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Stehen internationale Sportverbände über dem Recht?

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Prof. Dr. Mark Pieth<br />

<strong>Stehen</strong> <strong>internationale</strong> <strong>Sportverbände</strong> <strong>über</strong> <strong>dem</strong><br />

<strong>Recht</strong>?<br />

Sportdachverbände geniessen als (weitgehend) steuerbefreite privatrechtliche Vereine in der<br />

Schweiz eine bevorzugte Behandlung. Die rund 60 hier niedergelassenen Verbände und deren<br />

Vertreter unterstehen auch nicht <strong>dem</strong> öffentlichen Bestechungsrecht nach StGB. Man<br />

kann zwar argumentieren, dass die Normen der Privatbestechung nach UWG auf sie anwendbar<br />

seien, dies ist aber umstritten und Bestechung nach Art. 4a i.V.m. Art. 23 UWG bleibt<br />

ein Antragsdelikt. Die Notwendigkeit einer gesetzlichen Ergänzung wird im Beitrag diskutiert<br />

und ein Vorschlag präsentiert.<br />

<strong>Recht</strong>sgebiet(e): Beiträge; Strafrecht Schweiz Besonderer Teil; Wirtschaftsstrafrecht<br />

(UWG, Kartellgesetz, BankG, BEHG); Sport<br />

Zitiervorschlag: Mark Pieth, <strong>Stehen</strong> <strong>internationale</strong> <strong>Sportverbände</strong> <strong>über</strong> <strong>dem</strong> <strong>Recht</strong>?, in: Jusletter 14. März<br />

2011<br />

ISSN 1424-7410, www.jusletter.ch, Weblaw AG, info@weblaw.ch, T +41 31 380 57 77


Mark Pieth, <strong>Stehen</strong> <strong>internationale</strong> <strong>Sportverbände</strong> <strong>über</strong> <strong>dem</strong> <strong>Recht</strong>?, in: Jusletter 14. März 2011<br />

Inhalts<strong>über</strong>sicht<br />

I. FIFA: ein Weckruf<br />

II. Geltendes <strong>Recht</strong><br />

1. Amtsträgerbestechung?<br />

2. Privatbestechung?<br />

III. Regelungsbedarf?<br />

IV. Regelungsvorschlag<br />

V. Der Funktionär<br />

VI. Keine <strong>über</strong>triebenen Erwartungen<br />

VII. Schluss<br />

Literaturverzeichnis<br />

I. FIFA: ein Weckruf<br />

[Rz 1] Medienrecherchen im Vorfeld der Vergabe der Austragungsorte<br />

der nächsten zwei Fussballweltmeisterschaften<br />

hatten Hinweise dafür zutage gefördert, dass einzelne<br />

Komitee-Mitglieder der FIFA ihre Stimmen zum Verkauf<br />

anboten. Die angeblich geforderten bzw. gebotenen Summen<br />

schwankten erheblich, pendelten sich aber bei einem<br />

Mittelwert von ca. $ 1 Million ein. Auch wenn private sting<br />

operations zu den problematischeren Methoden des Journalismus<br />

gehören, verdichten sich die Indizien, dass Mitglieder<br />

des FIFA-Entscheidgremiums, wie früher schon, die UEFA<br />

und auch das IOC (insbes. anlässlich der Wahl der Stadt Salt<br />

Lake City als Austragungsort der Olympiade) auf ihr privates<br />

Wohlergehen bedacht waren 1 . Die Medien führten auch das<br />

schlechte Abschneiden von Grossbritannien beim Wahlgang<br />

vom 2. Dezember 2010 vor allem darauf zurück, dass der<br />

britische Fussballverband nicht oder zuwenig in die Trickkiste<br />

gegriffen hätte 2 .<br />

[Rz 2] Ob die Vorwürfe zutreffen, lässt sich schwer feststellen.<br />

Die FIFA verfügt zwar <strong>über</strong> ein internes Ethik-Komitee,<br />

dessen Unabhängigkeit aber nicht <strong>über</strong> jeden Zweifel erhaben<br />

ist und deren Entscheidpraxis bisher wenig <strong>über</strong>zeugt<br />

hat. 3<br />

[Rz 3] Heikler noch ist aber, dass die Vertreter der <strong>internationale</strong>n<br />

<strong>Sportverbände</strong>, die in der Schweiz ohnedies einen<br />

Sonderstatus geniessen, vom Strafrecht nur schlecht erfasst<br />

werden können. Mit rascher Aufklärung ist daher kaum zu<br />

rechnen.<br />

II. Geltendes <strong>Recht</strong><br />

1. Amtsträgerbestechung?<br />

[Rz 4] Als Reaktion auf einige lokale Bestechungsskandale<br />

(insbes. die Zürcher Wirteaffäre) und die Ratifikation der<br />

OECD Anti-Korruptionskonvention von 1997 wurde im Jahr<br />

1 The Times, 17. Oktober 2010. S. 7, 8, 9, 26; FAZ, 28. November 2010, S.<br />

20; NZZ, 30. November 2010, S. 48.<br />

2 Der Spiegel, 48/2010, S. 136 ff.<br />

3 BaZ, 19. November 2010, S. 48; NZZ, 19. November 2010, S. 48.<br />

2<br />

2000 in der Schweiz ein neues Korruptionsrecht in Kraft gesetzt.<br />

Die Tatbestände von Art. 322ter ff. StGB sind in Kombination<br />

mit der Legaldefinition von Art. 110 Abs. 3 StGB, <strong>dem</strong><br />

Beamtenbegriff, zu lesen 4 . Art. 322septies erfasst neben den<br />

Amtsträgern eines fremden Staates auch Funktionäre von <strong>internationale</strong>n<br />

Organisationen.<br />

[Rz 5] Allerdings war man sich im Jahr 2000 sowohl auf <strong>internationale</strong>r<br />

Ebene 5 , wie in der Schweiz 6 einig, dass mit <strong>internationale</strong>n<br />

Organisationen Verbände des <strong>internationale</strong>n<br />

öffentlichen <strong>Recht</strong>es gemeint waren. Vertreter von Nicht-Regierungsorganisationen<br />

(NGOs) können zwar ausnahmsweise<br />

Funktionen für <strong>internationale</strong> öffentliche Organisationen<br />

<strong>über</strong>nehmen (funktionale Amtsträger <strong>internationale</strong>r Organisationen<br />

7 ), im Allgemeinen handelt es sich aber um Privatpersonen<br />

8 . Was der Bundesrat bereits 1999 festgehalten<br />

hatte 9 , wurde in der Botschaft von 2004 zur Umsetzung des<br />

Europaratsabkommens gegen die Korruption 10 erneut betont:<br />

«Im Übrigen besteht Übereinstimmung; sowohl nach<br />

<strong>dem</strong> Übereinkommen wie auch vom schweizerischen<br />

Korruptionsstrafrecht sind nur Amtsträger intergouvernementaler<br />

Organisationen erfasst. Ausser Betracht<br />

fallen <strong>dem</strong>gegen<strong>über</strong> Funktionäre von nicht-gouvernementalen<br />

Organisationen (sog. NGOs)» 11<br />

[Rz 6] Damit scheint festzustehen, dass nach gelten<strong>dem</strong><br />

Schweizer <strong>Recht</strong> Vertreter von <strong>Sportverbände</strong>n nicht unter<br />

das öffentliche Bestechungsrecht fallen. Eine Ausnahme<br />

ist denkbar, wenn der einzelne Bestechungsempfänger<br />

zugleich Amtsträger eines fremden Staates ist. Dann wäre<br />

Art. 322septies StGB aus anderem Grunde anwendbar.<br />

2. Privatbestechung?<br />

[Rz 7] Mit der Umsetzung des Europarats<strong>über</strong>einkommens<br />

trat 2006 ein revidierter Tatbestand der Privatbestechung<br />

im UWG in Kraft (Art. 4a i.V. mit Art. 23 UWG). Voraussetzung<br />

ist allerdings das Einwirken auf ein «Wettbwerbsverhältnis».<br />

Und gerade hier meldet die Botschaft von 2004 12<br />

Bedenken an. Auf NGOs sei Art. 4a UWG nicht anwendbar,<br />

wenn sie nicht in einem Wettbewerbsverhältnis zueinander<br />

ständen oder in ein Wettbewerbsverhältnis mit Unternehmen<br />

4 Botschaft 1999, 5524 ff.; Balmelli 1996, 103 f.; Oberholzer 2007 zu<br />

Art. 110 Abs. 3 StGB; Pieth 2007 zu Art. 322ter ff. StGB.<br />

5 Zerbes 2007, 75.<br />

6 Botschaft 1999, 5539.<br />

7 Zerbes 2007, 79.<br />

8 Zerbes 2007, 78.<br />

9 Botschaft 1999, 5539.<br />

10 Strafrechts-Übereinkommen des Europarats <strong>über</strong> Korruption vom November<br />

1998 (SR 311.55) und Zusatz<strong>über</strong>einkommen vom 15. Mai 2003 (SR<br />

311.551).<br />

11 Botschaft 2004, 7003.<br />

12 Botschaft 2004, 7009.


Mark Pieth, <strong>Stehen</strong> <strong>internationale</strong> <strong>Sportverbände</strong> <strong>über</strong> <strong>dem</strong> <strong>Recht</strong>?, in: Jusletter 14. März 2011<br />

einwirkten. Bezogen auf Sportdachverbände sagt die Botschaft<br />

wörtlich:<br />

«In diesem Zusammenhang kann sich die Frage stellen,<br />

ob Verbände und NGOs, z.B. Sportvereinigungen<br />

wie etwa die FIFA (Fédération Internationale de Football<br />

Association) oder das IOC (International Olympische<br />

Komitee) unter den neuen Tatbestand fallen. Dies<br />

erscheint jedenfalls dann zweifelhaft, wenn Mitglieder<br />

eines solchen Verbandes bspw. von einer für die Organisation<br />

einer Veranstaltung kandidierenden Stadt<br />

finanzielle Vorteile für die Erteilung des Zuschlags entgegen<br />

nehmen würden. In diesem Fall ist fraglich, ob<br />

es sich um ein vom UWG erfasstes Geschäftgebaren<br />

handelt und ob die Kandidaturstädte in einem Wettbewerbsverhältnis<br />

i.S. des UWG stehen. Anders wäre<br />

zu entscheiden, wenn mit Bestechungszahlungen an<br />

oder von privatwirtschaftlichen Unternehmen auf ein<br />

Wettbewerbsverhältnis eingewirkt würde, bspw. beim<br />

Abschluss von Sponsoringverträgen.» 13<br />

[Rz 8] Bezogen gerade auf das Bsp. der Austragungskonkurrenz<br />

zwischen Städten oder Ländern vermag die – ohnehin<br />

nur halbherzig vorgetragene Argumentation – nun gar nicht<br />

zu <strong>über</strong>zeugen, geht es doch bei den Entscheiden <strong>über</strong> die<br />

Ausrichtung von Spielen nicht nur um Ruhm und Ehre, sondern<br />

um ganz handfeste wirtschaftliche Interessen. Interessen<br />

der Länder, aber auch des Sportdachverbandes selbst,<br />

der sich die Vermarktungsrechte sichert 14 .<br />

[Rz 9] Selbst wenn die <strong>internationale</strong>n Sportdachverbände<br />

in der Schweiz unter das Privatbestechungsrecht fallen<br />

würden, wäre aber Aufklärung nicht garantiert, da im neuen<br />

<strong>Recht</strong> am Strafantragsrecht festgehalten wurde 15 . Das UWG<br />

setzt voraus, dass etwa ein unterlegener Kandidatenort<br />

Strafantrag gegen ein Mitglied des Entscheidungsgremiums<br />

erheben würde.<br />

[Rz 10] Nach verbreiteter Ansicht ist also ein Fehlverhalten<br />

von Mitgliedern des Exekutivkomitees der FIFA und ähnlicher<br />

Organisationen nicht oder nur am Rande vom Schweizer<br />

Strafrecht erfasst 16 .<br />

III. Regelungsbedarf?<br />

[Rz 11] Sport, ob individuell oder in der Mannschaft betrieben,<br />

ist zunächst einmal Privatsache. Sport hat aber im Allgemeinen<br />

eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe 17 . Er ist<br />

gesundheitspolitisch bedeutsam, er hat eine erzieherische<br />

Funktion und dient u.U. als Mittel der Gewaltprävention. Nicht<br />

13 Botschaft 2004, 7010.<br />

14 Vgl. Pieth, in: BaZ, 26. Oktober 2010, S. 13; gleicher Ansicht Spitz 2010.<br />

15 Botschaft 2004, 7009.<br />

16 NZZ, 21. Oktober 2010, S. 47 (Wohlers).<br />

17 Vgl. Kaiser 2011, 31 f.<br />

3<br />

nur in den Ländern der Dritten Welt offeriert der Sport zu<strong>dem</strong><br />

Karrierechancen.<br />

[Rz 12] Vom selbst betriebenen Sport ist der «passiv»-Sport<br />

wohl zu trennen. Hier dominieren die symbolischen Gehalte:<br />

Sport als Intergrations- und Identifikationsfaktor. Sodann ist<br />

Sport ein ganz erheblicher Wirtschaftsmotor: Vor allem die<br />

Fernseh<strong>über</strong>tragungs- und anderen Verwertungsrechte sowie<br />

die Sponsoringverträge dürfen in ihrer ökonomischen<br />

Bedeutung nicht unterschätzt werden 18 . Das alles macht den<br />

Sport noch nicht zur Staatsaufgabe, auch wenn die meisten<br />

Staaten sich Sportministerien leisten.<br />

[Rz 13] Die Rolle der «<strong>internationale</strong>n Sportdachverbände»<br />

und der mit Ihnen zusammenhängenden Service-Verbände<br />

19 , <strong>über</strong>nehmen aber durch ihre Monopolstellung 20 in der<br />

Ausrichtung von Spielen eine quasi-öffentlich-rechtliche<br />

Funktion. Dies reflektiert sich im Sonderstatus, der den<br />

Sportdachverbänden typischerweise von ihren Sitzstaaten<br />

gewährt werden. Insbesondere die Schweiz gibt den hier<br />

ca. 60 niedergelassenen Dachverbänden 21 eine steuerrechtlichen<br />

Sonderstatus sowie Privilegien, die einem «diplomatischen<br />

Status» nahekommen 22 . Nicht von ungefähr spricht<br />

denn auch Zerbes, in Anwendung des funktionalen Konzeptes<br />

des foreign public official auf Sportfunktionäre von funktionalen<br />

Amtsträgern.<br />

[Rz 14] Im Übrigen wird die Vergabe von weltweiten Spielen,<br />

wie etwa von Olympiaden und Fussball-Weltmeisterschaften,<br />

an ganz erhebliche Infrastrukturaufwendungen gekoppelt,<br />

die nur von Staaten aufzubringen sind (man denke an<br />

die Zugs- und Strassenverbindungen, die als Bedingung für<br />

den Zuschlag für die WM nach Russland und den Bau von<br />

ganzen Sportstädten für die Vergabe nach Katar gebunden<br />

wurden). Schliesslich wird insbesondere Fussball so sehr mit<br />

nationalem Prestige assoziiert, dass Kandidaturen gar von<br />

Staats- und Regierungschefs vertreten werden 23 .<br />

[Rz 15] Wenn es möglich wäre, quasi-öffentliche Entscheide<br />

von weltweiter Bedeutung auf unserem Territorium oder von<br />

unserem Territorium aus straffrei zu manipulieren, würde sich<br />

die Schweiz aber ein weiteres Mal eine Blösse geben,die ihrem<br />

Ruf alles andere als zuträglich wäre 24 . Man denke an<br />

frühere Regulierungsdefizite angesichts der Herausforderungen<br />

der Raubkunst, der Drogengeldwäsche, der Missbräuche<br />

im Waffenhandel, des Rohwarenhandels oder auch<br />

18 Vgl. Kaiser 2011, 27 ff.<br />

19 So die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA).<br />

20 Zur Monopolstellung vgl. Pachmann 2007, 26 ff. und zu den Missbrauchs-<br />

gefahren vgl. Grätz 2009, 21 ff., 158 ff.<br />

21 Tanda 2006, 114.<br />

22 Tanda 2006, 108 ff.; Riemer 2004, 106 f.; Zerbes 2007, 79; Zeit Online, 3.<br />

November 2010.<br />

23 Vgl. Parlamentarische Initiative 10.513 (Thanei) vom 8. Dezember 2010<br />

(Begründung); NZZ 19. Oktober 2010, S. 21.<br />

24 Krit. Zeit Online, 3. November 2010.


Mark Pieth, <strong>Stehen</strong> <strong>internationale</strong> <strong>Sportverbände</strong> <strong>über</strong> <strong>dem</strong> <strong>Recht</strong>?, in: Jusletter 14. März 2011<br />

von Embargoverletzungen. In all diesen Fällen musste unser<br />

<strong>Recht</strong>ssystem im Eiltempo nachgebessert werden. Es ist<br />

Zeit, derartige Risiken zu antizipieren.<br />

IV. Regelungsvorschlag<br />

[Rz 16] Welchen Anforderungen müsste ein Regelungsvorschlag<br />

genügen?<br />

[Rz 17] Nach Ansicht des Verfassers sollte eine einfache und<br />

klar fokussierte Lösung angestrebt werden:<br />

[Rz 18] Da die Tätigkeit der <strong>internationale</strong>n Sportdachverbände<br />

einer quasi-öffentlichen Funktion gleichkommt, ist die<br />

Erweiterung der Amtsträgerbestechung einer Klärung der<br />

Privatbestechung vorzuziehen: Das Verfahren muss von Amtes<br />

wegen eingeleitet werden.<br />

[Rz 19] Es sollten aber nicht pauschal sämtliche NGO miterfasst<br />

werden: Die Regelungslücke ist eng begrenzt auf<br />

Sportdachverbände.<br />

[Rz 20] Es geht nicht darum, sämtliche <strong>Sportverbände</strong> <strong>dem</strong><br />

öffentlichen Korruptionsrecht zu unterstellen, es reicht vollkommen,<br />

die Sportdachverbände, die eine Monopolstellung<br />

(und einen Sonderstatus) geniessen, zu erfassen. Der Begriff<br />

des Sportdachverbandes ist, wie ein Blick in die Literatur beweist,<br />

gesichert. Er grenzt sich ausreichend von den Sportvereinen<br />

ab 25 .<br />

[Rz 21] Es reicht weiter, die <strong>internationale</strong>n Verbände zu erfassen.<br />

Es braucht daher lediglich eine punktuelle Revision.<br />

Art. 110 StGB muss nicht angepasst werden, es genügt ein<br />

Zusatz zu Art. 322septies StGB. Er könnte lauten:<br />

Art. 322septies Abs. 3 VE StGB<br />

«Internationale Sportdachverbände sind den <strong>internationale</strong>n<br />

Organisationen gleichgestellt» 26<br />

V. Der Funktionär<br />

[Rz 22] Die Liste möglicher Amtsträger gemäss Art. 322septies<br />

StGB ist auch bei den klassischen intergouvernementalen<br />

Organisationen auslegungsbedürftig. Analog zu staatlichen<br />

Organen wird man institutionelle und funktionale<br />

Entscheidungsträger ausmachen 27 .<br />

VI. Keine <strong>über</strong>triebenen Erwartungen<br />

[Rz 23] Übertriebenen Erwartungen sind nicht angebracht:<br />

Auch das Amtsträgerstrafrecht, das von Amtes wegen angewandt<br />

wird, ist an die Grenzen schweizerischer Zuständigkeit<br />

gebunden. Wo weder das Territorialitäts- noch das Personalitätsprinzip<br />

zur Anwendung gelangen, sind der Schweizer<br />

25 Pachmann 2007, 21 ff., 24 f.<br />

26 So auch die Parlamentarische Initiative 10.513 (Thanei) vom 8. Dezember<br />

2010 (Text).<br />

27 Zerbes 2007, 76.<br />

4<br />

Justiz die Hände gebunden. Allenfalls kommt noch <strong>Recht</strong>shilfe<br />

in Frage. Sodann darf nicht <strong>über</strong>sehen werden, dass<br />

Transaktionen mit Vermögenswerten aus Bestechung unter<br />

die Geldwäschenormen des Schweizer <strong>Recht</strong>es fallen<br />

könnten.<br />

VII. Schluss<br />

[Rz 24] Insgesamt schuldet sich die Schweiz, wenn sie weiterhin<br />

Domizil eines Grossteils der <strong>internationale</strong>n Sportdachverbände<br />

sein will, eine entsprechende Anpassung<br />

ihres <strong>Recht</strong>s. Das wird weder von Politikern noch von Verbandsvertretern<br />

bestritten 28 .<br />

[Rz 25] Falls sich Verbände davon abschrecken lassen, ist es<br />

höchste Zeit, sie ziehen zu lassen.<br />

Literaturverzeichnis<br />

M. Balmelli, Die Bestechungstatbestände des schweizerischen<br />

Strafgesetzbuches, Bern 1996.<br />

Botschaft <strong>über</strong> die Änderung des Schweizerischen Gesetzbuchs<br />

und des Militärstrafgesetzes (Revision des Korruptionstrafrechts)<br />

sowie <strong>über</strong> den Beitritt der Schweiz zum<br />

Übereinkommen <strong>über</strong> die Bekämpfung der Bestechung ausländischer<br />

Amtsträger im <strong>internationale</strong>n Geschäftsverkehr<br />

vom 19. April 1999 (99.026), BBl 1999, 5497.<br />

Botschaft <strong>über</strong> die Genehmigung und Umsetzung des Strafrecht-Übereinkommens<br />

und des Zusatzprotokolls des Europarates<br />

<strong>über</strong> Korruption (Änderung des Strafgesetzbuches<br />

und des Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb)<br />

vom 10. November 2004 (04.072), BBl 2004, 6983 ff.<br />

D. Grätz, Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung<br />

durch <strong>Sportverbände</strong>, Eine rechtsvergleichende Untersuchung<br />

des europäischen, deutschen und schweizerischen<br />

Missbrauchverbots, Tübingen 2009.<br />

M. Kaiser, Sportrecht – Berücksichtigung der Interessen des<br />

Sports in der <strong>Recht</strong>sordnung, Bern 2011.<br />

N. Oberholzer, in: M.A. Niggli / H. Wiprächtiger (Hrsg.), Basler<br />

Kommentar, Strafrecht I, Art. 1-110 StGB, Jugendstrafgesetz,<br />

2. Aufl., Basel 2007, zu Art. 110 Abs. 3 StGB.<br />

T. Pachmann, <strong>Sportverbände</strong> und Corporate Governance,<br />

Zürich 2007.<br />

M. Pieth, in: M.A. Niggli / H. Wiprächtiger (Hrsg.), Basler<br />

Kommentar, Strafrecht II, Art. 111-392 StGB, 2. Aufl., Basel<br />

2007, zu Art. 322ter ff. StGB.<br />

J.F. Tanda, Liebling Schweiz, Liberales Vereinsrecht,<br />

28 So die Stellungnahme von Bundesrat Ueli Maurer (SF, 24. Oktober 2010;<br />

DRS, 25. Oktober 2010) und von Joseph Blatter, Präsident der FIFA (BaZ<br />

Online, 26. Oktober 2010; Tagesanzeiger, 26. Oktober 2010, S. 1).


Mark Pieth, <strong>Stehen</strong> <strong>internationale</strong> <strong>Sportverbände</strong> <strong>über</strong> <strong>dem</strong> <strong>Recht</strong>?, in: Jusletter 14. März 2011<br />

nachsichtige Richter, niedrige Steuern, in: Weinreich (Hrsg.),<br />

Korruption im Sport, Leipzig 2006, 108 ff.<br />

H.M. Riemer, Sportrechts-Weltmacht Schweiz, Internationale<br />

<strong>Sportverbände</strong> und schweizerisches <strong>Recht</strong>, Causa Sport<br />

2/2004, 106 f.<br />

P. Spitz, in: P. Jung / P. Spitz (Hrsg.), Handkommentar, Bundesgesetz<br />

gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), Bern<br />

2010, zu Art. 4a UWG.<br />

I. Zerbes, in: M. Pieth / L.A. Low / P.J. Cullen (eds.), The<br />

OECD Convention on Bribery, A Commentary, Cambridge<br />

2007, zu Art. 1.<br />

Prof. Dr. Mark Pieth, Ordinarius für Strafrecht, Strafprozessrecht<br />

und Kriminologie an der Universität Basel<br />

* * *<br />

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