100 Jahre Volksbücherei Wegscheid Festabend im ... - Wegnetz
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Festjahr 2012<br />
<strong>Volksbücherei</strong><br />
<strong>Volksbücherei</strong><br />
<strong>Wegscheid</strong>
Inhalt<br />
Festschrift:<br />
3 Grußworte<br />
7 Chronologie<br />
8 <strong>Wegscheid</strong> 1912<br />
10 Herbergssuche<br />
11 Irmingard Stockinger<br />
12 Büchereivertrag<br />
13 Bibelausstellung<br />
14 Buchausstellungen<br />
15 Omas lesen Märchen<br />
16 Regale<br />
20 Leser und Medien<br />
22 Bücherei und Schule<br />
23 Mitarbeiter<br />
24 EDV und Sponsoren<br />
26 <strong>Jahre</strong>streff<br />
27 PNP-Schlagzeilen<br />
28 Festprogramm<br />
<strong>Festabend</strong>:<br />
29 Begrüßung<br />
30 <strong>100</strong> <strong>Jahre</strong> Bücherei <strong>Wegscheid</strong><br />
31 Grußworte<br />
33 Mitarbeiterehrung<br />
34 <strong>Wegscheid</strong> vor <strong>100</strong> <strong>Jahre</strong>n<br />
36 Zu Ludwig Stockinger<br />
37 Festvortrag: „Ich lese dir alles weg“<br />
47 Gstanzl: “Wia re<strong>im</strong>t se des zusamm?“<br />
51 Bewirtung<br />
2
Grußworte<br />
Heinrich Anzeneder, Pfarrer<br />
"N<strong>im</strong>m und lies", diese beiden Worte werden<br />
seit Jahrhunderten mit der Lebensgeschichte<br />
des Heiligen Kirchenvaters Aurelius Augustinus<br />
in Verbindung gebracht, welcher sie an einem<br />
sonnigen Tag <strong>im</strong> August des <strong>Jahre</strong>s 386 <strong>im</strong> Garten<br />
seines Hauses in Mailand aus dem Munde<br />
eines Kindes hörte. So ist es nicht verwunderlich,<br />
dass Augustinus in der ältesten bekannten<br />
Darstellung aus dem 6. Jahrhundert in der Lateranbasilika<br />
zu Rom mit einem aufgeschlagenen<br />
Buch dargestellt wird.<br />
"N<strong>im</strong>m und lies", so lädt seit nunmehr <strong>100</strong> <strong>Jahre</strong>n auch die <strong>Volksbücherei</strong><br />
<strong>Wegscheid</strong> Jung und Alt zur Lektüre geistlicher, wissenschaftlicher<br />
und erbaulicher Literatur ein.<br />
Dabei ist die Zusammenarbeit zwischen Kirche, Gemeinde und Bücherei<br />
seit jeher von Vertrauen und Offenheit geprägt. Von allen Trägern<br />
und Verantwortlichen in Pfarrei und politischer Gemeinde wird<br />
diese Kulturarbeit als äußerst wichtig anerkannt und wohlwollend<br />
ermöglicht.<br />
So darf ich <strong>im</strong> Namen der Pfarrgemeinde St. Johannes der Täufer<br />
dem Ehepaar Marioara und Georg Obermaier mit ihrem Büchereiteam<br />
recht herzlich danken für den großartigen Dienst an unserer<br />
Pfarrbevölkerung sowie die sehr engagierte Vorbereitung dieser<br />
Festschrift und die damit einhergehende Feier des <strong>100</strong>-jährigen Bestehens<br />
unserer <strong>Wegscheid</strong>er Bücherei.<br />
Ad multos annos!<br />
Pfr. Heinrich Anzeneder<br />
3
Josef Lamperstorfer, 1. Bürgermeister<br />
Lesen macht Spaß und Lesen bildet<br />
Zum <strong>100</strong> jährigen Bestehen unserer <strong>Volksbücherei</strong> in<br />
<strong>Wegscheid</strong> darf ich den Verantwortlichen und ihren vielen<br />
Helferinnen und Helfern recht herzlich gratulieren.<br />
Im <strong>Jahre</strong> 1912, in welchem auch der Börsenverein des<br />
Deutschen Buchhandels in Leipzig die deutsche Bücherei<br />
gründete, wurde bereits in der Marktgemeinde <strong>Wegscheid</strong><br />
die <strong>Volksbücherei</strong> eröffnet.<br />
Lesen bildet, so heißt es auch in einem chinesisches Sprichwort: „Du kannst<br />
kein Buch lesen, ohne etwas daraus zu lernen“. Allerdings sind sogar in<br />
Deutschland laut der „Leo-Studie“ mehr als 4 % der Bevölkerung - über 2 Mio.<br />
Menschen - Analphabeten, d.h. diese können zwar einzelne Wörter lesen,<br />
müssen jedoch auch gebräuchliche Wörter Buchstabe für Buchstabe zusammensetzen.<br />
Wer wenig liest und schreibt verliert sogar die Fähigkeit wieder,<br />
Texte lesen und verstehen zu können.<br />
Umso wichtiger ist es, dass wir auch heute in <strong>Wegscheid</strong> eine gut ausgestattete<br />
und gut funktionierende <strong>Volksbücherei</strong> haben. Insbesondere die Zweigstelle<br />
in unserer Adalbert-Stifter Volksschule ist hier für unsere Schülerinnen und<br />
Schüler sehr wichtig.<br />
Mit den verschiedensten Medien von Bilderbüchern und „Antolin“ für die Kinder<br />
und Jugendlichen bis zu anspruchsvollen Sachbüchern, He<strong>im</strong>atromanen und<br />
Kr<strong>im</strong>is ist für jeden etwas dabei.<br />
Die langjährige Leiterin Marioara Obermaier, ihr Ehemann Georg und die vielen<br />
Helferinnen und Helfer sind ein Garant dafür, dass <strong>im</strong>mer neue Bücher und<br />
Medien ausgeliehen werden können. Dem Team unserer Bücherei darf ich <strong>im</strong><br />
Namen aller Bürgerinnen und Bürger ein herzliches „Vergelt ´s Gott“ sagen,<br />
für die vielen ehrenamtlich geleisteten Stunden, in denen sie zum Bestand und<br />
der weiteren Entwicklung unserer <strong>Volksbücherei</strong> beitragen.<br />
Aber Lesen bildet nicht nur, sondern macht auch Spaß, so dass ich nur jedem<br />
gratulieren kann, der ein Buch zur Hand n<strong>im</strong>mt. In diesem Sinne darf ich unserer<br />
Bücherei <strong>Wegscheid</strong> weiterhin viele zufriedene Leserinnen und Leser und<br />
engagierte Helferinnen und Helfer für die nächsten <strong>100</strong> <strong>Jahre</strong> wünschen.<br />
Josef Lamperstorfer<br />
1. Bürgermeister<br />
4
Prof. Dr. Ludwig Stockinger<br />
Wann genau ich zum ersten Mal die vollen Bücherregale<br />
der <strong>Wegscheid</strong>er <strong>Volksbücherei</strong> – damals hieß<br />
sie noch Pfarrbücherei – anstaunen durfte, weiß ich<br />
nicht mehr. Es muss jedenfalls vor 1953 gewesen<br />
sein, denn ich erinnere mich, dass mich meine großen<br />
Brüder Sepp und Fredl, denen als Ministranten die<br />
Räumlichkeiten vertraut waren, eines Tages von der<br />
alten Kirche durch einen dunklen, etwas unhe<strong>im</strong>lichen<br />
Gang zum Pfarrhof mitnahmen und mit mir in einen<br />
kleinen Raum gingen, an dessen Wänden man nichts<br />
als lauter Buchrücken sah.<br />
Die Brüder holten sich Bücher ab und brachten andere, die sie gelesen<br />
hatten, zurück. „Wenn Du endlich lesen gelernt hast, kannst Du Dir auch<br />
Bücher holen!“ Das war Ansporn genug, und als ich soweit war, konnte ich<br />
mich in diesem Schlaraffenland, in dem die Bücher die Speise waren, nach<br />
Herzenslust bedienen.<br />
Das Regal für die Kinder war in dem Raum, in dem die Bücherei ab 1953<br />
<strong>im</strong> alten Jugendhe<strong>im</strong> untergebracht war, linker Hand von der Tür aus gesehen,<br />
und da standen meine Lieblingsbücher, die fast alle aus dem in der<br />
Nachkriegszeit neu gegründeten Würzburger Arena-Verlag waren, darunter<br />
die von mir sehr geschätzten „Spur-Bücher“, die hauptsächlich aus dem<br />
Französischen übersetzte Abenteuer von Pfadfindergruppen enthielten.<br />
Sehr spannend waren auch die Nacherzählungen von griechischen und<br />
germanischen Mythen und Sagen, die reichlich vorhanden waren. „Hast Du<br />
schon ‚Kr<strong>im</strong>hilds Rache’ gelesen?“ konnte man zum Freund sagen und ihm<br />
den Band <strong>im</strong> Regal zeigen. Der Bibliothek blieb ich auch nach meinem<br />
Weggang aus <strong>Wegscheid</strong> in der Zeit, die ich in Internaten, Schulen und<br />
Universitäten verbrachte, lange verbunden, da ich meine unvergessliche<br />
Schwester Irmingard, die ab 1961 bis zu ihrem Tod 1994 Büchereileiterin<br />
war, bei den Neuanschaffungen anhand der vom Michaelsbund herausgegebenen<br />
„Buchprofile“ oft beraten habe.<br />
So wurde dieser Raum der Ort, an dem ich erst das Lesen erlernte, nicht<br />
das mühsame Buchstabieren, sondern das lustvolle Eintauchen in erzählte<br />
Geschichten, und da ich das Lesen und Verstehen von Literatur und die<br />
Weitergabe der Fertigkeiten des Lesens und Verstehens später zu meinem<br />
Beruf als Professor für Deutsche Literatur gemacht habe, kann ich sagen,<br />
dass in der <strong>Wegscheid</strong>er <strong>Volksbücherei</strong> der Grund gelegt wurde für einen<br />
ganz wichtigen Teil meines Lebens. Ich denke, dass dies in anderer Form<br />
und mit anderen Folgen auch für viele andere gilt, die von den dort bewahr-<br />
5
ten Bücherschätzen belustigt und geformt worden sind. Darauf können alle,<br />
die in den vergangenen hundert <strong>Jahre</strong>n bis heute sich ehrenamtlich um<br />
das Bestehen und Gedeihen dieser Institution gekümmert haben, stolz<br />
sein.<br />
Prof. Dr. Ludwig Stockinger<br />
Universität Leipzig<br />
Marioara Obermaier, Büchereileiterin<br />
Vor 50 <strong>Jahre</strong>n, <strong>im</strong> Herbst 1962, zogen meine Eltern<br />
nach <strong>Wegscheid</strong> und von da weg war ich begeisterte<br />
Leserin der damaligen Pfarrbibliothek <strong>im</strong> Jugendhe<strong>im</strong>.<br />
Mein Nachholbedarf war groß, weil ich die Minibücherei<br />
<strong>im</strong> Egglfinger Pfarrhof bald durch hatte. Im Kontakt mit<br />
Dora Ulirsch, Irmi, Ludwig und Josef Stockinger und<br />
später Emmi Gottinger bin ich zunehmend mit dem hiesigen<br />
Büchereiwesen vertraut geworden.<br />
1974 warb mich Irmi Stockinger als Mitarbeiterin. Nach ihrem Tod 1994<br />
war ihre Nichte Susi Stockinger Büchereileiterin <strong>im</strong> Team mit Emmi Gottinger<br />
und Josef Stockinger. 2002 löste ich Susi Ilg, geb. Stockinger und<br />
2005 mein Ehemann Georg Herrn Josef Stockinger ab. Emmi Gottinger<br />
blieb noch bis 2009 <strong>im</strong> Team.<br />
Seitdem bin ich nun alleinige Leiterin einer aufstrebenden <strong>Volksbücherei</strong><br />
mit ca. 20 Mitarbeitern, allen voran Georg Obermaier und unserem PC-<br />
Spezialisten Franz Schuster, die seit 2006 dafür sorgen, dass wir eine moderne<br />
Bücherei mit elektronischer Datenverarbeitung und hochaktuellem<br />
Internetservice sind. Es ist mir ein Anliegen, dass sich von den MitarbeiterInnen<br />
wieder eine Leitung findet, wenn es notwendig wird.<br />
An dieser Stelle bedanke ich mich herzlich für den eifrigen und treuen<br />
Dienst, den die HelferInnen leisten und den vielen LeserInnen und SponsorInnen,<br />
die dazu beitragen, dass die Bücherei lebt und aktuell bleibt.<br />
Im Namen aller ist es mir eine Freude, unsere Gäste zur <strong>100</strong>-Jahr-Feier<br />
<strong>im</strong> Pfarrsaal begrüßen zu können.<br />
6
Chronologie<br />
1912 Die von Kooperator Josef Engelhart gegründete Volksbibliothek<br />
wurde am 02. Februar 1912 mit 150 Büchern<br />
<strong>im</strong> Haus Nr. 3 (z. Z. Modehaus Hankus) eröffnet.<br />
1915 Umzug in die Kirchstraße 109 (z. Z. Anton Hödl)<br />
1924 Mitgliedschaft <strong>im</strong> Pressverein Bayern<br />
1934 Im Nationalsozialismus Zensur des Bestandes<br />
1937 Koop. Anton Lideck verleiht Bücher privat (Rosengasse).<br />
1940 Auflösung der Bücherei. Die Bücher werden verschenkt.<br />
1948 Allgemeiner Aufschwung der „Pfarrbüchereien“.<br />
1949 Neugründung der Pfarrbücherei <strong>Wegscheid</strong> <strong>im</strong> Pfarrhof<br />
1949 Georg Falk Büchereileiter<br />
1953 Umzug ins Musikz<strong>im</strong>mer des Jugendhe<strong>im</strong>s, Kirchstraße<br />
1954 Dora Ulirsch Büchereileiterin<br />
1961 Irmingard Stockinger Büchereileiterin<br />
1969 Umzug: Vorbau der Pfarrkirche neben der Sakristei<br />
1972 Fusion Pfarrbücherei und gemeindliche <strong>Volksbücherei</strong><br />
1973 Vertrag zwischen Gemeinde und Pfarrei abgeschlossen<br />
1976 Ausgliederung von Büchern ins Haus des Gastes<br />
1977 Einrichtung eines Krankenhaus-Bücherdienstes<br />
1978 Erste Buchausstellung <strong>im</strong> Jugendhe<strong>im</strong><br />
1979 Ausstellung der Neuanschaffungen <strong>im</strong> Frauenbundhe<strong>im</strong><br />
1980 Große Bibelausstellung <strong>im</strong> Haus des Gastes<br />
1980 Vortrag Universitätsprofessor Dr. Friedrich Schröger<br />
1980 Errichtung einer Ausleihstelle in der Volksschule<br />
1988 Hinweis an Gemeinde und Pfarrei über Raumnot<br />
1991 Ausstellung <strong>im</strong> Haiböcksaal<br />
1992 Umzug ins neu gebaute Pfarrhe<strong>im</strong>, Kirchstraße 8<br />
1992 Erste Buchausstellung <strong>im</strong> Pfarrhe<strong>im</strong><br />
1994 Irmingard Stockinger stirbt <strong>im</strong> Alter von 52 <strong>Jahre</strong>n.<br />
1994 Susanne Stockinger Büchereileiterin<br />
2002 Marioara Obermaier Büchereileiterin<br />
2005 Anschaffung der EDV-Ausrüstung<br />
2006 Umstellung auf EDV; Internetpräsenz<br />
2012 Jubiläum „<strong>100</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Volksbücherei</strong> <strong>Wegscheid</strong>“<br />
7
<strong>Wegscheid</strong> 1912<br />
Im Gründungsjahr der Volksbibliothek erlebte der Markt <strong>Wegscheid</strong><br />
einige markante Veränderungen.<br />
Am 15.10.1911<br />
brannte zum ersten<br />
Mal elektrisches<br />
Licht <strong>im</strong> Pfarrhof,<br />
be<strong>im</strong> Rorate am<br />
03.12.1911 leuchtete<br />
die große elektrische<br />
Lampe und bei<br />
der Christmette am<br />
24.12.1911 brannten<br />
zum ersten Mal<br />
sämtliche Lampen in<br />
der Kirche.<br />
Von Obernzell nach <strong>Wegscheid</strong> fuhr noch die Postkutsche.<br />
8
30.11.1912: Eröffnungsfeier der Bahn und Freifahrt für die Schüler<br />
01.12.1912: Offizielle Aufnahme des Eisenbahnbetriebs<br />
02.02.1912: Eröffnung der Volksbibliothek<br />
Im ersten Geschäftsjahr der Bücherei wurden 1743 Bände ausgeliehen.<br />
Die Zahl der Bücher stieg auf 210 an.<br />
9<br />
Das Bezirksamtsgebäude<br />
(später Landratsamt,<br />
jetzt<br />
Raiffeisenbank)<br />
wurde erbaut.<br />
Die Marktgemeinde<br />
zog vom<br />
Knabenschulhaus<br />
ins alte Bezirksamtsgebäude<br />
(jetzt Rathaus)<br />
um.
Herbergssuche<br />
Im Pfarrhe<strong>im</strong> <strong>Wegscheid</strong> verfügt die <strong>Volksbücherei</strong> jetzt über günstige<br />
Räumlichkeiten – nach 80 <strong>Jahre</strong>n Wanderschaft:<br />
1912 (Bildmitte) 1915 (Bildmitte) 1937 (Bildmitte)<br />
1949 alter Pfarrhof 1953 altes Jugendhe<strong>im</strong><br />
1969 Vorbau der Pfarrkirche 1992 Pfarrhe<strong>im</strong><br />
10
Irmingard Stockinger und die Bücherei<br />
... das war praktisch eine Einheit, 40 <strong>Jahre</strong> lang.<br />
1954 begann sie 13-jährig als Helferin. Ab 1961<br />
leitete sie die Bücherei bis zu Ihrem Tod 1994.<br />
Sie war von 1974 bis 1992 Sekretärin <strong>im</strong> Religionspädagogischen<br />
Seminar Passau. Ihr Chef<br />
Konrad J. Amann, Schulrat <strong>im</strong> kirchlichen Dienst,<br />
formulierte <strong>im</strong> Nachruf: „Irmingard Stockinger<br />
war von außergewöhnlicher Wirksamkeit. Sie<br />
nutzte ihr Geschick mit Phantasie, Zuverlässigkeit<br />
und Hingabe.“<br />
Stockinger hat die <strong>Volksbücherei</strong> zu dem ausgebaut, was sie heute<br />
ist. Dabei erlebte sie die Umzüge aus dem alten Pfarrhof in das frühere<br />
Jugendhe<strong>im</strong>, in einen Vorraum der Pfarrkirche und ins Pfarrhe<strong>im</strong>.<br />
Während dessen Bauplanung war sie bei den entscheidenden<br />
Stellen unermüdlich und sachkundig für die Bücherei initiativ.<br />
Neben der Alltagsarbeit als Büchereileiterin<br />
hatte sie <strong>im</strong>mer wieder neue<br />
Ideen: die jährlichen Buch- und Verkaufsausstellungen,<br />
Vorträge und Bibelausstellungen,<br />
die Einrichtung eines<br />
Krankenhaus-Bücherdienstes,<br />
den Leseraum <strong>im</strong> Haus des Gastes<br />
und die Kooperation mit der Schule.<br />
Irmingard Stockinger verstand es, Jugendliche<br />
für die Bücherei zu begeistern<br />
und als Mitarbeiter anzuleiten. Ihrer<br />
Weitsicht verdanken wir, dass<br />
1973 in einem Vertrag der jährliche<br />
Finanzaufwand von Marktgemeinde<br />
und Pfarrei für die Bücherei festgeschrieben<br />
wurde.<br />
11
Der Büchereivertrag von 1973 in Auszügen<br />
§ 1: Die Gemeinde <strong>Wegscheid</strong> und die katholische Pfarrkirchenstiftung<br />
<strong>Wegscheid</strong> beschließen gemeinsam eine <strong>Volksbücherei</strong> zu gründen.<br />
§ 3: Beide Vertragspartner haben ihre bisherigen Buchbestände in die gemeinsame<br />
Bücherei überführt.<br />
§ 9: Sie verpflichten sich, die zur ständigen Ergänzung und zum weiteren<br />
Ausbau der <strong>Volksbücherei</strong> <strong>Wegscheid</strong> notwendigen Mittel aufzubringen.<br />
gez.: 1. Bürgermeister Bruno Escherich und Pfarrer Fritz Hannes<br />
Danach betrachtet die Marktgemeinde <strong>Wegscheid</strong> die in kirchlicher Trägerschaft<br />
stehende Bücherei zugleich als öffentliche Bücherei der Gemeinde.<br />
Büchereileiterinnen<br />
Dieses Foto mit den 3 Büchereileiterinnen der letzten 50 <strong>Jahre</strong> auf einem<br />
Bild hat Seltenheitswert: 2. v. l. Irmingard Stockinger (1961 – 1994), rechts<br />
Susanne Stockinger (1994 – 2002), 3. v. l. Marioara Obermaier (seit 2002).<br />
12
Bibelausstellung<br />
1980 veranstaltete die Bücherei <strong>im</strong> Haus des Gastes eine Bibelausstellung. Sie<br />
umfasste 97 Exponate, die in einem Katalog beschrieben waren. Die Fäden der<br />
mühevollen Organisation liefen bei Büchereileiterin Irmingard Stockinger zusammen.<br />
Privatleute hatten Bibeln zur Verfügung gestellt, die Staatsbibliothek Passau<br />
leistete wertvolle Unterstützung und Beratung und aus der Bischöflichen Bibliothek<br />
Passau durften wertvolle Bibeldrucke entliehen werden. 1980 erschien auch die<br />
neue Einheitsübersetzung des Alten und Neuen Testaments.<br />
Auftakt und Kernstück der Veranstaltung bildete ein Vortrag von Professor Dr.<br />
Friedrich Schröger von der Universität Passau zum Thema „Die Entstehung des<br />
Neuen Testamentes". Der Besucherandrang war groß. Schröger legte dar, dass<br />
noch vor den Evangelien die Briefe der Apostel und die Apostelgeschichte entstanden<br />
sind. Auf diese ersten Schriftstücke folgten zwischen den <strong>Jahre</strong>n 70 und<br />
<strong>100</strong> n. Chr. die vier Evangelien. Der Referent stellte die Ergebnisse der theologischen<br />
Wissenschaft in einer allgemein verständlichen Sprache dar. Anschließend<br />
eröffnete er die Ausstellung und betonte, dass es selten sei, solch wertvolle alte<br />
Bibeldrucke aus nächster Nähe bestaunen zu können.<br />
Irmingard Stockinger erläuterte die sechs Abschnitte der Ausstellung. Der erste<br />
Teil zeigte 40 geschichtliche Bibelausgaben mit reproduzierten Bibelrollen vom<br />
Toten Meer aus der Zeit um Christus und vom Krönungsevangeliar Karls des Großen<br />
um 800. Die älteste <strong>im</strong> Original ausgestellte Bibel stammte von 1607. In weiteren<br />
Teilen gab es eine Sammlung von Bibeln in unterschiedlichsten Ausfertigungen<br />
zu sehen, Schulbibeln seit 1901, Kinderbibeln und exegetische Werke.<br />
13
Buchausstellungen<br />
30 <strong>Jahre</strong> lang waren die Buchausstellungen am Palmsonntag fester<br />
Bestandteil <strong>im</strong> <strong>Jahre</strong>slauf der Bücherei, erstmals 1978 auf Initiative<br />
von Irmi Stockinger <strong>im</strong> alten Jugendhe<strong>im</strong> (jetzt Pfarrhe<strong>im</strong>). 1979 bis<br />
1990 fanden die Ausstellungen der neu angeschafften Bücher <strong>im</strong><br />
damaligen Pfarrhe<strong>im</strong> (jetzt Frauenbundhe<strong>im</strong>) statt, 1991 <strong>im</strong> Haiböcksaal<br />
und von 1992 bis 2009 <strong>im</strong> Saal des Pfarrhe<strong>im</strong>s.<br />
In den letzten <strong>Jahre</strong>n war damit eine Ausstellung von Geschenken<br />
zu kirchlichen Festen verbunden. Die Bücherei ist dazu übergegangen,<br />
ihre Neuanschaffungen nicht mehr konzentriert an einem Termin<br />
vorzustellen, sondern über das Jahr verteilt jeweils umgehend<br />
auf den Fenstertischen der Büchereiräume auszustellen. Die Geschenkausstellung<br />
am Palmsonntag wird von den Geschäftsleuten<br />
Hornig weitergeführt.<br />
Die letzte Palmsonntagsausstellung der Bücherei fand 2009 statt.<br />
14
Omas lesen Märchen<br />
Im Rahmen der „Woche der öffentlichen Büchereien in Bayern“ lud<br />
die <strong>Volksbücherei</strong> <strong>Wegscheid</strong> 1986 zu einem Vorlese- und Erzählabend<br />
ins Haus des Gastes ein. Fünf Großmütter und ein Großvater<br />
trugen Märchen vor und kleine Flötenschülerinnen boten die musikalische<br />
Umrahmung. Der Abend war für die Beteiligten und Anwesenden<br />
aller Altersstufen ein seltenes und schönes Erlebnis.<br />
Das Bild zeigt die Großmütter (von rechts) Maria Landl – ein Gast<br />
aus Oberösterreich, Berta Obermaier, Maria Pöschko, Margit Schön<br />
und Luise Kristl. Sie trugen folgende Märchen vor: „Das steinerne<br />
Brot“, „Die zwölf Brüder“, „Die Hexe und die Königskinder“, „Das<br />
Rumpelstilzchen“ und „Vom Berg hinein-und-n<strong>im</strong>mer-heraus“. 2.<br />
Bürgermeister Josef Kronawitter wählte das Märchen „Voom Lenzi-<br />
Weibe und voom Lenzi-Ma“.<br />
15
Abteilung Jugendliteratur Pädagogik, Familie, Erstleser, Spiele<br />
CDs und Bilderbücher<br />
16
Relig.-philos.-psychol. Abtlg. Soziologie, Geschichte, Biografien<br />
Kinderbücher Grundschule Kinder ab 11, Kinder-Sachbücher<br />
17
Haushalt, Länder, He<strong>im</strong>at, Dichtung Natur, Gesundheit,Technik,Freizeit<br />
Belletristik (SL mit Kr<strong>im</strong>is) Belletristik (SL mit He<strong>im</strong>atromanen)<br />
18
Zum Jubiläum aufgemöbelt<br />
Durch den Einbau eines Fensters zum Hof entstand eine kleine<br />
Leseecke. 8 fahrbare Bücherkisten für Bilderbücher wurden<br />
angeschafft und ein Servierwagen zum Büchertransport.<br />
19
Leser<br />
Zum 31.12.2011 waren in der <strong>Volksbücherei</strong> <strong>Wegscheid</strong> 718 Leser<br />
registriert. Wir erheben keine <strong>Jahre</strong>sgebühr und führen auch Leser<br />
weiter, wenn sie lange nicht mehr erschienen sind. 2011 zählten wir<br />
448 aktive Benutzer, davon 280 bis 12 <strong>Jahre</strong> (inklusive Schulklassen<br />
und Kindergärten), 128 zwischen 13 und 59 und 40 ab 60 <strong>Jahre</strong> alt.<br />
2011 waren die männlichen Leser zu 33 % aktiv, haben also mindestens<br />
einmal die Bücherei aufgesucht, die Leserinnen zu 63 %. Besonders<br />
aktiv sind die jüngsten Leser, vor allem die Leseanfänger.<br />
Etwa zwischen 15 und 35 <strong>Jahre</strong>n ist eine Flaute zu registrieren. Die<br />
über 35-Jährigen sind wieder deutlich aktivere Büchereibesucher.<br />
Medien<br />
150 Bücher konnte die Volksbibliothek <strong>Wegscheid</strong> bei ihrer Gründung<br />
1912 zur Ausleihe anbieten. Ein Jahr später waren es 210<br />
Bände. Bis 1969 stieg der Bestand auf mehr als 1.000 Medien an.<br />
Kurz nach der Fusion mit der gemeindlichen <strong>Volksbücherei</strong> <strong>im</strong> Jahr<br />
1972 waren es mehr als 2.000.<br />
Dass der Medienbestand bis 1997 die 10.000er-Marke überstieg, ist<br />
drei Umständen zu verdanken: erstens den reichlich fließenden Zuschüssen<br />
(1996 umgerechnet 1750 € gegenüber 525 € seit 2004),<br />
zweitens dem zusätzlichen Beitrag der Marktgemeinde <strong>Wegscheid</strong><br />
für die Klassenbüchereien der Schule seit 1980 und drittens dem guten<br />
Draht von Büchereileiterin Irmingard Stockinger zu einer Passauer<br />
Bücherei, die aufgelöst wurde und ihren kompletten Bestand<br />
zur Verfügung stellte.<br />
Mit den 2.000 in der Schule ausgelagerten Büchern war Ende 2009<br />
der Höchststand von 12.325 Medien erreicht und die Regale der Bücherei<br />
gefüllt. Die Anwerbung von Sponsoren erlaubte seit 2008 zusätzliche<br />
Anschaffungen.<br />
20
Deshalb ist die <strong>Volksbücherei</strong> <strong>Wegscheid</strong> seither in der glücklichen<br />
Lage, auf Leserwünsche weitgehend eingehen und Neuerscheinungen<br />
druckfrisch einkaufen zu können. Im Gegenzug mussten so<br />
manche „Ladenhüter“ weichen, die seit Jahrzehnten nicht ausgeliehen<br />
wurden. Günther Mader von der Diözesanstelle Passau des St.-<br />
Michaelsbunds half uns 2010 dabei.<br />
1 1960 1580<br />
2 1964 883<br />
3 1967 <strong>100</strong>1<br />
4 1968 764<br />
5 1970 1137<br />
6 1973 1717<br />
7 1976 2422<br />
8 1981 3469<br />
9 1984 4521<br />
10 1987 5555<br />
11 1990 6445<br />
12 1993 7440<br />
13 1995 8818<br />
14 1997 10127<br />
15 2000 11037<br />
16 2008 12443<br />
17 2011 10346<br />
14000<br />
12000<br />
<strong>100</strong>00<br />
8000<br />
6000<br />
4000<br />
2000<br />
0<br />
21<br />
Medien seit 1960<br />
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17<br />
Bei unseren Einkäufen orientieren wir uns weitgehend an der Ausleihstatistik.<br />
Im Zeitalter des Internets altern z. B. Sachbücher besonders<br />
schnell. Ihren Anteil haben wir in den letzten fünf <strong>Jahre</strong>n von 42<br />
% auf 36 % verringert und <strong>im</strong> gleichen Zeitraum den der Kinderbücher<br />
von 17 % auf 29 % erhöht.<br />
Zum <strong>Jahre</strong>sende 2011 zählte unser Bestand<br />
1. Sachliteratur für Erwachsene 2.990<br />
2. Sachliteratur für Kinder 551<br />
3. Erwachsenenliteratur (SL) 1.900<br />
4. Jugendliteratur (J) 772<br />
5. Kinderliteratur (KE, KM, KO) 1.466<br />
6. Bilderbücher (KK) 426<br />
7. CDs 151<br />
8. Spiele 60<br />
9. Sonstige (Comics, Videos) 31<br />
10. Volksschule <strong>Wegscheid</strong> 2.000<br />
Gesamtbestand am 31.12.2011 10.347
Bücherei und Schule<br />
Ein Sonderprojekt in der Bibliotheksarbeit ist die symbiotische Zusammenarbeit<br />
von <strong>Volksbücherei</strong> und Volksschule in <strong>Wegscheid</strong>. Während andernorts<br />
Lehrer und Schüler mit mehr oder weniger Zeitaufwand zur öffentlichen<br />
Bücherei marschieren, ist hier seit 30 <strong>Jahre</strong>n ein Teil der Bücher direkt<br />
in die Klassen der Schule ausgelagert. Die Bücherei leistet die gesamte<br />
Organisation bei der Beschaffung. Großer Vorteil: Den Kindern stehen<br />
die Bücher nicht nur sporadisch, sondern permanent zur Verfügung. Trotzdem<br />
besuchen Schulklassen und Gruppen der beiden Kindergärten zusätzlich<br />
die Bücherei mit ihrer wesentlich größeren Auswahl.<br />
Die enge Kooperation von Schule und Bücherei besteht seit 1980 und geht<br />
auf eine Initiative des damaligen Rektors Josef Reiter zurück, der gleichzeitig<br />
erreichte, dass die Marktgemeinde dafür jährlich <strong>100</strong>0 DM, jetzt 700<br />
Euro locker machte. So konnten allein für die Schule um ca. 18.000 Euro<br />
insgesamt 2420 Bücher beschafft werden. Sie wurden fast alle über den<br />
St.-Michaelsbund München bezogen, der für seine Mitgliedsbüchereien<br />
jährlich staatliche Zuschüsse besorgt. In „Buchprofilen“ wählen die Klassen<br />
aus. Die übrige Organisation leisten die ausschließlich ehrenamtlichen Mitarbeiter<br />
der Bücherei.<br />
Gespannt lauschen die<br />
Kleinen, wenn in der<br />
<strong>Volksbücherei</strong> Georg<br />
Obermaier von Mama<br />
Muh vorliest.<br />
22
Mitarbeiter<br />
In den ersten 60 <strong>Jahre</strong>n lag der Büchereibetrieb in den Händen von<br />
zwei bis drei Personen. Während der letzten vier Jahrzehnte hatte<br />
die <strong>Volksbücherei</strong> <strong>Wegscheid</strong> zahlreiche Mitarbeiter, überwiegend<br />
Mädchen und junge Damen, die meistens bis zu ihrem Berufseintritt<br />
mit großem Einsatz tätig waren, seit 1970 nicht weniger als 75.<br />
Fenzl Verena<br />
Heidenreich Hannes<br />
Kristl Eva<br />
Kristl Helena<br />
Krottenthaler Franziska<br />
Lamperstorfer Kathrin<br />
Das Bücherei-Team 2012:<br />
Obermaier Marioara<br />
Obermaier Georg<br />
Reisinger Martina<br />
Schichl Johanna<br />
Schießl Anna<br />
Schießl Marina<br />
23<br />
Steil Axel<br />
Steil Judith<br />
Steil Oliver<br />
Stockbauer Theresa<br />
Summer Kathrin<br />
Susetzky Tobias<br />
Bei „runden“ Dienstjahren oder zur Verabschiedung gab es die obligatorischen<br />
Urkunden und kleine Geschenke, z. B. 2005:
EDV<br />
Seit 2006 spielt sich der komplette Betrieb der <strong>Volksbücherei</strong> <strong>Wegscheid</strong><br />
am Computer ab. Zusätzlich liefert unsere Homepage alles<br />
frei Haus: sortierte Medienlisten, Klappentexte, Auskunft über die<br />
Verfügbarkeit jedes Mediums, Einblick ins persönliche Bücherkonto<br />
und Online-Vorbestellung.<br />
Die Umstellung organisierte hauptsächlich<br />
Franz Schuster, unser vom Markt <strong>Wegscheid</strong><br />
als Büchereikurator bestellter EDV-<br />
Fachmann. Er fand das passende Programm,<br />
installierte und betreut die Software,<br />
erstellte die Homepage und hatte die<br />
Idee mit den<br />
24<br />
Sponsoren<br />
Mehr als 40 Spender unterstützen die Bücherei<br />
jährlich durch ihre Beiträge. Sie sind<br />
in unserer Homepage<br />
www.wegnetz.de/buecherei<br />
aufgelistet und mit ihrer eigenen Homepage verlinkt. Nebenher läuft<br />
ein Banner mit den Logos, die zudem auf der Plakatwand der Bücherei<br />
angebracht sind.
Der St. Michaelsbund München hat 2012 für unsere Sponsoren Bücher<br />
<strong>im</strong> Wert von 750,00 € zur Verfügung gestellt. Die Bücherei verdankt<br />
ihren Gönnern sehr viel:<br />
Anetzberger–Fischer, Solartechnik<br />
Arnika-Apotheke Hoffmeister<br />
Auer Franz, Landtechnik<br />
AZURIT-Seniorenzentrum<br />
Binder Gottfried, Versicherungen<br />
Brückl Werner, Aktivmarkt<br />
Ebertsberger Peter, Elektriker<br />
Elite-Moden, Kasberg<br />
Erhard Marieluise, CADRO, Cafe<br />
Escherich Andreas, Info-Elektrotechnik<br />
Escherich Fritz, Metzgerei<br />
Fischer Matthias, Getränkelieferant<br />
Grillhösl Andreas, Holzfachmarkt<br />
Grillhösl Martin, Kfz-Meisterbetrieb<br />
Hankus Inge, Modegeschäft<br />
Hellauer Klaus, Kfz-Meisterbetrieb<br />
Hellauer Manfred, Farbhandel<br />
Hödl Anton, Gemischtwaren<br />
Holler Monika, Handwebleinen<br />
Hornig, Lederwaren/ Geschenke<br />
Kasparak, Schuh und Sport<br />
Lauss Michael, Bildhauer und Maler<br />
Lehfeldt Uwe, Krankengymnastik<br />
Miedl S<strong>im</strong>one, Magnetschmuck<br />
25<br />
Moser Hans, Handweberei<br />
Obermaier Andreas, IT-Service<br />
Obermaier Marioara, Nordicwalking<br />
Oberneder Josef, Kfz-Meisterbetrieb<br />
Pflegedienst <strong>im</strong> <strong>Wegscheid</strong>er Land<br />
Pizzeria Bosporus, <strong>Wegscheid</strong><br />
Pizzeria La Gondola, <strong>Wegscheid</strong><br />
Präbst Helmut, Druckerei<br />
Pustet, Buchhandlung, Passau<br />
Raiffeisenbank <strong>Wegscheid</strong><br />
Rammer Wolfgang, Pension-Cafe<br />
Reischl Hermann, Wellnesshotel<br />
Resch Georg, Haus- u. Wärmetechnik<br />
Schichl Josef, Bauunternehmen<br />
Schießl Adolf, Malerbetrieb<br />
Schuh Thomas, Ergotherapie, Untgrb.<br />
Schuster Franz, EDV-Fachmann<br />
Seibold Max, Verkehrsunternehmen<br />
Stemplinger Walter, Fahrschule<br />
Wernthaler Thomas, EDV-Fachhandel<br />
Wess Alfons, IsoDev GmbH<br />
Windpasssinger Fritz, Z<strong>im</strong>merei<br />
Zillner Robert, Fahrschule<br />
Zum <strong>100</strong>. Jubiläum spendeten zusätzlich:<br />
Bayerwald Holztechnik, <strong>Wegscheid</strong><br />
Escherich Bruno, <strong>Wegscheid</strong><br />
Gruber Markus, <strong>Wegscheid</strong><br />
Kaiser Werner, Elektro, <strong>Wegscheid</strong><br />
Krinninger Thomas, Baumarkt<br />
Marktgemeinde <strong>Wegscheid</strong><br />
Raiffeisenbank <strong>Wegscheid</strong><br />
Sparkasse <strong>Wegscheid</strong><br />
Stahlbau <strong>Wegscheid</strong><br />
Stögbauer Helmut, Holzwerk<br />
Zambelli Metalltechnik
<strong>Jahre</strong>streff<br />
Was in den Vereinen die jährliche Generalversammlung, ist seit einiger<br />
Zeit für die <strong>Volksbücherei</strong> <strong>Wegscheid</strong> der <strong>Jahre</strong>streff mit „Kaffeefrühschoppen“.<br />
Nach dem sonntäglichen Hauptgottesdienst trifft sich<br />
die große Büchereifamilie <strong>im</strong> Pfarrsaal, der 2012 mit rund <strong>100</strong> Besuchern<br />
bis auf den letzten Platz gefüllt war.<br />
Bei Kaffee, alkoholfreien Getränken, Kuchen und Häppchen wird<br />
eine Rückschau auf das vergangene Jahr gehalten, langjährige Mitarbeiter<br />
geehrt oder verabschiedet und neue vorgestellt. Die eifrigsten<br />
Leser erhalten Auszeichnungen. Junge KünstlerInnen des Mitarbeiterteams<br />
sorgen für die musikalische Umrahmung und aus der<br />
Büchereikasse wird die Bewirtung durch die Juko-Gruppe finanziert.<br />
Be<strong>im</strong> Büchereitreff 2012 strahlten die überwiegend jungen „Top-<br />
Leser“ über das ganze Gesicht angesichts der vielen Urkunden, die<br />
verliehen wurden. Vorne von links: Bürgermeister Josef Lamperstorfer,<br />
Leser Hans Plank, die Büchereileiter Georg und Marioara<br />
Obermaier und Pfarrer Heinrich Anzeneder. Von rechts: Büchereikurator<br />
Christian Escherich und die verabschiedete Mitarbeiterin Julia<br />
Irl.<br />
26
PNP-Schlagzeilen der letzten <strong>Jahre</strong><br />
1979 Buchausstellung der Katholischen <strong>Volksbücherei</strong><br />
1980 In <strong>Wegscheid</strong> wurde interessante Bibelausstellung gezeigt<br />
1986 Fünf Großmütter und ein Großvater erzählten Märchen<br />
1987 262 neue Bücher in der <strong>Volksbücherei</strong> <strong>Wegscheid</strong><br />
1992 Wertvoller als ein Dutzend TV-Kanäle: Die neue Pfarrbücherei<br />
1994 Irmi Stockinger´s Werk wird fortgeführt<br />
1995 <strong>Volksbücherei</strong> <strong>im</strong> Aufwärtstrend – Gedränge bei der Ausstellung<br />
1996 Vor den neu angeschafften Büchern drängten sich die Leute<br />
2005 20 ehrenamtliche Helfer betreuen die Bücherei<br />
2005 Spende für Bücherei und Pfarrgemeinde<br />
2005 St. Michaelsbund ehrt Mitarbeiter<br />
2006 Leser stürmen Ausstellungen der <strong>Volksbücherei</strong><br />
2006 Computer hält Einzug in der <strong>Volksbücherei</strong> <strong>Wegscheid</strong><br />
2006 Bücher elektronisch verwalten – Büchereitreffen in <strong>Wegscheid</strong><br />
2007 Seit 30 <strong>Jahre</strong>n gibt es in <strong>Wegscheid</strong> die Palmsonntagsausstellung<br />
2008 Büchereien erhalten mehr Geld – Gemeinderat erhöht Zuschüsse<br />
2008 <strong>Wegscheid</strong>er Bücherei ist technisch auf neuestem Stand<br />
2008 Kerstin Kainz ist die 600. Leserin<br />
2008 Märchen begeistern die Senioren<br />
2008 Eine Reise zu sich selbst (Dia-Vortrag Jakobsweg)<br />
2009 Senioren genießen Märchenstunde<br />
2009 Mit dem magischen Baumhaus geht es auf die Urlaubsreise<br />
2010 Märchen kennen kein Alter – 3. Märchenstunde bei Senioren<br />
2010 Bücherei freut sich über 640 treue Leser<br />
2010 Bücherei zeigt sich <strong>im</strong> neuen Gewand<br />
2011 Lesen ist ein Volkssport <strong>im</strong> Markt<br />
2011 <strong>Volksbücherei</strong> ist bei Alt und Jung beliebt<br />
2011 Seit 30 <strong>Jahre</strong>n arbeiten Bücherei und Schule eng zusammen<br />
2012 Die <strong>Volksbücherei</strong> wird heute <strong>100</strong><br />
2012 „Jubilar“ ist <strong>100</strong> <strong>Jahre</strong> alt, aber voll aktiv<br />
2012 <strong>100</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Volksbücherei</strong> <strong>Wegscheid</strong>: „Ein herausragender Erfolg“<br />
2012 „Ich lese dir alles weg“: Erinnerungen an Schätze und Schund<br />
27
<strong>100</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Volksbücherei</strong> <strong>Wegscheid</strong><br />
<strong>Festabend</strong> <strong>im</strong> Pfarrsaal<br />
Freitag, 21. September 2012<br />
19:00 Uhr<br />
Programm<br />
Eröffnung und Begrüßung Marioara Obermaier<br />
<strong>100</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Volksbücherei</strong> <strong>Wegscheid</strong><br />
Musik<br />
Grußworte: Pfarrer als kirchlicher Träger Heinrich Anzeneder<br />
der Bücherei<br />
Bürgermeister als politischer Josef Lamperstorfer<br />
Träger der Bücherei<br />
St.-Michaelsbund, Leiter der Gunther Mader<br />
Diözesanstelle Passau<br />
Mitarbeiterehrung Verschiedene<br />
Musik<br />
<strong>Wegscheid</strong> vor <strong>100</strong> <strong>Jahre</strong>n Georg Obermaier<br />
„Ich lese Dir alles weg.“<br />
Ludwig Stockinger<br />
Erste Erlebnisse aus der<br />
<strong>Wegscheid</strong>er Bücherei<br />
Musik<br />
Dank und Verabschiedung Marioara Obermaier<br />
Gemütliches Beisammensein<br />
mit kleiner Bewirtung<br />
28
Begrüßung<br />
(Marioara Obermaier)<br />
Sie alle sollen wissen, wer uns zur heutigen Feier die Ehre gibt.<br />
Drum begrüße ich namentlich:<br />
Herrn Heinrich Anzeneder, unseren Pfarrer und zugleich Büchereikurator<br />
Herrn Josef Lamperstorfer, 1. Bürgermeister der Marktgemeinde <strong>Wegscheid</strong><br />
Herrn Gunther Mader, Leiter für das Büchereiwesen <strong>im</strong> Bistum Passau<br />
Herrn Ludwig Stockinger, Literaturprofessor und heutiger Festredner<br />
Frau Angela Falk, Vorsitzende des Pfarrgemeinderats<br />
Herrn Siegfried Öhler, Kirchenpfleger der Pfarrei<br />
Herrn Christian Escherich, Marktgemeinderat und Büchereikurator<br />
Herrn Werner Weizenberger, Büchereibeauftragter der Marktgemeinde<br />
Herrn Fritz Stemplinger, Marktgemeinderat<br />
Herrn Lothar Venus, Marktgemeinderat<br />
Frau Emmi Gottinger, Mitarbeiterin, frühere Leiterin der Bücherei Osterhofen<br />
Frau Susanne Ilg, meine Vorgängerin in der Büchereileitung<br />
Herrn Josef Stockinger, langjähriger Berater und Kassenwart der Bücherei<br />
d´ Wegschoada Sänger, die uns heute musikalisch verwöhnen<br />
Die Abordnungen von 10 Büchereien in alphabetischer Reihenfolge:<br />
Bücherei Altreichenau<br />
Bücherei Hacklberg<br />
Bücherei Hauzenberg<br />
Bücherei Hutthurm<br />
Bücherei Jandelsbrunn<br />
Bücherei Oberkappel<br />
Bücherei Sonnen<br />
Bücherei Untergriesbach<br />
Bücherei Wildenranna<br />
und die Mitarbeiter der Bücherei <strong>Wegscheid</strong><br />
Nicht zuletzt begrüße ich die geladenen Leserinnen und Leser unserer<br />
Bücherei.<br />
29
<strong>100</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Volksbücherei</strong> <strong>Wegscheid</strong><br />
(Marioara Obermaier)<br />
Am 12. Februar 1912 schrieb der damalige Pfarrer von <strong>Wegscheid</strong>, August Hubbauer,<br />
in die Pfarrchronik: „Die von Herrn Cooperator Englhart gegründete Volksbibliothek<br />
konnte heute eröffnet werden.“ In aller Regel waren es damals Kapläne,<br />
die sich um die Gründung einer Bücherei kümmern „durften“. In <strong>Wegscheid</strong> stellte<br />
dafür ein Herr Fenzl <strong>im</strong> Haus Nr. 3, heute Hankus, einen Raum zur Verfügung.<br />
Drei <strong>Jahre</strong> später war der erste Umzug fällig. Insgesamt war die Bücherei in 7 verschiedenen<br />
Gebäuden untergebracht. Seit 20 <strong>Jahre</strong>n haben wir eine feste Bleibe<br />
<strong>im</strong> Pfarrhe<strong>im</strong>. Das verdanken wir unserer viel zu früh verstorbenen Irmingard Stockinger.<br />
Sie war 33 <strong>Jahre</strong> lang Leiterin und während der Planung unermüdlich und<br />
mit Sachverstand dahinter, dass die Bücherei so wurde, wie wir sie heute haben.<br />
Ich selbst habe Irmi Stockinger und die damalige Pfarrbücherei vor genau 50 <strong>Jahre</strong>n<br />
kennen gelernt. 20 <strong>Jahre</strong> war ich ihre Mitarbeiterin. Seit 10 <strong>Jahre</strong>n darf ich die<br />
Bücherei selbst leiten mit 20 Mitarbeitern. Mein Ehemann Georg ist mir eine große<br />
Hilfe und unser Computer-Spezialist Franz Schuster. Beide sorgen seit 2006 dafür,<br />
dass wir eine moderne Bücherei mit EDV und vor allem mit Internetservice sind.<br />
Unsere Spezialität sind die 45 Sponsoren. Das hat <strong>im</strong> Vorjahr sogar der St.-<br />
Michaelsbund München herausgestellt und mit Buchprämien für die Sponsoren<br />
belohnt. Die zusätzlichen Einnahmen ermöglichen es, dass wir Neuerscheinungen<br />
<strong>im</strong>mer druckfrisch einkaufen und weitgehend auf Leserwünsche eingehen können.<br />
Aber auch vielen anderen danke ich heute sehr herzlich: den Verantwortlichen in<br />
der kirchlichen und politischen Gemeinde für die Trägerschaft der Bücherei, den<br />
zahlreichen Helferinnen und Helfern, während der <strong>100</strong> <strong>Jahre</strong> mehr als <strong>100</strong> an der<br />
Zahl. Viele Hände helfen also zusammen, dass unsere Bücherei lebt und aktuell<br />
bleibt. Wie wir das machen, steht genauer in unserer Festschrift.<br />
Ein besonderer Dank gilt unseren vielen Lesern und Euch allen hier <strong>im</strong> Saal. Ihr<br />
gestaltet durch Euere Anwesenheit unsere <strong>100</strong>-Jahr-Feier maßgeblich mit.<br />
30
Grußworte<br />
Pfarrer Heinrich Anzeneder und Bürgermeister Josef Lamperstorfer<br />
hielten ihre Grußworte in einem erweiterten Wortlaut der Texte Seite<br />
3 und 4. Büchereikurator und Webmaster Franz Schuster konnte<br />
nicht anwesend sein und sandte deshalb eine schriftliche Laudatio:<br />
Grußwort Franz Schuster<br />
Schon jetzt kann festgestellt werden, dass die <strong>Volksbücherei</strong><br />
<strong>Wegscheid</strong> eine echte Er-Volks-Geschichte ist. Gerade in Zeiten, da<br />
elektronische Medien sich <strong>im</strong>mer mehr in den Alltag drängen, ist das<br />
gute alte Buch (ich verwende mittlerweile auch teilw. einen E-Book-<br />
Reader) ein sehr wichtiger Bildungsfaktor.<br />
Wie viel Wissen, wie viel Lebenserfahrung ich selber aus Büchern<br />
gesogen habe, kann ich gar nicht sagen, schätze aber sehr viel.<br />
Lesekompetenz, Wortschatz, Wortspielereien ... sie alle haben ihren<br />
Ursprung in Büchern.<br />
Deshalb hoffe ich sehr, dass die <strong>Volksbücherei</strong> <strong>Wegscheid</strong> weiterhin<br />
so gut da steht, von den Lesern angenommen und von einem Team<br />
getragen wird, das viel mehr als seine Arbeit tut.<br />
Vielen Dank an das gesamte Büchereiteam. Genießt die Lorbeeren,<br />
mit denen ihr am <strong>Festabend</strong> sehr verdient umkränzt werdet.<br />
Grußwort Gunther Mader<br />
Ich freue mich sehr, dass die <strong>Volksbücherei</strong> <strong>Wegscheid</strong> ihr <strong>100</strong>-Jähriges<br />
angemessen groß feiert. Ihr <strong>Volksbücherei</strong> ist nämlich eine Bücherei<br />
mit einer herausragenden Erfolgsgeschichte, die so schön in<br />
der Festschrift dokumentiert ist, und sie hat auch be<strong>im</strong> Sankt Michaelsbund<br />
einen guten Klang.<br />
31
Einer der Gründe für diesen Erfolg liegt in<br />
der gemeinsamen Trägerschaft durch die<br />
Pfarrei und die politische Gemeinde und<br />
durch deren finanzielle und ideelle Unterstützung.<br />
Die Partnerschaft hat sich wie an<br />
vielen anderen Büchereiorten jahrelang<br />
bewährt. Jährlich 5000 Büchereibesuche<br />
und ca. 12000 Entleihungen belegen dies.<br />
An dieser Stelle möchte ich mich <strong>im</strong> Namen<br />
des Sankt Michaelsbundes recht herzlich<br />
dafür bedanken.<br />
Eine öffentliche Bücherei hat zwar für ihre Benutzer und Leser in<br />
erster Linie mit Büchern und anderen Medien zu tun, aber ohne das<br />
vielfältige Engagement der Menschen, die dahinterstehen, wäre sie<br />
nur eine unattraktive Ausleihstelle ohne Leben und ohne Dienstleistungsangebote.<br />
Damit möchte ich das große Büchereiteam ansprechen.<br />
Ehrenamtliche Büchereiarbeit ist offenbar ein attraktiver<br />
Dienst: Für Jugendliche, die sehen, welch wichtige und schöne Aufgabe<br />
sie da <strong>im</strong> Betrieb einer Bücherei übernehmen. Für Erwachsene,<br />
für die der Umgang mit Büchern und der Kontakt mit den Büchereibesuchern<br />
einen Ausgleich zum Alltag bedeutet. Und alle in<br />
einem bunt gemischten Team, in dem sogar männliche Mitarbeiter<br />
überproportional vertreten sind. Aktuell betreuen 18 Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter die <strong>Volksbücherei</strong>. Und das zum Teil schon sehr lange.<br />
Und sie wird geführt von einer Leiterin, die weiß, worauf es in der<br />
Büchereiarbeit ankommt. Nämlich darauf, <strong>im</strong>mer wieder neue Voraussetzungen<br />
zu schaffen, um die Bücherei attraktiv zu halten. Ihr<br />
geht es nicht nur um regelmäßige Bestandsaktualisierung oder gar<br />
nur um den Ausleihbetrieb, sondern genauso um eine <strong>im</strong>mer wieder<br />
neue Präsentation des Medienangebots, um das Heranführen von<br />
Kindern zum Buch und zum Lesen, um Mittelbeschaffung, Sponsoring,<br />
das in dieser Weise übrigens <strong>im</strong> weiten Umkreis beispiellos ist<br />
und beeindruckend, um Führung und Aufgabenverteilung <strong>im</strong> Team<br />
und um neue Ideen. Und damit erzielt sie sehr große Erfolge und<br />
32
Akzeptanz. Dafür auch von Seiten des SMB und der Diözesanstelle<br />
ein ganz herzliches Dankeschön, Frau Obermaier!<br />
Schon bisher wurden <strong>im</strong>mer wieder langjährige Mitarbeiterinnen und<br />
Mitarbeiter der Bücherei <strong>Wegscheid</strong> mit dem Ehrenzeichen des SMB<br />
ausgezeichnet. Dass ich dieses Mal selber dabei sein darf, wenn in<br />
diesem feierlichen Rahmen drei Damen aus dem Büchereiteam ausgezeichnet<br />
werden können, freut mich besonders. Herr Pfarrer, Herr<br />
Bürgermeister und ich dürfen nun „zur Ehrung schreiten“.<br />
Mitarbeiterehrung<br />
Franziska Krottenthaler für 10 <strong>Jahre</strong> Mitarbeit;<br />
Martina Reisinger für 12 <strong>Jahre</strong> Mitarbeit;<br />
Marioara Obermaier für 38 <strong>Jahre</strong> Mitarbeit und 10 <strong>Jahre</strong> Leitung.<br />
V. l.: Gunther Mader, Josef Lamperstorfer, Martina Reisinger, Georg Obermaier,<br />
Marioara Obermaier, Heinrich Anzeneder, Ludwig Stockinger<br />
33
<strong>Wegscheid</strong> vor <strong>100</strong> <strong>Jahre</strong>n<br />
(Georg Obermaier)<br />
Vor <strong>100</strong> <strong>Jahre</strong>n, 1912, hat sich Einiges getan in <strong>Wegscheid</strong>; nicht<br />
nur, dass unsere Bücherei gegründet wurde. Ich möchte Euch das<br />
damalige <strong>Wegscheid</strong> ein bisschen näher bringen.<br />
Durch einen glücklichen Umstand fällt mir das leicht: Denn ein gewisser<br />
Marzell Oberneder war von 1910 bis 1912 als junger Hilfslehrer<br />
in <strong>Wegscheid</strong> und hat darüber in seinem Büchlein „Und <strong>im</strong>mer<br />
wieder Sonnenschein“ geschrieben. Außerdem hatte ich mit diesem<br />
Zeitzeugen vor genau 30 <strong>Jahre</strong>n, als er schon 92 <strong>Jahre</strong> alt war, noch<br />
einen persönlichen Briefwechsel.<br />
Das Ortsbild des damaligen <strong>Wegscheid</strong><br />
muss man sich ohne die heutzutage<br />
nach allen Seiten ausgebreiteten Siedlungen<br />
vorstellen. Oberneder: „<strong>Wegscheid</strong>!<br />
Das waren zwei Zeilen Häuser,<br />
gefädelt an die nach Böhmen und Österreich<br />
führende Straße. Mitten auf der<br />
Straße plauderte ein Röhrenbrunnen.<br />
Der Metzger Escherich wusch sich am<br />
Morgen daran, laut prustend, wie er es<br />
jeden Tag gewohnt war, und es dauerte<br />
<strong>im</strong>mer sehr lange, bis sein gutmütiger<br />
Seehundkopf sauber war.“<br />
34<br />
Seine erste Nacht in <strong>Wegscheid</strong><br />
verbrachte Oberneder<br />
<strong>im</strong> heutigen Gasthof<br />
Haiböck, dem damaligen<br />
Gasthof Brühmüller. Über<br />
den Wirt schreibt er: „Sein<br />
Besitzer, der weit und breit<br />
bekannte Brühmüllervater,<br />
wäre ein prächtiges Modell
35<br />
für den Maler Spitzweg gewesen.<br />
Zweieinhalb Zentner<br />
Körpergewicht, einen mächtigen<br />
Fürfleck (Fiada, Art<br />
Schürze) um den Bauch,<br />
dazu einen roten Schnauzbart,<br />
der ausschaute, als<br />
wären ihm zwei Eichkatzl in<br />
die Nasenlöcher geschlüpft,<br />
welche die Schwänze heraushängen<br />
ließen.“<br />
Auch der Marktplatz selbst hatte ein ganz anderes Aussehen als<br />
heute. Anstelle des jetzigen Sparkassengebäudes stand das Knabenschulhaus<br />
(Foto Seite 8), in dem gleichzeitig die Amtsräume für<br />
das Rathaus untergebracht waren. Insgesamt 130 Schüler gab es<br />
dort in nur zwei Klassenräumen.<br />
1912 wurde das Gebäude der heutigen Raiffeisenbank gebaut. In<br />
dem war zuerst das Bezirksamt untergebracht und später das Landratsamt<br />
bis 1972. Auf dem Foto von 1912 (Seite 9) ist das Baugerüst<br />
zu sehen. Damals wurde das heutige Rathaus für die Gemeindeverwaltung<br />
frei und die Schule hatte gleichzeitig in ihrem Gebäude mehr<br />
Platz. Allerhand Wechsel also 1912.<br />
Was die Schule betrifft, war noch etwas entscheidend anders als<br />
heute: Beaufsichtigt wurde der Schulbetrieb nicht vom Staat wie<br />
heutzutage, sondern von der Kirche.<br />
Also gab es keinen Schulrat, sondern<br />
der damalige Pfarrer von <strong>Wegscheid</strong>,<br />
August Hubbauer, war gleichzeitig als<br />
sogenannter Distriktsschulinspektor<br />
die Aufsichtsperson über den Schulbetrieb.
Außerdem hat man <strong>im</strong> Sommer 1912<br />
noch an der Bahntrasse von Obernzell<br />
nach <strong>Wegscheid</strong> gebaut. Das bedeutet,<br />
dass es noch keinen Zug- und erst recht<br />
keinen Busverkehr gab. Marzell Oberneder<br />
musste von Obernzell bis <strong>Wegscheid</strong><br />
mit der „ganserlgelben Postkutsche“ fahren,<br />
wie er sich selbst ausdrückte. Die<br />
Postkutschen fuhren noch bis Ende 1912.<br />
Beherrscht wurde das Ortsbild von der alten<br />
Pfarrkirche, in der sich nur zwei Monate vor<br />
der Gründung unserer Bücherei eine spektakuläre<br />
Veränderung abspielte: Be<strong>im</strong> ersten<br />
Rorateamt <strong>im</strong> Dezember 1911 brannte erstmals<br />
elektrisches Licht in der Kirche (Foto<br />
Seite 8). Vermutlich wurde also um 1912 der<br />
Markt weitgehend elektrifiziert.<br />
Zu Ludwig Stockinger<br />
(Georg Obermaier)<br />
36<br />
Am 30. November 1912<br />
war die offizielle Eröffnungsfeier<br />
der neuen<br />
Lokalbahn (siehe auch<br />
das Foto Seite 9).<br />
Ich bitte Euch, dass Ihr mir zu unserem nächsten Programmpunkt<br />
ein paar Worte erlaubt zur Überleitung und vor allem zur Information.<br />
Dass jetzt Universitätsprofessor Dr. Ludwig Stockinger zu uns<br />
spricht, ist für unsere Bücherei ein absoluter Glücksfall, um nicht zu<br />
sagen wie ein Volltreffer <strong>im</strong> Lotto. Man muss wissen, dass Ludwig<br />
der Bruder unserer viel zu früh verstorbenen Irmingard Stockinger
ist. Ihr haben wir in der Festschrift eine extra Seite gewidmet (siehe<br />
Seite 11), weil Irmingard die <strong>Volksbücherei</strong> <strong>Wegscheid</strong> zu dem gemacht<br />
hat, was sie heute ist.<br />
Und ihr Bruder Ludwig hat durch sie und durch seine weiteren Geschwister<br />
Marianne, Sepp und Fredl, die alle heute anwesend sind,<br />
die ersten Erfahrungen mit der Bücherei <strong>Wegscheid</strong> und mit Büchern<br />
überhaupt gemacht. Die Eindrücke müssen so nachhaltig gewesen<br />
sein, dass aus ihm ein Professor – ausgerechnet für Literaturwissenschaften<br />
– geworden ist. Ich stelle jetzt ganz frank und frei die Behauptung<br />
auf: Die <strong>Volksbücherei</strong> <strong>Wegscheid</strong> hat einen Literaturprofessor<br />
hervorgebracht. Darauf bilden wir uns etwas ein.<br />
Und was den Glücksfall abrundet: Genau rechtzeitig zum <strong>100</strong>jährigen<br />
Jubiläum hat Ludwig Stockinger Zeit für uns, weil er jetzt<br />
pensioniert ist und deshalb aus Leipzig anreisen konnte. Lange Rede<br />
– kurzer Sinn: Lieber Ludwig, sprich bitte zu uns!<br />
Ich lese Dir alles weg!<br />
(Ludwig Stockinger)<br />
Wenn meine Geschwister, die alle<br />
ein Stück älter waren als ich, mich<br />
ein wenig ärgern wollten, dann<br />
mochte es wohl sein, dass sie mir<br />
ein Buch hin hielten und sagten:<br />
„Ich lese Dir alles weg!“.<br />
So, wie sie mir vielleicht ein Stück Schokolade oder Kuchen hätten<br />
hinhalten können, um dabei zu sagen: „Ich esse Dir alles weg!“ Dieses<br />
Spiel funktionierte <strong>im</strong> Rahmen einer fantastischen Vorstellung,<br />
dass man be<strong>im</strong> Lesen die Buchstaben so aufisst wie be<strong>im</strong> Essen die<br />
Schokolade oder den Kuchen: Wenn jemand ein Buch liest, so verschwinden<br />
dabei die Buchstaben, die man gelesen hat, so dass am<br />
Ende nur mehr leere Blätter zu sehen sind. Hat einer das Buch gelesen,<br />
so ist es einem leeren Teller vergleichbar, ausgelesen ist wie<br />
aufgegessen; nur einer kann ein Buch lesen, eine rare Speise also,<br />
37
seltener noch als die Schokolade, die in meiner Kindheit in den frühen<br />
fünfziger <strong>Jahre</strong>n des vorigen Jahrhunderts ja auch ziemlich rar<br />
gewesen ist.<br />
Ich habe, um das Spiel mitzuspielen, wahrscheinlich protestiert –<br />
„Nein, ich will das Buch lesen!“ –, aber natürlich wusste ich, dass es<br />
sich bei den Büchern in Wirklichkeit um eine Speise ganz anderer<br />
Art handelte. Unzählige, ja unendlich viele konnten ein Buch lesen,<br />
ohne dass dabei die Buchstaben verschwanden. Wenn das Kind,<br />
das ich damals war, nach einem Vergleich für diese Art von Speise<br />
hätte suchen wollen, so hätte es in der Kinderbibel etwas gefunden,<br />
und zwar nicht nur auf dem Bild, das die Speisung von Fünftausend<br />
mit fünf Broten und zwei Fischen darstellte, sondern noch näher auf<br />
dem Bild vom Letzten Abendmahl, wo es um eine Speise für alle<br />
Menschen ging – so hatte das Kind es ja als Deutung dieses Bildes<br />
<strong>im</strong> Religionsunterricht gehört. So, wie man für diese gehe<strong>im</strong>nisvolle<br />
Speise aber doch etwas Dingliches und Greifbares brauchte, nämlich<br />
Brot und Wein, so brauchte man etwas derartiges auch zum Lesen,<br />
die Buchstaben auf dem Papier, die jeder, der sie liest und versteht,<br />
in einen Sinn, eine Bedeutung verwandelt.<br />
In meinem Elternhaus gab es nur ganz wenige Bücher. Ich erinnere<br />
mich eigentlich nur an eines, eine schwere Heiligenlegende, die wegen<br />
der grausigen Abbildungen von verschiedenen Martyrien keine<br />
für Kinder geeignete Lektüre war. Im oberen Stockwerk wohnten<br />
aber zwei Frauen, eine Mutter mit ihrer Tochter, einer sehr frommen<br />
Schneiderin namens Klotilde – manche hier <strong>im</strong> Raum werden sich an<br />
sie und ihre zitternde St<strong>im</strong>me <strong>im</strong> Kirchenchor noch erinnern. Die hatten<br />
Bücher, in meiner Erinnerung einen ganzen Schrank voll. Darunter<br />
war das gebundene Exemplar einer Art Illustrierten aus den ersten<br />
Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts mit Bildern, z.B. von der untergehenden<br />
Titanic, darunter aber auch eine Reihe von älteren Kinderbüchern,<br />
die wohl noch aus der Kindheit von Klotilde stammten:<br />
eine Ausgabe von Gr<strong>im</strong>ms Märchen und eine Reihe von Werken des<br />
wohl bekanntesten Autors katholischer Kinder- und Jugendbücher<br />
des 19. Jahrhunderts, Christoph von Schmid.<br />
38
In <strong>Wegscheid</strong> gab es freilich noch einen anderen Ort mit Büchern,<br />
und damit komme ich zum Anlass der heutigen Feier, nämlich die<br />
Pfarrbücherei, die mir – um in der Bildlichkeit des Essens zu bleiben<br />
– wie ein wahres Schlaraffenland vorgekommen sein muss. Den ersten<br />
Eindruck von diesem Ort habe ich zu einer Zeit erhalten, als ich<br />
noch nicht lesen konnte. Es muss auf jeden Fall vor 1953 gewesen<br />
sein, also vor dem Umzug der Bücherei aus dem Pfarrhof in das<br />
damalige Jugendhe<strong>im</strong>. Meine Brüder Sepp und Fredl, die damals Ministranten<br />
waren, nahmen mich an einem Sonntag dorthin mit. Die<br />
Episode hat sich wohl deshalb in mein Gedächtnis eingeprägt, weil<br />
der Weg etwas unhe<strong>im</strong>lich war. In der alten <strong>Wegscheid</strong>er Kirche war<br />
in der westlichen Wand des Querschiffs neben dem Beichtstuhl von<br />
Pfarrer Schwarzbauer eine Tür, die zum Pfarrhof führte. Ging man<br />
durch diese Tür, so musste man erst durch einen dunklen Gang, in<br />
dem allerlei Gerümpel abgestellt war, und meine Brüder ließen es<br />
sich nicht entgehen, mir zu erzählen, dass in diesem Gang einmal<br />
ein Kooperator erstochen worden sei. Am Ende dieses Gangs kamen<br />
wir dann in einen Raum, dessen Wände voller Bücher waren.<br />
Ein jüngerer Mann, den meine Brüder „Falk Schoßl“ nannten, schien<br />
die Aufsicht über diese Schätze zu haben. Meine Brüder brachten<br />
Bücher zurück und holten neue ab, der „Falk Schoßl“ trug das alles<br />
in kleine Kärtchen ein, man konnte die Bücher also ausleihen, damit<br />
auch viele andere sie lesen konnten. „Wenn Du einmal lesen gelernt<br />
hast, kannst Du Dir auch so viele Bücher holen, wie Du magst“, sagten<br />
meine Brüder.<br />
Das Jahr 1952/53 war mein erstes Schuljahr. Die Lehrerin, die uns<br />
das Lesen beibrachte, ist den Älteren unter uns ja noch in Erinnerung,<br />
da sie als Musterbild einer Pädagogin für ABC-Schützen hoch<br />
in Ehren gehalten wurde. Sie war Nonne <strong>im</strong> Orden der „Englischen<br />
Fräulein“ und hieß „Mater Amata Ritzer“. Wir sagten zu ihr allerdings<br />
„Mattramatta“ und wussten nicht, was der Name bedeutete. Sie ließ<br />
sich das von den Kleinen gefallen. Wenn es aber vorkam, dass von<br />
den größeren Schülern oder Schülerinnen sie mit „Mattramatta“ angesprochen<br />
wurde, so mochte es wohl vorkommen, dass sie in indigniertem<br />
Ton antwortete: „Wie heiße ich?“ und erst dann zufrieden<br />
war, wenn sie „Mater Amata“ hörte. Wir Kinder wussten, wie gesagt,<br />
39
nicht, was der Name bedeutete; sie aber, die Latein konnte, hörte bei<br />
dieser Anrede in der Schulklasse jeden Tag viele Male „Geliebte<br />
Mutter“, und so wurde diese durchaus strenge Lehrerin <strong>im</strong>mer wieder<br />
an den Kern ihres guten und mütterlichen Herzens erinnert.<br />
Da mir das Lesenlernen keine besonderen Schwierigkeiten bereitet<br />
hat, habe ich von da an viel und gern gelesen, ich habe daraus ja<br />
auch später meinen Beruf gemacht, und dabei neben den Büchern<br />
von Klotilde die Schätze der Pfarrbücherei, die sich 1953 schon hier<br />
in diesem Haus in einem Raum auf der Nordseite des damaligen<br />
Jugendhe<strong>im</strong>s befand, ausgiebig benutzt. Es ist eigentümlich, was<br />
von den vielen Büchern, die man als Kind gelesen hat, sich <strong>im</strong> Gedächtnis<br />
so festgesetzt hat, dass man sich heute noch daran erinnert.<br />
Ich will nun einige dieser Erinnerungen erzählen, und meine<br />
Absicht ist es dabei, bei meinen Zuhörern ihre je eigenen Erinnerungen<br />
an die Leseerlebnisse ihrer Kindheit wachzurufen.<br />
Die Ausgabe der Märchen der Gebrüder Gr<strong>im</strong>m, die <strong>im</strong> Bücherschrank<br />
von Klotilde stand, war mit einer kleinen Schwierigkeit verbunden,<br />
an die ich mich erinnere. Sie war nicht in der normalen<br />
Schrift gedruckt, sondern in Frakturschrift, die meine Geschwister<br />
benutzt haben, wenn sie etwas in so genannter „Zierschrift“ schreiben<br />
wollten. Ich hatte mit dieser Schrift trotz ihrer Fremdheit keine<br />
besonderen Probleme, bis auf einen Buchstaben: Das kleine „x“ wird<br />
in dieser Schrift in Gestalt eines „r“ gedruckt, von diesem nur durch<br />
ein Häkchen in der Unterlänge unterschieden, das man leicht übersehen<br />
konnte. Und so las ich in manchen Märchen, etwa bei „Hänsel<br />
und Gretel“ oder bei „Dornröschen“: „Sie aber war eine böse Here.“<br />
Was war das? Diese „Heren“ machten Sachen, die man eigentlich<br />
Hexen zugeschrieben hat und von denen ich aus den Erzählungen<br />
meiner Geschwister gehört hatte, dass es solche Frauen auch in<br />
Wirklichkeit geben soll. Einmal war in <strong>Wegscheid</strong> eine lange Trockenheit,<br />
so dass bei den meisten Häusern die Brunnen und Wasserpumpen,<br />
die man damals zusätzlich zur Wasserleitung der Gemeinde<br />
noch benutzte – das Wasser der Gemeinde war damals wie<br />
heute teuer –, schon versiegt waren. Unsere Pumpe aber, die neben<br />
der Straße stand, führte noch Wasser. Da kam eine Frau auf dem<br />
40
He<strong>im</strong>weg in ihr Dorf südöstlich vom Markt vorbei, ging aber statt auf<br />
der Straße bei dem einen Gartentor herein, um die Pumpe herum<br />
und bei dem anderen Gartentor wieder hinaus und sagte: „Habt’s ös<br />
eh nu a Wossa!“ Von Stund an kam kein Wasser mehr heraus. „Die<br />
hat uns den Pumpenbrunnen verhext,“ sagten meine Geschwister.<br />
Und von derlei Erzählungen ausgehend hat sich das Kind dann entschlossen,<br />
das Wort „Here“ als „Hexe“ zu identifizieren, und schließlich<br />
hat es dann auch entdeckt, dass das „r“ in diesem Wort doch<br />
etwas anders aussah als das normale „r“.<br />
Tief <strong>im</strong> Gedächtnis eingeprägt haben sich bei mir einige Episoden<br />
aus den Werken von Christoph von Schmid, von denen ich aber<br />
nicht mehr sicher weiß, ob ich sie in der Büchersammlung von Klotilde<br />
oder schon in der Pfarrbücherei fand, denn auch dort müssen die<br />
Texte dieses <strong>im</strong> 19. Jahrhundert erfolgreichen Autors gestanden haben,<br />
eines Autors, von dem heute nur mehr zwei Kirchenlieder bekannt<br />
sind: „Be<strong>im</strong> letzten Abendmahle“ und „Ihr Kinderlein kommet“.<br />
In starker Erinnerung ist mir von ihm eine Rittergeschichte mit dem<br />
Titel „Rosa von Tannnenburg“ geblieben. Be<strong>im</strong> Wiederlesen vor einiger<br />
Zeit habe ich erst verstanden, was sich da festgesetzt hat,<br />
nämlich ein best<strong>im</strong>mter Grundsatz der Moral, den der Autor den Kindern<br />
vermitteln wollte. Es handelt sich eigentlich um ein Buch für<br />
Mädchen, weil die Titelheldin weiblich ist. Rosas Vater, ein achtbarer<br />
Ritter, wird von einem Nachbarn überfallen und in dessen Burgerverlies<br />
gefangen gesetzt. Rosa geht inkognito als Magd in die Dienste<br />
des dortigen Schlosskastellans, um dem Vater das Leben erleichtern<br />
zu können, was dann auch gelingt. Die entscheidende Wende n<strong>im</strong>mt<br />
die Geschichte aber dann, als Rosa in einem Gespräch zum Vater<br />
sagt, dass ihr die Kinder des bösen Ritters gleichgültig sind, weil<br />
man von dieser Familie nur Böses erwarten könne. Daraufhin bekommt<br />
sie vom Vater eine Belehrung über die Verkehrtheit ihrer Einstellung:<br />
„Nein, meine liebe Tochter, die wahre Menschenfreundlichkeit [...]<br />
kann nicht aus der schmutzigen Wurzel des Eigennutzes emporblühen;<br />
sie kommt nur aus dem Grunde eines reinen, wohlwollenden<br />
Herzens; sie ist nur der Abglanz und Widerschein jener h<strong>im</strong>mlischen<br />
41
Liebe, die das Wesen unserer heiligen Religion ausmacht und jedes<br />
wahrhaft fromme Herz erfüllen muss.“<br />
Rosa n<strong>im</strong>mt sich diese Ermahnung zu Herzen, die darauf hinausläuft,<br />
dass wir bei unseren Taten nicht auf den Nutzen für uns<br />
schauen dürfen, sondern danach entscheiden müssen, was an sich<br />
gut oder böse ist und dem Gebot Gottes entspricht. Als dann der<br />
Sohn des Ritters in den Ziehbrunnen fällt, rettet sie ihn gemäß dieser<br />
Lehre; die Frau des Ritters erforscht daraufhin das Gehe<strong>im</strong>nis ihrer<br />
Herkunft, und auf diesem Weg kommt es am Ende zur Befreiung des<br />
Vaters und zu einer Versöhnung aller. Die vom Autor vermittelte Botschaft<br />
ist demnach: Man muss uneigennützig das Gute um des Guten<br />
willen tun und gemäß dem Gebot der Feindesliebe handeln, aber<br />
man darf hoffen, dass sich dieses Handeln am Ende auch für einen<br />
selber lohnt. Heute weiß ich, dass Christoph von Schmid in dieser<br />
Geschichte moralische Grundsätze der Aufklärung in der Gestalt, die<br />
ihnen der Philosoph Immanuel Kant gegeben hat, mit den Geboten<br />
des Christentums kombiniert und in eine einfache, den Kindern verständliche<br />
Sprache übersetzt hat – keine schlechte Grundlage für<br />
das Handeln, die sich mir bei der Lektüre von „Rosa von Tannenburg“<br />
wohl zum ersten Mal eingeprägt hat.<br />
Der Bestand an Kinderliteratur in der Pfarrbücherei war freilich auch<br />
schon bestückt mit in den fünfziger <strong>Jahre</strong>n aktuellen Texten, soweit<br />
sie mit der katholischen Grundorientierung vereinbar waren – die<br />
Vorsortierung bei den Zukäufen geschah ja damals wie auch heute<br />
noch durch die Fachleute des Sankt Michaelsbundes. Diese Auswahl<br />
war nicht ganz problemlos, denn einige der damals bekanntesten<br />
Autoren von deutscher Kinder- und Jugendliteratur hatten sich in<br />
der Zeit des Nationalsozialismus als Verfasser von Blut- und Boden-<br />
Literatur hervorgetan und wichen dann nach 1945 in das unbelastete<br />
Genre der Kinder- und Jugendliteratur aus. Dazu gehörten so prominente<br />
Autoren wie Auguste Lechner (1905-2000), deren Nacherzählungen<br />
deutscher Sagen und antiker Mythen auch in der Pfarrbücherei<br />
reichlich vertreten waren. Ich erinnere mich, ihre Nacherzählung<br />
der Nibelungen-Sage mit großer Spannung gelesen zu haben, am<br />
liebsten jenen Band, der von „Kr<strong>im</strong>hilds Rache“ handelte. Ein ande-<br />
42
er Autor, von dem wahrscheinlich auch Bücher in der Bibliothek<br />
standen, an die ich mich aber nicht mehr erinnere, war Hans Baumann<br />
(1914-1988), <strong>im</strong>merhin der Dichter des berüchtigten Nazi-<br />
Liedes „Es zittern die morschen Knochen“, in dem es bekanntlich am<br />
Ende heißt: „Denn heute gehört uns Deutschland, und morgen die<br />
ganze Welt.“<br />
Ein großer Teil der Kinderliteratur in der Pfarrbibliothek stammte freilich<br />
aus dem 1948 in Würzburg gegründeten „Arena-Verlag“. Dieser<br />
Verlag wurde ausdrücklich mit dem Ziel gegründet, der deutschen<br />
Jugend Lesestoff zu bieten, der jenseits dessen lag, was man damals<br />
„Schmutz und Schund“ nannte. Was „Schmutz“ war, wusste ich<br />
nicht so genau, eher wusste ich schon als Kind, was „Schund“ war<br />
und ich nicht lesen durfte, denn meine Eltern hätten nicht ein Zehnerl<br />
dafür ausgeben wollen: „Schund“ waren alle Comics, Micky Maus,<br />
Tarzan, Prinz Eisenherz – ich habe das alles aber trotzdem gelesen,<br />
denn bei Freunden gab es diese Hefte, und sie lagen auch be<strong>im</strong> Friseur<br />
Gottinger aus, wo man sie anschauen konnte. Die einzigen in<br />
meinem Elternhaus erlaubten Comics waren mit jeweils drei Bildern<br />
in der Zeitung zu finden: „Pezi, Pelle und Pingo“; die finden ein Steuerrad<br />
und entschließen sich, deswegen ein ganzes Schiff zu bauen,<br />
und das dauert. „Schund“, so erfuhr ich als Kind aus einer katholischen<br />
Kinderzeitschrift, war auch alles, was Karl May geschrieben<br />
hatte. Das brachte mich etwas durcheinander, denn in der Pfarrbücherei<br />
standen zahlreiche Bände mit den dunkelolivgrünen Buchrücken,<br />
manche ziemlich zerlesen. Ich nahm mir das abwertende Urteil<br />
aber zu Herzen und habe bis heute nichts von Karl May gelesen.<br />
Der Arena-Verlag brachte – wohl auch in Ermangelung brauchbarer<br />
deutscher Texte – eine Reihe von Büchern heraus, die unter dem<br />
Label „Spurbücher“ vermarktet wurden. Es handelte sich zum großen<br />
Teil um Übersetzungen aus dem Französischen, und sie enthielten<br />
vor allem Geschichten aus dem Milieu von Pfadfindergruppen.<br />
Ich habe diese Bücher alle verschlungen, aber sie haben in meinem<br />
Gedächtnis keine merkliche Spur hinterlassen. Eine andere Reihe <strong>im</strong><br />
Arena-Verlag hieß „Gelbe Reihe“, und dort waren Science-Fiction-<br />
Texte und Zukunftsromane versammelt. Davon hat sich mir ein Buch<br />
43
stark <strong>im</strong> Gedächtnis eingeprägt: „Fahrt ins Unhe<strong>im</strong>liche“, das ich ungefähr<br />
<strong>im</strong> Jahr 1955 gelesen habe. Der Autor namens Hans Theodor<br />
Brik (1899-1982) war, wie ich heute weiß, Benediktinerpater in<br />
Kremsmünster und am dortigen Gymnasium Lehrer für Mathematik.<br />
Das merkt man dem Buch auch an, in dem die damals aktuellsten<br />
Fachkenntnisse der Raketentechnik mit katholischer Theologie kombiniert<br />
werden. Das Thema ist die Landung von Außerirdischen auf<br />
der Erde, die, wie man am Ende erfährt, auf der Suche nach einem<br />
neuen He<strong>im</strong>atplaneten sind, weil in ihrem Sonnensystem das Zentralgestirn<br />
kurz davor ist, zu kollabieren. Auf diese Weise erfuhr man<br />
als Kind etwas Interessantes über das Ende von Sternen und konnte<br />
sich auch überlegen, ob und wann denn unsere Sonne ein vergleichbares<br />
Schicksal ereilen würde.<br />
Die Episode, die sich aber so richtig in mein Gedächtnis eingeprägt<br />
hat, betrifft den moralischen und theologischen Gehalt der Geschichte.<br />
Drei Jungen wandern nachts auf einen Berg – die Handlung spielt<br />
in den österreichischen Alpen –, wo sie einen Lichtschein gesehen<br />
haben. Dort angekommen, finden sie ein Raumschiff vor; einer der<br />
drei wagt es, auf der herabgelassenen Strickleiter hinein zu steigen,<br />
und die anderen zwei kommen hinterher. Kaum sind sie drin, hebt<br />
das Raumschiff ab. Das wird, wie ich be<strong>im</strong> Wiederlesen gesehen<br />
habe, erst auf S. <strong>100</strong> erzählt. Die Seiten davor sind voll von Informationen<br />
über Raumfahrttechnik und über gemeinsame Aktionen der<br />
USA und der Sowjetunion, um die vermeintliche Bedrohung aus dem<br />
Weltall abzuwehren – die Handlung spielt ja in der damaligen Gegenwart,<br />
also in der Zeit des Kalten Krieges. Von diesen ersten hundert<br />
Seiten hat sich nichts <strong>im</strong> Gedächtnis eingeprägt, es war für das<br />
Kind offenbar zu schwierig. Ich muss es aber gelesen haben, denn<br />
sonst wäre ich nicht bis an die Stelle gekommen, ab der ich voller<br />
Spannung und Mitgefühl wissen wollte, ob die drei wieder nach Hause<br />
kommen. Deshalb hat sich auch das Ende der Geschichte eingeprägt:<br />
Die Außerirdischen, sie nennen sich „Uraniden“, sind moralisch<br />
hoch stehende Wesen, sie werden fünfzehntausend <strong>Jahre</strong> alt,<br />
und be<strong>im</strong> Tod verwandeln sich ihre Leiber schmerzlos in Licht, weil,<br />
wie einer von ihnen den Jungen offenbart, auf ihrem Planeten keine<br />
44
Erbsünde geschehen ist. Deshalb verabschieden sich die Uraniden<br />
auch mit einem Appell zum Frieden auf dem Planeten Erde:<br />
„Wir werden euch zur Erde zurückführen, bevor wir euren Planeten<br />
wieder verlassen! Verkündet euren Brüdern, was wir euch gesagt<br />
haben! Die Völker eures Sternes schlossen sich zu einer Abwehrfront<br />
gegen uns zusammen. Bleibt vereint <strong>im</strong> Frieden! Alle Völker<br />
und Stämme eurer schönen Welt sind Geschöpfe des großen Weltenmeisters.<br />
Ihr seid alle Brüder.“<br />
Das UFO landet dann in Kalifornien und lädt die drei Abenteurer aus,<br />
bevor die Uraniden in den Weltraum verschwinden, um sich einen<br />
passenderen Planeten zu suchen. Dieses Ende des Buches, die Aufregung<br />
um die Entführung und die religiös fundierte Friedensbotschaft<br />
mitten <strong>im</strong> Kalten Krieg, hat sich unauslöschlich eingeprägt.<br />
Etwas später dürfte die Lektüre des ersten Geschichtsromans liegen,<br />
den ich in der Pfarrbücherei gefunden habe. Dieser Roman mit dem<br />
Titel „Die Herrgottschanze“ vermittelte mir die ersten Informationen<br />
über die Französische Revolution und ein prägendes Urteil über den<br />
Vernunftbegriff der Aufklärung des 18. Jahrhunderts. In meinem späteren<br />
Beruf als Literaturwissenschaftler habe ich in der Forschung<br />
und in der Lehre an der Universität sehr viel über die Philosophie<br />
und Literatur dieser Epoche gearbeitet, und ich habe mir manchmal<br />
überlegt, ob und wie dieser Schwerpunkt mit dieser Kindheitslektüre<br />
zusammen hängt. Der Verfasser des Buches, Wilhelm Hünermann<br />
(1900-1975), ein katholischer Priester, war einer der erfolgreichsten<br />
und produktivsten Autoren des deutschen Katholizismus vor dem<br />
Konzil, er war Verfasser einer weit verbreiteten Kirchengeschichte<br />
und einer damals viel gelesenen Heiligenlegende. Er ist heute weitgehend<br />
vergessen, wird aber in Kreisen des konservativen Katholizismus<br />
heute wieder entdeckt und geschätzt.<br />
Das Buch erzählt die Geschichte der Französischen Revolution aus<br />
der Perspektive eines katholischen Jungen in einem französischen<br />
Dorf in der Zeit zwischen 1792 und 1794, also in der Zeit der stärksten<br />
Verfolgung der katholischen Kirche durch die Jakobiner. Die<br />
45
Jungen ministrieren bei he<strong>im</strong>lich abgehaltenen Messen [einfügen:<br />
Kampf um das Rauchfass] Die Französische Revolution, so erfuhr<br />
ich aus diesem Buch, war das Werk eines Bündnisses von gottlosen<br />
Intellektuellen mit dem niedrigsten Pöbel, und der Text benannte<br />
diese Gruppe mit dem Namen „die Roten“, so dass man in den späten<br />
fünfziger <strong>Jahre</strong>n sich gut denken konnte, wer in der Gegenwart<br />
diese gottes- und kulturfeindliche Tradition, die letztlich aus der Aufklärung<br />
herkam, weiterführt. Eine Szene aus diesem Buch ist mir in<br />
Erinnerung geblieben, weil sie mich als Kind offenbar besonders bewegt<br />
hat. Das Kapitel ist überschrieben mit „Greuel an heiliger Stätte“.<br />
Eine Abordnung von Jakobinern aus der Hauptstadt kommt in<br />
das Dorf, um den von Robespierre in Paris eingeführten neuen religiösen<br />
Staatskult auch auf dem Land zu etablieren, und da heißt es<br />
dann:<br />
„Ein Fanfarenstoß gellte über den Kirchplatz. Dann schwankte eine<br />
Rotte betrunkener und zerlumpter Jakobiner heran, von denen vier<br />
auf den Schultern in einem bekränzten Lehnstuhl ein schamlos gekleidetes<br />
Frauenz<strong>im</strong>mer trugen. ‚Macht Platz der Göttin der Vernunft!’<br />
schrie einer, der als Herold voranlief. Wieder hallte Gelächter<br />
über den Platz, das aber einem entsetzten, zornigen Schweigen<br />
wich, als der Küster jetzt die Kirchentore aufriss und die Göttin Vernunft<br />
mit ihren Trabanten ihren Einzug hielt. Lärmend und johlend<br />
betraten die Lästerer das Gotteshaus, viele mit brennenden Pfeifen<br />
<strong>im</strong> Mund. Unter lautem Gelächter trug die rote Horde das schamlose<br />
Weib zum Hochaltar und setzte es auf den Tabernakel, von dem der<br />
Küster schon längst das Kreuz entfernt hatte. Dann beugten die Revolutionäre<br />
ihre Knie vor dem Frauenz<strong>im</strong>mer, pafften aus ihren stinkenden<br />
Pfeifen, dass der Qualm wie Weihrauch aufstieg, und schrieen:<br />
‚Wir beten dich an, Göttin Vernunft.’ Auch der abgefallene Mönch<br />
trat heran und verehrte die neue Gottheit, wobei das Frauenz<strong>im</strong>mer<br />
auf dem Tabernakel in kreischendes Gelächter ausbrach.“<br />
Be<strong>im</strong> Lesen dieser Stelle hatte ich den Tabernakel auf dem Altar der<br />
alten <strong>Wegscheid</strong>er Pfarrkirche vor Augen, und die Vorstellung, dass<br />
sich eine derartige Szene dort abspielen könnte, war schockierend,<br />
zumal uns schon Mater Amata mit großer Beredsamkeit beigebracht<br />
46
hatte, wie heilig dieser Ort war und wie ehrfürchtig man sich als Kind<br />
davor zu verhalten hatte. Ich habe einige Zeit gebraucht, um dann<br />
später als Wissenschaftler ein etwas gerechteres Urteil über diese<br />
Vernunft der Aufklärung zu entwickeln, und wie gesagt, mein Interesse<br />
an dieser Vernunft und an ihrem Verhältnis zur Religion hat bis<br />
zum heutigen Tage meine Arbeit als Wissenschaftler inspiriert. Wenn<br />
man zudem das Wissen über den Autor Wilhelm Hünermann heranzieht,<br />
so wird schnell klar, dass er bei den Jakobinern nicht nur an<br />
die Kommunisten dachte, sondern auch an die Nazis, unter deren<br />
Verfolgung er selbst zu leiden hatte. Davon konnte das Kind aber<br />
nichts wissen, weil darüber nicht viel geredet wurde, und <strong>im</strong> Text<br />
heißen sie nun einmal die „Roten“ und nicht die „Braunen“.<br />
So viel zu einigen wenigen meiner Erinnerungen an die Bücherschätze<br />
der Pfarrbücherei, von denen ich mich als Kind in den fünfziger<br />
<strong>Jahre</strong>n des 20. Jahrhunderts geistig ernährt habe! Wenn ich<br />
mit meiner Erzählung etwas erreichen wollte, dann, wie schon gesagt,<br />
vor allem dies: bei allen, die mir jetzt geduldig zugehört haben,<br />
die je eigenen Erinnerungen an die frühen und sicher prägenden<br />
Leseerlebnisse zu wecken und dazu anzuregen, diese je eigenen<br />
Geschichten selber zu erzählen.<br />
Gstanzl:<br />
“Wia re<strong>im</strong>t se des zusamm?“<br />
D´ Wegschoada:<br />
Sänger (v. l.): Götz Erhard, Ludwig<br />
Oberneder, Rudolf Ullmann.<br />
Zitherspieler: Hans Windpassinger<br />
liacht – tuchad – goa<br />
mit dem elektrischen is de wegschoada<br />
des 1. moi a liacht afganga, des<br />
war scha vor <strong>100</strong> joar<br />
47<br />
Mit dem elektrischen ist den <strong>Wegscheid</strong>ern<br />
das erste Mal ein Licht<br />
aufgegangen. Das war schon vor<br />
<strong>100</strong> <strong>Jahre</strong>n.
iaz brauchans n<strong>im</strong>ma af d´ nocht in<br />
da stubn um a kerznfunsl ummahocka<br />
und wenn ´s oibrennt is, dann<br />
glei mitanand untan tuchad eischloiffa<br />
und boid gibt ´s dann a kindagschroa<br />
ab iaz wird glesn, mit n sex is goa<br />
bücherei – suacharei – haus nr. 3<br />
zwengs da bildung treibt da kooperator<br />
engelhart seine schof in die neie<br />
volksbücherei<br />
bis de biachl dohi kemma hand wo s´<br />
heit komfortabel stengan, hod ma s´<br />
vo oana gressan rumplkamma bis<br />
zum nächsten finstan loch brocht, 90<br />
jahrlang a ewige suacharei<br />
de erste station war wegschoad<br />
haus nr. 3<br />
pfarrer – weibaleid – vadrossn<br />
anfangs hamm s´ de pfarran und<br />
den falk schos bei dem büchereigschäft<br />
nu a wenig mitredn lossn<br />
oba dann hamm de weibaleid des<br />
reg<strong>im</strong>ent ibanumma und hamm des<br />
wege büchereipflanzl glei richtig<br />
gossn<br />
de manna hod ´s e vadrossn<br />
48<br />
Jetzt brauchen sie nicht mehr in der<br />
Stube um eine Kerzenfunsel herumhocken<br />
und wenn ´s heruntergebrannt<br />
ist, dann gleich miteinander<br />
unters Tuchent hineinschlüpfen und<br />
bald gibt es dann ein Kindergeschrei.<br />
Ab jetzt wird gelesen, mit dem Sex<br />
ist es zu Ende.<br />
Wegen der Bildung treibt der Kooperator<br />
Engelhart seine Schafe in<br />
die neue <strong>Volksbücherei</strong>.<br />
Bis die Bücher dahin gekommen<br />
sind, wo sie heute komfortabel stehen,<br />
hat man sie von einer größeren<br />
Rumpelkammer bis zum nächsten<br />
finsteren Loch gebracht, 90 <strong>Jahre</strong><br />
lang eine ewige Sucherei.<br />
Die erste Station war <strong>Wegscheid</strong><br />
Haus Nr. 3.<br />
Anfangs haben sie die Pfarrer und<br />
den Falk Schos bei dem Büchereigeschäft<br />
noch ein wenig mitreden<br />
lassen.<br />
Aber dann haben die Weiberleute<br />
das Reg<strong>im</strong>ent übernommen und<br />
haben das wehe Büchereipflänzchen<br />
gleich richtig gegossen.<br />
Die Männer hat es eh verdrossen.
huat – guat – duat<br />
de wegschoada manna hamm d mit<br />
da leserei goa ned sovüi am huat<br />
wenn s recht vui lesaradn, waar des<br />
gwiß fia d wirtsheisa goa ned guat<br />
es glangt eh wennd frau wos lesn<br />
duat<br />
aus – haus – maus<br />
wia ma hearn ka beißt s bei de junga<br />
und a bei de oidn wos des lesen a<br />
geht besorgniserregend aus<br />
wahrscheinlich finden de junga nix<br />
interessants, do ghert wos altersgerechts<br />
und ebbs pädagogisches her,<br />
a wenig ebbs wo s bluat aussa<br />
tröpflt, des muaß ins haus<br />
oder die sendung mit der maus<br />
sort<strong>im</strong>ent – danebn - leben<br />
mia mechtn uns ja ned e<strong>im</strong>ischn oba<br />
a poa tipps fias sort<strong>im</strong>ent kunt ma<br />
enk scha gebn<br />
do waar z. b. thema handarbeit fia<br />
manna – wia strick ich mia einen<br />
wadlstrumpf oder thema erotik – wia<br />
bandld i am gscheidan a oder wia<br />
spannd ma s´ oan am gschicktan aus<br />
oder fia de ganz oidn de seniorenbravo,<br />
de apothekerrundschau,<br />
do liegats nia danebm<br />
des waar ebs fias leben<br />
49<br />
Die <strong>Wegscheid</strong>er Männer haben mit<br />
der Leserei gar nicht so viel am Hut.<br />
Wenn sie recht viel läsen, wäre das<br />
für die Wirtshäuser gar nicht gut.<br />
Es lang eh, wenn die Frau was lesen<br />
tut.<br />
Wie man hören kann, beißt es bei<br />
den Jungen und bei den Alten, was<br />
das Lesen angeht, besorgniserregend<br />
aus.<br />
Wahrscheinlich finden die Jungen<br />
nichts Interessantes, da gehört etwas<br />
Altersgerechtes und etwas Pädagogisches<br />
her, ein wenig etwas,<br />
wo das Blut herauströpfelt, das<br />
muss ins Haus<br />
oder die Sendung mit der Maus.<br />
Wir möchten uns ja nicht einmischen,<br />
aber ein paar Tipps fürs Sort<strong>im</strong>ent<br />
könnten wir euch schon geben.<br />
Da wäre z. B. Thema Handarbeit für<br />
Männer: Wie stricke ich mir einen<br />
Wadenstrumpf? Oder Thema Erotik:<br />
Wie bandle ich am gescheitesten an<br />
oder wie spannt man sie einem am<br />
geschicktesten aus oder für die<br />
ganz Alten die Seniorenbravo, die<br />
Apothekenrundschau. Da liegt ihr<br />
nie daneben.<br />
Das wäre etwas fürs Leben.
foppen – damen – aa<br />
wenn man heit ois bücherei d´ leit<br />
vom fernseher weglocka mechad, do<br />
muaß ma ´s foppen<br />
mit olle tricks arbatn und gscheid<br />
erfinderisch saa<br />
des hand ganz gwiß de damen<br />
vom büchereiteam unter der Leitung<br />
von da obermaier marioraraa´<br />
de fangat ´n uns aa<br />
worn – ohrn – vorn<br />
manche wegschoada hod da bücherwurm<br />
dermaßen a gnaglt und<br />
infiziert, de sand regelrecht süchtig<br />
worn.<br />
oana hod direkt af professor studiert,<br />
der lernt iaz de ossis s redn, der hod<br />
ganz schä ebbs um d ohrn.<br />
da stockinger ludwig, der sitzt do<br />
vorn.<br />
franzl – schwanzl – gstanzl<br />
vor da bücherei steht ganz interessiert<br />
das wildschwein franzl.<br />
es wetzt sich an einem oidn bücherregal<br />
de hauer und des schwanzl.<br />
und des warnd unsere gstanzl.<br />
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Wenn man heute als Bücherei die<br />
Leute vom Fernseher weglocken<br />
möchte, da muss man sie foppen,<br />
mit allen Tricks arbeiten und gescheit<br />
erfinderisch sein.<br />
Das sind gewiss die Damen<br />
vom Büchereiteam unter der Leitung<br />
von der Obermaier Marioara.<br />
Die würden uns auch fangen.<br />
Manche <strong>Wegscheid</strong>er hat der Bücherwurm<br />
dermaßen angenagt und<br />
infiziert. Die sind regelrecht süchtig<br />
geworden.<br />
Einer hat direkt auf Professor studiert.<br />
Der lernt jetzt den Ossis das<br />
Reden. Der hat ganz schön etwas<br />
um die Ohren.<br />
Der Stockinger Ludwig, der sitzt da<br />
vorne.<br />
Vor der Bücherei steht ganz interessiert<br />
das Wildschwein Franzl.<br />
Es wetzt sich an einem alten Bücherregal<br />
die Hauer und das<br />
Schwanzl.<br />
Und das waren unsere Gstanzl.
Bewirtung<br />
Unterstützt durch großzügige Spender (siehe Seite 25) konnte die<br />
Bücherei ihre 90 Gäste be<strong>im</strong> <strong>Festabend</strong> kostenlos bewirten. Zu<br />
reichlich Semmeln gab es Wurst- und Käseplatten, sowie Getränke<br />
nach Wahl.<br />
Als besonderen Gag verteilte die Büchereileitung eine große Geburtstagstorte<br />
in 96 Stücken an die Gäste.<br />
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