7 % an der<br />
nichtdeutschen Bevölkerung im Stadtviertel (Magistrat, 1996:19). Die SH-Dichten der deutschen<br />
(ca. 14,5 %) und ausländischen (ca. 17,25 %) Bevölkerungsgruppen lagen näher beieinander. Der<br />
relativ hohe Aussiedleranteil müsste allerdings innerhalb der Gruppe der Deutschen mit berücksichtigt<br />
werden. Auch hier ist gegen Ende der 90er Jahre eine stärkere Zunahme der SH-Dichte festzustellen.<br />
Vereinsbildung<br />
In den 1990er Jahren wuchs die Zahl der Migrantenvereine in <strong>Darmstadt</strong> und gleichzeitig setzte ein Differenzierungsprozess<br />
ein. Während die religiös orientierten Vereine ihre Basis zahlenmäßig halten und<br />
ausweiten konnten, gingen bei anderen Vereinen (z. B. bei Gruppen, die herkunftslandbezogen politisch<br />
aktiv waren) die Mitgliederzahlen zurück. Viele Frauengruppen (teilweise aus den vorhandenen Vereinen)<br />
entschlossen sich zur Vereinsbildung, um ihre Arbeit auf eine stabile und professionelle Grundlage zu<br />
stellen. Ende der 1990er Jahre gab es in <strong>Darmstadt</strong> mehr als 100 Migrantenvereine.<br />
Städtische Gremien<br />
In Hessen haben sich seit 1972 fünf demokratisch gewählte Ausländerbeiräte auf der Grundlage der<br />
Hessischen Gemeindeordnung (HGO) gebildet. 1983 schlossen sich diese 5 Ausländerbeiräte zur Arbeitsgemeinschaft<br />
der Ausländerbeiräte Hessen (AgAH) zusammen. Aber erst seit Ende der 80er Jahre wurden<br />
nach und nach in den meisten hessischen Gemeinden mit mehr als 1.000 ausländischen Zugewanderten<br />
Ausländerbeiräte gewählt. 11 Dementsprechend wurde die Geschäftsstelle der „Ausländerkommission“ in<br />
die Geschäftsstelle des nun nach der HGO gewählten Ausländerbeirates umgewandelt. Das 1998 eingerichtete<br />
Interkulturelle <strong>Büro</strong> der Stadt <strong>Darmstadt</strong> ist Geschäftsstelle des Ausländer beirates.<br />
Schlussbemerkungen<br />
Im Zuge des Migrationsprozesses haben sich in <strong>Darmstadt</strong> – wie bundesweit – Tendenzen zur „relativen<br />
Unterschichtung“ 12 der Gesellschaft und zur ungleichen Verteilung der Bildungserfolge herausgebildet,<br />
die auch durch kommunale Anstrengungen zur Integration nicht aufzuhalten waren. Es gibt Anzeichen<br />
dafür, dass diese Tendenzen sich in ihrer Wechselwirkung stabilisiert und zu einer Negativspirale geführt<br />
haben. Somit stellte die Migration für einen großen Teil der zugewanderten Menschen deutlich ein<br />
soziales und Bildungsrisiko dar. Dies betrifft insbesondere die Stadtteile mit besonderem Erneuerungsbedarf,<br />
wo ethnische und soziale Segregation zusammenfallen. Die Konzentration von Zugewanderten<br />
in einer prekären sozialen Lage in einem Umfeld von Armut und wachsenden sozialen Risiken kann<br />
dazu führen, dass sich soziale und ethnische Segregation gegenseitig verstärken.<br />
11 Hessische Landeszentrale für politische Bildung (HLZ), 1985, Ausländerbeiräte in Hessen, Aufgaben und Organisation,<br />
Ein Leitfaden. Wiesbaden.<br />
12 „Relative Unterschichtung“ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die zugewanderte Bevölkerung in den Unterschichten<br />
stärker repräsentiert ist. Doch es wäre falsch, aus dieser Tendenz die Entwicklung einer homogenen „Unterschicht“ oder gleichförmigen<br />
Lebenslage herauszulesen. Sie umfasst weder die Gesamtheit aller Migrantinnen und Migranten, noch Gruppen einer<br />
bestimmten „ethnischen“ Herkunft. Auf der anderen Seite trifft das Risiko sozialer Ausgrenzung auch Teilgruppen der Kernbevölkerung<br />
mit und ohne deutschen Pass.<br />
17
I.2. Die nichtdeutsche Bevölkerung in <strong>Darmstadt</strong> heute –<br />
Daten und Trends<br />
Wie Kapitel I.1. über die historische Entwicklung der Zuwanderung nach <strong>Darmstadt</strong> deutlich zeigt, sieht<br />
sich ein großer Teil der zugewanderten Bevölkerung bereits mit Beginn des Einwanderungsprozesses<br />
nach Deutschland bzw. <strong>Darmstadt</strong> mit erschwerten Zugängen zu den zentralen gesellschaftlichen<br />
Ressourcen – Bildung, Arbeit und Wohnen – konfrontiert. Diesen Schwierigkeiten sah und sieht sich<br />
auch ein Großteil der hier geborenen und aufgewachsenen Kinder – die sog. 2. und 3. Generation –<br />
ausgesetzt. Ungleiche Zugangschancen zu den zentralen gesellschaftlichen Ressourcen – diese zentrale<br />
Charakteristik des Einwanderungsprozesses der vergangenen Jahrzehnte zeigt sich ebenso im ersten<br />
Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts.<br />
Gleichwohl ist hier zu betonen, dass es trotz struktureller Benachteiligung einem kontinuierlich wachsenden<br />
Teil der zugewanderten Bevölkerung und ihren Kindern gelingt, sich den Zugang zu Bildung,<br />
Arbeit, Wohnen, Gesundheit etc. zu verschaffen; auf diese Entwicklung weisen bundesweite Studien und<br />
auch die Milieu-Studie (vhw – Bundesverband für Wohnen und Stadtentwicklung e.V., 2009) hin. Die für<br />
<strong>Darmstadt</strong> vorliegenden Daten werden auch unter diesem Blickwinkel betrachtet.<br />
Im Folgenden werden zunächst aktuelle Daten zur ausländischen Bevölkerungsentwicklung unter<br />
Berücksichtigung neuerer Migrationstendenzen sowie Daten zur Einbürgerung und zu bi-nationalen<br />
Eheschließungen vorgestellt. Im Anschluss daran werden die Daten zu den zentralen Themen Bildung,<br />
Arbeit und Wohnen differenziert nach Alter, Geschlecht und Stadtteil betrachtet. Beide Aspekte –<br />
mangelnde Zugangschancen und auch erfolgreicher Zugang – werden dabei deutlich.<br />
Die Erkenntnisse aus der Analyse dieser Daten dienen als Grundlage zur Entwicklung von Strategien<br />
kommunaler Integrationssteuerung (vgl. Kap. II), für die Entwicklung kommunaler Integrationsmaßnahmen<br />
(vgl. Kap. III) sowie für fachpolitische Handlungsempfehlungen (vgl. Kap. VI).<br />
2.a. Statistik und Migrationshintergrund – Stand und Perspektive<br />
Wenn von Menschen mit Migrationshintergrund gesprochen wird, so werden darunter: Personen mit<br />
ausländischer Staatsangehörigkeit, eingebürgerte Personen sowie Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler<br />
verstanden. Aber auch Kinder zugewanderter Menschen, die in Deutschland geboren wurden<br />
und die aufgrund des am 1.1.2000 in Kraft getretenen Staatsangehörigkeitsgesetzes qua Geburt die<br />
deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, werden als Menschen mit Migrationshintergrund bezeichnet.<br />
Bis heute liegen auf kommunaler Ebene keine verlässlichen Daten und Statistiken zum Migrations -<br />
hintergrund vor, da es hierfür keine Datenbasis gibt. Dies wiederum ist dadurch bedingt, dass im<br />
Rahmen des Melderechts nur die erste Kategorie „Personen mit ausländischem Pass“ erfasst wird.<br />
Lediglich auf Bundes- und Landesebene existieren bereits Daten, die alle Kriterien zum Migrationshintergrund<br />
erfassen. So hat das Statistische Bundesamt 2006 zum ersten Mal Statistiken zum Migrationshintergrund<br />
1 veröffentlicht. Viele Statistische Landesämter haben über den Mikrozensus das<br />
Kriterium Migrationshintergrund mittlerweile in ihre Befragung aufgenommen.<br />
Einzelne Kommunen haben in den letzten Jahren mittels neuer Algorithmen und spezifischer Datenauswertung<br />
aus den Melderegistern Statistiken zum Migrationshintergrund ihrer städtischen Bevölkerung<br />
1 Thomas Schäfer, Gunter Brückner, Soziale Homogenität der Bevölkerung bei alternativen Definitionen für Migration, in:<br />
Statistisches Bundesamt, Wirtschaft und Gesellschaft, Wiesbaden, Heft 12/2008:1047 ff.<br />
18
erhoben und veröffentlicht. Auch die Wissenschaftsstadt <strong>Darmstadt</strong> ist sich der Dringlichkeit, aussagekräftige<br />
Daten zum Migrationshintergrund zu besitzen, bewusst und plant, in Zukunft diese neu entwickelten<br />
Algorithmen so einzusetzen, dass auch für Stadtteile und statistische Bezirke die Zahlen zum<br />
Migrationshintergrund der Bevölkerung ermittelt und veröffentlicht werden können.<br />
Einen Eindruck, wie stark die Zahl der „Menschen mit Migrationshintergrund“ von der Zahl der „ausländischen<br />
Bevölkerung“ in <strong>Darmstadt</strong> divergieren kann, gibt eine Analyse im Rahmen eines Forschungsprojekts<br />
aus dem Jahr 2008 wieder. 2 Demnach betrug 2007 der Anteil der ausländischen Bevölkerung<br />
an der Gesamtbevölkerung 16,4 %; der Anteil der Bevölkerung mit Migrationshintergrund betrug jedoch<br />
24,5 %.<br />
Trotz dieser Divergenz und der daher begrenzten Aussagekraft der für <strong>Darmstadt</strong> vorliegenden Daten,<br />
sind dennoch – wie bereits erwähnt – auf der Grundlage dieser Daten eindeutige Entwicklungstendenzen<br />
zu erkennen, die Aussagen über den Zugang von Zugewanderten und deren Kindern zu den zentralen<br />
gesellschaftlichen Ressourcen und somit zu ihrer (strukturellen) Integration zulassen. Diese Daten<br />
werden vorgestellt und im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten, insbesondere unter Bezugnahme<br />
auf bundesweite Entwicklungen und Forschungsergebnisse, analysiert.<br />
In diesem Kapitel wird daher nicht der Begriff „Migrantin“ bzw. „Migrant“, sondern bewusst der Begriff<br />
„Nichtdeutsch“ benutzt, da sich die statistischen Daten nur auf Menschen mit nichtdeutscher Staatsangehörigkeit<br />
und nicht auf alle Menschen mit Migrationshintergrund beziehen.<br />
2.b. Zuwanderung und neue Migrationstendenzen<br />
Am 31.12.2009 lebten in <strong>Darmstadt</strong> insgesamt 142.237 Personen. Die folgende Graphik gibt einen<br />
Einblick in die zahlenmäßige Entwicklung der ausländischen Bevölkerung seit dem Jahr 2000.<br />
Graphik 1<br />
Quelle: Wissenschaftsstadt <strong>Darmstadt</strong>, 2006:22f.; 2010:23. Zugriff am 1.3.2011.<br />
2 Holger Cischinsky, Hans-Jürgen Gräff, Hartmut Häussermann, Externe wissenschaftliche Begleitung der Pilotphase eines<br />
Sozialmonitorings in den Gemeinden im Umfeld des Flughafens Frankfurt/Main, Endbericht, <strong>Darmstadt</strong>/Berlin September 2008:41.<br />
19
Während die Zuwanderung in den Jahren 2000 bis 2005 trotz hoher Einbürgerungszahlen um 2.460<br />
Personen zugenommen hat, war bis zum Jahr 2009 ein Zuwanderungsverlust von 685 Personen zu ver-<br />
zeichnen. Berücksichtigt man jedoch die Zahl der Einbürgerungen, so reduziert sich diese Zahl wesentlich.<br />
Beim Blick auf diese Verlustrechnung sollte aber bedacht werden, dass seit März 2007 die Familienzusammenführung<br />
aus den außereuropäischen Ländern, insbesondere aus den ehemaligen Anwerbeländern<br />
Türkei, Marokko und Tunesien, gesetzlich erschwert und damit deutlich zurückgegangen ist.<br />
Wie aus der folgenden Tabelle zu ersehen ist, verzeichneten die größten Bevölkerungsgruppen aus den<br />
ehemaligen Anwerbeländern den höchsten Rückgang; demgegenüber stieg die Zahl der Menschen, die<br />
aus anderen Ländern nach <strong>Darmstadt</strong> kamen. Somit ist <strong>Darmstadt</strong> internationaler als zuvor.<br />
20<br />
6.000<br />
5.000<br />
4.000<br />
3.000<br />
2.000<br />
1.000<br />
0<br />
-1.000<br />
am 31.12.2000 am 31.12.2005 am 31.12.2009<br />
Zuwanderungs-<br />
gewinn/ -verlust<br />
2005/2009<br />
Türkei 4.994 5.168 4.948 -220<br />
Italien 2.418 2.194 2.057 -137<br />
Marokko 915 1.011 978 -33<br />
Serbien und Montenegro 855 762 568 -194<br />
Griechenland 861 808 717 -91<br />
Kroatien 761 717 644 -73<br />
Polen 572 1.008 1.231 223<br />
China 357 561 721 160<br />
Russische Föderation 331 558 566 8<br />
Graphik 2<br />
Quelle: Wissenschaftsstadt <strong>Darmstadt</strong>, 2006:21; 2009:21; 2010:21. Zugriff am 1.3.2011.<br />
Bereits im Jahr 2000 wurde in der Fachliteratur auf diese Entwicklung hingewiesen: „In den letzten Jahren<br />
wächst die Zahl der Familien, die nicht aus den Anwerbeländern kommen.“ (Deutscher Bundestag<br />
2000:169).
Der Sachverständigenrat für Zuwanderung und Integration hat im Jahre 2004 ebenfalls darauf aufmerksam<br />
gemacht. Demnach kamen vermehrt folgende Zuwanderergruppen nach Deutschland:<br />
„EU-Binnenmigration von Unionsbürgern, Familien- und Ehegattennachzug von Drittstaatsangehörigen,<br />
Spätaussiedlerzuwanderung, Zuwanderung von Juden aus dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion,<br />
Zugang von Asylbewerbern und Konventionsflüchtlingen, die Aufnahme von Kriegs-, Bürgerkriegs- und<br />
De-facto-Flüchtlingen, Werkvertrags-, Saison- und Gastarbeitnehmermigration und weitere zeitlich begrenzte<br />
Arbeitsmigration aus Nicht-EU-Staaten, Zuwanderung von IT-Fachkräften, Zuwanderung ausländischer<br />
Studierender sowie die Rückkehr deutscher Staatsangehöriger.“ (Sachverständigenrat für<br />
Zuwanderung und Integration, 2004:20; Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und<br />
Migration 2010:101ff).<br />
Es ist davon auszugehen, dass diese Entwicklung auch die Zuwanderung nach <strong>Darmstadt</strong> geprägt hat<br />
und weiterhin prägt, eine konsequente lineare Migrationsbewegung aus bestimmten Regionen oder<br />
Ländern ist nicht zu beobachten.<br />
Zuwanderung nach <strong>Darmstadt</strong> aus Nicht-Anwerbeländern:<br />
Nationalität 31.12.2005 31.12.2009 Differenz<br />
Polen 1.008 1.231 +223<br />
China 561 721 +160<br />
Ungarn 132 192 +60<br />
Vietnam 183 228 +45<br />
Süd-Korea 89 134 +45<br />
Thailand 142 162 +20<br />
Ghana 179 193 +14<br />
Österreich 316 325 +9<br />
Russische Föderation 558 566 +8<br />
Frankreich 464 472 +8<br />
Indonesien 142 146 +4<br />
Schweiz 101 105 +4<br />
Australien und Neuseeland 23 27 +4<br />
Äthiopien 119 122 +3<br />
Tabelle 10<br />
Quelle: Wissenschaftsstadt <strong>Darmstadt</strong>, 2010:21; 2006:21.<br />
21
Die nichtdeutsche Bevölkerung stammte am jeweiligen Stichtag aus folgenden Erdteilen:<br />
22<br />
18.000<br />
16.000<br />
14.000<br />
12.000<br />
10.000<br />
8.000<br />
6.000<br />
4.000<br />
2.000<br />
0<br />
Bevölkerung<br />
am<br />
31.12.1995<br />
Bevölkerung<br />
am<br />
31.12.2000<br />
Bevölkerung<br />
am<br />
31.12.2005<br />
Bevölkerung<br />
am<br />
31.12.2009<br />
Europa<br />
Asien<br />
Afrika<br />
Amerika<br />
Australien und Neuseeland<br />
Staatenlose und ungeklärt<br />
Graphik 3<br />
Quelle: Wissenschaftsstadt <strong>Darmstadt</strong>, 2008:21; 2009:21. Zugriff am 1.3.2011.<br />
Immer mehr Menschen aus allen Kontinenten der Welt kamen und kommen nach <strong>Darmstadt</strong>; dies hängt<br />
sicherlich auch mit dem Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort dieser Stadt zusammen. So kann davon<br />
ausgegangen werden, dass die geographische Lage der Stadt in der Rhein-Main Region sowie der<br />
Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort <strong>Darmstadt</strong> Anziehungskraft für unterschiedliche Zuwanderergruppen,<br />
wie z. B. für Studieninteressierte oder Akademikerinnen und Akademiker, besitzt.<br />
Einen wichtigen Teil der nichtdeutschen Bevölkerung in <strong>Darmstadt</strong> bildeten und bilden die ausländischen<br />
Studierenden an den drei Hochschulen. Auch wenn nicht für alle Hochschulen Daten vorliegen, so gibt<br />
der Überblick über die Zahl der ausländischen Studierenden an der TU <strong>Darmstadt</strong> zumindest einen<br />
Eindruck:<br />
Erdteil 2003 2004 2005 2006 2007 2008<br />
Europa 1.845 1.774 1.700 1.877 1.820 1.763<br />
Afrika 608 631 706 715 618 627<br />
Amerika 178 167 206 209 173 213<br />
Asien 1.376 1.443 1.425 1.418 1.367 1.397<br />
Australien und Neuseeland 1 1 1 3 2 3<br />
Staatenlose und ungeklärt 13 10 5 12 5 3<br />
Gesamt 4.021 4.026 4.043 4.234 3.985 4.006<br />
Tabelle 11<br />
Quelle: Wissenschaftsstadt <strong>Darmstadt</strong>, 2008 Internetabruf Kap.7.55; 2009 Internetabruf Kap.7.41.
Bei der Betrachtung der Entwicklung der ausländischen Bevölkerung nach relevanten Altersgruppen<br />
wird eine Konzentration bei der Alterskohorte der 21- bis 45-Jährigen deutlich:<br />
Altersgruppe Ausländer am 31.12.2005 Ausländer am 31.12.2009<br />
21 bis unter 45 56,6 % 55,8 %<br />
45 bis unter 65 20,0 % 22,1 %<br />
6 bis unter 15 8,2 % 6,3 %<br />
65 bis unter 75 4,4 % 5,2 %<br />
Tabelle 12<br />
Quelle: Wissenschaftsstadt <strong>Darmstadt</strong>, 2006:41; 2010:39.<br />
Bei der Betrachtung der Alterskohorte der 6- bis 15-Jährigen ist, darauf wurde bereits mehrmals hingewiesen,<br />
unbedingt der Migrationshintergrund, der mindestens noch einmal so viele Personen einschließt,<br />
mitzudenken. Ein deutlicher Anstieg der 65- bis 75-Jährigen sowie der 45- bis 65-Jährigen ist<br />
bereits zu verzeichnen.<br />
Einbürgerungen und bi-nationale Ehen<br />
Bundesweit ist die Entwicklung des Einbürgerungsprozesses in den letzten drei Jahren durch einen<br />
relativen Rückgang bzw. durch Stagnation gekennzeichnet:<br />
Jahr Bevölkerung gesamt Ausländische Bevölkerung Einbürgerungen<br />
(in 1.000) (in 1.000) (in 1.000)<br />
2007 82.257 6.745 113<br />
2008 82.135 6.728 94<br />
2009 81.904 6.695 96<br />
Tabelle 13<br />
Quelle: http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Navigation/Statisti-ken/<br />
Bevoelkerung/MigrationIntegration/MigrationIntegration.psml; jsessio-nid=83521D88C0B85E0F4130B<br />
192A642170A.internet, Internetabruf am 30.12.2010.<br />
Die bundesweit rückläufige Tendenz bei der Einbürgerung wird in der Fachliteratur auf mehrere Ursachen<br />
zurückgeführt. Allgemein werden höhere Sprachanforderungen und die nicht ausreichende Information<br />
der Zielgruppe genannt. Der 8. Bericht der Beauftragten der Bundesregierung für Migration,<br />
Flüchtlinge und Integration verweist auf diesen Sachverhalt und führt darüber hinaus aus, dass unterschiedliche<br />
Ursachen, wie „Verwaltungsverfahren über Hindernisse und unverhältnismäßige(r) Aufwand<br />
bei der Nachweisführung“ eine entscheidende Rolle spielten. (Vgl. Die Beauftragte der Bundesregierung<br />
für Migration, Flüchtlinge und Integration, 2010: 276ff.).<br />
23
Dem bundesweit rückläufigen Trend entgegen, konnte in <strong>Darmstadt</strong>, bis auf das Jahr 2009, eine<br />
Zunahme der Einbürgerungszahlen verzeichnet werden, wie aus folgender Graphik zu erkennen ist:<br />
Einbürgerungen in <strong>Darmstadt</strong><br />
Einbürgerungen in Deutschland<br />
24<br />
Einbürgerungen in <strong>Darmstadt</strong> Einbürgerungen in Deutschland<br />
700<br />
600<br />
500<br />
400<br />
300<br />
200<br />
100<br />
0<br />
383 Personen in 2006<br />
421 Personen in 2007<br />
604 Personen in 2008<br />
547 Personen in 2009<br />
Graphik 4<br />
Quelle: Wissenschaftsstadt <strong>Darmstadt</strong>, 2008:25; 2009:25; 2010:23; www.destatis.de, Internetabruf am<br />
25.1.2011.<br />
Einbürgerungen sind bei Menschen aus allen Herkunftsländern zu verzeichnen. Die 10 Herkunftsländer,<br />
aus denen die meisten Eingebürgerten stammen, sind:<br />
Herkunftsland Anzahl Alter unter 18 18 – 44 über 44<br />
Türkei 118 41 71 6<br />
Marokko 47 4 41 2<br />
Iran 33 5 18 10<br />
Somalia 29 19 9 1<br />
Irak 27 8 15 4<br />
Pakistan 26 11 10 5<br />
Kamerun 21 – 21 –<br />
Russland 16 4 11 1<br />
China 14 1 12 1<br />
Bosnien Herzegowina 12 2 8 2<br />
Sonstige 122 22 79 21<br />
Tabelle 14<br />
Quelle: Wissenschaftsstadt <strong>Darmstadt</strong>, 2010:23.<br />
140000<br />
120000<br />
100000<br />
80000<br />
60000<br />
40000<br />
20000<br />
0<br />
124 566 Personen in 2006<br />
113 030 Personen in 2007<br />
94 470 Personen in 2008<br />
96 122 Personen in 2009
Diesen Herkunftsländern folgen in absteigender Reihe Polen, Vietnam, Ukraine, Brasilien, Afghanistan,<br />
Äthiopien, Tunesien, Italien, Griechenland. Hier wird deutlich, dass sich Menschen aus unterschiedlichen<br />
Herkunftsländern einbürgern lassen und sich die Einbürgerung nicht auf bestimmte Herkunftsländer<br />
konzentriert.<br />
Auch wenn Einbürgerung als wichtiger Integrationsindikator angesehen werden kann, da eingebürgerte<br />
Personen z. B. das aktive und passive Wahlrecht erhalten sowie mit der Einbürgerung in der Regel<br />
die Absicht, in Deutschland zu bleiben, verbunden ist, weist Einbürgerung auf die bereits bestehende<br />
(strukturelle) Integration hin. Denn nur Menschen, die keine staatlichen Transferleistungen in Anspruch<br />
nehmen, haben Anspruch auf Einbürgerung, müssen jedoch ausreichende Deutschkenntnisse (B1 nach<br />
dem ERR) nachweisen und einen umfassenden Einbürgerungstest bestehen, der durchaus abschreckend<br />
wirken kann.<br />
Entsprechend kann die Statistik gelesen werden: die am stärksten vertretene Altersgruppe sind die<br />
18- bis 44-Jährigen. Es sind erwachsene Menschen, die in den Arbeitsmarkt integriert sind bzw.<br />
Jugendliche, deren Eltern keine staatlichen Transferleistungen erhalten. Wird der Fokus auf den geschlechtsspezifischen<br />
Aspekt gerichtet, fällt auf, dass sich im Jahr 2009 mehr männliche als weibliche<br />
Personen einbürgern ließen. Diese Entwicklung weist ebenfalls auf die Relation von bereits bestehender<br />
struktureller Integration und Einbürgerung hin: Frauen sind stärker von Arbeitslosigkeit (vgl. Kap. I.2.<br />
Arbeitslosigkeit) betroffen, sie sind daher verstärkt von staatlichen Transferleistungen abhängig und<br />
haben somit seltener Anspruch auf Einbürgerung.<br />
Neben den Einbürgerungen werden bi-nationale Eheschließungen, also Ehen zwischen der Herkunft<br />
nach deutschen und nichtdeutschen Staatsangehörigen, als relativ günstiges Kriterium für die soziale<br />
Integration gewertet. Sie deuten auf Annäherungsprozesse zwischen deutscher und nichtdeutscher<br />
Bevölkerung bzw. in der Bevölkerung allgemein hin. 3 Im Folgenden werden die vorliegenden Zahlen für<br />
die in <strong>Darmstadt</strong> geschlossenen bi-nationalen Ehen dargestellt:<br />
Mann Ausländer<br />
Frau Deutsche<br />
Frau Ausländerin<br />
Mann Deutscher<br />
beide Ausländer beide Deutsche<br />
2007 8,8 % (71) 10,5 % (85) 4,7 % (30) 77,1 % (625)<br />
2008 6,6 % (52) 11,2 % (89) 4,2 % (33) 78,0 % (618)<br />
2009 8,5 % (66) 11,4 % (88) 4,0 % (31) 76,1 % (589)<br />
Tabelle 15<br />
Quelle: Wissenschaftsstadt <strong>Darmstadt</strong>, 2008:52; 2009:52.<br />
Bei der Betrachtung dieser Zahlen ist allerdings zu bedenken, dass auch hier Staatsangehörigkeit und<br />
ethnische Herkunft nicht immer übereinstimmen. Eine Eheschließung zwischen zwei Personen, die<br />
unterschiedliche Staatsangehörigkeiten besitzen, aber dieselben ethnischen Wurzeln haben, gilt in der<br />
Statistik als bi-nationale Ehe.<br />
Wie bei allen statistischen Erhebungen wird auch hier die Notwendigkeit der Erhebung des Migrationshintergrunds<br />
deutlich; erst damit kann eine verlässliche Aussage über die mögliche Relevanz der binationalen<br />
Eheschließungen für den Stand des Integrationsprozesses in der Stadt getroffen werden.<br />
3 Vgl. Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (2004): Fakten,Trends, Ursachen, Erwartungen. Die wichtigsten Fragen.<br />
Wiesbaden, 28.<br />
25
2.c. Wohnen<br />
Betrachtet man die Verteilung der nichtdeutschen und deutschen Bevölkerung über das gesamte Stadtgebiet,<br />
fällt die ungleiche Verteilung auf bestimmte Stadtgebiete und die Konzentration in bestimmten<br />
Stadtgebieten sofort ins Auge:<br />
Graphik 5<br />
Quelle: Wissenschaftsstadt <strong>Darmstadt</strong>, 2010a:28. Zugriff am 1.3.2011.<br />
Die Tendenz zur ethnischen Segregation, die bereits in den vergangenen Jahrzehnten deutlich war<br />
(vgl. Kap. I.1.), scheint sich verfestigt zu haben. So war der Anteil der Nichtdeutschen vor allem in<br />
Zentrums- und Hauptbahnhofsnähe deutlich höher als in bestimmten Teilen Arheilgens oder Eberstadts<br />
und im Westen höher als im Osten: der Anteil der nichtdeutschen Bevölkerung, z. B. im statistischen<br />
Bezirk 120 Rheintor/Grafenstraße lag bei 34,9 %, im Mornewegviertel sogar bei 41,9 %, in der Heimstättensiedlung<br />
jedoch nur bei 7,3 %.<br />
26
Der Darmstädter Sozialbericht aus dem Jahr 2002 hat bereits auf die sozialen und strukturellen Gründe<br />
dieser Entwicklung aufmerksam gemacht: „Vermögende Haushalte ziehen aus den überfüllten und<br />
schlecht ausgestatteten innerstädtischen Altbauquartieren in die Eigenheimquartiere bzw. in neue<br />
Großsiedlungen am Stadtrand. In die frei werdenden innerstädtischen Quartiere ziehen seit Beginn der<br />
60er Jahre vor allem die neuen Zuwanderer aus dem Ausland, die „Gastarbeiter“ und Migranten und<br />
Migrantinnen. Sozial ist eine Differenzierung zwischen Kernstadt und suburbanen Gebieten nach Einkommen,<br />
ethnischer Zugehörigkeit und Familienform typisch: In den Altbauquartieren bleiben im Zuge<br />
dieser Stadtflucht die Migranten, die ethnischen Minderheiten, die Alleinstehenden (z. B. Studenten und<br />
Rentner) und die sozial Schwachen und Unterprivilegierten zurück.“ (Wissenschaftsstadt <strong>Darmstadt</strong>,<br />
2002:5).<br />
In folgenden Bezirken war eine hohe Konzentration ausländischer Staatsangehöriger festzustellen.<br />
Diese Konzentration hat in einigen Stadtteilen bis weit über 50 % des städtischen Durchschnitts (16 %)<br />
betragen:<br />
Bezirk Bevölkerung am 31.12.2009<br />
insgesamt Deutsche Ausländer Ausländer in %<br />
250 Mornewegviertel 683 420 263 38,5<br />
120 Rheintor/Grafenstraße 3.619 2.396 1.223 33.8<br />
260 Pallaswiesenviertel 2.557 1.786 771 30,2<br />
110 Stadtmitte 1.383 978 405 29,3<br />
270 Am Ziegelbusch 4.797 3.509 1.288 26,9<br />
530 Verlegerviertel 4.748 3.650 1.098 23,1<br />
540 Am Kavelleriesand 755 583 172 22,8<br />
150 St. Ludwig mit Eichbergviertel 6.617 5.128 1.489 22,5<br />
130 Hochschulviertel 576 448 128 22,2<br />
750 Kirchtannensiedlung 5.943 4.699 1.244 20,9<br />
910 Kranichstein-Süd 7.706 6.115 1.591 20,6<br />
Tabelle 16<br />
Quelle: Wissenschaftsstadt <strong>Darmstadt</strong>, 2010:26.<br />
Bei diesen Bezirken mit den höchsten Anteilen nichtdeutscher Wohnbevölkerung handelt es sich entweder<br />
um Bezirke mit hohem Bestand öffentlich geförderter Sozialwohnungen mit vergleichsweise<br />
niedrigem Mietzins, wie z. B. Kirchtanntensiedlung. Oder es sind Bezirke mit einer Mischung aus<br />
Gewerbeansiedlung und Wohngebiet, wie z. B. das Mornewegviertel.<br />
In anderen Bezirken wiederum lag der Anteil der ausländischen Wohnbevölkerung im Jahr 2009 weit<br />
unter dem Durchschnitt:<br />
27
28<br />
Bezirk Bevölkerung<br />
Insgesamt Deutsche Ausländer Ausländer in %<br />
740 Am Frankenstein 3.333 3.100 233 7,0<br />
520 Heimstättensiedlung 6.974 3.548 520 7,5<br />
730 Villenkolonie 3.919 3.615 304 7,8<br />
310 Am Oberfeld 3.425 3.156 269 7,9<br />
430 An der Ludwigshöhe 1.476 1.352 124 8,4<br />
640 Arheilgen-Ost 1.669 1.523 146 8,7<br />
720 Am Lämmchesberg 3.362 3.049 313 9,3<br />
Tabelle 17<br />
Quelle: Wissenschaftsstadt <strong>Darmstadt</strong>, 2010:26.<br />
Es ist davon auszugehen, dass sich die nichtdeutsche Mittelschicht für die Wohnviertel mit hohem<br />
Wohnstandard entscheidet. Hier wird deutlich, dass für aufstiegsorientierte Migrantinnen und Migranten<br />
der Mittelschicht der Wohnstandard relevanter ist als die räumliche Anbindung an die Community,<br />
wenn es um die Entscheidung geht, in welchem Quartier sie wohnen wollen.<br />
Diese auf das Wohnquartier fokussierten Analysen decken sich mit den Forschungsergebnissen des Gutachtens<br />
des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen in Bezug auf das Wohnverhalten von Menschen<br />
mit Migrationshintergrund (vgl. vhw-Bundesverband für Wohnen und Stadtentwicklung e.V. 2009).<br />
Auffällig ist auch die ungleiche Verteilung der nichtdeutschen Bevölkerung im Stadtgebiet: in den Stadtteilen<br />
Kranichstein-Süd und Eberstadt-Süd waren z. B. andere Nationalitäten häufiger anzutreffen als in<br />
anderen Teilen der Stadt. Dies betraf insbesondere Flüchtlinge aus Kriegsgebieten, aber auch Aussiedlerinnen<br />
und Aussiedler. So lebten in Kranichstein-Süd z. B. jeweils die größten Gruppen der Menschen<br />
aus dem Irak, aus Pakistan oder Afghanistan, in Eberstadt-Süd bildeten Menschen aus Ländern der<br />
ehemaligen Sowjetunion die größte Gruppe. Diese Konzentration lässt sich wiederum auf den in Einwanderungsgesellschaften<br />
typischen Prozess der Kettenmigration zurückführen.<br />
2.d. Bildung<br />
Bildung ermöglicht eine gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und hat insofern eine<br />
Schlüsselfunktion für Integration. Im 8. Bericht der Beauftragten der Bundesregierung für Migration,<br />
Flüchtlinge und Integration heißt es: „Bildung ist Voraussetzung für persönlichen Aufstieg und die Zukunftsfähigkeit<br />
Deutschlands. Integration ist im Kern eine Bildungsfrage. Investitionen in Bildung sind<br />
Zukunftsinvestitionen und Motor für Wachstum, Beschäftigung und gesellschaftlichen Zusammenhalt.<br />
(...) Vom Bildungsstand und den Qualifikationen der in Deutschland lebenden Menschen hängt unsere<br />
gesellschaftliche und wirtschaftliche Zukunft ab.“ (Beauftragte der Bundesregierung für Migration,<br />
Flüchtlinge und Integration, 2010:42).<br />
Im Folgenden werden die vorhandenen statistischen Daten zur Teilhabe an der schulischen und beruflichen<br />
Bildung von nichtdeutschen Kindern und Jugendlichen vorgestellt und analysiert. Wie bereits in<br />
Kapitel I.2. „Statistik und Migrationshintergrund“ ausführlich erläutert, ist die Aussagekraft dieser Daten<br />
begrenzt (so wird z. B. die Zahl der Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund in der Primarstufe<br />
mindestens doppelt so hoch eingeschätzt, vgl. Staatliches Schulamt, 2009:6). Dennoch sollen<br />
diese Zahlen vorgestellt und analysiert werden, da hier deutliche Tendenzen in Bezug auf die schulische<br />
Bildungsbeteilung, insbesondere im Sekundarbereich, erkennbar sind.
Schulform/Jahr 2005 2009<br />
Gesamt Deutsch Ausl. Ausl. % Gesamt Deutsch Ausl. Ausl. %<br />
Primarstufe 5.213 4.286 927 17,8 5.113 4.536 577 11,3<br />
Hauptschule 464 306 158 34,1 257 177 80 31,1<br />
Gesamtschule<br />
Kl. 5 –10<br />
1.580 1.081 499 31,6 1.563 1.140 423 27,1<br />
Realschule 1.270 967 303 23,9 1.313 1.034 279 21,2<br />
Gymnasien<br />
Kl. 5 –10<br />
6.646 6.187 459 6,9 6.121 5.681 440 7,2<br />
Tabelle 18 a<br />
Quelle: Wissenschaftsstadt <strong>Darmstadt</strong>, 2006:128f.; 2010:122f.<br />
Anhand der Daten zur Sekundarstufe zeigt sich deutlich die Segregation durch das dreigliedrige Schulsystem.<br />
So waren Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund in Hauptschulen und beruflich<br />
orientierten Schulen, die nicht zu einer Hochschulreife führen, überrepräsentiert. Darauf hat bereits die<br />
Kommission der Europäischen Gemeinschaft hingewiesen (vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaft,<br />
2008).<br />
Entsprechend gering war der Anteil der nichtdeutschen Schülerinnen und Schüler im Gymnasialbereich:<br />
Jahrgangsstufe/Jahr 2005 2009<br />
Gesamt Deutsch Ausl. Ausl. % Gesamt Deutsch Ausl. Ausl. %<br />
Sekundarstufe I<br />
Kl. 5 –10<br />
10.267 8.793 1.474 14,4 9.746 8.387 1.359 13.9<br />
Sekundarstufe II<br />
Kl. 11–13<br />
3.193 2.957 236 7,4 3.669 3.419 250 6.8<br />
Tabelle 18 b<br />
Quelle: Wissenschaftsstadt <strong>Darmstadt</strong>, 2006:129; 2010:125.<br />
Die Bildungsbenachteiligung wird auch anhand der überdurchschnittlich hohen Anzahl nichtdeutscher<br />
Schülerinnen und Schüler an Schulen für Lernhilfe deutlich.<br />
Anteil nichtdeutscher Schülerinnen und Schüler in Schulen<br />
für Lernhilfen an der gesamten Schülerschaft<br />
2003 2004 2006 2008 2009<br />
39,40 % 37,43 % 36,90 % 36,05 % 33,75 %<br />
Tabelle 19<br />
Quelle: Wissenschaftsstadt <strong>Darmstadt</strong>, Datenreports 2003-209.<br />
Die Fachliteratur weist auf institutionell gegebene Bildungsbenachteiligung von Migrantenkindern und<br />
von jugendlichen Migrantinnen und Migranten in allen Schulstufen hin; diese Benachteiligung besteht<br />
auch beim Übergang von der Schule in den Beruf weiter. Die Übergangsprozesse von der allgemeinbildenden<br />
Schule in eine Berufsausbildung von Jugendlichen mit Migrationshintergrund gestalten sich<br />
29
nach Studien des BIBB auffällig schwierig und langwierig. Die BIBB-Studien belegen, dass Übergänge<br />
von der Schule in eine Ausbildung bei jugendlichen Migranten im Schnitt länger dauern als bei deutschen<br />
Jugendlichen (vgl. Bundesinstitut für Berufsbildung, 2006; 2008). Die weitere berufsbiografische Entwicklung<br />
gestaltet sich annähernd ähnlich. (Vgl. Die Beauftragte der Bundesregierung für Migration,<br />
Flüchtlinge und Integration, 2010:114; Gomolla/Radtke, 2002).<br />
Im Schuljahr 2009/2010 hatten in der Stadt <strong>Darmstadt</strong> 2.682 Schülerinnen und Schüler eine rein<br />
schulische Berufsausbildung begonnen. Mit einem Wert von 499 (18,6 %) Schülerinnen und Schülern<br />
ohne deutsche Staatsbürgerschaft lag der Anteil ausländischer Jugendlicher in rein schulischer Berufsausbildung<br />
deutlich über deren Anteil in dualer Berufsausbildung (11,9 %).<br />
Die Zahl der Hauptschulentlassenen ohne Schulabschluss war auch in <strong>Darmstadt</strong> bei den nichtdeutschen<br />
Schülerinnen und Schülern überproportional hoch.<br />
Schulentlassene differenziert nach Schulabschlüssen und Staatsangehörigkeit,<br />
Zeitreihe 2005 bis 2009, Stadt <strong>Darmstadt</strong><br />
30<br />
Schulentlassene 2005 2006 2008 2009<br />
Schulentlassene<br />
Deutsche gesamt<br />
davon ohne Hauptschulabschluss<br />
absolut in % absolut in % absolut in % absolut in %<br />
1412 100 1603 100 1641 100 1743 100<br />
33 2,3 48 3,0 36 2,2 33 1,9<br />
davon mit Abitur 794 56,2 861 53,7 877 53,4 945 54,2<br />
Schulentlassene<br />
Ausländer gesamt<br />
davon ohne Hauptschulabschluss<br />
243 100 313 100 291 100,0 271 100<br />
21 8,6 23 7,3 20 6,9 20 7,4<br />
davon mit Abitur 43 17,7 66 21,1 53 18,2 53 19,6<br />
Schulentlassene<br />
gesamt<br />
davon ohne Hauptschulabschluss<br />
1655 100 1916 100 1932 100,0 2014 100<br />
54 3,3 71 3,7 56 2,9 53 2,6<br />
davon mit Abitur 837 50,6 927 48,4 930 48,1 998 49,6<br />
Tabelle 20<br />
Quelle: Hessisches Statistisches Landesamt, Schulstatistik, Berechnungen des Instituts für Wirtschaft,<br />
Arbeit und Kultur, Frankfurt am Main. Zit. nach HeMonA 1 , Kap. Jugendliche.<br />
Trotz dieser eindeutigen Bildungsbenachteiligung von nichtdeutschen Kindern und Jugendlichen im<br />
deutschen Bildungssystem möchte dieser Bericht auch die positiven Tendenzen der kontinuierlich<br />
wachsenden Bildungsbeteiligung nicht unerwähnt lassen:<br />
1 Die Wissenschaftsstadt <strong>Darmstadt</strong> wurde im Jahr 2010 in das Programm „Hessischer Monitor Migration und Arbeitsmarkt“<br />
(HeMonA) des hessischen Sozialministeriums aufgenommen. Der Monitor Arbeitsmarkt und Migration ist ein web-basiertes Informa -<br />
tionssystem, das zentrale Informationen zur Beschäftigungs- und Arbeitsmarktsituation von Migrantinnen und Migranten auf Stadtebene<br />
bündelt und diese Informationen online verfügbar machen soll. Die Wissenschaftsstadt <strong>Darmstadt</strong> plant, im Frühjahr 2012<br />
online zu gehen Die in Kapitel I.2. angegebenen Quellenangaben aus HeMonA beziehen sich auf den Offline-Zugang vom 1.3.2011.
Bereits der 6. Familienbericht betonte, dass „viele Familien ausländischer Herkunft hohe Bildungsaspirationen<br />
haben, da sie ihre mit der Migration verbundenen sozialen Aufstiegswünsche auf die Bildungskarrieren<br />
der Kinder projizieren.“ (Deutscher Bundestag, 2000:170).<br />
In <strong>Darmstadt</strong> haben sich – trotz des bundesweit insgesamt schlechteren Abschneidens der nichtdeutschen<br />
Jugendlichen im Hinblick auf ihre Schulabschlüsse – die Zahlen im Zeitverlauf verbessert (vgl.<br />
HeMonA, Jugendliche, Kapitel 3.6; 3.7): 2005 verließen 43 Personen bzw. 17,7 % die Schule mit Abitur<br />
und 8,6 % bzw. 21 Personen die Schule ohne einen Schulabschluss. In 2009 ist eine Verbesserung festzustellen.<br />
So haben 53 Personen bzw. 19,6 % die Schule mit einem Abitur verlassen und 20 Personen<br />
bzw. 7,4 % ohne einen Schulabschluss.<br />
Auch die Zahl der Gymnasialschülerinnen und -schüler ist in den Jahre von 2005 bis 2009 von 6,9 %<br />
auf 7,2 % in 2009 gestiegen (vgl. Wissenschaftsstadt <strong>Darmstadt</strong>, 2006:129; 2010:123). Die in <strong>Darmstadt</strong><br />
heranwachsende Mittelschicht mit Migrationshintergrund rekrutiert sich aus dieser bildungsorientierten<br />
Bevölkerung (vgl. Deutscher Bundestag, 2000:XXI).<br />
Nach Geschlechtern differenziert betrachtet ergeben sich folgende Quoten: Der Anteil der männlichen<br />
nichtdeutschen Abiturienten ist von 19,4 % im Jahr 2005 auf rund 22,9 % im Jahr 2009 deutlich gestiegen.<br />
In der Gruppe der weiblichen nichtdeutschen Abiturientinnen ist der Anteil derer, die die Hochschulreife<br />
erwarben, zwar auch gestiegen, aber im Vergleich zu dem Anteil männlicher Abiturienten<br />
eher gering: von rund 15,8 % im Jahr 2005 auf 16,4 % im Jahr 2009 (vgl. HeMonA, Jugendliche).<br />
Das Vorhandensein einer starken Bildungsorientierung bei nichtdeutschen Jugendlichen wird auch bei<br />
der Betrachtung der Zahlen zum Besuch der Abendschulen deutlich:<br />
Schultyp / Jahr 2005 2009<br />
Gesamt Deutsch Ausl. Ausl. % Gesamt Deutsch Ausl. Ausl. %<br />
Abendhauptschule 26 9 17 65,4<br />
Abendrealschule 200 149 51 25,5 318 232 86 27,0<br />
Abendgymnasium<br />
(Sek. II)<br />
448 361 87 19,4 347 278 69 19,9<br />
Tabelle 21<br />
Quelle: Wissenschaftsstadt <strong>Darmstadt</strong>, 2006:129; 2010:123f.<br />
Die im Vergleich hohe Zahl Nichtdeutscher an den Abendschulen und insbesondere am Abendgymnasium<br />
(19,9 %, Gymnasien 7,2 %) weist auf das große Interesse an schulischer Bildung hin.<br />
Diese Zahlen belegen auch für <strong>Darmstadt</strong> die in der Fachliteratur mehrfach betonte Bildungsorientierung<br />
der nichtdeutschen Bevölkerung und verweisen gleichzeitig auf die Notwendigkeit, diese Bildungsorientierung<br />
sowohl durch den Abbau institutioneller Benachteiligungsmechanismen als auch durch die<br />
verstärkte Förderung von Kindern und Jugendlichen in ihrer Schullaufbahn sowie durch intensive Unterstützung<br />
der Eltern zu fördern (vgl. Kap. IV.3. Staatliches Schulamt).<br />
31
2.e. Arbeit<br />
Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist, wie auch der Zugang zu Bildungsmöglichkeiten, eine zentrale Voraussetzung<br />
für gelingende Integration in die Einwanderungsgesellschaft. Um einen Einblick in den Stand<br />
der Integration der nichtdeutschen Bevölkerung in den Arbeitsmarkt <strong>Darmstadt</strong>s zu gewinnen, werden<br />
im Folgenden die vorhandenen Zahlen zur Erwerbstätigkeit und zur Arbeitslosigkeit der nichtdeutschen<br />
Bevölkerung differenziert nach Alter, Geschlecht, Ausbildungsniveau und Verteilung im Stadtgebiet<br />
näher betrachtet.<br />
Erwerbstätigkeit<br />
Im Jahr 2009 betrug der Ausländeranteil an der erwerbsfähigen Bevölkerung (15 bis unter 65 Jahre)<br />
19,7 %. Der Anteil der nichtdeutschen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten (im Folgenden: SVB)<br />
in der Stadt <strong>Darmstadt</strong> lag im Jahr 2009 mit 7.465 Personen bei 15,4 %. Nichtdeutsche SVB sind<br />
damit unter den SVB insgesamt in <strong>Darmstadt</strong> deutlich unterrepräsentiert.<br />
Innerhalb der verschiedenen Altersgruppen war der Anteil der nichtdeutschen SVB unterschiedlich<br />
hoch: So lag der Anteil nichtdeutscher Jugendlicher unter den SVB mit 778 von 3.687 Personen 2009<br />
bei 17,4 %, in der Altersgruppe der 50- bis unter 65-Jährigen mit 1.129 von 9.560 Personen lag er nur<br />
bei 10,6 % (s. Graphik 6).<br />
Damit war der Anteil der nichtdeutschen jugendlichen SVB größer als in den anderen Altersgruppen der<br />
nichtdeutschen SVB. Gemessen an den erwerbsfähigen nichtdeutschen Jugendlichen insgesamt (20,1 %)<br />
fällt der Anteil mit 17,4 % vergleichsweise gering aus und weist auf eine unterdurchschnittliche Partizipation<br />
von nichtdeutschen Jugendlichen an der Erwerbstätigkeit hin.<br />
32<br />
100%<br />
90%<br />
80%<br />
70%<br />
60%<br />
50%<br />
40%<br />
30%<br />
20%<br />
10%<br />
0%<br />
Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte am Wohnort nach Altersklassen und<br />
Staatsangehörigkeit, Stadt <strong>Darmstadt</strong>, 2009<br />
778 5.539<br />
3.687<br />
27.639<br />
1.129<br />
9.560<br />
unter 25 Jahre 25 bis unter 50 Jahre 50 bis unter 65 Jahre 65 Jahre und älter<br />
Deutsche Ausländer<br />
Graphik 6<br />
Quelle: Bundesagentur für Arbeit. Berechnungen des Instituts für Wirtschaft, Arbeit und Kultur,<br />
Frankfurt/M., zit. nach HeMonA, Beschäftigung. Zugriff am 1.3.2011.<br />
19<br />
213
Betrachtet man die sozialversicherungspflichtig beschäftigte Bevölkerung nach Geschlecht, so zeigt<br />
sich, dass die Gruppe der nichtdeutschen Frauen mit rund 13,2 % in <strong>Darmstadt</strong> 2009 weniger an sozialversicherungspflichtiger<br />
Beschäftigung partizipierte als die der ausländischen Männer mit 17,2 %.<br />
Vergleicht man das Ausbildungsniveau der deutschen und nichtdeutschen SVB, so fällt eine eindeutige<br />
Diskrepanz auf: während bei den Deutschen die Zahl der SVB in der Gruppe ‚mit Berufsausbildung‘<br />
gefolgt von der Gruppe ‚mit Hochschulabschluss‘ überwog und an letzter Stelle die Gruppe ‚ohne Berufsausbildung‘<br />
stand, war bei den nichtdeutschen SVB die Gruppe ‚ohne Berufsausbildung‘ bei weitem<br />
am stärksten, gefolgt von der Gruppe ‚mit Berufsausbildung‘ und erst an letzter Stelle stand die Gruppe<br />
‚mit Hochschulabschluss‘.<br />
Diese Diskrepanz war bei Frauen noch größer: im Jahr 2009 hatten nur 8,2 % der SVB nichtdeutschen<br />
Frauen in der Stadt <strong>Darmstadt</strong> eine Berufsausbildung, während der Anteil der nichtdeutschen Frauen<br />
ohne Berufsausbildung 28,2 % betrug. Nur 10,5 % aller sozialversicherungspflichtig beschäftigten<br />
Frauen mit (Fach-) Hochschulabschluss waren nichtdeutsche Frauen.<br />
Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte am Wohnort nach Ausbildungsniveau, Geschlecht und<br />
100% mit Berufsausbildung<br />
977<br />
718<br />
Staatsangehörigkeit, 2009, Stadt <strong>Darmstadt</strong> mit (Fach-)<br />
ohne Berufsausbildung Hochschulabschluss<br />
749 429<br />
Keine Zuordnung möglich<br />
90%<br />
Deutsche 80%<br />
Männer<br />
8.926<br />
Frauen<br />
9.918<br />
Männer 1.280<br />
2.989<br />
Frauen<br />
951<br />
2.686<br />
Männer<br />
6.106<br />
Frauen<br />
3.910<br />
Männer<br />
1.473<br />
3.500<br />
Frauen<br />
888<br />
3.064<br />
Ausländer<br />
70%<br />
977<br />
718 1.280<br />
951<br />
749<br />
429 1.473<br />
888<br />
60%<br />
50%<br />
40%<br />
30%<br />
20%<br />
10%<br />
0%<br />
8.926<br />
9.918<br />
2.989<br />
2.686<br />
6.106<br />
3.910<br />
3.500<br />
3.064<br />
Männer Frauen Männer Frauen Männer Frauen Männer Frauen<br />
mit Berufsausbildung ohne Berufsausbildung mit (Fach-)<br />
Hochschulabschluss<br />
Ausländer Deutsche<br />
Keine Zuordnung möglich<br />
Quelle: Graphik Bundesagentur 7 für Arbeit, Beschäftigungsstatistik<br />
Berechnungen Quelle: Berechnungen des Instituts für Wirtschaft, des Instituts Arbeit und für Kultur, Wirtschaft, Frankfurt am Arbeit Main und Kultur, Frankfurt/M., zit. nach HeMonA,<br />
Beschäftigung. Zugriff am 1.3.2011.<br />
Der Anteil der nichtdeutschen Frauen ohne Berufsausbildung an den SVB lag mit 26,1 % unter dem<br />
Anteil der Männer ohne Berufsausbildung mit 30 %. Das Verhältnis zwischen Frauen und Männern mit<br />
Berufsausbildung war 6,8 % vs. 9,9 %. Bei den ausländischen Beschäftigten mit (Fach-) Hochschulabschluss<br />
näherte sich die Quote der weiblichen SVB der der ausländischen männlichen SVB am<br />
stärksten an (10,9 % vs. 9,9 %).<br />
33
Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte am Wohnort nach Ausbildungsniveau, Geschlecht und Staatsangehörigkeit,<br />
2009, Stadt <strong>Darmstadt</strong>:<br />
34<br />
mit Berufs<br />
ausbildung<br />
ohne Berufs<br />
ausbildung<br />
mit (Fach-) Hochschulabschluss<br />
keine Zuordnung<br />
möglich<br />
Gesamt<br />
Männer Frauen Männer Frauen Männer Frauen Männer Frauen Männer Frauen<br />
Deutsche 8.926 9.918 2.989 2.686 6.106 3.910 3.500 3.064 21.521 19.578<br />
Nichtdeutsche 977 718 1.280 951 749 429 1.473 888 4.479 2.986<br />
Gesamt 9.905 10.641 4.272 3.638 6.858 4.339 4.981 3.956 26.016 22.574<br />
Anteil Nichtdeutsche<br />
9,9 % 6,7 % 30,0 % 26,1 % 10,9 % 9,9 % 29,6 % 22,4 % 17,2 % 13,2 %<br />
Tabelle 22<br />
Quelle: Berechnungen des Instituts für Wirtschaft, Arbeit und Kultur, Frankfurt/M., zit. nach HeMonA,<br />
Beschäftigung. Zugriff am 1.3.2011.<br />
Diese Zahlen weisen zwar auf die geringere Qualifizierung Nichtdeutscher auf dem Arbeitsmarkt sowie<br />
auf einen erschwerten Zugang von nichtdeutschen Frauen zum Arbeitsmarkt hin. Es ist jedoch wichtig<br />
zu bedenken, dass in die Statistik diejenigen Beschäftigten als „ohne Berufsausbildung“ und „ohne<br />
Hochschulabschluss“ eingegangen sind, deren im Herkunftsland erworbene Ausbildung in Deutschland<br />
nicht anerkannt wurde. So fiel z. B. ein in Afghanistan ausgebildeter Lehrer, dessen Abschluss jedoch<br />
nicht anerkannt wurde, in der Statistik unter die Kategorie „ohne Berufsausbildung“.<br />
Diese Tatsache verzerrt die Statistik noch stärker und erhöht die Zahl der „unqualifizierten“ bzw.<br />
„gering qualifizierten“ nichtdeutschen Personen, ein Ergebnis, das in dieser Form nicht der Realität<br />
entsprach.<br />
Aus den bisherigen Zahlen werden mehrere eindeutige Handlungsbedarfe sichtbar: die Anerkennung<br />
der im Herkunftsland erworbenen Abschlüsse und die Nachqualifizierung Geringqualifizierter, insbesondere<br />
von Frauen. 1<br />
Geringe und fehlende Qulifizierung bzw. nicht anerkannte Qualifikation erschweren den Zugang zum<br />
Arbeitsmarkt und führen zu prekären Beschäftigungsverhältnissen. Entsprechend hoch war der Anteil<br />
der geringfügig Beschäftigten (GEB) unter der nichtdeutschen Bevölkerung: Insgesamt hatten 19,5 %<br />
aller geringfügig Beschäftigten in der Stadt <strong>Darmstadt</strong> keine deutsche Staatsbürgerschaft. Der Anteil<br />
der ausländischen Frauen erreichte sogar 19,9 % im Vergleich zu den ausländischen Männern mit<br />
18,8 %. Ausländische GEB waren damit unter den GEB insgesamt deutlich überrepräsentiert (vgl. Ausländeranteil<br />
von 15,0 %). Der größte Anteil der Nichtdeutschen unter den GEB fand sich in der Altersgruppe<br />
der 25- bis unter 50-Jährigen mit 28,5 %.<br />
Geringfügige Beschäftigung spiegelt sich in den Einkommensverhältnissen. Im 8. Bericht der Beauftragten<br />
der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration heißt es: „Die Nettohaushaltseinkommen<br />
von Personen mit Migrationshintergrund liegen 2008 unter den durchschnittlichen Nettoeinkommen<br />
der Gesamtbevölkerung.“ (Beauftragte der Bundesregierung für Migration Flüchtlinge und<br />
Integration, 2010:139). Geringes Nettoeinkommen wiederum erschwert den Zugang zu weiteren zentralen<br />
Ressourcen: Gesundheit, Wohnen, Alterssicherung etc.<br />
1 Das „Gesetz zur Verbesserung der Feststellung und Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen“<br />
tritt am 1. April 2012 in Kraft.
Hier wird eindeutiger Handlungsbedarf für die Akteure des Arbeitsmarktes deutlich, gerade dieser<br />
Alterskohorte im zentralen erwerbsfähigen Alter, Zugänge zu sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung<br />
zu ermöglichen.<br />
Die Graphik von 2009 zeigt die Verteilung der Nichtdeutschen, sozialversicherungspflichtig Beschäftigten<br />
der zivilen erwerbsfähigen Bevölkerung (15 bis unter 65 Jahre):<br />
Graphik 8<br />
Quelle: Bundesagentur für Arbeit; Hessisches Statistisches Landesamt, Berechnungen des Instituts<br />
für Wirtschaft, Arbeit und Kultur, Frankfurt am Main. Zit. nach HeMonA, Beschäftigung, Zugriff am<br />
1.3.2011.<br />
35
Arbeitslosigkeit<br />
„Die Arbeitslosigkeit von Ausländerinnen und Ausländern korreliert in hohem Maße mit fehlenden beruflichen<br />
Qualifikationen. Die erhöhten Arbeitsmarktrisiken von Geringqualifizierten insgesamt werden<br />
immer wieder belegt.“ (Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration,<br />
2010:114). Auch wenn die Zahl der Arbeitslosen im Rechtskreis SGB II – sowohl die der deutschen als<br />
auch die der ausländischen – zwischen 2007 und 2009 kontinuierlich abgenommen hat, lag die Arbeitslosenquote<br />
der nichtdeutschen Bevölkerung (2007: 12,7 %; 2009: 9,7 %) dennoch deutlich über der<br />
der deutschen Bevölkerung (2008: 6,6%) – jeweils der Anteil an der erwerbsfähigen Gesamtbevölkerung<br />
(vgl. HeMonA, Arbeitslosigkeit, Zugriff am 1.3.2011).<br />
Im Jahr 2009 waren 4.138 Arbeitslose im Rechtskreis SGB II in <strong>Darmstadt</strong> angemeldet. Davon waren<br />
1.440 Personen ausländische Staatsangehörige. Damit waren nichtdeutsche Bürgerinnen und Bürger in<br />
der Stadt <strong>Darmstadt</strong> im Vergleich zu Deutschen überdurchschnittlich oft als Arbeitslose im Rechtskreis<br />
SGB II registriert. Frauen waren dabei noch mal stärker von Arbeitslosigkeit betroffen. Erreichte der<br />
Anteil der Männer nur 31,9 %, betrug er bei den Frauen sogar 38,4 % (vgl. HeMonA, Arbeitslosigkeit,<br />
Zugriff am 1.3.2011).<br />
Arbeitslose nach Geschlecht und Staatsangehörigkeit, Rechtskreis SGB II,<br />
100%<br />
Männer Frauen<br />
2009, Stadt <strong>Darmstadt</strong><br />
Deutsche 1.569 1.129<br />
90%<br />
Ausländer<br />
80%<br />
736<br />
736<br />
704<br />
704<br />
Quelle: Bundesagentur für Arbeit, Arbeitsmarktstatistik<br />
Graphik Berechnungen 9 des Instituts für Wirtschaft, Arbeit und Kultur, Frankfurt am Main<br />
36<br />
70%<br />
60%<br />
50%<br />
40%<br />
30%<br />
20%<br />
10%<br />
0%<br />
1.569 1.129<br />
Männer Frauen<br />
Ausländer Deutsche<br />
Quelle: Bundesagentur für Arbeit, Arbeitsmarktstatistik, Berechnungen des Instituts für Wirtschaft,<br />
Arbeit und Kultur, Frankfurt am Main, zit. nach HeMonA, Arbeitslosigkeit. Zugriff am 1.3.2011.<br />
Im Rechtskreis SGB III betrug der Anteil an allen als arbeitslos Registrierten 21,2 %. Wird die Zahl<br />
der Arbeitslosen im Rechtskreis SGB III nach Geschlecht und Ausbildungsniveau differenziert, wird<br />
der hohe Anteil gering bzw. unqualifizierter Menschen unter den Nichtdeutschen deutlich: Unter den<br />
Arbeitslosen im Rechtskreis SGB III ohne Schulabschluss waren Nichtdeutsche 2009 besonders stark<br />
vertreten. Bei den Frauen machte der Anteil rund 50 % aus, bei den Männern bewegte er sich sogar<br />
um 69 % (vgl. HeMonA, Arbeitslosigkeit, Zugriff am 31.1.2011). Die Zahlen zeigen deutlich, dass es<br />
dringenden Bedarf an der Nachqualifizierung nichtdeutscher Arbeits loser gibt. Nur damit könnte dieser<br />
Gruppe der Weg in den Arbeitsmarkt geebnet werden. Für die Gruppe der arbeitslosen nichtdeutschen<br />
Frauen wäre dies besonders wichtig.<br />
Im Rechtskreis SGB III variieren Zahl und Anteil der Arbeitslosen nur leicht abhängig vom Geschlecht:<br />
Der Anteil der Frauen ohne deutsche Staatsbürgerschaft an allen Frauen im SGB III-Bezug lag 2009 bei<br />
rund 20,2 %, der der Männer bei rund 21,3 % (vgl. HeMonA Arbeitslosigkeit, Zugriff am 31.1.2011).
Männer Arbeitslose nach Frauen Geschlecht und Staatsangehörigkeit, Rechtskreis SGB III,<br />
Deutsche 588 419<br />
2009, Stadt <strong>Darmstadt</strong><br />
Ausländer 100%<br />
159 106<br />
90%<br />
80%<br />
70%<br />
60%<br />
50%<br />
40%<br />
30%<br />
20%<br />
10%<br />
0%<br />
159<br />
588<br />
Quelle: Bundesagentur für Arbeit, Arbeitsmarktstatistik<br />
Berechnungen des Instituts für Wirtschaft, Arbeit und Kultur, Frankfurt am Main<br />
106<br />
419<br />
Männer Frauen<br />
Ausländer Deutsche<br />
Graphik 10<br />
Quelle: Bundesagentur für Arbeit, Arbeitsmarktstatistik, Berechnungen des Instituts für Wirtschaft,<br />
Arbeit und Kultur, Frankfurt am Main, zit. nach HeMonA, Arbeitslosigkeit. Zugriff am 1.3.2011.<br />
Der Blick auf die verschiedenen Altersgruppen zeigt, dass nichtdeutsche Jugendliche besonders<br />
von Arbeitslosigkeit betroffen waren:<br />
in %<br />
in %<br />
8,0<br />
7,0<br />
6,0<br />
5,0<br />
4,0<br />
3,0<br />
2,0<br />
1,0<br />
0,0<br />
A rbeitslosenquote der unter 25-Jährigen bezogen auf alle zivilen Erw erbspersonen dieser A ltersgruppe nach<br />
Staatsangehörigkeit, 2009, Stadt <strong>Darmstadt</strong><br />
3,6<br />
Arbeitslosenquote der unter 25-Jährigen bezogen auf alle zivilen Erwerbspersonen<br />
dieser Altersgruppe nach Staatsangehörigkeit, 2009, Stadt <strong>Darmstadt</strong><br />
4,5<br />
1,8<br />
0,9<br />
SGB II SGB III SGB II SGB III<br />
Deutsche Ausländer<br />
6,6<br />
15 bis unter 25 Jahre davon 15 bis unter 20 Jahre<br />
Graphik 11<br />
Quelle: Bundesagentur für Arbeit, Arbeitsmarktstatistik, Berechnungen des Instituts für Wirtschaft,<br />
Arbeit und Kultur, Frankfurt am Main, zit. nach HeMonA, Jugendliche. Zugriff am 1.3.2011.<br />
7,5<br />
1,2<br />
2,0<br />
37
Die Arbeitslosenquote unter den nichtdeutschen Jugendlichen im Rechtskreis SGB II fiel 2009 mit 6,6 %<br />
vergleichsweise hoch aus. Die Arbeitslosenquote der deutschen Jugendlichen lag dagegen bei 3,6 %.<br />
Die Quote der 15- bis unter 25-Jährigen lag insgesamt bei männlichen Jugendlichen mit 4,9 % deutlich<br />
höher als die die der weiblichen Jugendlichen mit 3,4 %.<br />
Bei der Gruppe der 15- bis unter 20-Jährigen lag die Quote sogar bei 5,0 %. Je jünger die Zielpopulation,<br />
umso höher war die Arbeitslosenquote. Die Quote der nichtdeutschen Jugendlichen lag sogar bei 7,5 %.<br />
Die folgende Graphik von 2009 zeigt die Verteilung der nichtdeutschen arbeitslosen Bevölkerung im<br />
gesamten Stadtgebiet (Verhältnis Arbeitslose im Rechtskreis SGB II und III zur erwerbsfähigen Bevölkerung;<br />
Berechnung entspricht nicht der offiziellen Definition der Bundesagentur für Arbeit):<br />
Graphik 12<br />
Quelle: Bundesagentur für Arbeit; Hessisches Statistisches Landesamt, Berechnungen des Instituts<br />
für Wirtschaft, Arbeit und Kultur, Frankfurt am Main, zit. nach HeMonA, Arbeitslosigkeit. Zugriff am<br />
1.3.2011.<br />
38
Die Graphik zeigt deutlich die Konzentration von arbeitslosen Nichtdeutschen (SGB II und III) in bestimmten<br />
Stadtteilen. Die Quote steht in Relation zur Quote der gesamten erwerbsfähigen nichtdeutschen<br />
Bevölkerung (19,7 %). Danach wiesen die Bezirke 750, Kirchtannensiedlung, und 910, Kranichstein-Süd,<br />
eine Arbeitslosenquote von 12,5 % und mehr auf.<br />
Die folgende Tabelle zeigt einen weiteren Aspekt der Konzentration arbeitsloser Nichtdeutscher, setzt<br />
man sie in Bezug zur Gesamtzahl der Arbeitslosen im jeweiligen Stadtteil: während der Anteil der SGB-II-<br />
Bezieherinnen und Bezieher bereits im gesamtstädtischen Durchschnitt sehr hoch bei 33 % lag, so lag<br />
er in manchen Bezirken noch höher, bei über 40 % und sogar bei 50 %.<br />
Arbeitslosenzahlen (SGB II und SGB III) nach relevanten Bezugsbezirken:<br />
Stadtbezirke SGB II Bezug SGB III Bezug<br />
gesamt in % Ausl. gesamt in % Ausl.<br />
110 Stadtzentrum 53 39,6 21 14 42,8 6<br />
120 Rheintor/Grafenstraße 192 40,6 78 47 38,2 18<br />
260 Pallaswiesenviertel 181 36,4 66 19 15,7 3<br />
530 Verlegerviertel 198 40,9 81 55 34,5 19<br />
750 Kirchtannensiedlung 421 31,8 134 44 25 11<br />
910 Kranichstein-Süd 299 51,8 155 52 21,1 11<br />
Stadtgebiet insgesamt 3.659 33 1.211 1.153 21,2 245<br />
Tabelle 23<br />
Quelle: Wissenschaftsstadt <strong>Darmstadt</strong>, 2010:93f.; eigene Berechnungen.<br />
Deutlich wird darüber hinaus auch eine Korrelation von Stadtteilen mit einer hohen Zahl nichtdeutscher<br />
Bewohnerinnen und Bewohner mit einer hohen Arbeitslosendichte. Hier treffen ethnische Konzentration<br />
im Stadtteil und soziale Benachteiligung aufeinander, so dass in diesen Vierteln eindeutig von sozialer<br />
und ethnischer Segregation gesprochen werden kann.<br />
Arbeitslosigkeit ist nicht nur isoliert als ökonomische Größe zu sehen, auch die sozialen und kulturellen<br />
Lebensbedingungen werden davon geprägt. Der 3. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung<br />
aus dem Jahr 2008 zählt exemplarisch folgende Konsequenzen im Zusammenhang mit Arbeitslosigkeit<br />
auf:<br />
1. Rückzug aus dem sozialem Leben,<br />
2. Isolation von der Familie und von Freunden,<br />
3. mangelnde Hoffnung auf eine Besserung der Lebenslage,<br />
4. Verfestigung des Ohnmachtgefühls und der Ausgrenzungserfahrungen,<br />
5. abnehmender Entscheidungswille, das eigene Alltagsleben zu gestalten,<br />
6. fehlendes Wissen über die zur Verfügung stehenden sozialstaatlichen Hilfen und Dienste.<br />
(Vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales, 2008:101).<br />
Angesichts dieser Konsequenzen ist es erforderlich, Menschen mit Migrationshintergrund, die überproportional<br />
von Arbeitslosigkeit betroffen sind, mit gezielten Maßnahmen in das Erwerbsleben zu<br />
integrieren. In den ethnisch und sozial segregierten Stadtteilen ist die verstärkte Initiierung und die<br />
Umsetzung von Maßnahmen zur Arbeitsmarktintegration der betroffenen nichtdeutschen Bevölkerung<br />
besonders dringend geboten<br />
39
II. Strategien kommunaler Integrationssteuerung<br />
In diesem Kapitel werden auf der Grundlage des Integrationsverständnisses und der integrationspolitischen<br />
Ziele der Wissenschaftsstadt <strong>Darmstadt</strong> die Strategien vorgestellt, die die Stadt seit mehr als<br />
10 Jahren entwickelt hat und kontinuierlich weiterentwickelt. Zur Umsetzung dieser Ziele benötigt eine<br />
Stadtverwaltung eine operative Einheit. Die Wissenschaftsstadt <strong>Darmstadt</strong> hat zu diesem Zweck eine<br />
Fachstelle eingerichtet und deren Kompetenzen kontinuierlich ausgeweitet. Die Aufgaben dieser Fachstelle<br />
sowie deren Bedeutung als „Motor“ der Integrationssteuerung und als vernetzende Querschnittsstelle<br />
beleuchtet dieses Kapitel ausführlich. Um die integrationspolitischen Ziele flächendeckend und<br />
von der Gesamtverwaltung getragen umsetzen zu können, ist eine weitere steuernde Einheit nötig, die<br />
die Fachstelle stärkt. Deshalb wurde auch eine Steuerungsgruppe gebildet und eingesetzt. Auf diese<br />
und weitere Steuerungseinheiten geht dieses Kapitel ebenfalls ein.<br />
1. Integrationsverständnis und integrationspolitische<br />
Ziele der Wissenschaftsstadt <strong>Darmstadt</strong><br />
Die Wissenschaftsstadt <strong>Darmstadt</strong> versteht Integration als Teilhabe zugewanderter Menschen an allen<br />
Teilsystemen der Gesellschaft, insbesondere die Teilhabe an den Bereichen Arbeit und Wirtschaft, Erziehung<br />
und Bildung, Soziales und Gesundheit, Recht und Politik. Der Integrationsprozess verläuft auf<br />
den Ebenen der strukturellen, sozialen und kulturellen Integration.<br />
Kommunale Integrationspolitik kann strukturell bedingte Benachteiligung von Migrantinnen und Migranten<br />
(z. B. im Bildungssystem, auf dem Arbeitsmarkt) nicht aufheben, sie kann jedoch Maßnahmen<br />
entwickeln, durchführen und unterstützen, die zur Überwindung migrationsbedingter Ausgrenzung beitragen<br />
und die ebenfalls dazu beitragen, die aktive Teilhabe von Migrantinnen und Migranten an allen<br />
Teilsystemen zu ermöglichen. Ziel der Integrationspolitik der Wissenschaftsstadt <strong>Darmstadt</strong> ist daher<br />
die Entwicklung, Durchführung und Unterstützung solcher Maßnahmen. Für die Wahrnehmung dieser<br />
Aufgabe wurde im Jahr 1998 eine kommunale Fachstelle für Integration, das Interkulturelle <strong>Büro</strong>, eingerichtet.<br />
Als zentrale Voraussetzung für gelingende Integration im Sinne der Teilhabe von Migrantinnen und<br />
Migranten an allen gesellschaftlichen Bereichen und der Überwindung von struktureller Benachteiligung<br />
versteht die Wissenschaftsstadt <strong>Darmstadt</strong>, die gegenseitige „Öffnung“ sowohl der Institutionen der Mehr -<br />
heitsgesellschaft als auch der soziokulturellen Netzwerke von Migrantinnen und Migranten (Migranten-<br />
Communities). Daraus folgt die strategische Ausrichtung der Integrationsarbeit:<br />
Die „Öffnung“ der Institutionen soll durch Qualifizierung auf der Personalebene sowie durch entsprechende<br />
Qualitätsentwicklung auf der institutionellen Ebene erreicht werden. Dabei misst die Wissenschaftsstadt<br />
<strong>Darmstadt</strong> der Stärkung der Verwaltungsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter im Hinblick<br />
auf interkulturelle Kompetenz, der „interkulturellen Öffnung“ der Verwaltung und der Verankerung von<br />
Integration als gesamtstädtischer Querschnittsaufgabe eine besondere Bedeutung zu.<br />
Die „Öffnung“ der Communities soll durch die Stärkung der Eigenressourcen von Migrantinnen und<br />
Migranten und ihrer Selbstorganisationen sowie durch den Einsatz von qualifizierten Multiplikatorinnen<br />
und Multiplikatoren, die zwischen den Institutionen und den Migranten-Communities vermitteln können,<br />
erreicht werden.<br />
40
Neben der Stärkung der Handlungskompetenz aller Beteiligten stellt der Aufbau von Vernetzungsstrukturen<br />
und Kooperationen in den Handlungsfeldern Bildung, Soziales, Gesundheit, Leben und Wohnen<br />
im Stadtteil, Verwaltung und Antirassismus zwischen allen Beteiligten eine weitere methodische Leitlinie<br />
der Integrationsarbeit dar.<br />
Diesem Integrationsverständnis und den integrationspolitischen Zielen entsprechend baut die Wissenschaftsstadt<br />
<strong>Darmstadt</strong>, seit der Einrichtung einer Fachstelle für Integration im Jahr 1998 bis heute,<br />
ihre kommunale Integrationssteuerung kontinuierlich aus.<br />
2. Das Interkulturelle <strong>Büro</strong> –<br />
Fachstelle für Integration und Querschnittsamt<br />
Mit einem Magistratsbeschluss vom 10.9.1997 wurde in <strong>Darmstadt</strong> das Interkulturelle <strong>Büro</strong> als kommunale<br />
Fachstelle für Integration eingerichtet und mit externen und internen Aufgaben betraut.<br />
Zu den mit der Errichtung des Interkulturellen <strong>Büro</strong>s benannten Aufgaben gehörten und gehören:<br />
Das Interkulturelle <strong>Büro</strong><br />
– nimmt als Informations- und Vermittlungsstelle alle Anfragen entgegen, die mit der Eingliederung<br />
sowie dem Zusammenleben von Bevölkerungsmehrheit und zugewanderten Minderheiten zusammenhängen.<br />
Es klärt Sachverhalte und vermittelt an Ansprechpartnerinnen und -partner, die beraten<br />
und weiterhelfen.<br />
– recherchiert und informiert über Themen im Zusammenhang mit Migration und benennt Quellen und<br />
Stellen, die genauer und umfassender informieren können.<br />
– ist Auskunftsstelle für die zugewanderten Minderheiten bei Diskriminierungen. Es recherchiert über<br />
Vorfälle, die an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter herangetragen werden und zeigt den Betroffenen<br />
Möglichkeiten auf, wie diese zu ihrem Recht kommen können.<br />
– ist Fachamt und Geschäftsstelle für den Ausländerbeirat und unterstützt in dieser Funktion den<br />
Ausländerbeirat bei seiner Arbeit zur Wahrnehmung der Interessen der in <strong>Darmstadt</strong> lebenden<br />
Migrantinnen und Migranten.<br />
– ist Ansprechstelle zur Beratung der Migrantenvereine oder der interkulturellen Gruppen. Es berät<br />
zu Vereinsgründung, Projekt- und Veranstaltungsmanagement und unterstützt auch finanziell,<br />
insbesondere die Integrationsprojekte der Migrantenvereine.<br />
– ist Konsultationsstelle für Fachkräfte aus der Verwaltung und dem sozialen, psychosozialen und<br />
pädagogischen Bereich. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beraten und unterstützen die Fachkräfte<br />
in allen Fragen der interkulturellen Arbeit. Sie vermitteln Kontakte, vernetzen Maßnahmen,<br />
moderieren Dialoge und fördern Kooperationen innerhalb und außerhalb der Stadtverwaltung<br />
(vgl. Kap. III).<br />
Im Jahr 2001 wurde durch eine Rundverfügung des damaligen Oberbürgermeisters ein weiterer Schritt<br />
unternommen, die Integration in <strong>Darmstadt</strong> als eine gesamtstädtische Querschnittsaufgabe der Stadtverwaltung<br />
festzuschreiben. Hier wurde festgelegt, dass nichtdeutsche Bürgerinnen und Bürger in alle<br />
kommunalen Lebensbereiche so einzubeziehen sind, dass sie sich aufgenommen und anerkannt fühlen.<br />
„Diese Zielsetzung erfordert Organisationsstrukturen, die sicherstellen, dass bereits in der Planung<br />
oder Vorbereitung von Maßnahmen die besonderen Bedürfnisse und Ansprüche der Migrantinnen und<br />
Migranten erkannt und berücksichtigt werden.“ Das Interkulturelle <strong>Büro</strong> wurde mit der Federführung<br />
und Koordinierung dieser Aufgabe betraut.<br />
41
Im Jahr 2007 wurde in einem nächsten Schritt durch einen Magistratsbeschluss festgelegt, dass „in<br />
allen Angelegenheiten, die die Bedürfnisse und Ansprüche von Migrantinnen und Migranten berühren,<br />
vor der Befassung der Gremien das Interkulturelle <strong>Büro</strong> zu beteiligen ist. Seine Stellungnahme ist den<br />
jeweiligen Vorlagen beizufügen oder in den Begründungstext einzuarbeiten.“<br />
Diese Aufgaben wurden mit einer neuen Rundverfügung des damaligen Oberbürgermeisters im Jahr 2008<br />
weiter präzisiert: „Die Fachämter, insbesondere in den Bereichen Stadtplanung und Stadtentwicklung,<br />
kulturelle Angelegenheiten, Jugendpflege, Sozialwesen, Wohnungswesen, Gesundheitswesen, Ordnungsangelegenheiten,<br />
Schulwesen, Sportwesen und Personalwesen werden beauftragt, alle Maßnahmen,<br />
die Belange der zugewanderten Bevölkerung berühren, rechtzeitig vor der Befassung der Gremien dem<br />
Interkulturellen <strong>Büro</strong> zur Prüfung und ggf. Bewertung vorzulegen. Die Vorlagen müssen die jeweiligen<br />
Stellungnahmen ausweisen.“<br />
Das Interkulturelle <strong>Büro</strong> wurde beauftragt, alle Verwaltungsstellen bei der fachlichen Umsetzung der<br />
beschlossenen Integrationsziele (Fachberatung), bei der Erarbeitung des erforderlichen Handlungsrepertoires<br />
(Fortbildungen), beim Zugang zu schwer erreichbaren Zielgruppen (zweisprachige Vermittlungskräfte)<br />
und bei der Vernetzung mit nichtstädtischen Kooperationspartnern und -partnerinnen im<br />
Integrationsbereich zu unterstützen.<br />
Das Interkulturelle <strong>Büro</strong> erhielt zudem die Befugnis, von sich aus Anregungen, Vorschläge und Empfehlungen<br />
an die Fachämter heranzutragen. Die daraus resultierenden Arbeitsergebnisse sind dem/der<br />
jeweiligen Fachdezernenten/Fachdezernentin vorzutragen.<br />
Werden für ämterübergreifende Projekte Arbeitsgruppen oder Steuerungsgruppen eingerichtet, übernimmt<br />
das Interkulturelle <strong>Büro</strong> die Geschäftsführung.<br />
3. Steuerungsgremien und -instrumente<br />
Städtische Steuerungsgruppe für Integration<br />
Zur besseren Verankerung der Integration als ressortübergreifende Aufgabe in der Kommunalverwaltung<br />
wurde mit dem Magistratsbeschluss vom 19.9.2007 (in Anlehnung an den Bericht 7/2005 der KGSt)<br />
eine städtische „Steuerungsgruppe für Integration zur Planung und Auswertung von grundsätzlichen<br />
Zielen und Maßnahmen“ beim Integrationsdezernenten und unter Federführung des Interkulturellen<br />
<strong>Büro</strong>s eingerichtet.<br />
Die Steuerungsgruppe besteht aus dem Amt für Soziales und Prävention, dem Jugendamt, der Sozial-<br />
und Jugendplanung, dem Amt für Familie, Kinderbetreuung und Sport, der Organisations- und Personalentwicklung,<br />
der Frauenbeauftragten sowie dem Interkulturellen <strong>Büro</strong>. Andere Fachämter werden bei<br />
Bedarf einbezogen. Die Steuerungsgruppe tagt ein- bis zweimal im Jahr.<br />
Die Steuerungsgruppe trägt alle kommunalen Integrationsmaßnahmen zusammen, wertet sie mindestens<br />
einmal jährlich aus und bereitet Beschlussempfehlungen für die Gremien vor. Zu ihren Aufgaben<br />
gehören eine Ressourcen- und Defizitanalyse, die Formulierung von grundsätzlichen Zielen und Maßnahmen,<br />
die Auswertung der Umsetzung sowie die Weiterentwicklung des gesamtkommunalen Integrationskonzepts.<br />
42
Integrationsforum <strong>Darmstadt</strong><br />
Als weiteres Steuerungsgremium wurde entsprechend des Magistratsbeschlusses vom 19.9.2007 ein<br />
Integrationsforum unter Beteiligung von nichtstädtischen Institutionen und Organisationen eingerichtet,<br />
das 2-jährlich tagen soll. Ziel des Integrationsforums ist die Ausarbeitung von Vorschlägen für Schwerpunkte<br />
der kommunalen Integrationspolitik und Vorbereitung von Handlungsempfehlungen für die<br />
Stadt (s. Kap. V.1.). Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Integrationsforums sind Fachkräfte sowie<br />
Multiplikatorinnen und Multiplikatoren aus unterschiedlichen Einrichtungen und Institutionen, die mit<br />
Integrationsarbeit befasst sind.<br />
Integrationsmonitoring<br />
Zur Stärkung des Aspekts der strategischen Steuerung sollen mittelfristig entsprechende Instrumente<br />
für Bestandsaufnahme und Monitoring mit Unterstützung der Abteilung für Statistik und Stadtforschung<br />
entwickelt werden. Durch diese Steuerungsinstrumente kann die Wirksamkeit der für Integration eingesetzten<br />
personellen und sachlichen Mittel besser überprüft und durch entsprechende Beschlüsse weiter<br />
erhöht werden. Mit der Einrichtung des internetbasierten „Hessischen Monitor Arbeitsmarkt und Migration“<br />
(HeMonA) für <strong>Darmstadt</strong> wurde im Jahr 2010 der erste Schritt getan.<br />
43
III. Kommunale Integrationsmaßnahmen<br />
Die vorangegangenen Ausführungen zum Integrationsverständnis und zu den integrationspolitischen<br />
Zielen der Wissenschaftsstadt <strong>Darmstadt</strong> sowie der bereits im ersten Kapitel „Migration und Integration“<br />
benannte, integrationspolitisch relevante Handlungsbedarf bilden die Grundlage für die in diesem<br />
Kapitel vorgestellten Handlungsfelder der kommunalen Integrationsarbeit, auf die die Wissenschaftsstadt<br />
<strong>Darmstadt</strong> ihre integrationspolitischen Schwerpunkte gelegt hat. In Kapitel III.a. werden die Maßnahmen<br />
des Interkulturellen <strong>Büro</strong>s in den zentralen Handlungsfeldern vorgestellt. Kapitel III.b. benennt<br />
die Integrationsmaßnahmen weiterer städtischer Ämter sowie des Eigenbetriebs Volkshochschule (vhs).<br />
III.a. Handlungsfelder des Interkulturellen <strong>Büro</strong>s<br />
In den folgenden Abschnitten 1 bis 8 werden die Maßnahmen und Aktivitäten des Interkulturellen <strong>Büro</strong>s<br />
in den Handlungsfeldern Verwaltung, Bildung, Soziales und Gesundheit, Migranten-Communities, interkulturelle<br />
Vermittlung, interkulturelle Stadtteilarbeit, Antirassismus und bürgerschaftliches Engagement<br />
erläutert. Das Interkulturelle <strong>Büro</strong> als Fachstelle für Integration und als Querschnittsbehörde versteht<br />
sich als Motor und Initiator verschiedener Maßnahmen in diesen Handlungsfeldern. Die jeweiligen Maßnahmen<br />
und Aktivitäten werden dabei in enger Vernetzung und Kooperation mit anderen städtischen<br />
Ämtern, weiteren Behörden sowie den zahlreichen in <strong>Darmstadt</strong> in der Integrationsarbeit tätigen Organisationen<br />
und Einrichtungen durchgeführt.<br />
1. Verwaltung: Interkulturelle Öffnung<br />
Bestandsaufnahmen über den aktuellen Stand der interkulturellen Öffnung<br />
Bestandsaufnahmen der städtischen Angebote, der Inanspruchnahme dieser Leistungen durch Migrantinnen<br />
und Migranten sowie des Anteils des Personals mit Migrationshintergrund stellen wichtige<br />
Schritte im Rahmen der interkulturellen Öffnung der Verwaltung dar und werden in der Fachliteratur<br />
(vgl. KGSt 2008) als zentrale Maßnahmen empfohlen.<br />
Innerhalb der Darmstädter Stadtverwaltung werden von unterschiedlichen Ämtern und Abteilungen<br />
zahlreiche Dienstleistungen erbracht, die auch an Migrantinnen und Migranten gerichtet sind. Darüber<br />
hinaus gibt es zahlreiche Einzelmaßnahmen, Aktivitäten und Projekte, die sich spezifisch an zugewanderte<br />
Menschen richten. Doch diese Aktivitäten sind noch nicht in einem gesamtstädtischen Integrationskonzept<br />
zusammengefasst. Daraus leitet sich die Notwendigkeit ab, eine Bestandsaufnahme der<br />
städtischen Integrationsleistungen sowie des Anteils von Personal mit Migrationshintergrund zu erstellen.<br />
Eine erste Bestandsaufnahme wurde im Jahr 2008 durch das Interkulturelle <strong>Büro</strong> in Form einer Ämterbefragung<br />
durchgeführt. Das zentrale Erkenntnisinteresse war, ob die Angebote der befragten städti schen<br />
Ämter von Personen mit Migrationshintergrund im selben Umfang, häufiger oder seltener in Anspruch<br />
genommen würden wie von Einheimischen und ob die Angebote, die gezielt an Personen mit Migrationshintergrund<br />
gerichtet waren, von diesen in dem erwünschten Maß in Anspruch genommen würden.<br />
Zentral war zunächst die Klärung der Frage, welche Ämter das Merkmal „Migrationshintergrund“ erhoben<br />
hatten, wobei unter Migrationshintergrund zu verstehen ist:<br />
44
• Personen ohne deutschen Pass<br />
• eingebürgerte Personen<br />
• Spätaussiedlerinnen und -aussiedler<br />
• hier geborene Kinder von Nichtdeutschen<br />
Aus dem Rücklauf ließ sich innerhalb der Stadtverwaltung und auch innerhalb der Ämter ein sehr uneinheitlicher<br />
Umgang mit der Erhebung des Kriteriums Migrationshintergrund bezogen auf die Anzahl der<br />
Klientinnen und Klienten bzw. der Besucherinnen und Besucher erkennen.<br />
Abhängig davon, daher auch entsprechend ungenau, waren die Aussagen der Ämter und Abteilungen<br />
über die Inanspruchnahme der Leistungen durch Personen mit Migrationshintegrund im Vergleich zu<br />
Einheimischen. Nur die Ämter, die alle bzw. einige der Merkmale erhoben hatten, konnten genauere<br />
Aussagen treffen, alle anderen mussten schätzen.<br />
Die Zahl der Beschäftigten mit Migrationshintergrund bei der Stadtverwaltung variierte stark von Amt zu<br />
Amt und von Abteilung zu Abteilung, sie lag zwischen 0 % und 24,2 %. Das gleiche galt für die Ämter,<br />
auch hier gab es starke Unterschiede: so wurde, z .B. innerhalb des Jugendamtes der Anteil in der<br />
Abteilung Wirtschaftliche Jugendhilfe auf 0 % geschätzt, während für die Abteilung Kinder- und Jugendförderung<br />
der Anteil mit 13,6 % angegeben wurde.<br />
Die sich daraus ergebenden notwendigen weiteren Schritte zur interkulturellen Öffnung der Verwaltung<br />
sind in Kapitel V.4. ausgeführt.<br />
Fortbildungen zu interkultureller Kompetenz<br />
Als weiterer Baustein im Rahmen der interkulturellen Öffnung der Verwaltung wird die Fortbildung aller<br />
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bereich interkultureller Kompetenz empfohlen (vgl. KGSt 2008).<br />
Das Interkulturelle <strong>Büro</strong> hat im Jahr 2008 in Kooperation mit dem Personalamt auf der Grundlage des<br />
Magistratsbeschlusses vom 6.8.2008 ein Fortbildungskonzept entwickelt und im Jahr 2009 mit der<br />
Durchführung von internen Fortbildungen begonnen. Die inhaltliche Gestaltung der Fortbildungen wird<br />
entsprechend den Anforderungen der jeweiligen Zielgruppe vorgenommen.<br />
Nachwuchskräfte<br />
Es ist wichtig, dass die städtischen Nachwuchskräfte bereits im Rahmen ihrer Ausbildung die interkulturelle<br />
Orientierung und Öffnung der Verwaltung als Querschnittsthema erkennen. Das Interkulturelle<br />
<strong>Büro</strong> bietet daher bereits in der Einführungswoche einen ersten Einblick in das Thema. Vorgestellt wird<br />
in dieser Woche den Nachwuchskräften zunächst das Tätigkeitsfeld und die kommunalpolitisch weitreichende<br />
Bedeutung der Arbeit des Interkulturellen <strong>Büro</strong>s. Das Modul ist seit 2009 fest im Programm der<br />
Einführungswoche verankert, es wird kontinuierlich angeboten.<br />
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadtverwaltung und der Eigenbetriebe<br />
Die verpflichtenden Fortbildungen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (Magistratsbeschluss vom<br />
6.8.2008) wurden seit 2009 vorwiegend in den Ämtern mit regelmäßigem Kontakt zu Migrantinnen<br />
und Migranten durchgeführt. Inhalte, Zeitpläne und Methoden der Fortbildungsprogramme werden an<br />
die Anforderungen, an die Besonderheiten der Arbeitsfelder und Arbeitsbedingungen angepasst. Dazu<br />
werden vorbereitende Gespräche mit den jeweiligen Amts- bzw. Abteilungsleitungen durchgeführt, bei<br />
denen die spezifischen Bedarfe der Abteilung / des Amtes eruiert werden.<br />
Das Interkulturelle <strong>Büro</strong> kooperiert inzwischen bei der Durchführung der Fortbildungen mit den Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeitern der Migrationsdienste der freien Wohlfahrtsverbände und mit dem Migrationsbeauftragten<br />
des Polizeipräsidiums Südhessen.<br />
45
Zu Beginn der Durchführung der internen Fortbildungen lag der Fokus auf den Bereichen der interkulturellen<br />
Kommunikation, auf der Vermittlung von Kommunikationsmodellen sowie der Darstellung der<br />
Besonderheiten interkultureller Gesprächssituationen. Die Vermittlung dieser Inhalte stellte sich jedoch<br />
bald als nicht ausreichend hinsichtlich der grundsätzlichen Sensibilisierung für interkulturell kompetentes<br />
Handeln heraus.<br />
Daher wurde im Herbst 2009 das Grundlagenmodul „Interkulturelle Kompetenz am Arbeitsplatz“<br />
entwickelt. Neben Grundlagenwissen über bundes-, landes- und kommunalpolitische Integrationsmaßnahmen,<br />
beinhaltet dies die Vermittlung von Informationen über den Darmstädter Pool interkultureller<br />
Vermittlungskräfte, über die Arbeit der Migrationsdienste und des Migrationsbeauftragten des Polizeipräsidiums<br />
Südhessen sowie über die Möglichkeiten der Kooperation und Vernetzung mit den entsprechenden<br />
Angeboten vor Ort.<br />
Für die städtischen Kindertagesstätten wurde das Grundlagenmodul „Interkulturelle Kompetenz im Umgang<br />
mit Zuwandererfamilien und ihren Kindern“ für Erzieherinnen und Erzieher entsprechend ihrem<br />
Arbeitsbereich konzipiert.<br />
In den Jahren 2009/2010 wurden diese Fortbildungen in 14 Ämtern und Abteilungen durchgeführt.<br />
Insgesamt wurden 142 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geschult. Des Weiteren wurden im Jahr 2010<br />
aus 16 Kindertagesstätten 138 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geschult.<br />
In das Fortbildungsprogramm der Stadtverwaltung wurde das differenzierte Modulangebot erstmalig<br />
für das Jahr 2010 als Fortbildungsreihe „Interkulturelle Kompetenz am Arbeitsplatz“ aufgenommen.<br />
Die Fortbildungen werden mittlerweile außerordentlich gut angenommen und erzielen eine positive<br />
Resonanz. Eine große Zahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer signalisiert Interesse an fortführenden<br />
Angeboten. Daher werden für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die das Grundlagenmodul absolviert<br />
haben, im Fortbildungsprogramm weitere spezifische Angebote zu migrationsrelevanten Themen (interkulturelle<br />
Kommunikation, interkulturelle Konfliktvermittlung, muslimisch geprägte Wertvorstellungen<br />
u. a.) vorgehalten.<br />
Im Jahr 2011 wurde die Schulung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der städtischen Kindertagesstätten<br />
abgeschlossen. Darüber hinaus wurden auch im Jahr 2011 die Fortbildungen für Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter kontinuierlich weiter durchgeführt und ausgebaut.<br />
Ausblick<br />
Interkulturelle Öffnung der Verwaltung bedeutet den Abbau bewusster und unbewusster Ausschlussstrukturen<br />
und Zugangsbarrieren, sie ist darüber hinaus als Teil von Organisations-, Personal- und<br />
Qualitätsentwicklung zu sehen.<br />
Die bisher durchgeführten internen Fortbildungen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu interkultureller<br />
Kompetenz in der Verwaltung können daher nur als ein Element eines solchen Veränderungsprozesses<br />
angesehen werden. Weitere Schritte sind nötig, um die notwendigen Elemente im Rahmen<br />
des Prozesses der Interkulturellen Öffnung in die alltägliche Praxis der verschiedenen Ämter und Abteilungen<br />
dauerhaft zu implementieren.<br />
Daher ist ab 2012 der Beginn eines längerfristig angelegten Gesamtprozesses zur interkulturellen<br />
Öffnung der Verwaltung der Stadt <strong>Darmstadt</strong> geplant.<br />
46
2. Bildung: Elternarbeit an Schulen und Kitas<br />
Ein zentrales integrationspolitisches Ziel ist die Verbesserung des Zugangs zu Bildung von Migrantenkindern.<br />
Die Weichen für bessere Bildungschancen werden bereits im Kindergarten und in der Grundschule<br />
gestellt. Die interkulturelle Öffnung von Kindergärten und Schulen ist eine wesentliche Voraussetzung,<br />
um eine strukturelle Verbesserung der Bildungschancen zu erreichen.<br />
Ein wesentliches Element der interkulturellen Öffnung von Schulen und Kitas ist die Elternarbeit. Durch<br />
die Öffnung der Schulen und der Kitas werden Hemmschwellen der Eltern gegenüber den Institutionen<br />
und auch umgekehrt abgebaut, das Vertrauensverhältnis wird gefestigt und der Kontakt zwischen den<br />
Eltern, den Lehrenden sowie den Erzieherinnen und Erziehern wird verbessert.<br />
Das Interkulturelle <strong>Büro</strong> hat daher schon früh Elternbildungsprojekte an Darmstädter Schulen und Kitas –<br />
„Mama lernt Deutsch“ – Kurse und Elterngesprächskreise – initiiert.<br />
Darüber hinaus fördert die Wissenschaftsstadt <strong>Darmstadt</strong> intensiv das Bildungsprojekt HIPPY (Home<br />
Instruction for Preschool Youngsters), das der Stärkung, Bildung und Unterstützung der Erziehungskompetenzen<br />
von Eltern mit 4- bis 6-jährigen Vorschulkindern dient. Das Projekt HIPPY wird in diesem<br />
Bericht unter Kapitel IV.3. beschrieben.<br />
Das Projekt „Mama lernt Deutsch“<br />
Ziel des Projektes<br />
„Mama lernt Deutsch“ ist zunächst ein Kurs für Mütter, die schon seit mehreren Jahren in Deutschland<br />
leben, aber noch nicht ausreichend Deutsch gelernt haben, um u. a. in Erziehungsfragen mit Lehrkräften<br />
kommunizieren zu können. „Mama lernt Deutsch“ ist zugleich ein Projekt, das einen günstigen Rahmen<br />
zur Entwicklung von Kommunikation zwischen Lehrkräften und Müttern schafft.<br />
Zielgruppen<br />
• „Bildungsferne“ Mütter mit geringen Deutschkenntnissen<br />
• Lehrkräfte an Schulen mit hohem Migrantenanteil<br />
„Mama lernt Deutsch“ – Kurse in <strong>Darmstadt</strong><br />
In <strong>Darmstadt</strong> wurde das Projekt „Mama lernt Deutsch“ 1999 als Kooperation interessierter Schulen,<br />
der Volkshochschule und des Interkulturellen <strong>Büro</strong>s eingeführt. Das Projekt wurde in den folgenden<br />
Jahren sukzessive auf weitere Schulen ausgeweitet. Es fanden mehrere Fortbildungen zu Themen wie<br />
Lehr- und Lernmaterial und Methodik statt.<br />
In den Jahren 2003 und 2004 wurden die Kurse vom Migrationsdienst des CV <strong>Darmstadt</strong> als Träger und<br />
ab dem Jahr 2005 vom Migrationsdienst des Deutschen Roten Kreuzes <strong>Darmstadt</strong> in Kooperation mit<br />
dem Interkulturellen <strong>Büro</strong> und der Volkshochschule der Stadt <strong>Darmstadt</strong> organisiert und durchgeführt.<br />
Organisation<br />
Die Schulen übernehmen die Aufgabe, die Mütter der Migrantenkinder anzusprechen und entsprechende<br />
Räume zu organisieren. Nach Vorgesprächen mit den Schulleitungen und den Kontaktlehrerinnen werden<br />
Elternbriefe in verschiedenen Sprachen verfasst, die dann über die Klassenlehrerinnen und -lehrer die<br />
Eltern erreichen.<br />
Eine Kinderbetreuerin kümmert sich um die kleinen Kinder, die noch nicht zur Schule bzw. in den Kindergarten<br />
gehen. Eine Projektkoordinatorin, die als Honorarkraft bei dem Träger beschäftigt ist, übernimmt<br />
die organisatorischen Aufgaben.<br />
„Mama lernt Deutsch“-Kurse finden aktuell an 6 Schulen in <strong>Darmstadt</strong> statt.<br />
47
Gesprächskreise von Migranteneltern an Schulen und Kindertagesstätten<br />
Migranteneltern brauchen Informationen über das Bildungs- und Erziehungssystem sowie die Bildungs-<br />
und Erziehungsziele der Aufnahmegesellschaft. Weiterhin ist es erforderlich, dass die Lehr- und Fachkräfte<br />
in Schulen und Kindergärten mit diesen Eltern in einen Dialog über die differierenden Wertvorstellungen<br />
in der Erziehung und Bildung eintreten, damit eine gegenseitige Verständigung und eine<br />
schrittweise Angleichung erfolgen sowie eine Verantwortungsgemeinschaft entstehen kann.<br />
Ziele<br />
• Schulen und Kindergärten stärker für Migranteneltern öffnen und die Kontakte stärken<br />
• Migranteneltern über erziehungs- und bildungsrelevante Themen informieren<br />
• Dialoge über Unterschiede in den Erziehungs- und Bildungsvorstellungen führen<br />
• eine stärkere Teilnahme von Migranteneltern an Elternveranstaltungen erreichen<br />
• gemeinsame Verantwortung für die Erziehung und Bildung der Kinder stärken<br />
Zielgruppen<br />
• Lehr- und Fachkräfte in Schulen und Kindergärten<br />
• Migranteneltern<br />
Mögliche Themen<br />
• das Vorschul- bzw. das Schulsystem erläutern<br />
• die betreffende Schule bzw. Einrichtung vorstellen<br />
• die außerschulischen Hilfsangebote bekannt machen<br />
• Erziehungs- und Lernprobleme thematisieren<br />
• Verhaltensauffälligkeiten bzw. Lernstörungen der Kinder thematisieren<br />
• unterschiedliche Erziehungsvorstellungen diskutieren<br />
Aufgaben der Moderatorinnen<br />
• Organisation und Moderation der Elterngesprächskreise<br />
• Vermittlung zwischen Lehr- und Fachkräften sowie den Migranteneltern<br />
Organisation<br />
Nach einem Gespräch mit der Leitung wird der Rahmen des Angebots für die Einrichtung / Schule und<br />
der zeitliche Ablauf bestimmt: ein Elterngesprächskreis umfasst 4 Treffen. Die Themen werden vorläufig<br />
festgelegt. Die Koordinatorin und eine zweisprachige Moderatorin, die den Gesprächskreis begleitet,<br />
laden die Eltern ein und besprechen das Programm. Das Programm wird bei Bedarf nach dem ersten<br />
Treffen mit den Eltern modifiziert.<br />
Die Moderatorinnen organisieren die Elterntreffen. Ein Treffen dauert 2 – 3 Stunden. Es kann in Form<br />
eines Vortrags mit Diskussion ablaufen, es kann aber auch ein lockeres Elterngespräch sein. Auch eine<br />
Mischform ist denkbar: Der erste Teil wird entsprechend dem Thema pädagogisch strukturiert. Die<br />
Kommunikation erfolgt auf Deutsch. Der zweite Teil wird als lockere Gesprächsrunde in der Herkunftssprache<br />
gestaltet.<br />
Nach Möglichkeit sollten alle Themen von Lehr- bzw. Fachkräften der Schule bzw. Einrichtung inhaltlich<br />
gestaltet werden. Wenn das nicht möglich ist, muss geprüft werden, welche Themen die Moderatorin<br />
selbst übernehmen kann und welche eine externe Referentin übernehmen muss.<br />
Bis heute wurden Elterngesprächskreise in sechs Schulen und in acht Kindertagesstätten (teilweise<br />
mehrmals in einer Schule oder Einrichtung) durchgeführt.<br />
48
3. Soziales und Gesundheit<br />
Wie in Kapitel II. zu den Strategien kommunaler Integrationssteuerung ausgeführt, ist der Aufbau von<br />
Vernetzungsstrukturen und von Kooperationen in den Handlungsfeldern Bildung, Soziales, Gesundheit,<br />
Leben und Wohnen im Stadtteil, Verwaltung und Antirassismus zwischen allen beteiligten Akteuren eine<br />
methodische Leitlinie der Integrationsarbeit. In diesem Kapitel werden zwei wichtige Arbeitskreise aus<br />
diesen Bereichen – der Arbeitskreis „Migration und Soziale Arbeit“ sowie der Arbeitskreis „Migration<br />
und Gesundheit“ –, die unter Federführung des Interkulturellen <strong>Büro</strong>s arbeiten, vorgestellt.<br />
Der Arbeitskreis „Migration und Sozialarbeit“<br />
Der AK „Migration und Sozialarbeit“ besteht seit 1998, dessen Geschäftsführung liegt beim Interkulturellen<br />
<strong>Büro</strong>. Seine Zielsetzung ist der Informationsaustausch der Mitglieder untereinander sowie der<br />
Aufbau von Kooperationen und Vernetzungen. Themenspezifische Fortbildungen, Tagungen und Workshops<br />
sowie die Initiierung von migrationsspezifischen Projekten werden im Rahmen der Sitzungen<br />
vorbereitet und durchgeführt.<br />
Der Arbeitskreis setzt sich gegenwärtig aus Vertreterinnen und Vertretern folgender Institutionen<br />
zusammen:<br />
• Jobcenter <strong>Darmstadt</strong><br />
• BAMF (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) – Regionalkoordination<br />
• Bürger- und Ordnungsamt der Wissenschaftsstadt <strong>Darmstadt</strong> – Ausländerbehörde<br />
• Caritasverband <strong>Darmstadt</strong> e.V. – Migrationsdienst<br />
• Deutsches Rotes Kreuz, Kreisverband <strong>Darmstadt</strong>-Stadt e.V. – Migrationsdienst<br />
• Diakonisches Werk <strong>Darmstadt</strong>-Dieburg – Migrationsdienst<br />
• Diakonisches Werk <strong>Darmstadt</strong>-Dieburg – Stadtteilwerkstatt Kranichstein<br />
• IB Internationaler Bund / Jugendmigrationsdienst <strong>Darmstadt</strong><br />
• <strong>Interkulturelles</strong> <strong>Büro</strong> der Wissenschaftsstadt <strong>Darmstadt</strong><br />
• <strong>Interkulturelles</strong> <strong>Büro</strong> Landkreis <strong>Darmstadt</strong>-Dieburg<br />
• Polizeipräsidium Südhessen – Migrationsbeauftragter<br />
• Sozialkritisches Arbeitskreis e.V. – Bürgerberatung<br />
• Amt für Soziales und Prävention der Wissenschaftsstadt <strong>Darmstadt</strong> – Abteilung Soziale Hilfen<br />
• Studentenwerk <strong>Darmstadt</strong> – Sozialberatung<br />
Zur Klärung von unterschiedlichen migrationsspezifischen Fragestellungen bietet der Arbeitskreis<br />
„Migration und Sozialarbeit“ eine gute Möglichkeit des Austauschs für Fachkräfte, die in ihrem Arbeitsbereich<br />
mit Migrantinnen und Migranten arbeiten.<br />
Thematisch standen Einzelprobleme, der Bedarf an Integrationskursen mit spezifischen Schwerpunkten<br />
(Alphabetisierung, Kinderbetreuung, Nachmittagskurse) und Fortbildung für Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern<br />
in unterschiedlichen Fachdiensten im Vordergrund. Es folgen einige Beispiele der inhaltlichen<br />
Arbeit des Arbeitskreises „Migration und Sozialarbeit”:<br />
49
• Erstellung einer Kooperationsvereinbarung zwischen den Migrationsberatungsstellen (Caritasverband<br />
<strong>Darmstadt</strong> e.V., Deutsches Rotes Kreuz <strong>Darmstadt</strong>-Stadt e.V., Diakonisches Werk <strong>Darmstadt</strong>-Dieburg<br />
e.V.), dem Jugendmigrationsdienst (Internationaler Bund e.V.) und der ARGE <strong>Darmstadt</strong> zur Förderung<br />
der Arbeitsintegration von Menschen mit Migrationshintergrund.<br />
• Kooperation zwischen den MBE (Migrationsberatungsstellen) und dem JMD (Jugendmigrationsdienst)<br />
mit der Ausländerbehörde der Stadt <strong>Darmstadt</strong>:<br />
– Einrichtung eines wöchentlichen Beratungsangebotes bei der Ausländerbehörde<br />
– Vernetzung zum Zwecke der Ansprache für Neuzugewanderte bezüglich der baldigen Teilnahme<br />
an Integrationskursen und der Inanspruchnahme der Angebote der MBE und des JMD.<br />
• In Kooperation mit der Volkshochschule <strong>Darmstadt</strong> und dem Mütterzentrum e.V. konnten für<br />
Integrationskursteilnehmerinnen ca. 15 Kinderbetreuungsplätze eingerichtet werden.<br />
• Durchführung von trägerübergreifenden Fortbildungen:<br />
– Änderungen im Zuwanderungsrecht und ihre sozialrechtlichen Auswirkungen (2007)<br />
– Workshop „Migration“ (in Kooperation mit der ARGE <strong>Darmstadt</strong>) (2007)<br />
– Aktuelle Änderungen im Zuwanderungs- und Sozialrecht (2005)<br />
– Gemeinwesenarbeit mit Zugewanderten am Beispiel Eberstadt-Süd (2001)<br />
– Entwicklung der Stadtteilarbeit am Beispiel Kranichstein (2000)<br />
• Durchführung einer Fortbildungsreihe für Multiplikatorinnen und Multiplikatoren aus dem Themen-<br />
bereich „Migration und Sozialrecht“ (2005):<br />
Integrationskurse, Beratungskompetenz, Staatsangehörigkeitsrecht, Zuwanderungsrecht, Leistungs-<br />
gewährung, ALG II, Hartz IV, Ein-Euro-Jobs, erzieherische Hilfen, Angebote der Altenhilfe, Formen<br />
der Sozialleistungen, Wohngeld und Wohnungsvermittlung, Hilfsangebote für Frauen.<br />
Der Arbeitskreis „Migration und Gesundheit“<br />
Der AK „Migration und Gesundheit“ besteht seit 1999. Bis zum Jahr 2010 wurde er ausschließlich vom<br />
Interkulturellen <strong>Büro</strong> der Wissenschaftsstadt <strong>Darmstadt</strong> moderiert. Mit Beschluss der Teilnehmer/innen<br />
der AK-Sitzung vom 1. Februar 2010 wurde die gemeinsame Geschäftsführung mit dem Interkulturellen<br />
<strong>Büro</strong> des Landkreises <strong>Darmstadt</strong>-Dieburg herbeigeführt.<br />
Die Zielsetzung des AKs ist der Informationsaustausch der Mitglieder untereinander sowie der Aufbau<br />
von internen und externen Kooperationen und Vernetzungen. Der AK beschäftigt sich mit Bedarfsermittlungen<br />
und den daraus ersichtlichen Versorgungslücken im (psycho-) sozialen und gesundheitlichen<br />
Bereich in <strong>Darmstadt</strong> und im Landkreis <strong>Darmstadt</strong>-Dieburg. Entsprechende spezifische Projekte,<br />
Fortbildungen, Tagungen und Workshops werden im Rahmen der Sitzungen initiiert, vorbereitet und<br />
durchgeführt.<br />
Der AK setzt sich gegenwärtig aus Vertreterinnen und Vertretern folgender Institutionen zusammen:<br />
• Amt für Soziales und Prävention der Wissenschaftsstadt <strong>Darmstadt</strong> – Beratungs- und Servicezentrum<br />
für ältere Menschen in <strong>Darmstadt</strong><br />
• <strong>Büro</strong> für Senioren Landkreis <strong>Darmstadt</strong>- Dieburg<br />
• Caritasverband <strong>Darmstadt</strong> e.V. – Migrationsdienst<br />
• Caritasverband <strong>Darmstadt</strong> e.V. – Psychosoziale Kontakt- und Beratungsstelle<br />
• Caritasverband <strong>Darmstadt</strong> e.V. – Tagesstätte für psychisch Kranke<br />
• Demenz Forum <strong>Darmstadt</strong> e.V.<br />
• Deutsches Rotes Kreuz, Kreisverband <strong>Darmstadt</strong> Stadt e.V. – Migrationsdienst<br />
• Frauenbüro der Wissenschaftsstadt <strong>Darmstadt</strong><br />
• Frauenbüro des Landkreises <strong>Darmstadt</strong>-Dieburg<br />
50
• Frauenhaus <strong>Darmstadt</strong><br />
• Gesundheitsamt der Stadt <strong>Darmstadt</strong> und des Landkreises <strong>Darmstadt</strong>-Dieburg<br />
• <strong>Interkulturelles</strong> <strong>Büro</strong> der Wissenschaftsstadt <strong>Darmstadt</strong><br />
• <strong>Interkulturelles</strong> <strong>Büro</strong> des Landkreises <strong>Darmstadt</strong>-Dieburg<br />
• Kinder- und Jugendarzt Herr Dr. Landzettel<br />
• Mäander e.V.<br />
• Magnolya e.V.<br />
• Malteser-Migranten-Medizin (MMM) am Marienhospital <strong>Darmstadt</strong><br />
• Pflegestützpunkt der Wissenschaftsstadt <strong>Darmstadt</strong><br />
• Pflegestützpunkt des Landkreises <strong>Darmstadt</strong>-Dieburg<br />
• Pro Familia <strong>Darmstadt</strong><br />
• Seniorenrat <strong>Darmstadt</strong> e.V.<br />
• Sozialkritischer Arbeitskreis e.V. – MädchenwerkstattTreff<br />
• Sozialpsychiatrischer Verein <strong>Darmstadt</strong> e.V. – Tagesstätte<br />
• Weiterleben e.V.<br />
• Wildwasser <strong>Darmstadt</strong> e.V.<br />
Der Arbeitskreis „Migration und Gesundheit“ bietet Fachkräften die Möglichkeit des Austauschs zu allen<br />
Fragestellungen, die die gesundheitliche und psychosoziale Versorgung von Migrantinnen und Migranten<br />
in <strong>Darmstadt</strong> und im Landkreis <strong>Darmstadt</strong>-Dieburg betreffen.<br />
Folgende Fortbildungen wurden in Kooperation mit dem AK „Migration und Gesundheit“ durchgeführt:<br />
• Besondere Aspekte bei der gesundheitlichen Versorgung von Migrantenkindern (2003) –<br />
Fortbildung für Kinderärzte.<br />
• Mädchen mit Migrationshintergrund in Krisensituationen (2006) - Fortbildung für Fachkräfte.<br />
Die Fortbildung für Gesundheitslotsinnen und Gesundheitslotsen im Projekt „MiMi“ (Von Migranten für<br />
Migranten) wurde in Kooperation mit dem Arbeitskreis für die folgenden Themenbereiche durchgeführt:<br />
• Unfallprävention, Ernährung und Bewegung, Kinder- und Jugendgesundheit, Schwangerschaftsvor-<br />
und -nachsorge, Medikamenten- und Drogenabhängigkeit, Alkohol- und Tabakkonsum, psychische<br />
Gesundheit, Gesundheitswesen in Deutschland, Gesundheitsförderung und -prävention.<br />
Folgende Tagungen wurden in Kooperation mit dem Arbeitskreis durchgeführt:<br />
• Gesundsein in der „Fremde“ (2002)<br />
• Gesundsein in der Stadt (2004)<br />
• Integration durch Prävention (2008)<br />
51
4. Migranten-Communities und ihre Selbstorganisationen:<br />
Öffnung und Stärkung<br />
Die Netzwerke und Beziehungsstrukturen der Migrantinnen und Migranten in <strong>Darmstadt</strong> – die Migranten-Communities<br />
und ihre Selbstorganisationen – haben für die hier lebenden Migrantinnen und Migranten<br />
eine große Bedeutung: sie unterstützen, informieren, geben Orientierung und beraten sowohl<br />
neu zugewanderte Menschen als auch bereits länger in <strong>Darmstadt</strong> lebende Migrantinnen und Migranten.<br />
Und sie haben eine Brückenfunktion: sie kommunizieren die Interessen ihrer Mitglieder gegenüber der<br />
Mehrheitsgesellschaft und vermitteln zwischen diesen und der Mehrheitsgesellschaft. Sie sind also ein<br />
wichtiger Ansprech- und Kooperationspartner für die kommunale Integrationsarbeit. Die Öffnung der<br />
Migranten-Communities zu den Institutionen der Mehrheitsgesellschaft ist daher ein wichtiges integrationspolitisches<br />
Ziel.<br />
Im Folgenden wird ausführlich und differenziert auf die Darmstädter Migranten-Communities und ihre<br />
Selbstorganisationen eingegangen. Anschließend werden die Aktivitäten der Wissenschaftsstadt <strong>Darmstadt</strong><br />
vorgestellt, durch die die Öffnung und Stärkung der Migranten-Communities gefördert werden<br />
sollen.<br />
Migranten-Communities und ihre Selbstorganisationen in <strong>Darmstadt</strong><br />
Migranten-Communities und ihre Selbstorganisationen (im Folgenden: MSOs = Migrantenselbstorganisationen)<br />
sind sehr heterogen und differenzieren sich nach sozial-strukturellen, ideologisch-politischen,<br />
regionalen, religiösen, geschlechts- und generationsspezifischen Merkmalen; so auch die 110 in <strong>Darmstadt</strong><br />
eingetragenen Vereine.<br />
Neben den bereits genannten Funktionen, zu unterstützen, zu informieren, Orientierung zu geben und<br />
zu beraten, z. B. durch Rechts- und Sozialberatung, Begleitung bei Amtsgängen oder Arztbesuchen,<br />
verfolgen fast alle Vereine auch das Ziel, die Geselligkeit unter den Mitgliedern, die Herkunftskultur und<br />
die Sprache zu pflegen. Dies tun die Vereine u. a. durch das Begehen nationaler Feiertage oder ethnischer<br />
Feste, wie z. B. der Fiesta Reyes Magos des Spanischen Elternvereins, des Newroz-Festes des<br />
Kurdischen Kulturhauses, des Unabhängigkeitsfestes des Deutsch-Somalischen Frauenvereins oder des<br />
Kindertages bei DITIB. Die Herkunftskultur wird auch durch „hochkulturelle“ oder folkloristische Aktivitäten<br />
gepflegt, wie z. B. durch Lesungen und Klavierkonzerte des Deutsch-Polnischen Kulturvereins<br />
Salonik e.V., durch historische Vorträge des Ägyptischen Vereins oder durch Musik-, Tanz- und Folkloreaufführungen.<br />
Die Entwicklung der MSOs ist in die Migrationsgeschichte eingebunden. Während in der Anwerbephase<br />
die Zahl und Bedeutung der Arbeitervereine, die das Ziel der gemeinsamen Interessenvertretung, Solidarität<br />
und Geselligkeit verfolgten, überwog, gründeten sich in der Niederlassungsphase Elternvereine,<br />
Kulturzentren, Regional- und Sportvereine sowie religiös und politisch am Herkunftsland orientierte Vereine.<br />
Die später zugewanderten Flüchtlinge, Aussiedlerinnen und Aussiedler gründeten entsprechend<br />
ihre Selbstorganisationen.<br />
52
Kulturzentren und -vereine<br />
Hier sind zunächst die seit den 60er Jahren bestehenden Vereine der Arbeitsmigrantinnen und -migranten<br />
aus den ehemaligen Anwerbeländern und der Vertragsarbeitnehmerinnen und -arbeitnehmer zu<br />
nennen: So z. B. die Casa Cultural Portuguesa e.V., die Griechische Gemeinde <strong>Darmstadt</strong> und Umgebung<br />
e.V., der Spanische Elternverein e.V. oder die Associazione Famiglie Italiana. Die wichtigsten<br />
Funktionen dieser Vereine sind heute die Pflege der Herkunftskultur und der Sprache, die Freizeitgestaltung<br />
und Geselligkeit.<br />
Viele dieser Vereine erleben einen Generationswechsel von der 1. zur erwachsenen 2. Generation bis<br />
hin zur 3. Generation. Dadurch verändern sich auch die Schwerpunkte der Vereinsarbeit, herkunftslandorientierte<br />
und folkloristische Aktivitäten gehen z. T. zurück. Dagegen nehmen gruppenspezifische Freizeitaktivitäten<br />
und Bildungsarbeit zu, wie z. B. Deutschunterricht für Frauen, Exkursionen von Frauengruppen,<br />
Kindertanzgruppen, Musikunterricht, herkunftssprachlicher Unterricht für Kinder, Nachhilfe<br />
oder Hausaufgabenhilfe.<br />
Neben den Kulturzentren bzw. -vereinen von Arbeitsmigrantinnen und -migranten sind im Laufe des<br />
Zuzugs von Flüchtlingen (aus Afghanistan, aus Afrika – insbesondere aus Somalia, Äthiopien, Eritrea,<br />
Sierra Leone –, aus dem ehemaligen Jugoslawien sowie von Kurdinnen und Kurden aus der Türkei, dem<br />
Irak und aus Iran) zahlreiche weitere Kulturvereine gegründet worden. In <strong>Darmstadt</strong> zählen dazu der<br />
Freundschaftsverein Eritrea, der Verein UNPO Sierra Leone e.V., das Kurdistan Informations- und Beratungszentrum<br />
der Kurdinnen und Kurden aus der Türkei, der afghanische Kulturverein Ariana e.V. oder<br />
der Iranische Kulturverein. Ihre Aktivitäten konzentrierten sich zunächst in erster Linie auf gegenseitige<br />
Unterstützung, Selbsthilfe und herkunftslandorientierte Hilfsprojekte.<br />
Auch hier lässt sich die o. g. Tendenz feststellen: Durch die heranwachsende 2. Generation treten<br />
Fragen des Lebensalltags und der Bewältigung struktureller Benachteiligung (z. B. im Bildungsbereich,<br />
auf dem Arbeitsmarkt) im Einwanderungsland immer mehr in den Vordergrund. Dagegen verlieren die<br />
Probleme im Herkunftsland ihre zentrale Bedeutung und gruppenspezifische Aktivitäten und Bildungsarbeit<br />
nehmen zu, wie z. B. Computerkurse oder Hausaufgabenhilfe im Kurdistan Informations- und<br />
Beratungszentrum, herkunftssprachlicher Unterricht im Eritreischen Kinder & Jugend Kultur Verein.<br />
Einige Vereine konzentrieren sich jedoch weiterhin auf Aktivitäten in den Herkunftsländern, wie z. B. der<br />
Freundschaftsverein Eritrea oder UNPO Sierra Leone, die dort mit Unterstützung entwicklungspolitischer<br />
Organisationen (z. B. der giz – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit) Projekte<br />
durchführen.<br />
Als zuletzt entstandene Gruppe der Kulturvereine sind die Selbstorganisationen der Aussiedlerinnen<br />
und Aussiedler zu nennen, so z. B. in <strong>Darmstadt</strong> die Landsmannschaft der Deutschen aus Russland.<br />
Während bei diesen Vereinen zunächst die Geselligkeit im Zentrum der Aktivitäten stand, nehmen auch<br />
hier, angesichts des erschwerten Zugangs der Erwachsenen zum Arbeitsmarkt sowie der Jugendlichen<br />
zu Ausbildungsangeboten, gezielte gruppenspezifische Aktivitäten zu, wie z. B. Computerkurse und<br />
Bewerbungstrainings.<br />
Religiös orientierte Vereine<br />
Neben den Kulturvereinen bilden die religiös orientierten Vereine, die meist in bundesweiten Dachverbänden<br />
organisiert sind, eine weitere Gruppe der Selbstorganisationen, z. B. die pakistanische Ahmadiyya<br />
Gemeinde, die türkische Alevitische Gemeinde oder der türkisch-islamisch Verein DITIB, der<br />
marokkanische Verein „Moschee des Friedens“ und die äthiopisch-orthodoxe Kirchengemeinde. Religiöse<br />
Aktivitäten und das gemeinsame Feiern religiöser Feste, wie z. B. das Ramadan- oder das Opferfest<br />
bei den muslimischen Selbstorganisationen, stehen hier im Vordergrund. Daneben werden nationale<br />
Feiertage begangen und gruppenspezifische Freizeit- und Bildungsaktivitäten durchgeführt. Manche<br />
Vereine organisieren Aktivitäten, bei denen sie auch andere, nicht-religiöse Vereine und Personen z. B.<br />
53
aus dem Stadtteil einladen, z. B. der türkisch-islamische Verein DITIB zu einem Hallenfußballturnier<br />
oder einem Kinderstraßenfest. Oder die Ahmadiyya-Gemeinde, die jährlich nach Silvester die Straßen in<br />
Kranichstein säubert, auch die Alevitische Gemeinde bietet neben den religiösen Anlässen, wie z. B. der<br />
alevitischen Fastenzeit, Angebote für Frauen (Exkursionen, Informationsveranstaltungen) und unterhält<br />
eine Jugendgruppe, die mittlerweile Mitglied im Stadtjugendring ist.<br />
Jugendvereine<br />
In <strong>Darmstadt</strong> gibt es – wenn auch erst wenige – ethnische Jugendvereine, so der kurdische Jugendverein<br />
Schoresch e.V. oder der somalische Jugendverein Somali Hope. Gemeinsam ist diesen Jugendvereinen<br />
das Ziel, auch bei der zweiten, in Deutschland aufwachsenden bzw. aufgewachsenen, Generation<br />
die Herkunftskultur zu pflegen sowie die Jugendlichen aufgrund ihrer benachteiligten Situation<br />
zu unterstützen und Hilfestellungen zu leisten. Da allerdings der Lebensalltag von Jugendlichen mit<br />
Migrationshintergrund nicht nur in monoethnischen Gruppen (z. B. nur somalische oder nur kurdische<br />
Jugendgruppen), sondern in multi-ethnischen Gruppen stattfindet, und weil darüber hinaus Jugendliche<br />
generell schwerer für aktive Vereinsarbeit zu gewinnen sind, gibt es nur wenige ethnische Jugendvereine.<br />
Diese haben auch größere Mobilisierungsprobleme. Die ethnischen Jugendgruppen sind eher in den<br />
größeren ethnischen Vereinen (wie z. B. bei der Alevitischen Gemeinde) zu finden, wo sie sich zu bestimmten<br />
Aktivitäten treffen: z. B. in Musik- und Tanzgruppen. Daneben kann man auch Vereine finden,<br />
die Aktivitäten für Jugendliche anbieten, wie z. B. der deutsch-polnische Verein „Die Brücke“, der Freizeitaktivitäten<br />
für Jugendliche und internationale Begegnungen mit Jugendlichen aus Polen organisiert.<br />
Studentenvereine oder Akademikervereine<br />
In <strong>Darmstadt</strong> gibt es aufgrund der hohen Zahl nichtdeutscher Studierender an der Technischen Universität,<br />
an der Hochschule <strong>Darmstadt</strong> und an der Evangelischen Fachhochschule eine größere Zahl von<br />
Studentenvereinen oder Akademikervereinen ehemaliger Studierenden (z. B. der Ägyptische Verein, der<br />
Verein der chinesischen Wissenschaftler und Studenten). Die primäre Funktion der Studierendenvereine<br />
ist die gegenseitige Unterstützung und insbesondere die Unterstützung und Information der neu nach<br />
<strong>Darmstadt</strong> gezogenen Studierenden. Daneben gehören das Feiern nationaler Feiertage, wie z. B. beim<br />
Verein der chinesischen Wissenschaftler und Studenten – das Frühlingsfest oder das Mondfest –, zu den<br />
Aktivitäten der Studierendenvereine. Informationsveranstaltungen zu herkunftslandspezifischen aktuellen<br />
Themen, mit denen sich die Studierenden auch an die breitere Darmstädter Öffentlichkeit wenden, wie<br />
z. B. eine Informationsveranstaltung des bulgarischen Studentenvereins zur EU-Integration, werden<br />
durchgeführt. Manche Studierendenvereine führen auch Aktivitäten durch, die sich an die nichtstudentische<br />
Community richten, wie z. B. der Verein der Marokkanischen Studierenden in <strong>Darmstadt</strong>, der<br />
für die in <strong>Darmstadt</strong> lebenden Kinder marokkanischer Herkunft ein Nachhilfe-Projekt durchgeführt hat.<br />
Diese Aktivitäten sind allerdings eher vereinzelt und finden nicht kontinuierlich statt, da die personellen<br />
und zeitlichen Ressourcen in den Studierendenvereinen noch geringer sind (zur Problematik der knappen<br />
Ressourcen der MSOs s. Kapitel Professionalisierung) als die der anderen Vereine. Zudem gibt es<br />
hier eine hohe Fluktuation in den Vorständen und bei den Mitgliedern, deren Aufenthalt bzw. Mitgliedschaft<br />
oft durch die Studiendauer begrenzt ist.<br />
Sportvereine<br />
Eine weitere Kategorie „klassischer“ MSOs sind die ethnischen Sportvereine: so z. B. der SV Hellas oder<br />
der FC Bursa Spor. Diese Vereine widmen sich fast ausschließlich sportlichen Aktivitäten, aber auch<br />
das gesellige Beisammensein ist – wie bei fast allen anderen Vereinen – ein wichtiger Aspekt.<br />
54
Deutsch-ausländische Vereine<br />
Als letzte Kategorie „klassischer“ MSOs sind die Vereine zu nennen, die sich aus Deutschen und Migrantinnen<br />
und Migranten zusammensetzen, wie z. B der Deutsch-Türkische Freundschaftsverein, die<br />
Deutsch-Indische Gesellschaft, der Deutsch-Ägyptische Freundeskreis e.V. oder die Deutsch-Bulgarische<br />
Gesellschaft. Ziel dieser Vereine ist das gegenseitige Kennenlernen und Bekanntmachen der Kultur<br />
mittels der Durchführung kultureller Veranstaltungen, wie z. B. des „Indien-Festes der Farben“ der<br />
Deutsch-Indischen Gesellschaft, des ägyptischen Tages des Deutsch-Ägyptischen Freundeskreises e.V.,<br />
des Neujahrsfestes mit einem Vortrag über das „faszinierende Bulgarien“ der Deutsch-Bulgarischen<br />
Gesellschaft.<br />
Neue Entwicklungen: Frauen, Bildung und Soziales<br />
Seit einigen Jahren lässt sich in den Selbstorganisationen eine für die kommunale Integrationsarbeit<br />
wichtige Entwicklung feststellen: Viele Vereine verlagern die Schwerpunkte ihrer Aktivitäten hin zu gruppenspezifischen<br />
Schwerpunkten und Angeboten (s. o.) und es bilden sich neue Gruppen in den Vereinen<br />
(Frauen- oder Jugendgruppen s. o.). Diese Veränderung trägt gruppenspezifischen Bedarfen, wie z. B.<br />
dem Bildungsbedarf von Kindern und Jugendlichen, dem damit verbundenen Informations- und Bildungsbedarf<br />
von Eltern, insbesondere von Müttern, oder auch frauenspezifischen Interessen im Einwanderungsland<br />
Rechnung.<br />
Exemplarisch hierfür ist die Arbeit der Alevitischen Gemeinde:<br />
• Einführung eines Kinderzimmers mit pädagogischer Betreuung.<br />
• Frauengruppe:<br />
Exkursionen, Besuch des Hessischen Landtags oder Konzert- und Theaterbesuche,<br />
Projekte wie „Selbstbewusstes Auftreten - Kommunikation in der Gesellschaft“.<br />
• Elternprojekte:<br />
„Bildungsarbeit für Eltern aus der Türkei“ in Kooperation mit dem Interkulturellen <strong>Büro</strong>.<br />
Informationsveranstaltung zum Thema „Übergang Schule – Beruf“ in Kooperation mit der<br />
Arbeitsagentur.<br />
• Gründung selbstständiger Jugendorganisation mit eigener Satzung und eigenen Aktivitäten,<br />
wie Exkursionen mit Jugendlichen zu Ausstellungen (z. B. Anne-Frank Museum).<br />
Frauenvereine<br />
In den letzten Jahren sind zunehmend die Gründungen eigenständiger Frauengruppen und Frauenvereine<br />
festzustellen. Diese neuen Frauengruppen und -vereine werden überwiegend von zugewanderten<br />
Flüchtlingsfrauen und Aussiedlerinnen und weniger von Frauen aus den ehemaligen Anwerbeländern<br />
gegründet. Die Gründerinnen haben meist eine höhere Schulbildung bzw. einen Hochschulabschluss.<br />
Die wichtigsten Aktivitäten dieser Frauengruppen und -vereine sind die Informations- und Bildungsarbeit<br />
für Mädchen, junge Frauen, Mütter und ältere Frauen.<br />
Es gibt mittlerweile in <strong>Darmstadt</strong> 12 Frauenvereine, darunter z. B. der afghanische Frauenverein Omid,<br />
der Frauenverein „Somalisches Komitee Information und Beratung e.V.“, der russische Frauenverein<br />
Alice e.V. und der Frauenverein der Kurdinnen aus der Türkei „Roza e.V.<br />
Manche Frauenvereine, die sich aus Flüchtlings-Communities gebildet haben, konzentrieren ihre Aktivitäten<br />
und Öffentlichkeitsarbeit auf die Situation von Mädchen und Frauen im Herkunftsland, so z. B.<br />
der Deutsch-Somalische Frauenverein in <strong>Darmstadt</strong>. Andere Frauenvereine verknüpfen Themen aus<br />
dem Herkunftsland mit den Interessen der im Einwanderungsland lebenden Frauen, wie z. B. der afghanische<br />
Frauenverein Omid, der sowohl Projekte in Afghanistan (Unterstützung einer Mädchenschule)<br />
55
durchführt als auch Bildungsangebote für afghanische Frauen in <strong>Darmstadt</strong> anbietet (z. B. Deutschkurse,<br />
Computerkurse, Informationsveranstaltungen zu Gesundheits- und Erziehungsfragen).<br />
Andere Flüchtlingsgruppen, wie z. B. der Frauenverein „Somalisches Komitee Information und Beratung<br />
e.V.“ oder der kurdische Frauenverein „Roza“, konzentrieren ihre knappen personellen Ressourcen auf<br />
die Unterstützung der Frauen in <strong>Darmstadt</strong>, auf deren Aufgaben als Mütter und auf die Bildungsunterstützung<br />
der Kinder, z. B. durch Deutschkurse für Mütter, durch Informationsabende zu Erziehungsfragen,<br />
zum Schulsystem und zur Gesundheitsvorsorge oder durch Nachhilfe für Kinder.<br />
Auch die Spätaussiedlerinnen haben ihre eigenen Vereine gegründet, darunter ist der Verein „Hoffnung<br />
e.V.“ russlanddeutscher Frauen und der russische Frauenverein „Alice“. Neben kulturellen Aktivitäten,<br />
wie sie z. B. der „Integrationschor“ von „Hoffnung e.V.“ in Eberstadt-Süd oder die Theatergruppe von<br />
„Alice e.V.“ (s. auch Teilbericht Migrantenbeteiligung in den Stadtteilen der „Sozialen Stadt“) durchführen,<br />
bieten diese Vereine auch Beratung oder Bildungsaktivitäten an.<br />
Professionalisierung<br />
Eine weitere neue Tendenz bei den MSOs ist die Professionalisierung der Vereinsarbeit im Bereich<br />
Bildung und Soziales. Seit den 1990er Jahren kann vermehrt die Gründung von Vereinen festgestellt<br />
werden, die, halbprofessionell oder professionell, mit den Communities im Bereich Bildungs- und<br />
Soziale Arbeit tätig sind. Die Gründerinnen und Gründer dieser Trägereinrichtungen der Bildungs- und<br />
Sozialen Arbeit gehören oft entweder der zweiten Migrantengeneration an und haben ein pädagogisches<br />
oder sozialpädagogisches Studium o. ä. absolviert oder sie haben eine pädagogische oder sozialpädagogische<br />
Qualifikation in ihrem Herkunftsland erworben. Sie bringen aufgrund dieser Qualifikation,<br />
ihres eigenen Migrationshintergrundes, ihrer Eingebundenheit in die Communities und ihres bürgerschaftlichen<br />
Engagements die idealen Voraussetzungen mit, um im Bereich der Bildungs- und Sozialen<br />
Arbeit mit Migrantinnen und Migranten als Kooperationspartner und als eigener Träger zu agieren.<br />
Dass diese Selbstorganisationen eine qualitativ hochwertige und professionelle Arbeit leisten und<br />
dadurch auf kommunaler Ebene einen wichtigen Beitrag zur strukturellen Integration von Migrantinnen<br />
und Migranten leisten, findet Bestätigung in der Förderung mit kommunalen Mitteln (Zuschüsse und<br />
Kooperationen des Interkulturellen <strong>Büro</strong>s), mit Mitteln des Landes (Hessisches Sozialministerium), des<br />
Bundes (BAMF) und mit EU-Mitteln (ESF-Fonds, LOS-Mittel).<br />
Diese Professionalisierungstendenz soll am Beispiel der Arbeit im Bildungs- und Sozialen Bereich<br />
einiger Darmstädter Vereine verdeutlicht werden: 1<br />
Frauenverein Somalisches Komitee – Information und Beratung in <strong>Darmstadt</strong> und Umgebung e.V.<br />
Angebote: Sprachkurse; Nähkurse; Hausaufgabenhilfe und Bildungsförderung für Kinder in Kooperation<br />
mit dem Interkulturellen <strong>Büro</strong>; Hausaufgabenkurse für Mütter mit Kindern im Grundschulalter; niederschwelliger<br />
Frauenkurs; „Niederschwellige Angebote für Somalische Frauen und Männer zur Förderung<br />
der Teilhabe am gesellschaftlichen und beruflichen Leben“; Frauen-PC-Kurs in der Erich-Kästner-Schule<br />
in Kranichstein; gemeinsames Sprachtraining für Mütter und Kinder; Beratung im Frauenzentrum Emilstraße;<br />
Yoga-Training; Mal- und Bastelunterricht im Haus der Kooperation Frauen e.V.; Bewerbungstraining<br />
– Erstellen von Lebensläufen.<br />
Gefördert durch das Interkulturelle <strong>Büro</strong> (als Kooperationsprojekt), durch LOS (Lokales Kapital für Soziale<br />
Zwecke aus dem ESF-Fonds Europäischer Sozialfonds) und durch das BAMF – Bundesministerium<br />
für Migration und Flüchtlinge.<br />
1 Hierzu zählen auch die Vereine Magnolya e.V. sowie Verein für interkulturelle Arbeit und Sprachförderung Deutsch e.V., die in<br />
Kap. IV.1. und IV.3. ausführlich vorgestellt werden.<br />
56
Russischer Frauenverein Alice e.V.<br />
Berufliche Orientierung und Deutschtraining für Migrantinnen und Migranten in Teilzeit; Deutschkurs für<br />
teilzeitbeschäftigte Aussiedlerinnen; Deutschkurs für Frauen; Deutschkurs für Senioren; Vorberei tungs<br />
kurs zur Existenzgründung für Aussiedlerinnen und Aussiedler aus der ehemaligen SU, Vorberei tungskurs<br />
auf die Arbeit als Tagesmutter oder als Kinderbetreuerin für Aussiedlerinnen aus der ehema ligen SU;<br />
Deutschkurs für Frauen 45+; Excel-Tabellenkalkulation Teil I und II; Schatzinsel-Kinderprogramm,<br />
Gute Fee – Kinderprogramm.<br />
Gefördert durch das Interkulturelle <strong>Büro</strong> (als Kooperationsprojekt), die Investitionsbank Hessen / Hessisches<br />
Sozialministerium, durch LOS (Lokales Kapital für Soziale Zwecke aus dem ESF-Fonds Europäischer<br />
Sozialfonds).<br />
Dialog e.V. Bildungs-, Kultur- und Integrationsverein der Deutschen aus Russland<br />
Angebote in den Themenfeldern: Kinder, Frauen, Bildung, Kultur.<br />
Für Kinder:<br />
Integrationskinderklub „Potschemutschka“ mit Deutschsprachförderung für Kinder im Vorschulalter;<br />
Kids-Theater- und Singgruppe; Tanzen und kreative Bewegung für Kinder von 3 – 6 Jahren.<br />
Für Frauen:<br />
Gesangsgruppe mit Akkordeon- und Klavierbegleitung; Aerobic- und Tanzgruppe; Nähkreis (Anfertigen<br />
von Theater- und Tanzkostümen sowie Bühnenrequisiten für die Kindergruppen)<br />
Im Bereich Bildung:<br />
Sprachkurse für Erwachsene und Jugendliche; EDV-Schulung, Kommunikations- und Bewerbungstraining;<br />
Hausaufgabenbetreuung und Nachhilfe; berufliche und allgemeine Beratung (Ausbildung, Beruf, Familie,<br />
usw.); Übersetzen und Dolmetschen.<br />
Im Bereich Kultur:<br />
Vorträge, Leseabende und Diskussionen über die deutsche Geschichte, Kultur und Kunst; Musikabende<br />
und Feste; Exkursionen.<br />
Gefördert durch das Interkulturelle <strong>Büro</strong> (als Kooperationsprojekt) und das Hessische Sozialministerium.<br />
Kulturarbeit<br />
Trotz dieser neuen Tendenzen hat die Kulturarbeit in den MSOs nach wie vor einen großen Stellenwert<br />
für deren Mitglieder. Um dieser Bedeutung Rechnung zu tragen, initiiert und fördert die Wissenschaftsstadt<br />
<strong>Darmstadt</strong> zwei größere Projekte, die es ermöglichen, dass die Vereine ihre Kulturarbeit einer<br />
breiten Öffentlichkeit vorstellen können. Das sind das Internationale Begegnungsfest und die bis zum<br />
Jahr 2008 durchgeführten Kulturwochen der Regionen und Kontinente.<br />
Kulturwochen der Kontinente und Regionen<br />
Die „Kulturwochen der Kontinente und Regionen“ waren ein Projekt des Agenda-21-Prozesses, sie wurden<br />
innerhalb der Arbeitsgruppe „Ökologische und soziale Bildung“ von der Themengruppe „Menschen /<br />
Soziales“ entwickelt.<br />
Von 2001 an veranstaltete das Interkulturelle <strong>Büro</strong> die Kulturwochen in enger Kooperation mit den<br />
MSOs, dem Agenda-<strong>Büro</strong> und Kultur- und Bildungseinrichtungen (Kulturzentrum Bessunger Knabenschule,<br />
Staatstheater, Regierungspräsidium, Stadtbibliothek, Stadtkino, Schulen, Kindertagesstätten)<br />
in <strong>Darmstadt</strong>. Während der Kulturwochen führen die MSOs in Kooperation mit den genannten Einrichtungen<br />
Veranstaltungen wie Lesungen, Kunstausstellungen, Filmvorführungen, Konzerte, Workshops<br />
und Theateraufführungen durch.<br />
So fand z. B. im Jahr 2002 der „Fernöstliche Herbst“ mit der Huada Chinesisch Schule e.V., dem Mongolischen<br />
Kulturverein Blauer Himmel e.V. und dem Verein Chinesischer Wissenschaftler und Studenten<br />
statt; bei der „Matinee mit Löwen und Schamanen“ im Foyer des Staatstheaters waren 250 Zuschauer<br />
anwesend.<br />
57
Im Jahr 2005 organisierten der Ägyptische Verein <strong>Darmstadt</strong>, die Dante Alighieri Gesellschaft, der<br />
Deutsch-Ägyptische Freundeskreis, der Algerische Arbeitskreis, der Spanische Elternverein sowie die<br />
Griechische Gemeinde <strong>Darmstadt</strong> die Veranstaltung „Mediterrane Welt“. Im Jahr 2008 fanden die<br />
„Kinder-Kulturwochen 2008“ statt, die mit Kindern aus Darmstädter Kitas und Kindern des Russischen<br />
Frauenvereins Hoffnung e.V., des Somalischen Komitees Information und Beratung e.V., der Huada Chinesisch-Schule,<br />
der Casa Cultural Portuguesa, der Griechischen Gemeinde, der Brasilianischen Gruppe<br />
und des Kurdistan Informations- und Beratungszentrums veranstaltet wurden. Bei der Abschlussveranstaltung<br />
„Internationaler Kinder-Potpourri“ im Großen Saal des Justus-Liebig-Hauses waren über 200<br />
Zuschauer anwesend.<br />
Internationales Begegnungsfest<br />
Das Internationale Begegnungsfest gehört seit 1983 traditionell – wie z. B. das Heiner Fest – zu <strong>Darmstadt</strong>s<br />
Volksfesten. Es findet jedes Jahr im Sommer an zentralem Ort, auf dem Luisenplatz statt. Es ist<br />
ein öffentlich wirksames Fest, das regelmäßig mehrere hundert Besucher anzieht.<br />
Das Fest wird geplant und umgesetzt durch eine intensive Zusammenarbeit der Vereine mit dem Ausländerbeirat<br />
und dem Interkulturellen <strong>Büro</strong> der Wissenschaftsstadt <strong>Darmstadt</strong>.<br />
Jedes Jahr beteiligen sich daran aktiv etwa 45 Vereine von Darmstädterinnen und Darmstädtern mit<br />
Migrationshintergrund aus 5 Kontinenten mit unterschiedlichen Darbietungen. Sie informieren an ihren<br />
Ständen über kulturelle oder politische Aspekte aus dem Leben in ihren Herkunftsländern sowie über<br />
ihre Arbeit und ihre zahlreichen Aktivitäten in <strong>Darmstadt</strong>. Es entstehen vielerlei Gespräche in lockerer<br />
Atmosphäre. Daneben wird auf der Bühne ein buntes Kulturprogramm angeboten.<br />
Auch die mit dem Interkulturellen <strong>Büro</strong>, dem Ausländerbeirat und den Migrantenvereinen vernetzten<br />
Institutionen und Organisationen (vgl. Kap. III.3., IV.1.), wie die Migrationsdienste der Wohlfahrtsverbände,<br />
das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sowie Initiativen und Projekte, wie der<br />
Lokale Aktionsplan (vgl. Kap. III.7.), nehmen aktiv mit Informationsständen teil, machen so auf ihre<br />
Angebote aufmerksam und stehen den Besucherinnen und Besuchern für Informationsgespräche zur<br />
Verfügung.<br />
Damit auch die Kinder einen erlebnisreichen Tag haben, wird gezielt ein Kinderprogramm mit unterschiedlichen<br />
Attraktionen, wie z. B. eine Kinderrutsche, eine Hüpfburg und naturwissenschaftliche<br />
Experimente angeboten. Die Vereine haben für die Kinder an ihren Ständen ebenfalls Angebote, wie<br />
Schminken, Zöpfe flechten, Brettspiele, Malen etc.<br />
Den Besucherinnen und Besuchern des Internationalen Begegnungsfestes bietet sich auch die Möglichkeit,<br />
sich am Stand des Interkulturellen <strong>Büro</strong>s aus erster Hand über die Integrationsmaßnahmen<br />
in der Wissenschaftsstadt <strong>Darmstadt</strong> zu informieren und sich beraten zu lassen. Die dort begonnenen<br />
Gespräche können später fortgesetzt werden; dadurch entstehen vielerlei Kooperationen zwischen den<br />
unterschiedlichen Vereinen, Verbänden und weiteren Teilnehmern.<br />
Darüber hinaus können sich die Besucherinnen und Besucher auch mit den Mitgliedern des Ausländerbeirates<br />
an dessen Stand unterhalten. Sie können sich über die kommunalpolitische Arbeit des Ausländerbeirates<br />
informieren und mit ihm über seine Einstellung und Forderungen zur Verbesserung der<br />
Situation von Migrantinnen und Migranten (vgl. Kapitel V.3.) diskutieren.<br />
58
Professionalisierung der Community- und Vereinsarbeit<br />
Aufgrund der Bedeutung, die den Communities der Migrantinnen und Migranten und ihren Selbstorganisationen<br />
beim Integrationsprozess zukommt, fördert die Stadt – unterstützt durch das Land Hessen –<br />
die Professionalisierung der Arbeit in den Communities und ihren Selbstorganisationen. Diese Professionalisierung<br />
wird durch die Weiterqualifizierung der Multiplikatorinnen und Multiplikatoren aus den<br />
Communities sowie durch die Verbesserung der Organisationsarbeit selbst angestrebt.<br />
Professionalisierung der Vereinsarbeit<br />
Das Interkulturelle <strong>Büro</strong> hat in den vergangenen Jahren Fortbildungen für Vereine in den Bereichen<br />
Öffentlichkeitsarbeit, Finanzmittelbeschaffung, Kommunikation, Moderation u. a. angeboten. Ziel der<br />
Fortbildungen war, das Integrationspotential der Selbstorganisationen zu stärken, indem den Teilnehmerinnen<br />
und Teilnehmern das notwendige fachliche Wissen und Können für eine effektive Entwicklung<br />
der Selbstorganisation, eine erfolgreiche Vereinsführung, gelingendes Projektmanagement und Vernetzung<br />
mit Institutionen der Mehrheitsgesellschaft vermittelt wurde.<br />
In den Jahren 2007/2008 wurde das Konzept erweitert. In Kooperation mit dem „Paritätischen Bildungswerk<br />
Hessen“ und dem Ausländerbeauftragten des Kreises Groß-Gerau wurde unter dem Motto „Integration<br />
durch Bildung. Migrantenselbstorganisationen (MSO) als Partner im Integrationsprozess“ eine<br />
ganzjährige Fortbildungsreihe für aktive Mitglieder aus den MSOs angeboten. Inhalte der einzelnen<br />
Module waren:<br />
• Vereinsaktivitäten im Lichte der Integration<br />
• Die Ressourcen des Vereins für Bildungsaktivitäten nutzen<br />
• Projektideen für Bildungsmaßnahmen<br />
• Ablauf- und Ressourcenpläne für Projektideen<br />
• Projekte in Bewegung setzen<br />
• Projekte managen<br />
• Stolpersteine bei der Projektumsetzung ausräumen<br />
• Der Bildungs-Mehrwert für den Verein und die Gemeinschaft<br />
An dieser Veranstaltung haben die afghanische Frauengruppe Omid e.V., der Spanische Elternverein,<br />
der „Dialog – Bildungs-, Kultur- und Integrationsverein der Deutschen aus Russland“, die „Interkulturelle<br />
Arbeit und Sprachförderung Deutsch“ sowie die RFV Alice e. V. teilgenommen.<br />
Aufgrund der positiven Resonanz dieser Qualifizierungsmaßnahme für Vereine hat das Interkulturelle<br />
<strong>Büro</strong> gemeinsam mit dem Paritätischen Bildungswerk Hessen im Jahr 2009 ein weiterführendes<br />
Coaching für die MSOs angeboten.<br />
59
5. Interkulturelle Vermittlung:<br />
Qualifizierung und Einsatz von Multiplikatorinnen und<br />
Multiplikatoren aus den Migranten-Communities<br />
Wie in Kapitel II „Strategien kommunaler Integrationssteuerung“ dargestellt, soll die „Öffnung“ der<br />
Communities auch durch den Einsatz von qualifizierten Multiplikatorinnen und Multiplikatoren, die zwischen<br />
den Institutionen und den Migranten-Communities vermitteln können, erreicht werden.<br />
Das Interkulturelle <strong>Büro</strong> bietet für diese Multiplikatorinnen und Multiplikatoren verschiedene Fortbildungen<br />
an, um sie in ihrer Funktion als Informationsvermittler sowie in ihrer Brückenfunktion zu stärken<br />
und um ihre fachlichen und persönlichen Kompetenzen zu vertiefen. Im Folgenden werden die Weiterbildung<br />
zu Integrationsassistentinnen und -assistenten, die Weiterqualifizierung zu Gesundheitslotsinnen<br />
und -lotsen sowie weitere Qualifizierungsmaßnahmen vorgestellt.<br />
Weiterbildung zu Integrationsassistentinnen und -assistenten<br />
Von 2003 – 2007 hat das Interkulturelle <strong>Büro</strong> im Rahmen eines überregionalen EU-Projekts (EQUAL)<br />
das lokale Projekt „Aufbau eines Pools von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren aus Migranten-<br />
Communities“ durchgeführt (vgl. www.equal.ikb-darmstadt.de). Dabei wurde, bundesweit erstmalig,<br />
die für jegliche Integrationsarbeit unerlässliche Vermittlungstätigkeit zwischen den Institutionen der<br />
Aufnahmegesellschaft und den Zugewanderten als ein neues Berufsbild konstituiert und das Curriculum<br />
für eine entsprechende Weiterqualifizierung erstellt. In drei Kursen wurden Integrationsassistentinnen<br />
und -assistenten weitergebildet. In Kooperation mit vergleichbaren Projekten wurde eine bundesweite<br />
Initiative für die Anerkennung des Berufsbildes „Sprach- und Integrationsmittler/in“ gestartet.<br />
Hintergrund des Projekts<br />
Integrationsarbeit erfordert sowohl die interkulturelle Öffnung von Institutionen der Aufnahmegesellschaft<br />
als auch der Migranten-Communities. Dies wird optimal durch herkunftssprachliche und fachkundige<br />
Vermittlungskräfte erreicht, die die Fachkräfte im Sozial-, Gesundheits- und Bildungsbereich<br />
unterstützen.<br />
Es gibt in ausreichender Anzahl Migrantinnen und Migranten, die in ihren Herkunftsländern angemessene<br />
Qualifikationen im Sozial-, Gesundheits- oder Bildungsbereich erworben haben. Sie haben oft<br />
langjährige Berufserfahrungen und verfügen über Kontakte zu ihrer Community im Aufnahmeland. Ihre<br />
Qualifikationen werden aber formell nicht anerkannt. Mit einer neu konzipierten Weiterbildung zu Integrationsassistentinnen<br />
und -assistenten werden sie zu einer vermittelnden und assistierenden Tätigkeit<br />
für die Fachkräfte befähigt.<br />
Ziele des Projekts<br />
• Unterstützung der Kommunikation zwischen Fachkräften und Migranten-Communities<br />
• Mobilisierung der Ressourcen von Migrantinnen und Migranten für die Integration<br />
• Weitere Öffnung von Regelinstitutionen und Migranten-Communities<br />
• Erhöhung der Effektivität, Effizienz und Nachhaltigkeit der Sozialen Arbeit im Sozial- und Gesund-<br />
heitswesen sowie im Bildungsbereich<br />
Mögliche Arbeitsfelder können die Berufsförderung, Jugendarbeit, Familien- und Jugendhilfe, Erziehungsberatung,<br />
psychosoziale Versorgung, Soziale Arbeit an Schulen, Frauenberatung, Seniorenarbeit,<br />
Konfliktbearbeitung, Projektarbeit in Schulen und KITAs, Stadtteilarbeit und Sprachvermittlung im<br />
Gesundheitswesen sein.<br />
60
Projektdurchführung<br />
In Kooperation mit der Hochschule <strong>Darmstadt</strong> wurde die Weiterqualifizierung zu Integrationsassistentinnen<br />
und -assistenten vom Interkulturellen <strong>Büro</strong> konzeptionell entwickelt und in zwei Kursen (2003<br />
und 2004) durchgeführt. Die Weiterbildung wurde mit EU-Mitteln und städtischen Mitteln finanziert.<br />
In den Jahren 2006 und 2007 wurde die Weiterqualifizierung in Kooperation mit dem Internationalen<br />
Bund (IB) als Projektträger und der Hochschule <strong>Darmstadt</strong> wiederholt. Sie wurde mit Bundesmitteln<br />
(Agentur für Arbeit und ARGE), mit ESF-Mitteln (Land) und mit städtischen Mitteln finanziert.<br />
Weiterbildungsmaßnahme<br />
Die Weiterbildung umfasste 450 Stunden Fachunterricht, 325 Stunden Praktikum und 200 Stunden<br />
Deutschunterricht, die in Kooperation mit der Hochschule <strong>Darmstadt</strong> durchgeführt wurde. Die inhaltlichen<br />
Schwerpunkte waren: Migrationssoziologie; Entwicklungspsychologie; soziale Kompetenz; Grundlagen,<br />
Methoden und Institutionen der Sozialen Arbeit; Einführung in die Arbeitsfelder im Sozial- und<br />
Gesundheitswesen; Einführung in die Sprachvermittlung; interkulturelle Kompetenz im Umgang mit<br />
Behörden; Reflexion des Praktikums.<br />
Absolventinnen und Absolventen<br />
Die Teilnehmenden kamen aus 22 Herkunftsländern und hatten folgende Sprachkenntnisse:<br />
Amharisch, Arabisch, Armenisch, Chinesisch, Englisch, Farsi, Französisch, Griechisch, Italienisch,<br />
Kroatisch, Kurdisch, Paschtu, Polnisch, Portugiesisch, Rumänisch, Russisch, Serbisch, Slowakisch,<br />
Somalisch, Spanisch, Tschechisch, Türkisch, Urdu, Ukrainisch.<br />
Verbleibstudie (Stand Februar 2008)<br />
• Von den 60 Absolventinnen und Absolventen konnten 55 befragt werden. Davon waren 37 erwerbs-<br />
tätig und 14 Arbeit suchend oder hatten nur Einzelaufträge auf Honorarbasis.<br />
• Weitere drei haben an den Fachhochschulen Sozialpädagogik studiert, eine Absolventin hat eine<br />
Pflegehelferinnenausbildung begonnen.<br />
• Von den 37 Erwerbstätigen waren 24 im Sozialwesen, fünf im Bildungsbereich und acht in anderen<br />
Bereichen (z. B. als Verkäuferin, Fahrer, Kurier etc.) tätig.<br />
• Von den 29 im Sozialwesen und im Bildungsbereich Tätigen waren 19 bei freien Trägern und 10<br />
im öffentlichen Dienst angestellt. Von ihnen hatten 21 befristete Beschäftigungsverhältnisse und<br />
acht feste Stellen.<br />
Weiterqualifizierung zu Gesundheitslotsinnen und -lotsen<br />
Im Gesundheitsprojekt „MiMi Hessen – Mit Migranten für Migranten“, ein Kooperationsprojekt mit dem<br />
Ethnomedizinischen Zentrum Hannover, wurden Multiplikatorinnen und Multiplikatoren fortgebildet.<br />
Diese sollten in die Lage versetzt werden, durch Informationsveranstaltungen in Migrantenvereinen,<br />
Arztpraxen oder Bürgerhäusern einen Beitrag zur präventiven Gesundheitsarbeit leisten zu können.<br />
Die Mitglieder aus den Communities, denen die Strukturen und Angebote des deutschen Gesundheitssystems<br />
nicht hinreichend bekannt sind, lernen so das deutsche Gesundheitswesen näher kennen und<br />
sind besser über wichtige Gesundheitsthemen informiert.<br />
Themen der Fortbildung waren:<br />
Das Gesundheitswesen in Deutschland, die Bedeutung der psychischen Gesundheit, Tabak-, Alkohol-<br />
und Drogenkonsum sowie die Frage der Abhängigkeit, von Suchtproblemen oder des verantwortungsbewussten<br />
Umgangs mit Medikamenten, Schwangerschaftsvor- und -nachsorge, Kindergesundheit<br />
(einschließlich Mundgesundheit), Unfallprävention, Ernährung, Bewegung und Vermeidung von Übergewicht<br />
sowie Gesundheit im Alter; inhaltliche Durchführung einer Informationsveranstaltung, Methodenschulung,<br />
Didaktik und Medieneinsatz bei Informationsveranstaltungen sowie Praxisübungen.<br />
An dieser Fortbildung im Berichtsjahr 2006 – 2007 haben 27 Multiplikatorinnen und Multiplikatoren<br />
aus 13 verschiedenen Communities teilgenommen.<br />
61
Weitere Qualifizierungsmaßnahmen<br />
Im Jahr 2005 hat das Interkulturelle <strong>Büro</strong> in Kooperation mit dem Sozialamt eine Fortbildungsreihe<br />
„Aktuelle Änderungen im Zuwanderungs- und Sozialrecht“ angeboten. Diese umfasste die folgenden<br />
Themen: Hilfsangebote für Frauen, Wohngeld und Wohnungsvermittlung, Formen der Sozialleistungen,<br />
Angebote der Altenhilfe, Erzieherische Hilfen, Zuwanderungsgesetz und Leistungsgewährung, Ausländer -<br />
recht (Aufenthaltstitel, Ausweisung, Verfestigung des Aufenthalts, Familiennachzug), Arbeitsaufnahme,<br />
Beschäftigungsverordnung, Flüchtlingsrecht, Staatsangehörigkeitsrecht, Beratungskompetenz.<br />
An dieser Fortbildungsreihe im Jahr 2005 haben durchschnittlich 10 Multiplikatorinnen und Multiplikatoren<br />
aus 8 verschiedenen Communities teilgenommen.<br />
Mit dem Ziel, älteren Migrantinnen und Migranten den Zugang zu den Regeldiensten der Rentenversicherung<br />
durch die Unterstützung von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren (Informationen in der<br />
Muttersprache, Vorprüfung der benötigten Unterlagen auf Vollständigkeit, Begleitung bei Antragstellung<br />
und / oder Beratung) zu erleichtern, hat das Interkulturelle <strong>Büro</strong> in Kooperation mit der Deutschen<br />
Rentenversicherung Hessen und dem städtischen Versicherungsamt eine Fortbildungsreihe zum Thema<br />
„Renteninformationen für ältere Zugewanderte“ angeboten.<br />
Daran nahmen im Jahr 2007 durchschnittlich 14 Multiplikatorinnen und Multiplikatoren aus 10 verschiedenen<br />
Communities teil.<br />
Einsatz von interkulturellen Vermittlungskräften<br />
Im Jahr 2008 hat das Interkulturelle <strong>Büro</strong> gemeinsam mit dem DRK Kreisverband <strong>Darmstadt</strong> das Kooperationsprojekt<br />
„Interkulturelle Vermittlung zwischen Institutionen im Sozial-, Bildungs- und Gesundheitswesen<br />
und den Zugewanderten“ gestartet, das seitdem kontinuierlich weitergeführt wird. Das DRK<br />
koordiniert in diesem Projekt die Vermittlung von ca. 40 Interkulturellen Vermittlungskräften in unterschiedlichen<br />
Einsatzfeldern (s. dazu ausführlich Kap. IV.1.).<br />
6. Interkulturelle Stadtteilarbeit:<br />
Stärkung der Partizipation<br />
Der Darmstädter Ansatz im Rahmen des Programms „Soziale Stadt“<br />
Bundesweite Erfahrungen haben gezeigt, dass eine Beteiligung von Migrantinnen und Migranten an den<br />
Projekten des Programms „Soziale Stadt“ aufgrund vielfältiger Faktoren, z. B. der sprachlichen, kulturellen<br />
und sozialen Barrieren, eine besonders große Herausforderung darstellt.<br />
Um eine stärkere Partizipation der zugewanderten Bevölkerung in den betreffenden Stadtteilen sicherzustellen,<br />
hat das Interkulturelle <strong>Büro</strong> als wichtigen Baustein kommunaler Integrationspolitik einen<br />
neuen Ansatz interkultureller Stadtteilarbeit entwickelt.<br />
Das Interkulturelle <strong>Büro</strong> hat in Kranichstein und in Eberstadt-Süd die Einbeziehung von Migrantinnen<br />
und Migranten in die Stadtteilarbeit gemeinsam mit den Stadtteilwerkstätten vor Ort initiiert sowie den<br />
Beteiligungsprozess moderiert und gesteuert. Dazu war es notwendig, den Dialog mit den wichtigsten<br />
im Stadtteil ansässigen Communities einzuleiten. Die Vernetzung der Multiplikatorinnen und Multiplikatoren<br />
aus der Migrantenbevölkerung und mit den einheimischen Akteuren – den Fachkräften der Institutionen<br />
und engagierten Bürgerinnen und Bürgern –, ist zielgerichtet initiiert und begleitet worden.<br />
62
Entsprechend dieser Zielsetzung wurden folgende Aktivitäten auf Stadtteilebene durchgeführt:<br />
Aktivitäten Ziele<br />
Aufbau und Vernetzung<br />
von Migrantenarbeitsgruppen<br />
Gleichwertige Beteiligung von Migrantinnen<br />
und Migranten<br />
Stadtteilfeste / Gemeinsame soziale Aktivitäten Entwicklung interkultureller Nachbarschaft /<br />
Identifikation mit dem Stadtteil<br />
„Mama lernt Deutsch“ an Schulen /<br />
Deutschkurse im Stadtteil / Elterngesprächskreise<br />
in Kindertagesstätten und Schulen<br />
Zweisprachige Informationsveranstaltungen mit<br />
Migrantenvereinen / Mehrsprachige Informationsblätter<br />
für Migrantinnen und Migranten<br />
Durchführung von Fortbildungen und Tagungen<br />
im Stadtteil<br />
Öffnung der Bildungsinstitutionen /<br />
Stärkung der Sprach- und Erziehungskompetenz<br />
der Eltern<br />
Informationsvermittlung im Sozial- und Gesundheitswesen<br />
sowie im Bildungsbereich<br />
Informationsvermittlung zum Thema Migration /<br />
Entwicklung interkultureller Kompetenz<br />
Durch diese Vorgehensweise ist es gelungen, in beiden Stadtteilen Migrantenarbeitsgruppen aufzubauen:<br />
In Kranichstein existiert der Arbeitskreis „MigrantInnen in Kranichstein“ (AK „MIKRA“) als Vertretungsgremium<br />
der Migrantenbevölkerung im Stadtteil. Die Arbeitsgruppe besteht aus Vertreterinnen und<br />
Vertretern der afghanischen, arabischen, irakisch-kurdischen, pakistanischen, russlanddeutschen und<br />
türkisch-alevitischen Communities.<br />
In Eberstadt-Süd existiert die Arbeitsgruppe „Interkulturelle Stadtteilarbeit“ mit wechselnd teilnehmenden<br />
Vertreterinnen und Vertretern aus arabischen, eritreischen, polnischen, somalischen, russlanddeutschen<br />
und türkisch-alevitischen Communities.<br />
Beide Migrantenarbeitsgruppen sind über die Stadtteilwerkstatt und über direkte Vertreterinnen und<br />
Vertreter in das jeweilige Stadtteilnetzwerk vor Ort eingebunden. Durch die Arbeit mit den Vertreterinnen<br />
und Vertretern der Migrantencommunities ist die Partizipation der Migrantenbevölkerung im Stadtteil<br />
gesichert. Sie beteiligen sich an gemeinsamen Aktivitäten, wie Reinigungsaktionen, aktivierenden<br />
Befragungen sowie an Stadtteilfesten mit Informationsständen und Beiträgen im Kulturprogramm.<br />
In den Räumen zur bürgerschaftlichen Nutzung in Kranichstein-Süd führen zeitweise mehr als zehn<br />
Frauengruppen verschiedener Herkunftsländer in Selbstverwaltung ihre Aktivitäten durch. Das Angebot<br />
reicht von Deutsch- und Alphabetisierungskursen, muttersprachlichen Kursen für Kinder, Mädchentreffs<br />
bis hin zu speziellen Themenbereichen. Da in Eberstadt-Süd keine Räume zur Verfügung stehen, ist es<br />
für die Gruppen dort schwieriger, sich zu organisieren und eigene Aktivitäten zu entwickeln. Seit Beginn<br />
der Einbeziehung von Migrantinnen und Migranten in die Stadtteilarbeit sind in beiden Stadtteilen neue<br />
Migrantenvereine, meist Frauenvereine, entstanden.<br />
In den Migrantenarbeitsgruppen werden stadtteilrelevante Fragestellungen vordiskutiert, die gemeinsam<br />
erarbeiteten Vorschläge werden über Delegierte in die Stadtteilrunde sowie in die weiteren Bürgerarbeitsgruppen<br />
hineingetragen.<br />
Die Migrantenarbeitsgruppen wurden, nachdem sie sich als Arbeitsgruppen stabilisiert hatten, Schritt<br />
für Schritt geöffnet und mit den „regulären“ Gremienstrukturen im Quartier vernetzt. Die einzelnen<br />
Gruppen, die in der Migrantenarbeitsgruppe vertreten sind, werden im Quartier stärker „sichtbar“<br />
(Aktivitäten in den Räumen zur gemeinschaftlichen Nutzung, Auftritte bei Stadtteilfesten, Beteiligungen<br />
an Reinigungsaktionen, Befragungen etc.).<br />
63
Die Aktivitäten zur Migrantenbeteiligung erforderten eine begleitende „Qualifizierungsoffensive“ im<br />
Stadtteil. Um ihrer vielfältigen Multiplikatorenrolle gerecht werden zu können, wurden Migrantinnen<br />
und Migranten aus den Communities durch Fort- und Weiterbildungen geschult. Aber auch Alphabetisierungs-<br />
und Deutschkurse im Stadtteil sowie (zweisprachige) Informationsveranstaltungen zu wichtigen<br />
Themen, wie Bildung oder Arbeit, dienten der Stärkung der persönlichen Ressourcen von Zugewanderten,<br />
insbesondere von Migrantinnen.<br />
Es ist keineswegs selbstverständlich, dass eine stärkere Migrantenbeteiligung im Quartier auf einen<br />
gleichzeitigen Öffnungsprozess der Stadtteilgremien trifft. Dieser Prozess der wechselseitigen Öffnung<br />
von Migranten-Communities und von Arbeitsstrukturen im Stadtteil wurde deshalb von der Stadtteilwerkstatt<br />
und dem Interkulturellen <strong>Büro</strong> gemeinsam und zielgerichtet gestaltet.<br />
Um dies zu erreichen war es wichtig, den institutionellen Öffnungsprozess durch Angebote zur Kompetenzerweiterung<br />
für Einheimische und Zugewanderte sowie für Fachkräfte und Ehrenamtliche gleichzeitig<br />
zu unterstützen. In differenzierten Angeboten für Frauen und Männer sowie für Jüngere und Ältere<br />
in den Themenbereichen interkulturelle Kommunikation, Konfliktmediation oder Gewalt-Deeskalation<br />
wurden Ressourcen für Zivilkompetenz und interkulturelle Nachbarschaft im Stadtteil gestärkt. So entstand<br />
ein gemeinsamer Pool von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren vor Ort, die bei Stadtteilkonflikten<br />
vermitteln oder präventiv wirksam werden können.<br />
In Schulen und Kindertagesstätten wurden zeitgleich Öffnungsprojekte, wie „Mama lernt Deutsch“ oder<br />
„Elterngesprächskreise“, angeboten, um die Schwellenangst vor den Bildungsinstitutionen zu senken.<br />
Erfahrungen und Ergebnisse der Beteiligung von Migrantinnen und Migranten sowie der Schaffung von<br />
Gelegenheitsstrukturen zur Entwicklung von interkulturellen Nachbarschaften können auch für andere<br />
Stadtteile nutzbar gemacht werden.<br />
Andererseits können diese Erfahrungen und Ergebnisse der Förderung und Beratung von Migrantenvereinen<br />
und -gruppen oder der Fort- und Weiterbildung sowie der Förderung von Aktivitäten gegen<br />
Rassismus und für eine weltoffene Stadt im gesamtkommunalen Kontext unmittelbar auch für die<br />
Stadtteilarbeit genutzt werden.<br />
Durch die Schwerpunktbildung im Bereich Stadtteilarbeit ist es dem Interkulturellen <strong>Büro</strong> möglich,<br />
als eine besondere „intermediäre Instanz“ zur Unterstützung der Beteiligung von Migrantinnen und<br />
Migranten im Stadtteil zu wirken. Dabei geht es um eine Mittlerfunktion zwischen den institutionellen<br />
und lebensweltlichen Strukturen im Stadtteil, d. h. der Stadtteilwerkstatt, der Stadtteilrunde und den<br />
Bürgerarbeitsgruppen einerseits sowie der Migrantenarbeitsgruppe als parallele und zugleich vernetzte<br />
Arbeitsstruktur andererseits.<br />
Insgesamt sind heute in beiden Stadtteilen wichtige Voraussetzungen erfüllt, die die Migrantenbeteiligung<br />
am Stadtteilerneuerungsprozess gewährleisten. In Kranichstein-Süd ist bereits eine Vielzahl der<br />
im Stadtteil lebenden relevanten Migrantengruppen stabil in den Stadtteilentwicklungsprozess eingebunden.<br />
Insbesondere in Eberstadt-Süd ist es weiterhin notwendig, die Migrantenarbeitsgruppe sukzessive weiterzuentwickeln<br />
und auf alle relevanten Migrantengruppen im Stadtteil zu erweitern. Zudem stehen in<br />
Eberstadt-Süd kaum Räume zur bürgerschaftlichen Nutzung zur Verfügung, weshalb es für die Gruppierungen<br />
dort besonders schwierig ist, sich zu organisieren und eigene Aktivitäten zu entwickeln. Um die<br />
kontinuierliche Präsenz der Migranten-Communities in der Stadtteilentwicklung zu gewährleisten, wird<br />
es in Zukunft sehr wichtig sein, geeignete Räume zur Verfügung zu haben.<br />
64
7. Antirassismus<br />
Kurzbeschreibung der Situation in <strong>Darmstadt</strong><br />
Rechtsextremismus im Umfeld<br />
In der Wissenschaftsstadt <strong>Darmstadt</strong> gibt es eine lange Tradition der demokratischen Zurückweisung<br />
von rechtsextremistischen Tendenzen. Charakteristisch am Darmstädter Profil ist, dass die Toleranzschwelle<br />
gegenüber allen Formen des Rechtsextremismus sehr niedrig ist und präventiver Arbeit von<br />
der Stadtverwaltung wie von zivilgesellschaftlichen Akteuren hohe Bedeutung beigemessen wird. Aber<br />
jugendkulturelle Cliquen und Kameradschaften, wie etwa das Aktionsbüro Rhein-Neckar und die Freien<br />
Nationalisten Rhein-Main, haben sich laut den Verfassungsschutzberichten 2006 – 2009 in einigen umliegenden<br />
Kommunen der Region Starkenburg stärker etabliert.<br />
Eine „Kameradschaft <strong>Darmstadt</strong>“ hatte durch eine Homepage unter Missbrauch des Stadtwappens<br />
und durch ein Transparent auf einer Demonstration in Kaiserslautern auf sich aufmerksam gemacht.<br />
Sie trat im Jahr 2009 noch einige Male auf, entfernte aber die Homepage. Die Staatsanwaltschaft sah<br />
keine Notwendigkeit zum weiteren Einschreiten, nachdem das Stadtwappen entfernt worden war. Den<br />
Straftatbestand „Volksverhetzung“ sah sie als nicht erfüllt an.<br />
Die „Kameradschaft Bergstraße“ und der „Nibelungensturm Odenwald“ haben sich zwar – vermutlich<br />
auch aus taktischen Gründen – aufgelöst, aber ihre Mitglieder sind weiter aktiv.<br />
Im Bereich des organisierten Rechtsextremismus leben in <strong>Darmstadt</strong> Mitglieder von rechtsextremen<br />
Parteien und Gruppen, jedoch sind keine organisierten Strukturen bekannt. Versuche, sich bei Gastwirten<br />
Räumlichkeiten zu verschaffen, gab es 2007 und 2008. Dagegen formierte sich die Aktionen:<br />
„Kein Bier für Nazis!“.<br />
Es gibt bisher relativ wenige registrierte rechtsextreme Straftaten, die Anzahl liegt im Bereich von 20<br />
bis 30 pro Jahr. Die Zahl ist wegen des stärkeren Vorgehens der Polizei dagegen nach deren eigenen<br />
Angaben leicht gestiegen (bis 2009).<br />
Das ist im Umland anders. So wurden im Kreis Bergstraße im Jahr 2004 allein 60 entsprechende Straftaten<br />
registriert. Darüber hinaus verbuchte die Rhein-Neckar-Region die bundesweit höchste Konzentration<br />
neonazistischer Konzertaktivitäten.<br />
Am 7. Januar 2006 trafen sich laut Verfassungsschutzbericht 400 – 500 Neonazis und Skinheads in<br />
Griesheim, im nächsten Umfeld von <strong>Darmstadt</strong>, zu einem Konzert, denen sich neben der Polizei auch<br />
zivilgesellschaftliche Akteure entgegenstellten.<br />
Alltäglicher Rassismus<br />
Auch in <strong>Darmstadt</strong> wurde von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Jugendamtes und von zivilgesellschaftlichen<br />
Akteuren beobachtet, dass einzelne Jugendliche Affinitäten zum Musikkonsum und zur<br />
Handy- und Internet-Nutzung der rechtsextremen Jugendszenen zeigen. Es gibt Hinweise, dass eine<br />
Beeinflussung durch den Austausch der jugendkulturellen Szenen im Stadt-Umland-Verhältnis entsteht.<br />
Auf der Ebene des alltäglichen Rassismus gibt es Ausgrenzungspraktiken vor allem gegenüber männlichen<br />
Jugendlichen mit Migrationshintergrund, z. B. bei Disco- oder Lokalbesuchen. Nach dem 11. September<br />
2001 haben zahlreiche Jugendliche aus islamisch geprägten Herkunftsländern, die in der Stadt<br />
<strong>Darmstadt</strong> leben, berichtet, dass sie sich einem Generalverdacht des Terrorismus ausgesetzt fühlten.<br />
Der Mediendiskurs über den Islam und die oft als einseitig empfundene Kommentierung der Konflikte<br />
im Nahen und Mittleren Osten verstärkten dieses Gefühl.<br />
Auf der anderen Seite wird in den Schulen und Jugendzentren des Öfteren beobachtet, dass diese Jugendlichen,<br />
die selbst sozialer Ausgrenzung ausgesetzt sind, wiederum gegenüber Einheimischen und<br />
Jugendlichen aus anderen Herkunftsländern ein ausgrenzendes Verhalten zeigen. Dieses Verhalten –<br />
65
nach Beobachtungen in Schulen und in Freizeiteinrichtungen – kann relativ schnell gewalttätige Formen<br />
annehmen. Das Fehlen von demokratischen Vorbildern erschwert sowohl die Entwicklung von sozialen<br />
Kompetenzen wie auch von Verantwortungsbereitschaft.<br />
Einem relativ großen Teil von männlichen Jugendlichen aus islamisch geprägten Herkunftsländern ist<br />
der Stellenwert antisemitischer und antiziganistischer Bilder als Erscheinungsform des Rassismus nicht<br />
bewusst, oder sie sind selber solchen Bildern verhaftet. Daher können sie die Bedeutung der Auseinandersetzung<br />
mit Antisemitismus und Antiziganismus für die Entwicklung einer demokratischen Persönlichkeit<br />
oft nicht ermessen. Das ist aufgrund der besonderen deutschen Geschichte mit dem Völkermord<br />
an Juden und Sinti und Roma nicht unproblematisch, da hier Rechtsextremismus und traditionell<br />
motivierter Antisemitismus und Antiziganismus eine unheilvolle Allianz eingehen können.<br />
Diskriminierende Verhaltensweisen im Sport<br />
Es gibt innerhalb der Darmstädter Fußball-Fan-Szene zwar nur wenige Fans, die jederzeit zur Gewalt<br />
entschlossen sind und Affinitäten zur rechtsextremistischen Szene zeigen. Allerdings ist der Anteil der<br />
gelegentlichen Gewalttäter nach Angaben von Fan-Projekten höher. Dies erfordert eine entsprechende,<br />
präventive Arbeit. Es gibt auf der anderen Seite auch Fan-Gruppen, die im Stadion oder auf den Sportplätzen<br />
offen antirassistisch auftreten. Diese positiven Ansätze gilt es auszubauen. Eine Recherche<br />
zur genaueren Erforschung von rassistischen Bildern innerhalb der Fan-Szene wäre von großem pädagogischen<br />
Nutzen für die Fan-Arbeit. Dabei sollte auch das Umfeld nicht unbeobachtet bleiben, denn<br />
ausgrenzendes und/oder rassistisches Gedankengut wird möglicherweise auch bei den Sportlern durch<br />
Betreuer, Trainer oder Funktionäre des organisierten Sports verbreitet oder zumindest nicht unterbunden,<br />
wenn es überhaupt als Problem wahrgenommen wird.<br />
Arbeitsgruppe „Aktion Weltoffenes <strong>Darmstadt</strong>“ sowie andere Initiativen<br />
In <strong>Darmstadt</strong> gab es seit den 70er Jahren Initiativen neuen Typs gegen Rechtsextremismus und Rassismus.<br />
Der „Runde Tisch Antirassismus“ ist in den 90er Jahren aus den Solidaritätsinitiativen für Flüchtlinge<br />
entstanden und wurde insbesondere durch die Wohlfahrtsverbände und das städtische Frauenbüro<br />
unterstützt. Jedes Jahr im Monat März wurde mit Beteiligung des „Runden Tisches Antirassismus“ die<br />
„Woche gegen Rassismus“ und im Monat September die „Interkulturelle Woche“ durchgeführt.<br />
Die Arbeitsgruppe „Aktion Weltoffenes <strong>Darmstadt</strong>“ entstand nach dem Attentat auf die Düsseldorfer<br />
Synagoge im Jahre 2000 nach entsprechenden Beschlüssen der Stadtverordnetenversammlung und des<br />
Magistrats 2002. Diese Arbeitsgruppe umfasst auch den „Runden Tisch Antirassismus“. In ihr wirken<br />
Vertreterinnen und Vertreter aus den Bereichen Politik, Wirtschaft und Arbeit, Bildung und Religion mit.<br />
Die Arbeitsgruppe initiiert und unterstützt laufend Projekte und Aktivitäten, wie Öffentlichkeitsveranstaltungen,<br />
Stadtteilprojekte, Projekte mit Jugendlichen im schulischen und außerschulischen Bereich<br />
sowie Projekte gegen Antisemitismus und Antiziganismus.<br />
Neben der Jüdischen Gemeinde ist die Einbeziehung des Landesverbands Hessen der Deutschen Sinti<br />
und Roma besonders wichtig, dieser seit 1982 seinen Sitz in <strong>Darmstadt</strong> hat. Hier gibt es seit ca.15<br />
Jahren eine Tradition der guten Zusammenarbeit. Das „Denkzeichen Güterbahnhof“ für die Opfer des<br />
Nationalsozialismus ist ein gutes Beispiel dafür, dass dem Andenken der verfolgten und deportierten<br />
jüdischen Opfer als auch der Opfer der Sinti und Roma Raum gegeben wird.<br />
Es gibt zurzeit in <strong>Darmstadt</strong> keine formal organisierten Antifa-Gruppen aber eine Jugendszene, die sich<br />
dazu zählt, und mehrere jugendkulturelle Szenen mit demokratischen Traditionen. In einzelnen Projekten<br />
sind bereits Migrantenvereine in Kooperation mit anderen Trägern aufgetreten.<br />
Die Erfahrung in den letzten Jahren hat – so wie beim „Runden Tisch Antirassismus“ – gezeigt, dass es<br />
eine Kerngruppe von aktiven Personen gibt, die die Aktivitäten der Arbeitsgruppe „Aktion Weltoffenes<br />
<strong>Darmstadt</strong>“ mittragen. Die Aktivitäten werden von einem größeren Kreis der wohlwollenden Unterstützerszene<br />
bejaht, die ihrerseits darüber hinaus nicht aktiv werden. Deshalb bleibt die Aufgabe, die Größe<br />
der aktiven Kerngruppe zu erweitern. U. a. könnte versucht werden, die zahlreichen Studierenden in der<br />
Wissenschaftsstadt <strong>Darmstadt</strong> stärker in die Aktivitäten einzubinden.<br />
66
Maßnahmen und Aktivitäten gegen Rechtsextremismus und Rassismus<br />
Maßnahmen und Aktivitäten im Rahmen der Arbeitsgruppe „Aktion Weltoffenes <strong>Darmstadt</strong>“<br />
Vertreterinnen und Vertreter folgender Organisationen bzw. Institutionen sind in der AG „Aktion weltoffenes<br />
<strong>Darmstadt</strong>“ vernetzt oder kooperieren mit ihr: DGB-Jugend, Stadtjugendring, StadtschülerInnenrat,<br />
Jugendforum, Mädchenarbeitskreis, Jungenarbeitskreis, Verein Kinder- und Jugendarbeit im Johannesviertel,<br />
Theaterlabor, katholische und evangelische Kirche, Jüdische Gemeinde, Verband Deutscher<br />
Sinti und Roma – Landesverband Hessen, Runder Tisch Antirassismus, Ausländerbeirat, Migrantenvereine,<br />
Schulen, Sportvereine, Gremien der Sportorganisation, Fraktionen der Parteien in der Stadtverordnetenversammlung.<br />
Die Arbeitsgruppe hat u. a. folgende Projekte und Aktivitäten initiiert bzw. unterstützt:<br />
• Einrichtung eines städtischen Preises für Zivilcourage, seit 2007 umbenannt in<br />
Preis für „Gesicht zeigen“.<br />
• Öffentlichkeitsaktionen (Lesungen, Kabarettaufführungen, Filmvorführungen, Ausstellungen und<br />
eine Werbeaktion auf Omnibussen) für die Kampagne „Gesicht zeigen“.<br />
• Informationsveranstaltungen zum Thema Rechtsradikalismus (Strukturen in Hessen, Ausstiegs-<br />
programme, Umgang mit dem Holocaust in multikulturellen Klassen).<br />
• Interreligiöse Veranstaltungen mit Schwerpunkt Islam.<br />
• Aktionstage gegen Rassismus im Stadtteil.<br />
• Ausstellungen und Lesungen zur Auseinandersetzung mit dem Thema Antiziganismus.<br />
Projekte mit Jugendlichen:<br />
• Projekte des Theaterlabors mit Jugendlichen zur Erprobung und Aufführung von interaktiven Stücken.<br />
• Schulprojekte zum Besuch von Zentren und Begegnungsstätten zum Thema Antisemitismus und<br />
Antiziganismus.<br />
• Schulprojekte zum gewaltfreien Umgang miteinander und zum interkulturellen Lernen.<br />
• Aufführung einer Multimedia-Animation in Jugendveranstaltungen, die jugendgerecht gegen Gewalt<br />
und Rassismus aufruft.<br />
• Soccer-Mega-Nights im Rahmen des Aktionsprogramms „Anstoß“.<br />
• Fußballturnier „Tore für Toleranz“ in multikulturellen Stadtteilen.<br />
• Fußball- oder Ringerturniere eines Sportvereins gegen Fremdenfeindlichkeit unter Beteiligung<br />
von Jugendlichen aus anderen europäischen Städten.<br />
Projekte der AG „Aktion Weltoffenes <strong>Darmstadt</strong>“ in 2008, insgesamt gefördert mit 31.670,20 €:<br />
Projektträger Projekttitel<br />
Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge Schulprojekt gegen Krieg und Gewalt / Lernort Gedenkstätten<br />
Förderverein für Demokratie und Menschlichkeit,<br />
gegen Rassismus<br />
DVD-Projekt zur Erinnerungskultur<br />
Theaterlabor Verlängerung des KICK-Projekts<br />
Theaterlabor „Steht auf wenn ihr für x seid...“<br />
Stadtteilschule Arheilgen Leben in Vielfalt – Erlebnispädagogisches Projekt<br />
Evangelisches Dekanat <strong>Darmstadt</strong> Friedensmarsch und Friedensgebet<br />
Projektgruppe Open Air am Steinbrücker Teich Rahmenprogramm für das Open Air Festival<br />
Werkhof <strong>Darmstadt</strong> Interkulturelle Identität Radio gegen Rassismus<br />
Vorbereitungsgruppe der Interkulturellen Wochen Interkulturelle Wochen<br />
Hoffart / Edith-Stein-Schule Theaterstück Aicha<br />
Evangelisches Dekanat <strong>Darmstadt</strong> Gedenken am Mahnmal für die Orthodoxe Synagoge<br />
67
Projekte der AG „Aktion Weltoffenes <strong>Darmstadt</strong>“ in 2009:<br />
68<br />
Projektträger Projekttitel<br />
Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge Schulprojekt gegen Krieg und Gewalt /<br />
Lernort Gedenkstätten<br />
Religionsgemeinschaften und für den Frieden in der Welt Friedensmarsch Friedensgebet der Religionen<br />
Theaterlabor <strong>Darmstadt</strong> Träume Dein Morgen<br />
Vorbereitungsgruppe der Interkulturellen Wochen Interkulturelle Wochen<br />
Miteinander Leben e.V. Martinsviertler Tage gegen Rassismus 2009<br />
Projektgruppe Open Air am Steinbrücker Teich Rahmenprogramm für das Open Air Festival<br />
Theaterlabor <strong>Darmstadt</strong> Der Kick<br />
DGB-Jugend / StadtschülerInnenrat Rock gegen Rechts<br />
Verband Deutscher Sinti und Roma Deutsches Romanes im offenen Kanal<br />
Theaterlabor <strong>Darmstadt</strong> Heimat fremde Heimat<br />
Insgesamt wurden Projekte in Höhe von 27.227,26 € bewilligt<br />
Gedenkkultur<br />
Die Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus bzw. dessen Zurückdrängung hat in <strong>Darmstadt</strong><br />
seit den frühen 1990er Jahren Tradition. Es entwickelte sich eine „Gedenkkultur“ nicht zuletzt auch<br />
gegenüber den Gruppen, derer lange Zeit nicht gedacht wurde, obwohl sie Opfer der nationalsozialistischen<br />
rassistischen Verfolgung waren. Als erste Stadt in Hessen stellte der Magistrat Mittel für eine<br />
Dokumentation der lokalen Verfolgung der Sinti und Roma sowie für ein zu errichtendes Mahnmal zur<br />
Verfügung. Dieses steht vor der Volkshochschule.<br />
Mit der finanziellen Unterstützung des Mahnmals „Denkzeichen Güterbahnhof“ wurde diese Tradition<br />
fortgesetzt wie auch mit der Unterstützung der Finanzierung verschiedener Ausstellungen zur Aufklärung<br />
über den Nationalsozialismus, die auch in einigen Darmstädter Schulen gezeigt wurden, wie im<br />
Jahre 2004 die Ausstellung „Hornhaut auf der Seele – Die Geschichte zur Verfolgung der Sinti und<br />
Roma in Hessen“. Diese Ausstellung wurde 2010 noch zweimal präsentiert.<br />
Seit 2005 werden in <strong>Darmstadt</strong> Stolpersteine verlegt, mit denen an Menschen erinnert wird, die während<br />
der Zeit des Nationalsozialismus Opfer von Verfolgung, Vertreibung und Vernichtung wurden. Das Kulturamt<br />
der Wissenschaftsstadt <strong>Darmstadt</strong> organisiert die Patenschaften und ist an der Finanzierung der<br />
Verlegungen beteiligt.<br />
Der Arbeitskreis Stolpersteine <strong>Darmstadt</strong> arbeitet seit 2009 eng mit dem Kulturamt zusammen, er<br />
recherchiert Biografien und trägt diese während der Verlegungen vor. Zurzeit liegen in <strong>Darmstadt</strong> 168<br />
solcher Gedenksteine. Die Verlegeorte können auf dem interaktiven Stadtplan der Homepage der Stadt<br />
<strong>Darmstadt</strong> nachgesehen werden.<br />
Verknüpfung der Maßnahmen für Integration und gesellschaftliche Öffnung<br />
In <strong>Darmstadt</strong> existiert eine relativ entwickelte Institutionalisierung der Arbeit im Bereich Integration und<br />
gesellschaftliche Öffnung.<br />
Charakteristisch für <strong>Darmstadt</strong> ist, dass die Stadt dem Interkulturellen <strong>Büro</strong> neben den Aufgaben der<br />
Integration der Zugewanderten auch die Koordinierung der Aktivitäten gegen Rechtsextremismus und<br />
Fremdenfeindlichkeit und der AG „Aktion Weltoffenes <strong>Darmstadt</strong>“ übertragen hat.<br />
In <strong>Darmstadt</strong> existiert auch eine starke demokratische Tradition innerhalb der jugendkulturellen Szenen.<br />
In zahlreichen Veranstaltungen wurden die Logos oder Videoclips der Arbeitsgruppe „Aktion Weltoffenes<br />
<strong>Darmstadt</strong>“ gezeigt.
Für die zahlreichen weiteren Aktivitäten im Bereich Antirassismus sei exemplarisch die kurzfristig organisierte<br />
Demonstration nach dem Konzert der Neonazis in Griesheim in 2006 genannt, auf der neben<br />
politischen Parteien der Darmstädter Stadtverordnetenversammlung auch Initiativen und Gruppen aus<br />
der Antifa-Szene und den jugendkulturellen Szenen teilgenommen haben.<br />
Im Rahmen des Wettbewerbs „Aktiv für Demokratie und Toleranz 2004“ hat die Wissenschaftsstadt<br />
<strong>Darmstadt</strong> einen Ehrenpreis erhalten.<br />
Im Jahr 2008 wurde die Wissenschaftsstadt <strong>Darmstadt</strong> als „Ort der Vielfalt“ ausgezeichnet.<br />
Der Lokale Aktionsplan (LAP) und seine Gremien<br />
Ende des Jahres 2006 erfolgte die Anweisung des Magistrats der Wissenschaftsstadt <strong>Darmstadt</strong> zur<br />
Teilnahme an dem Programm „Jugend für Vielfalt, Toleranz und Demokratie – gegen Rechtsextremismus,<br />
Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus“ des Bundesministeriums BMFSFJ. Das Interkulturelle <strong>Büro</strong>,<br />
als federführende Stelle der Stadtverwaltung, bereitete mit einer Unterarbeitsgruppe der AG „Aktion<br />
Weltoffenes <strong>Darmstadt</strong>“ zunächst die Interessenbekundung und dann den Antrag vor. Als externe Koordinierungsstelle<br />
wurde der Förderverein „Zentrum für Demokratie und Menschlichkeit, gegen Rassismus<br />
e.V.“ bestimmt.<br />
Unter Beteiligung eines externen Coaches zur Begleitung der Antragsstellung und der ersten Phase der<br />
Projektimplementierung sowie der externen Koordinierungsstelle wurde vom Interkulturellen <strong>Büro</strong> eine<br />
Steuerungsgruppe für den „Lokalen Aktionsplan“ eingerichtet.<br />
Der Begleitausschuss besteht aus den Vertreterinnen und Vertretern der AG „Aktion Weltoffenes <strong>Darmstadt</strong>“<br />
sowie aus fünf Vertreterinnen und Vertretern des Ämternetzwerks und drei weiteren, aus für Jugendliche<br />
relevanten, Gruppen. Mit dem Jugendforum, einem offenen „Parlament“ für nicht organisierte<br />
Jugendliche, gibt es neben dem Jugendring und dem Stadtschülerrat eine dritte Jugendvertretung. Im<br />
Mädchen- und Jungenarbeitskreis sind sozialpädagogische Fachkräfte vertreten. Sie werden neben dem<br />
Frauenbüro die Umsetzung des Gender Mainstreaming begleiten.<br />
Folgende Institutionen sind im Begleitausschuss vertreten:<br />
DGB-Jugend, Jugendring, Mädchenarbeitskreis, Jungenarbeitskreis, StadtschülerInnenrat, Jugendforum,<br />
katholische und evangelische Kirche, Jüdische Gemeinde, Verband Deutscher Sinti und Roma, Runder<br />
Tisch Antirassismus, Ausländerbeirat, Migrantenvereine, mehrere Schulen, Fraktionen der Parteien in<br />
der Stadtverordnetenversammlung, Jugendamt (Abteilung Jugendförderung), Amt für Familie, Kinderbetreuung<br />
und Sport (Sportberatungsstelle), Frauenbüro, Kulturamt und <strong>Interkulturelles</strong> <strong>Büro</strong>.<br />
Der Begleitausschuss hat sich im August 2007 konstituiert, eine Geschäftsordnung gegeben und hat<br />
Kriterien für das Auswahlverfahren der Einzelprojekte festgelegt.<br />
Das Ämternetzwerk besteht aus fünf Ämtern der Stadtverwaltung <strong>Darmstadt</strong>: dem Jugendamt (Abteilung<br />
Jugendförderung), dem Amt für Familie, Kinderbetreuung und Sport, dem Frauenbüro, dem<br />
Kulturamt und dem Interkulturellen <strong>Büro</strong>.<br />
Somit sind auf der Ämterebene die Zuständigkeit für die Zielgruppen Mädchen und Jugend, Sportjugend,<br />
Fans, Migrantinnen und Migranten sowie die Organisationen der Zielgruppen und die Multiplikatorinnen<br />
und Multiplikatoren, die mit ihnen arbeiten, abgedeckt. Über das Jugendamt (Jugendförderung)<br />
können auch nicht organisierte Jugendliche im außerschulischen Bereich über die Jugendzentren<br />
erreicht werden. Die Federführung obliegt dem Interkulturellen <strong>Büro</strong>.<br />
69
Ziele des Lokalen Aktionsplans<br />
Für den LAP wurden drei Leitziele mit zugeordneten Mittlerzielen festgelegt:<br />
1. Leitziel: Stärkung demokratischer Persönlichkeitsstrukturen und sozialer Kompetenzen im Umgang<br />
mit Vielfalt mit den Mittlerzielen:<br />
• Aneignung von demokratischen Werten und Ausweitung der Menschenrechtsbildung.<br />
• Entwicklung von gewaltminimierenden Problemlösungsstrategien vor dem Hintergrund der Reflexion<br />
über eigene Ausgrenzungserfahrungen und Vorurteile.<br />
• Sensibilisierung gegen abwertende Bilder über andere Gruppen.<br />
• Sensibilisierung für interkulturelle und interreligiöse Aspekte und Auseinandersetzung mit dem<br />
religiösen Fanatismus.<br />
2. Leitziel: Stärkung der demokratischen Kultur der Stadtgesellschaft mit den Mittlerzielen:<br />
• Kompetenzentwicklung für zivilen Umgang mit interethnischen Konflikten.<br />
• Erkundung des Gefährdungspotentials durch rechtsextreme Einflüsse aus dem Umland.<br />
• Anerkennung von demokratischem Handeln und von Zivilcourage durch die Stadtgesellschaft.<br />
3. Leitziel: Erweiterung der Akteure und Stärkung der Vernetzung mit den Mittlerzielen:<br />
• Bekanntmachung und offensive Vertretung der Ziele des „Lokalen Aktionsplans“ in der<br />
Stadtöffentlichkeit.<br />
• Demokratische Aktivierung und Partizipation von bisher in geringerem Maße einbezogenen Personen,<br />
Gruppen und Vereinen.<br />
Zielgruppen des Lokalen Aktionsplans<br />
• Kinder in Kindergärten bzw. Grundschulen<br />
• Jugendliche (im schulischen und außerschulischen Bereich):<br />
• Schülerinnen und Schüler<br />
• Berufsschülerinnen und -schüler<br />
• nicht organisierte Mädchen und Jungen<br />
• Mädchen und Jungen mit Migrationshintergrund<br />
• Fans<br />
• Mädchen und Jungen in Sportvereinen<br />
• religiöse Jugendgruppen<br />
Bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund ist es besonders wichtig, dass Kulturalismus vermieden<br />
und die Jugendlichen nicht auf eine vermeintliche Herkunftsidentität festgelegt werden. Vielmehr sollen<br />
gemischt-kulturelle Prozesse in der Identitätsfindung unterstützt werden.<br />
Multiplikatorinnen und Multiplikatoren<br />
• Lehrkräfte, insbesondere in Berufsschulen sowie in Haupt- und Realschulen mit hohem Anteil<br />
von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund<br />
• Ausbilderinnen und Ausbilder<br />
• Schulsozialarbeiterinnen und -sozialarbeiter<br />
• Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen, insbesondere in der Kinder- und Jugendarbeit<br />
• Erzieherinnen und Erzieher<br />
• Studierende der Fachrichtungen Lehramt und Sozialpädagogik<br />
• Fans mit Multiplikatorenfunktion<br />
• Trainerinnen und Trainer / Funktionäre und Funktionärinnen in Sportvereinen<br />
• Funktionsträgerinnen und -träger in Religionsgemeinschaften<br />
In allen Institutionen sind Leitungskräfte besonders anzusprechen.<br />
70
Eltern<br />
• Väter und Mütter (allgemein)<br />
• Väter und Mütter mit Migrationshintergrund<br />
Stadtgesellschaft<br />
• Medien<br />
• Parteien<br />
• Unternehmerverbände und Gewerkschaften<br />
• freie Träger der Sozialen Arbeit<br />
• Vereine<br />
• Religionsgemeinschaften<br />
Ablauf des Lokalen Aktionsplans<br />
Mit einer Magistratsvorlage wurde die Grundlage geschaffen, den Begleitausschuss einzurichten, der<br />
sich im August 2007 konstituiert hat. Die federführende Stelle der Stadtverwaltung für den Lokalen<br />
Aktionsplan, das Interkulturelle <strong>Büro</strong>, hatte öffentlich dazu aufgerufen, Projektvorschläge einzureichen.<br />
Die Schirmherrschaft über den LAP hat der frühere Stadtrat für Soziales, Jugend, Frauen, ältere Menschen,<br />
Wohnen, Gesundheit und <strong>Interkulturelles</strong>, und jetzige Oberbürgermeister Jochen Partsch übernommen.<br />
In der ersten Zeit erstreckte sich die Arbeit der Koordinierungsstelle insbesondere auf die Beratung und<br />
Unterstützung der Antragstellerinnen und -steller von Projekten und die Vorbereitung der Begleitausschusssitzungen.<br />
Der Begleitausschuss beschloss sowohl eine Geschäftsordnung als auch Kriterien für die Förderung von<br />
Projekten, die sich aus den Erfahrungen mit der Förderpraxis der AG „Aktion Weltoffenes <strong>Darmstadt</strong>“<br />
ableiten. Er berief eine Arbeitsgruppe aus zivilgesellschaftlichen Akteuren und dem Ämternetzwerk ein,<br />
die Förderentscheidungen vorbereitete. Der Begleitausschuss wählte auf der Grundlage der Empfehlungen<br />
der Arbeitsgruppe die innovativen Projekte aus.<br />
Anschließend wurden der LAP und die Projekte der ersten Förderphase mit einer Auftaktveranstaltung<br />
der Öffentlichkeit vorgestellt.<br />
Ein weiterer Höhepunkt wurde die Veranstaltung zur Preisverleihung „Gesicht zeigen“ während der<br />
Internationalen Woche gegen Rassismus 2008, bei der auch Zwischenergebnisse aus dem LAP präsentiert<br />
wurden.<br />
Durch die Verlängerung der ersten Förderperiode bis Ende 2008 wurde die Berücksichtigung weiterer<br />
Projekte für die Förderung möglich. Nach dem gleichen Verfahren wählte der Begleitausschuss neue<br />
Projekte aus und bestätigte die Verlängerung laufender Projekte.<br />
Die Erfahrungen der ersten Förderperiode 2007 – 2008 wurden bei einem Auswertungstreffen diskutiert,<br />
die Ergebnisse im Begleitausschuss bestätigt, und auf dieser Grundlage der LAP für 2009 fortgeschrieben.<br />
Die Projektergebnisse, insbesondere diejenigen der Theaterprojekte, wurden auf einer Abschlussveranstaltung<br />
mit einer Werkschau und Evaluation der Öffentlichkeit vorgestellt.<br />
Am Ende der Gesamtförderperiode wurden die Erfahrungen des LAP aufgearbeitet und Schlussfolgerungen<br />
dahin gehend gezogen, wie Kontinuität und Nachhaltigkeit durch die Arbeitsgruppe gesichert<br />
werden könnten.<br />
71
Projekte des Lokalen Aktionsplans<br />
Abgeschlossene Projekte des Lokalen Aktionsplans (2007 – 2008):<br />
Projektträger Projekttitel<br />
Akademie 55plus <strong>Darmstadt</strong> e.V. Heimat, fremde Heimat .<br />
Theaterprojekt unter Beteiligung von älteren Menschen<br />
und Jugendlichen aus Migrantenfamilien<br />
72<br />
Landesverband Deutscher Sinti und Roma „Zigeuner“bilder bei Multiplikatoren und Pädagogen<br />
DGB-Jugend Vielfalt leben! – Respekt ist unser Thema.<br />
Projekttage zu den Themen Identität, Rechtsextremismus,<br />
Zivilcourage und Menschenrechte<br />
Netzwerk ROPE e.V. Schule und Jugendarbeit gegen (neuen) Antisemitismus<br />
Kinder- und Jugendarbeit im Johannesviertel e.V. „Ich bin wie Du“<br />
Förderverein Heinrich-Emanuel-Merck-Schule e.V. Spurensuche – Zug der Erinnerung<br />
Freie Szene <strong>Darmstadt</strong> e.V. / Theater Lakritz Frühförderung von Integration und sozialer Kompetenz<br />
durch theaterpädagogische Projektarbeit<br />
CISV Junioren Kommunikations- und Informationstag<br />
zum Internationalen Tag des Friedens<br />
Freie Szene <strong>Darmstadt</strong> / die stromer Titel: Theater gegen Gewalt und Ausländerfeindlichkeit<br />
Miteinander leben e.V. Martinsviertler Tage gegen Rassismus und rechte Gewalt<br />
Freundeskreis Albert-Schweitzer-Haus e.V. Seminare für Multiplikatoren der Kinder- und Jugendarbeit<br />
Internationaler Bund (IB) Fanprojekt<br />
Nachbarschaftsverein Eberstadt-Süd e.V. Meine Grenzen – Deine Grenzen.<br />
Förderung von Sozialintegration und Toleranz<br />
Sozialkritischer Arbeitskreis <strong>Darmstadt</strong> e.V. Internet-Plattform gegen Rechtsextremismus<br />
Sozialkritischer Arbeitskreis <strong>Darmstadt</strong> e.V. Mission Toleranz<br />
Transittheater Forum e.V. „Eigen und Befremdlich“ – vom Umgang mit Vorurteilen,<br />
Gerüchten und Feindbildern<br />
DGB-Jugend / StadtschülerInnnenrat Rock gegen rechts<br />
Freie Szene und Praxis-Labor (TU-<strong>Darmstadt</strong>) Theaterwerkschau und Evaluierung<br />
Evangelische Kirche – Stadtjugendpfarramt „Eine Heimat finden“<br />
Förderverein Zentrum für Demokratie und<br />
Menschlichkeit, gegen Rassismus e.V.<br />
Koordinierungsstelle<br />
Die Förderung betrug insgesamt 185.000,00 € Bundesmittel für 2007/08<br />
(keine städtische Ko-Finanzierung).
Abgeschlossene Projekte des Lokalen Aktionsplans (LAP) für 2009:<br />
Projektträger Projekttitel<br />
Jüdische Gemeinde Ausstellungsrecherche / -begleitung<br />
Verband Deutscher Sinti und Roma Medienkoffer für Schule/ Unterricht: Antiziganismus<br />
Freundeskreis Albert-Schweitzer-Haus e.V. Projekttage mit Grundschülerinnen und -schülern<br />
Kinder- und Jugendarbeit im Johannesviertel e.V. Tanzprojekt<br />
Netzwerk ROPE e.V. Menschenrechtserziehung in der Grundschule<br />
Theatermacher e.V. Erzählprojekt in der Grundschule<br />
Freie Szene <strong>Darmstadt</strong> e.V. / Theater Lakritz Theaterprojekt Grundschule<br />
HoffArt e.V. Rattenfänger<br />
Förderverein Zentrum für Demokratie und Menschlichkeit,<br />
gegen Rassismus e.V.<br />
Koordinierungsstelle<br />
Insgesamt 89.000,00 € Bundesmittel für 2009 (keine städtische Ko-Finanzierung) wurden bewilligt.<br />
Im Laufe des Jahres 2009 erfolgte für die Bereiche „Recherche über die Einflussnahme der rechten<br />
Jugendszenen aus dem Umfeld in <strong>Darmstadt</strong>“ und „Nachhaltigkeit der Schul- und Kita-Projekte“ eine<br />
weitere Ausschreibung im Umfang von 11.000,00 €.<br />
Abgeschlossene Projekte des Lokalen Aktionsplans (LAP) für 2010:<br />
Projektträger Projekttitel<br />
Kulturzentrum der Aleviten Mentoring und demokratische Beteiligung im Betrieb<br />
Dialog e.V. Musik statt Gewalt<br />
Verband Deutscher Sinti und Roma, LV Hessen Antiziganismus als Thema in der offenen Jugendarbeit<br />
SKA e.V. Sport für Vielfalt und Toleranz<br />
Theatermacher e.V. Erzählen von Märchen in der Grundschule<br />
Sportkreis 33 Kein Platz für Rassismus im Sport<br />
Darmstädter Kreis für Berufliche Bildung (DKBB), Jüdische Berufsschule in <strong>Darmstadt</strong><br />
Förderverein der Heinrich-Emanuel-Merck-Schule (Filmprojekt + Ausstellung)<br />
Gegen Vergessen – Für Demokratie e.V. Anne Frank Ausstellung<br />
LAP Aktionswoche im „Lokalen Aktionsplan“<br />
Insgesamt 91.000,00 € Bundesmittel für 2010 (keine städtische Ko-Finanzierung) wurden bewilligt.<br />
Der Lokale Aktionsplan 2011 – 2013<br />
Im November 2010 hat das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zur Einreichung<br />
von Interessenbekundungen im Rahmen des Bundesprogramms „Toleranz fördern – Kompetenz<br />
stärken“ im Programmbereich „Entwicklung integrierter lokaler Strategien“ aufgerufen. Die Wissenschaftsstadt<br />
<strong>Darmstadt</strong> hat nach Einreichung der Interessenbekundung die Zusage für eine weitere<br />
Förderung zur „Entwicklung, Implementierung und Umsetzung integrierter lokaler Strategien“ für die<br />
Jahre 2011 – 2013 erhalten. In diesem Zeitraum werden – entsprechend dem Beschluss des Begleitausschusses<br />
des LAP – folgende Schwerpunkte gefördert:<br />
73
• Unterstützung der Ausstellung „Hornhaut auf der Seele – Geschichte der Verfolgung der Sinti und<br />
Roma“ zur Dauerausstellung, mit dem weiterführenden Ziel, nicht nur über den Antiziganismus zu<br />
informieren und aufzuklären, sondern allgemein eine antirassistische Bildungsarbeit in eigenen<br />
Räumlichkeiten zu etablieren unter Beibehaltung des ersten Schwerpunkts.<br />
• Unterstützung von Projekten der MSOs unter dem Motto „Erziehung zur Demokratie“, die nieder-<br />
schwellig Multiplikatorinnen und Multiplikatoren, auch Eltern, an die antirassistische, demokratie-<br />
fördernde Bildungsarbeit heranführen, um diesen auch politische Partizipationsmöglichkeiten<br />
aufzuzeigen.<br />
8. Bürgerschaftliches Engagement:<br />
Integrationsbegleiterinnen und -begleiter<br />
Menschen, die neu nach Deutschland kommen, brauchen während ihres Integrationsprozesses parallel<br />
zu den Sprachkursen ergänzende Angebote, wie Beratung und Begleitung, die ihnen Orientierung bieten.<br />
Um diesem Bedarf Rechnung zu tragen, hat das Interkulturelle <strong>Büro</strong> in den Jahren 2008 und 2009 das<br />
Projekt „Integration braucht Partnerschaft“ durchgeführt.<br />
Bei diesem Projekt wurde ein Netzwerk von einheimischen ehrenamtlichen Integrationspartnerinnen<br />
und -partnern für die Begleitung und Unterstützung von neu zugewanderten und bereits hier ansässigen<br />
Migrantinnen und Migranten aufgebaut.<br />
Bei diesem Modellprojekt wurde besonders die soziale Integration unterstützt. Dazu gehört wesentlich<br />
die Entwicklung von sozialen Kontakten und Beziehungen zu Einheimischen, zu Nachbarinnen und<br />
Nachbarn, Kolleginnen und Kollegen aber auch zu Mitgliedern von Vereinen und Organisationen im<br />
Freizeitbereich.<br />
Die Integrationsbegleiterinnen und -begleiter arbeiteten für die Dauer von ca. sechs Monaten mit<br />
einer/m oder zwei Zugewanderten. Sie trafen sich ein bis zwei Mal in der Woche mit ihnen. Dabei handelte<br />
es sich um Neuzugewanderte, die mindestens seit drei Monaten einen Integrationskurs besuchten.<br />
Die Integrationsbegleiterinnen und -begleiter<br />
• trainierten mit ihnen Kommunikation in unterschiedlichen Alltagssituationen, stellten ihnen wichtige<br />
Behörden und Einrichtungen (insbesondere die Migrationsberatungsstellen), Vereine und andere<br />
Organisationen im Stadtteil und im Stadtgebiet vor, erläuterten deren Aktivitäten und gesellschaftliche<br />
Rolle,<br />
• begleiteten sie bei Bedarf zu Behörden,<br />
• besuchten mit ihnen gemeinsam Veranstaltungen und Feste,<br />
• führten sie in das soziale und kulturelle Leben im Stadtteil ein und verhalfen ihnen zu Kontakten<br />
mit Vereinen oder Gruppen vor Ort,<br />
• halfen ihnen, Kontakte zu den Nachbarn zu knüpfen bzw. diese zu vertiefen,<br />
• gewährten Einblick in ihren Alltag und ihre Interessen und erleichterten so, über ihr persönliches<br />
Beispiel, das Kennenlernen der neuen Gesellschaft.<br />
Das Ziel war, neben der Vermittlung von Sachinformationen, das Trainieren der interkulturellen Kommunikation<br />
sowie die Entwicklung eines gemeinsamen Verständnisses der Aufgaben.<br />
74
Wissensvermittlung<br />
• Einführung in die Migrationsgeschichte und Migrationssoziologie,<br />
• kurze Informationen über das Zuwanderungsgesetz (Ausgangspunkt, Annahmen und Ziele),<br />
über Integrationskurse und Migrationsberatung.<br />
<strong>Interkulturelles</strong> Training<br />
• Grundlagen der Kommunikation und interkulturellen Kommunikation,<br />
• mögliche Fallstricke der interkulturellen Kommunikation,<br />
• Übungen und Rollenspiele dazu.<br />
Projekteinführung<br />
• Faktoren des Gelingens für das Zusammenleben von Menschen mit unterschiedlichen kulturellen<br />
Prägungen bzw. sozialen und religiösen Hintergründen,<br />
• Aufgaben der Integrationsbegleiterinnen und -begleiter,<br />
• methodische Hinweise,<br />
• eigene Motivation, eigene Grenzen und Möglichkeiten.<br />
Das Projekt wurde beim Träger „Paritätische Projekte gGmbH“ angesiedelt, die praktische Umsetzung<br />
lief über das Interkulturelle <strong>Büro</strong>. Die Projektkoordination war die Anlaufstelle für alle Beteiligten und<br />
lud zu regelmäßigen Gesprächen (alle 4 – 6 Wochen) zur Praxisreflexion ein. Aufgrund der Erwartungen<br />
der Integrationsbegleiterinnen und -begleiter sowie der interessierten Zugewanderten, stellte die Projektkoordination<br />
passende Zweiergruppen zusammen.<br />
Im Laufe der zwei Jahre, 2008 und 2009, wurden ca. 40 Integrationsbegleiterinnen und -begleiter in<br />
drei Etappen fortgebildet und eingesetzt.<br />
75
III.b. Weitere Integrationsmaßnahmen<br />
der Wissenschaftsstadt <strong>Darmstadt</strong><br />
Jugendamt, Abteilung Kinderbetreuung<br />
Sprachförderung in den städtischen Kindertagesstätten<br />
Die Sprachentwicklung eines jeden Kindes ist ein komplexer Prozess, bei dem das Kind während der<br />
gesamten Kindheit Anregungen und Unterstützung braucht. Der Sprachgebrauch sowie das Bildungsniveau<br />
in der Familie haben dabei einen großen Einfluss auf den Spracherwerb des Kindes. Kinder mit<br />
geringer sprachlicher Anregung im Elternhaus sind in ihrer Sprachentwicklung häufig benachteiligt und<br />
brauchen in den außerfamiliären Bildungsorten vielfältige sprachliche Lernanregungen. Auch Kinder,<br />
die der deutschen Sprache erst in der Kinderbetreuungseinrichtung begegnen, brauchen zusätzliche<br />
Unterstützung beim Zweitspracherwerb. Hier kommt den vorschulischen Bildungsorten – den Kindertagesstätten<br />
– eine besondere Bedeutung zu. Die hohe Sprachlernfähigkeit der Kinder in dieser Altersspanne<br />
erleichtert es, sie spielerisch mit der Regelhaftigkeit der deutschen Sprache vertraut zu machen.<br />
Die Wissenschaftsstadt <strong>Darmstadt</strong> ist sich dieser Verpflichtung und besonderen Verantwortung bewusst<br />
und beteiligt sich seit dem Jahr 2002 an dem Landesprogramm „Sprachförderung im Kindergartenalter“.<br />
Mit diesem Programm werden Sprachförderangebote für Kinder ohne ausreichende Deutschkenntnisse<br />
sowie Fortbildungen für Fachkräfte im Kindertagesstättenbereich gefördert.<br />
Die Höhe des Landeszuschusses setzt sich aus einem Festbetrag von 1,25 € pro Kind und Förderstunde<br />
sowie Fortbildungsfestbeträgen von 75,00 € für eintägige und 150,00 € für zweitägige Fortbildungen<br />
pro Fachkraft zusammen.<br />
Im Jahr 2010 betrug der Landesfestbetrag für die Kinderförderung 71.100,00 € und der Fortbildungsetat<br />
16.500,00 €.<br />
Die Stadt beteiligt sich mit einer jährlichen Komplementärfinanzierung von 45.000,00 €.<br />
Im Bereich der städtischen Kindertagesstätten werden von insgesamt 1.213 Kinder mittlerweile 384<br />
Kinder in 15 Einrichtungen in Kleingruppen je 4 Stunden die Woche über das Landesprogramm gefördert.<br />
Dies geschieht in Zusammenarbeit mit Zusatzfachkräften der Bildungswerkstatt Europa.<br />
Jährlich werden von der Fachabteilung „Kinderbetreuung“ Fortbildungen und Fachtage im Bereich der<br />
Sprachförderung angeboten. Der hohe Zuspruch der pädagogischen Fachkräfte macht den Bedarf und<br />
den hohen Stellenwert in den städtischen Kindertagesstätten deutlich.<br />
Der größte Teil der Fördergelder geht an die Bildungswerkstatt Europa e.V., die die Kleingruppensprachförderung,<br />
die das Landesprogramm vorschreibt, in den Einrichtungen durchführt, dokumentiert<br />
und abrechnet. Sie ist neben der Durchführung der Kleingruppenarbeit auch zuständig für die fachliche<br />
Begleitung und Koordination des Projekts.<br />
Sprachförderung wird in den städtischen Einrichtungen, bedingt durch den Bedarf der einzelnen Kinder,<br />
auch außerhalb geförderter Programme angeboten. Sprachförderung ist ein konzeptioneller Baustein<br />
im Alltag jeder Kindertagesstätte. So gehören zum Beispiel das Anschauen von Bilderbüchern, Erzählkreise,<br />
Reime und Lieder zu der täglichen sprachlichen Förderung. Mit Projektbausteinen nach Elke<br />
Schlösser wird Wortschatzerweiterung gefördert. In den letzten Jahren wurden die meisten städtischen<br />
Einrichtungen mit dem Programm „Schlaumäuse“ ausgestattet, das die Wortschatzerweiterung fördert<br />
sowie den Schriftspracherwerb vorbereitet.<br />
Einzelne Einrichtungen haben sich für die Sprachförderung mit dem von Dr. Zvi Penner entwickelten<br />
Programm entschieden.<br />
Hier werden die Kindertagesstätten Am See und das Kinderhaus Wirbelwind erwähnt. Die Kindertagesstätte<br />
Am See führt seit 2004 täglich mit 110 Kindern Sprachförderung mit dem Programm Kon-Lab<br />
76
und Lex-Pak durch und hat dieses schwerpunktmäßig konzeptionell verankert. Das Kinderhaus Wirbelwind<br />
arbeitet seit 2009 mit diesem Programm, sowohl im Kindergarten als auch im Hortbereich. Diese<br />
Einrichtungen erhalten keine zusätzliche Förderung über das Landesprogramm.<br />
Das Sprachförderprogramm von Dr. Penner und die Ergebnisse seiner Forschungen im Bereich des<br />
Spracherwerbs bei Kindern hat das Fachamt bewogen, in den städtischen Kindertagesstätten dieses<br />
Sprachförderprogramm zu verankern.<br />
Im Jahr 2009 haben zahlreiche Schulungen in den verschiedenen Bausteinen des Programms stattgefunden,<br />
an denen Fachkräfte aus verschiedenen Einrichtungen teilgenommen haben, aber auch<br />
gesamte Teams. Zum Teil wurden die Schulungen auch für Kolleginnen der konfessionellen und freien<br />
Träger geöffnet, sofern Plätze frei waren.<br />
Die Fortbildungen werden von der Fachabteilung Kinderbetreuung organisiert und koordiniert.<br />
Parallel dazu wurde ein Qualitätssicherungsverfahren eingeleitet. Die Leitungen der Einrichtungen sowie<br />
die Fachkräfte, die in der Kleingruppensprachförderung tätig sind, treffen sich regelmäßig in zwei Qualitätszirkeln,<br />
um sich auszutauschen und die Arbeit mit dem Sprachförderprogramm zu strukturieren<br />
und zu optimieren.<br />
Der Qualitätszirkel für die Fachkräfte, der sechs Mal im Jahr stattfindet, wurde im Jahr 2010 von einer<br />
Sprachheilpädagogin theoretisch begleitet. Mit ihr wurde die Implementierung der Sprachförderung in<br />
den Alltag der pädagogischen Arbeit mit den Kindern konzipiert.<br />
Seit 2011 ist diese Form der Sprachförderung in den Kindergartenalltag der Einrichtungen integriert<br />
und gehört zu dem Arbeitsauftrag jeder Fachkraft.<br />
Dieser Prozess wurde mit einem großen Fachtag am 4.3.2010 angestoßen.<br />
Mit einer Spende der Anne-Frank-Stiftung von 10.000,00 € wurden die Einrichtungen mit den Einsteigermaterialien<br />
des Sprachförderprogramms ausgestattet.<br />
In regelmäßigen Abständen werden auch die Eltern über die Sprachförderung in den Einrichtungen<br />
informiert. In einigen Einrichtungen werden Eltern auch aktiv in die Sprachförderung einbezogen. Beispiele<br />
dafür sind Eltern als Vorleser, Erzähler und Projektbetreuer bei Projekten rund um Themen der<br />
Migration. In mehreren Kitas haben Elterngesprächskreise zum Thema Erziehung und Bildung in der<br />
Kita stattgefunden.<br />
Kindertagesstätten im Programm 2011 mit 384 Kindern in der Intensivförderung sind:<br />
Kindertagesstätte Kinderinsel, Kita Wurzel, Kita Max-Ratschow-Weg 16, Kita Kurt-Schumacher-Straße 7,<br />
Kita Meißnerweg 23, Kita in der Martinstraße 140, Kita Selma-Lagerlöf-Haus, Kita Waldkolonie,<br />
Kita Kindervilla, Kita Strahringer Haus, Kita Koch’sches Haus, Rasp-Nuri-Haus, Kita An der Nachtweide,<br />
Kita Regenbogenland. Ein weiterer Ausbau ist geplant.<br />
Seit 1.7.2011 beteiligt sich die die Wissenschaftsstadt <strong>Darmstadt</strong> mit fünf Einrichtungen an der Bundesinitiative<br />
„Frühe-Chancen – Sprache und Integration“, deren Ziel ist, Kinder mit besonderem Sprachförderbedarf<br />
frühzeitig durch eine alltagsintegrierte Förderung zu unterstützen.<br />
Städtische Kindertagesstätten, die an dem Programm teilnehmen, sind:<br />
Kita Wurzel, Rasp-Nuri-Haus, Kita Regenbogenland, Kita Kinderwelt, Kita Pestalozzi-Haus.<br />
Sportamt, Abteilung Sport<br />
Integration im und durch Sport meint im Verständnis der Wissenschaftsstadt <strong>Darmstadt</strong> die Teilhabe<br />
von Menschen fremder Herkunft an und in Sportprozessen der Kommune.<br />
Neben Beratungsleistungen im aktuellen und zukunftsorientierten Sportgeschehen in <strong>Darmstadt</strong> spielen<br />
Entwicklungsprozesse in der Sportlandschaft eine für die Stadtentwicklung insgesamt bedeutende Rolle.<br />
Entsprechend wurde in den Jahren 2006 und 2007 in <strong>Darmstadt</strong> eine Sportentwicklungsstudie in einem<br />
kooperativen Planungsverfahren durchgeführt. Die Ergebnisse sind dokumentiert und in Handlungs-<br />
77
empfehlungen, die eine Expertengruppe – darunter auch Vertreter des Ausländerbeirates sowie des<br />
interkulturellen <strong>Büro</strong>s – im Verlauf der Studie erstellt hat, zusammengefasst. Die Stadtverordnetenversammlung<br />
hat die Umsetzung der Handlungsempfehlungen und Ende 2008 hierzu das Einsetzen einer<br />
dezernats- und organisationsübergreifenden Steuerungsgruppe beschlossen.<br />
Während viele der Handlungsempfehlungen Querschnittscharakter haben, also Situation und Bedürfnisse<br />
von Migrantinnen und Migranten immer mit Berücksichtigung finden sollen, wird explizit formuliert:<br />
„Damit der Sport die ihm zugesprochene Integrationsfunktion erfüllen kann, befürwortet die Planungsgruppe<br />
folgende Grundprämisse hinsichtlich der Sportangebote für Migranten: „Integration vor Separation“<br />
(z. B. Frauenschwimmen anstatt Schwimmen für muslimische Frauen; d. h. „Nebenangebote“<br />
so viele wie nötig). Insbesondere im Kindes- und Jugendalter sind gemeinsame Angebote für Migrant/<br />
innen und Deutsche zu unterbreiten. Daher sollte der Ansatz für Sport mit Migranten in der Schule<br />
gefunden werden (Zugriff/Schulpflicht). Bei Kooperationen zwischen Sportvereinen und Schulen (z. B.<br />
temporäre Projekte, AGs, Sportkurse) sind Angebote nur für Jungen bzw. nur für Mädchen anzubieten,<br />
um die Teilnahme zu erleichtern. In den Sportvereinen sind integrative Angebote meist dann erfolgreich,<br />
wenn es gelingt, die Eltern bzw. die Familie der Kinder in die Vereine einzubinden. Die Gewinnung<br />
und langfristige Bindung von Übungsleiter/-innen mit Migrationshintergrund ist zwar schwierig (erste<br />
Erfahrungen mit dem Projekt „Start“), stellt aber insgesamt den richtigen Ansatz dar.“<br />
Amt für Soziales und Prävention /<br />
Beratungs- und Servicezentrum für Ältere und Menschen mit Behinderung (BuS)<br />
Interkulturelle Öffnung der Altenhilfe – das interkulturelle Seniorenzentrum<br />
Im Bericht zur Altenhilfeplanung „Selbst bestimmt Älterwerden in <strong>Darmstadt</strong>“ bekennt sich die Wissenschaftsstadt<br />
<strong>Darmstadt</strong> zur offenen Altenhilfe und den damit verbundenen positiven Effekten für ältere<br />
Menschen. Unter anderem werden hervorgehoben:<br />
Verhinderung von Vereinsamung, Gestaltung des Übergangs Berufsleben – Ruhestand, Nutzung und<br />
Weitergabe von persönlichen Ressourcen, Gesundheitsförderung, Aufbau eines sozialen Netzwerks gegenseitiger<br />
Hilfen, Begleitung/Unterstützung in Krisensituation.<br />
„Seniorentreffs bieten älteren Menschen die Möglichkeit, sich mit Gleichgesinnten zu gemeinsamen<br />
Tun zu treffen. Gerade für Alleinstehende sind die regelmäßigen Begegnungen in einer Gruppe und die<br />
daraus resultierenden sozialen Kontakte ein wichtiger Faktor zur Förderung der Teilhabe am gesellschaft<br />
lichen Leben.“<br />
Als zentrale Voraussetzung für gelingende Integration im Sinne der Teilhabe von Migrantinnen und<br />
Migranten in allen gesellschaftlichen Bereichen und der Überwindung von struktureller Benachteiligung<br />
benennt die Wissenschaftsstadt <strong>Darmstadt</strong> die gegenseitige „Öffnung“ sowohl der Institutionen<br />
der Mehrheitsgesellschaft als auch der soziokulturellen Netzwerke von Migrantinnen und Migranten<br />
(Migranten-Communities). Deshalb wurde seitens des Sozialdezernates – Amt für Soziales und Prävention,<br />
<strong>Interkulturelles</strong> <strong>Büro</strong>, Frauenbüro – die Einrichtung des ersten interkulturellen Seniorenzentrums<br />
„Interkultureller Treffpunkt für ältere Menschen“ initiiert und dessen Entstehung begleitet. Zwei Vereine,<br />
Arbeiterwohlfahrt Nord e.V. und Magnolya e.V., mit sehr unterschiedlicher Ausrichtung der aktuellen<br />
Arbeit mit älteren Menschen, werden künftig ein gemeinsames Zentrum nutzen. Ziel ist, Begegnung zu<br />
ermöglichen und Gemeinsamkeiten zu schaffen. Gleichzeitig werden die Ziele und Inhalte der jeweiligen<br />
Vereine beibehalten.<br />
78
Weitere Angebote für ältere Migrantinnen und Migranten<br />
Im „Beratungs- und Servicezentrum für Ältere und Menschen mit Behinderung“ wurden im Jahr 2009<br />
insgesamt 1600 Beratungsgespräche mit Klientinnen und Klienten geführt. Insgesamt suchten 118<br />
Menschen mit Migrationshintergrund bzw. ausländischer Staatsangehörigkeit die Beratungsstelle auf.<br />
Davon gehörten den nachfolgenden Sprachgruppen an:<br />
33 kroatisch<br />
30 italienisch<br />
18 englisch<br />
10 marokkanisch<br />
8 russisch (+ ehemalige Sowjetunion)<br />
7 türkisch<br />
4 vietnamesisch<br />
3 slowenisch<br />
1 kurdisch<br />
1 Roma<br />
1 ungarisch<br />
1 chinesisch<br />
1 österreichisch<br />
Im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit wird seit Jahren auf das Angebot von BuS durch Broschüren in<br />
türkischer, arabischer und russischer Sprache hingewiesen.<br />
Im Frühjahr 2007 leisteten zwei Integrationsassistentinnen zeitgleich ein dreimonatiges Begleitpraktikum<br />
im Beratungs- und Servicezentrum für Ältere ab. Die Muttersprachlerinnen konnten die Beratungsarbeit<br />
durch Übersetzung in die türkische und russische Sprache unterstützen.<br />
Im Rahmen von zwei kleineren Projekten haben sie in ihren Communities in der jeweiligen Sprache über<br />
die Angebotspalette informiert.<br />
Offene Altenhilfe<br />
Im Rahmen des Seniorenprogramms werden die offenen Veranstaltungen (Konzerte, Fahrten) von<br />
Migrantinnen und Migranten gut besucht, vor allem von russisch sprechenden Personen. Die jährlich<br />
stattfindende ganztägige Schifffahrt wird besonders stark von Migrantinnen und Migranten genutzt.<br />
Von ca. 450 Teilnehmenden sind etwa 90 Personen mit Migrationshintergrund.<br />
<strong>Interkulturelles</strong> Angebot im Seniorenprogramm<br />
Bis Ende 2010 gab es ein kulturübergreifendes Bewegungsangebot für Frauen. Die türkische Kursleiterin<br />
bot im Frauenkommunikationszentrum Tanz und Bewegung nach orientalischen Klängen an. Das Angebot<br />
wurde von Migrantinnen wenig angenommen, sondern vorwiegend von deutschen Frauen genutzt,<br />
obwohl die Flyer in türkischer Sprache verfasst waren und von der Kursleiterin in den entsprechenden<br />
Gemeinden verteilt wurden. Das Angebot wurde vorübergehend ausgesetzt; eine neue Kursleitung wird<br />
gesucht.<br />
Im Seniorenprogramm 2011 wurde ein Bewegungsangebot im interkulturellen Seniorenzentrum „Interkultureller<br />
Treffpunkt für ältere Menschen“ angeboten.<br />
Seniorenerholung<br />
An der bis zum Jahr 2009 jährlich stattfindenden Seniorenerholung im Sommer, einem 14-tägigen Aufenthalt<br />
in Bad König/Odenwald, nahmen im Durchschnitt insgesamt 120 Seniorinnen und Senioren teil.<br />
Sie wären ohne diese städtische Unterstützung kaum in der Lage gewesen, auf eigene Kosten und allein<br />
Urlaub zu machen. Von den Teilnehmenden waren durchschnittlich 50 bis 60 Personen mit Migrationshintergrund.<br />
Sie konnten hier neue Kontakte und Bekanntschaften schließen.<br />
79
Die Weihnachtserholung (ebenfalls in Bad König) ist für ältere Menschen gedacht, die keine Angehörigen<br />
mehr haben oder deren Verwandte weit entfernt leben, damit sie die traditionellen Familienfeste, wie<br />
Weihnachten und Silvester, in Gemeinschaft verbringen können. Von ca. 35 Teilnehmenden waren etwa<br />
7 ältere Migrantinnen/Migranten.<br />
Volkshochschule <strong>Darmstadt</strong> (vhs)<br />
Integrationskurse<br />
Die Volkshochschule <strong>Darmstadt</strong> ist Teil des Eigenbetriebs „Kulturinstitute der Stadt <strong>Darmstadt</strong>“. Neben<br />
den Fachbereichen „Politik und Gesellschaft“, „Arbeit und Beruf“, „Kultur und Gestalten“ sowie „Prävention<br />
und Gesundheit“, richtet sich der Fachbereich „Sprachen“ (weitere 17 Fremdsprachen werden<br />
gelehrt) im Teilbereich „Deutsch als Fremdsprache“ an Menschen, die in <strong>Darmstadt</strong> (und in der Region)<br />
leben und die die deutsche Sprache von Grund auf erlernen wollen.<br />
Bei ca. 1.100 Kursen des Gesamtangebotes pro Jahr mit 12.000 Belegungen (2010) führte die vhs<br />
100 Kurse „Deutsch als Fremdsprache“ mit 1.100 Belegungen durch; davon waren 50 Deutschkurse<br />
mit mehr als 600 Belegungen als „Integrationskurse“ im Auftrag des Bundesamtes für Migration und<br />
Flüchtlinge (BAMF) organisiert.<br />
Das Bundesamt erstattet der vhs für Teilnahmeberechtigte an Integrationskursen bis zu 2,35 € pro<br />
Stunde. Der städtische Honoraraufwand für die Kursleitenden der Integrationskurse betrug pro Jahr<br />
mehr als 100.000,00 €.<br />
Berechtigungsscheine für Integrationskurse werden vom BAMF, von den Ausländerbehörden und den<br />
Trägern der Grundsicherung ausgestellt.<br />
Die Integrationskurse werden modular angeboten, so dass der Einstieg je nach Sprachniveau (nach<br />
einem Einstufungstest) möglich ist. Für die folgenden Kursarten hat die vhs die Zulassung vom BAMF:<br />
• Allgemeine Integrationskurse mit 6 Modulen à 100 Sunden (40 Module pro Jahr)<br />
• Integrationskurse mit Alphabetisierung mit 9 Modulen à 100 Stunden (10 Module pro Jahr)<br />
• Orientierungskurse (Politische Bildung) mit 45 Stunden (4 Kurse pro Jahr)<br />
• Integrationskurs für Frauen mit Kinderbetreuung mit 9 Modulen à 100 Stunden<br />
(Kursbeginn Februar 2011 in Zusammenarbeit mit der Caritas <strong>Darmstadt</strong>)<br />
Nach Durchlauf der oben genannten Module können die Teilnehmenden weitere 3 Module beim BAMF<br />
beantragen, um den Spracherwerb sicherzustellen.<br />
Die vhs strebt auch weiterhin an, pro Semester an 3 Terminen den Einstieg in sämtliche Module des<br />
„Allgemeinen Integrationskurses“ (5 x vormittags 9 – 12 Uhr) zu organisieren, um Wartezeiten zu minimieren<br />
und einen raschen Lernfortschritt zu ermöglichen.<br />
Die Integrationskurse werden im Stadtzentrum (Holzstraße 7, Georg-Moller-Haus Riedeselstraße,<br />
Herdweg), in Bessungen (Prinz-Emil-Schlösschen), in der Heimstättensiedlung (Friedrich-Ebert-Schule)<br />
und in Kranichstein (Erich-Kästner-Schule) durchgeführt. Der Frauenkurs mit Kinderbetreuung findet im<br />
Muckerhaus, Messeler Straße in Arheilgen statt.<br />
Am Ende der Integrationskurse steht eine Sprachprüfung. Der skalierte Sprachtest „Deutsch-Test für<br />
Zuwanderer (DTZ)“ wird von der vhs mehrfach im Jahr durchgeführt, ebenso der Test am Ende des<br />
Orientierungskurses. Ergänzt werden die Integrationskurse durch den „Einbürgerungstest“, den die vhs<br />
seit 2008 für mehr als 900 Teilnehmerinnen und Teilnehmer durchgeführt hat.<br />
80
IV. Weitere Integrationsmaßnahmen<br />
in der Stadt <strong>Darmstadt</strong><br />
Während in Kapitel III die Integrationsarbeit der Wissenschaftsstadt <strong>Darmstadt</strong> vorgestellt wurde, beinhaltet<br />
das nun folgende Kapitel „Weitere Integrationsmaßnahmen in der Stadt <strong>Darmstadt</strong>“ ausschließlich<br />
Beiträge freier Träger und anderer nicht städtischer Behörden, die in der Stadt <strong>Darmstadt</strong> wichtige<br />
Integrationsarbeit leisten und eng mit dem Interkulturellen <strong>Büro</strong> vernetzt sind.<br />
Das Kapitel ist nach den Handlungsfeldern Soziales und Beratung, Gesundheit, Bildung und Stadtteil<br />
gegliedert, die Beiträge alphabetisch nach den Namen der Institutionen. Die Beiträge wurden von Vertreterinnen<br />
und Vertretern der Institutionen erstellt und von den Herausgebern dieses Berichts redaktionell<br />
nicht verändert. Die Autorinnen und Autoren der einzelnen Beiträge werden daher namentlich<br />
aufgeführt.<br />
1. Soziales und Beratung<br />
Berichte freier Träger<br />
Caritasverband <strong>Darmstadt</strong><br />
Migrationsberatung des Migrationsdienstes<br />
Maria-Antonia Estol<br />
Arbeitsstatistik 2010<br />
Ratsuchende Frauen Männer Insgesamt<br />
177 63 240<br />
Herkunft Afrika Amerika Asien Ehem. Sowjetunion Europa<br />
61 15 106 (davon 66<br />
aus der Türkei)<br />
19 39<br />
Aufenthaltsstatus der Ratsuchenden<br />
Aufenthaltserlaubnis<br />
Niederlassungserlaubnis<br />
EU-Aufenthalt<br />
Eingebürgerte<br />
Spätaussiedler<br />
Fiktionsbescheinigung<br />
Duldung Aufenthaltsgestattung<br />
106 59 31 10 8 8 10 3<br />
Altersstruktur der Ratsuchenden bis 27 Jahre zwischen 27 und 65 Jahre über 65 Jahre<br />
20 215 5<br />
81
82<br />
Berufliche Situation erwerbstätig erwerbstätig und<br />
ergänzende Leistungen<br />
Beratungsinhalte nach Häufigkeit der Anfragen<br />
Schule/<br />
Ausbildung/<br />
Beruf<br />
Soziale<br />
Leistungen<br />
Ehe/<br />
Familie/<br />
Erziehung<br />
49 32 159<br />
Aufenthalts<br />
fragen<br />
Wirtschaftl.<br />
Fragen/Verschuldung<br />
Wohnungsfragen<br />
Gesundheit/<br />
Schwangerschaft<br />
nicht erwerbstätig<br />
Diskriminierung<br />
185 128 84 86 54 38 30 11 27<br />
Frauenintegrationskurs<br />
Nara Faul / Maria-Antonia Estol<br />
Sonstiges<br />
Sprachkenntnisse können nicht nur das Leben in einem fremden Land enorm erleichtern, sie spielen<br />
auch eine Schlüsselrolle bei der erfolgreichen Integration. Aus diesem Grund wurde mit der Verabschiedung<br />
des neuen Zuwanderungsgesetzes Migrantinnen und Migranten in Deutschland die Möglichkeit<br />
eingeräumt, staatlich geförderte Integrationskurse zu besuchen. Außerdem können Ausländerbehörden<br />
und Träger der Grundsicherung Migrantinnen, die keine Deutschkenntnisse besitzen, zur Teilnahme an<br />
einem Integrationskurs verpflichten.<br />
Integrationskurse allgemein<br />
Ein Integrationskurs umfasst in der Regel 645 Stunden und besteht aus einem Sprachkursteil zu 600<br />
Stunden und einem Orientierungskursteil zu 45 Stunden. Der Integrationskurs schließt mit einem Test<br />
über den Sprachkursteil und dem Orientierungskurs-Abschlusstest ab. Ziel des Sprachkursteils ist es,<br />
das Zertifikat Deutsch Niveau B1 zu erlangen. Das Zertifikat Deutsch orientiert sich an der international<br />
anerkannten Skala des Europarats (Gemeinsamer Europäischer Referenzrahmen – GER).<br />
Für die Aufenthaltsverfestigung in Form einer Niederlassungserlaubnis ist das Niveau B1 gemäß Zuwanderungsgesetz<br />
zwingend notwendig. Auch für die Einbürgerung muss das Dokument vorgewiesen werden.<br />
In <strong>Darmstadt</strong> bieten zehn vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zugelassene Sprachkursträger<br />
Integrationskurse an. Die Lebenssituationen und Lernvoraussetzungen der potentiellen Kursteilnehmerinnen<br />
und -teilnehmer berücksichtigend, werden spezifische Kurse angeboten, etwa für Jugendliche,<br />
Eltern oder Analphabeten.<br />
Für Frauen, die aus familiären und persönlichen Gründen keine Intensivkurse besuchen können, werden<br />
spezielle Frauenkursen angeboten. Parallel zu den Sprachkursen erhalten Kinder unter 3 Jahren eine<br />
Kinderbetreuung.<br />
Frauenkurs <strong>Darmstadt</strong><br />
Der Migrationsdienst des Caritasverbandes <strong>Darmstadt</strong> führt seit März 2008 Frauenintegrationskurse<br />
mit Kinderbetreuung durch. Die Kurse fanden bislang 3 Mal pro Woche je 4-stündig statt. Diese Teilzeitvariante<br />
trägt dem eingeschränkten zeitlichen Budget vieler Mütter Rechnung.<br />
Ein Frauenintegrationskurs dauert 900 Stunden. Um die Erziehungskompetenzen der Mütter zu stärken,<br />
steht eine themenorientierte Elternbildung über Gesundheit, Ernährung, Verkehrserziehung und das<br />
hiesige Bildungssystem im Vordergrund des Kurses.<br />
Den Teilnehmerinnen wird ein geschützter Raum für die Erörterung frauenspezifischer Themen zur<br />
Verfügung gestellt. Sie erhalten die Möglichkeit, außerfamiliäre Bekanntschaften zu knüpfen und ihren<br />
Horizont in der Gemeinschaft mit Frauen aus anderen Herkunftsländern zu erweitern. Einmal im Monat
frühstücken die Frauen gemeinsam. Dieser zwanglose Programmpunkt eröffnet eine gute Gelegenheit,<br />
sich über die mitgebrachten Spezialitäten, die Esskulturen anderer Länder auszutauschen und sich<br />
fernab von Lehrplänen und grammatikalischen Lektionen im Deutschen zu üben.<br />
Nach dem Sprachunterricht erhalten die Frauen am Kursort eine Migrationserstberatung, eine bedarfsorientierte<br />
Einzelberatung. Sie werden hier in ihren alltäglichen Handlungen, z. B. im Umgang mit<br />
Behörden, bei der Problembewältigung und bei der Entwicklung von Zukunftsperspektiven unterstützt.<br />
Schwerpunkte der Beratung liegen im Aufenthaltsrecht, Sozialrecht, Gesundheits- und Schulsystem und<br />
in familienzentrierten Themen.<br />
Den meisten Frauen aus dem Frauenintegrationskurs konnten ehrenamtliche SprachpartnerInnen zur<br />
Seite gestellt werden. Einmal in der Woche übten sie mit den Kursteilnehmerinnen das Erlernte. Dieses<br />
Engagement lohnte sich. Zwei Drittel der Teilnehmerinnen des letzten durchgeführten Kurses bestanden<br />
die Sprachprüfung mit dem Niveau B1. Dieses Ergebnis liegt über dem Bundesdurchschnitt.<br />
Bewährt hat sich die Kombination aus Unterricht, Migrationsberatung und Sprachpartnerschaft.<br />
Dieses Modell ist eine optimale Kombination aus Bildung, Beratung und sozialpädagogischer Begleitung,<br />
die den Integrationsprozess befördert.<br />
Perspektiven<br />
In <strong>Darmstadt</strong> werden zu wenige Frauenintegrationskurse mit Kinderbetreuung angeboten. Frauen, die,<br />
aus welchem Grund auch immer, den Kurs unterbrechen müssen, finden nur sehr schwer wieder Anschluss.<br />
Die Betreuung der Säuglinge und Kleinkinder ist bei Kursbeginn eine pädagogische Herausforderung.<br />
Die Durchführung solcher speziellen Kurse verlangt einen hohen organisatorischen Aufwand und scheitert<br />
oft an den Rahmenbedingungen. Besonders die Bereitstellung kindgerechter Betreuungsräume in<br />
Verbindung mit geeigneten Kurs- und Beratungsräumen stellt in <strong>Darmstadt</strong> ein großes Hemmnis dar.<br />
Zudem übernimmt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge keine Mietkosten, eine weitere Erschwernis<br />
für willige Kursträger.<br />
Der Bedarf an Frauenkursen mit Kinderbetreuung in <strong>Darmstadt</strong> ist mit den derzeitigen Angeboten nicht<br />
gedeckt. Solange für Kinder unter 3 Jahren nicht ausreichend Krippenplätze zur Verfügung stehen, sind<br />
diese Kurse dringend nötig.<br />
Beratung für Menschen ohne Aufenthaltserlaubnis<br />
Johannes Borgetto / Maria-Antonia Estol<br />
Menschen ohne Aufenthaltsrecht leben heimlich und zurückgezogen. Die Zahl der in Deutschland lebenden<br />
Ausländerinnen und Ausländer ohne Aufenthaltserlaubnis ist nicht bekannt. Schätzungen schwanken<br />
zwischen 650.000 und 1,3 Millionen Menschen. In den Medien und der politischen Öffentlichkeit<br />
werden die so genannten „Illegalen“ – häufig zu Unrecht – im Kontext von Kriminalität oder aber unter<br />
der Perspektive der Bekämpfung von illegaler Zuwanderung, Asylmissbrauch, Schwarzarbeit und Prostitution<br />
genannt.<br />
Auch Menschen ohne Aufenthaltspapiere stehen unter dem Schutz des Grundgesetzes. Im Prinzip steht<br />
ihnen der Rechtsweg offen. Ebenso haben sie Anspruch auf grundlegende soziale Rechte. Tatsächlich<br />
aber können sie diese Rechte nicht geltend machen, ohne gleichzeitig eine Festnahme und die Abschiebung<br />
zu riskieren. Durch den faktischen Ausschluss von grundlegenden sozialen Rechten können<br />
Menschen ohne Aufenthaltspapiere nur sehr eingeschränkt am deutschen Sozial- und Bildungssystem<br />
teilhaben.<br />
83
Von dieser Situation betroffen sind beispielsweise:<br />
• Wanderarbeiter, die meist unter ungünstigen Arbeitsbedingungen arbeiten (z. B. im Bau- und<br />
Reinigungsgewerbe, in der Verpackungsindustrie und Landwirtschaft), die von einheimischen Arbeits-<br />
kräften nicht akzeptiert werden. Viele pendeln und haben ihren Lebensmittelpunkt und ihre Familie<br />
im Heimatland.<br />
• Menschen in privaten Arbeitsverhältnissen, in der Kranken-, Kinder- und Altenversorgung, private<br />
Haushalts- oder Putzhilfen.<br />
• Opfer von Menschenhandel, vor allem jüngere Frauen (aber auch Männer und Kinder), die für einen<br />
anderen Beruf angeworben wurden und dann zur Prostitution gezwungen werden.<br />
• Familienangehörige von Menschen mit legalem Aufenthaltsstatus, die z. B. das Visum zur Familien-<br />
zusammenführung nicht erhalten haben.<br />
• Menschen, deren Ehen mit deutschen oder legal hier lebenden Partnern geschieden worden sind,<br />
bevor ein eigenständiges Aufenthaltsrecht erworben wurde.<br />
• Menschen, die aus Furcht vor Verfolgung nach Deutschland geflohen sind und hier keinen Schutz<br />
erhalten haben.<br />
• Menschen, die aus Scheu vor den komplizierten Rechts- und Verwaltungsverfahren untertauchen,<br />
ohne die Rechte, die ihnen zustünden, in Anspruch zu nehmen.<br />
Im Wesentlichen kann sich die Beratung auf folgende Punkte beziehen:<br />
• Anspruch auf einen abgesprochenen Lohn bzw. den ortsüblichen Lohn, auch bei Schwarzarbeit:<br />
Dieser Anspruch kann versucht werden, mittels eines Rechtsanwaltes durchzusetzen. Der Aufent-<br />
haltsstatus muss für ein Gerichtsverfahren nicht erhoben werden. Ein Klient / eine Klientin kann sich<br />
auch ohne eigenes Erscheinen dort vertreten lassen.<br />
• Anspruch auf Leistung des Gesundheitswesens bzw. Vermittlung in private medizinische Hilfen<br />
aufgrund der Malteser-Migranten-Medizin oder eines Ärztenetzwerkes:<br />
Die Inanspruchnahme des öffentlichen Gesundheitswesens, das unter bestimmten Umständen<br />
möglich ist, scheitert an der Meldepflicht zur Ausländerbehörde. Die Malteser-Migranten-Medizin<br />
wird dagegen sehr rege in Anspruch genommen.<br />
Weiter ist auch immer Gegenstand der Beratung, inwieweit der betroffenen Person zu einem Aufenthaltsstatus<br />
verholfen werden kann. Die Möglichkeiten hier sind allerdings sehr begrenzt.<br />
Perspektiven<br />
Es gibt in unserer Republik Ausländerbehörden (Wiesbaden z. B.), an die sich die freien Beratungsstellen<br />
wenden können, um anonym in Bezug auf den Klienten / die Klientin zu beraten, ob es im konkreten<br />
Fall Möglichkeiten der Legalisierung des Aufenthaltes gebe.<br />
Es läge im Hinblick auf mögliche Gesundheitsgefährdungen im öffentlichen Interesse unserer Republik,<br />
wenn der Zugang zu einem Basisgesundheitsdienst (auch) für nicht versicherte Personen möglich wäre.<br />
Externe Ausländerberatung in <strong>Darmstadt</strong> 1<br />
Smiljan Mlikota<br />
Beratung ausländischer Strafgefangener und ihrer Familien<br />
Seit 1986 führt der Caritasverband <strong>Darmstadt</strong> e.V. – Migrationsdienst – im Auftrag des Hessischen<br />
Justizministerium und der Justizvollzugsanstalt <strong>Darmstadt</strong>-Eberstadt die „Externe Ausländerberatung“<br />
(EAB) durch, mit dem Ziel ausländische Strafgefangene und ihre Familien zu beraten.<br />
1 (Stand: September 2008)<br />
84
Im Jahresdurchschnitt betrug der Prozentsatz ausländischer Strafgefangener in der JVA <strong>Darmstadt</strong><br />
zwischen 31 % und 42 %. Zum Stichtag 31.3.2007 befanden sich im geschlossenen Vollzug insgesamt<br />
516 Inhaftierte. 171 waren ausländischer Staatsangehörigkeit. Das entsprach 33 %.<br />
Die EAB beinhaltete die sozialarbeiterische Betreuung und Beratung der ausländischen Gefangenen, die<br />
in der Regel eine oder mehrere Freiheitsstrafen oder Ersatzfreiheitsstrafen verbüßten. Die durchschnittliche<br />
Verweildauer betrug ca. 24 Monate.<br />
Aufgrund vorhandener Sprachkenntnisse, konnte die Beratung in vielen Sprachen, z. B. in serbokroatisch,<br />
slawisch u. a. erfolgen. Eine Verständigung in englischer Sprache war ebenfalls möglich. Bei der<br />
Beratung der ausländischen Straffälligen spielte nicht nur die sprachliche Verständigung eine Rolle,<br />
auch das Verstehen des soziokulturellen, religiösen und juristischen Hintergrunds war von Bedeutung.<br />
Die EAB hatte in der JVA eine wichtige aufsuchende Funktion. Personal- und Vollstreckungsblatt eines<br />
jeden ausländischen Gefangenen wurde von der Vollzugsgeschäftsstelle an die EAB weitergeleitet.<br />
Dadurch wurde ein Überblick über alle neuen Zugänge und deren Problematik ermöglicht. Grundsätzlich<br />
wurden täglich, nach der Aufnahme, die Verlegungen verfolgt und die verschiedenen Häuser besucht.<br />
Im Gespräch mit den Stationsbeamten, den Fachdiensten oder auch durch direktes Aufsuchen der<br />
neuen Zugänge wurde die Betreuung in Gang gesetzt.<br />
Die Externe Ausländerberatung nahm regelmäßig an den Sozialdienstkonferenzen der JVA teil. Dort bot<br />
sich eine gute Möglichkeit, die alltäglichen Probleme bei der Betreuung der Inhaftierten zu erörtern und<br />
zu koordinieren. Außer mit dem internen Sozialdienst kooperierte die EAB mit den Psychologen, der<br />
externen Sucht- und Drogenberatung sowie mit den Seelsorgern.<br />
Im Jahr 2007 wurden folgende Beratungskontakte wahrgenommen:<br />
• Zugangsgespräche<br />
• Kriseninterventionen<br />
• Psychosoziale Betreuung<br />
• Gespräche über rechtliche Rahmenbedingungen<br />
• Beratung in ausländerrechtlichen Fragen / Asylfragen (AufenthG, AsylVfG, FreizügG/EU)<br />
• Perspektivplanung / Sozialisierungsbedingungen<br />
• Entlassungsvorbereitung<br />
• Vermittlung / Weiterleitung an andere Institutionen<br />
• Praktische Hilfen (Übersetzungs- und Schreibhilfen, Sicherung der Habe, Mitwirkung an Telefonaten<br />
und ihre Überwachung usw.)<br />
• Kontakte zu Institutionen (z. B. zu Botschaften und Konsulaten, Gerichten, Ausländerbehörden,<br />
Anwälten, Beratungsstellen, Ämtern und andere Institutionen, Zusammenarbeit mit anstaltsinternen<br />
Diensten)<br />
• Telefonische und persönliche Kontakte mit Familienangehörigen und Bezugspersonen.<br />
Die EAB beriet insgesamt 316 ausländische Gefangene aus 52 Staaten. Davon hatten 33 gegen das<br />
Aufenthaltsgesetz (AufenthG), das Freizügigkeitsgesetz der EU (FreizügG/EU) oder das Asylverfahrensgesetz<br />
(AsylVfG) verstoßen und mussten mit der Ausweisung rechnen. Das waren überwiegend<br />
abgelehnte Asylbewerber, illegal Eingereiste, Menschen, die versuchten der Verelendung in ihren<br />
Heimatländern zu entfliehen. 283 der Beratenen verbüßten ihre Strafe aufgrund anderer Delikte. Eine<br />
beträchtliche Anzahl kämpfte sich mit Alkoholsucht, Drogenabhängigkeit, AIDS und Hepatitis durch<br />
das Leben. Die Betroffenen waren überwiegend arm, arbeits- und/oder obdachlos. Ihre Delikte lagen im<br />
Bereich der Beschaffungskriminalität.<br />
Die größte Gruppe der inhaftierten Migranten bzw. Minderheiten im deutschen Strafvollzug waren türkischstämmig.<br />
Sie entsprach dem prozentualen Bevölkerungsanteil dieser Volksgruppe in Deutschland.<br />
85
Gegenüber autochthonen Deutschen war sie um etwa das 3-fache überrepräsentiert. Danach folgten<br />
Bürger aus dem ehemaligen Jugoslawien, aus Marokko, Algerien und Polen. Eine große Minderheitengruppe,<br />
die in den Statistiken nicht auftauchte, stellten die Aussiedler aus den Staaten der ehemaligen<br />
Sowjetunion, die die deutsche Staatsangehörigkeit besaßen. Gegenüber einheimischen Deutschen waren<br />
sie 2,5 – 3-fach im Strafvollzug überrepräsentiert.<br />
Die Gründe für die überproportionale Inhaftierung von Migranten waren vielfältig. Zum einen können nur<br />
sie gegen ausländerrechtliche Bestimmungen und das Asylverfahrensgesetz verstoßen. Zum anderen<br />
veranschaulichen, davon ausgehend, dass Menschen mit Migrationshintergrund nicht per se krimineller<br />
veranlagt sind als Einheimische, die genannten Zahlen auf eindrucksvolle Weise die ungenügenden Integrationsleistungen<br />
der Bundesrepublik Deutschland in den Bereichen soziale Sicherheit und Bildung,<br />
in der Eröffnung von Perspektiven beruflicher und aufenthaltsrechtlicher Art, in der Suchtprävention<br />
und -therapie, in ihrer Antidiskriminierungspolitik sowie in der Bereitstellung persönlichkeitsfördernder<br />
Maßnahmen und sozialer Hilfen.<br />
Migranten leiden am stärksten unter den verschärften Regelungen des Strafvollzugs. Sehr viele der<br />
Inhaftierten wurden in Deutschland geboren und/oder sind hier aufgewachsen. Sie haben ihren Lebensmittelpunkt<br />
in der Bundesrepublik, ihre Familien leben hier. Grundsätzlich haben sie keine Absicht, im<br />
Falle einer Lockerung des Vollzugs, die Flucht anzutreten. Trotzdem wird oft eine mögliche Flucht unterstellt<br />
und Lockerungsmaßnahmen abgelehnt. Vollzugslockerung, Einweisung in den offenen Vollzug<br />
und bedingte Entlassungen werden oft nicht gewährt, die Vorbereitung auf die Entlassung und auf das<br />
Leben danach – Resozialisierung – erschwert. In der Regel stimmen Staatsanwaltschaft und Ausländerbehörde<br />
Lockerungsmaßnahmen nicht zu. Diese Gruppe soll in Deutschland wegen der bevorstehenden<br />
Abschiebung nicht resozialisiert werden. Letztendlich obliegt die Entscheidung der Leitung der JVA, die<br />
ambivalent zwischen der inneren Sicherheit und Kriminalitätsentwicklung steht und durch die Erlasse<br />
des Justizministeriums eher restriktiv agiert.<br />
Zu beobachten war und ist, dass viele abgeschobene Ausländer Frauen, Kinder und Familien in der<br />
Bundesrepublik zurücklassen. Sie versuchen immer wieder neu einzureisen. Sie tun es, obwohl sie wissen,<br />
dass die Abschiebung mit dem Einreiseverbot verbunden ist, dass ihre Reststrafe widerrufen wird<br />
und dass mit neuen Verfahren wegen der illegalen Einreise zu rechnen ist.<br />
Oft wird vergessen, dass nicht nur die Straffälligen durch die Inhaftierung betroffen sind sondern auch<br />
ihre Angehörigen. Insbesondere Lebensgefährtinnen und Ehefrauen fühlen sich in hohem Maße mitbestraft.<br />
Durch die Inhaftierung des Mannes oder Freundes ergibt sich eine Vielzahl von Schwierigkeiten,<br />
mit denen die Frauen, von nun an allein, zurechtkommen müssen. Sie tragen die alleinige Verantwortung<br />
für die soziale und materielle Versorgung für sich selbst und auch für die Kinder, die sie allein<br />
erziehen müssen. In der Regel wird der Familie die finanzielle Grundlage entzogen. Dazu kommen<br />
Erziehungs- und Beziehungsprobleme sowie Einsamkeit, Isolation und eine ungewisse Zukunft.<br />
Auch die bevorstehende Haftentlassung kann für Paare und Familien einen großen Einschnitt bedeuten.<br />
Über viele Jahre haben die Frauen gelernt, Entscheidungen zu treffen und die vielfältigen Probleme<br />
allein, mithilfe einer Beratungsstelle oder im Austausch mit anderen Betroffenen zu lösen. Nach der<br />
Haftentlassung muss der Partner wieder in die Familie integriert werden. Manche Paare entscheiden<br />
sich auch für eine endgültige Trennung nach der Haftentlassung. Diese Problematik wurde in den<br />
Beratungsgesprächen sowohl in der JVA als auch mit den Angehörigen in der Beratungsstelle des<br />
Migrationsdienstes des Caritasverbandes <strong>Darmstadt</strong> aufgegriffen.<br />
86
Kooperation, Vernetzung und eine gute Zusammenarbeit<br />
Die Externe Ausländerberatung konnte seit längerer Zeit beobachten, dass aus Sicht der Inhaftierten<br />
Bedarf zur Bewältigung der Tat bzw. des Tatgeschehens durch die professionell geleiteten (Gruppen-)<br />
Gespräche bestand und dass die Frage der Wiederaufnahme in die soziale Gemeinschaft immer häufiger<br />
gestellt wurde. Die Aufarbeitung des Tatgeschehens und der Ursachen der Tat erwiesen sich als einzige<br />
Möglichkeit, mit der Vergangenheit abzuschließen und sich der Zukunft zuzuwenden. Daher war und<br />
ist eine Kriminalpolitik gefordert, die die JVAs nicht zu Verwahranstalten (Ausgrenzung und Vergessen)<br />
entwickelt, sondern zu Anstalten der Resozialisierung und Reintegration (Tataufarbeitung mit dem Fokus<br />
auf das Opfer und Wiedergutmachung bzw. Einbindung in die soziale Gemeinschaft). Voraussetzung<br />
dafür ist eine gute Zusammenarbeit zwischen den internen und externen Fachdiensten, zwischen den<br />
JVAs und anderen Institutionen im sozialen Bereich, um beide Aspekte des Vollzugs – Resozialisierung<br />
und Sicherheit – in Einklang zu bringen.<br />
Die in Bezug auf Rechtsvorschriften beruhende Benachteiligung von ausländischen Gefangenen im<br />
Strafvollzug – seltenere Einweisung in den offenen Vollzug sowie seltenere Gewährung von Vollzugslockerung<br />
(Urlaub) oder Unterrepräsentation von qualifizierenden oder therapeutischen Angebote (z. B.<br />
Unterbringung in Drogentherapieeinrichtungen) – sollte durch neue, entsprechende Konzepte geändert<br />
und der interkulturelle Dialog in Gang gesetzt werden, um so die soziokulturelle und sozioökonomische<br />
Situation der Zuwanderer besser verstehen und dadurch eine erfolgreiche Integration in die hiesige<br />
Gesellschaft leisten zu können.<br />
Die Ausweisung und Abschiebung der ausländische. Gefangene aus dem Strafvollzug in ihre „alte Heimat“<br />
aufgrund der Höhe der Freiheitsstrafe (vgl. §§ 53-55 AufenthG) – obwohl sie in der Bundesrepublik<br />
Deutschland geboren und aufgewachsen sind und komplette Familien, Verlobte oder Ehefrauen mit<br />
Kindern zurücklassen – finden sowohl die EAB als auch Wohlfahrtsverbände und Kirchen als zusätzliche<br />
Bestrafung, „Verbannung“ und Vernichtung der Existenz der Betreffenden und deren Familien.<br />
Bis die Gesetzeslage nicht geändert wird, bleibt als sicherer Schutz von der Abschiebung nur ein straffreies<br />
Leben, eine gute schulische Bildung und die Integration in die deutsche Gesellschaft sowie eine<br />
darauf folgende rechtzeitige Einbürgerung.<br />
Diakonisches Werk <strong>Darmstadt</strong>-Dieburg<br />
Flüchtlingsberatung<br />
Despina Paraskevaidou<br />
Die „Flüchtlingsberatung“ (die nie nur Beratung war) des Diakonischen Werkes <strong>Darmstadt</strong>-Dieburg hat<br />
sich seit einer Reihe von Jahren aufgrund der veränderten innenpolitischen und gesellschaftspolitischen<br />
Situation in ihrer praktischen Verwirklichung notwendigerweise gewandelt. Mit dem Drittländerkonzept<br />
und korrespondierenden rechtlichen Regelungen haben der deutsche Gesetzgeber und die Bundesregierungen<br />
Flüchtlingen die Möglichkeiten der Einreise und der Durchführung eines Asylverfahrens in<br />
Deutschland in hohem Maße genommen, so dass die beraterische „Erstversorgung“ neu eingereister<br />
Flüchtlinge innerhalb der Gesamtberatungsarbeit jetzt gering ist. Strukturveränderungen (vor allem<br />
diejenigen, die sich aufgrund von Absprache- und Kostenübernahmeregelungen zwischen dem Bundesamt<br />
und den Wohlfahrtsverbänden und daraus sich ergebenden Strukturverschiebungen entwickelten)<br />
veränderten ebenfalls die Beratungsausgangssituation beträchtlich. Im Hinblick auf die jetzt gegebene<br />
Beratungsausgangssituation wurden die unten skizzierten Angebote an Flüchtlinge entwickelt.<br />
Der allgemeine Grundsatz der vom Diakonischen Werk angebotenen sozialarbeiterischen Hilfe für<br />
Flüchtlinge ist weiterhin: Flüchtlinge, die sich an die diakonischen Beratungsstellen wenden, sollen<br />
alle in Deutschland derzeit noch mögliche beraterische, medizinische, seelische (bis seelsorgerische),<br />
rechtliche und, soweit möglich, finanzielle Hilfe erhalten.<br />
87
Im Einzelnen bietet die diakonische Beratung standardmäßig folgende Leistungen an:<br />
• Praktische Beratung bezüglich sozialer Themen und Situationen<br />
• Begleitung zu Behörden und Vertretung vor Behörden<br />
• Vermitteln spezialisierter Rechtsanwälte<br />
• Beratung und Vermittlung bei Spracherlernbemühungen<br />
• Interventionen und Vermittlungen in Konfliktfällen (etwa bei Schulen, Kindergärten, Arbeitgebern usw.)<br />
• Beratung und Hilfe hinsichtlich des Schul- und Bildungssystems<br />
• Vermittlung psychosozialer Hilfen<br />
• Beratung und Vermittlung hinsichtlich medizinischer Hilfen<br />
• Beratung und Hilfe bei familiären Problemen, Erziehungsproblemen usw.<br />
• Beratung und Hilfe bei Familiennachzügen<br />
• Beratung und Hilfe bei Qualifikations- und Fortbildungsbemühungen<br />
• Beratung und Hilfe beim Rückkehrwunsch.<br />
In methodischer Hinsicht werden, je nach Bedarf, die sozialarbeiterischen Verfahren der Einzelfallarbeit,<br />
der Gruppenarbeit und der Gemeinwesenarbeit angewendet. Die Mitarbeiter in der Flüchtlingsarbeit<br />
nehmen regelmäßig an folgenden „metaberaterischen“ Gruppenveranstaltungen teil:<br />
• spezifische Arbeitskreise und Gremien,<br />
• Netzwerke,<br />
• flüchtlingsbezügliche Veranstaltungen der Gemeinwesenarbeit,<br />
• diakonieinterne, diakonieorganisierte und andere Qualifikations- und Fortbildungsveranstaltungen.<br />
Standorte der Flüchtlingsarbeit in <strong>Darmstadt</strong><br />
Das Beratungsangebot für Menschen mit Fluchthintergrund wurde von der Geschäftsstelle in der Kiesstraße<br />
auf den Standort Kranichstein ausgeweitet. Seit 2009 wurde dieses Angebot in die Stadtteilwerkstatt<br />
Kranichstein integriert. Damit wurde ein weiterer Schritt der sozialraumorientierten Ausrichtung<br />
der Beratungsdienste von Seiten des Diakonischen Werks unternommen. Mit der Ausweitung des Angebots<br />
nach Kranichstein wurde dem in der Stadtteilwerkstatt verstärkt nachgefragten Beratungsbedarf<br />
vor allem von Menschen mit Fluchthintergrund entsprochen. Grundsätzlich wird damit das Ziel verfolgt,<br />
über die Beratungsarbeit die Menschen zu aktivieren und ihnen ihre Teilhabechancen am Stadtteilleben<br />
vorzustellen und sie für eine Teilnahme zu gewinnen. Es erfolgt so eine direkte Einbindung in die Projekte<br />
der Stadtteilwerkstatt.<br />
Migrationsberatung<br />
Despina Paraskevaidou<br />
1. Statistische Angaben zur MBE<br />
2010 haben unsere Beratungsstelle 120 Personen aufgesucht. 50 % der Personen waren Frauen. 40 %<br />
der Gesamtgruppe dieser Personen waren Neuzuwanderer, 60 % waren Personen, die schon längere<br />
Zeit in <strong>Darmstadt</strong> gelebt haben und nachholend Integrationshilfen brauchten und von denen eine große<br />
Gruppe aus verschiedenen afrikanischen Ländern gekommen sind.<br />
2. Angebote unserer Migrationsberatung in <strong>Darmstadt</strong><br />
• Gruppenarbeit: Türkische Frauengruppe „Papatya“ (siehe Bericht der GWA Arheilgen);<br />
• Gruppenarbeit: Griechische Seniorengruppe, sie trifft sich zu bestimmten sozialen, familiären usw.<br />
Themen und zu Veranstaltungen (Ausflüge, Vorträge usw.).<br />
3. Zur Perspektive<br />
Ich habe vor, in Beratungsgesprächen Personen, die den Integrationskurs abgebrochen haben, zu bewegen,<br />
den Kurs zu beenden oder wieder aufzunehmen und mit Personen, die die B 1-Prüfung bestanden<br />
haben, Möglichkeiten zu finden, ihre Sprach- und Sozialkenntnisse weiter zu verbessern. Eine solche<br />
Möglichkeit bietet der Konversationskreis, den die freien Träger eingerichtet haben.<br />
88
DRK Kreisverband <strong>Darmstadt</strong><br />
Älter werden in <strong>Darmstadt</strong> –<br />
Begegnungs- und Bewegungsangebote für ältere Migrantinnen und Migranten<br />
Miriam Seel<br />
Jede fünfte Person in <strong>Darmstadt</strong> mit einem Migrationshintergrund ist inzwischen über 50 Jahre alt. Die<br />
Lebenssituation dieser Menschen ist oft durch Vereinsamung, Sprachprobleme, Informationsdefizite<br />
und geringes Einkommen geprägt. Gleichzeitig wünschen sich ältere Zuwanderinnen und Zuwanderer<br />
Sozialkontakte im eigenen Stadtteil und Begegnungsangebote, die ihre kulturellen und geschlechtsspezifischen<br />
Erwartungen berücksichtigen.<br />
Seit über 10 Jahren bietet der DRK Kreisverband <strong>Darmstadt</strong>-Stadt e.V. speziell auf ältere Migrantinnen<br />
und Migranten zugeschnittene Angebote in Stadtteilen mit hohem Migrantenanteil in <strong>Darmstadt</strong> an.<br />
Von 2006 bis 2009 wurden wir mit Projektgeldern vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF)<br />
unterstützt, um diesen Bereich auszubauen. In den Stadtteilen <strong>Darmstadt</strong>-Nord und Eberstadt-Süd<br />
entstanden in dieser Zeit unter sozialpädagogischer Anleitung drei muttersprachliche offene Treffs.<br />
Flankiert werden diese Angebote von Gymnastikkursen, Gedächtnistraining, Exkursionen und Computerkursen<br />
nach Bedarf. Die Angebote finden in russischer, türkischer und spanischer Sprache statt.<br />
Ziel unserer Arbeit mit älteren Zuwanderinnen und Zuwanderern ist in erster Linie die Stärkung ihrer<br />
aktiven Teilnahme am gesellschaftlichen Leben. Konkret bedeutet dies, dass durch die Zusammenkünfte<br />
neue Sozialkontakte gefördert werden, dass der Austausch mit Menschen ähnlicher Lebenserfahrung<br />
ermöglicht wird und dass mit Hilfe von vielen Informationsveranstaltungen zu Gesundheitsthemen, zum<br />
Sozialversicherungssystem u. ä. Wissenslücken abgebaut werden, die die Alltagsbewältigung erschweren.<br />
Ein besonderes Anliegen unserer Seniorenarbeit ist die Vorbereitung auf das „Älter werden in Deutschland“.<br />
Dies geschieht mit Hilfe von muttersprachlichen Informationsreihen, bei denen die örtlichen<br />
Hilfsangebote für ältere Menschen vorgestellt und besucht werden. Genauso wichtig wie der Abbau von<br />
Schwellenängsten vor „deutschen“ Einrichtungen ist es dabei, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu<br />
ermutigen, die manchmal ambivalenten Erwartungen und Wünsche im Zusammenhang mit dem Älter<br />
Werden anzusprechen und sich darüber auszutauschen.<br />
Im Mittelpunkt der stadtteilbezogenen Angebote stehen die Wünsche und Bedürfnisse der Teilnehmerinnen<br />
und Teilnehmer. Durch muttersprachliche bzw. zweisprachige Angebote und die aktive Einbeziehung<br />
der Migrationserfahrung der Teilnehmenden wird Vertrauen und Sicherheit aufgebaut, was<br />
wiederum in einem zweiten Schritt zur Öffnung für interkulturelle Begegnungen und zu mehr Kontakten<br />
mit Einheimischen führt.<br />
Ein weiteres Anliegen unseres Angebotes ist die Förderung und Einbeziehung der vorhandenen Ressourcen<br />
der Besucher der offenen Treffs und die Gewinnung von ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und<br />
Mitarbeitern. In den Treffpunkten übernehmen die Teilnehmenden viele Aufgaben in eigener Verantwortung<br />
und bestimmen die Inhalte der Angebote selbst. Dem Biografieansatz wird bei der Gestaltung des<br />
Zusammenseins im Besonderen Rechnung getragen, um die Teilnehmenden zu ermutigen, Erwartungen<br />
und Wünsche im Zusammenhang mit dem Älter Werden anzusprechen und emotional zu bearbeiten.<br />
Als Langzeitperspektive verfolgt der DRK Kreisverband in Netzwerkarbeit die interkulturelle Öffnung der<br />
Dienstleistungsangebote für ältere Menschen in <strong>Darmstadt</strong>. Durch Kooperationsprojekte, Fachtagungen<br />
und die Mitarbeit in Arbeitskreisen sollen die Einrichtungen und Dienstleister in <strong>Darmstadt</strong> für die kulturspezifischen<br />
Bedürfnisse der zunehmend größer werdenden Gruppe der älteren Zuwanderinnen und<br />
Zuwanderer sensibilisiert werden und ihre Angebote entsprechend verändern.<br />
Um unsere Raumsituation zu optimieren, sind wir zurzeit auf der Suche nach seniorengerechten,<br />
stadtteilnahen Räumlichkeiten. In diesem Bereich würden wir gerne mit anderen Trägern der Altenhilfe<br />
kooperieren.<br />
89
Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer (MBE)<br />
Rıza Yılmaz<br />
Gesetzliche Grundlage für die MBE<br />
Am 1.1.2005 ist das neue Zuwanderungsgesetz in Kraft getreten. Entsprechend der Intention des<br />
Zuwanderungsgesetzes wurden die unterschiedlichen Beratungssysteme für Ausländerinnen und Ausländer<br />
sowie Spätaussiedlerinnen und -aussiedler zu einer einheitlichen Migrationsberatung nach § 45<br />
Satz 1 Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) bzw. nach § 9 Abs. 1 Satz 4 des Bundesvertriebenengesetzes<br />
(BVFG) für alle erwachsenen Zuwanderer über 27 Jahre umstrukturiert. Die Migrationsberatung ist<br />
ein zeitlich befristetes (max. drei Jahre), bedarfsorientiertes, individuelles und kostenloses Grundberatungsangebot.<br />
In <strong>Darmstadt</strong> wird die Migrationsberatung vom Deutschen Roten Kreuz <strong>Darmstadt</strong>-Stadt, vom Deutschen<br />
Caritasverband <strong>Darmstadt</strong> und vom Diakonischen Werk <strong>Darmstadt</strong> angeboten.<br />
Ziele und Aufgaben<br />
Der/die Migrationsberater/in (MBE) initiiert und steuert den Integrationsprozess gemeinsam mit dem/<br />
der Klient/in und leistet Unterstützung zu selbstständigem Handeln in allen Bereichen des täglichen<br />
Lebens.<br />
Der Schwerpunkt des Beratungsangebots liegt hierbei auf einer bedarfsorientierten Einzelfallberatung<br />
(Case-Management). Zu den Aufgaben der MBE zählt darüber hinaus die sozialpädagogische Betreuung<br />
während der Integrationskurse sowie, bei individuellem Bedarf, Hilfestellung bei der Vermittlung von<br />
Kinderbetreuungsangeboten.<br />
Aber auch die aktive Mitarbeit in kommunalen Netzwerken und die Mitwirkung bei der interkulturellen<br />
Öffnung der Regeldienste und Verwaltungsbehörden gehören zu den Aufgaben der MBE.<br />
Zielgruppe<br />
Das Beratungsangebot richtet sich grundsätzlich an erwachsene Zuwanderer über 27 Jahre:<br />
• Spätaussiedler, deren Ehegatten und Abkömmlinge im Sinne der §§ 4 und 7 BVFG bis zu drei Jahre<br />
nach Einreise in das Bundesgebiet.<br />
• Ausländer, die sich dauerhaft im Sinne des § 44 AufenthG im Bundesgebiet aufhalten, bis zu drei<br />
Jahren nach der Einreise in das Bundesgebiet bzw. bis zu drei Jahren nach Erlangung des auf Dauer<br />
angelegten Aufenthaltsstatus.<br />
• Die MBE steht darüber hinaus im Rahmen der nachholenden Integration auch den bereits länger<br />
in Deutschland lebenden Zuwanderern offen, die einen einem Neuzuwanderer vergleichbaren Inte-<br />
grationsbedarf aufweisen. Indiz hierfür sind insbesondere unzureichende Sprachkenntnisse in<br />
Deutsch (vgl. BMI, 2010).<br />
Migrationsberatung und Netzwerkarbeit<br />
Im Rahmen der Migrationsberatung führen wir zunächst ein Beratungsgespräch durch, in dem Fragen<br />
der Klienten/innen und die persönlichen Ressourcen ermittelt werden. Zusammen mit ihnen werden individuelle<br />
Integrationsziele erarbeitet und unter Einbeziehung der jeweiligen Ressourcen (z. B. Sprachkenntnisse,<br />
Erfahrungen, unterstützendes Umfeld) Handlungsschritte festgelegt. Dabei stehen in der<br />
Regel existentielle Fragestellungen, wie die Erlangung von ausreichenden Sprachkenntnissen, Arbeitsplatz-<br />
und Wohnungssuche und Erlangung eines Kindergartenplatzes, meist im Vordergrund. War die<br />
Beratungsarbeit in der Vergangenheit nicht selten eher mit einem „Feuerwehreinsatz“ zu vergleichen,<br />
bei dem Ratsuchende oft nur bei akuten Problemen und sehr spät kamen, so wird jetzt präventiv und<br />
ressourcenorientiert mit den Klienten/innen zusammengearbeitet.<br />
Um auf das Beratungsangebot vor allem für Neuzuwanderer aufmerksam zu machen, wird dieses regelmäßig<br />
in den Integrationskursen vorgestellt und entsprechende Informationsblätter werden verteilt. Auf<br />
das Angebot werden Migrant/innen zusätzlich auch von anderen Institutionen, wie z. B. der Ausländerbehörde,<br />
dem Jobcenter und anderen Beratungseinrichtungen aufmerksam gemacht.<br />
90
Um die aktuellen sowie grundsätzlichen migrationsspezifischen Fragen klären zu können, ist es wichtig,<br />
trägerübergreifend zusammenzuarbeiten. Der Arbeitskreis (AK) „Migration und Sozialarbeit“ unter der<br />
Geschäftsführung des Interkulturellen <strong>Büro</strong>s der Stadt <strong>Darmstadt</strong> bietet eine wichtige Plattform für verschiedene<br />
Institutionen und trägt wesentlich zur Kooperation bei. Ein weiteres Gremium zur Förderung<br />
der „Integrationsarbeit“ unter der Leitung der Regionalkoordinatorin des „Bundesamtes für Migration<br />
und Flüchtlinge“ mit Vertreter/innen der Integrationskursträger, der Ausländerbehörde, der MBE, des<br />
Jugendmigrationsdienst und des Interkulturellen <strong>Büro</strong>s stellt u.a. das Koordinierungstreffen dar.<br />
Statistische Daten zur Zielgruppe<br />
Im Jahr 2010 haben insgesamt 112 Migrant/innen die Beratungsleistungen des Deutschen Roten<br />
Kreuzes in <strong>Darmstadt</strong> in Anspruch genommen. Die Migrationsberatung wurde zu 63 % von Frauen und<br />
zu 37 % von Männern in Anspruch genommen. Die Migrationsberatung wurde mehrheitlich von folgenden<br />
Zuwanderern nach ihrer Herkunft in Anspruch genommen: Türkei 55 %, Marokko 10 %, EU-Staaten<br />
13 %, afrikanischen Staaten 9 %, Afghanistan 7 %. Der Rest verteilte sich überwiegend auf die übrigen<br />
asiatischen und anderen Staaten.<br />
Ausblick<br />
Die Migrationsberatung stellt für viele Migrant/innen eine wichtige Anlaufstelle dar. Jedoch ist die<br />
Aufgabe der Kinderbetreuung weiterhin wichtig aber noch nicht ausreichend geklärt. Des Weiteren ist es<br />
wichtig, stärker auf die MBE aufmerksam zu machen und die Zusammenarbeit mit Migrantenorganisationen<br />
zu intensivieren, um dadurch weitere Migrant/innen erreichen zu können.<br />
Einsatz von Interkulturellen Vermittlungskräften<br />
Rıza Yılmaz<br />
Pädagogische oder sozialpädagogische Fachkräfte in Schulen und Kindereinrichtungen, im Stadtteil,<br />
Verwaltungskräfte in der Sozialberatung, medizinische Fachkräfte in den Krankenhäusern sowie niedergelassene<br />
Ärztinnen und Ärzte haben oft das Problem, dass sie sich mit zugewanderten Menschen<br />
schwer verständigen können. In solchen Fällen ist der Einsatz interkultureller Vermittlungskräfte äußerst<br />
sinnvoll und äußerst hilfreich. Sie können sprachlich-kulturell vermitteln oder die Fachkräfte fachlichkulturell<br />
unterstützen. Durch eine rechtzeitige Intervention kann auch auf mögliche negative Entwicklungen<br />
präventiv Einfluss genommen werden.<br />
Auf der anderen Seite wissen Migrantinnen und Migranten in Problemsituationen (z. B. Erziehungsfragen,<br />
Schulprobleme, Gesundheitsfragen) oft nicht, an welche Institution sie sich Hilfe und Unterstützung<br />
suchend wenden können. Auch in diesem Fall können zweisprachige Vermittlungskräfte vermittelnd<br />
helfen.<br />
Anknüpfend an die vom Interkulturellen <strong>Büro</strong> durchgeführten Weiterbildungen zu Integrationsassistentinnen<br />
(vgl. Kap. III.5) wurde im Jahr 2008 in Kooperation mit dem DRK das Projekt „Interkulturelle<br />
Vermittlung“ entwickelt und seitdem kontinuierlich mit städtischen Mitteln und Mitteln des Hessischen<br />
Sozialministeriums durchgeführt.<br />
Im Folgenden wird exemplarisch anhand des Bildungsbereichs der Ablauf einer interkulturellen Vermittlung<br />
vorgestellt: Wenn Grundschulen oder Kindergärten um Unterstützung beim Dialog mit den Eltern<br />
im Frühstadium von Verhaltensauffälligkeiten oder Lernschwierigkeiten anfragen, werden über das DRK<br />
KV <strong>Darmstadt</strong> / Migrationsdienst in Kooperation mit dem Interkulturellen <strong>Büro</strong> zweisprachige Vermittlungskräfte<br />
eingeschaltet.<br />
91
Die Aufgaben der Vermittlungskräfte sind:<br />
• zwischen Eltern von Migrantenkindern, die Verhaltensauffälligkeiten oder Lernschwierigkeiten im<br />
Frühstadium aufweisen, und den Fachkräften in den Institutionen zu vermitteln und ein gemeinsames<br />
Vorgehen zu sichern,<br />
• in Absprache mit den Fachkräften in den Institutionen die Eltern zu beraten,<br />
• den Eltern und den Fachkräften in den Institutionen zu helfen, die Symptome abzuklären,<br />
• den Eltern zu helfen, außerschulische Hilfen zu organisieren,<br />
• ggf. die Fachkräfte in Grundschulen und Kindergärten bei der Entscheidung über weitere Maßnahmen<br />
zu unterstützen.<br />
Das DRK koordiniert mittlerweile einen Pool von ca. 40 interkulturellen Vermittlungskräften, die bis zu<br />
20 Sprachen abdecken. Die am meisten in Anspruch genommenen Sprachen sind Türkisch, Arabisch,<br />
Russisch, Tigrina (Eritreisch), Serbo-Kroatisch, Spanisch und Italienisch.<br />
In den Jahren 2008 bis 2010 wurden in insgesamt 94 Fällen interkulturelle Vermittlungskräfte<br />
(mit 373 Std.) in den Bereichen Bildung, Soziales und Gesundheit eingesetzt.<br />
Internationaler Bund<br />
Jugendmigrationsdienst<br />
Uschi Wilbert<br />
Allgemeines<br />
Die Jugendmigrationsdienste (JMD) werden als Bestandteil der Jugendhilfe vom Bundesministerium<br />
für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFFSJ) gefördert und sind Teil des migrationsspezifischen<br />
Beratungsangebots nach § 45 des Aufenthaltsgesetzes für alle jungen Menschen mit Migrationshintergrund.<br />
Träger des JMD <strong>Darmstadt</strong> ist der Internationale Bund.<br />
Zielgruppen des JMD sind:<br />
• Kinder, Jugendliche, junge Erwachsene vom 12. bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres<br />
mit Migrationshintergrund;<br />
• Eltern von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund zur Stärkung ihrer Erziehungs-<br />
kompetenz, insbesondere in Fragen der Bildung / Ausbildung ihrer Kinder;<br />
• Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Institutionen und ehrenamtliche Initiativen in den sozialen Netz-<br />
werken / im Gemeinwesen, die für Migrantinnen und Migranten relevant sind (z. B. Ämter, Betriebe,<br />
Verbände, Vereine, Kultur- und Bildungseinrichtungen, Religionsgemeinschaften usw.) einschließlich<br />
der Bevölkerung im Lebensumfeld der jungen Menschen.<br />
Die Arbeit der JMD zielt auf:<br />
• Verbesserung der Integrationschancen (sprachliche, schulische, berufliche und soziale Integration)<br />
• Förderung der Chancengleichheit und<br />
• Förderung der Partizipation junger Migrantinnen und Migranten in allen Bereichen des sozialen,<br />
kulturellen und politischen Lebens.<br />
Die Jugendmigrationsdienste haben in erster Linie die Aufgabe, mit dem Verfahren des Case Managements<br />
und dem Instrument des individuellen Integrationsförderplans junge Menschen mit Migrationshintergrund<br />
zu unterstützen. Zugleich beteiligen sich die Einrichtungen aktiv bei der Vernetzung der<br />
Angebote für Jugendliche in den Sozialräumen und bei der interkulturellen Öffnung der Einrichtungen<br />
und Dienste in sozialen Handlungsfeldern.<br />
92
Jugendmigrationsdienst <strong>Darmstadt</strong><br />
Innerhalb der Stadt <strong>Darmstadt</strong> gibt es das JMD-Angebot an 3 verschiedenen Standorten: im Innenstadtgebiet<br />
(Marburger Straße), in Eberstadt-Süd (Kinderhaus Paradies) und in Kranichstein (nach Absprache<br />
im Jugendcafe Chillmo).<br />
Die Beratungsstelle in der Marburger Straße bietet aufgrund der räumlichen Möglichkeiten auch diverse<br />
kostenlose Gruppenangebote (z. B. Sprach- und Kommunikationstraining, PC-Kurse, Bewerbungstraining)<br />
für die Zielgruppe an. Ebenfalls finden dort die Jugendintegrationskurse statt.<br />
Die Standorte Eberstadt und Kranichstein liegen beide jeweils in dem Quartier der „Sozialen Stadt“.<br />
Das ermöglicht kurze und direkte Wege für die in diesen Gebieten lebenden Jugendlichen und jungen<br />
Erwachsenen mit Migrationshintergrund. Hier ist die Netzwerkarbeit von besonderer Bedeutung. Zeitweise<br />
werden vor Ort auch Sprachkurse angeboten. Ein kontinuierliches Angebot kann mangels geeigneter<br />
Räumlichkeiten nicht stattfinden.<br />
Im JMD <strong>Darmstadt</strong> sind zurzeit 4 hauptamtliche Mitarbeiterinnen in Teilzeit tätig, die durch weitere<br />
freie MitarbeiterInnen und Ehrenamtliche unterstützt werden.<br />
Aktivitäten und Angebote des JMD in <strong>Darmstadt</strong><br />
Beratung<br />
Hauptaufgabe des Jugendmigrationsdienstes ist die individuelle sozialpädagogische Beratung und Begleitung<br />
der Zielgruppe in Form eines Case Managements mit einem individuellen Integrationsförderplan.<br />
Insgesamt werden jährlich im Durchschnitt 250 Jugendliche und junge Erwachsene mit Migrationshintergrund<br />
im Alter von 12 bis 27 Jahren beraten und betreut.<br />
Die Kontaktaufnahme zwischen dem JMD und den jungen MigrantInnen erfolgt auf sehr vielfältige<br />
Weise, z. B. über die Vermittlung durch Institutionen wie Ausländerbehörde, Jobcenter, Schulen und<br />
andere Einrichtungen. Von Bedeutung ist auch die „Mund-zu-Mund-Propaganda“, die hauptsächlich in<br />
den Stadtteilen greift. Der Anteil der jungen Frauen (größtenteils mit Kindern) überwiegt, insbesondere<br />
in den Stadtteilen sehr.<br />
In den ersten Gesprächen geht es bei Neuzugewanderten hauptsächlich um Möglichkeiten des Spracherwerbs.<br />
Hierbei ist die Gruppe von jungen Müttern zu erwähnen, die kaum die Möglichkeit hat, die<br />
deutsche Sprache zu erlernen, da es an Sprachkursen mit Kinderbetreuung fehlt. Größtenteils werden<br />
diese ersten Beratungsgespräche mithilfe von „Dolmetscherinnen oder Dolmetschern“ geführt, die zum<br />
Teil als Familienangehörige schon zu den Beratungen mitgebracht oder aus dem Dolmetscher-Pool des<br />
JMD bzw. des Interkulturellen <strong>Büro</strong>s dazugeholt werden.<br />
Problematisch stellt sich auch die Situation von neu zugewanderten Jugendlichen in der Altersgruppe<br />
der 15- bis 17-Jährigen ohne ausreichende Sprachkenntnisse dar. Aufgrund ihres Alters können sie<br />
nicht mehr in eine Intensivklasse aufgenommen werden, haben andererseits entweder aufgrund ihres<br />
Alters oder aufgrund der noch nicht erfüllten Schulpflicht keinen Anspruch auf einen Integrationskurs.<br />
Im Laufe der kontinuierlichen Begleitung zeigt sich die Vielschichtigkeit der Problemlagen. So erweisen<br />
sich beispielsweise die bürokratischen Anforderungen (Anträge, Formulare, Briefe) immer wieder als<br />
große Hürde und fordern eine sehr zeitintensive Betreuung. Themenschwerpunkte der Beratungsarbeit<br />
bei jungen MigrantInnen, die schon etwas länger in Deutschland leben, sind vor allem die schulische<br />
und berufliche Orientierung, die Unterstützung bei der Ausbildungs- und Arbeitsplatzsuche und die individuelle<br />
Lebensplanung. Bedarfsbezogen wird dabei mit anderen Diensten und Einrichtungen zusammengearbeitet.<br />
Kurse<br />
Überwiegend werden die vom JMD <strong>Darmstadt</strong> angebotenen Kurse aus Mitteln des Kinder- und Jugendplans<br />
des BMFFSJ finanziert. Für die Finanzierung der Jugendintegrationskurse und der Frauenkurse<br />
ist das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zuständig. 2010 wurden 12 Gruppenangebote<br />
mit über 200 Teilnehmenden an den 3 Standorten in <strong>Darmstadt</strong> durchgeführt.<br />
93
Das Kursangebot umfasst folgende Schwerpunkte:<br />
• Ergänzende Sprach- und Kommunikationskurse<br />
Die mehrgliedrigen Kurse des Sprachförderangebotes sind sowohl als vorgeschaltete als auch als<br />
flankierende Maßnahmen ein wichtiger Bestandteil der Integrationsbegleitung. Teilnehmende sind<br />
Jugend liche und junge Erwachsene mit Migrationshintergrund im Alter von 12 bis 27 Jahren.<br />
• Heranführen an neue Medien, PC-Kurse – Internet<br />
Der Schwerpunkt EDV-Förderung umfasst sowohl Grundlagen als auch spezielle Kenntnisse.<br />
Verbind liches Lernziel für alle Projekte und Maßnahmen ist die Vermittlung von Medienkompetenz.<br />
• Bewerbungstraining<br />
Alle Jugendlichen und jungen Erwachsenen im JMD haben, bei Bedarf und Interesse, die Möglichkeit,<br />
am Bewerbungstraining teilzunehmen.<br />
• Jugendintegrationskurse nach §44 Abs. 4 AufenthG<br />
Der Internationale Bund führt auch Integrationskurse durch und ist auf Jugendintegrationskurse<br />
mit 900 Unterrichtsstunden spezialisiert.<br />
• Frauenkurse des BAMF mit Kinderbetreuung<br />
Diese Kurse werden speziell für Migrantinnen, meist mit kleinen Kindern, angeboten. Auch hier ist<br />
der Schwerpunkt Spracherwerb, Orientierung im Stadtteil, sprachliches Einüben von Alltagssituationen<br />
und EDV-Grundlagen. In Konversationskursen werden Themen wie Schulsystem, Kinderbetreuung<br />
oder Gesundheitsfragen behandelt. Einige Frauen schätzen diese Angebote auch, um Kontakte zu<br />
anderen Frauen aufzubauen.<br />
„Qualifizierung nach Maß“<br />
Anette Noll-Wagner<br />
Name des Trägers: Internationaler Bund, Marburger Straße 2, 64289 <strong>Darmstadt</strong><br />
Name des Projekts: „Qualifizierung nach Maß“<br />
Beratungs- und Koordinierungsstelle für berufliche Nachqualifizierung<br />
Aufgabenbereich<br />
Die Beratungs- und Koordinierungsstelle „Qualifizierung nach Maß“ ist ein Projekt im Programm „Perspektive<br />
Berufsabschluss“ in der Förderinitiative 2 – abschlussorientierte modulare Nachqualifizierung.<br />
Die Förderung des Programms erfolgt aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung<br />
(BMBF) und des Europäischen Sozialfonds. „Qualifizierung nach Maß“ hat die Aufgabe, nachhaltige<br />
Rahmenbedingungen für eine Nachqualifizierung zu schaffen. Durch die Entwicklung regionaler Strukturen<br />
soll sich die Nachqualifizierung als Regelangebot etablieren. Für Menschen, die bisher ohne<br />
Berufsausbildung geblieben sind, werden dadurch neue Chancen und Perspektiven für eine berufliche<br />
Entwicklung eröffnet. Dabei ist das Projekt eingebunden in das Begleitprojekt „Mit MigrantInnen für<br />
MigrantInnen – Interkulturelle Kooperation zur Verbesserung der Bildungsintegration.“ Durch die Einbindung<br />
von Migrantenorganisationen in die regionalen Netzwerke soll das Empowerment von Migrantinnen<br />
und Migranten bzw. deren Organisationen in den regionalen Netzwerken gestärkt werden.<br />
Zielgruppe<br />
In den Unternehmen und bei den an- und ungelernten Beschäftigten und Arbeitslosen ist die Möglichkeit<br />
wenig bekannt, über eine Nachqualifizierung und die Externenprüfung nachträglich einen Berufsabschluss<br />
erlangen zu können. Daher bilden die Zielgruppen der Beratungs- und Koordinierungsstelle<br />
„Qualifizierung nach Maß“ sowohl die Personalverantwortlichen in den Unternehmen als auch die Menschen,<br />
die bisher ohne anerkannten Berufsabschluss bzw. ohne verwertbaren Berufsabschluss geblieben<br />
sind. Migrantinnen und Migranten sind hier besonders häufig betroffen.<br />
94
Inhalte und Erfolge<br />
Um eine Nachqualifizierung und die Heranführung zur Externenprüfung im Einzelfall umzusetzen,<br />
müssen sehr unterschiedliche Akteure eingebunden werden. Die Beraterinnen koordinieren dabei den<br />
gesamten Qualifizierungsverlauf. In den Beratungsgesprächen werden bereits vorhandene Kompetenzen<br />
und Erfahrungen der Ratsuchenden erfasst und dokumentiert. Danach erstellen die Beraterinnen<br />
gemeinsam mit den Beratenen einen Qualifizierungsplan. Die Bildungsträger ergänzen fehlende Fachkenntnisse<br />
durch modulare Lerneinheiten, z. B. Vorbereitungskurse zur Externenprüfung. Um die regionale<br />
Angebotsstruktur weiterzuentwickeln, arbeitet „Qualifizierung nach Maß“ eng mit den regionalen<br />
Arbeitsmarktakteuren zusammen.<br />
Besondere Anforderungen stellen die Beratung für Migrantinnen und Migranten. Um Chancengleichheit<br />
zu verwirklichen und eine gleichberechtigte Teilhabe von Personen mit und ohne Migrationshintergrund<br />
zu ermöglichen, nimmt „Qualifizierung nach Maß“ die Benachteiligungen von ZuwandererInnen im<br />
Bereich der Weiterbildung auf. Viele Menschen mit Zuwanderungshintergrund erhalten keine Anerkennung<br />
ihrer beruflichen Qualifikationen und benötigen anschlussfähige Zugänge zu einem anerkannten<br />
Berufsabschluss. Die gezielte Ansprache von Menschen mit Zuwanderungshintergrund, die Kooperation<br />
mit Migrantenorganisationen, eine kultursensible Bildungsberatung und die Entwicklung von geeigneten<br />
Qualifizierungsmaßnahmen machen die besonderen Anstrengungen in der Arbeit mit Migrantinnen und<br />
Migranten deutlich.<br />
Mit dem Ziel, die regionalen Qualifizierungsangebote auszubauen und Qualitätsstandards in der Nachqualifizierung<br />
in Kooperation mit dem Netzwerk regional zu entwickeln, führt das Projekt zweimal im<br />
Jahr einen Workshop durch. So beschäftigten wir uns 2010 in einem Workshop mit der Möglichkeit von<br />
weiterbildungsbegleitenden Hilfen, z. B. durch eine integrierte Deutschförderung in Qualifizierungsmaßnahmen.<br />
Ein zweiter Workshop befasste sich mit Qualitätsstandards der Kompetenzfeststellung im<br />
Rahmen der Nachqualifizierung. Die Sensibilisierung und Auseinandersetzung mit dem Thema Cultural<br />
Mainstreaming und die Anstrengungen, Qualifizierungsangebote an den notwendigen Bedarfen auszurichten,<br />
zeigen erste Erfolge durch die Entwicklung von adressatengerechten Nachqualifizierungsangeboten.<br />
Im Juli 2010 wurde eine interkulturelle Schulung in Kooperation mit dem Begleitvorhaben „Mit MigrantInnen<br />
für MigrantInnen“ gemeinsam mit Netzwerkpartnern der HWK, des Jobcenters <strong>Darmstadt</strong> und<br />
verschiedenen Bildungsträgern durchgeführt. Dadurch sollte eine interkulturelle Sensibilisierung der<br />
Netzwerkpartner und eine Öffnung der Institutionen im Zusammenhang von Nachqualifizierung erreicht<br />
werden. Um die Bildungsbeteiligung von Migrantinnen und Migranten zu erhöhen und eine gezielte<br />
interkulturelle Kooperation zu ermöglichen, arbeitet die Beratungsstelle „Qualifizierung nach Maß“ eng<br />
mit Bildungsbeauftragten aus 6 Migrantenorganisationen zusammen. Damit werden Migrantinnen und<br />
Migranten Wege zur Nachqualifizierung eröffnet.<br />
Im Rahmen der Interkulturellen Woche wurde eine Informationsveranstaltung für Betriebe zum Thema<br />
„Zukunft durch Vielfalt – Strategien für Ihren Erfolg im Unternehmen“ durchgeführt. Hierbei wurden<br />
gezielt Unternehmen eingeladen, die von MigrantInnen geführt werden, und zu den Möglichkeiten der<br />
Weiterbildung und Nachqualifizierung informiert.<br />
Bisher wurden durch „Qualifizierung nach Maß“ 207 Personen über die Möglichkeiten der Nachqualifizierung<br />
beraten. Von diesen hatten 68 % einen Migrationshintergrund. Eine Nachqualifizierung haben<br />
bereits 6 % abgeschlossen, 15 % befinden sich zurzeit in einer Qualifizierungsmaßnahme, für 9 % war<br />
es notwendig im Vorfeld einen Sprachkurs zu organisieren, der vor Beginn einer Qualifizierung besucht<br />
wurde. 30 % befinden sich aktuell in der Beratung.<br />
Ca. 1.000 Betriebe wurden über Informationsveranstaltungen, Rundschreiben, Messen und Fachtage<br />
angesprochen und über die Möglichkeit der Nachqualifizierung informiert.<br />
95
Magnolya e.V.<br />
Interkultureller Treffpunkt älterer Menschen im Heiner-Lehr-Zentrum<br />
Nicole Matheis<br />
Träger und Aufgabenbereiche<br />
Magnolya e.V. ist ein interkultureller Frauenverein und wurde 1998 mit dem Ziel gegründet, die soziale<br />
Integration älterer Migrantinnen und die Begegnung zwischen einheimischen und zugewanderten Frauen<br />
zu fördern. Durch muttersprachliche und interkulturelle Angebote in Bildung, Beratung und Freizeitgestaltung<br />
werden die Teilnehmerinnen dabei unterstützt, ihre Lebensqualität zu verbessern und am<br />
sozialen Leben teilzunehmen. Interkulturelle Angebote richten sich an Frauen aller Nationalitäten.<br />
Die Angebote finden seit Januar 2011 im Heiner-Lehr-Zentrum, „Interkultureller Treffpunkt älterer<br />
Menschen“, statt.<br />
Zielgruppe<br />
Zielgruppe der regelmäßigen Angebote sind ältere Frauen aus der Türkei und aus Italien. Wir erreichen<br />
Frauen türkischer Herkunft zwischen 45 und 86 Jahren und Seniorinnen italienischer Herkunft zwischen<br />
60 und 87 Jahren aus <strong>Darmstadt</strong> und Umgebung. Zielgruppe der interkulturellen Angebote – z. B.<br />
Austausch, internationale Frauenfeste, Ausflüge - sind Frauen aller Nationalitäten und Altersgruppen<br />
(erweitert auch durch die Kooperation mit Alice e.V.).<br />
Fahrradkurse richten sich auch an jüngere Frauen.<br />
Angebote<br />
Gruppenangebote<br />
• „Nazar degmesin“, muttersprachlicher Treffpunkt für türkische Frauen<br />
• „L’albero delle donne“, muttersprachlicher Treffpunkt für italienische Frauen.<br />
• Angebote zur Freizeitgestaltung, z. B. Theaterbesuche, Begleitung zur Teilnahme an Angeboten<br />
des städtischen SeniorInnenenbüros.<br />
Bildungsangebote zur Stärkung der Kommunikations- und Sprachkompetenz und zur Informations-<br />
vermittlung über spezifische Themen in Bezug auf das Älterwerden:<br />
• Alphabetisierungskurse für ältere Frauen aus der Türkei.<br />
• Kommunikationskreis: Deutsch für ältere Frauen und Analphabetinnen.<br />
• Zweisprachige Vorträge über frauen- und altersspezifische Themen, z. B. Krebsvorsorge, Rente,<br />
Leistungen der Pflegeversicherung.<br />
Angebote zur Gesundheitsförderung mit dem Ziel, Gesundheit als wichtigen Faktor der Lebensqualität<br />
im Alter bewusst zu machen und die Eigenverantwortung zu stärken:<br />
• Gymnastik für Seniorinnen.<br />
• Aktiv und Gesund. Was kann ich selbst für meine Gesundheit tun?<br />
• Radfahrkurse für Anfängerinnen und Ungeübte.<br />
Aufsuchende Angebote<br />
• Beratung und Begleitung bei besonderem Hilfebedarf, z. B. muttersprachliche Begleitung<br />
bei Behörden oder Arztbesuchen.<br />
• Zugehende Betreuung.<br />
Aufsuchende, muttersprachliche Beratung und Begleitung von Frauen in Krisensituationen und von<br />
nicht mehr mobilen Seniorinnen. Ziel der Maßnahme ist die Verbesserung der Lebensqualität der<br />
Adressatinnen durch psychische Stabilisierung und Stärkung des Selbstwertgefühls.<br />
96
Interkulturelle Angebote<br />
Begegnungsmöglichkeiten auf Augenhöhe schaffen durch:<br />
• „(Aus-)Tausch, Sprache und Kochen lernen“, interkulturelles Angebot zur Förderung der Begegnung<br />
von Migrantinnen und Einheimischen.<br />
• Internationales Frühstück.<br />
• Kontakte zu anderen Frauengruppen in <strong>Darmstadt</strong> und Frankfurt.<br />
• Aufbau des interkulturellen Treffpunkts älterer Menschen im Heiner-Lehr-Zentrum gemeinsam<br />
mit der AWO.<br />
Methodische Grundlagen<br />
Die niedrigschwelligen Angebote eröffnen den Zugang zur Lebenswelt der älteren Migrantinnen, ermöglichen<br />
die Formulierung von Problemen, Bedürfnissen und Wünschen sowie das Erkennen von Risiken<br />
und Potenzialen. Als Expertinnen ihrer Lebenssituation wissen die Frauen am besten, was sie brauchen<br />
und tragen aktiv zur Entwicklung passender Angebote bei.<br />
Unsere Arbeitsansätze: biografisch-, ressourcen- körperorientierter Ansatz,<br />
personenkonzentrierte Gesprächsführung nach Rogers.<br />
Personelle Ausstattung<br />
Keine Stellen, 3 Fachkräfte auf Honorarbasis, 2 Ehrenamtliche. Als Vereinsmitglieder sind alle Mitarbeiterinnen<br />
mit unterschiedlichen Aufgaben ehrenamtlich tätig, auch in geschäftsführenden Aufgaben,<br />
Öffentlichkeitsarbeit, usw.<br />
Perspektiven<br />
Im Februar 2011 wurde der Interkulturelle Treffpunkt älterer Menschen im Heiner-Lehr-Bürgerzentrum<br />
eröffnet. In diesen Räumen werden Magnolya e.V. und der AWO Bezirksverband ihre jeweiligen Angebote<br />
durchführen und ein gemeinsames Programm entstehen lassen.<br />
In Kooperation mit dem Sportamt und einem Darmstädter Sportverein wird das Bewegungsangebot für<br />
ältere Migrantinnen ausgebaut.<br />
Mäander e.V.<br />
Mädchenleben in verschiedenen Welten und Schutz vor drohender Zwangsheirat<br />
Serpil Semercioglu<br />
Mäander e.V. ist eine Jugendhilfeeinrichtung für Mädchen, junge Frauen und allein erziehende Mütter.<br />
Seit der Gründung vor 21 Jahren fokussiert sich unser Engagement auf die Lebenssituation von Mädchen<br />
und jungen Frauen. Wir entwickeln Betreuungs- und Beratungsangebote, die sich an den besonderen<br />
Problemen und Nöten von Mädchen orientieren. Unsere Leistungsangebote sind:<br />
• Präventive Beratung für Mädchen, junge Frauen und Mütter, werdende Mütter und Familien,<br />
• betreutes Wohnen für Mädchen und junge Frauen auch in Notsituationen,<br />
• Wohnen und Leben mit dem Kind in einem Mutter-Kind Haus.<br />
Unsere Anliegen sind, mit Mädchen und jungen Frauen in fremdbestimmten Lebenssituationen und<br />
Beziehungen Wege zu finden, die ihrer Selbstbestimmung gerechter werden, und sie in Notsituationen<br />
zu beraten und zu betreuen.<br />
„Eine erzwungene Eheschließung verletzt das Selbstbestimmungsrecht in einem ganz zentralen Bereich<br />
persönlicher Lebensgestaltung“. Ausgehend von dieser Definition haben wir unser präventives Beratungsangebot<br />
für Mädchen und junge Frauen aus den betroffenen Kulturkreisen erweitert und die Themen<br />
Mädchenleben in verschiedenen Welten und Schutz vor drohender Zwangsheirat aufgenommen.<br />
97
Zwangsverheiratung ist Gewalt von Eltern gegenüber ihren heranwachsenden und erwachsenen Kindern.<br />
Kinder und Jugendliche unterliegen dem besonderen Schutz des Staates. Zwangsverheiratung bei<br />
Minderjährigkeit ist eine Kindeswohlgefährdung. Zwangsverheiratung ab Volljährigkeit ist „eine schwere<br />
Verletzung der Menschenrechte und mit dem Recht auf ein selbstbestimmtes Leben nicht vereinbar“<br />
(vgl. hierzu SGB VIII § 41, Hilfe für junge Volljährige).<br />
Zielgruppe<br />
Mädchen und junge Frauen zwischen 12 und 25 Jahren aus Migrantenfamilien,<br />
Mädchen und junge Frauen, deren Eltern die Zwangsheirat oder auch die arrangierte Heirat anordnen<br />
oder erzwingen.<br />
Es ist bedeutsam, Mädchen für dieses Thema zu sensibilisieren und gleichzeitig eine Vertrauensbasis<br />
zu ihnen herzustellen, um zu ihrem Schutz gemeinsam mit ihnen weitere Schritte einleiten zu können.<br />
Sie haben mehr oder weniger gelernt, sich mit den unterschiedlichen Kontexten zu arrangieren:<br />
Diese Mädchen sind trotz Erfahrungen von Unterdrückung, Bedrohung und Gewalt in der Familie an diese<br />
auch emotional gebunden. Sie erleben, dass andere Mädchen und junge Frauen sich in unserer Gesellschaft<br />
unabhängiger und freier bewegen, sie machen die Erfahrung, dass ihre Bedürfnisse und Wünsche<br />
als unehrenhaft bewertet und auch gemaßregelt werden durch verschiedene Bestrafungshandlungen.<br />
Notwendige Vernetzung und Zusammenarbeit zum Schutz von Mädchen vor Zwangsheirat<br />
Es ist notwendig, dass Schulen präventive Aufklärung zu diesem Thema leisten. Es ist notwendig, dass<br />
Bildungssysteme sich frühzeitig mit diesem Thema auseinandersetzen und somit Bedingungen schaffen,<br />
in denen Mädchen eine eigene Position finden und Vertrauenspersonen mit ihnen geeignete Hilfen<br />
einleiten können.<br />
Es ist notwendig, das Beratungsangebot an allen Orten zu veröffentlichen, an denen sich Mädchen und<br />
junge Frauen erlaubt aufhalten, wie z. B. Schulen und Arztpraxen. Wir bieten Workshops und Beratung<br />
für die Schulsozialarbeit an. Wir vernetzen uns mit Schulen, den vor Ort bestehenden öffentlichen Migrationsbüros,<br />
dem Jugendmigrationsdienst, dem Netzwerk Prävention und Schutz gegen häusliche und<br />
sexualisierte Gewalt an Frauen, Mädchen und Jungen.<br />
Wir erstellen in Kooperation mit den hiesigen Jugendämtern standardisierte Ablaufverfahren, um<br />
schnelle und unbürokratische Hilfe sichern zu können. Wir vernetzen uns mit Schutzeinrichtungen für<br />
Mädchen und Frauenhäusern, um betroffene Mädchen und Frauen, die sich in akuten Notsituationen<br />
an uns wenden, dann schnell und adäquat unterbringen zu können. Wir vernetzen uns mit geeigneten<br />
Übersetzerinnen.<br />
Es sind besonders geschützte Zugangswege für Mädchen und Frauen erforderlich, die der Schweigepflicht<br />
unterliegen, die die Anonymität wahren, eine schnelle, unbürokratische Anlaufstelle ermöglichen<br />
und mehrere Kommunikationswege bereithalten:<br />
• Anonyme Online Beratung (www.maeander-zwangsheirat.de)<br />
• E-Mail Kommunikation (www.maeander-darmstadt.de)<br />
• Telefonische Beratung als pro aktive Beratung, z. B. nach polizeilicher Intervention oder Anfragen<br />
von anderen Stellen. Diese Voranmeldung des Beratungsbedarfs von Migrantinnen ermöglicht uns,<br />
bis zum vereinbarten Telefontermin eine Sprachvermittlung zu organisieren.<br />
• Persönliche Beratung, z. B. in der Schule oder an anderen Orten,<br />
persönliche Beratung in unserer Beratungsstelle.<br />
Das Beratungsangebot wird durch eine Sozialpädagogin aus einer türkischen Migrationsfamilie in<br />
Kooperation mit einer deutschen Sozialpädagogin und einer approbierten Therapeutin für Kinder- und<br />
Jugendliche geleistet.<br />
98
Statistische Erhebungen<br />
„In Deutschland gibt es bislang keine verlässlichen Daten über Zwangsverheiratungen. Nach Erkenntnissen<br />
von Fachleuten werden aber vor allem Mädchen und junge Frauen aus Familien mit Migrationshintergrund<br />
zwangsverheiratet. In der öffentlichen Wahrnehmung sind vor allem türkische und arabische<br />
junge Frauen betroffen; es wird aber auch von Frauen aus Süd- und Osteuropa, aus Asien und Indien<br />
berichtet, die gegen ihren Willen unter Zwang verheiratet werden“ (BMFSFJ: Zwangsverheiratung in<br />
Deutschland, 2008, 4).<br />
Sozialkritischer Arbeitskreis (SKA)<br />
Beratungs- und Bildungsangebote<br />
Marina Metz<br />
Ausgangs- und Grundlage unserer Arbeit<br />
Der SKA wirbt seit seiner Gründung mit dem Slogan „für ein gleichberechtigtes Zusammenleben in<br />
Achtung der kulturellen Vielfalt“. Das Thema wurde durch verschiedene öffentliche Diskussionen und in<br />
politischen Debatten um die multikulturelle Gesellschaft in den letzten Jahren noch verstärkt und zeigt<br />
uns, dass wir mit dem Leitgedanken unserer Arbeit richtig liegen.<br />
Die kulturellen Besonderheiten unserer Klientinnen und Klienten sehen wir als Entwicklungspotenziale,<br />
die Differenzen werden anerkannt und die Gemeinsamkeiten festgestellt. Die Gleichwertigkeit unterschiedlicher<br />
Menschen unabhängig von ihrer Herkunft, ihrem Geschlecht, ihrem Alter, ihrer sexuellen<br />
Orientierung und anderen Unterschieden sehen wir als Basis in der Beziehungsgestaltung des SKA<br />
intern und zu unseren Klientinnen und Klienten. Für uns gilt als Grundlage unserer Arbeit, dass der<br />
Zugang zur Bildung, zu kulturellem Kapital, dem Vermögen der Vorgängergeneration und dem ökonomischen<br />
Kapital, insbesondere der jüngeren Generationen, offen steht und dass ihnen unabhängig<br />
ihrer kulturellen Herkunft, ihrer Ethnie und sozialen Schicht eine gleichberechtigte Partizipation an den<br />
gesellschaftlichen Prozessen ermöglicht wird.<br />
Erläuterungen<br />
In unseren verschiedenen Arbeitsbereichen möchten wir individuelle Angebote und Hilfestellungen bieten.<br />
Wir setzen an den vorhandenen Fähigkeiten und Kenntnissen unserer Besucherinnen und Besucher<br />
an und zeigen ihnen Möglichkeiten, diese zu vertiefen und auszubauen. Natürlich stehen wir auch in<br />
konkreten Problemsituationen als sog. „Feuerwehr“ zur Verfügung. Aus der Erfahrung heraus sehen wir<br />
jedoch, dass eine adäquate Vorbereitung der Menschen auf mögliche Problemsituationen die langfristig<br />
bessere Methode ist. Hierzu konzipieren wir für die unterschiedlichen Altersgruppen entsprechende<br />
Projekte, wie z. B.:<br />
• Gruppenspezifische Sprachförderung<br />
• Gesundheits-/Ernährungskurse<br />
• Psychomotorik-/Sportangebote, Elternfitnesstraining<br />
• Naturerkundungen und erlebnispädagogische Einheiten<br />
• Schullaufbahn- und Bildungsberatung, berufliche Orientierung<br />
• berufliche und lebenspraktische Weiterbildungen im PC- und Handwerksbereich<br />
• Angebote im Bereich Konfliktlösungsstrategien, Gewaltprävention und Mediation<br />
• Kultur-/Weltreisen<br />
• Theater- und Musikgruppen, Lese-/Literaturwettbewerbe<br />
• allgemeine Lebensberatung vor Ort<br />
99
Ausblick<br />
Im Vergleich zu den vergangenen Jahren zeigte sich eine wesentlich höhere Bereitschaft der Klientinnen<br />
und Klienten, an verschiedenen Bildungsangeboten, besonders für Erwachsene, teilzunehmen. Die Bereitschaft,<br />
die deutsche Sprache zu erlernen, auch wenn die Betroffenen sich seit längerer Zeit in der<br />
BRD aufhalten, steigt offensichtlich. Die Notwendigkeit, für verschiedene spezifische Gruppen passende,<br />
differenzierte Bildungs- und Beratungsangebote zur Verfügung zu stellen, stößt in der Praxis auf organisatorische<br />
sowie auf finanzielle Hindernisse.<br />
Hier sehen wir engere Kooperation und gegenseitige Unterstützung zwischen der Stadtverwaltung,<br />
Bildungsträgern, freien Trägern, Migrantenvereinen und anderen Akteuren der Bildungs- und Beratungsarbeit<br />
in <strong>Darmstadt</strong> als erforderlich an.<br />
Berichte von Behörden<br />
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF)<br />
Silvia Abel<br />
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat seinen zentralen Sitz in Nürnberg und verfügt über<br />
23 Regionalstellen in den Bundesländern. Mit dem seit 1. Januar 2005 in Kraft getretenen Zuwanderungsgesetz<br />
wurden wesentliche konzeptionelle und Steuerungsaufgaben auf dem Gebiet der Integrationsförderung<br />
gebündelt und dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge als Kompetenzzentrum<br />
Integration übertragen. In diesem Rahmen ist das Bundesamt zuständig für die:<br />
• Konzeption und Durchführung der Integrationskurse sowie für die Zulassung der Lehrkräfte<br />
und deren Qualifizierung, für die Zulassung der Kursträger, die Konzeption der Tests, Prüfungen<br />
und Lehrwerke<br />
• Förderung und Neuausrichtung der Einrichtungen zur Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer<br />
• fachliche Zuarbeit für die Bundesregierung auf dem Gebiet der Integrationsförderung und der<br />
Erstellung von Informationsmaterial über Integrationsangebote von Bund, Ländern und Kommunen<br />
für Ausländer/innen und Spätaussiedler/innen<br />
• Entwicklung eines bundesweiten Integrationsprogramms<br />
• Förderung von gemeinwesenorientierten Projekten und Maßnahmen, die der gesellschaftlichen<br />
Integration von Ausländern und Spätaussiedlern dienen<br />
• Durchführung von niedrigschwelligen Seminarmaßnahmen für Frauen<br />
• Organistion der Durchführung des Einbürgerungstestverfahrens<br />
• Aufnahmeverfahren für jüdische Zuwanderer/innen aus der ehemaligen Sowjetunion<br />
• Verteilung von Fördergeldern der Europäischen Union (Europäischer Flüchtlingsfonds) zur Aufnahme,<br />
Integration und freiwilligen Rückkehr von Flüchtlingen, Vertriebenen und Asylbewerbern.<br />
Integrationskurse<br />
Hauptschwerpunkt ist die Durchführung der Integrationskurse, da Sprache als der Schlüssel zur Integration<br />
gilt. Berechtigungen zur Teilnahme an einem Integrationskurs werden entweder im Rahmen der<br />
Zuständigkeit des Aufenthaltsgesetzes durch die Ausländerbehörde, durch den Träger der Grundsicherung,<br />
durch das Bundesverwaltungsamt für Spätaussiedler oder aber vom Bundesamt für Migration und<br />
Flüchtlinge erteilt.<br />
Allgemeine Integrationskurse berechtigen zur Teilnahme an einem Sprachkurs mit 600 Unterrichtsstunden<br />
sowie der Teilnahme an einem 45-stündigen Orientierungskurs mit anschließender standardisierter<br />
Prüfung. Der vom Bundesamt zur Durchführung von Integrationskursen zertifizierte Träger führt mit<br />
100
dem Teilnehmer einen Einführungstest durch. Sollte sich dabei ein besonderer Förderbedarf herausstellen,<br />
steht dem Teilnehmer die Möglichkeit des Besuchs von Spezialkursen offen. Neben Alphabetisierungs-<br />
und Jugendkursen mit einem Stundenkontingent von 900 Stunden stehen auch spezielle<br />
Frauen- und Elternkurse dieses erhöhten Kontingents zur Verfügung, um der besonderen Situation der<br />
Lernenden gerecht zu werden. Bei der letztgenannten Kursart finanziert das Bundesamt ebenfalls eine<br />
Kinderbetreuung. Besonders schnell Lernenden steht die Möglichkeit eines Intensivkurses offen.<br />
In <strong>Darmstadt</strong> haben 12 Träger die Zulassung zur Durchführung von Integrationskursen. Davon bieten<br />
10 Träger derzeit tatsächlich Kurse an. 2 Sprachkursträger führen Integrationskurse mit Alphabetisierung<br />
durch, 1 Träger bietet Jugendkurse und 2 Träger bieten Frauen- bzw. Elternkurse mit Kinderbetreuung<br />
an.<br />
Seit 2005 wurden in <strong>Darmstadt</strong> 303 Integrationskurse durchgeführt. Einzelne Ergebnisse zu Teilnehmerzahlen<br />
und Erfolgsquoten, die die Daten bezogen auf einzelne Kommunen wiedergeben, stehen derzeit<br />
nicht zur Verfügung. Es kann allerdings auf die auf der Homepage des Bundesamtes (www.bamf.de)<br />
veröffentlichte Integrationsstatistik verwiesen werden.<br />
Gerade die Durchführung von Frauenkursen stellt sich in <strong>Darmstadt</strong> immer wieder als problematisch<br />
dar, da der Nachfrage für diese spezielle Teilnehmergruppe mit den besonderen Bedarfen (speziell der<br />
Kinderbetreuung) kein entsprechendes Angebot gegenübersteht (s. hierzu auch Ausführungen unter IV.1.<br />
Frauenkurse durch den Caritasverband in <strong>Darmstadt</strong>).<br />
Migrationsberatung für Erwachsene<br />
Aus Bundesmitteln werden in <strong>Darmstadt</strong> 1,945 Stellenanteile (Stand 2010) zur Durchführung der<br />
Migrationsberatung für Erwachsene (MBE) gefördert. Durchgeführt wird sie von den Trägern der Wohlfahrtsverbände,<br />
das sind in <strong>Darmstadt</strong> das Diakonische Werk, der Caritasverband sowie das Deutsche<br />
Rote Kreuz und die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland. Zur Migrationsberatung für Erwachsene<br />
und zum Jugendmigrationsdienst siehe Kapitel IV.1.<br />
Projektförderung<br />
Das Bundesamt fördert in <strong>Darmstadt</strong> das gemeinwesenorientierte Projekt „BürgerInnen fördern Integration“<br />
mit einer 2012 endenden dreijährigen Laufzeit. Ziel dieses in Kranichstein angesiedelten Projektes<br />
ist die Stärkung des Freiwilligenengagements der einheimischen wie auch der zugewanderten Einwohner<br />
sowie die Stärkung und Professionalisierung der Migrantenselbstorganisationen.<br />
Weiterhin wird ein Jugendprojekt in Trägerschaft des Sozialkritischen Arbeitskreises (SKA) mit Namen<br />
„Jungs, Jungs, Jungs“ in Eberstadt gefördert. Der 3-jährige Förderzeitraum endete im Sommer 2011.<br />
Zielgruppe des Projekts waren männliche zugewanderte junge Menschen und Einheimische der Jahrgangsstufe<br />
7 bis 10 aus „bildungsfernen“ Milieus mit einer Affinität zu Fremdenfeindlichkeit und Gewaltbereitschaft,<br />
die bisher durch Gewaltpräventionsangebote schlecht oder nicht zu erreichen waren.<br />
Niedrigschwellige Seminarmaßnahmen für Frauen<br />
Darüber hinaus setzten der Sozialkritische Arbeitskreis (SKA) wie auch der Internationale Bund (IB) in<br />
<strong>Darmstadt</strong> niedrigschwellige, vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge geförderte Angebote für<br />
Frauen um, gefördert werden vom Bundesamt 100 Stunden pro Teilnehmerin.<br />
Maßnahmen im Rahmen des Europäischen Integrationsfonds (EIF) und des Europäischen Sozialfonds<br />
(ESF) in Zuständigkeit des BAMF<br />
In <strong>Darmstadt</strong> hat im Auswahlverfahren ein Projektträger den Zuschlag für die Durchführung von berufsbezogenen<br />
Sprachkursen im Rahmen der Förderung durch ESF Mittel erhalten. Es wurden bislang<br />
2 Kurse durchgeführt. Berufsbezogene Sprachförderung hat einen Umfang von 700 Stunden.<br />
Über Mittel des EIF wurde im Stadtteil Waldkolonie ein Strukturprojekt „Waldkolonie2020“, durchgeführt<br />
durch den Träger SKA, gefördert.<br />
101
Netzwerkarbeit<br />
Unter Federführung der Regionalkoordinatorin finden 3- bis 4-mal pro Jahr seit 2005 Koordinierungstreffen<br />
mit allen Akteuren vor Ort (also Kursträgern, MBE, JMD, <strong>Interkulturelles</strong> <strong>Büro</strong>, Trägern der<br />
Grundsicherung, Ausländerbehörde, Projektträgern) statt. Das Netzwerk befördert den Informationsaustausch<br />
auf allen Ebenen und dient der Weiterentwicklung der Integrationsarbeit vor Ort.<br />
Seit 2005 nimmt das Bundesamt am Arbeitskreis Migration und Sozialarbeit (AK Miso) teil. Hier finden<br />
Informationsaustausch und Kommunikation zwischen den Akteuren vor Ort (Wohlfahrtsverbänden,<br />
Projektträgern, dem Ausländerbeauftragten der Polizei, dem Interkulturellen <strong>Büro</strong>, Quartiermanagern<br />
aus den Stadteilwerkstätten, Sozialbehörden) statt, Bedarfe in der Kommune werden formuliert und<br />
Lösungen gesucht. So wurde bereits 2007 eine Kooperationsvereinbarung mit dem Träger der Grundsicherung<br />
geschlossen.<br />
Wünschenswert wäre hier noch eine weitere Einbindung von staatlichem und städtischem Schulamt<br />
sowie den für die Kindergärten und Kindertagesstätten zuständigen Ämtern, um auch eine bessere Verzahnung<br />
von Angeboten zu forcieren.<br />
Problematisch ist für alle Träger immer wieder die Raumsituation, die es erschwert, in den Sozialräumen<br />
auch Angebote realisieren zu können. Insbesondere wird kritisch gesehen, dass eine optimale Raumnutzung<br />
vorhandener Kapazitäten nicht ermöglicht wird.<br />
Jobcenter <strong>Darmstadt</strong><br />
Elke Jokisch<br />
Nach einer Statistik des Amtes für Wirtschaft und Stadtentwicklung betrug der Ausländeranteil der im<br />
September 2010 in <strong>Darmstadt</strong> lebenden Menschen 16,1 %. Stellen wir diesem den Anteil ausländischer<br />
Mitbürger gegenüber, die sich zum gleichen Zeitpunkt im Arbeitslosengeld II Bezug des Jobcenters<br />
<strong>Darmstadt</strong> befanden, so war dieser mehr als doppelt so hoch, nämlich 34,6 %. Nicht erfasst in dieser<br />
Erhebung ist die Anzahl der Zuwanderer, die die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen. Gesagt sei,<br />
dass sich diese Menschen zwar im Besitz eines deutschen Passes befinden, ihre persönliche und berufliche<br />
Problematik jedoch oftmals mit der der Zielgruppe verglichen werden kann.<br />
Allein diese Zahlen und Fakten verdeutlichen, dass Migrantinnen und Migranten überproportional mehr<br />
von Arbeitslosigkeit bedroht und betroffen sind als andere Menschen in der Bevölkerung. Die Gründe<br />
hierfür sind vielfältig. Die Hauptursachen liegen in mangelnden Sprachkenntnissen, in fehlenden Schul-<br />
und Berufsausbildungen sowie in der Nichtanerkennung ihrer in der Heimat erworbenen Studien- und<br />
Berufsabschlüsse.<br />
Auf diese Sachverhalte bezogen, ergeben sich für das Jobcenter <strong>Darmstadt</strong> folgende Handlungsfelder:<br />
Die im Auftrag des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge durchgeführten Integrationskurse<br />
werden durch das Jobcenter <strong>Darmstadt</strong> vermittelt, d. h. die Arbeitslosengeld II-Empfängerinnen und<br />
Empfänger werden beraten und verpflichtet.<br />
Da die im Integrationskurs erworbenen Sprachkenntnisse für den allgemeinen Arbeitsmarkt oft nicht<br />
ausreichen, werden zusätzlich berufsbezogene Integrationskurse aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds<br />
angeboten.<br />
Ein besonderer Fokus wird auf das Förderprogramm „Perspektive Berufsabschluss“ gelegt, da bei<br />
Menschen mit Migrationshintergrund ein hoher Nachqualifizierungsbedarf festgestellt wurde. Das<br />
Programm sieht zudem umfangreiche Hilfen vor, um im Dschungel der Annerkennungsverfahren professionelle<br />
Unterstützung erhalten zu können – sprich – um die im Heimatland erworbenen Schul- und<br />
Bildungsabschlüsse anerkannt zu bekommen.<br />
102
Qualifizierungsmaßnahmen und Weiterbildungen für Migrantinnen und Migranten stehen zur Verfügung,<br />
um Kenntnisse und Fertigkeiten an aktuelle Arbeitsmarktbedingungen anpassen zu können. Alle Maßnahmen<br />
und Bildungsangebote des Jobcenters <strong>Darmstadt</strong> sind auch für Menschen mit Migrationshintergrund<br />
aufgestellt und zugänglich. Weitergehende Hilfen werden durch individuelle Förderungen<br />
angeboten, die sich am konkreten Bedarf des Einzelfalls ausrichten.<br />
Um die Integration dieser Personengruppe auf breiter Basis zielgerecht und ganzheitlich zu unterstützen,<br />
wurde Anfang 2007 eine Kooperationsvereinbarung mit den Migrationserstberatungsstellen<br />
abgeschlossen. Danach werden Arbeitskreise und Koordinationstreffen regelmäßig von Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeitern des Jobcenters besucht. Die Teilnahme an den vierteljährlichen Treffen des Arbeitskreises<br />
„Migration und Sozialarbeit“ unterstützt und fördert die Kontakte zu den jeweiligen Trägern und<br />
Beratungsstellen in <strong>Darmstadt</strong> und Umgebung. Sie bietet den einzelnen Akteuren die Möglichkeit, ihre<br />
unterschiedlichen Arbeitsfelder (kritisch) zu beleuchten, aufeinander abzustimmen, Ideen und Projekte<br />
vorzustellen sowie wichtige Informationen auszutauschen.<br />
Durch all diese Maßnahmen sollen weitergehende wie auch weiterreichende Voraussetzungen für eine<br />
Integration dieser Menschen in die Gesellschaft und in den Arbeitsmarkt geschaffen werden.<br />
Polizeidirektion <strong>Darmstadt</strong>-Dieburg<br />
Hasan Tatligün<br />
Einleitung<br />
Die Arbeit des Migrationsbeauftragten (MIB) der Polizeidirektion <strong>Darmstadt</strong>-Dieburg (PD DA-DI) ist vielschichtig.<br />
Er ist im Rahmen seines Arbeitskonzeptes und seiner Auftragsstellung Mentalitätsvermittler<br />
zwischen der Polizei und den MigrantenInnen in seinem Zuständigkeitsbereich.<br />
Neben der behördeninternen Tätigkeit kooperiert der Migrationsbeauftragte der PD DA-DI wegen seiner<br />
Querschnittsaufgaben mit allen kommunalen Ämtern und Institutionen, den Wohlfahrtsverbänden und<br />
sonstigen Einrichtungen, die für MigrantInnen Beratungen anbieten. Die Institutionen, deutsche und<br />
ausländische Bürgerinnen und Bürger können seine Informations-, Beratungs- und Betreuungsangebote<br />
aber auch direkt in Anspruch nehmen.<br />
2009 war die Prävention, wie in den letzten Jahren, ein Schwerpunkt der Arbeit. Unter anderem wurden<br />
Familien betreut und beraten, deren Kinder durch ihr Verhalten in der Öffentlichkeit oder in der Schule<br />
auffällig wurden. Die Eltern waren in der Regel mit den vielschichtigen Problemen überfordert.<br />
Ein weiterer Schwerpunkt 2009 war der „Dialog mit Muslimen“ und interne bzw. externe Aufklärung<br />
zum Thema „Zwangsheirat und Ehrenmorde“. Intern bedeutet eine sehr intensive Zusammenarbeit mit<br />
der Abteilung Einsatz, dem zentralen Kommissariat Staatschutz und den Polizeistationen und Revieren<br />
der Direktion. Selbstverständlich wurde in diesem Kontext nach außen eng mit den islamischen Vereinen<br />
und Kultureinrichtungen sowie Schulen und Beratungseinrichtungen zusammengearbeitet.<br />
Die Beobachtung der politischen und religiösen Entwicklung sowie ihre Auswirkungen auf die hier lebenden<br />
MigrantInnen bilden einen weiteren wichtigen Aufgabenbereich. In Zeiten einer globalen terroristischen<br />
Bedrohung, gilt es insbesondere Ängsten und Vorurteilen sowie interkulturellen Missverständnissen<br />
entgegenzuwirken, um ein vertrauensvolles Zusammenleben von Menschen aus unterschiedlichen<br />
Kulturkreisen und Ländern zu ermöglichen. Nur so können ungerechtfertigte Stigmatisierungen bis hin<br />
zu offenen Diskriminierungen verhindert werden.<br />
103
Schwerpunkt der Arbeit im Jahr 2009<br />
Zentrales Ziel ist die Förderung des Dialoges zwischen der Polizei als Sicherheitspartner und den<br />
verschiedenen Ethnien, um ein Verhältnis zu schaffen, das von Wissen, Verständnis und gegenseitiger<br />
Akzeptanz geprägt ist und einen Beitrag zur gesellschaftlichen Integration der Migrantinnen und Migranten<br />
leistet.<br />
Dialog mit Muslimen<br />
Seit dem 6.12.2006 gibt es bei der PD DA-DI feste polizeiliche Ansprechpartner für die islamischen Gemeinden.<br />
Die Ansprechpartner unterstützen und ergänzen auf der Ebene der Polizeistationen die Arbeit<br />
des Migrationsbeauftragten.<br />
Die Ansprechpartner beteiligten sich aktiv an der Umsetzung des Konzeptes „Vertrauensbildende<br />
Maßnahmen – Dialog mit den Muslimen“. Dadurch konnten die bereits bestehenden Kontakte mit den<br />
islamischen Gemeinden gepflegt, vertieft und ausgebaut werden.<br />
Die Bereitschaft zur Zusammenarbeit ist von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich. Die häufigsten<br />
Gründe, dass der Dialog seitens der muslimischen Gemeinden nicht aktiv gesucht wird, sind in der<br />
Regel interne Strukturprobleme der Moscheevereine.<br />
Besuch der DITIB-Moschee in <strong>Darmstadt</strong><br />
Am Mittwoch, 30.9.2009, besuchte die Führung der PD DA-DI im Rahmen des Konzepts „Vertrauensbildende<br />
Maßnahmen – Dialog mit Muslimen“ die DITIB-Moschee in der Riedstr.16, in <strong>Darmstadt</strong>. Der<br />
Besuch der islamischen Gemeinde fand unter dem Motto „Durch den Dialog die vorhandenen Vorbehalte<br />
abbauen und das gegenseitige Vertrauen stärken“ statt. Die Führung der PD DA-DI und der Vorstand<br />
der DITIB-Moschee wollen durch derartiges Zusammenkommen erreichen, dass alle Partner sich noch<br />
weiter öffnen, und dass der bestehende Dialog zwischen der Polizei und den Muslimen fortgesetzt bzw.<br />
weiter gefördert wird.<br />
Vermittlung zwischen den Konfliktparteien mit Migrationhintergrund<br />
Die zeitnahe Intervention des Migrationsbeauftragten kann Konflikte bereits in der Entstehungsphase<br />
entschärfen und deeskalieren. Das schnelle Handeln, ohne Einschaltung der Polizei, erleichtert die<br />
Schlichtung und trägt zu einem friedlichen Miteinander zwischen Einheimischen und Zuwanderern bei.<br />
Typische Fälle der Konfliktbearbeitung und Vermittlung:<br />
• Nachbarschaftsstreit<br />
• Auseinandersetzung unter Jugendlichen<br />
• Konflikte mit Jugendlichen (Generationskonflikte)<br />
• Interkulturelle Konflikte<br />
• Krisen in Familien<br />
Der Migrationsbeauftragte wird bei Konflikten nicht nur von polizeilichen Sachbearbeitern zu Rate<br />
gezogen, sondern auch von den Migrationsberatungsstellen, Schulsozialarbeiter, Ausländerbeiratsmitglieder<br />
und sonstige Organisationen, wie Stadtteilwerkstätten, informiert. Häufig wenden sich auch<br />
Betroffene direkt an den Migrationsbeauftragten.<br />
Beratung ratsuchender Klienten<br />
Das Beratungsangebot des Migrationsbeauftragten wird von Eltern, Jugendlichen und vor allem von den<br />
staatlichen und kommunalen Einrichtungen und Institutionen gern in Anspruch genommen.<br />
Die Beratung von Familien ist ein sehr sensibler Bereich. Man muss selbst als Migrationsbeauftragter<br />
sehr genau darauf achten, was und vor allem wie man bestimmte Sachverhalte und Informationen weitergeben<br />
bzw. thematisieren kann.<br />
Infoveranstaltungen und Vortragstätigkeiten<br />
Durch die enge Zusammenarbeit mit den Schulen und Jugendeinrichtungen konnten viele Jugendliche<br />
erreicht und unterschiedliche kriminalpräventive Themen erarbeitet werden.<br />
104
Der Migrationsbeauftragte hielt im Rahmen der kriminalpräventiven Arbeit eine Reihe von Vorträgen in<br />
Moscheen und Migrantenvereinen und führte Unterrichtseinheiten in Schulen durch. Die Themen waren:<br />
Jugendkriminalität, Drogenmissbrauch, Häusliche Gewalt, Erziehungs-, Bildungs- und Integrationsproblematik.<br />
Die Zusammenfassung der Aufgabenbeschreibung der Migrationsbeauftragten der Hessischen Polizei<br />
• Aufklärung der MigrantInnen über Aufgaben, Rechte und Pflichten der Polizei<br />
• Unterstützung polizeilicher Maßnahmen durch soziokulturelle Hintergrundinformationen<br />
• Beratung und Betreuung ratsuchender MigrantInnen bei allen polizeispezifischen Angelegenheiten<br />
• Beratung von Jugendeinrichtungen und Schulen bei Jugendgefährdungen und -verfehlungen<br />
• Familienintervention, Betreuung und Beratung von gefährdeten Kindern, straffällig gewordenen<br />
Jugendlichen und Heranwachsenden<br />
• Zusammenarbeit mit allen in der Migranten- und Integrationsarbeit tätigen Organisationen<br />
• Vermittlung interkultureller Kompetenz<br />
• Schlichtung bei interkulturellen Konflikten<br />
• Betreuung von MigrantInnen als Opfer und Zeugen<br />
• Abbau von Vorurteilen, Misstrauen und Ängsten<br />
• Erarbeitung und Durchführung von Präventionsmaßnahmen.<br />
Sozialberatung Studentenwerk <strong>Darmstadt</strong><br />
Andrea Lembke<br />
Das Studentenwerk <strong>Darmstadt</strong> fördert die etwa 35.000 Studierenden der Technischen Universität<br />
<strong>Darmstadt</strong> und der Hochschule <strong>Darmstadt</strong> in ihren sozialen, wirtschaftlichen und gesundheitlichen Belangen.<br />
Neben den Bereichen Wohnen, Mensen und BAföG-Vergabe sind die Beratungsleistungen eines<br />
der Standbeine des Studentenwerks.<br />
Die Sozialberatung bietet Orientierungs- und Klärungshilfe bei einer Vielzahl von Belangen rund ums<br />
Studium und ist Ansprechpartner insbesondere bei sozialen, persönlichen und wirtschaftlichen Fragen<br />
und Problemen. Neben der allgemeinen Beratungsarbeit besteht der Schwerpunkt in der Unterstützung<br />
Studierender in besonderen Situationen, wie internationaler Studierender, Studierender mit Kindern<br />
oder mit Handicap. Die Beratung ist kostenlos, vertraulich und kann neben Deutsch auch auf Englisch<br />
oder Spanisch erfolgen. Die Beratungsstelle ist seit 2008 mit 2 Teilzeitstellen besetzt. Der Gesamtumfang<br />
betrug 2010 1,5 Stellen.<br />
Die Zahl der Beratungsanfragen ist in 2010 gegenüber dem Vorjahr um ca. 21 % gestiegen. Insgesamt<br />
1.028 Studierende nahmen das Angebot wahr und ließen sich im persönlichen Gespräch, telefonisch<br />
oder per E-Mail beraten. Die häufigsten Themen waren Fragen zur Studienfinanzierung einschließlich<br />
Jobsuche und Arbeitsrecht, Wohnen, Krankenversicherung, Kinderbetreuung, Behinderung oder Erkrankung,<br />
persönliche oder studienbezogene Entscheidungsfragen sowie bei internationalen Studierenden<br />
Fragen zum Aufenthaltsrecht.<br />
Internationale Studierende<br />
Bei der Zielgruppe der internationalen Studierenden handelt es sich überwiegend um Studierende aus<br />
Nicht-EU-Ländern, die eigens zum Zweck des Studiums nach Deutschland einreisten und aufenthalts-<br />
und arbeitsrechtlich besonderen Auflagen unterliegen.<br />
Ein deutlicher Zuwachs lag 2010 im Beratungsbedarf von internationalen Studierenden in englischsprachigen<br />
Masterstudiengängen bzw. PHD Students, die im Alltag aufgrund der für das Studium nicht erforderlichen<br />
Deutschkenntnisse verstärkte Unterstützung benötigten. Gestiegen sind auch die Anfragen<br />
von allein erziehenden ausländischen Studierenden, insbesondere zum Thema Kinderbetreuung und<br />
Studienorganisation. Um dem steigenden Beratungsbedarf zu entsprechen, wurden neben der Erweiterung<br />
der Sprechzeiten zur Intensivierung der fallbezogenen Betreuung auch flankierende Maßnahmen<br />
105
im präventiven Bereich, insbesondere in themenspezifischer Gruppenberatung bzw. in Workshops weiterentwickelt.<br />
Durch die verstärkte Präsenz bei Begrüßungsveranstaltungen wird zudem seit längerem<br />
versucht, die bei Studierenden aus dem Ausland häufiger bestehenden Schwellenängste abzubauen und<br />
sie zu ermutigen, frühzeitig zu uns zu kommen.<br />
Projekte<br />
Mit dem Wohnheimtutoren-Programm des Studentenwerkes und „comeTUgether“, dem Kooperationsprojekt<br />
mit der TU, stehen ergänzend dazu zwei niedrigschwellige Beratungsangebote für die Zielgruppe<br />
zur Verfügung. Beide Projekte werden von der Sozialberatung koordiniert.<br />
Bei den WohnheimtutorInnen handelt es sich um internationale Studierende, die neu zugezogenen<br />
Studierenden aus dem Ausland Orientierung geben und beim Einleben am neuen Studienort und im<br />
Wohnheim helfen. Sie sind Ansprechpartner für Fragen der Alltagsorganisation, begleiten zu Behörden<br />
und organisieren Partys und Exkursionen in die nähere Umgebung. Der Einsatz von Tutorinnen und Tutoren<br />
mit eigenem Migrationshintergrund, die so ihre spezifischen Erfahrungen und ihr Sprachpotenzial<br />
einbringen können, hat sich bewährt. 2010 waren 9 Tutoren aus 8 unterschiedlichen Ländern mit ca.<br />
15 verschiedenen Sprachen für uns tätig.<br />
„comeTUgether“ ist ein studentisches Beratungs- und Informationsbüro in der Mensa Stadtmitte, von<br />
dem internationale Studierende konkrete Hilfestellung, z. B. bei der Suche nach einem Nebenjob oder<br />
der Kommunikation mit Behörden, erhalten können. Die Beratung erfolgt durch qualifizierte TutorInnen,<br />
die z. T. schon sehr lange im Projekt mitarbeiten. Bei komplexeren Problemlagen gewährleisten sie die<br />
Weiterleitung an die entsprechenden Beratungsstellen und bahnen den Kontakt an.<br />
Netzwerkarbeit<br />
Die Sozialberatung arbeitet eng vernetzt mit den Einrichtungen der Hochschulen und der Studierendengemeinden,<br />
den kirchlichen Trägern und den Einrichtungen der Stadt <strong>Darmstadt</strong> zusammen und nimmt<br />
an verschiedenen Arbeitskreisen und Workshops teil. Da den meisten der bei uns ratsuchenden internationalen<br />
Studierenden per Aufenthaltstitel der Zugang zu Sozialleistungen versagt ist, sind die Kontakte<br />
zu den außeruniversitären Einrichtungen jedoch häufig auf den Einzelfall beschränkt. Insbesondere die<br />
Teilnahme am AK „Migration und Sozialarbeit“ des Interkulturellen <strong>Büro</strong>s ermöglicht es den Beraterinnen,<br />
darüber hinaus mit den städtischen und freien Trägern in kontinuierlichem Austausch zu stehen<br />
und in aktuelle Entwicklungen eingebunden zu sein.<br />
106
2. Gesundheit<br />
Berichte der Träger im Gesundheitswesen<br />
Darmstädter Kinderkliniken Prinzessin Margaret<br />
Dr. Norbert Kohl<br />
In der Ambulanz der Kliniken Prinzessin Margret werden zahlreiche Patientinnen und Patienten mit<br />
psychosomatischen Krankheiten vorgestellt. Auch bei Kindern und Jugendlichen wird eine Zunahme von<br />
psychosomatischen Erkrankungen beobachtet. Dabei gibt es keine statistischen Daten zum Anteil der<br />
Kinder und Jugendlichen mit Migrationshintergrund.<br />
Stationär wurden in der psychosomatischen Abteilung der Klinik von Januar bis Mitte November des<br />
Jahres 2008 insgesamt 85 Kinder und Jugendliche (bis 18 Jahre) behandelt. Davon hatten 10 eine<br />
nichtdeutsche Nationalität, vier davon waren türkisch. Von den verbleibenden 75 Patientinnen und Patienten<br />
hatten wiederum 13 einen Migrationshintergrund.<br />
Bei den insgesamt 23 (27 %) mit ausländischer Nationalität bzw. Migrationshintergrund spielte der<br />
interkulturelle Zusammenhang bei der Krankheitsentstehung und auch in der Therapie etwa in der<br />
Hälfte der Fälle eine große Rolle. Als traumatisiert im engeren Sinne angesehen werden müssen 9 (das<br />
sind fast 40 %) der genannten Patientinnen und Patienten. Bei zwei von ihnen war die Migration selbst<br />
traumatisierend, ebenfalls bei zwei gab es außerhäusliche Gewalt und häusliche Gewalt bzw. sexueller<br />
Missbrauch lag bei weiteren zwei PatienInnen vor. Im Vergleich: Bei deutschen Patientinnen und<br />
Patienten ohne Migrationshintergrund war die Rate der Traumatisierten deutlich geringer (5 von 62,<br />
das sind 8 %).<br />
Zunehmend werden die Ärztinnen und Ärzte der Klinik bei ihren Patientinnen und Patienten mit Migrationshintergrund<br />
mit einer Scheidungsproblematik und deren Folgen konfrontiert.<br />
Das Vorgehen in der Therapie bei Patientinnen und Patienten mit Migrationshintergrund erfordert besondere<br />
interkulturelle Kenntnisse und entsprechendes Fingerspitzengefühl. Manchmal stoßen Therapie<br />
und empfohlene Nachsorgemaßnahmen auch an die Grenzen kultureller Bedingtheit, so dass notwendige<br />
Änderungen im Familiensystem schwierig zu erreichen sind. Dies trifft besonders auf Patientinnen<br />
und Patienten aus dem Nahen und Mittleren Osten zu.<br />
DemenzForum<strong>Darmstadt</strong> e.V.<br />
Dorothee Munz-Sundhaus<br />
Träger<br />
• Eingetragener Verein<br />
Aufgabenbereiche<br />
• Anlauf- und Informationsstelle für Menschen mit Demenz und ihre Familien<br />
• Durchführung von Seminaren und Gesprächsgruppenangeboten für Angehörige von Menschen<br />
mit Demenz<br />
• Angebote von niedrigschwelliger Begleitung, Unterstützung und Betreuung für Menschen mit Demenz<br />
• Wohnangebote für Menschen mit Demenz<br />
• Fortbildungsangebote für verschiedene Berufsgruppen<br />
• Öffentlichkeitsarbeit durch Veranstaltungen und Presseartikel<br />
• Netzwerkarbeit<br />
107
Zielgruppen<br />
• Menschen mit Demenz und ihre Familien<br />
• Berufstätige mit „Kundenkontakt“ – mit dem Ziel der Sensibilisierung für den Umgang<br />
mit Menschen mit Demenz, z. B. Polizei, Feuerwehr, Bankangestellte<br />
• etc.<br />
• Öffentlichkeit – mit dem Ziel der Lobbyarbeit und der Sensibilisierung für den Umgang<br />
mit Menschen mit Demenz<br />
• Kirchengemeinden<br />
• Seniorennachmittage<br />
• Communities & Vereine<br />
• Bürgerschaftlich engagierte Menschen, die Menschen mit Demenz begleiten wollen<br />
Inhalte<br />
• Individuelles Beratungsangebot<br />
Unterstützung in der belasteten Lebenssituation<br />
Verständnis und ressourcenorientierter Umgang mit Menschen mit Demenz<br />
Hinweise zur Pflegeversicherung<br />
Hinweise zur Vorsorgevollmacht / gesetzlichen Betreuung<br />
Weitervermittlung an kooperierende Stellen<br />
• Angebote für Menschen mit Demenz<br />
• Einzelbegleitung<br />
• Gruppennachmittag<br />
• Ziele<br />
• Erhaltung der Kompetenzen und Ressourcen<br />
• Soziale Kontakte<br />
• Entlastung der Angehörigen<br />
• Öffentlichkeitsarbeit – Entwicklung der „Demenzfreundlichen Stadt <strong>Darmstadt</strong>“<br />
• Vorträge<br />
• Bilderausstellungen / Autorenlesungen / Filmnachmittage<br />
• Presseartikel / Radiobeiträge<br />
• Bürgerschaftlich engagierte Menschen<br />
• Mitarbeit in den Angeboten des DemenzForum<strong>Darmstadt</strong> e.V.<br />
• Nachbarschaftliche Unterstützung von Menschen mit Demenz<br />
Spezifische Angebote für MigrantInnen<br />
Die ausländische Bevölkerung in <strong>Darmstadt</strong>, die über 65 Jahre alt ist, betrug im Jahr 2010 in der Gesamtsumme<br />
1.639 Menschen. Die Prävalenzrate bei den über 65-jährigen Menschen, an einer Demenz<br />
zu erkranken, liegt bei 6,9 %. Damit wären 114 Menschen mit Migrationshintergrund in <strong>Darmstadt</strong> von<br />
einer Demenz betroffen. Aktuell kann der Verein noch keine spezifischen Angebote für MigrantInnen<br />
vorhalten. Alle Angebote des Vereins gelten ebenfalls für MigrantInnen, die im Einzelfall sowohl in der<br />
Beratung als auch bei der Betreuung von Menschen mit Demenz in Anspruch genommen werden.<br />
In der Regel nutzen MigrantInnen das Angebot, wenn andere (Unterstützungs-)Stellen sie an den Verein<br />
weitervermittelt haben.<br />
Perspektiven<br />
Das DemenzForum<strong>Darmstadt</strong> e.V. weiß um die Notwendigkeit, dass Menschen mit Migrationshintergrund<br />
ggf. besondere Angebote für ihre an Demenz erkrankten Angehörigen brauchen. Die aktuelle Inanspruch -<br />
nahme der bestehenden Angebote weist diese deutliche Nachfrage (noch) nicht auf. Bei den laufenden<br />
Angeboten und Projekten sind Menschen mit Migrationshintergrund als Personenkreis immer mit im<br />
Blick. In jedem Fall wird das DemenzForum<strong>Darmstadt</strong> e.V. zeitnah auf steigende Bedarfe reagieren<br />
(können) und plant eine zugehende Aufklärung über „Demenz“ in den einzelnen Communities in <strong>Darmstadt</strong><br />
– immer in Abhängigkeit von den finanziellen und personellen Ressourcen des Vereins.<br />
108
Deutscher Kinderschutzbund Bezirksverband <strong>Darmstadt</strong> e.V.<br />
Astrid Zilch<br />
Statistische Daten<br />
In 2008 haben wir in der Beratungsstelle 168 Personen beraten, davon hatten 36 einen Migrationshintergrund<br />
(21,43 %). In 2009 hatten von den 169 Personen, die von uns persönlich beraten wurden,<br />
13 einen Migrationshintergrund (7,7 %). Ähnlich wie bei deutschen Familien sind es auch bei den Migrantinnen<br />
und Migranten mehr Frauen als Männer, die das Beratungsangebot nutzen.<br />
Im „Betreuten Umgang“ hatten im Jahr 2008 von 46 Familien, die wir betreut haben, 14 einen Migrationshintergrund<br />
(30,44 %), 8 Familien waren binational (17,4 %). Im Jahr 2009 waren von 52 Familien<br />
12 Migrantinnen oder Migranten (23,08 %) und 11 binational (21,16 %).<br />
Spezielle Angebote für Migrantinnen und Migranten gibt es im Kinderschutzbund nicht. Bei Beratungsgesprächen<br />
oder im „Betreuten Umgang ist“ es aber möglich, dass wir bei Bedarf Dolmetscherinnen /<br />
Dolmetscher hinzuziehen.<br />
Bedarfslage<br />
Folgende Problemlagen – zusätzlich zu den Sprachschwierigkeiten – treten im Beratungsalltag der<br />
Beratungsstelle und des „Betreuten Umgangs“ auf:<br />
Kulturelle Unterschiede in der Auffassung von Erziehung:<br />
Häufig sind unsere Klientinnen und Klienten nicht darüber informiert, dass es in Deutschland ein Recht<br />
auf gewaltfreie Erziehung gibt.<br />
Kulturelle Unterschiede im Allgemeinen:<br />
Bei der Suche nach Lösungsmöglichkeiten, z. B. beim Umgangsrecht, werden unsere Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter hin und wieder mit Aussagen zum kulturellen Hintergrund konfrontiert, die ihnen bisher<br />
nicht bekannt waren.<br />
Problemlage beim Einsatz eines Dolmetschers bzw. einer Dolmetscherin:<br />
Dolmetscherinnen und Dolmetscher sind oft nicht in der Lage, unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern<br />
kulturelle Hintergründe zu erklären. Darüber hinaus stellen sich den Beraterinnen und Beratern<br />
immer wieder folgende Fragen:<br />
• Wie wird Trennung / Scheidung im Herkunftsland der Klientinnen und Klienten gehandhabt?<br />
• Welches Verständnis von Erziehung gibt es?<br />
• Wie wird (häusliche) Gewalt eingeschätzt? Gibt es überhaupt (gesetzliche) Reglementierungen<br />
zu diesem Thema?<br />
• Mit welchen Argumenten kann ich Klientinnen und Klienten mit Migrationshintergrund, z. B. aus<br />
Marokko, erreichen?<br />
• Welche Formen der Höflichkeit sollte ich beachten?<br />
Als Deutscher Kinderschutzbund haben wir einen Bedarf für den Einsatz von Integrationsassistentinnen<br />
und Integrationsassistenten. Daher hoffen wir, dass es seitens der Wissenschaftsstadt <strong>Darmstadt</strong> weiterhin<br />
die Möglichkeit gibt, auf dieses Angebot zurückzugreifen.<br />
109
Ehe- und Familienberatung e.V. <strong>Darmstadt</strong><br />
Sabine Mayer<br />
Seit 45 Jahren können sich Menschen in einer Krisensituation an den gemeinnützig arbeitenden Verein<br />
wenden, um kostenfreie Beratung und Hilfe zu finden. Dieses Angebot wird auch von Menschen mit<br />
Migrationshintergrund angenommen.<br />
Ein besonderes Angebot des Vereins ist die Schwangeren- und Schwangerenkonfliktberatung, die über<br />
die Bundesstiftung „Mutter und Kind – Schutz des ungeborenen Lebens“ finanzielle Hilfe zur Baby-<br />
Erstausstattung vermitteln kann. Dieses Angebot wurde 2010 zu 69 % von Migrantinnen wahrgenommen.<br />
Insgesamt erhielten im Jahre 2010 48 Schwangere finanzielle Hilfen bis zu 600,00 €. Von diesen hatten<br />
33 Frauen keine deutsche Staatsangehörigkeit.<br />
Elisabethenstift – Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie<br />
Allgemeines zum gesundheitlichen psychischen Befinden älterer Migrantinnen und Migranten<br />
Dr. Werner Beck<br />
Geringe Ausbildung, harte körperliche Arbeit und oft stressvolle Migrationserfahrungen führen dazu,<br />
dass ältere MigrantInnen überdurchschnittlich an psychischen Problemen (Müdigkeit, Angstgefühlen u.<br />
a.) und an körperlichen Beschwerden (namentlich Rückenschmerzen, Beinschmerzen) leiden. Migrantinnen<br />
und Migranten sind in der Freizeit körperlich inaktiver. Auch eine fatalistische Haltung gegenüber<br />
der Beeinflussbarkeit der Gesundheit ist bei älteren Migrantinnen und Migranten deutlich höher.<br />
Auch Ergebnisse zur psychosozialen Gesundheit sind eindeutig: MigrantInnen leben enger zusammen,<br />
sie haben ein quantitativ und qualitativ schlechteres soziales Netz. Sie fühlen sich häufig einsam und<br />
haben ein schlechteres psychisches Wohlbefinden, was in Einklang mit mehr Behandlungen wegen<br />
psychischer Probleme steht, diese werden allerdings nicht überwiegend durch fachlich kompetente Behandlung<br />
gewährleistet. Insgesamt wird sichtbar, dass die gehäuft auftretenden Krankheitssymptome<br />
älterer MigrantInnen zum einen die arbeitsbedingten hohen körperlichen Belastungen während ihres<br />
Erwerbslebens widerspiegeln. Zum anderen finden sich bei älteren ausländischen Personen gehäuft<br />
Somatisierungstendenzen bei psychischen Störungen und Erkrankungen. Hier wird eine „Vernetzung“<br />
der therapeutischen Hilfen notwendig. Die Gesundheitsindikatoren (selbst eingeschätzte Gesundheit,<br />
Beschwerden, psychische Probleme, gesundheitliche Lebensgestaltung) sind allerdings auch bei den<br />
älteren MigrantInnen eng mit dem Bildungsniveau, der beruflichen Position sowie der finanziellen Situation<br />
verbunden, und mit steigendem sozialen Status sowie besserer finanzieller Situation verbessert<br />
sich das gesundheitliche Befinden auch älterer MigrantInnen.<br />
Die häufig geringe schulisch-berufliche Ausbildung sowie die hohe Arbeitsbelastung dieser Generation<br />
von MigrantInnen sind somit primäre Ursachen für das gehäufte Auftreten gesundheitlicher Probleme<br />
in späteren Lebensphasen. Stressvolle Migrationserfahrungen und hohe Arbeitsbelastungen haben<br />
jedoch dazu geführt, dass aus einer normal gesunden Bevölkerungsgruppe im Rentenalter eine überdurchschnittlich<br />
angeschlagene Bevölkerung wurde (Wandel vom „healthy migrants“ zu „exhausted<br />
migrants“).<br />
Auf der anderen Seite darf nicht vergessen werden, dass viele ältere Migrantinnen und Migranten<br />
sozio-kulturell wertvolle Erfahrungen und Kompetenzen mitbringen; Erfahrungen und Kompetenzen, die<br />
gefördert werden können. So kann eine im Alter zentrale Aufarbeitung und Integration der Migrationsbiografie<br />
als auch die Kenntnisnahme des Wandels in der Herkunftsgesellschaft bei Migrantinnen und<br />
Migranten eine Entlastung und Integration fördern. Ergänzend ist es sinnvoll, Hilfen bei Generationskonflikten<br />
innerhalb von Migrantenfamilien anzubieten. Im Zentrum einer Migrationspolitik für ältere Migrantinnen<br />
und Migranten stehen an erster Stelle ambulante Beratung, aber auch Fragen der finanziellen<br />
Absicherung, des Übergangs vom Berufs- ins Rentnerleben. In stationären Alterseinrichtungen sind<br />
MigrantInnen bzw. AusländerInnen hingegen noch wenig vertreten. Primär, weil die Zahl hochbetagter<br />
110
AusländerInnen bzw. MigrantInnen noch relativ gering ist. Zukünftig wird das Stichwort von „multikulturellen<br />
Alterseinrichtungen“ vermehrte Bedeutung erhalten. Gegenwärtig ist primär das Personal vielfach<br />
multikulturell, in Zukunft dürften aber auch die Bewohner von Alterseinrichtungen häufiger aus anderen<br />
Kulturen stammen. Eine Zusammenarbeit mit Alteneinrichtungen ggf. auch Supervision etc. kann hier<br />
sinnvoll sein.<br />
Spezielle Erfahrungen unserer Klinik<br />
Prof. Dr. Dr. Martin Hambrecht<br />
Insgesamt sind ältere Migrantinnen und Migranten nicht sehr zahlreich in unserer Patientenschaft<br />
vertreten; die Anzahl wächst jedoch. Wenn sie zur Aufnahme kommen, dann handelt es sich häufiger<br />
um Frauen als um Männer und insbesondere um schwere depressive Verläufe. Diese älteren Patientinnen<br />
haben sehr häufig schon Jahrzehnte in Deutschland gelebt, sich aber hier zurückgezogen, um<br />
die Familie gekümmert, während der Partner im Berufsleben integriert war. Wenn die Aufgaben der<br />
Kindererziehung und Familienfürsorge dann entfallen, entsteht eine Sinnkrise, zumal wenn der Partner<br />
verstirbt oder sich z. B. trennt. Zu diesem Zeitpunkt besteht auch meist keine Integration mehr in die<br />
Heimat kultur. Für derartige Patientinnen könnte die Mitwirkung von Integrationsassistentinnen und -assistenten<br />
eine wichtige Hilfe darstellen, auch weil häufig, trotz langem Aufenthalt in Deutschland, nur<br />
sehr geringe Sprachkenntnisse vorhanden sind.<br />
Ein weiteres Problem besteht nach unserer Erfahrung darin, dass ältere Migrantinnen und Migranten<br />
häufig ein stark körperzentriertes Krankheitserleben haben, was den psychologisch-psychiatrischen<br />
Zugang erschwert, da sich Heilserwartungen insbesondere an die Körpermedizin richten, die nicht<br />
selten über viele Jahre bereits intensiv aufgesucht wurde. Wenn tatsächlich eine oder mehrere körperliche<br />
Erkrankungen vorliegen (z. B. Degenerative Skeletterkrankungen), dann wird die Situation vollends<br />
schwierig, da häufig verschiedene Ärzte und Therapeuten parallel konsultiert werden.<br />
Demenzerkrankungen älterer Migrantinnen und Migranten spielen in unserem klinischen Alltag eine nur<br />
langsam wachsende Rolle.<br />
Frauenhaus <strong>Darmstadt</strong><br />
Silvia Zagajewski<br />
Zur Lebenssituation von Migrantinnen im Frauenhaus <strong>Darmstadt</strong><br />
Das Frauenhaus <strong>Darmstadt</strong> besteht seit 1980 und gehört mit seiner Fachberatungsstelle zu den Unter-<br />
stützungseinrichtungen im Netzwerk Gewaltschutz der Stadt <strong>Darmstadt</strong> und des Landkreises <strong>Darmstadt</strong>-Dieburg.<br />
Im Frauenhaus werden Frauen mit und ohne Kinder aufgenommen, die von häuslicher Gewalt betroffen<br />
oder bedroht sind. Eine Aufnahme ist im Notfall zu jeder Tages- und Nachtzeit möglich. Es gibt keine<br />
Aufenthaltsbeschränkungen in Bezug auf Nationalität, Aufenthaltsstatus, Konfession oder finanzielle<br />
Möglichkeiten. Das Frauenhaus bietet neben Unterkunft und Schutz auch Beratung und Begleitung bei<br />
allen notwendigen Schritten im Zusammenhang mit der neuen Lebenssituation. Die mitgebrachten Kinder<br />
der Frauen erhalten spezielle Unterstützung und Förderung. Die Mitarbeiterinnen sind ausgebildete<br />
Sozialarbeiterinnen/Sozialpädagoginnen mit Zusatzqualifikationen und langjährigen Erfahrungen im<br />
Umgang mit häuslicher Gewalt.<br />
Im Frauenhaus suchen auch viele Migrantinnen aus ganz unterschiedlichen Kulturkreisen mit ihren<br />
Kindern Zuflucht und Hilfe.<br />
Aus den Statistiken des Frauenhauses ist zu ersehen, dass der Anteil der Frauen mit fremder Staatsangehörigkeit<br />
kontinuierlich angestiegen ist und mittlerweile bei 50 – 60 % liegt. Dazu kommen noch<br />
Frauen, die einen Migrationshintergrund haben, aber die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. Im<br />
Jahr 2009 waren beispielsweise Frauen aus über 20 verschiedenen Herkunftsländern im Frauenhaus.<br />
Auch junge Frauen, die von Zwangsverheiratung bedroht sind, gehören zu dem aufgenommenen Personenkreis.<br />
Insgesamt ist die Gruppe der Migrantinnen im Frauenhaus sehr heterogen, ihr Unterstüt-<br />
111
zungsbedarf ist ganz unterschiedlich. Damit sind besondere Anforderungen an die Frauenhausarbeit<br />
verbunden, interkulturelle Kompetenz ist zum Beispiel eine sehr wichtige Voraussetzung für diese Arbeit.<br />
Viele Migrantinnen leiden nicht nur an der erlebten Gewalt von Seiten des Ehemannes / Partners oder<br />
der Familie, sondern auch an der Isoliertheit und Fremdheit.<br />
Häufig führen mangelnde Sprachkenntnisse, Ängste und die immer wiederkehrende Bedrohung und<br />
Gewalt von Seiten der Täter dazu, dass viele Frauen jahrelang angepasst in Gewaltbeziehungen leben.<br />
Die Gewalttäter setzen Drohungen, Macht und Kontrolle ganz bewusst ein, um die Frauen einzuschüchtern<br />
und in Abhängigkeit zu halten.<br />
Oft besteht bei Migrantinnen eine große Angst vor Behörden, wie etwa vor der Polizei, und die Sorge<br />
abgeschoben oder ausgewiesen zu werden. Teilweise kann es durch die Trennung tatsächlich zu aufenthaltsrechtlichen<br />
Problemen kommen. Ein Anspruch auf einen eigenen Aufenthaltstitel besteht erst,<br />
wenn die Frauen bereits zwei Jahre in Deutschland verheiratet waren. Ist die Frist bei der Trennung<br />
unterschritten, müssen die Betroffenen einen Härtefall nachweisen.<br />
Dass es in Deutschland Schutzhäuser für Frauen und Kinder gibt, ist bei vielen Migrantinnen leider immer<br />
noch unbekannt. Es wird auch immer wieder über falsche Informationen und über Vorurteile berichtet.<br />
Die Frauen werden zum größten Teil über die Polizei in das Frauenhaus gebracht.<br />
Die Fachberatungsstelle des Frauenhauses, andere professionelle Dienste oder Behörden sind weitere<br />
Zugangswege.<br />
Viele Migrantinnen, die im Frauenhaus aufgenommen werden, erleben zum ersten Mal, dass man ihnen<br />
zuhört, sie ernst nimmt und dass sie ein Recht auf ein gewaltfreies, unabhängiges Leben mit ihren Kindern<br />
haben. Die Vielfalt an Kulturen im Frauenhaus bedeutet für das Zusammenleben der Frauen eine<br />
Bereicherung, sie kann aber auch zu Spannungen und Missverständnissen führen.<br />
In den wöchentlich stattfindenden Hausversammlungen werden diese Probleme erörtert und gemeinsam<br />
mit den Bewohnerinnen wird nach Lösungen gesucht.<br />
Das Einüben von Toleranz, gegenseitige Wertschätzung und Unterstützung im Alltag sind ebenfalls<br />
wichtige Themen in der Gruppenarbeit. Darüber hinaus berichten die Frauen hier auch über ihr eigenes<br />
Heimatland und ihre Kultur.<br />
Dies fördert nicht nur das gegenseitige Verständnis, sondern trägt auch dazu bei, das Selbstwertgefühl<br />
zu stärken bzw. wieder aufzubauen.<br />
Was die Einzelarbeit mit den Migrantinnen betrifft, so sind die Mitarbeiterinnen oft auf die Unterstützung<br />
einer Dolmetscherin angewiesen. Dies beansprucht nicht nur mehr Zeit, sondern verändert auch<br />
das Beratungssetting. Außerdem ist eine Vor- und Nachbereitung mit den Dolmetscherinnen sinnvoll.<br />
Über das DRK <strong>Darmstadt</strong> gibt es seit einigen Jahren die Möglichkeit, relativ schnell und unbürokratisch<br />
eine Dolmetscherin vermittelt zu bekommen.<br />
Der Einsatz dieser interkulturellen Vermittlerinnen ist kostenfrei und bedeutet für das Team eine große<br />
Unterstützung in der alltäglichen Arbeit und Begleitung von Migrantinnen.<br />
Wir arbeiten darüber hinaus mit den verschiedenen Migrationsdiensten vor Ort zusammen und sind<br />
bemüht, die Migrantinnen so schnell wie möglich in Sprach- oder Integrationskurse zu vermitteln.<br />
Was die psychologische Versorgung betrifft, so ist es nach wie vor sehr schwierig, in <strong>Darmstadt</strong> muttersprachliche<br />
Therapeutinnen zu finden, um die erlebte Gewalt, die auch zu schweren Traumatisierungen<br />
führen kann, aufzuarbeiten.<br />
Die ärztliche Versorgung dagegen ist in unterschiedlichen Sprachen in <strong>Darmstadt</strong> gut gewährleistet.<br />
Wünschenswert wären für die Zukunft mehr muttersprachliche Beratungsangebote vor Ort mit unterschiedlichen<br />
Schwerpunkten und Inhalten, z. B. im Gesundheitsbereich und in der beruflichen Aus- und<br />
Weiterbildung.<br />
112
Gemeindepsychiatrisches Zentrum des Caritasverbandes <strong>Darmstadt</strong> e.V.<br />
Norbert Schüssele<br />
Statistische Zahlen<br />
Klientinnen und Klienten mit Migrationshintergrund und Migrationserfahrung<br />
anteilig an der Gesamtklientenzahl<br />
2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010<br />
10,3 % 11,4 % 12,8 % 12,1 % 12,1 % 12,7 % 13,1 % 13,0 %<br />
Herkunftsländer<br />
Klientinnen und Klienten mit Migrationshintergrund kommen insbesondere aus den Ländern der EU,<br />
der Türkei, aus Afghanistan, Algerien, Marokko, Staaten der ehemaligen Sowjetunion, aus den Staaten<br />
des früheren Jugoslawien, wie Kroatien, Serbien, Bosnien, Montenegro etc., Eritrea und vereinzelt aus<br />
anderen afrikanische Staaten.<br />
Erfahrungen<br />
Unser vielfältiges Angebot (Beratung, „Betreutes Wohnen“, Beschäftigungsprojekt, Tagesstätte, offene<br />
Angebote) werden von Migrantinnen und Migranten unterschiedlicher religiöser und ethnischer Herkunft<br />
angenommen. Die verschiedenen kulturellen, familiären und sozialen Hintergründe / Lebensgeschichten<br />
und die damit verbundenen Problemstellungen finden in der Beratung und Betreuung besondere Aufmerksamkeit.<br />
Sprachkenntnisse<br />
Deutsche Sprachkenntnisse sind bei unseren Klientinnen und Klienten in der Regel Voraussetzung – in<br />
besonderen Fällen versuchen wir einen Übersetzer / eine Übersetzerin hinzuzuziehen. Sprachkenntnisse<br />
in unseren Teams sind in Englisch und Spanisch vorhanden, reichen jedoch für tiefer gehende Beratung<br />
und Betreuung nicht aus. Im Bedarfsfall versuchen wir an muttersprachliche Ärztinnen und Ärzte /<br />
Therapeutinnen und Therapeuten und Fachstellen zu vermitteln.<br />
Zusammenarbeit<br />
Wir arbeiten mit dem Migrationsdienst des Caritasverbandes, dem internationalen Familienzentrum in<br />
Frankfurt und ortsansässigen Ärztinnen und Ärzten zusammen.<br />
Wünschenswert wären Dolmetscherinnen und Dolmetscher in verschiedenen Sprachen, die wir bei Bedarf<br />
möglichst kostenfrei hinzuziehen können. Ebenso wünschenswert wäre ein breiteres Angebot von<br />
Ärztinnen und Ärzten sowie Therapeutinnen und Therapeuten unterschiedlicher kultureller und muttersprachlicher<br />
Herkunft.<br />
Klinikum <strong>Darmstadt</strong><br />
Isolde Debus-Spangenberg<br />
Das Klinikum <strong>Darmstadt</strong> ist das Haus der Maximalversorgung im südhessischen Raum. Als Akademisches<br />
Lehrkrankenhaus der Universitäten Frankfurt am Main und Heidelberg-Mannheim behandelt das<br />
Klinikum Patienten nach neuesten medizinischen Standards und ist mit den modernsten medizinischen<br />
Großgeräten ausgestattet.<br />
Unter einem Dach arbeiten 21 verschiedene Fachkliniken interdisziplinär zusammen. Die Patienten<br />
profitieren von den Vorteilen, die nur ein Großkrankenhaus bietet: Nahezu alle Disziplinen werden vorgehalten,<br />
Mediziner unterschiedlicher Fachrichtungen tauschen sich in Arbeitskreisen aus und beraten<br />
gemeinsam über die jeweils beste Therapie.<br />
113
Interdisziplinäre Schwerpunkte sind die Behandlung von Krebserkrankungen (Onkologie) und von<br />
Erkrankungen im Bereich Herz-Kreislauf-Gefäße. Das Klinikum ist anerkannt als Onkologisches Schwerpunktkrankenhaus,<br />
Brustkompetenzzentrum, Diabetes-Schulungs- und Therapieeinheit, Dialysezentrum<br />
und Gefäßzentrum. Eine Stroke Unit, ein Perinatalzentrum und eine Neurochirurgie sind weitere Spezialangebote,<br />
die das Klinikum als einziges Haus in Südhessen vorhält.<br />
Kommunikationshilfen – Checklisten in zwölf Sprachen helfen bei der Kommunikation<br />
mit ausländischen Patienten<br />
Nicht jede ausländische Patientin und nicht jeder ausländische Patient, die oder der ins Krankenhaus<br />
muss, beherrscht die deutsche Sprache – für Ärzte und Pflegekräfte oft ein großes Problem, denn das<br />
persönliche Gespräch spielt bei Diagnostik und Therapie eine wichtige Rolle.<br />
Zwar gibt es unter Ärzten und Pflegenden einige, die aufgrund ihrer Herkunft neben Deutsch auch eine<br />
weitere Sprache perfekt beherrschen und deshalb auch schon mal stationsübergreifend zu „Dolmetscher-Zwecken“<br />
angefordert werden, doch im Klinikum <strong>Darmstadt</strong> steht den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern<br />
ein weiteres Instrument für die Kommunikation mit zugewanderten Patienten zur Verfügung:<br />
Im Intranet, dem hausinternen elektronischen Kommunikationssystem, stehen Fragebögen und Checklisten<br />
zu allen wesentlichen medizinisch und pflegerisch relevanten Daten in zwölf Sprachen zur Verfügung.<br />
Sie können bei Bedarf ausgedruckt und dem Patienten/der Patientin vorgelegt werden. Dieser/<br />
diese füllt sie – in der Regel durch einfaches Ankreuzen vorgegebener Antworten – aus. Da alle Bögen<br />
zweisprachig, also auf Deutsch und in der jeweiligen Fremdsprache gehalten sind, ist die anschließende<br />
Auswertung einfach.<br />
Der von der Universitätsklinik Nürnberg mit wissenschaftlicher Unterstützung entwickelte Kommunikationspool<br />
steht dem Klinikpersonal in den Sprachen Arabisch, Englisch (britisch und amerikanisch),<br />
Französisch, Griechisch, Italienisch, Spanisch, Türkisch, Kroatisch, Polnisch, Rumänisch und Russisch<br />
zur Verfügung.<br />
Interkulturelle Kompetenz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />
Wir stärken die interkulturelle Kompetenz unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter u. a. durch regelmäßige<br />
Schulungsangebote unseres Centrums für Fort- und Weiterbildung. Auf allen Stationen steht<br />
den Pflegenden das „Handbuch der Religionen und Kulturen für Pflegende“ zur Verfügung.<br />
Broschüre Geburtshilfe in türkischer Sprache<br />
Seit 2007 steht unsere Broschüre „Die Geburt im Klinikum <strong>Darmstadt</strong>“, mit der wir über die Angebote<br />
unseres Mutter-Kind-Zentrums informieren, auch in türkischer Sprache zur Verfügung.<br />
Geburtsvorbereitung in verschiedenen Sprachen<br />
Unser Hebammen-Team bietet Geburtsvorbereitung und Wochenbettbetreuung auch in den Sprachen<br />
Polnisch, Französisch und Englisch an.<br />
Überkonfessioneller Abschiedsraum<br />
In unserem Neubau der Medizinischen Kliniken haben wir einen überkonfessionellen Abschiedsraum<br />
eingerichtet, der so ausgestattet ist, dass dort z. B. auch Waschungen durch Angehörige durchgeführt<br />
werden können.<br />
Seelsorge<br />
Bei Bedarf vermittelt unsere Klinikseelsorge Kontakt zu muslimischen Seelsorgern.<br />
Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin / zum Gesundheits- und Krankenpfleger:<br />
Das Klinikum <strong>Darmstadt</strong> gehört zu den größten Ausbildungsbetrieben <strong>Darmstadt</strong>s. Im Durchschnitt der<br />
letzten drei Jahre lag die Quote der Auszubildenden mit Migrationshintergrund bei rund 10 %.<br />
114
Malteser-Migranten-Medizin (MMM) am Marienhospital <strong>Darmstadt</strong><br />
Dr. med. Wolfgang Kauder<br />
Die Einrichtung Malteser Migranten Medizin am Marienhospital <strong>Darmstadt</strong> (MMM) existiert als ehrenamtlich<br />
arbeitende Arztpraxis seit Oktober 2006. Seither haben fast 3.000 Sprechstundenpatientinnen<br />
und -patienten die Einrichtung aufgesucht. Die MMM ist ein humanitäres Projekt, das jeder mittellosen,<br />
nicht krankenversicherten Person kostenlose ärztliche Behandlung und sozialmedizinische Beratung anbietet.<br />
Die Finanzierung erfolgt ausschließlich über Spenden - öffentliche Fördermittel stehen nicht zur<br />
Verfügung.<br />
Träger der MMM ist der Malteser Hilfsdienst e.V. in der Diözese Mainz. Das Marienhospital <strong>Darmstadt</strong><br />
stellt miet- und kostenfrei die Praxisräume sowie die gesamte medizintechnische Infrastruktur<br />
des Krankenhauses zur Verfügung. In der Praxis arbeitet ein Team von 3 Ärzten und 5 nichtärztlichen<br />
Fachkräften. Flankiert wird das Projekt durch ein Netzwerk von über 60 Darmstädter Fachärztinnen<br />
und -ärzten aus allen Spezialgebieten, die honorarfrei mitbehandeln und an die Kranke mit besonderen<br />
Fragestellungen überwiesen werden können.<br />
Die Klientel besteht zu 20 % aus Deutschen und zu 80 % aus Migrantinnen und Migranten. Zu den Migranten<br />
gehören zahlreiche Personen mit unsicheren Aufenthalts- oder Arbeitsverhältnissen. Insgesamt<br />
kamen bisher Menschen aus 76 Ländern in das Ambulatorium, Schwerpunkt Afrika, Osteuropa und Balkan.<br />
Die Patientinnen und Patienten sind zumeist schwerer erkrankt, als es dem Durchschnitt einer regulären<br />
Arztpraxis entspricht. Selbst Hochschwangere oder Tumorkranke kamen erstmals bei der MMM mit<br />
einem Arzt in Kontakt.<br />
Neben der ambulanten Versorgung verhilft die MMM bei Bedarf auch zu notfallmäßigen Krankenhausaufnahmen<br />
und stationären Geburten. Findet sich kein anderer Kostenträger, übernehmen der Malteser<br />
Hilfsdienst und das Marienhospital die Finanzierung. Insgesamt konnten zum Beispiel schon über 60<br />
Schwangere auf diese Weise sorgenfrei entbinden.<br />
Darüber hinaus können oftmals durch enge Zusammenarbeit mit dem Interkulturellen <strong>Büro</strong> der Stadt<br />
<strong>Darmstadt</strong>, dem Sozialdienst der Caritas, dem Studentenwerk, pro familia, der „Darmstädter Tafel“<br />
und weiteren Einrichtungen soziale Hilfestellungen organisiert werden. Grundsätzlich wird bei jedem<br />
Patienten und jeder Patientin versucht, in irgendeiner Form nachhaltig zu helfen. Niemand verlässt die<br />
Praxis unverrichteter Dinge.<br />
pro familia <strong>Darmstadt</strong> e.V.<br />
Dagmar Zeiß<br />
Im Jahr 2010 haben insgesamt 2.879 Ratsuchende die pro familia <strong>Darmstadt</strong> aufgesucht.<br />
Der Anteil der Frauen war mit 71 % entsprechend dem Hauptberatungsschwerpunkt Schwangerschaft<br />
und Schwangerschaftskonflikt hoch. Der Anteil von deutschen Staatsbürger/innen mit Migrationshintergrund<br />
lag bei 12,6 % (183 Personen). Aus anderen Nationen kamen noch einmal 16,4 % (333 Personen)<br />
hinzu. 73 Personen haben keine Angaben zu ihrer Herkunft gemacht.<br />
Feststellen können wir also einen Anteil von Menschen anderer Herkunft von insgesamt 17,9 % oder<br />
516 Personen. Davon waren 366 Frauen.<br />
Bei der Beratung zu sozialen Hilfen, unter anderem aus der Mutter-Kind-Stiftung oder zum Elterngeld<br />
sind Menschen nichtdeutscher Nationalität mit knapp 30 Prozent vertreten. Dies ist der höchste Anteil<br />
an allen Beratungsarten.<br />
Die Anzahl der Menschen nichtdeutscher Herkunft, die in die Beratung kommen, weil sie finanzielle<br />
Hilfe in Anspruch nehmen wollen, hat sich damit seit 2007 fast verdoppelt.<br />
Im Jahr 2009 wurde die Beratungsstelle von 45 Frauen und zwei Männern aufgesucht, die sexualisierter<br />
Gewalt ausgesetzt waren. Davon waren vier Frauen und zwei Männer Migranten/innen.<br />
Bei allen Beratungen sind unsere Broschüren in vielen Sprachen sehr hilfreich.<br />
115
Häufig leisten Angehörige oder Freunde Übersetzungshilfe, mit ebenfalls schlechten Kenntnissen der<br />
deutschen Sprache. Bei Paaren haben Männer signifikant häufiger die besseren Deutschkenntnisse.<br />
Immer wieder muss auch auf die besonders schwierige Situation von schwangeren Frauen aus anderen<br />
Nationen hingewiesen werden, die ohne festen Aufenthaltstitel bei uns leben. Besonders eine fehlende<br />
Krankenversicherung kann bei Geburten nur über die caritative Leistung von sozialen Diensten (hier:<br />
Malteser) vorübergehend abgemildert werden. Im Falle eines Schwangerschaftskonfliktes sehen sich<br />
die oft mittellosen Frauen – auch Studentinnen – die ohnehin am Rande des Existenzminimums stehen,<br />
häufig vor die unlösbare Aufgabe gestellt, 400,00 € aufzubringen, um eine ungewollte Schwangerschaft<br />
beenden zu können. Bei krankenversicherten Frauen ohne eigenes Einkommen – oder mit einem Einkommen<br />
unter 1.000,00 € kann die Übernahme der Kosten bei den Kassen beantragt werden.<br />
Interkulturelle Sexualpädagogik in der pro familia <strong>Darmstadt</strong><br />
Sexualpädagogische Gruppenveranstaltungen bedeuten für die Sexualpädagoginnen und Sexualpädagogen<br />
der pro familia <strong>Darmstadt</strong> immer auch interkulturelle Gruppenarbeit. Die Schulklassen, die die<br />
pro familia besuchen, bilden das komplette schulische Angebot der Stadt <strong>Darmstadt</strong> ab. Dies bedeutet,<br />
dass viele Klassen bis zu 30 %, manche sogar bis zu 90 % aus Kindern oder Jugendlichen mit Migrationshintergrund<br />
bestehen.<br />
Die Interkulturalität unserer Sexualpädagogik ergibt sich einerseits aus dem übergreifenden Ansatz der<br />
emanzipatorischen Sexualpädagogik, die Kindern und Jugendlichen über Diskussionen und Austausch<br />
einen offenen und toleranten Blick auf unterschiedliche Lebens- und Liebesformen vermitteln will. Hinzu<br />
kommt immer wieder ein bewusster Fokus auf die Bilder und die Form von Sexualität, Partnerschaft,<br />
Beziehungs- und Geschlechterrollen in den unterschiedlichen Kulturen. Hier laden wir Kinder und<br />
Jugendliche zur inneren und äußeren Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Wert- und Normsystemen<br />
ein. Wir bringen gezielt Themen ein, von denen wir wissen, dass sie für Kinder und Jugendliche<br />
mit Migrationshintergrund häufig von großer Bedeutung sind (z. B. das Jungfernhäutchen, Leben von<br />
Sexualität vor einer Ehe, Homosexualität, unerwünschte Schwangerschaft).<br />
Weiterleben e.V. Psychosoziale Krebsberatungsstelle<br />
Cornelia Hinrichsen<br />
Die psychosoziale Krebsberatungsstelle hat sich als einen Schwerpunkt gesetzt, die Migrantinnen und<br />
Migranten in <strong>Darmstadt</strong> und im Landkreis <strong>Darmstadt</strong>-Dieburg über die Arbeit des Vereins zu informieren,<br />
Vorträge zu Früherkennungsuntersuchungen von Krebserkrankungen durchzuführen und psychosoziale<br />
Einzelberatung für KrebspatientInnen und ihre Angehörigen mit ÜbersetzerInnen durchzuführen.<br />
Hierzu haben wir 2009 als erste Maßnahme eine türkische Integrationsassistentin eingestellt, die für<br />
uns den Kontakt zu den Migrantenvereinen herstellen sollte. Wir gehen aktiv auf die Vereine zu, d. h.<br />
wir nehmen z. B. den „Tag der Begegnung“ als Anlass, verschiedene Gruppen anzusprechen und unser<br />
Informationsmaterial, das zum Teil auf Türkisch vorliegt, vorzustellen und zu verteilen.<br />
Nachdem wir im Jahr 2009 hauptsächlich im Landkreis die Migrantengruppen aufgesucht haben, lag<br />
für 2010 der Schwerpunkt in <strong>Darmstadt</strong>. So haben wir insgesamt 6 Gruppen aufgesucht und damit<br />
63 Frauen erreicht. Neben einem Einlegeblatt in türkischer Sprache für unseren Angebotsflyer, haben<br />
wir Anfang 2010 eine Broschüre in türkischer Sprache zur Früherkennung von Brustkrebs erstellt. Die<br />
Einzelberatungen werden noch zögerlich angenommen, jedoch gab es nach den Veranstaltungen oder<br />
einem Bericht in einer türkischen Zeitung vermehrt Anrufe von Migrantinnen in unserer Beratungsstelle.<br />
Bei den Einzelkontakten handelte es sich ausschließlich um Frauen, die aus Polen, der Türkei, dem Iran<br />
und Pakistan kamen.<br />
Insgesamt lässt sich unser Konzept positiv bewerten, ist aber mit einem immensen Aufwand verbunden.<br />
Aktuell werden Einlegeblätter für unseren Flyer in Urdu, iranischer und russischer Sprache erstellt.<br />
116
IV.3. Bildung<br />
In Kapitel I.2. wurden Daten und Trends vorgestellt, die die in der Fachliteratur ausführlich kommentierte<br />
Bildungsbenachteiligung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund auch für <strong>Darmstadt</strong><br />
aufzeigen. Gleichzeitig wurde auf den positiven Trend der kontinuierlich wachsenden Bildungs beteiligung<br />
dieser Zielgruppe hingewiesen.<br />
Es wurde betont, dass diese Bildungsorientierung sowohl durch den Abbau institutioneller Benachteiligungsmechanismen<br />
als auch durch die verstärkte Förderung von Kindern und Jugendlichen in ihrer<br />
Schullaufbahn und auch durch die intensive Unterstützung der Eltern prinzipiell zu ermöglichen und<br />
weiterzuentwickeln ist.<br />
In diesem Kapitel werden Maßnahmen vorgestellt, die dieses Ziel verfolgen.<br />
Ausländerbeirat / Caritasverband <strong>Darmstadt</strong>, Migrationsdienst<br />
„Frühwarnsystem“ – Präventionsprojekt zur Vermeidung von Sonderschulzuweisungen<br />
Ausländerbeirat / Caritasverband <strong>Darmstadt</strong>, Migrationsdienst (Gülsün Özcan / Maria-Antonia Estol)<br />
Entscheidenden Einfluss auf den Integrationserfolg von Migrantinnen und Migranten haben Qualifikation<br />
und Sprachkenntnisse. Schulbehörden, Schulen und auch die Lehrkräfte wissen, dass bei Kindern mit<br />
Migrationshintergrund mangelnder Schulerfolg oft nicht Ausdruck von geringer Intelligenz, sondern von<br />
unzureichenden Deutschkenntnissen ist. Allzu oft werden sie trotzdem in die Sonderschule überwiesen –<br />
entweder weil die Institution Schule dem Problem hilflos gegenübersteht und/oder nicht über ausreichende<br />
Mittel verfügt, um diese Kinder aufzufangen. Laut Migrationsreport Hessen 2002 besuchten in<br />
Hessen mehr als doppelt so viele ausländische wie deutsche Kinder die Sonderschule. (Vgl. Forschungs-<br />
und Entwicklungsgesellschaft Hessen, 2002.)<br />
Der Ausländerbeirat der Wissenschaftsstadt <strong>Darmstadt</strong> hat daher im Jahr 2004 das Projekt „Frühwarnsystem<br />
zur Vermeidung von Sonderschulüberweisungen ausländischer Kinder“ initiiert. Ziel des Projektes<br />
ist es, Sonderschulüberweisungen von Migrantenkindern durch präventive und intensive Förderung<br />
zu vermeiden und dadurch die Bildungs- und Zukunftschancen dieser Kinder zu verbessern. Dies wird<br />
durch individuelle, außerschulische Hilfen erreicht. Ein weiteres Ziel besteht darin, die Eltern in ihrer<br />
Erziehungskompetenz zu stärken, damit sie auch unter den Bedingungen der Migration Ansprechpartner<br />
ihrer Kinder bleiben.<br />
Das Projekt wird seit 2004 bis heute in Kooperation mit dem an zahlreichen Schulen mit Hausaufgabenhilfe<br />
befassten Migrationsdienst des Caritasverbandes <strong>Darmstadt</strong> e.V. durchgeführt.<br />
Durchführung des Projektes<br />
Die Maßnahme wird als Einzelhilfe oder in Kleingruppen von höchstens drei Kindern für Schülerinnen<br />
und Schüler durchgeführt. Mit den Kindern wird gezielt an den Hausaufgaben gearbeitet, Deutschkenntnisse<br />
verbessert, schulische Defizite aufgearbeitet und darüber hinaus gespielt, gelesen und gesungen.<br />
Für die Einzelhilfe ist es besonders erforderlich, einen kontinuierlichen Kontakt zu den Lehrern<br />
und zur Familie des Kindes zu halten, um frühzeitig Kinder aufzufangen, die den Anforderungen im<br />
Regelunterricht nicht gewachsen sind.<br />
Aufteilung der Schüler nach Klassen im Jahr 2010<br />
1. Klasse 2. Klasse 3. Klasse 4. Klasse 6. Klasse 9. Klasse<br />
1 8 1 1 2 1<br />
117
Bei jedem dieser Kinder hat mindestens ein Gespräch mit den Eltern stattgefunden. Auch die Zusammenarbeit<br />
mit den Lehrern gestaltete sich sehr positiv, und auch mit den Helferinnen und Helfern steht<br />
der Migrationsdienst Caritas in engem Kontakt. Das Lehrmaterial wird vom Migrationsdienst zur Verfügung<br />
gestellt.<br />
Ergebnisse des Projektes<br />
Im Rahmen dieses Projektes erhielten im Jahr 2010 insgesamt 14 Kinder eine Einzelbetreuung, davon<br />
sechs Mädchen und acht Jungen. Dreizehn dieser Kinder besuchen zurzeit die Mornewegschule, zwei<br />
davon im Sekundarbereich. Ein Erstklässler musste die Klasse wiederholen. Alle anderen haben ihr<br />
Klassenziel erreicht.<br />
Sowohl die Eltern als auch die betreffenden Lehrenden halten diese zusätzliche Unterstützung für wichtig<br />
und notwendig. Die Lehrenden berichten, dass Erfolge nicht nur bei den schulischen Leistungen,<br />
sondern auch im Sozialverhalten der Schüler zu verzeichnen sind. Eine Fortsetzung der Einzelbetreuung<br />
im kommenden Jahr ist dringend erforderlich, um die erreichten Fortschritte und damit den Verbleib<br />
auf der Grund- bzw. Hauptschule weiterhin zu sichern.<br />
Das Projekt wurde im Jahr 2010 mit einer großzügigen Spende des Lions Club <strong>Darmstadt</strong> unterstützt.<br />
Der Ausländerbeirat plant auch, dieses Projekt weiterhin in Kooperation mit dem Caritasverband <strong>Darmstadt</strong><br />
durchzuführen.<br />
Caritasverband <strong>Darmstadt</strong>, Migrationsdienst<br />
Hausaufgabenhilfe<br />
Gülsün Özcan / Maria-Antonia Estol<br />
Das Angebot der Hausaufgabenhilfe des Caritasverbandes <strong>Darmstadt</strong> e.V. ist ein niedrigschwelliges,<br />
offenes Angebot für Kinder nichtdeutscher und deutscher Herkunft.<br />
Zielgruppe sind Familien mit schulpflichtigen Kindern im Grund-, Haupt- und Förderschulbereich. Die<br />
Hausaufgabenhilfe wird vorwiegend von Kindern besucht, die schulische Probleme haben und/oder zu<br />
Hause nicht gefördert werden können. Sie hat von daher eine bedeutende präventive Funktion.<br />
Darüber hinaus ist die Beratung für Eltern über die Bildungsstruktur und -möglichkeiten in <strong>Darmstadt</strong><br />
und Umgebung von großer Bedeutung.<br />
Über die Hausaufgabenhilfe hinaus ist es das Anliegen des Migrationsdienstes, in die multinational und<br />
interkulturell ausgerichtete Arbeit das gesamte Umfeld der Kinder mit einzubeziehen, wie folgende Auflistung<br />
der wahrgenommenen Aufgaben zeigt:<br />
• Koordination, Abwicklung und pädagogische Ausrichtung der Maßnahme „Hausaufgabenhilfe“<br />
• Schulung und Betreuung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />
• Kontakte zu Lehrerinnen und Lehrern, Schulleiterinnen und -leitern, dem Staatlichen Schulamt<br />
und dem Städtischen Schulamt in <strong>Darmstadt</strong><br />
• Zusammenarbeit mit anderen sozialen Diensten / Sensibilisierung der deutschen Beratungsstellen<br />
für die spezifischen Probleme von Migrantinnen und Migranten<br />
• Vertretung der Maßnahme gegenüber übergeordneten Instanzen auf schulischer und kommunaler<br />
Ebene, Elternberatung / Hausbesuche<br />
• Freizeitangebote für die betreuten Kinder und Jugendlichen<br />
• Kontakte zu Pfarrgemeinden<br />
• Öffentlichkeitsarbeit zur Situation von Familien mit Migrationshintergrund, Informationen über deren<br />
Herkunftsländer und Darstellung der Arbeit der Caritas mit Migrantinnen und Migranten<br />
• Stadtteilbezogene Arbeit<br />
• Mitarbeit in diversen Gremien und Gruppen<br />
118
Durchführung der Maßnahme „Hausaufgabenhilfe“ und ihre Ergebnisse<br />
In <strong>Darmstadt</strong> haben im Kalenderjahr 2010 insgesamt 84 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (63 davon<br />
Frauen) auf Honorarbasis und 15 ehrenamtlich in der Hausaufgabenhilfe mitgearbeitet. Von diesen Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeitern waren 32 nichtdeutscher Herkunft.<br />
Es wurden, überwiegend an Grundschulen, insgesamt 448 Kinder und Jugendliche (235 männlich, 213<br />
weiblich) im Alter von 6 – 16 Jahren aus 32 Nationen betreut. Davon 49 Kinder (aus 38 Familien) in<br />
Einzel- oder Kleingruppenbetreuung (maximal drei Kinder pro Gruppe) gefördert. Von diesen Kindern<br />
waren 25 türkischer Herkunft, der Rest verteilt sich auf verschiedene andere Nationen.<br />
Im Berichtsjahr wurden insgesamt 62 Familien hauptsächlich in Bildungsfragen beraten.<br />
Durchgeführt wurde die Hausaufgabenhilfe an 14 Grundschulen, einer Schule für Lernhilfe, in einem<br />
türkischen Verein (Volkshaus). Wegen des hohen Bedarfs wurden für Seiteneinsteigerschüler (neu Eingereiste)<br />
zwei Sprachförderkurse eingerichtet.<br />
Aufschlüsselung nach Nationalitäten 2010:<br />
Perspektive, Trends<br />
Mit dem neuen Zuwanderungsgesetz hat sich zumindest ein Paradigmenwechsel vollzogen, der sich<br />
jedoch noch nicht auf bildungspolitische Bereiche ausgewirkt hat. Der jahrzehntelangen Abwehr durch<br />
die Politik, den Einwanderungstatbestand anzuerkennen, ist bisher jedoch kaum etwas entgegengesetzt<br />
worden. Anstatt eines intensiven Sprachunterrichts in Deutsch als Zweitsprache werden noch immer<br />
randständige Förderstunden durchgeführt. Immer noch wird mit Projekten und Provisorien, die enden<br />
oder neu aufgelegt werden, gearbeitet.<br />
Auch die Hausaufgabenhilfe ist ein solches „Provisorium“, das vor nunmehr 38 Jahren bundesweit aus<br />
der Not ins Leben gerufen wurde, neben ihren z. T. großartigen Erfolgen – natürlich mit allen organisatorischen,<br />
fachlichen und psychischen Mängeln von Provisorien behaftet. Da keine vertraglichen Vereinbarungen<br />
bestehen, könnten jederzeit die finanziellen Zusicherungen sehr leicht entzogen werden.<br />
119
Umso erfreulicher ist es, dass sich die Stadt <strong>Darmstadt</strong> seit mehr als 2 Jahrzehnten finanziell an der<br />
Hausaufgabenhilfe beteiligt. Und dennoch hatte und hat diese Einrichtung „Hausaufgabenhilfe“ in<br />
Gruppen- und Einzelbetreuung eine sehr große Bedeutung für die Betroffenen. In den vergangenen<br />
Jahren hat diese Bedeutung – die verstärkten Nachfragen auch im Jahr 2009 zeigen dies – noch weiter<br />
zugenommen. Zu fragen ist, ob es sich eine moderne Gesellschaft wie die Bundesrepublik Deutschland<br />
überhaupt leisten kann, weiterhin große Gruppen, wie Einwandererfamilien, Verarmte und Arme bildungspolitisch<br />
zu vernachlässigen, sie immer wieder neu in rechtliche und schulische Benachteiligung hineinzustoßen.<br />
Leider ist diese präventive Maßnahme immer wieder neu von Kürzungen seitens des Kultusministeriums<br />
und mittlerweile auch seitens der Stadt <strong>Darmstadt</strong> betroffen oder bedroht. Diese Kürzungen bedeuteten<br />
für <strong>Darmstadt</strong> eine Minderung des Angebots, insbesondere die der Einzelbetreuungen und des zeitlichen<br />
Umfangs des Gruppenangebots. Um dennoch Schließungen von Gruppen zu vermeiden, wurde ab dem<br />
Schuljahr 2008/2009 ein geringer Beitrag von 20,00 € pro Schulhalbjahr von den Eltern erhoben.<br />
Die Hausaufgabenhilfe steht darüber hinaus in einem weiteren Begründungszusammenhang. Angebote<br />
in Grundschulen, die tendenziell in Richtung Ganztagsschule gehen, wie z. B. die „Betreute Grundschule“,<br />
können von Kindern aus Migrantenfamilien aus Kostengründen kaum oder gar nicht besucht werden.<br />
Angesichts der Tatsache, dass zwar die Hessischen Rahmenpläne für die Grundschule die Schule als<br />
Lebens- und Lernort definieren, in dem die verschiedenen Kulturen sich begegnen, dafür aber die personellen,<br />
räumlichen und sachlichen Bedingungen in Schulen nicht zur Verfügung stehen, wird die Institution<br />
Hausaufgabenhilfe auf lange Sicht neben der Schule (in immer mehr Fällen hoffentlich auch mit ihr<br />
zusammen) ihre interkulturelle und fördernde Arbeit fortsetzen müssen.<br />
Allein schon die starke Nachfrage ist Grund und Veranlassung genug, die Kultur- und Förderarbeit der<br />
Hausaufgabenhilfe zu erhalten, mehr noch zu fördern und auszubauen.<br />
DRK Kreisverband <strong>Darmstadt</strong><br />
HIPPY-Familienbildungsprogramm in <strong>Darmstadt</strong><br />
Buket Dagdelen<br />
HIPPY (Home Instruction for Preschool Youngsters) ist ein Familienbildungsprogramm zur Stärkung,<br />
Bildung und Unterstützung der Erziehungskompetenzen von Eltern, mit 4- bis 6-jährigen Vorschulkindern.<br />
Als ein niedrigschwelliges Angebot eignet sich das HIPPY-Programm insbesondere für Familien mit Migrationshintergrund.<br />
Die Spiel- und Lernmaterialien für zwei Jahre bestehen aus 60 programmeigenen Heften, 18 Bilder -<br />
büchern, geometrischen Formen sowie Materialien aus Haushalt und Natur, um damit die u. a. Ziele in<br />
den Familien umsetzen zu können und diese so zu bestärken und zu unterstützen.<br />
Ziele des HIPPY Programms sind:<br />
• die kognitiven und motorischen Fähigkeiten der Vorschulkinder zu fördern,<br />
• die sprachliche Entwicklung zu fördern, besonders bei Kindern die mehrsprachig aufwachsen,<br />
• die Eltern-Kind-Beziehung zu intensivieren,<br />
• das Selbstbewusstsein der Eltern zu stärken und ihnen zu zeigen, wie sie ihre Kinder spielerisch<br />
fördern können,<br />
• die Erziehungskompetenzen der Eltern zu stärken und deren Kenntnisse der deutschen Sprache<br />
zu erweitern.<br />
Das Deutsche Rote Kreuz hat das HIPPY-Programm als Lizenzvertrag mit HIPPY-International im Jahre<br />
2002 nach <strong>Darmstadt</strong> geholt. Das HIPPY-Programm hat die bestehenden Angebote im Bildungs-, Beratungs-<br />
und Gesundheitsbereich erweitert. Von Beginn an wurde das Programm von Migrantenfamilien<br />
sehr gut angenommen und erfolgreich durchgeführt. Wir hatten jährlich ca. 25 Familien im Programm<br />
120
etreut. Die Notwendigkeit und die Erfolge des Programms haben auch die städtischen Verantwortlichen<br />
überzeugt, so dass das Programm ab 2008 finanziell von der Stadt <strong>Darmstadt</strong> gefördert wird.<br />
Dadurch konnten wir eine Koordinatorenstelle für das HIPPY-Programm in <strong>Darmstadt</strong> einrichten. Somit<br />
ist es uns gelungen, von Jahr zu Jahr mehr Familien für das Programm zu gewinnen, so dass aktuell 70<br />
Familien betreut werden. Die HIPPY-Gruppe ist multikulturell, die Mehrheit der Familien stammt aus<br />
der Türkei und arabischen und afrikanischen Ländern, neben vielen anderen.<br />
Diese Familien werden von sechs qualifizierten HIPPY-Trainerinnen begleitet. Um einen guten Zugang<br />
zu Migrantenfamilien zu bekommen, aber auch um die Hemmschwellen abzubauen, beschäftigen wir<br />
sechs Trainerinnen, die auch Migrationserfahrung haben. Seit Beginn des Programms bis heute haben<br />
wir ca. 250 Familien unterschiedlicher Herkunft im Programm geschult.<br />
Das HIPPY-Programm hat zwei wichtige Bausteine: Hausbesuche und Gruppentreffen:<br />
Hausbesuche<br />
Alle zwei Wochen werden die teilnehmenden Eltern von muttersprachlichen HIPPY Trainerinnen zu<br />
Hause besucht. Inhalte dieser Besuche sind das gemeinsame Einüben der aktuellen Lerninhalte und<br />
der Erfahrungsaustausch über die Materialien. Die Hausbesuche ermöglichen außerdem, dass auf die<br />
spezifischen Anliegen der Eltern individuell eingegangen werden kann. Im Idealfall üben die Eltern mit<br />
ihrem Kind fünfmal wöchentlich ca. 20 Minuten mit Hilfe des Spiel- und Lernmaterials.<br />
Gruppentreffen<br />
Zweimal im Monat finden für alle Eltern Gruppentreffen statt.<br />
Die Gruppentreffen haben drei Schwerpunkte:<br />
• Wie auch beim Hausbesuch, das Einüben der Themen der Aktivitätenhefte in der Gruppe,<br />
• Eltern erhalten erziehungs- und bildungsrelevante Informationen zu Themen, wie z. B. Medienkonsum,<br />
gesunde Ernährung, Entwicklungsstadien im Kindesalter, Informationen zum Schulsystem etc.<br />
• Im Anschluss an diese fachlichen Beiträge können die Erfahrungen mit dem Lernprogramm<br />
und Erziehungsfragen ausgetauscht werden.<br />
Zurzeit betreuen wir fünf HIPPY-Gruppen in den Stadtteilen Arheilgen, Kranichstein, Eberstadt und<br />
in <strong>Darmstadt</strong>-Stadt.<br />
Für das Programmjahr 2011/2012 planen wir, ca. 90 Familien in das Programm aufzunehmen,<br />
in Stadtteilen, die besonderen Bedarf aufzeigen.<br />
Staatliches Schulamt<br />
Das Staatliche Schulamt für den Landkreis <strong>Darmstadt</strong>-Dieburg und die Stadt <strong>Darmstadt</strong> schreibt in seinem<br />
Entwicklungsbericht in Bezug auf die Notwendigkeit der Unterstützung von Kindern und Jugend lichen:<br />
„Auch die neusten PISA-Ergebnisse – ebenso IGLU – haben wieder gezeigt, dass Kinder und Jugendliche<br />
mit Migrationshintergrund besonders benachteiligt sind. Wie aus PISA-Studien hervorgeht, schneiden<br />
Migrantenschüler/innen z. B. bei der Lesekompetenz schlechter ab als Gleichaltrige, die nicht aus Migrantenfamilien<br />
kommen. Hier gilt es gegenzusteuern und eine Gesamtkonzeption zur Sprachförderung<br />
mit Verbindlichkeiten/Standards für alle Schulen des Schulaufsichtsbereiches zu entwickeln.“<br />
(Staatliches Schulamt 2009:41).<br />
Folgerichtig reagierte das Staatliche Schulamt für den Landkreis <strong>Darmstadt</strong>-Dieburg und die Stadt<br />
<strong>Darmstadt</strong> auf diesen Förderbedarf mit einem gezielten Angebot von Sprachfördermaßnahmen, die im<br />
Folgenden vorgestellt werden.<br />
Es handelt sich hierbei um einen Auszug aus dem Entwicklungsbericht Deutsch als Zweitsprache –<br />
Sprachförderung für Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund des Staatlichen Schulamtes<br />
für den Landkreis <strong>Darmstadt</strong>-Dieburg und die Stadt <strong>Darmstadt</strong>, 2009:11ff.<br />
121
Fördermaßnahmen Deutsch als Zweitsprache (DaZ) in den Schuljahren 2007/2008 und 2008/2009 1<br />
In den Schuljahren 2007/2008 und 2008/2009 wurden im Schulamtsbereich folgende Fördermaßnahmen<br />
angeboten:<br />
Frühe Sprachförderung<br />
„In den Grundschulen wurden im Schuljahr 2007/2008 ca. 3.830 (DA: 1666) Kinder in Vorlaufkursen<br />
und in weiteren Fördermaßnahmen wie DaZ-Fördergruppen etc. betreut. Im Schuljahr 2008/09 stieg<br />
die Zahl der geförderten Kinder auf ca. 4.100.<br />
Vorlaufkurse sind ein Angebot für schulpflichtig werdende Kinder ohne ausreichende Deutschkenntnisse<br />
vor Beginn des ersten Schuljahres. In kleinen Lerngruppen – teilweise standortübergreifend – wird die<br />
Sprachfähigkeit der Lernanfänger begrifflich und strukturell altersgerecht erweitert.<br />
Nach den Vorlaufkursen – 64 (DA: 24) Angebote im Schuljahr 2007/2008, 66 im Schuljahr 2008/2009 –<br />
werden die Schüler/innen im Rahmen der Klassenverbände gefördert.<br />
Die Sprachförderung umfasst neben Intensivkursen Deutsch-Förderstunden und sonstige Angebote zur<br />
Integration.“ (Ebenda, 11).<br />
Intensive Sprachförderung<br />
An der Grundschule Heinrich-Heine-Schule in <strong>Darmstadt</strong> (ca.170 Schüler und Schülerinnen) findet seit<br />
2008 eine intensive Sprachförderung im Rahmen des hessenweiten und wissenschaftlich begleiteten<br />
Projekts „Deutsch und PC“ statt.<br />
„Der frühzeitige und intensive Erwerb der deutschen Sprache an Grundschulen mit hohem Zuwandereranteil<br />
beginnt zu Schuljahresanfang in allen Klassen der ersten Jahrgangsstufe und wird in den Klassen<br />
2 bis 4 fortgeführt. Schülerinnen und Schüler mit unzureichenden Deutschkenntnissen werden täglich<br />
bis zu zwei Stunden parallel zum Klassenverband in eigenen Fördergruppen von sechs bis acht Schülerinnen<br />
und Schülern unterrichtet.“ (Ebenda, 12).<br />
In den 6 Intensivklassen (DA: 3 Intensivklassen) in der Sekundarstufe I wurden 2008 93 (DA: 65) und<br />
2009 72 neu zugewanderte Schülerinnen und Schüler auf den Besuch der Regelklasse vorbereitet.<br />
„Diese Angebote sind schulformübergreifend und werden durch eine intensive Schullaufbahnberatung<br />
ergänzt. Die Schülerinnen und Schüler haben die Möglichkeit, sich auf die Anforderungen der deutschen<br />
Schule zielgerichtet vorzubereiten. Die Klasse ist verbunden durch die gemeinsamen Ziele:<br />
• Orientierung in einer neuen Umwelt.<br />
• Erprobung der sprachlichen und sozialen Kompetenz.<br />
Dabei werden klar strukturierte Sprachlernsituationen angeboten.“ (Ebenda, 12).<br />
In Intensivkursen wurden 2008: 66 (DA: 29) und 2009: 110 Schülerinnen und Schüler gefördert.<br />
„Sie besuchen zugleich eine Regelklasse, erhalten aber, parallel zum Klassenunterricht oder in zusätzlichen<br />
Stunden, in eigens eingerichteten Kursen Sprachförderung. Individuelle Gestaltung des Förderumfangs<br />
und hohe Flexibilität sind Voraussetzungen dieser Fördermaßnahmen.“ (Ebenda, 12).<br />
Integrierte Sprachförderung<br />
„Für Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe I, die sich zwar verständigen können, aber die<br />
deutsche Schriftsprache noch nicht korrekt beherrschen, wurden im Schuljahr 2007/2008 in Deutsch-<br />
Förderkursen und Integrationsangeboten 2.790 Schülerinnen und Schüler (DA: 1620) gefördert, im<br />
Schuljahr 2008/2009 waren es ca. 2.980 – auch begleitend zum gymnasialen Bildungsgang.<br />
1 Die Zahlen im Text beziehen sich auf den Schulamtsbereich Stadt <strong>Darmstadt</strong> und Landkreis. Nach Möglichkeit werden die Ausführungen<br />
über die Angebote im Landkreis im Text gekürzt; ebenso werden – wenn vorhanden – Daten für <strong>Darmstadt</strong> separat in<br />
Klammern (DA) aufgeführt. Dies gilt für das Schuljahr 2007/2008; für das Schuljahr 2008/2009 liegen für <strong>Darmstadt</strong> keine separaten<br />
Daten vor.<br />
122
Diese Kurse dienen dazu, die Sprachkenntnisse zu erweitern und zu verbessern.“ (Ebenda, 13).<br />
Standorte der Sprachförderung in der Stadt <strong>Darmstadt</strong> 2008/2009:<br />
• 3 Intensivklassen: Gutenbergschule, Mornewegschule (mit Alphabetisierungskurs),<br />
Stadtteilschule <strong>Darmstadt</strong>-Arheilgen<br />
• wechselnde Intensivkursangebote nach Bedarf<br />
• 1 Deutsch & PC-Schule: Heinrich-Heine-Schule<br />
Unterricht in Herkunftssprachen<br />
„Die Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund werden nicht nur in Bezug auf ihre Zweit -<br />
sprache Deutsch gefördert, sondern sollen auch die Möglichkeit erhalten, im Sinne des Erhalts und<br />
Ausbaus ihrer mehrsprachigen Kompetenz in der Herkunftssprache an einem regionalen Förderangebot<br />
teilzunehmen.“ (Ebenda, 14).<br />
Die Erhebungen des Staatlichen Schulamtes 2005/2006 ergaben, dass in den meisten Fällen noch<br />
keine Kooperation zwischen den Fördermaßnahmen „DaZ“ und „Unterricht in Herkunftssprachen“<br />
stattfand. Aus aktuellen Gesprächen und Dienstbesprechungen konnte das Staatliche Schulamt zwar<br />
Verbesserungen feststellen, aber offenbar wird herkunftssprachlicher Unterricht noch immer nicht als<br />
gleichwertiger Bestandteil von Sprachförderung angesehen. „Das Bewusstsein von Mehrsprachigkeit als<br />
Kompetenzfeld muss auf unterschiedlichen Ebenen weiter entwickelt und gestärkt werden.<br />
Erfahrungen sowie unterschiedliche Studien zum Thema zeigen, dass eine gute Sprachbildung in der<br />
Herkunftssprache positive Auswirkungen auf das Erlernen der Zweitsprache Deutsch hat.<br />
Ein Förderbaustein z. B. ist „KOALA“ – Koordinierte zweisprachige Alphabetisierung im Anfangsunterricht<br />
–, zunächst Deutsch/Türkisch an zwei Schulen in <strong>Darmstadt</strong>: Erich-Kästner-Schule (GS), Morneweg<br />
schule.<br />
Das Prinzip wurde auch auf Deutsch/Portugiesisch übertragen. KOALA kann bei herkunftsheterogenen<br />
Klassen ein Baustein des Sprachförderkonzeptes (…) sein.“ (Ebenda, 14).<br />
Unterricht in Herkunftssprachen in der Stadt <strong>Darmstadt</strong><br />
Der herkunftssprachliche Unterricht ist ein freiwilliges Angebot, die Teilnahme wird im Zeugnis vermerkt.<br />
Türkisch wird an 8 Schulen in der Stadt <strong>Darmstadt</strong> angeboten, Arabisch an 2 Schulen, Griechisch,<br />
Italienisch, Kroatisch, Portugiesisch, Serbisch und Spanisch jeweils an einer Schule.<br />
„Im Grundschulbereich liegt Türkisch teilweise parallel zum Religionsunterricht, der Unterricht wird<br />
dort gut angenommen und regelmäßig besucht.<br />
Im Sekundarstufenbereich wird in den Klassen 5 und 6 das Angebot Türkisch ebenfalls gut angenommen,<br />
danach lässt das Interesse mehr und mehr nach.<br />
Auch die anderen Sprachangebote werden im Grundschulbereich gut bis sehr gut angenommen.<br />
Vor allem ältere Schülerinnen und Schüler aber ziehen andere (Freizeit-) Angebote vor.<br />
Die Teilnahme am Unterricht ist stark geprägt von den Interessen der Eltern, die sich eine Gleichstellung<br />
mit dem Regelunterricht (z. B. Benotung) wünschen.<br />
Der Unterricht in den Herkunftssprachen wird von Lehrkräften im hessischen Landesdienst oder von<br />
Konsulatslehrkräften erteilt.<br />
Weitere häufig vertretene Sprachen sind: Bulgarisch, Chinesisch, Polnisch, Russisch und Ungarisch.<br />
Herkunftssprachlicher Unterricht findet in diesen Sprachen (…) auf privater Ebene statt.“ (Ebenda, 15).<br />
Seit dem Schuljahr 2009/2010 wird der herkunftssprachliche Unterricht in diesen Sprachen im Sprachenzentrum<br />
der Lichtenbergschule angeboten und kontinuierlich ausgebaut.<br />
123
Die vorhandene Mehrsprachigkeit wird in der „Verordnung vom 1.8.2008 zum Schulbesuch von Schülerinnen<br />
und Schülern nichtdeutscher Herkunftssprache“ ausdrücklich als Ressource anerkannt und<br />
ermöglicht es ab Klasse 8, neu Zugewanderten ihre Herkunftssprache als erste oder zweite Fremdsprache<br />
anerkennen zu lassen.<br />
„Diese Anträge werden über die Schule beim Staatlichen Schulamt gestellt. Feststellungsprüfungen und<br />
Abschlussprüfungen werden extern durchgeführt, z. B. an den Universitäten in der Region oder Schulen,<br />
die ein Unterrichtsangebot in der jeweiligen Sprache haben.“ (Ebenda, 15).<br />
Aufnahme- und Beratungszentrum (ABZ)<br />
Zentrale Rolle bei der Umsetzung der Maßnahmen spielt das „Aufnahme- und Beratungszentrum“ (ABZ).<br />
Im Folgenden werden zwei Aufgabenschwerpunkte des Aufnahme- und Beratungszentrums vorgestellt:<br />
Lenken und Begleiten<br />
Dieser Aufgabenschwerpunkt des Aufnahme- und Beratungszentrums für Seiteneinsteiger bewegt sich<br />
in einem Aufgabenfeld mit drei Eckpunkten:<br />
• Aufnahme / Erfassung / Zuweisung<br />
• Lernstandsfeststellung / Beratung / Information<br />
• Vernetzung / Kontakte / Vermittlung<br />
Zielgruppe sind neu zugewanderte Schülerinnen und Schüler mit gar keinen, wenigen und zum Teil<br />
fortgeschrittenen Deutschkenntnissen. Ziel ist die Integration von zugewanderten Kindern und Jugendlichen<br />
in das deutsche Schulsystem entsprechend ihren Bildungsvoraussetzungen.<br />
Beratungssprachen sind z. Zt. arabisch, englisch, französisch, italienisch, polnisch, russisch und türkisch.<br />
Nach Beratungsgespräch, Sprach- und Lernstandsfeststellung hilft das ABZ bei der Anmeldung von<br />
Kindern im Alter von 6 bis 10 Jahren (1. bis 4. Schuljahr) in der Schule des Wohnbezirks.<br />
Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe I (5. bis 10. Schuljahr) und teilweise der Sekundarstufe II<br />
werden durch das ABZ aufgenommen und an die verschiedenen allgemeinbildenden oder beruflichen<br />
Schulen vermittelt.<br />
Bei nicht vorhandenen oder nur geringen Deutschkenntnissen ist für Schülerinnen und Schüler der<br />
Sekundarstufe I zunächst der Besuch einer Intensivklasse vorgesehen. In immer mehr Fällen ist die<br />
direkte Eingliederung in eine altersentsprechende Regelklasse geboten – verbunden mit individueller<br />
Sprachförderung.<br />
Ziel der Beratung ist es, aufgrund kompetent und einfühlsam geführter Gespräche und intensiver Lernstandsüberprüfungen,<br />
für die Schülerinnen und Schüler einen optimalen Schulplatz zu vermitteln, einen<br />
schnellen Anschluss in das Regelschulsystem zu ermöglichen und den bestmöglichen Weg zur Integration<br />
zu finden.<br />
Dabei ist folgender Ablauf in der Beratung von Schülerinnen und Schülern der Sekundarstufe I die Regel:<br />
• Erstkontakt / Aufnahme persönlicher Daten.<br />
• Lernstandsfeststellung / Mündliche und schriftliche Sprachkompetenz in Deutsch und Englisch,<br />
Mathematik, wenn möglich auch in der Herkunftssprache.<br />
• Diagnose / Auswertung der Ergebnisse der Sprachstandsfeststellungen. Schullaufbahnberatung/<br />
verschiedene Bildungswege aufzeigen.<br />
• Vermittlung eines geeigneten Schulplatzes/Kontaktaufnahme mit aufnehmender Schule.<br />
• Folgegespräch (nach Bedarf).<br />
• (Zweit-)Beratung bei Übergängen (aus der Intensivklasse, bei Schulformwechsel.“ (Ebenda, 16ff.).<br />
124
Diagnostizieren: Sprachstands- und Lernstandserhebungen<br />
„Die unterschiedlichsten Leistungsvoraussetzungen bzw. Lernausgangslagen der Schülerinnen und<br />
Schüler ergeben ein unterschiedliches Lernpotential.<br />
Voraussetzung für eine optimale Förderplanung ist eine kompetenzorientierte Diagnostik, die den<br />
Sprachstand erfasst und über bereits erworbene Strukturen informiert.<br />
Dazu sind bei den Beratenden Kenntnisse über Spracherwerbsstufen, Stolpersteine der deutschen<br />
Sprache und Verfahren zur Sprachstandserhebung erforderlich.<br />
Sprachstandsbestimmung und Förderdiagnostik sind Grundlagen:<br />
• zur Lern- und Sprachstandsbestimmung,<br />
• als diagnostische Instrumentarien,<br />
• der Fördermaßnahmen<br />
• für Fördermaterialien,<br />
• für Absprachen zur Arbeit mit dem Förderplan,<br />
• der Dokumentationsformen.<br />
Aus diesen Diagnoseerkenntnissen ergeben sich konkrete, individuelle Förderwege und Hinweise für<br />
adäquate Förderorte.<br />
Vor allem im Grundschulbereich wird bei der Diagnostik mit der Sprachstandsanalyse nach Grießhaber<br />
gearbeitet, ergänzt mit den Sprachstandserhebungen von „Deutsch für den Schulstart“.<br />
Die Sprachstandsanalysen nach Grießhaber können auch im Sekundarstufenbereich eingesetzt werden,<br />
ergänzt durch die Sprachstandsfeststellungen von Heidi Rösch. Hinzu kommen kompetenzorientierte<br />
Testverfahren, die sich am Europäischen Referenzrahmen für Sprachen orientieren (A1 bis C2).“<br />
(Ebenda: 20).<br />
Verein für interkulturelle Arbeit und Sprachförderung Deutsch e.V.<br />
Bojana Knezevic<br />
Vereinsgründung und Projekte<br />
Der Verein für Interkulturelle Arbeit und Sprachförderung Deutsch e.V. wurde 2007 gegründet. Die<br />
beiden Ziele des Vereins: interkulturelle Erziehung und Sprachförderung gehören sehr eng zusammen.<br />
In-terkulturelle Erziehung beinhaltet die Begegnung verschiedener Kulturen, das mit- und voneinander<br />
Lernen sowie die gegenseitige Achtung und Wertschätzung der individuellen Herkunftsgeschichte deutscher<br />
und zugewanderter Kinder und Erwachsener gleichermaßen. Das wichtigste Medium für Begegnung<br />
ist die Sprache.<br />
Die Deutschwerkstatt bietet seit März 2007 Sprachförderunterricht für Migrantenkinder im Raum<br />
<strong>Darmstadt</strong> an. Die Gruppen mit je acht Kindern treffen sich zweimal in der Woche für 3 Stunden. Die<br />
Gruppen bieten eine Plattform, um früh (ab dem Alter von 2 Jahren) die deutsche Sprache kennenzulernen.<br />
Die Deutschwerkstatt ist somit eine Art von Auffangnetz für viele Kinder, die keine deutschen<br />
Krabbelgruppen und Kindergärten besuchen und damit kaum Erfahrungen mit der deutschen Sprache<br />
machen konnten.<br />
Die Deutschwerkstatt bietet ebenfalls seit dieser Zeit das erste Fenster in eine neue sprachliche Umgebung.<br />
Hier haben die Kinder die ersten Erfolgserlebnisse mit der Sprache der Umgebung (deutsche<br />
Kinderlieder, kleine Rollenspiele). Weiterhin bedeutet die Deutschwerkstatt für die Kindergartenkinder<br />
eine Möglichkeit, ihre Kenntnisse in der deutschen Sprache zu verbessern, und zwar auf eine spielerische<br />
Art und Weise und unter Freunden, die alle auch ihre Muttersprachen gut beherrschen, aber im<br />
Deutschen Nachholbedarf aufweisen.<br />
125
Das Ziel dieses Projekts ist die gute Beherrschung der deutschen Sprache als das wichtigste Kriterium<br />
für soziale Integration und gleiche Bildungschancen aller Kinder. Darüber hinaus wollen wir die Kinder<br />
in deren multikulturellen Identität stützen, auf der Grundlage eines wertschätzenden und akzeptierenden<br />
Umgangs mit der Mehrsprachigkeit. Das bisherige klassische Erlernen der Sprache in einem Raum<br />
wollen wir für die alternativen Sprachfördermethoden (Vorlesen, Theater spielen, Musizieren) und durch<br />
das Verlassen des Klassenraumes und Angebote aus der Naturpädagogik bereichern.<br />
Schwellenabbau / Elternkompetenzen stärken<br />
Wir verstehen es als unsere Aufgabe, Prävention und Intervention im Bereich der frühen Bildung anzubieten<br />
und eine enge Zusammenarbeit mit den Familien zu gewährleisten.<br />
Wir beziehen unsere Kenntnisse über die Wohnsituation und Alltagsstruktur der Familien in unsere pädagogische<br />
Arbeit ein. Unsere pädagogischen Fachkräfte sind sensibilisiert in interkultureller Erziehung<br />
und verfügen über interkulturelle Kompetenzen. Vor allem gelingt es uns, die sprachlichen und kulturellen<br />
Barrieren aufzuheben.<br />
Wir bieten niederschwellige Angebote für Eltern an, u. a. mehrsprachige Angebote, wie die Elterngesprächskreise,<br />
ein Projekt der Stadt <strong>Darmstadt</strong> auch zur Verbesserung der Erziehungskompetenzen.<br />
Wir unterstützen die Migrantenmütter durch das Projekt „Mama lernt Deutsch“, ein Projekt der Stadt<br />
<strong>Darmstadt</strong>, bei dem Erwerb der Umgebungssprache und stärken die weiter zu Elternpartizipation an<br />
den Grundschulen, konkreter zu eine Teilhabe an den schulischen Erfolgen deren Kinder.<br />
Wir beraten Eltern in ihren Erziehungsfragen bezüglich Mehrsprachigkeit, Deutsch als Zweitsprache und<br />
begleiten sie zu den Einrichtungen und Ämtern für Kindergartenanmeldungen.<br />
Wir beraten in türkischer, russischer, polnischer, englischer, bulgarischer, mazedonischer, serbischer,<br />
kroatischer, rumänischer, griechischer, marokkanischer, arabischer und deutscher Sprache.<br />
Unsere Mitarbeiterinnen mit Migrationshintergrund unterstützen Familien bei der besonderen Herausforderung<br />
von Erziehung „zwischen den Kulturen“.<br />
126
IV. 4. Stadtteil<br />
Gemeinschaftshaus Pallaswiesenviertel<br />
Horst Miltenberger<br />
Der Caritasverband <strong>Darmstadt</strong> e.V. und das Diakonische Werk <strong>Darmstadt</strong>-Dieburg sind kooperative<br />
Träger der Gemeinwesenarbeit (GWA) in <strong>Darmstadt</strong>. Sie verfügen über langjährige Erfahrungen in diesem<br />
Arbeitsfeld und sind auch über das Arbeitsfeld der GWA hinaus in ihren anderen Arbeitsbereichen<br />
sozialraumorientiert ausgerichtet. Seit den 1970er Jahren unterstützt die Wissenschaftsstadt <strong>Darmstadt</strong><br />
Ansätze gemeinwesenorientierter sozialer Arbeit in unterschiedlichen Stadtteilen. Zuerst richtete<br />
sich die Aufmerksamkeit auf die Sanierungsgebiete Arheilgen/Rodgaustraße und Pallaswiesenviertel. In<br />
den Jahren 1999/2000 wurde die Gemeinwesenarbeit als Element im Bund-Länder-Programm „Soziale<br />
Stadt“ in den Stadtteilen Eberstadt-Süd und Kranichstein etabliert. Allen Stadtquartieren gemeinsam<br />
ist ein hoher Anteil an Menschen, die von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht sind.<br />
Gemeinwesenarbeit ist ein emanzipatorischer Ansatz, der sowohl die Geschlechterrollen als auch die<br />
soziale Integration in den Mittelpunkt rückt. Er nimmt gesellschaftlich benachteiligte Menschen in ihren<br />
Anliegen ernst, fördert ihre Fähigkeit zur Selbstorganisation und zum Gemeinschaftshandeln und zielt<br />
darauf ab, sie selbst zu Akteuren von Entwicklungsprozessen zu machen. Sozialer Zusammenhalt kann<br />
nur durch das Engagement aller Bevölkerungsschichten erreicht werden, Gemeinwesenarbeit ist hier<br />
der Brückenbauer zwischen unterschiedlichen Gruppen und trägt dazu bei, die Stärken und Schwächen<br />
der Stadtgesellschaft miteinander zu vernetzen.<br />
Ein besonderes Augenmerk liegt auf der Förderung der Teilhabechancen benachteiligter Menschen in den<br />
Bereichen Bildung, Gesundheit, Erwerbsleben, Kultur und Soziales. Mit der Partizipation der BewohnerInnen<br />
wird eine nachhaltige Verbesserung der Wohn- und Lebensbedingungen im Quartier angestrebt.<br />
Der Caritasverband <strong>Darmstadt</strong> e.V. und das Diakonische Werk <strong>Darmstadt</strong>-Dieburg betreiben das Gemeinschaftshaus<br />
Pallaswiesenviertel seit nun mehr als 20 Jahren. Ein Fokus des Gemeinschaftshauses<br />
Pallaswiesenviertel ist die Förderung und die Unterstützung der Alltagsbewältigung der im Viertel lebenden<br />
Menschen. Insbesondere liegt ein Hauptaugenmerk der Arbeit auf der Integration von Familien mit<br />
Migrationshintergrund und der Förderung von Kindern und Jugendlichen im Viertel.<br />
Die Angebote sind offen für alle Bewohnerinnen und Bewohner des Pallaswiesenviertels, unabhängig<br />
ihres kulturellen Hintergrundes. Bemerkenswert ist, dass die Angebote weit überdurchschnittlich von<br />
Kindern und Erwachsenen mit Migrationshintergrund genutzt werden.<br />
Exemplarische Beispiele unserer täglichen und wöchentlichen Angebote sind:<br />
• Betreuungsangebot für Schulkinder mit Mittagessen<br />
• Hausaufgabenhilfe<br />
• Einzel- und Gruppennachhilfe zur Vermeidung von Nichtversetzung von Kindern<br />
• Allgemeine Lebensberatung<br />
• Mädchengruppe<br />
• Jungengruppe<br />
• Kindertreff<br />
• Kindersport- und Fußballgruppe<br />
• Krabbelgruppe mit Elterncafé<br />
• Multikultureller Frühstückstreff<br />
127
• Frauengruppe<br />
• Montagscafé<br />
• Kinder- und Jugendfreizeiten<br />
• Kleinkinderfamilienfreizeit<br />
• Urlaubsfahrt mit Familien<br />
• Tagesausflüge<br />
• Ferienspiele<br />
Hervorzuheben sind hier die Angebote im Kinder- und Jugendbereich, ca. 75 % unserer TeilnehmerInnen<br />
haben einen Migrationshintergrund.<br />
Neben dem Zugang über unsere Kinder- und Jugendarbeit stellt unser multikultureller Frühstückstreff<br />
den Zugang zu den erwachsenen Migrantinnen und Migranten dar. Der Frühstückstreff ist die Eingangstür<br />
für weitere Angebote im Gemeinschaftshaus und für unsere partizipatorische Arbeit mit den Menschen<br />
im Pallaswiesenviertel. Durch Bewohnerbeteiligung haben sich mehrere Arbeitsgruppen im Stadtteil<br />
gebildet, die sich dem Thema der Verbesserung der Wohn- und Lebensbedingungen angenommen<br />
haben. Die Aufgabe der Gemeinwesenarbeit ist die Moderation, Dokumentation und Begleitung aller<br />
Gruppen.<br />
Wichtige Partner in der Stadtteilarbeit mit Migrantinnen und Migranten sind der städtische Sozialdienst,<br />
die Migrationsberatung des Caritasverbandes <strong>Darmstadt</strong> und des Diakonischen Werks <strong>Darmstadt</strong>-Dieburg.<br />
Das Gemeinschaftshaus Pallaswiesenviertel hat den Auftrag, im Stadtteil die Vernetzung von Angeboten<br />
und Akteuren zu fördern und zu unterstützen. Als Ort des Austauschs zwischen Hauptamtlichen, Vereinen,<br />
Bewohnerinnen und Bewohnern und Vertretern aus Politik sowie als Sprachrohr des Stadtteils<br />
nach außen dient die Stadtteilrunde.<br />
Gemeinwesenarbeit Arheilgen – Sozialräumlich die Integration fördern<br />
Petra Beisel / Despina Paraskevaidou<br />
Die Begegnung von Menschen mit und ohne Migrationsgeschichte findet vor Ort im Gemeinwesen statt.<br />
Ob ihre Teilhabe und ihr Teilwerden erfolgreich verlaufen, offenbart sich in der Lebenswirklichkeit in<br />
den Kommunen.<br />
Die Gemeinwesenarbeit, getragen vom Diakonischen Werk <strong>Darmstadt</strong>-Dieburg und dem Caritasverband<br />
<strong>Darmstadt</strong> e.V., bringt sich in lokale Netzwerke ein mit dem Ziel, die Konzentration von Armut und sozialer<br />
Benachteiligung in den Stadtvierteln und ihre Folgen zu bekämpfen, Zugangsbarrieren für Migranten<br />
abzubauen und eine interkulturelle Öffnung zu erreichen.<br />
GWA:<br />
• ist sozialräumlich organisiert,<br />
• findet sich in Stadtteilen und Quartieren mit besonderen Entwicklungsbedarfen,<br />
• aktiviert und beteiligt Bewohnerinnen und Bewohner,<br />
• fördert Inklusion und wirkt sozialer Benachteiligung entgegen,<br />
• fördert die strukturelle Integration der zugewanderten Bevölkerungsgruppen,<br />
• wirkt darauf hin, positive Lebensbedingungen zu erhalten bzw. zu schaffen.<br />
128
Gemeinwesenarbeit Arheilgen<br />
Das Diakonische Werk <strong>Darmstadt</strong>-Dieburg und der Caritasverband <strong>Darmstadt</strong> e.V. sind die Träger der<br />
Gemeinwesenarbeit im Stadtteil Arheilgen. Die Gemeinwesenarbeit bezieht sich auf die Gegebenheiten<br />
im Stadtteil und zielt, gemeinsam mit den dort lebenden Menschen, auf eine Verbesserung der Wohn-<br />
und Lebensbedingungen in benachteiligten Quartieren.<br />
Mit dem Stadtteilzentrum Muckerhaus ist auf Initiative der Bewohnerinnen und Bewohner ein Ort der<br />
Begegnung, der Bildung, der Teilhabe und Kommunikation für alle entstanden. Die Träger schaffen<br />
gemeinsam mit Ehrenamtlichen und Kooperationspartnern ein Netzwerk an fördernden Angeboten.<br />
Das Muckerhaus steht mit seinen Möglichkeiten allen Menschen im Stadtteil zur Verfügung.<br />
Gruppen und Angebote im Bereich Migration/Integration<br />
Die Belange der Menschen mit Migrationshintergrund in der Rodgaustraße / Messeler Straße werden<br />
über eine Vertreterin im Arbeitskreis Rodgaustraße und im Hausbeirat vertreten.<br />
Der Arbeitskreis Rodgaustraße ist der Magistratskommission Soziale Brennpunkte <strong>Darmstadt</strong> zugeordnet<br />
und zielt auf die konkrete Verbesserung der Wohn- und Lebensbedingungen im Quartier. Der Hausbeirat<br />
Muckerhaus sichert die Teilhabe der Gruppen an der Entwicklung.<br />
Die Kollegin der Migrationsberatung (RDW) arbeitet im Muckerhaus sozialraumorientiert. Zum einen<br />
werden wöchentlich Sprechstunden mit dem Schwerpunkt Migrationsberatung angeboten. Zum anderen<br />
wird die Frauengruppe Papatya (überwiegend türkischstämmige Frauen) begleitet. Aus dieser Begleitung<br />
und mit Förderung des Frauenbüros der Wissenschaftsstadt <strong>Darmstadt</strong> entstanden Projekte, wie Gymnastik<br />
für Frauen, Bildungsabende und ein Fahrradkurs.<br />
Im Muckerhaus trifft sich außerdem eine türkische Seniorengesprächsgruppe.<br />
Im Stadtteil wird mit Kooperationspartnern zum Thema Migration / Integration gearbeitet.<br />
Die Hausaufgabenhilfe (gefördert mit Mitteln der Wissenschaftsstadt <strong>Darmstadt</strong>) wird in großer Zahl<br />
von Kindern, die aus Familien mit Migrationhintergrund stammen, besucht.<br />
Im Muckerhaus finden regelmäßig Integrationskurse mit Kinderbetreuung (bisher organisiert und koordiniert<br />
vom Caritasverband <strong>Darmstadt</strong> e.V.) statt.<br />
Soziale Stadt in den Stadtteilen Eberstadt Süd und Kranichstein<br />
Jeannette Dorff / Peter Grünig<br />
„Soziale Stadt“ ist ein Programm der Städtebauförderung, durch das die Wohn- und Lebensverhältnisse<br />
in Stadtteilen verbessert werden sollen, in denen sich soziale, wirtschaftliche und städtebauliche Probleme<br />
besonders häufen. Die Wissenschaftsstadt <strong>Darmstadt</strong> ist mit den Standorten Eberstadt-Süd und<br />
Kranichstein seit 1999 bzw. seit 2000 im Programm „Soziale Stadt“ vertreten.<br />
Der besondere Ansatz des Programms sieht die Beteiligung von Bewohnerinnen und Bewohnern am<br />
Prozess der Stadtteilentwicklung vor. Das Engagement und die Mitarbeit der Bewohner/innen und Akteure<br />
der Stadtteile werden durch ein Quartiersmanagement organisiert und entwickelt. Damit sind das<br />
Stadtteilmanagement und die Stadtteilwerkstätten als Anlaufstellen vor Ort beauftragt.<br />
Der Caritasverband <strong>Darmstadt</strong> e.V. und das Diakonische Werk <strong>Darmstadt</strong>-Dieburg sind Träger der<br />
Stadtteilwerkstätten in Eberstadt-Süd und Kranichstein.<br />
Die Stadtteilwerkstätten arbeiten mit dem Ansatz der Gemeinwesenarbeit und sind über das Netzwerk<br />
der Gemeinwesenarbeit in <strong>Darmstadt</strong> mit den weiteren Standorten der Gemeinwesarbeit verbunden.<br />
Sie wirken mit an der Weiterentwicklung der notwendigen Bedingungen und Strukturen, auf denen<br />
bürgerschaftliches und ehrenamtliches Engagement in den Stadtteilen Eberstadt-Süd und Kranichstein<br />
wachsen kann. Sie zielen auf die Stärkung der Selbsthilfekräfte und der Eigenverantwortung der BewohnerInnen<br />
der Stadtteile. Ein besonderes Augenmerk liegt auf der Förderung der Teilhabechancen<br />
benachteiligter Menschen in den Bereichen Bildung, Gesundheit, Erwerbsleben, Kultur und Soziales.<br />
129
Mit der Partizipation der Bewohnerinnen und Bewohner wird eine nachhaltige Verbesserung der Wohn-<br />
und Lebensbedingungen im Stadtteil angestrebt.<br />
Im Sinne der Ziele des Förderprogramms einer sozialen, ökonomischen, städtebaulichen und ökologischen<br />
Erneuerung des Stadtteils lassen sich im Wesentlichen die Aufgaben der Stadtteilwerkstätten wie<br />
folgt bestimmen:<br />
• Ausbau und Weiterentwicklung der Beteiligung der Bewohnerinnen und Bewohner,<br />
• Begleitung und Unterstützung von Maßnahmen zur Wohn- und Umfeldverbesserung,<br />
• Initiierung und Förderung von Aktivitäten zur sozialen Nachbarschaft und des aktiven Stadtteillebens,<br />
• Öffentlichkeitsarbeit, u. a. zur Verbesserung des Images des Stadtteils,<br />
• Stärkung der lokalen Wirtschaft, Arbeitsplätze auf lokaler Ebene, Unterstützung von arbeitslosen<br />
Bewohnerinnen und Bewohnern.<br />
In allen Aufgabenfeldern spielt die Beteiligung von eingewanderten Menschen und von den Migrantenorganisationen<br />
eine besondere Rolle, da der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund in den<br />
beiden Stadtteilen über dem gesamtstädtischen Durchschnitt liegt (s. Kapitel 1.2.c).<br />
Vermittlung von Interessen und Bedarfen von Zugewanderten in der Stadtteilarbeit<br />
In der Arbeit der Stadtteilwerkstätten steht die nachholende und weiterführende Integration der<br />
Zu wanderer im Vordergrund.<br />
Wichtige Partner in der Stadtteilarbeit mit Migrantinnen und Migranten sind der städtische Sozialdienst,<br />
die Migrationsberatung für Erwachsene und der Jugendmigrationsdienst, die alle in den Stadtteilen<br />
ihre Sprechstunden anbieten und Projekte durchführen. Weiterhin sind Partner der Zusammenarbeit<br />
das Interkulturelle <strong>Büro</strong> und die Einrichtungen und Institutionen der Kinder- und Jugendarbeit im<br />
Stadtteil sowie die Kirchengemeinden.<br />
Die Stadtteilwerkstätten haben den Auftrag, in den Stadtteilen die Vernetzung von Angeboten und<br />
Akteuren zu fördern und zu unterstützen. Sie sind Kooperationspartner für andere Träger und arbeiten<br />
zusammen mit haupt- und ehrenamtlichen Akteuren.<br />
Die Vernetzung der Arbeit erfolgt durch die Gremienarbeit in den Stadtteilen. Die wichtigsten Arbeitsgruppen<br />
sind in Kranichstein der Hauptamtlichentreff, die AG Kooperation Jugendarbeit und Schule<br />
und die AG Kinder. Als Ort des Austauschs zwischen Hauptamtlichen, Vereinen, Bewohnern und Vertretern<br />
der Politik und als Sprachrohr des Stadtteils nach außen dient die Stadtteilrunde. In Eberstadt-<br />
Süd sind die AG Kinder und Jugend, die sich aus Schulen, Kinder- und Jugendeinrichtungen und dem<br />
Jugendmigrationsdienst zusammensetzt und die Stadtviertelrunde, dem Pendant zur Stadtteilrunde in<br />
Kranichstein, die wichtigsten Arbeitsgruppen.<br />
Eberstadt-Süd<br />
Moderation unterschiedlicher Arbeitsgruppen im Stadtteil<br />
Eine der wesentlichen Aktivitäten der Stadtteilwerkstatt ist die Begleitung und Moderation von Bewohnerarbeitsgruppen,<br />
in denen zugewanderte und einheimische Bewohnerinnen und Bewohner aus dem<br />
Stadtteil sich gemeinsam sowohl für die Gestaltung des sozialen und kulturellen Lebens als auch für die<br />
Verbesserung der Wohn und Lebenssituation engagieren.<br />
Ziel der AG Soziale Nachbarschaft ist es, das nachbarschaftliche Zusammenleben im Stadtteil zu verbessern.<br />
Dadurch soll auch die positive Identifikation der BewohnerInnen mit dem Stadtteil gefördert<br />
werden.<br />
Im Jahr 2002 trat die AG Stadtteilfest das erste Mal zusammen. Seit dem bereitet sie regelmäßig jedes<br />
zweite Jahr das Stadtteilfest vor. Dabei werden die Mitglieder der AG durch VertreterInnen aus Vereinen<br />
und Institutionen des Quartiers und weitere Kooperationspartner unterstützt. So entsteht ein vielfältiges,<br />
multikulturelles Festprogramm, das durch vielfältige kulinarische Angebote ergänzt wird. Ein wesentliches<br />
Ziel der Feste ist es, Berührungsängste abzubauen, Begegnungen und Gespräche zwischen<br />
BewohnerInnen unterschiedlicher Herkunft zu initiieren und auch die positive Identifikation der BewohnerInnen<br />
mit dem Stadtteil zu fördern.<br />
130
Das wesentliche Anliegen der AG Bauverein besteht in der Lösung von Problemen in den Liegenschaften<br />
der Bauverein AG, dem größten Wohnungsträger in Eberstadt-Süd. Dazu werden von den MieterInnen<br />
Mängellisten erstellt und während der Sitzung mit Vertretern des Bauvereins besprochen. Diese versuchen,<br />
sofern möglich, sich zeitnah um die Lösung der Probleme zu bemühen.<br />
Beispielsweise geht es um Schimmelbefall in Wohnungen, defekte Heizkörper, Lärmbelästigungen, aber<br />
auch um Mängel im Umfeld der Gebäude.<br />
Der AK Interreligiöses Gespräch wurde im Januar 2007 gegründet. Dieser Arbeitskreis möchte Menschen<br />
unterschiedlicher Religion und Konfession die Möglichkeit bieten, sich auszutauschen. Dadurch können<br />
die TeilnehmerInnen ihre eigenen Erfahrungen und persönlichen Geschichten einbringen und anderen<br />
ihre eigenen Traditionen und Werte näher bringen. Hierdurch wird ein Beitrag zum Zusammenleben im<br />
Stadtteil geleistet, Toleranz und Verständnis füreinander gefördert, was eine wichtige Vorraussetzung<br />
für Integration im weitesten Sinne ist.<br />
Mit Informationsabenden zu Themen wie „Christen in Indien“ und Veranstaltungsreihen wie z. B. „Begegnungen<br />
mit dem Islam“ wird allen Interessierten das jeweilige Thema mit seinen vielfältigen Hintergründen<br />
anschaulich erklärt und Diskussion und Austausch gefördert.<br />
In enger Zusammenarbeit mit dem Interkulturellen <strong>Büro</strong> der Stadt <strong>Darmstadt</strong> trifft sich etwa alle 6 bis<br />
8 Wochen die AG Interkulturelle Stadtteilarbeit, vorwiegend in der Stadtteilwerkstatt. In dieser AG<br />
haben sich VertreterInnen verschiedener kultureller Gruppen des Stadtteils zusammengeschlossen.<br />
Sie setzen sich insbesondere für die Integration und das friedliche Miteinander der BewohnerInnen ein.<br />
Dies geschieht u. a. mithilfe von Projekten, Festen, Sprachkursen und Informationsveranstaltungen, z. B.<br />
zum Zuwanderungsgesetz. Die Informationen werden auch in Zusammenarbeit mit fremdsprachlichen<br />
MultiplikatorInnen und ÜbersetzerInnen in die jeweiligen Migrantencommunities und BewohnerInnengruppen<br />
getragen.<br />
Darüber hinaus findet kontinuierlich einmal im Monat das „multikulturelle Kochstudio GARI BALDI“<br />
in der Stadtteilwerkstatt statt, das abwechselnd von BewohnerInnen und Migrantenvereinen gestaltet<br />
wird. Dabei können sich die BewohnerInnen in ungezwungener Atmosphäre begegnen und gemeinsam<br />
kochen und essen. Einer von mehreren Höhepunkten im Jahr ist das Iftar-Essen, das traditionelle Fastenbrechen<br />
im Ramadan.<br />
Weitere Aktivitäten wie die jährliche Müllsammelaktion, die Frühlingswanderung und das Treffen unter<br />
dem Weihnachtsbaum werden von Aktiven aus verschiedenen AGs vorbereitet.<br />
Erstmals fand am 25.6.2010 der Fachtag „Gemeinsam Wohnen – Einflüsse wohnungswirtschaftlichen<br />
Handelns auf das Zusammenleben im Quartier“ im Rahmen der Interkulturellen Woche statt. Eine der<br />
zentralen Fragen des Fachtags war, welchen Einfluss die Wohnungsunternehmen durch ihre Unternehmenspolitik<br />
auf das Zusammenleben und die Lebensqualität in einem Stadtteil haben. Danach haben<br />
die Wohnungsunternehmen eine große Verantwortung hinsichtlich der Stadtteilentwicklung.<br />
Die TeilnehmerInnen konnten gemeinsam mit Vertretern von Wohnungsunternehmen in Gießen, Rüsselsheim<br />
und Hattersheim über positive Beispiele aus diesen Gemeinden diskutieren und Merkmale für ein<br />
gutes Zusammenspiel von BewohnerInnen und Wohnungsgesellschaften bestimmen.<br />
Durch diese Veranstaltungen begegneten sich zum einen die BewohnerInnen des Quartiers und zum<br />
anderen begegneten sich BewohnerInnen und BesucherInnen, die nicht im Quartier leben.<br />
Ein wichtiger Partner der Stadtteilwerkstatt bei vielen Aktivitäten und Veranstaltungen ist der Nachbarschaftsverein<br />
Eberstadt-Süd.<br />
Die große Beliebtheit der Veranstaltungen, über die Grenzen von Eberstadt-Süd hinaus, zeigt, dass<br />
dadurch auf ein weiteres wichtiges Ziel erfolgreich hingearbeitet wurde: das Image des Quartiers zu<br />
verbessern.<br />
Ergänzende Aktivitäten und Angebote in der Stadtteilwerkstatt<br />
Neben der Förderung der Bewohnerbeteiligung und Verbesserung des sozialen und kulturellen Lebens<br />
besteht eine weitere wichtige Aufgabe der Stadtteilwerkstatt Eberstadt-Süd darin, zwischen Bewohner-<br />
Innen und anderen Institutionen zu vermitteln, um ihre Bedarfe und Wünsche zu vertreten, beispielsweise<br />
in Bezug auf die weitere bauliche Gestaltung des Quartiers.<br />
131
Dazu kooperiert die Stadtteilwerkstatt neben der Bauverein AG mit dem Stadtplanungsamt, der Sozialverwaltung,<br />
dem Architekturbüro Freischlad + Holz und natürlich mit den anderen sozialen Trägern und<br />
Einrichtungen, die im Quartier tätig sind.<br />
Unterstützt werden die hauptamtlich Tätigen auch durch Ehrenamtliche, die beispielsweise bedarfsorientierte<br />
Beratungsangebote für die BewohnerInnen anbieten und sie bei der Lösung individueller<br />
Probleme unterstützen.<br />
Beispielsweise gibt es ein ehrenamtliches Beratungsangebot, das immer montags von 10 – 12 Uhr und<br />
donnerstags von 16 – 18 Uhr angeboten wird, u. a. auch in russischer Sprache. Es umfasst Hilfen beim<br />
Ausfüllen von Formularen des Jobcenters und anderer Behörden, Unterstützung bei der Arbeitssuche etc.<br />
Montagnachmittags findet die ebenfalls niedrigschwellige Beratung des Migrationsdienstes der Caritas<br />
statt. Die Stadtteilwerkstatt stellt zudem Räumlichkeiten gegen ein geringes Entgelt für Migrantenvereine<br />
und andere Gruppen zur Durchführung selbst organisierter Aktivitäten zur Verfügung.<br />
Kranichstein<br />
Entwicklung der Beteiligung von Migrant/innen in der Stadtteilarbeit in Kranichstein<br />
in Kooperation mit dem Interkulturellen <strong>Büro</strong><br />
Mit dem Start des Programms „Soziale Stadt“ in Kranichstein und der damit einhergehenden Einrichtung<br />
der Stadtteilwerkstatt im Jahr 2001, begann die Zusammenarbeit zwischen dem Interkulturellen<br />
<strong>Büro</strong> und den Trägern des Quartiersmanagements / Stadtteilmanagements der „Sozialen Stadt“. Der<br />
Arbeitskreis Migrantinnen und Migranten in Kranichstein (AK MiKra) wurde die zentrale Bewohnerarbeitsgruppe<br />
zur Förderung der Beteiligung von Migranten/innen im Rahmen der Umsetzung des Bund-Länder-<br />
Programms „Soziale Stadt“. Fortan erfolgte eine gemeinsame Leitung des AKs durch das Interkulturelle<br />
<strong>Büro</strong> und die Stadtteilwerkstatt.<br />
Aus dem Arbeitskreis wurden Vertreterinnen und Vertreter in die neu gebildeten Arbeitsgremien der<br />
„Sozialen Stadt“ entsandt. Ebenso wurden Vertreterinnen und Vertreter für die Teilnahme an der Stadtteilrunde<br />
ausgewählt.<br />
Die Themen, die den AK MiKra intern beschäftigen, sind vielfältig. Es werden Informationsveranstaltungen<br />
zu Integrationskursen und zum Zuwanderungsgesetz durchgeführt, wie auch zum deutschen Erziehungs-<br />
und Bildungssystem, es werden Gespräche mit Ordnungsamt und Polizei veranstaltet oder es<br />
wird über die Verbesserung von Freizeit- und Bildungsangeboten im Stadtteil diskutiert. Internationale<br />
Kochkurse und PC-Kurse werden z. B. auch aus dem Arbeitskreis heraus organisiert.<br />
Über den AK MiKra wird seit 2000 gleichfalls mit organisatorischer Unterstützung der Stadtteilwerkstatt<br />
und des Interkulturellen <strong>Büro</strong>s die Teilnahme der Mitgrantenorganisatonen am jährlichen Stadtteilfest<br />
‚Bunte Wiese’ gewährleistet.<br />
Ein wichtiges Anliegen aus dem AK MiKra, das Anfang 2002 realisiert werden konnte, ist die Bereitstellung<br />
von zusätzlichen Räumen für selbst organisierte Gruppenaktivitäten im Stadtteil (z. B. muttersprachlicher<br />
Unterricht, Hausaufgabenhilfe, Frauentreffs). Prinzipiell wird im Rahmen des Programms<br />
für solche Projekte eine Selbstverwaltung durch die Nutzenden angestrebt. Es hat sich jedoch immer<br />
mehr herausgestellt, dass die finanzielle Ausstattung der Gruppen für den Übergang in eine selbständige<br />
Finanzierung der Räume problematisch ist. Zur Sicherung des Angebotes muss die Hauptfinanzierung<br />
durch die Stadt oder einen Träger gewährleistet sein.<br />
Beginnend mit der Preisverleihung des Ludwig-Metzger-Preises für bürgerschaftliches Engagement durch<br />
die Stadtsparkasse <strong>Darmstadt</strong> im Herbst 2005 für die beiden Bewohnerarbeitsgruppen der „Sozialen<br />
Stadt“, AK MiKra und AG Kommunikation, hat sich eine Zusammenarbeit der Gruppen etabliert. Ging es<br />
zunächst darum, gemeinsam zu planen wie die Preisgelder eingesetzt werden können, ist es inzwischen<br />
ein wichtiges Anliegen der beiden Gruppen geworden, die Begegnung und den Austausch zwischen Einheimischen<br />
und Zuwanderern/innen in Kranichstein zu verbessern.<br />
Die Organisation gemeinsamer Kulturabende zur Vorstellung unterschiedlicher in Kranichstein lebender<br />
Nationalitäten machte den Anfang. Darüber hinaus wurde gemeinsam vom Interkulturellen <strong>Büro</strong> und<br />
von der Stadtteilwerkstatt eine Fortbildungsreihe organisiert, die den Rahmen bildete um über theoretische<br />
Wissensvermittlung und praktische Übungen zu Themen, wie Zuwanderung, Migration, inter-<br />
132
kulturelle Kompetenz und Kommunikation, in einer positiven Atmosphäre miteinander ins Gespräch zu<br />
kommen. Diese Veranstaltungsreihe, die sehr erfolgreich war, hat verdeutlicht, dass sowohl die Vermittlung<br />
von Hintergrundwissen über Zuwanderung und Migrationsthemen bei den Einheimischen als auch<br />
der Austausch über Erwartungen und Wünsche von Einheimischen und Zuwanderern Barrieren und<br />
Vorurteile abbauen können.<br />
Unterstützung und Förderung von Eigeninitiative und Selbstorganisation bei Zuwanderern<br />
durch die Stadtteilarbeit<br />
Mit unterschiedlichen Arbeitsansätzen, die hier nur beispielhaft dargestellt werden, fördert und unterstützt<br />
die Stadtteilwerkstatt Kranichstein, außerhalb der Arbeit mit den AGs, die Entwicklung von Eigeninitiative<br />
und Selbstorganisation bei Einzelpersonen und Gruppen.<br />
In diesem Arbeitsbereich erfolgt auch eine Vernetzung mit den, durch das Interkulturelle <strong>Büro</strong> ausgebildeten,<br />
Integrationsassistentinnen und -assistenten und Integrationspartnerinnen und -partnern. So<br />
werden über die Stadtteilwerkstatt Zuwanderer für Partnerschaften vermittelt und Integrationsassistentinnen<br />
in der Projekt- und Beratungsarbeit mit eingesetzt.<br />
Das monatliche internationale Frauenfrühstück bildet ein niedrigschwelliges Angebot für Frauen, verbunden<br />
mit Beratung und Information zu unterschiedlichen Themen. So wurden z. B. gemeinsame Veranstaltungen<br />
mit dem Frauenbüro, der Verbraucherzentrale, dem Frauengesundheitszentrum und dem<br />
Verein Weiterleben e.V. organisiert. Themen wie Frauenrechte im Islam wurden referiert und diskutiert<br />
oder das Wirtschaften mit geringem Einkommen. Der Kontakt zu Institutionen und Einrichtungen, der<br />
auf diese Weise hergestellt wird, nimmt den Frauen die Hemmung, diese Angebote selbständig aufzusuchen<br />
und dort um Hilfe und Beratung anzufragen.<br />
Dem von den Frauen geäußerten Bedarf, gezielt im thematischen Gespräch die deutsche Sprache<br />
einzuüben, wurde durch die Einrichtung des Internationalen Frauentreffs entsprochen. In den wöchentlichen<br />
Treffs, geleitet von einer Integrationsassistentin, steht die Verbesserung der Sprachkompetenz<br />
im Vordergrund, anhand der Vermittlung von Alltagswissen sowie Informationen zu Erziehungs- und<br />
Bildungssystem, Gesundheitssystem etc. Die Themen werden von den Frauen selbst bestimmt. Ziel<br />
ist es auch, Frauen, die noch nicht an Integrationskursen teilgenommen haben, in solche Angebote zu<br />
vermitteln.<br />
Neben Angeboten, die individuell unterstützend ausgerichtet sind, begegnet die Stadtteilwerkstatt gezielt<br />
dem Bedarf von Vereinen oder Gruppen sich selbst zu organisieren und zu profilieren. Unterstützung<br />
wird z. B. geleistet, bei der Erarbeitung von Konzepten, der Formulierung von Vereinssatzungen,<br />
der Beantragung von Finanzmitteln und der Organisation eigener Angebote.<br />
Über diese Formen der Unterstützung entsteht eine Basis für die weitere Zusammenarbeit mit den<br />
Selbstorganisationen der Zuwanderer, die sich positiv auf die Stadtteilarbeit auswirkt. Es entwickeln<br />
sich Zugangsmöglichkeiten zu einzelnen Communities. Der Kontakt eröffnet die Möglichkeit, gezielt<br />
Multiplikator/innen aus Gruppen / Vereinen zu Themen und Problemfeldern zu schulen, die dann von<br />
diesen wieder in ihre Communities zurückgetragen werden.<br />
In die andere Richtung bietet sich die Option, dass gezielt Informationen gesammelt und an Fachkräfte<br />
zurückgemeldet werden. Beispielhaft sollen hier genannt sein Projekte der Elternbildung und eine Bedarfserhebung<br />
zur Situation älterer Migrantinnen und Migranten, die von der AG Senioren initiiert wurde.<br />
In den Projekten der Elternbildung werden Multiplikatorinnen, darunter Integrationsassistentinnen und<br />
-assistenten und Gesundheitslotsinnen und -lotsen, geschult, um anschließend ihre Kenntnisse gezielt<br />
an Eltern ihrer Communities vermitteln zu können. Im Zuge der Erhebung erfolgte eine Befragung<br />
älterer Migranten/innen in Kranichstein durch Multiplikatoren und Integrationsassistentinnen, zur Ermittlung<br />
der Bedarfe zur Versorgung älterer Menschen unterschiedlicher Herkunft. Im Rahmen dieses<br />
Projektes entwickelte sich eine Kooperation mit der städtischen Seniorenberatung und der Hochschule<br />
<strong>Darmstadt</strong>.<br />
Mit dem Projekt „Internationale Gärten Kranichstein“, gefördert aus den Programmen „Soziale Stadt“<br />
und „Lokales Kapital für Soziale Zwecke“, wird gezielt der Aufbau eines gemischt kulturellen Vereins<br />
unterstützt. Eine Initiative einheimischer Frauen hat dieses Projekt gestartet. Doch inzwischen ist aus<br />
133
der Initiative ein Verein mit 30 Mitgliedern (Einzelpersonen und Familien) aus 10 Nationen geworden,<br />
dem ein Vorstand von Menschen afghanischer, kurdischer, palästinensischer und ukrainischer Herkunft<br />
neben einer einheimischen Vorsitzenden vorsteht. Die Herausforderung für dieses Projekt besteht darin,<br />
dass sich Menschen mit unterschiedlichen kulturellen Mentalitäten zusammenfinden und sich gemeinsam<br />
für das Projekt „Internationale Gärten“, für seinen Aufbau und für die Sicherung seines Bestandes<br />
engagieren. Im Sinne der Ausbildung eines positiven Stadtteillebens ist es für Einheimische und Migranten/innen<br />
eine gute Gelegenheit, zueinander Kontakte und Beziehungen aufzubauen.<br />
BIFI – BürgerInnen fördern Integration<br />
Das gemeinweisenorientierte Integrationsprojekt der Stadtteilwerkstatt Kranichstein, gefördert durch<br />
das Innenministerium, Amt für Migration und Flüchtlinge, wurde 2009 durch das Diakonische Werk<br />
beantragt und hat eine 2 ½-jährige Laufzeit bis März 2012. Grund der Antragstellung war der verstärkt<br />
von eingewanderten Menschen an die Stadtteilwerkstatt herangetragene Wunsch, nach Kontakt zu einheimischen<br />
Menschen und außerdem der ermittelte Bedarf zusätzlicher Unterstützung für Vereine und<br />
Gruppen zur Profilierung und Professionalisierung ihrer Arbeit.<br />
Das Integrationsprojekt „BIFI_BürgerInnen fördern Integration – Einheimische und Migranten engagieren<br />
sich für Integration im Stadtteil“ unterstützt das gemeinsame, bürgerschaftliche Engagement von<br />
einheimischen und zugewanderten Menschen im Stadtteil. „Eigentlich ist es mir egal was wir machen.<br />
Hauptsache ist, dass ich etwas erlebe und nicht mehr allein bin“, so eine 66-jährige Teilnehmerin.<br />
Durch Integrationspartnerschaften kommen die BürgerInnen untereinander in Kontakt und unterstützen<br />
sich gegenseitig. „Ob man was macht, gemeinsam in der Freizeit oder in einem Sprachtandem, deutsch<br />
lernen kann man überall.“ (Teilnehmer, 45 Jahre).<br />
Neben den Integrationspartnerschaften gibt es regelmäßige gemeinsame Aktivitäten, wie ein Picknick,<br />
einen botanischen Rundgang durch den Stadtteil, gemeinsames Kochen usw. Ebenso werden vierteljährliche<br />
Impulsveranstaltungen angeboten, die Themen wie Kultur, Glaube und Globalisierung zum<br />
Gegenstand haben.<br />
Außerdem stärkt das Projekt die Selbsthilfepotentiale der bestehenden Migrantenselbstorganisationen,<br />
so zum Beispiel bei der Professionalisierung der Vereinsarbeit oder beim Anwerben von neuen Ehrenamtlichen.<br />
Die Besonderheit des Projektes ist der konsequent durchdachte Ansatz der Gemeinwesenorientierung<br />
und einer gleichberechtigten Teilhabe aller Menschen am gesellschaftlichen Leben. Alle<br />
Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind Experten ihrer eigenen Lebensrealität im Stadtteil und somit<br />
gleichberechtigt im Projekt.<br />
Zielgruppen sind einheimische und zugewanderte Menschen aus Kranichstein, Migrantenvereine/-selbstorganisationen<br />
und Selbsthilfegruppen. Im Besonderen geht es um die Stärkung des gemeinsamen<br />
Engagements von einheimischen und zugewanderten Menschen aus dem Stadtteil Kranichstein sowie<br />
von Migrantenselbstorganisationen. Erreicht werden soll über das Projekt:<br />
• Die Aktivierung von einheimischen und zugewanderten BürgerInnen zur Bildung von Integrationspartnerschaften.<br />
• Die Stärkung des ehrenamtlichen Engagements durch gemeinsame Aktivitäten.<br />
• Die Förderung der Teilnahme von zugewanderten Menschen an der Gremienarbeit im Stadtteil.<br />
• Die Vermittlung von Kompetenzen und Know-how zur Professionalisierung der Arbeit von Migrantenselbstorganisationen<br />
und Gruppen.<br />
• Die Förderung und Unterstützung der Übernahme von Themen der Stadtteilarbeit in die Arbeit<br />
von Migrantenselbstorganisationen.<br />
• Die Förderung der Teilnahme von Migrantenselbstorganisationen an der Gremienarbeit im Stadtteil.<br />
Durch die Verortung des Projektes unmittelbar im Stadtteil gibt es kooperative Beziehungen zu verschiedensten<br />
Stadtteileinrichtungen (Jugendmigrationsdienst (JMD), Migrationsberatung für Erwachsene<br />
(MBE), Kindertagesstätten, Schulen, Wohnprojekte, Jugendtreffs, Arbeitskreise und Arbeitsgruppen).<br />
Des Weiteren zum Interkulturellen <strong>Büro</strong> und der Freiwilligen-Agentur der Stadt <strong>Darmstadt</strong>, der Evangelischen<br />
Fachhochschule <strong>Darmstadt</strong>, den Integrations- und Deutschkursträgern sowie zu Trägern der<br />
Behindertenhilfe.<br />
134
Perspektiven für die Stadtteilarbeit mit Migranten in den Stadtteilen der „Sozialen Stadt“<br />
Die Stadtteilwerkstätten Eberstadt-Süd und Kranichstein sind vom Ansatz des Programms „Soziale<br />
Stadt“ ausgehend nicht als dauerhafte Einrichtungen gedacht, denn das Programm sieht den Aufbau<br />
von selbsttragenden und nachhaltigen Strukturen der Beteiligung und des Engagements von Bewohnerinnen<br />
und Bewohnern vor, die nach Programmende die Prozesse der Stadtteilentwicklung weiterhin<br />
aktiv mitgestalten. Diese Ziele bestehen auch hinsichtlich der Beteiligung und des Engagements von<br />
Migrantinnen und Migranten. Unabhängig davon, dass diese Forderung auch bezüglich der Beteiligung<br />
von einheimischen Menschen sehr idealistisch ist, ergeben sich für die Arbeit mit Zuwanderern zusätzliche<br />
Probleme und Schwierigkeiten, die die Umsetzung dieser Ziele im gegebenen Zeitraum unrealistisch<br />
erscheinen lassen.<br />
An erster Stelle steht die mangelnde sprachliche Kompetenz vieler Migrantinnen und Migranten, darüber<br />
hinaus ist das vorhandene Interesse an den Prozessen der Stadtteilentwicklung respektive der eigenen<br />
Lebensumstände häufig begrenzt. Auch der jeweilige kulturelle Bildungshintergrund spielt eine Rolle.<br />
Sind die bisher genannten eher individuelle Aspekte, die den Zugang zu Personen ebenso wie deren<br />
Motivierung zur Teilnahme erschweren können, so sind für die Stadtteilarbeit auch eventuell bestehende<br />
Konflikte innerhalb von Migrantencommunities oder zwischen verschiedenen Zuwandergruppen herrschende<br />
Konkurrenzen und Ressentiments von Bedeutung. Auch bestehen Unterschiede zwischen den<br />
Zielen der Stadtteilarbeit und den Gruppeninteressen von Migrantenorganisationen, bei denen das Engagement<br />
für den Stadtteil durchaus in den Hintergrund treten kann.<br />
Grundsätzlich kann hier festgestellt werden, dass über den gemeinwesenorientierten Arbeitsansatz der<br />
Stadtteilwerkstätten die Beteiligung und Einbindung von Migranten/innen und Migrantenorganisationen<br />
in die Stadtteilarbeit gelingt, und dass während der Laufzeit des Programms „Soziale Stadt“ in den<br />
Stadtteilen Eberstadt-Süd und Kranichstein Strukturen aufgebaut und etabliert wurden. In beiden Stadtteilen<br />
bleibt jedoch aufgrund der Zusammensetzung der Bevölkerung und ihrer Lebenssituation die<br />
Aufgabe der sozialen und kulturellen Integration weiterhin bestehen.<br />
Jüngst wurde von der Gemeinwesenarbeit in <strong>Darmstadt</strong> in Zusammenarbeit mit dem Sozialdezernat<br />
eine Rahmenkonzeption für Gemeinwesenarbeit entwickelt, die für die Sicherung und den Ausbau der<br />
Gemeinwesenarbeit in <strong>Darmstadt</strong> plädiert. Hier wird die Gemeinwesenarbeit als Teil einer gesamtstädtischen<br />
Strategie gegen Armut und soziale Ausgrenzung verstanden, die die Teilhabe aller Menschen,<br />
auch der Zuwanderer, an der Entwicklung ihres Lebensumfeldes sichern soll. Diese Konzeption ist vom<br />
Magistrat der Wissenschaftsstadt <strong>Darmstadt</strong> im Februar 2011 beschlossen worden. Die Zukunft und<br />
Notwendigkeit der Sicherung des Bestands der Stadtteilwerkstätten ist damit in den Fokus gerückt und<br />
wird anerkannt.<br />
AG Senioren<br />
Projekt „Ältere Migranten in Kranichstein“<br />
Heribert Varelmann / Susanne Neumeyer-Seekatz / Jeannette Dorff<br />
Entstehung der „AG Senioren“<br />
Die Situation älterer Menschen war immer wieder Thema in den Sitzungen der Kranichsteiner Stadtteilrunde,<br />
dem örtlichen Gremium, in dem sich Bewohnerinnen und Bewohner, Hauptamtliche aus sozialen<br />
und pädagogischen Institutionen, Akteure aus Initiativen und Vereinen sowie die in Kranichstein lebenden<br />
Politiker und Parteienvertreter mit dem Stadtteil auseinandersetzen.<br />
Im Herbst 2003 stand das Thema „Die Situation der Senioren in Kranichstein“ im Mittelpunkt des<br />
Treffens der Stadtteilrunde. Dabei entstand der Wunsch, sich dieser Thematik mit der Gründung einer<br />
eigenen AG Senioren intensiver zu widmen. Ziel war es in erster Linie, die Arbeit der bestehenden<br />
Institutionen im Seniorenbereich besser zu vernetzen und stärker zusammenzuarbeiten. So bildeten<br />
der Seniorenkreis im Ökumenischen Gemeindezentrum, der städtische Seniorentreff und der Wohnpark<br />
135
Kranichstein zusammen mit dem städtischen Sozialdienst und der städtischen Beratungsstelle für Senioren<br />
(BuS) ursprünglich die AG Senioren. Relativ schnell erweiterte sich die Gruppe um weitere an der<br />
Seniorenarbeit interessierte, ehrenamtlich tätige Personen.<br />
Das Projekt „Ältere Migranten in Kranichstein“<br />
Der Wunsch, mehr über die älteren Migranten und deren Lebenssituation zu erfahren, veranlasste die<br />
AG im Jahr 2007, das Gespräch mit dem damaligen Leiter des Interkulturellen <strong>Büro</strong>s zu suchen.<br />
Nach dem Gespräch entstand in der AG die Idee, Mittel aus dem Programm „Lokales Kapital für soziale<br />
Zwecke“ zu beantragen, um gemeinsam mit den im Stadtteil aktiven Integrationsassistentinnen und<br />
Multiplikatorinnen eine Befragung älterer Migrantinnen und Migranten in Kranichstein durchzuführen<br />
und darüber Näheres über deren Lebenssituation und deren Bedürfnisse in Erfahrung zu bringen.<br />
Vorgehensweise<br />
Da die AG Senioren über wenig eigene Kontakte zu den in Kranichstein ansässigen älteren Zuwanderern<br />
verfügte, jedoch die Umfrage möglichst niedrigschwellig gestalten wollte, war die Zusammenarbeit mit<br />
den Integrationsassistentinnen und Multiplikatorinnen aus den verschiedenen in Kranichstein lebenden<br />
Nationen wichtig, die bei Bedarf die Befragung in der jeweiligen Muttersprache durchführen konnten.<br />
Bei der Entscheidung, welcher Sprachgruppe die Interviewerinnen angehören sollten und wie viele Personen<br />
befragt werden müssten, wurde die tatsächliche Verteilung der in Kranichstein lebenden älteren<br />
Migrantinnen und Migranten (mit nichtdeutschem Pass) nach Herkunftsländern zugrunde gelegt. Eine<br />
Anfrage beim Amt für Statistik gab der Projektgruppe einen Überblick über die potenziell zu befragenden<br />
Personen (60 Jahre und älter). Die Zahl lag zum Stichtag der Abfrage (31.12.2008) bei insgesamt<br />
188 Personen. In dieser Gruppe wurden alle Personen der Nationalitäten (Türkei, Ukraine, Italien,<br />
Marokko, Afghanistan) erfasst, von denen in Kranichstein mindesten 10 Personen ab 60 Jahre und älter<br />
lebten. Darüber hinaus wurden Personen aus der Gruppe der pakistanischen Einwanderer mit einbezogen,<br />
da sie in großer Zahl in Kranichstein lebten. Dabei war sich die Gruppe bewusst, dass durch die<br />
amtliche Unterscheidung in Deutsche und Ausländer, die nur Migrantinnen und Migranten mit ausländischem<br />
Pass statistisch erfasste, die nach eigenem Empfinden große Gruppe der Russlanddeutschen<br />
und Spätaussiedler sowie der Zuwanderer aus der Türkei nicht entsprechend ihrer tatsächlichen Häufigkeit<br />
erfasst wurden. Entsprechend wurde die Gruppe der befragten Personen aus den ehemaligen<br />
GUS-Staaten und der Türkei erweitert. Außerdem nahm die Gruppe die hohe Zahl der marokkanischen<br />
Menschen nur als Indikator für die Gruppe der älteren Menschen aus dem arabischsprachigen Raum<br />
insgesamt.<br />
Man legte sich auf eine Befragung von 65 Haushalten fest, die sich wie folgt auf die verschiedenen<br />
Nationalitäten aufteilte:<br />
Verteilung der befragten Haushalte nach Herkunftsland / Region<br />
Türkei 18<br />
Länder der ehemaligen Sowjetunion 17<br />
Italien 5<br />
Arabische Länder<br />
(Marokko, Jordanien, Tunesien, Palästina)<br />
Afghanistan 7<br />
Pakistan 5<br />
136<br />
13<br />
Befragte insgesamt 65
Umsetzung und Ziele<br />
Durch die Befragung sollten Antworten auf unterschiedliche Fragestellungen gefunden werden. Vor allem<br />
wollte man mehr über die Situation und die Lebensbedingungen von älteren Migrantinnen und Migranten<br />
in Kranichstein erfahren und herausfinden, ob diese Gruppe besonderer Hilfe und Unterstützung bedürfe.<br />
Ganz besonders bewegte die Projektgruppe die Frage, ob es möglich sei, dass Seniorenangebote gemeinsam<br />
von älteren Migrantinnen und Migranten mit einheimischen Seniorinnen und Senioren in<br />
Anspruch genommen werden könnten und was man dazu beitragen könne.<br />
Ergebnisse<br />
Die Auswertung der Ergebnisse der Befragung beschreibt aus Sicht der AG Senioren ein vorwiegend positives<br />
Bild der Lebenssituation der älteren eingewanderten Menschen in Kranichstein, die mehrheitlich<br />
bestätigten, dass es sich in Kranichstein gut leben lasse. Festgestellt wurden das Vorhandensein familiärer<br />
Bezüge und sozialer Netze bei der Mehrheit der Befragten. Sie halfen den älteren zugewanderten<br />
Menschen die alltäglichen Anforderungen zu meistern. Es war aber ein Interesse an weiteren sozialen<br />
Kontakten über die eigene Sprachgruppe hinaus vorhanden, was sich auch in dem Wunsch nach mehr<br />
Angeboten interkultureller Begegnung und gemeinsamer Freizeitaktivitäten ausdrückte.<br />
Deutlich wurde auch, dass sich nur die Hälfte der interviewten Haushalte mit dem Thema „Älter werden<br />
in Deutschland“ aktiv befasst hat, obgleich die meisten ihren Lebensabend hauptsächlich in Deutschland<br />
verbringen werden. Generell lag ein hoher Informationsbedarf bei den Migrantinnen und Migranten<br />
bezüglich der Angebote für ältere Menschen sowohl im Stadtteil als auch im Allgemeinen zum System<br />
der Hilfen und Dienste für Seniorinnen und Senioren vor. Das Informationsdefizit war bei den Menschen<br />
aus den arabischsprachigen Ländern und bei den Menschen aus Afghanistan und Pakistan höher als<br />
bei den anderen Interviewpartnern. Es bestand jedoch auch bei den Menschen aus der Türkei und den<br />
ehemaligen GUS-Staaten ein Bedarf an Information.<br />
Der Wunsch, sich weiter zu informieren, wurde von über der Hälfte der befragten Haushalte ausgesprochen;<br />
etwas über 50 % gaben auch an, dass sie interessiert seien, auch von Seiten der AG Senioren<br />
wieder angesprochen zu werden.<br />
Fazit<br />
Zur positiven Gestaltung des Lebens- und Wohnumfeldes auf Stadtteilebene lässt sich aus den Ergebnissen<br />
Handlungsbedarf im soziokulturellen Bereich sowie im Wohn- und Wohnumfeld herleiten.<br />
Erforderlich sind:<br />
• Information der eingewanderten Menschen über die Angebote für Seniorinnen und Senioren im<br />
Stadtteil und über das System von Hilfen und Diensten für ältere Menschen im Allgemeinen;<br />
• Ausbau der Kontakt- und Begegnungsmöglichkeiten älterer Menschen im Stadtteil sowohl herkunftsbezogen<br />
als auch kulturübergreifend;<br />
• Organisation von gemeinsamen Freizeitaktivitäten für eingewanderte und einheimische Seniorinnen<br />
und Senioren;<br />
• Bereitstellung von ausreichend großem Wohnraum, der generationen-übergreifendes Wohnen<br />
und die Möglichkeit der häuslichen Betreuung und Pflege älterer Menschen ermöglicht.<br />
• Angebot an barrierefreien / seniorengerechten Wohnungen im Stadtteil, damit ein möglichst<br />
langfristiger Verbleib in der eigenen Wohnung realisierbar wird.<br />
Die AG Senioren sieht ihre Handlungsmöglichkeiten vorrangig auf dem Gebiet der Organisation von<br />
Kontakt- und Begegnungsmöglichkeiten sowie in der Verbesserung der Information der eingewanderten<br />
Menschen, immer in Kooperation und Zusammenarbeit mit Multiplikatorinnen/Multiplikatoren der<br />
Herkunftsländer sowie den Akteuren der Seniorenarbeit im Stadtteil. Darüber hinaus kann sie die Rolle<br />
eines Informationsträgers über die ermittelten Bedarfe an die jeweiligen zuständigen Akteure (z. B.<br />
Wohnungsgesellschaften) übernehmen. Als AG der Stadtteilrunde Kranichstein übernimmt sie auch die<br />
Aufgabe, dieses Gremium über die Erkenntnisse aus der Befragung zu informieren und mit den Teilnehmer/innen<br />
der Stadtteilrunde Ziele und Interessen für die Gruppe der älteren Migrantinnen und Migranten<br />
im Stadtteil zu formulieren und an Politik und Verwaltung heranzutragen.<br />
137
V. Standpunkte und Empfehlungen<br />
von Expertinnen und Experten<br />
Wie in Kapitel II „Strategien kommunaler Integrationssteuerung“ dargestellt kann kommunale Integration<br />
nur gelingen, wenn alle in der Migrationsarbeit aktiven Menschen sowie Migrantinnen und Migranten<br />
in die Gestaltung des Einwanderungsprozesses aktiv mit einbezogen werden. Den Stellungnahmen<br />
und Empfehlungen dieser Expertinnen und Experten wird daher ein eigenes Kapitel gewidmet. Sie<br />
haben einen bedeutenden Einfluss auf die Ausrichtung der Integrationspolitik der Wissenschaftsstadt<br />
<strong>Darmstadt</strong>.<br />
In diesem Kapitel, das gemeinsam mit den vorhergehenden als Grundlage für die nachfolgenden Über -<br />
legungen zur strategischen Weiterentwicklung kommunaler Integrationspolitik dient, werden die Handlungsempfehlungen<br />
des Integrationsforums, die Stellungnahme von Migranteneltern zur Bildungssituation<br />
von Migrantenkindern sowie die Stellungnahme und Empfehlungen des Ausländerbeirates<br />
wiedergegeben. Und es werden auch die Schlussfolgerungen aus der Bestandsaufnahme über die aktuelle<br />
Situation der Verwaltung hinsichtlich ihrer interkulturellen Öffnung vorgestellt (s. Kap. III.1.).<br />
1. Handlungsempfehlungen des Integrationsforums<br />
Entsprechend einem Magistratsbeschluss wurde im Mai 2009 das Darmstädter Integrationsforum eingerichtet<br />
(vgl. Kap. II.3.). Das Integrationsforum als ein Instrument der kommunalen Integrationssteuerung<br />
hat – entsprechend seiner Aufgabenstellung – Vorschläge für Schwerpunkte der kommunalen<br />
Integrationspolitik ausgearbeitet und Handlungsempfehlungen für die Stadt vorbereitet.<br />
50 Vertreterinnen und Vertreter der kooperierenden Institutionen sowie der Netzwerke AK Migration<br />
und Soziales, AK Migration und Gesundheit, AG MigrantInnen in Kranichstein, AG Interkulturelle Stadtteilarbeit<br />
in Eberstadt-Süd, AK Weltoffenes <strong>Darmstadt</strong>, Vertreterinnen und Vertreter aus Migrantenselbstorganisationen<br />
(MSOs) sowie Führungskräfte aus der Verwaltung haben die Integrationsmaßnahmen<br />
in <strong>Darmstadt</strong> bewertet und für die nächsten Jahre Handlungsempfehlungen für die kommunale<br />
Integrationspolitik in den o. g. Handlungsfeldern entwickelt.<br />
Im Folgenden werden die Handlungsempfehlungen des Integrationsforums für die Bereiche Bildung,<br />
Soziales, Gesundheit, Partizipation und Antirassismus dargestellt.<br />
Bildung<br />
Die Teilnehmenden des Integrationsforums gaben auf der Grundlage des Migrationsberichts zum Thema<br />
„Bildung“ folgende Handlungsempfehlungen an die Stadt ab: Um die Bildungsbenachteiligung von Kindern<br />
mit Migrationshintergrund zu verringern, wird die Stärkung der Eltern durch Elternbildungsangebote,<br />
außerschulische Angebote für Kinder, die interkulturelle Öffnung der Schulen sowie (an das Land<br />
gerichtet) die Veränderung der Lehrpläne und der Schulstruktur sowie die Weiterbildung der Lehrkräfte<br />
empfohlen.<br />
Die Elternbildungsangebote sollten Informationsvermittlung für und Qualifizierung von Eltern beinhalten.<br />
In beiden Punkten sollte ein besonderer Fokus auf Mütter gerichtet werden.<br />
Inhaltlich sollten Eltern umfassend über folgende Themen informiert werden: pädagogische Konzepte<br />
in Schulen und das Schulsystem, gegenseitige Erwartungen von Schule und Eltern, Angebote für Kinder<br />
und wichtige schulische Informationen. Die Informationsvermittlung sollte durch mehrsprachiges<br />
138
schriftliches Informationsmaterial, mehrsprachige Informationsveranstaltungen, durch den Einsatz interkultureller<br />
Vermittlungskräfte sowie in enger Kooperation mit den Schulen und auch in den Schulen<br />
selbst realisiert werden.<br />
Zu den Qualifizierungsmaßnahmen für Eltern gehören ebenso Bildungsangebote wie Sprachkurse und<br />
Eltern-Kind-Angebote, aber auch die Qualifizierung von engagierten Eltern, damit diese Elternarbeit<br />
anbieten können. Auch die Ressourcen der Eltern wie brachliegende berufliche Qualifikationen sollten<br />
dabei gezielt eingesetzt werden.<br />
Als wichtige Voraussetzung für eine gelingende Elternarbeit wird die interkulturelle Öffnung der Schulen<br />
angesehen. Diese sollten Strukturen und Angebote für intensive Elternbildungsarbeit schaffen, eine<br />
stärkere Zusammenarbeit zwischen Schulsozialarbeiterinnen und -arbeitern und Eltern ermöglichen,<br />
sich stärker zum sozialen Umfeld öffnen und die Mehrsprachigkeit der Kinder unterstützen.<br />
Für Kinder sollten mehr außerschulische Angebote geschaffen werden, darunter Angebote für frühe<br />
Sprachförderung, wie z. B. Deutsch für den Schulstart, Ferienkurse (z. B. Sommercamps) sowie Hausaufgabenhilfe<br />
und gezielter Nachhilfeunterricht. Hierbei ist darauf zu achten, dass diese Angebote nach<br />
klar definierten Qualitätskriterien durchgeführt werden. Daneben sollte eine kontinuierliche Schullaufbahnberatung<br />
angeboten werden. Die Arbeit mit Kindern sollte sich durch Ressourcenorientierung statt<br />
Defizitfixierung auszeichnen und die Ressourcen durch Persönlichkeitsbildung, Kompetenztrainings,<br />
kulturelle Praxis und selbstbestimmtes Lernen fördern.<br />
Im Bereich der Erwachsenenbildung wird die berufliche (Weiter-)Qualifizierung von Migrantinnen<br />
(Sprachkurse, Weiterbildungsmodule, Ausbildung) sowie die Weiterqualifizierung von Multiplikatorinnen<br />
empfohlen; diese sollten an den bereits bestehenden Kenntnissen / Fähigkeiten der Erwachsenen<br />
anknüpfen.<br />
Auch wenn der Teilbericht Bildung des Migrationsberichtes auf den schulischen Bereich fokussiert, so<br />
wurde dennoch dringender Handlungsbedarf bei der Zielgruppe der Jugendlichen mit Migrationshintergrund<br />
im Bereich des Übergangs Schule – Beruf festgestellt. Eine stärkere Berücksichtigung von Jugendlichen<br />
mit Migrationshintergrund durch städtische und freie Träger der Jugendberufshilfe wird als not -<br />
wendig erachtet ebenso wie die Verbesserung der Ausbildungssituation der Jugendlichen. Die Stadt<br />
sollte die Zahl der auszubildenden Jugendlichen mit Migrationshintergrund erhöhen.<br />
Handlungsempfehlungen an das Land<br />
Die Stadt sollte weiter darauf hinwirken, dass das Land die entsprechenden Rahmenbedingungen für<br />
Schulen schafft. Dazu gehört inhaltlich:<br />
• in den Regelunterricht integrierte und im Schulprogramm verankerte Sprachförderkonzepte an allen<br />
Schulen und auf jeder Klassenstufe zu etablieren;<br />
• die Erweiterung der Sprachangebote sowie<br />
• die Anerkennung des Unterrichts in der Herkunftssprache durch Benotung.<br />
Als überaus wichtig wird die Verankerung des Themas „Interkulturelle Kompetenz“ in der Aus- und<br />
Weiterbildung der Lehrkräfte angesehen (Inhalte u. a. Elternarbeit, Aggressionsabbau, Ressourcenorientierung,<br />
Umgang mit Vielfalt, Antidiskriminierung, Motivation von Kindern in schwierigen Situationen).<br />
Strukturell sind folgende Veränderungen durchzuführen:<br />
• Einrichtung kleinerer Schulklassen;<br />
• Einrichtung rhythmisierter Ganztagsschule und Wiederaufnahme des Projekts „familienfreundliche<br />
Schule“;<br />
• Erhöhung der Zahl der Lehrkräfte (auch Deutschlehrer und -lehrerinnen) und der Schulsozialarbeiterinnen<br />
und -arbeiter allgemein und insbesondere solcher mit Migrationshintergrund.<br />
Es wird darüber hinaus empfohlen, das Staatliche Schulamt stärker in die Qualitätssicherung von<br />
Hausaufgaben- und Nachhilfe einzubinden.<br />
139
Soziales und Gesundheit<br />
Im Rahmen der Durchführung der Integrationskurse ist die Einrichtung von zusätzlichen Kinderbetreuungsplätzen<br />
für die Kinder der Teilnehmerinnen von Integrationskursen nötig. Die Unterstützung der<br />
Kursträger bei der Organisation von Frauenintegrationskursen (Räume, Krippenplätze etc.) durch städtische<br />
Ämter wird empfohlen.<br />
Die Teilnehmenden des Integrationsforums sprechen sich für die Verstetigung und feste Implementierung<br />
der im Rahmen des Projektes „Soziale Stadt“ eingerichteten Stadtteilwerkstätten zur Gewährleistung<br />
der andauernden Beteiligung von Migrantinnen und Migranten an der Stadtteilarbeit aus.<br />
Die Teilnehmenden des Integrationsforums weisen darauf hin, dass ein intensiver Ausbau der frühen<br />
Sprachfördermaßnahmen in Kindertagesstätten erfolgen sollte. Die Stärkung der Partizipation von<br />
Migranteneltern in der Gremienarbeit (z. B. Elternvertretung) sollte gefördert werden. In diesem Zusammenhang<br />
ist u. a. auch die verstärkte Initiierung von Projekten für Eltern mit Migrationshintergrund notwendig.<br />
Elternarbeit mit Eltern mit Migrationshintergrund sollte u. a. durch Erziehungskompetenzkurse<br />
und Erziehungsaufklärung (z. B. über die pädagogischen Konzepte in Kindertagesstätten sowie über<br />
das deutsche Schulsystem durch den Einsatz von Integrationsassistentinnen und -assistenten) intensiviert<br />
werden.<br />
Im Bereich der Jugendhilfe schlagen die Teilnehmenden des Integrationsforums vor, die präventive<br />
Arbeit mit Jugendlichen mit Migrationshintergrund zu intensivieren. Zusätzlich wird vorgeschlagen,<br />
Präventionsprojekte (z. B. „Faustlos“) auf alle Grundschulen und Kindertagesstätten auszuweiten.<br />
Die Verbesserung der sozialen und psychosozialen Versorgung für Migrantinnen und Migranten durch<br />
die zusätzliche Einrichtung von Beratungsangeboten wird als dringend erforderlich angesehen. In diesem<br />
Bereich werden Lücken insbesondere bei (psycho-)sozialen Beratungsangeboten und psychotherapeutischen<br />
Angeboten in der Herkunftssprache festgestellt.<br />
Die Versorgungssituation sollte durch die Aufstockung sozialpädagogischer Stellen, die Einstellung von<br />
Fachkräften mit Migrationshintergrund sowie durch die Erweiterung und den Ausbau von Anlaufstellen<br />
(Frauenhäuser, Beratungsstellen in Institutionen usw.) und den stärkeren Einsatz von interkulturellen<br />
Vermittlungskräften verbessert werden.<br />
Für Mädchen mit Migrationshintergrund in Krisensituationen wird von den Teilnehmenden des Integrationsforums<br />
die Einrichtung einer Mädchenzufluchtsstätte mit pauschal finanzierten Plätzen durch das<br />
Jugendamt empfohlen, um die entsprechenden Bedarfe junger Mädchen innerhalb des Stadtgebietes<br />
abdecken zu können.<br />
Die Teilnehmenden des Integrationsforums weisen im Zusammenhang mit dem demografischen Wandel<br />
mit Nachdruck auf die gestiegene Bedeutung der Zielgruppe älterer Migrantinnen und Migranten hin. Sie<br />
stellen fest, dass die interkulturelle Öffnung der städtischen und außerstädtischen Angebote im Bereich<br />
Altenhilfe sowie die Vernetzung und Kooperation der entsprechenden Träger mit Migrantenselbstorganisationen<br />
notwendig ist. Eine speziell auf die Bedürfnisse und Problemlagen von älteren Migrantinnen<br />
und Migranten bezogene Bedarfsermittlung wird empfohlen. Die besonderen Anforderungen an eine ku l-<br />
tursensible Altenpflege sollten künftig in allen Einrichtungen der Altenpflege stärker berücksichtigt werden.<br />
Raumkapazitäten für informelle Treffpunkte von Seniorinnen und Senioren sollten erweitert werden.<br />
Im Gesundheitsbereich wird die Öffnung der Darmstädter Kliniken für Patientinnen und Patienten der<br />
Malteser Migrantenmedizin (z. B. eine feste Anzahl zur Verfügung stehender Betten für die MMM) für<br />
nötig befunden, um die stationäre medizinische Versorgung für Patientinnen und Patienten ohne bestehenden<br />
Krankenversicherungsschutz gewährleisten zu können.<br />
Die Ausbildung von Migrantinnen und Migranten in Gesundheitsberufen (Pflege, Praxisassistenz, Physio-/Ergotherapie,<br />
Psychotherapie) und ihre Anstellung in entsprechenden Einrichtungen sollte stärker<br />
gefördert werden.<br />
Die Teilnehmenden des Integrationsforums empfehlen die finanzielle Absicherung des Einsatzes von<br />
interkulturellen Vermittlungskräften, sowohl im sozialen Bereich als auch im Bereich der Krankenhäuser<br />
und anderer Gesundheitseinrichtungen. Ebenso wird der Einsatz von interkulturellen Vermittlungskräften<br />
in speziellen Projekten (z. B. für die Arbeit mit psychisch erkrankten oder dementen älteren<br />
Migrantinnen und Migranten) befürwortet.<br />
140
Von den Teilnehmenden des Integrationsforums wird die interkulturelle Öffnung der Regeldienste und<br />
der Verwaltung, beispielhaft wurde hier die ARGE angeführt, empfohlen. Diesbezüglich wird die Einstellung<br />
von Fachkräften mit Migrationshintergrund und die Verbesserung der Zugangsmöglichkeiten zu<br />
den Regeldiensten für Migrantinnen und Migranten befürwortet.<br />
Fortbildungen für Fach- und Verwaltungskräfte zur Entwicklung interkultureller Kompetenz (z. B. unterschiedliche<br />
Erziehungsstile) sollten stärker angeboten werden.<br />
Handlungsempfehlungen an das Land / an den Bund<br />
Der Ausbau von Migrationsberatungsstellen für Erwachsene mit muttersprachlichen Angeboten und<br />
umfassende Zielgruppenerweiterung des Angebotes für „Bestandsausländer“ wird von den Teilnehmenden<br />
des Integrationsforums als dringend erforderlich erachtet.<br />
Die landesweite Ausweitung der Angebote für Mädchen mit Migrationshintergrund in Krisensituationen<br />
in Mädchenzufluchtsstätten (pauschal finanzierte Plätze) wird von den Teilnehmenden des Integrationsforums<br />
als notwendig benannt.<br />
Die Anerkennung des Berufsbildes der Integrationsassistentin / des Integrationsassistenten wird als<br />
dringend notwendig angesehen.<br />
Die Entwicklung einer sozial gerechteren Besteuerungsgrundlage für Familien, um der zunehmenden<br />
Kinderarmut entgegenzuwirken, wird empfohlen.<br />
Gesetzgeberische Maßnahmen zur Legalisierung von irregulären Aufenthalten erachten die Teilnehmenden<br />
des Integrationsforums für wünschenswert.<br />
Partizipation<br />
Die Teilnehmenden des Integrationsforums empfehlen der Stadt, die Stärkung der Selbsthilfepotentiale<br />
von Migrantinnen und Migranten sowie die Kooperation mit MSOs weiterhin als eine wichtige Ressource<br />
für Integration anzusehen. Die Kooperation und die Stärkung dieser Potentiale ist ein Schritt hin zur<br />
Öffnung der ethnischen Communities, um Rückzugstendenzen von Migrantinnen und Migranten entgegenzuwirken,<br />
sich in ihre ethnischen Gruppen zurückzuziehen, und somit ihre Partizipation an den<br />
verschiedenen Bereichen der Mehrheitsgesellschaft zu ermöglichen bzw. zu unterstützen.<br />
Als ebenso wichtig wird die Öffnung der Institutionen der Mehrheitsgesellschaft angesehen (vgl. dazu<br />
auch die Foren Bildung, Soziales und Gesundheit). Die Teilnehmenden des Integrationsforums verdeutlichen<br />
dies am Beispiel der Notwendigkeit der Öffnung politischer Parteien auf kommunaler Ebene,<br />
um die politische Partizipation von Migrantinnen und Migranten zu ermöglichen. Ohne diese Öffnungsbereitschaft<br />
wird der Rückzug in ethnische politische Gruppierungen gefördert. Um dieser Tendenz<br />
entgegenzuwirken, wird der Stadt außerdem dringend empfohlen, sich auf Landes- und Bundesebene<br />
für die Einführung des kommunalen Wahlrechts für Drittstaatler sowie für die Erweiterung der politischen<br />
Mitwirkungsmöglichkeiten von Migrantinnen und Migranten (z. B. umfassenderes Rederecht für<br />
den Ausländerbeirat in den kommunalen Selbstverwaltungsgremien) einzusetzen.<br />
Konkrete Maßnahmen zur Förderung der Partizipation von Migrantinnen und Migranten durch die Stärkung<br />
ihrer Selbsthilfepotentiale werden im Bereich der Weiterqualifizierung von Multiplikatorinnen und<br />
Multiplikatoren aus den Communities sowie in der Förderung und Professionalisierung der Selbstorganisationen<br />
empfohlen. Die Multiplikatorinnen aus den Communities sollten weiter projektbezogen (z. B.<br />
Elternbildung) qualifiziert werden, die Einsätze von weitergebildeten und weiterzubildenden Vermittlungskräften<br />
(Integrationsassistentinnen und -assistenten) sollten finanziert werden. Eine kontinuierliche<br />
Förderung der Arbeit der Selbstorganisationen wird als Voraussetzung für qualitativ wertvolle Arbeit<br />
und nachhaltige Kooperationen angesehen. Diese beinhaltet die finanzielle und ideelle Förderung und<br />
ebenso die Qualifizierung der MSOs, insbesondere im Bereich der Bildungsarbeit, die diese für Kinder,<br />
Jugendliche, Frauen, Mütter und Eltern anbieten. Anzustreben ist, die MSOs so weit zu qualifizieren,<br />
141
dass diese (teil-)professionelle Träger von Elternprojekten werden können. Empfohlen wird auch eine<br />
Form projektbezogener Kooperationsvereinbarung zwischen der Stadt und der jeweiligen Selbstorganisation,<br />
die auch das Ziel der gegenseitigen Öffnung beinhaltet.<br />
In diesem Sinne gehören zur Professionalisierung der Bildungsarbeit der Selbstorganisationen auch Kooperationen<br />
zwischen MSOs und Schulen, anderen Bildungseinrichtungen, städtischen Ämtern, freien<br />
Trägern der Sozialen Arbeit u. a. Ebenso gehört dazu die Vernetzung mit Institutionen und Gremien der<br />
Mehrheitsgesellschaft, wie z. B. dem Landeselternbeirat.<br />
Besondere Aufmerksamkeit bei der Förderung und Stärkung der Selbsthilfepotentiale sollte den Selbstorganisationen<br />
der Migrantinnen zukommen. Hier sollten auch Kooperationen und Vernetzungen gefördert<br />
werden, wie z. B. „Mädchenarbeit“ in der Schule. Gleichzeitig sollten die Selbstorganisationen die<br />
Partizipation der Männer/Väter an familiären, schulischen und allgemeinen Erziehungsangelegenheiten<br />
vorantreiben.<br />
Die Aktivierung der Partizipation von Eltern in Kitas und Schulen wird als wichtige Aufgabe gesehen,<br />
die von allen Akteurinnen und Akteuren verfolgt werden sollte. Dazu gehört sowohl die stärkere Partizipation<br />
von Migranteneltern an der Gremienarbeit (z. B. Elternvertretung, Elternbeiräte) als auch der<br />
Aufbau von Strukturen für kontinuierliche und nachhaltige Elternarbeit, z. B. durch einen Elternkongress<br />
mit allen relevanten Institutionen (Schulen, Staatliches Schulamt, Vertreterinnen und Vertreter<br />
aus Elternbeiräten, MSOs, Ausländerbeirat).<br />
Als wichtig wird darüber hinaus auch die Verstetigung der Partizipationsstrukturen in den Stadtteilen<br />
Kranichstein-Süd (z. B. AK MIKRA in Kranichstein) und Eberstadt-Süd gesehen.<br />
Antirassismus<br />
Die Teilnehmenden des Integrationsforums empfehlen, durch Öffentlichkeitsarbeit verstärkt auf die<br />
Ausgrenzungspraktiken auf der Ebene des alltäglichen Rassismus (z. B. bei Disco- oder Lokalbesuchen)<br />
aufmerksam zu machen und auch die Medien diesbezüglich stärker zu sensibilisieren.<br />
Es wird weiterhin empfohlen, die Betreiberinnen und Betreiber solcher Einrichtungen eine Selbstverpflich-<br />
tung zur Nichtdiskriminierung unterschreiben zu lassen, auf die bei Bedarf zurückgegriffen werden kann.<br />
Eine Recherche zur genaueren Erforschung von rassistischen Einstellungen innerhalb der Fan-Szene<br />
und in ihrem sozialen Umfeld (Sporttreibende, Trainer- und Betreuungspersonal) wird empfohlen.<br />
Es wird für sinnvoll gehalten, präventiv die Öffentlichkeit und die politisch Verantwortlichen dafür zu<br />
sensibilisieren, dass in Krisenzeiten, wie in der Gegenwart, Sündenböcke gesucht und in den Schwächsten<br />
der Gesellschaft (z. B. Minderheiten) gefunden werden. In Institutionen (z. B. Gymnasien) und<br />
Teilbereichen der Gesellschaft sollte von verantwortlichen Stellen verstärkt signalisiert werden, dass<br />
Migrantinnen und Migranten untrennbarer Teil der Gesellschaft sind.<br />
Die Teilnehmenden des Integrationsforums empfehlen, Projekte zu initiieren, die es ermöglichen, solche<br />
sozialen Gruppen pädagogisch gezielt zusammenzubringen, die im Alltag wenig Kontakt untereinander<br />
haben, zwischen denen es gleichwohl Konflikte gibt.<br />
Es wird empfohlen, das Thema Antisemitismus und Antiziganismus unter den Migrantenjugendlichen in<br />
schulischen und außerschulischen Projekten gezielt zu bearbeiten.<br />
Die Erweiterung der aktiven Kerngruppe in der AG „Aktion Weltoffenes <strong>Darmstadt</strong>“ und im Lokalen<br />
Aktionsplan (LAP) durch Einbindung von weiteren Akteurinnen und Akteuren (z. B. Studierende) wird<br />
empfohlen.<br />
142
2. Stellungnahmen von Migranteneltern zur<br />
Bildungssituation von Migrantenkindern in <strong>Darmstadt</strong><br />
In diesem Abschnitt werden Feststellungen, Fragen, kritische Anmerkungen, Vorschläge und Forderungen<br />
von Migranteneltern wiedergegeben, die auf dem Workshop „Bildungssituation von Kindern mit<br />
Migrationshintergrund – Austausch mit Migranteneltern“, veranstaltet vom Interkulturellen <strong>Büro</strong> der<br />
Wissenschaftsstadt <strong>Darmstadt</strong> und dem Staatlichen Schulamt des Landkreises <strong>Darmstadt</strong>-Dieburg und<br />
der Stadt <strong>Darmstadt</strong>, am 31. Januar 2009 in <strong>Darmstadt</strong>, gemacht und gestellt wurden.<br />
Sprachförderung<br />
Das Problem der Sprachschwierigkeiten der Kinder wurde angesprochen.<br />
Die Forderung wurde aufgestellt, bereits im Kindergarten die Sprachförderung aufzunehmen und kontinuierlich<br />
fortzusetzen. Die Methoden der Sprachförderung in Kindergärten sollten kindgerecht sein und<br />
Spielelemente beinhalten.<br />
Es wurde wiederholt die Forderung erhoben, Migrantenkinder in jeder Schulform und jeder Klassenstufe<br />
sprachlich zu fördern, da die Defizite in der Regel nicht im „Alltagsdeutsch“, sondern im „Schuldeutsch“<br />
liegen würden. In diesem Zusammenhang sollte das Förderkurssystem in Gymnasien weiter<br />
ausgebaut werden.<br />
Es wurde die Frage nach den Möglichkeiten gestellt, wie das Unterrichtsangebot in den Herkunftssprachen<br />
der Migrantenkinder zu verbessern wäre.<br />
Die Forderung wurde erhoben, auch die Entwicklung der Herkunftssprache und die Fähigkeit mit beiden<br />
Sprachen souverän umzugehen, schulisch zu unterstützen.<br />
Ungleiche Verteilung der Migrantenkinder auf die Schulformen<br />
Das Zustandekommen der Empfehlungen für die weiterführende Schule wurde problematisiert. Selbst<br />
wenn ein Kind gute Noten vorweisen könne, neigten Klassenlehrerinnen und -lehrer mitunter dazu,<br />
dieses Kind für eine untergeordnete Schule zu bestimmen und nicht für die Schule, die die Eltern für ihr<br />
Kind wünschen.<br />
Auch die Überweisungspraxis von Kindern in die Förderschule wurde problematisiert. Insbesondere<br />
wurde die Überweisung beim Übergang von der Vorschule zur Grundschule kritisiert. Stärkere Sprachförderung<br />
in den Kindergärten wurde gefordert. Kindergärten wurden aufgefordert, sich stärker als<br />
bisher ihrer Rolle als Bildungsinstitution neben den Aufgaben Betreuung und Erziehung zuzuwenden.<br />
Davon ausgehend wurde grundsätzlich die frühe Selektion, bedingt durch das dreigliedrige Schulsystem,<br />
kritisiert. Als Folge dessen ergibt sich eine ungleiche Verteilung von Migrantenkindern auf die einzelnen<br />
Schultypen. Migrantenkinder sind in Haupt- und Förderschulen stärker repräsentiert, in Gymnasien<br />
dagegen sind sie unterrepräsentiert. Auch die Anzahl der Schulabbrecherinnen und -abbrecher ist<br />
bei Migrantenkindern signifikant höher. Ein längeres gemeinsames Lernen für alle wurde gefordert.<br />
Unterstützung für Migrantenkinder<br />
Das System der Hausaufgabenhilfe wurde problematisiert. Die Forderung wurde aufgestellt, dass die<br />
Hausaufgabenhilfe von Fachkräften durchgeführt und das Staatliche Schulamt stärker in die Qualitätssicherung<br />
eingebunden wird. Es wurde gefordert, neben der Hausaufgabenhilfe auch gezielt Nachhilfeunterricht<br />
nach professionellen Kriterien anzubieten. Als Minimalforderung hieß es, Nicht-Fachkräfte,<br />
z. B. Rentner mit anderen als pädagogischen Qualifikationen, entsprechend fortzubilden und zu einer<br />
qualifizierten Bildungsarbeit zu befähigen.<br />
Das Problem des Mobbings und der Diskriminierung von Migrantenkindern durch andere Kinder sowie<br />
der Aggressionen bei Migrantenkindern in Schulen wurde aufgeworfen. Weiterhin wurde auf häufigere<br />
Konzentrationsstörungen bei Migrantenkindern aufmerksam gemacht. Es wurde gefordert, dass für alle<br />
diese Kinder eine besondere Unterstützung angeboten werden sollte.<br />
Angesichts geringerer Bildungserfolge wurde die Forderung aufgestellt, dass die Migrantenkinder eine<br />
intensivere Unterstützung zur Motivation und Stärkung des Selbstwertgefühls erhalten sollten.<br />
143
Auf der anderen Seite wurde gefordert, nicht nur die Defizite, sondern auch die Ressourcen von Migrantenkindern<br />
zu beachten und Talente speziell zu fördern.<br />
Unterstützung für Lehrkräfte<br />
Die Forderung wurde erhoben, das Thema „Interkulturelle Kompetenz“ in die Aus- und Weiterbildung<br />
der Lehrkräfte aufzunehmen. Darin eingeschlossen sollte das Thema „Elternarbeit“ sein. Als weitere<br />
Themen wurden „Aggressionsabbau“ und „Antidiskriminierung“ genannt.<br />
Auch die Einstellung von mehr Lehrerinnen und Lehrern mit Migrationshintergrund wurde gefordert.<br />
Verbesserung der Elternarbeit<br />
Es wurde die Frage gestellt, wie Migranteneltern zur Unterstützung ihrer Kinder stärker einbezogen<br />
werden können.<br />
Eltern sollten umfassend über das Schulsystem (auch über seine Tücken) informiert werden. Es wurde<br />
gefordert, alle Angebote für Migrantenkinder im Überblick sowie wichtige schulische Informationen<br />
(auch in Herkunftssprachen) an die Eltern weiterzuleiten. In diesem Zusammenhang wurde auch die<br />
Durchführung von mehrsprachigen Informationsveranstaltungen gefordert.<br />
Daran anschließend wurde die Forderung aufgestellt, die Eltern stärker zur Unterstützung ihrer Kinder<br />
zu motivieren und auch zu befähigen. Dies wurde insbesondere damit begründet, dass das deutsche<br />
Schulsystem im Unterschied zu dem vieler Herkunftsländer diese Unterstützung als selbstverständlich<br />
voraussetze, während in vielen Ländern die Schule die alleinige Verantwortung für Erziehung und Bildung<br />
übernehme.<br />
Die Forderung wurde aufgestellt, mehr Schulsozialarbeiterinnen und -arbeiter (insbesondere mit Migrationshintergrund)<br />
einzustellen und die Zusammenarbeit mit den Eltern zu verstärken. In diesem Zusammenhang<br />
wurde die hessische Praxis (im Unterschied zu anderen Bundesländern) kritisiert, dass jede<br />
zusätzliche Schulsozialarbeiterstelle eine Lehrkraft weniger bedeutet.<br />
Die Wiederaufnahme des seit drei Jahren gestoppten Landesprojekts der „Familienfreundlichen Schule“<br />
wurde gefordert.<br />
Die Forderung einer stärkeren Öffnung der Schulen gegenüber dem sozialen Umfeld wurde erhoben.<br />
Der Vorschlag wurde unterbereitet, Migrantenselbstorganisationen (MSOs) zu Trägern der Elternprojekte<br />
fortzubilden. Sie sollten aber auch mit Schulen kooperieren und Orte für Informationsveranstaltungen<br />
für Eltern sein. Engagierte Eltern sollten zur Durchführung von Elternarbeit weiterqualifiziert<br />
werden.<br />
Um Eltern für diese Projekte zu gewinnen und um Strukturen für eine kontinuierliche und nachhaltige<br />
Elternarbeit zu schaffen, wurde als sinnvoll angesehen, in <strong>Darmstadt</strong> einen Elternkongress mit allen<br />
relevanten Akteuren (Schulen, Staatliches Schulamt, Vertreterinnen und Vertretern aus Elternbeiräten,<br />
MSOs, Ausländerbeirat) durchzuführen, aus dem heraus neue Arbeitsgruppen, Projekte und Aktivitäten<br />
entwickelt werden könnten.<br />
Durch Elterncafés oder Aktivitäten, wie Kochen, Töpfern oder Singen in Schulen sollten Eltern aktiviert<br />
und zur Kooperation mit der Schule zwecks Unterstützung der Kinder motiviert werden. Allerdings sollten<br />
diese Projekte von Fachkräften begleitet werden, die die Eltern pädagogisch unterstützen können.<br />
Als good practice wurden die Elterngesprächskreise in Schulen und Kindergärten genannt.<br />
144
3. Stellungnahme und Empfehlungen<br />
des Ausländerbeirates<br />
Hauptaufgabe der Integrationspolitik muss die gleichberechtigte Partizipation sein. Die Entwicklung<br />
in den Bereichen Bildung und Arbeit zeigt jedoch deutlich, dass das Erreichen dieses Ziels noch weit<br />
entfernt liegt. Die Arbeitslosigkeit bei Migrantinnen und Migranten hat sich in den vergangenen Jahren<br />
zwar verringert, sie ist aber immer noch mehr als doppelt so hoch wie bei Deutschen.<br />
Ähnlich verhält es sich im Bildungsbereich. Der Anteil der Kinder mit Migrationshintergrund, der die<br />
Schule ohne Abschluss oder nur mit einem Hauptschulabschluss verlässt, ist geringer geworden, nicht<br />
aber die große Diskrepanz, die nach wie vor zwischen Kindern mit und ohne Migrationshintergrund<br />
besteht. Außerdem ist in einigen Bereichen, etwa bei der beruflichen Ausbildung, in den letzten Jahren<br />
eher eine rückläufige Beteiligung von Jugendlichen mit Migrationshintergrund festzustellen.<br />
Die Tendenz, dass Kinder mit Migrationshintergrund beim Zugang zu weiterführenden Schulen verstärkt<br />
benachteiligt werden, ist besorgniserregend. Die in verschiedenen Studien nachgewiesene Praxis<br />
vieler Lehrkräfte, diese Kinder – bei gleichen Leistungen wie bei einheimischen Kindern – in Schulen<br />
niedri geren Typs zu schicken, wird mit der nun größeren Verbindlichkeit der „Schulempfehlung“ voraussichtlich<br />
zunehmen.<br />
Deshalb: Abschaffung des dreigliedrigen Schulsystems – Einführung von Ganztagsschulen.<br />
Die Kommune sollte beim Aufzeigen von beruflichen Perspektiven für Jugendliche vorangehen.<br />
Deshalb: Gezielte Unterstützung für junge Migrantinnen und Migranten für die Aufnahme einer Ausbildung<br />
in der städtischen Verwaltung.<br />
Familienzusammenführung darf nicht erschwert oder unmöglich gemacht werden.<br />
Deshalb: Abschaffung der Pflichtkurse für Ehepartnerinnen und -partner im Herkunftsland.<br />
Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund sollten sich ungebrochen dazugehörig fühlen.<br />
Deshalb: Abschaffung des Zwanges für junge Migrantinnen und Migranten, sich im Alter von 18 – 23<br />
Jahren zwischen der deutschen und der Herkunftsstaatsbürgerschaft entscheiden zu müssen.<br />
Einbürgerung sollte erleichtert werden.<br />
Deshalb: Erweiterung der Hinnahme der Mehrstaatlichkeit bei der Einbürgerung.<br />
Fremdenfeindlichkeit sollte stärker geächtet werden.<br />
Deshalb: Selbstverpflichtung aller politischen Parteien, im Wahlkampf das Migrantenthema nicht zu<br />
instrumentalisieren.<br />
Die politische Partizipation von Migrantinnen und Migranten sollte stärker gefördert werden.<br />
Deshalb: Kommunales Wahlrecht auch für Nicht-EU-Ausländerinnen und -Ausländer.<br />
Gesellschaftliche Partizipation von Migrantinnen und Migranten sollte ausgebaut werden.<br />
Deshalb: Größere Beteiligung der Migrantenselbstorganisationen und des Ausländerbeirates an der<br />
Gestaltung des kommunalen Integrationsprozesses.<br />
145
VI. Strategische Weiterentwicklung<br />
kommunaler Integrationspolitik /<br />
Fachpolitische Handlungsempfehlungen<br />
In diesem Kapitel werden die Stellungnahmen und Empfehlungen aus dem vorherigen Kapitel aufgenommen<br />
und durch Empfehlungen des Nationalen Integrationsplans (NIP), der Bundesvereinigung<br />
der kommunalen Spitzenverbände sowie des Innovationszirkels Integration der Kommunalen Gemeinschaftsstelle<br />
für Verwaltungsmanagement KGSt ergänzt. Sie werden nachfolgend in verschiedenen<br />
Handlungsfeldern zusammengefasst und es werden strategische Überlegungen zur Weiterentwicklung<br />
dieser Handlungsfelder angeführt. Es wird sowohl die Weiterführung und Vertiefung bereits bestehender<br />
Maßnahmen empfohlen und zugleich werden neue Handlungsfelder aufgeführt, wie z. B. Wirtschaft und<br />
Sport. Die einzelnen Handlungsempfehlungen sind jedoch nicht als abschließend und zu Ende diskutiert<br />
zu sehen, sondern als Gestaltungsmöglichkeiten eines dynamischen Integrationsprozesses zu verstehen.<br />
1. Verwaltung<br />
Die Verwaltung im Öffentlichen Dienst ist qua Zuständigkeit mit unterschiedlichen Nachfragen aus der<br />
Bevölkerung konfrontiert. Um diesen Nachfragen Rechnung zu tragen, ist eine interkulturelle Öffnung<br />
der kommunalen Verwaltung notwendig. Auch der Nationale Integrationsplan (NIP) macht auf die Notwendigkeit<br />
der interkulturellen Öffnung des Öffentlichen Dienstes besonders aufmerksam. Im Zuge der<br />
Personaleinstellung, -entwicklung und -rekrutierung sollte auf diese Herausforderung Rücksicht genommen<br />
werden, damit die kommunale Verwaltung ein Abbild der gesellschaftlichen Wirklichkeit wiedergibt<br />
(vgl. NIP, 2007:13, 17, 23, 24,28ff., 32, 79).<br />
Integration wird als „Chefsache“ gesehen und wie folgt erläutert: „Integrationsaufgaben sind als Querschnittsaufgabe<br />
bei der Verwaltungsspitze zu verankern und ressortübergreifend zu koordinieren.“<br />
(NIP, 2007:111).<br />
Auch die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände empfiehlt ihren Mitgliedsverbänden,<br />
1. dem Integrationsprozess eine hohe kommunalpolitische Bedeutung beizumessen,<br />
2. Integration als ressortübergreifende Aufgabe in der Kommunalverwaltung zu verankern und ihrer<br />
Bedeutung entsprechend anzusiedeln und<br />
3. kommunale Gesamtstrategien, die den jeweiligen örtlichen Bedürfnissen angepasst sind, zu entwickeln<br />
und fortzuschreiben. (Vgl. NIP, 2007:31f.).<br />
In Bezug auf die interkulturelle Öffnung der Verwaltung empfiehlt die Bundesvereinigung der kommunalen<br />
Spitzenverbände ihren Mitgliedsverbänden,<br />
1. den Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund in den Verwaltungen zu erhöhen und<br />
2. Mitarbeiter in der Weise fortzubilden, dass dem Ziel der Kundenfreundlichkeit und dem Bedarf an<br />
interkultureller Kompetenz in der Verwaltung noch wirkungsvoller Rechnung getragen werden kann.<br />
(NIP, 2007:32).<br />
146
Für die Wissenschaftsstadt <strong>Darmstadt</strong> wird empfohlen:<br />
1. Interkulturelle Öffnung der Verwaltung<br />
In der Wissenschaftsstadt <strong>Darmstadt</strong> soll ein Prozess zur Interkulturellen Öffnung der gesamten Verwaltung<br />
als integraler Bestandteil eines längerfristig angelegten und übergeordneten Gesamtprozesses der<br />
Organisations-, Personal- und Qualitätsentwicklung initiiert werden.<br />
Neben einer Fortführung der Fortbildungen zur gezielten Förderung interkultureller Kompetenz auf allen<br />
Ebenen, insbesondere aber im Bereich der Führungs- und Nachwuchskräfte und bei personalverantwortlichen<br />
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, ist eine individuelle Personalentwicklung notwendig.<br />
Eine individuelle und interkulturell ausgerichtete Personalentwicklung soll das Ziel der Chancengleichheit<br />
unterstützen und Beschäftigten mit Migrationshintergrund den Zugang zu allen Hierarchieebenen<br />
ermöglichen.<br />
Diesbezüglich ist ebenso die Erhöhung des Anteils von städtischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern<br />
mit Migrationshintergrund entsprechend ihres Anteils an der Gesamtbevölkerung<br />
1. durch eine Erhöhung des Anteils der Auszubildenden mit Migrationshintergrund 1 sowie<br />
2. durch die besondere Berücksichtigung von Bewerbungen von Personen mit Migrationshintergrund<br />
bei gleicher Qualifikation<br />
voranzutreiben.<br />
Durch die kontinuierliche Einbeziehung interkultureller Aspekte und Bedarfe als ein wichtiges Steuerungselement<br />
in der Organisationsentwicklung kann die Implementierung der interkulturellen Öffnung<br />
der Verwaltung auf Dauer gewährleistet werden. Eine wichtige Grundlage dafür ist die Einführung eines<br />
Verwaltungsmonitorings, das Aufschluss über die Inanspruchnahme der Dienstleistungen durch Migrantinnen<br />
und Migranten gibt.<br />
2. Verwaltungsmonitoring – Inanspruchnahme von Leistungen<br />
Aufgrund der Ergebnisse der Ämterbefragung (vgl. Kap. III a. 1) empfiehlt die Steuerungsgruppe<br />
Integration folgende Maßnahmen:<br />
Gerade in den Ämtern mit einem hohen Anteil von Klientinnen und Klienten mit Migrationshintergrund<br />
ist es wichtig, im Sinne eines Verwaltungsmonitorings den Anteil an Klientinnen und Klienten mit Migrationshintergrund<br />
zu erfassen.<br />
Vorerst wird empfohlen, dass Abteilungen mit einem hohen Anteil von Zugewanderten unter ihrer<br />
Klientel Menschen mit Migrationshintergrund, bei deren Vorsprache registrieren sollten (nichtdeutscher<br />
Pass, eingebürgert, Aussiedler/Aussiedlerin, hier geborenes Kind von Zugewanderten). Alternativ sollte<br />
vorübergehend ein praktikables System zur Schätzung eingeführt werden.<br />
Abteilungen mit einem hohen Anteil von Zugewanderten sollten auch die Inanspruchnahme der Leistungen<br />
durch Zugewanderte genau angeben. In den anderen Abteilungen sollten vorübergehend ebenfalls<br />
praktikable Methoden eingeführt werden, um die Inanspruchnahme der Leistungen durch Zugewanderte<br />
detaillierter schätzen zu können.<br />
Es wird empfohlen, im Rahmen der interkulturellen Öffnung der Verwaltung ein ämterübergreifendes<br />
Verwaltungsmonitoring einzuführen, durch das die Inanspruchnahme von Leistungen durch Bürgerinnen<br />
und Bürger mit Migrationshintergrund erfasst werden und der weitere Bedarf dieser Zielgruppe<br />
erkannt und in Qualitäts- und Organisationsentwicklung einbezogen werden kann.<br />
1 Im Rahmen der Verwaltungsumfrage wurden für das Jahr 2007 folgende Zahlen genannt: Auszubildende ohne deutschen Pass:<br />
5,75 %, Eingebürgerte: 0,57 %, Spätaussiedlerinnen / Spätaussiedler: 5,75 %; in Deutschland geboren: 9,2 %.<br />
147
2. Bildung<br />
Die gegenwärtige Diskussion um die „besten Köpfe“ im Öffentlichen Dienst und in der privaten Wirtschaft<br />
(vgl. PISA, IGLU, TIMMS) betont die Bedeutung von Investition in Bildung für gesellschaftlichen<br />
Wohlstand und sozialen Frieden. Die o. g. Studien haben auf den Zusammenhang zwischen sozialer<br />
Herkunft und Bildungserfolg hingewiesen und dabei deutlich hervorgehoben, dass in Deutschland Kinder<br />
und Jugendliche mit Migrationshintergrund geringere Erfolgschancen im Bildungssystem haben.<br />
Sowohl der Nationale Integrationsplan als auch das Konsortium Bildungsberichterstattung machen auf<br />
die Notwendigkeit der Investition in die Bildung aufmerksam. So wird im Konsortium Bildungsberichterstattung<br />
auf die Notwendigkeit hingewiesen, dass Bund und Länder dem Erziehungs-, Bildungs- und<br />
Qualifikationssystem eine Schlüsselfunktion zusprechen (vgl. Konsortium Bildungsberichterstattung,<br />
2006:137).<br />
In Bezug auf das Thema Sprachförderung ist im NIP zu lesen: „Gute Deutschkenntnisse aller Kinder zu<br />
Schulbeginn sind eines der herausragenden Ziele der Sprachförderung in Kindertageseinrichtungen.“<br />
(NIP, 2007:52).<br />
In Bezug auf die Verbesserung der Ausbildungssituation von Jugendlichen mit Migrationshintergrund<br />
heißt es hier: „Zur Förderung von Ausbildungsbereitschaft (…) sind Beratungsangebote und Unterstützungsmaßnahmen<br />
erforderlich. Bewährt haben sich Ausbildungsverbünde und externes Ausbildungsmanagement<br />
sowie das Modell des Ausbildungspaten, in dem erfahrene Personen den Jugendlichen<br />
beim Einstieg in die Ausbildung beratend und unterstützend zur Seite stehen.“ (NIP, 2007:119).<br />
Für die Wissenschaftsstadt <strong>Darmstadt</strong> wird empfohlen:<br />
1. Bildungsmonitoring<br />
Einführung einer Bestandsaufnahme und eines fortführenden Bildungsmonitorings, um den aktuellen<br />
Bildungsstand sowie die Entwicklung des Bildungsstands von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund<br />
in <strong>Darmstadt</strong> festzustellen. Die Erkenntnisse aus dem Bildungsmonitoring sollen<br />
Rückschlüsse auf Lücken im Regelangebot und zusätzliche Angebotsbedarfe ermöglichen.<br />
2. Modellprojekt Ausbildungsnetzwerk<br />
Aufgrund der bisherigen positiven Erfahrungen im Rahmen des Projektes „Mentoring und demokratische<br />
Beteiligung im Betrieb – Integration in den Arbeitsmarkt in der Wissenschaftsstadt <strong>Darmstadt</strong><br />
(November 2009 – April 2010)“ soll diese Maßnahme als Modellprojekt im Sinne eines Ausbildungsverbundes<br />
ausgeweitet und verstetigt werden. Das Netzwerk soll aus Vertreterinnen und Vertretern<br />
von Unternehmen, Unternehmerverbänden, Arbeitnehmervertretung, Migrantenselbstorganisationen,<br />
Migranteneltern und anderen relevanten Akteuren bestehen.<br />
3. Verankerung in den Fachausschüssen und Arbeitsgruppen des Jugendhilfeausschusses<br />
Das Thema „Sprachförderung“ soll als neuer Schwerpunkt im Jugendhilfeausschuss durch die Beteiligung<br />
des Jugendhilfeplanungsausschusses und des Fachausschusses Kinderbetreuung verankert und<br />
behandelt werden. Ein begleitendes Projekt soll auf der Grundlage einer Bedarfs- und Angebotsanalyse –<br />
unter Hinzuziehung von Personal- und Finanzressourcen – Maßnahmen zu einer effizienten, flächendeckenden<br />
und nachhaltigen Sprachförderung einführen und entwickeln. Dabei ist entsprechend dem<br />
Magistratsbeschluss das Interkulturelle <strong>Büro</strong> einzubinden.<br />
148
Entsprechend soll das Thema „Verbesserung des Übergangs Schule-Beruf bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund“<br />
als Schwerpunkt in der AG § 78 Jugendberufshilfe des Jugendhilfeausschusses verankert<br />
und behandelt werden. Das zuständige Fachamt soll federführend bestehende Angebote evaluieren<br />
und Maßnahmen zu einer nachhaltigen Verbesserung des Übergangs Schule-Beruf bei Jugendlichen<br />
mit Migrationshintergrund entwickeln und einführen. Dabei ist entsprechend dem Magistratsbeschluss<br />
das Interkulturelle <strong>Büro</strong> einzubinden.<br />
4. Interkulturelle Schulsozialarbeit<br />
Interkulturelle Schulsozialarbeit ist Sozialarbeit in der Einwanderungsgesellschaft. Schulsozialarbeit<br />
hat die gesetzliche Aufgabe, Benachteiligung von Kindern und Jugendlichen zu kompensieren. Interkultu<br />
relle Schulsozialarbeit hat in diesem Kontext die Aufgabe, an der strukturellen Benachteiligung<br />
anzusetzen und die Teilhabe von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund im Bildungssystem<br />
zu fördern. In jedem Handlungsfeld der Schulsozialarbeit sind spezifisch migrationsspezifische<br />
Anforderungen zu berücksichtigen. Daher sind für jeden in dem Städtischen Rahmenkonzept zur Schulsozialarbeit<br />
vorgesehenen Bereich entsprechende Maßnahmen zu konzipieren<br />
5. Ausbau der Elternbildungsprojekte<br />
Die in <strong>Darmstadt</strong> bereits bestehenden Projekte und Maßnahmen „Mama lernt Deutsch“, „Elterngesprächskreise“<br />
an Kitas und Schulen, „Frühwarnsystem“ zur Prävention von Förderschulüberweisungen<br />
sollen flächendeckend ausgebaut werden.<br />
Parallel dazu sollen unter der Federführung der zuständigen Fachämter und in Kooperation mit dem<br />
Interkulturellen <strong>Büro</strong> weitere Elternbildungsprojekte eingeführt werden, wie z. B. „Elternkurse in<br />
Schulen“, Elterntrainings und Vätergruppen.<br />
3. Gesundheit und Soziales<br />
Der bundesweit organisierte AK „Migration und öffentliche Gesundheit“ empfiehlt die Umsetzung<br />
folgender Aktivitäten:<br />
• Maßnahmen zur gesundheitlichen Prävention zu entwickeln und zu stärken,<br />
• die interkulturelle Kompetenz (...) in ambulanter und stationärer Versorgung zu fördern,<br />
• die Aus- und Fortbildung in kultursensibler Pflege und Altenhilfe voranzutreiben und kulturspezifische<br />
Angebote zu unterstützen,<br />
• eine qualifizierte Gesundheitsberichterstattung, die alle Bevölkerungsgruppen abbildet, voranzubringen.<br />
(Vgl. Positionspapier des AK Migration und öffentliche Gesundheit, 2006).<br />
Für die Stadt <strong>Darmstadt</strong> gilt es – gemeinsam mit dem AK „Migration und Gesundheit“ – zu klären, inwieweit<br />
diese Maßnahmen bereits umgesetzt werden.<br />
Diesbezüglich ist es zunächst wichtig, eine gemeinsam mit dem Gesundheitsamt der Stadt <strong>Darmstadt</strong><br />
und dem Landkreis <strong>Darmstadt</strong>-Dieburg initiierte und getragene Bedarfserhebung zur gesundheitlichen<br />
und psychosozialen Versorgung von Migrantinnen und Migranten durchzuführen. Im Rahmen der<br />
Gesundheitsberichterstattung ist diese Gruppe als besondere Zielgruppe zu berücksichtigen. Daraus<br />
resultierend sollen Strategien und Maßnahmen zur Behebung von Problemlagen entwickelt und umgesetzt<br />
werden.<br />
Der weitere Bedarf sollte dann systematisch eruiert und weitere Strategien zur Umsetzung der Maßnahmen<br />
sollten entwickelt und umgesetzt werden.<br />
149
In Bezug auf den Bereich „Soziales“ hebt der NIP hervor: „Für die soziale Integration von Migrantinnen<br />
und Migranten haben die Bereiche Bildung und Erziehung, Ausbildung und Arbeit sowie Familie eine<br />
wesentliche Bedeutung“ (vgl. NIP, 2007:62).<br />
Für den sozialen Bereich hat das Darmstädter Integrationsforum sich für die Ausweitung der Aktivitäten<br />
insbesondere in folgenden Bereichen ausgesprochen:<br />
• Einrichtung von sozialräumlich ausgerichteten, bedarfsorientierten Integrationskursen mit<br />
Kinderbetreuung durch Kooperation und Vernetzung der jeweils zuständigen städtischen Ämter.<br />
• Verbesserung der (psycho-) sozialen und gesundheitlichen Beratungsangebote für Migrantinnen und<br />
Migranten.<br />
• Feste Einrichtung eines kommunalen Pools von Interkulturellen Vermittlungskräften.<br />
• Ausbau des Angebotes für ältere Menschen mit Migrationshintergrund.<br />
• Verfestigung des Projektes „Soziale Stadt“ und der Stadtteilwerkstätten.<br />
• Präventive Arbeit in der Jugendhilfe.<br />
• Interkulturelle Öffnung des Jobcenters, Durchführung von Fortbildungen mit den MitarbeiterInnen dort.<br />
4. Wirtschaft und Arbeitsmarkt<br />
Im Nationalen Integrationsplan wird auf „eine deutliche Verbesserung der Arbeitsmarktintegration<br />
von Menschen mit Migrationshintergrund“ (NIP, 2007:78) verwiesen. Dies sei „sowohl aus sozial- und<br />
gesellschaftspolitischen, als auch aus volkswirtschaftlichen Gründen dringend geboten“ (ebenda, 78).<br />
Aufgrund der demografischen Entwicklung in <strong>Darmstadt</strong> ist es wichtig, intensiv nach Möglichkeiten zu<br />
suchen, um die Teilhabe von Menschen mit Migrationshintergrund am Erwerbsleben zu erhöhen.<br />
Um dieses Ziel zu erreichen ist u. a. die interkulturelle Öffnung der in <strong>Darmstadt</strong> ansässigen Unternehmen<br />
sowie die Förderung der ethnischen Ökonomie in <strong>Darmstadt</strong> notwendig.<br />
Die Wissenschaftsstadt <strong>Darmstadt</strong> sollte daher Wirtschaft und Wirtschaftsförderung als integrationspolitisch<br />
relevante Handlungsfelder neu benennen und hier entsprechende Maßnahmen in Kooperation<br />
mit den jeweiligen Institutionen entwickeln und umsetzen.<br />
Um dieses neue Handlungsfeld inhaltlich zu gestalten wird empfohlen, dass das Amt für Wirtschaft<br />
und Stadtentwicklung mit dem Interkulturellen <strong>Büro</strong> die anzustrebenden Ziele festlegt und auch in<br />
Kooperation mit Dritten entsprechende Schritte einleitet.<br />
5. Migranten-Communities und Lotsen<br />
Der NIP hebt die Bedeutung der Zusammenarbeit mit MSOs hervor und bekundet, dass „Migrantinnen<br />
selbst am besten Auskunft geben können, wo sie Handlungsbedarfe und -defizite im Hinblick auf ihre<br />
gesellschaftliche und politische Teilhabe sehen. Daher ist es wichtig, sie und ihre Selbstorganisationen<br />
stärker als bisher in den Integrationsprozess einzubeziehen.“ (Vgl. NIP, 2007:95).<br />
Die MSOs spielen in diesem Sinne eine vielfältige Rolle. So haben sie die Aufgabe, in Zusammenarbeit<br />
mit Wirtschaft und Beratung „modellhafte Kooperationen vor Ort und in der gemeinsamen Ausgestaltung<br />
eines Projekts mit regionalem Bezug qualifizierte Arbeits- und Ausbildungsplätze für junge Frauen<br />
mit Migrationshintergrund zu erschließen und bereitzustellen.“ (Vgl. NIP, 2007:96).<br />
150
MSOs sind insofern auch wichtige Partner für die kommunale Integrationspolitik in <strong>Darmstadt</strong>.<br />
Sie wurden von Anfang an im Rahmen von Projekten in die Integrationsarbeit miteinbezogen. Die<br />
Zusammenarbeit hat sich bewährt; eine weitere und verstärkte Zusammenarbeit sowie die Weiterentwicklung<br />
und Umsetzung von Professionalisierungsangeboten wird empfohlen.<br />
Die Bedeutung der Zusammenarbeit mit Multiplikatorinnen und Multiplikatoren (Lotsen) aus den<br />
Migranten-Communities wird mittlerweile auch auf Bundesebene anerkannt. (Vgl. NIP, 2007:115).<br />
In <strong>Darmstadt</strong> wurden Multiplikatorinnen und Multiplikatoren aus den lokalen Migranten-Communities<br />
zu „Integrationsassistentinnen und Integrationsassistenten“ weitergebildet. Sie sind in unterschied-<br />
lichen Feldern der Sozialen Arbeit engagiert und decken je nach Bedarf unterschiedliche Aufgabe<br />
(s. Kap. III.5.). Es wird empfohlen, die Bemühungen der Bundesarbeitsgruppe (BAG) Berufsbildentwicklung<br />
Sprach- und Integrationsmittler/-in zur Anerkennung dieses Berufsbildes zu unterstützen.<br />
Weiterhin wird empfohlen, für die Integrationsassistentinnen und -assistenten Einsatzmöglichkeiten<br />
sowohl im Rahmen der kommunalen Beschäftigungsförderung als auch projektgebunden zu schaffen.<br />
Die Beschäftigungsmöglichkeiten könnten insbesondere in folgenden Arbeitsfeldern entstehen:<br />
Jugendhilfe, Altenhilfe und schulbegleitende Maßnahmen.<br />
6. Stadtteil<br />
Die einzelnen Stadtteile in <strong>Darmstadt</strong> sind qualitativ und quantitativ von Migration geprägt (vgl. Kap. I.2).<br />
Es gibt Stadtteile mit hohem und mit niedrigem Anteil an Bewohnerinnen und Bewohnern mit Migrationshintergrund.<br />
Insofern sind die Erfahrungen und die einzelnen Anforderungen an die Bedarfe sehr<br />
unterschiedlich.<br />
Für die städtischen Integrationsüberlegungen hat das zur Folge, dass entsprechende Handlungsfelder<br />
identifiziert, zielorientierte Rahmendbedingungen erarbeitet und passgenaue Aktivitäten angeboten und<br />
umgesetzt werden sollten.<br />
Eine strategische Zusammenarbeit mit Migranten-Communities in den einzelnen Stadtteilen, insbesondere<br />
in <strong>Darmstadt</strong> Kranichstein und <strong>Darmstadt</strong> Eberstadt-Süd hat sich bislang gut bewährt. Diese<br />
gemeinwesenorientierte Arbeitsmethode sollte weiterhin gepflegt werden.<br />
Die bisherige erfolgreiche konzeptionelle und inhaltliche Zusammenarbeit mit Migranten-Communities<br />
in den Stadtteilen kann auf weitere Communities, weitere kulturelle und religiöse Vereine, Multiplikatorinnen<br />
und Multiplikatoren, informelle Migranten-Gruppen, ehrenamtlich Aktive, Ortsbeiräte, Gewerbetreibende<br />
etc. ausgebaut werden. Dadurch können weitere Bedarfe erkannt und entsprechende Maßnahmen<br />
entwickelt werden. Insbesondere sollten bislang nicht organisierte Migranten-Gruppen für die<br />
Partizipation im Stadtteil gewonnen werden.<br />
7. Antirassismus<br />
Der Nationale Integrationsplan empfiehlt (vgl. NIP 2007: 33), örtliche Netzwerke gegen Extremismus<br />
und für Toleranz zu unterstützen.<br />
In der Stadt <strong>Darmstadt</strong> besteht bereits seit vielen Jahren ein aktives Netzwerk, das kontinuierlich ausgeweitet<br />
wurde und wird (vgl. Kap. III.7). In diesem Sinne empfiehlt es sich, die Vielfalt dieses Netzwerks<br />
zu nutzen, um das Spektrum an antirassistischen Aktivitäten und Maßnahmen zu erweitern.<br />
151
Auch hier empfiehlt es sich, das Netzwerk auf nicht organisierte und informelle Gruppen (z. B. antifaschistische<br />
Gruppen) auszuweiten.<br />
Weiterhin wird als sinnvoll erachtet, eine kontinuierliche Evaluation der Projekte durchzuführen, um die<br />
weiteren Bedarfe in diesem Feld zu erkennen und entsprechende Maßnahmen einzuleiten.<br />
8. Politische Partizipation<br />
Da Migrantinnen und Migranten ohne deutsche Staatsbürgerschaft kaum politische Partizipationsmöglichkeiten<br />
haben, ist eine nachhaltige politische Partizipation erst durch Einbürgerung möglich.<br />
Daher empfiehlt es sich für die Wissenschaftsstadt <strong>Darmstadt</strong> gezielte Informationsveranstaltungen zur<br />
Einbürgerung durchzuführen sowie verstärkt dafür einzutreten, dass eine bundesweite Einbürgerungskampagne<br />
von entsprechenden Institutionen durchgeführt wird.<br />
Eine weitere fachpolitische Handlungsempfehlung ist die Beteiligung der Wissenschaftsstadt <strong>Darmstadt</strong><br />
an der von der Arbeitsgemeinschaft der Ausländerbeiräte Hessen (agah) in Kooperation mit weiteren<br />
Institutionen, wie der Liga der Freien Wohlfahrtspflege, durchgeführten Kampagne „Demokratie braucht<br />
jede Stimme – Kommunales Wahlrecht für Alle“.<br />
9. Sport<br />
Sport, insbesondere Breitensport, gilt im Allgemeinen als integrationsfördernd. So wurde im Nationalen<br />
Integrationsplan dem Sport ein Kapitel gewidmet. Nur die Durchführung einer sportlichen Aktivität<br />
allein fördert aber noch keine sozialen grenzüberschreitenden oder anerkennenden Verhaltensweisen<br />
gegenüber Menschen anderer Herkunft. Die sportlichen Angebote sind gezielt zu nutzen, d. h. die sozialen<br />
und kulturellen Aspekte sollten in die Aktivitäten und in die Öffnung von Sportvereinen einfließen.<br />
Der NIP empfiehlt dazu die interkulturelle Öffnung des organisierten Sports (vgl. NIP, 2007:20).<br />
Zur Förderung des Integrationsgedankens im Sport sind sowohl in einzelnen Sportverbänden, wie z. B.<br />
Deutscher Olympischer Sportbund, als auch in Kommunen vielfältige Konzeptionen entwickelt und auch<br />
umgesetzt worden (vgl. NIP, 2007:29f.).<br />
Die Wissenschaftsstadt <strong>Darmstadt</strong> hat bereits in ihrer Sportentwicklungsstudie (vgl. Wetterich / Schrader,<br />
2007) wichtige Handlungsempfehlungen benannt, um Migrantinnen und Migranten zur Wahrnehmung<br />
der Sportangebote zu gewinnen; diese Maßnahmen gilt es zukünftig weiter gezielt umzusetzen.<br />
Das Vereinswesen als ein integrationspolitisch wichtiges Handlungsfeld ist insbesondere im Sinne der<br />
„Interkulturellen Öffnung der Sportvereine“ in den Fokus zu nehmen (z. B. durch Öffnungskriterien wie<br />
Vereinspatenschaften, Finanzierung, Mitgliederanwerbung) und es sind entsprechende Maßnahmen zu<br />
entwickeln und umzusetzen.<br />
152
10. Bürgerschaftliches Engagement<br />
Bürgerschaftliches Engagement stärkt traditionell den demokratischen gesellschaftlichen Zusammenhalt,<br />
fördert Selbstverantwortung gegenüber dem Gemeinwesen und erfordert Eigeninitiative.<br />
Der Nationale Integrationsplan sieht in diesem Bereich Handlungsbedarf (vgl. NIP, 2007:173 ff.).<br />
Für die Wissenschaftsstadt <strong>Darmstadt</strong> ist zu empfehlen:<br />
1. Die Interkulturelle Öffnung des Vereinswesens<br />
In der Wissenschaftsstadt <strong>Darmstadt</strong> werden die Vereine von den jeweiligen Fachämtern gefördert. Es<br />
gilt hierbei die Förderungskriterien um Kriterien der interkulturellen Öffnung, wie z. B. die Zusammenarbeit<br />
mit Migrantenselbstorganisationen, die Werbung von Migrantinnen und Migranten als Mitglieder<br />
und in die Vereinsvorstände, zu erweitern.<br />
2. Patenschaftsprojekte<br />
Um mehr jungen Migrantinnen und Migranten den sozialen Aufstieg zu ermöglichen, muss Bildung<br />
noch stärker als gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstanden werden. Es wird empfohlen, Patenschaftsprojekte,<br />
wie z. B. im Rahmen des Bundesprogramms „Aktion zusammen wachsen“, umzusetzen,<br />
durch die Kinder bei der schulischen und beruflichen Orientierung durch Patinnen und Paten<br />
unterstützt werden.<br />
3. Studentisches Engagement Nachhilfe<br />
Das Potential und das Interesse vieler Studierender in der Wissenschaftsstadt <strong>Darmstadt</strong> an ehrenamtlichem<br />
Engagement sollte integrationspolitisch genutzt werden. Studierende aller Fachrichtungen und<br />
Hochschulen sollten für Nachhilfe-Aktivitäten auf ehrenamtlicher Basis gewonnen werden. Ein solches<br />
Projekt könnte in der Federführung der Freiwilligenagentur liegen.<br />
153
VII. Literatur<br />
Ausländerbeirat und <strong>Interkulturelles</strong> <strong>Büro</strong> der Stadt <strong>Darmstadt</strong> (Hrsg.) (2000):<br />
Interkulturelle Wege durch <strong>Darmstadt</strong>. 4. Auflage. <strong>Darmstadt</strong>.<br />
Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration (Hrsg.) (2007):<br />
Der Nationale Integrationsplan. Neue Wege – Neue Chancen. Berlin.<br />
Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration (Hrsg.) (2010):<br />
8. Bericht der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration.<br />
Bundesinstitut für Berufsbildung (Hrsg.) (2006):<br />
Bildungswege und Berufsbiographie von Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Anschluss<br />
an allgemein bildende Schulen. BIBB-Übergangsstudie 2006. Bonn.<br />
Bundesinstitut für Berufsbildung (Hrsg.) (2008):<br />
Übergänge von der allgemeinbildenden Schule in eine vollqualifizierende Ausbildung. Ergänzende<br />
Analysen für den zweiten nationalen Bildungsbericht zum Schwerpunktthema „Übergänge im Bildungssystem<br />
und zwischen Bildungssystem und Arbeitsmarkt“ auf Basis der BIBB-Übergangsstudie 2006<br />
Arbeitspapier. Bonn.<br />
Bundesministerium des Innern (Hrsg.) (2010):<br />
Förderrichtlinien zur Durchführung einer Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer. Berlin.<br />
Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Hrsg.) (2008):<br />
Lebenslagen in Deutschland. Der 3. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung. Berlin.<br />
Deutscher Bundestag (Hrsg.) (2000):<br />
Sechster Familienbericht. Familien ausländischer Herkunft in Deutschland. Leistungen – Belastungen –<br />
Herausforderungen und Stellungnahme der Bundesregierung. Drucksache 14/4357. Berlin.<br />
Forschungs- und Entwicklungsgesellschaft Hessen (Hrsg.) (2002):<br />
Migrationsreport Hessen. Bevölkerung, Ausbildung und Arbeitsmarkt. Wiesbaden.<br />
Gomolla, M.; Radtke, F.-O. (2002):<br />
Institutionelle Diskriminierung. Die Herstellung ethnischer Differenz in der Schule. Opladen.<br />
Hessische Landeszentrale für politische Bildung (1985):<br />
Ausländerbeiräte in Hessen. Ein Leitfaden. Wiesbaden.<br />
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Grünbuch. Migration und Mobilität: Chancen und Herausforderungen für die EU-Bildungssysteme. Brüssel.<br />
Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement (KGSt) (Hrsg.) (2005):<br />
KGSt-Bericht 7/2005. Management kommunaler Integrationspolitik. Köln.<br />
Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement (KGSt) (Hrsg.) (2008):<br />
Materialien: Interkulturelle Öffnung. In sieben Schritten zur interkulturellen Öffnung der Verwaltung<br />
(M 5/2008). Köln.<br />
154
Konsortium Bildungsberichterstattung im Auftrag der Kultusministerkonferenz<br />
und des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (Hrsg.) (2006):<br />
Bildung in Deutschland. Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zu Bildung und Migration.<br />
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Bericht zur Situation der ausländischen Mitbürger in <strong>Darmstadt</strong> mit besonderer Berücksichtigung der<br />
laufenden Aktivitäten zur Integration der zweiten und dritten Generation. <strong>Darmstadt</strong>.<br />
Magistrat der Stadt <strong>Darmstadt</strong> (Hrsg.) (1988):<br />
Bericht zur Situation der ausländischen Mitbürger in <strong>Darmstadt</strong> mit besonderer Berücksichtigung der<br />
laufenden Aktivitäten zur Integration der zweiten und dritten Generation. Vierte fortgeschriebene, in der<br />
Dokumentation z. T. erweiterte Ausgabe. <strong>Darmstadt</strong>.<br />
Magistrat der Stadt <strong>Darmstadt</strong>, Sozialdezernat (Hrsg.) (1996):<br />
Sozialbericht Kirchtannensiedlung. Beiträge zur Sozialberichterstattung 1/1996. <strong>Darmstadt</strong>.<br />
Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (Hrsg.) (2010):<br />
Einwanderungsgesellschaft 2010. Jahresgutachten 2010 mit Integrationsbarometer. Berlin.<br />
Sachverständigenrat für Zuwanderung und Integration (Hrsg.) (2004):<br />
Migrationsbericht 2004 über die Lage der Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland. Berlin.<br />
Staatliches Schulamt für den Landkreis <strong>Darmstadt</strong>-Dieburg und die Stadt <strong>Darmstadt</strong> (Hrsg.) (2009):<br />
Deutsch als Zweitsprache. Entwicklungsbericht. Sprachförderung für Schülerinnen und Schüler mit<br />
Migrationshintergrund. <strong>Darmstadt</strong>.<br />
vhw – Bundesverband für Wohnen und Stadtentwicklung e.V. (Hrsg.) (2009):<br />
Dem Leitbild Bürgerschaft verpflichtet. Sinus Migranten-Milieus. Ein Kompass für die Stadtgesellschaft.<br />
vhw-Schriftenreihe 1. Berlin.<br />
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Statistisches Jahrbuch 1998. <strong>Darmstadt</strong>.<br />
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Wissenschaftsstadt <strong>Darmstadt</strong>, Sozialdezernat, Sozial- und Jugendhilfeplanung (Hrsg.) (2010a):<br />
Sozialatlas <strong>Darmstadt</strong>. Beiträge zur Sozialberichterstattung 2010. <strong>Darmstadt</strong>.<br />
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Herausgeberin | Kontakt<br />
Wissenschaftsstadt <strong>Darmstadt</strong><br />
<strong>Interkulturelles</strong> <strong>Büro</strong><br />
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