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Stehen internationale Sportverbände über dem Recht?

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Mark Pieth, <strong>Stehen</strong> <strong>internationale</strong> <strong>Sportverbände</strong> <strong>über</strong> <strong>dem</strong> <strong>Recht</strong>?, in: Jusletter 14. März 2011<br />

Inhalts<strong>über</strong>sicht<br />

I. FIFA: ein Weckruf<br />

II. Geltendes <strong>Recht</strong><br />

1. Amtsträgerbestechung?<br />

2. Privatbestechung?<br />

III. Regelungsbedarf?<br />

IV. Regelungsvorschlag<br />

V. Der Funktionär<br />

VI. Keine <strong>über</strong>triebenen Erwartungen<br />

VII. Schluss<br />

Literaturverzeichnis<br />

I. FIFA: ein Weckruf<br />

[Rz 1] Medienrecherchen im Vorfeld der Vergabe der Austragungsorte<br />

der nächsten zwei Fussballweltmeisterschaften<br />

hatten Hinweise dafür zutage gefördert, dass einzelne<br />

Komitee-Mitglieder der FIFA ihre Stimmen zum Verkauf<br />

anboten. Die angeblich geforderten bzw. gebotenen Summen<br />

schwankten erheblich, pendelten sich aber bei einem<br />

Mittelwert von ca. $ 1 Million ein. Auch wenn private sting<br />

operations zu den problematischeren Methoden des Journalismus<br />

gehören, verdichten sich die Indizien, dass Mitglieder<br />

des FIFA-Entscheidgremiums, wie früher schon, die UEFA<br />

und auch das IOC (insbes. anlässlich der Wahl der Stadt Salt<br />

Lake City als Austragungsort der Olympiade) auf ihr privates<br />

Wohlergehen bedacht waren 1 . Die Medien führten auch das<br />

schlechte Abschneiden von Grossbritannien beim Wahlgang<br />

vom 2. Dezember 2010 vor allem darauf zurück, dass der<br />

britische Fussballverband nicht oder zuwenig in die Trickkiste<br />

gegriffen hätte 2 .<br />

[Rz 2] Ob die Vorwürfe zutreffen, lässt sich schwer feststellen.<br />

Die FIFA verfügt zwar <strong>über</strong> ein internes Ethik-Komitee,<br />

dessen Unabhängigkeit aber nicht <strong>über</strong> jeden Zweifel erhaben<br />

ist und deren Entscheidpraxis bisher wenig <strong>über</strong>zeugt<br />

hat. 3<br />

[Rz 3] Heikler noch ist aber, dass die Vertreter der <strong>internationale</strong>n<br />

<strong>Sportverbände</strong>, die in der Schweiz ohnedies einen<br />

Sonderstatus geniessen, vom Strafrecht nur schlecht erfasst<br />

werden können. Mit rascher Aufklärung ist daher kaum zu<br />

rechnen.<br />

II. Geltendes <strong>Recht</strong><br />

1. Amtsträgerbestechung?<br />

[Rz 4] Als Reaktion auf einige lokale Bestechungsskandale<br />

(insbes. die Zürcher Wirteaffäre) und die Ratifikation der<br />

OECD Anti-Korruptionskonvention von 1997 wurde im Jahr<br />

1 The Times, 17. Oktober 2010. S. 7, 8, 9, 26; FAZ, 28. November 2010, S.<br />

20; NZZ, 30. November 2010, S. 48.<br />

2 Der Spiegel, 48/2010, S. 136 ff.<br />

3 BaZ, 19. November 2010, S. 48; NZZ, 19. November 2010, S. 48.<br />

2<br />

2000 in der Schweiz ein neues Korruptionsrecht in Kraft gesetzt.<br />

Die Tatbestände von Art. 322ter ff. StGB sind in Kombination<br />

mit der Legaldefinition von Art. 110 Abs. 3 StGB, <strong>dem</strong><br />

Beamtenbegriff, zu lesen 4 . Art. 322septies erfasst neben den<br />

Amtsträgern eines fremden Staates auch Funktionäre von <strong>internationale</strong>n<br />

Organisationen.<br />

[Rz 5] Allerdings war man sich im Jahr 2000 sowohl auf <strong>internationale</strong>r<br />

Ebene 5 , wie in der Schweiz 6 einig, dass mit <strong>internationale</strong>n<br />

Organisationen Verbände des <strong>internationale</strong>n<br />

öffentlichen <strong>Recht</strong>es gemeint waren. Vertreter von Nicht-Regierungsorganisationen<br />

(NGOs) können zwar ausnahmsweise<br />

Funktionen für <strong>internationale</strong> öffentliche Organisationen<br />

<strong>über</strong>nehmen (funktionale Amtsträger <strong>internationale</strong>r Organisationen<br />

7 ), im Allgemeinen handelt es sich aber um Privatpersonen<br />

8 . Was der Bundesrat bereits 1999 festgehalten<br />

hatte 9 , wurde in der Botschaft von 2004 zur Umsetzung des<br />

Europaratsabkommens gegen die Korruption 10 erneut betont:<br />

«Im Übrigen besteht Übereinstimmung; sowohl nach<br />

<strong>dem</strong> Übereinkommen wie auch vom schweizerischen<br />

Korruptionsstrafrecht sind nur Amtsträger intergouvernementaler<br />

Organisationen erfasst. Ausser Betracht<br />

fallen <strong>dem</strong>gegen<strong>über</strong> Funktionäre von nicht-gouvernementalen<br />

Organisationen (sog. NGOs)» 11<br />

[Rz 6] Damit scheint festzustehen, dass nach gelten<strong>dem</strong><br />

Schweizer <strong>Recht</strong> Vertreter von <strong>Sportverbände</strong>n nicht unter<br />

das öffentliche Bestechungsrecht fallen. Eine Ausnahme<br />

ist denkbar, wenn der einzelne Bestechungsempfänger<br />

zugleich Amtsträger eines fremden Staates ist. Dann wäre<br />

Art. 322septies StGB aus anderem Grunde anwendbar.<br />

2. Privatbestechung?<br />

[Rz 7] Mit der Umsetzung des Europarats<strong>über</strong>einkommens<br />

trat 2006 ein revidierter Tatbestand der Privatbestechung<br />

im UWG in Kraft (Art. 4a i.V. mit Art. 23 UWG). Voraussetzung<br />

ist allerdings das Einwirken auf ein «Wettbwerbsverhältnis».<br />

Und gerade hier meldet die Botschaft von 2004 12<br />

Bedenken an. Auf NGOs sei Art. 4a UWG nicht anwendbar,<br />

wenn sie nicht in einem Wettbewerbsverhältnis zueinander<br />

ständen oder in ein Wettbewerbsverhältnis mit Unternehmen<br />

4 Botschaft 1999, 5524 ff.; Balmelli 1996, 103 f.; Oberholzer 2007 zu<br />

Art. 110 Abs. 3 StGB; Pieth 2007 zu Art. 322ter ff. StGB.<br />

5 Zerbes 2007, 75.<br />

6 Botschaft 1999, 5539.<br />

7 Zerbes 2007, 79.<br />

8 Zerbes 2007, 78.<br />

9 Botschaft 1999, 5539.<br />

10 Strafrechts-Übereinkommen des Europarats <strong>über</strong> Korruption vom November<br />

1998 (SR 311.55) und Zusatz<strong>über</strong>einkommen vom 15. Mai 2003 (SR<br />

311.551).<br />

11 Botschaft 2004, 7003.<br />

12 Botschaft 2004, 7009.

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