62. JAHRGANG / HEFT 10 / OKTOBER 2012 Yvonne Kleinmann ...
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<strong>62.</strong> <strong>JAHRGANG</strong> / <strong>HEFT</strong> <strong>10</strong> / <strong>OKTOBER</strong> <strong>2012</strong><br />
<strong>Yvonne</strong><br />
<strong>Kleinmann</strong><br />
Andrij Portnov<br />
Tetjana Portnova<br />
Agnieszka<br />
Wierzcholska<br />
Hanna<br />
Schmidt Holländer<br />
Magdalena<br />
Saryusz-Wolska<br />
Markus<br />
Nesselrodt<br />
Hans-Christian<br />
Dahlmann<br />
Städtische Gemeinschaft<br />
Christen und Juden im frühneuzeitlichen Rzeszów<br />
Die „jüdische Hauptstadt der Ukraine“<br />
Erinnerung und Gegenwart in Dnipropetrovs’k<br />
Polen, Juden, Tarnowianer?<br />
Die Politisierung von Ethnizität im Polen<br />
der 1930er Jahre<br />
Vielfalt in der Einheit<br />
Jüdisches Schulwesen im Polen der<br />
Zwischenkriegszeit<br />
Der erste Holocaust-Film<br />
Wanda Jakubowskas Die letzte Etappe<br />
Mit den Augen des Sicherheitsdienstes<br />
Jüdische Neuansiedlung in Schlesien 1949<br />
Antisemitismus und Selbstbehauptung<br />
Jüdisches Leben in der Volksrepublik Polen<br />
Achim Wörn Auf gepackten Koffern<br />
Jüdisches Leben in Stettin nach 1945<br />
3<br />
25<br />
41<br />
53<br />
71<br />
85<br />
97<br />
<strong>10</strong>9
Bücher und Zeitschriften<br />
Stefan Plaggenborg: Ordnung und Gewalt. Kemalismus<br />
– Faschismus – Sozialismus<br />
Marianne Hirsch, Leo Spitzer: Ghosts of Home.<br />
The Afterlife of Czernowitz in Jewish Memory<br />
Freia Anders, Katrin Stoll, Karsten Wilke, Hg.:<br />
Der Judenrat von Białystok. Dokumente aus dem<br />
Archiv des Białystoker Ghettos 1941–1943<br />
Barbara Epstein: The Minsk Ghetto, 1941–1943.<br />
Jewish Resistance and Soviet Internationalism<br />
Petra Rentrop: Tatorte der „Endlösung“. Das Ghetto<br />
Minsk und die Vernichtungsstätte von Maly Trostinez<br />
Christoph Mick: Kriegserfahrungen in einer<br />
multiethnischen Stadt: Lemberg 1914–1947<br />
Hubertus F. Jahn: Armes Russland. Bettler und<br />
Notleidende in der russischen Geschichte vom<br />
Mittelalter bis in die Gegenwart<br />
Die UdSSR und die deutsche Frage 1941–1949, Bd. 4:<br />
18. Juni 1948 bis 5. November 1949. Dokumente aus<br />
russischen Archiven. Herausgegeben von Jochen Laufer<br />
und Georgij Kynin. – SSSR i germanskij vopros.<br />
1941–1949: Dokumenty iz rossijskich archivov, tom IV:<br />
18 ijunja 1948 g. – 5 nojabrja 1949 g.<br />
Joachim Jesko von Puttkamer, Gabriella Schubert, Hg.:<br />
Kulturelle Orientierungen und gesellschaftliche<br />
Ordnungsstrukturen in Südosteuropa<br />
Jahrbuch Polen <strong>2012</strong>. Regionen. Herausgegeben vom<br />
Deutschen Polen-Institut Darmstadt<br />
Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung <strong>2012</strong>.<br />
Herausgegeben von Ulrich Mählert u.a.<br />
Susanne Marten-Finnis: Der Feuervogel als Kunstzeitschrift.<br />
Žar Ptica. Russische Bildwelten in Berlin 1921–<br />
1926<br />
Dietrich Beyrau<br />
Monica Rüthers<br />
Alexander<br />
Friedman<br />
Hans Hecker<br />
Bernhard Chiari<br />
Kai Struve<br />
Beate Fieseler<br />
Gerhard Wettig<br />
Hans-Christian<br />
Maner<br />
Thomas Urban<br />
Kurt Schilde<br />
Olaf Terpitz<br />
Abstracts 150<br />
129<br />
132<br />
135<br />
136<br />
137<br />
139<br />
141<br />
142<br />
144<br />
145<br />
147<br />
148
<strong>Yvonne</strong> <strong>Kleinmann</strong><br />
Statusfragen in Rzeszów<br />
Christen und Juden der Rzeczpospolita<br />
A b s t r a c t s<br />
Die Forschung debattiert, ob jüdische Geschichte im frühneuzeitlichen Polen-<br />
Litauen als rechtlich und sozial weitgehend autonom oder als Teil einer allgemeinen<br />
soziopolitischen Entwicklung betrachtet werden soll. Die mikrohistorische Analyse<br />
der Privilegien für die Stadt Rzeszów zeigt, dass das Fortbestehen der<br />
städtischen Gemeinschaft von der stetigen Kommunikation zwischen Juden und<br />
Katholiken abhing. Der Stadtherr agierte als ihr Vermittler und setzte Privilegien<br />
als Medium der Politik ein.<br />
Andrij Portnov, Tetjana Portnova<br />
Die „jüdische Hauptstadt der Ukraine“<br />
Erinnerung und Gegenwart in Dnipropetrovs’k<br />
Ekaterinoslav (heute Dnipropetrovs’k) war im 19. Jahrhundert eines der bedeutendsten<br />
jüdischen Zentren im Russischen Reich. Im 20. Jahrhundert wurde die<br />
jüdische Gemeinde stark dezimiert; Mitte der 1980er Jahre schien sie kurz vor<br />
dem Aussterben, seit den 1990er Jahren erlebt sie jedoch eine unerwartete Renaissance.<br />
Unter Leitung des der Chabad-Bewegung angehörenden Oberrabbiners<br />
Shmuel Kaminetzky und gefördert von privaten Mäzenen blühte das jüdische<br />
Leben in der Stadt wieder auf. Heute zeugen davon nicht nur neue Gedenkstätten,<br />
sondern auch Schulen, wiedereröffnete Synagogen und an prominentester<br />
Stelle das jüngst eingeweihte „größte jüdische Zentrum der Welt“ Menora. In allgemeinen<br />
Darstellungen der Stadtgeschichte kommt die jüdische Geschichte allerdings<br />
nach wie vor kaum vor.<br />
Agnieszka Wierzcholska<br />
Polen, Juden, Tarnowianer?<br />
Die Politisierung von Ethnizität im Polen der 1930er Jahre<br />
In Polens Zweiter Republik kam neben ethnischen Grenzziehungen auch sozialen<br />
und politischen Zugehörigkeiten eine bedeutende Rolle zu. Dies änderte sich im<br />
Verlauf der 1930er Jahre. Ein Streit in der im Südosten Polens gelegenen Stadt<br />
Tarnów um den jüdischen Vizepräsidenten Zygmunt Szaja Silbiger zeigt exemplarisch,<br />
wie Ethnizität immer stärker politisiert wurde, während tradierte multikonfessionelle<br />
und polyethnische Bindungen in den Hintergrund traten.
Hanna Schmidt Holländer<br />
Erziehung zur Einheit<br />
Jüdisches Schulwesen im Polen der Zwischenkriegszeit<br />
In Polen entstanden nach 1919 auf der Basis des Minderheitenschutzvertrags zahlreiche<br />
säkulare und religiöse jüdische Schulen. Religiöse Organisationen und politische<br />
Gruppierungen insbesondere sozialistischer und zionistischer Prägung gründeten<br />
Schulnetzwerke. Ihre Programme spiegelten die Heterogenität der polnischjüdischen<br />
Gemeinschaft wider. Schulen mit zionistischer Ausrichtung standen neben<br />
jenen, welche die jüdische nationale Eigenständigkeit in der polnischen Gesellschaft<br />
betonten, gemäßigt-religiöse neben ultra-orthodoxen Einrichtungen. Viele<br />
assimilatorisch eingestellte Juden schickten ihre Kinder auf öffentliche polnische<br />
Schulen. Die nationalistische, minderheitenfeindliche staatliche Politik und der weit<br />
verbreitete Antisemitismus destabilisierten in den 1930er Jahren zunehmend das<br />
jüdische Schulsystem.<br />
Magdalena Saryusz-Wolska<br />
Der erste Holocaust-Spielfilm<br />
Wanda Jakubowskas Die letzte Etappe<br />
Wanda Jakubowskas Die letzte Etappe von 1948 ist der erste Spielfilm über NS-<br />
Konzentrationslager. Obwohl die Rote Armee und die polnische Führung die Regisseurin<br />
und Auschwitz-Überlebende zunächst gefördert hatten, geriet der Film<br />
bald aus ideologischen und ästhetischen Gründen ins Abseits. Er entsprach weder<br />
den Vorgaben des Sozialistischen Realismus noch der romantischpatriotischen<br />
Tradition des polnischen Kinos. Doch Jakubowskas Filmsprache<br />
wirkt bis heute. Sie schuf Bilder und Einstellungen, die zu Klassikern der visuellen<br />
Darstellung des Holocaust geworden sind und zahlreiche Regisseure bis hin zu<br />
Steven Spielberg beeinflusst haben.<br />
Markus Nesselrodt<br />
Mit den Augen des Sicherheitsdienstes<br />
Jüdische Neuansiedlung in Schlesien 1949<br />
Die polnischen Holocaust-Überlebenden konnten nach Kriegsende oft nicht an<br />
ihre früheren Wohnorte zurückkehren. Die polnische Regierung siedelte viele von<br />
ihnen in den neu gewonnenen Territorien im Westen des Landes an und gewährte<br />
ihnen zunächst weitgehende Autonomie. Eben dies weckte die besondere Aufmerksamkeit<br />
des Sicherheitsapparats. Die Monatlichen Berichte des lokalen Sicherheitsdienstes<br />
aus dem Jahr 1949 belegen, dass die Behörden detailliert über<br />
das angespannte Verhältnis zwischen jüdischen und nicht-jüdischen Bewohnern<br />
informiert waren und aktiv in die Emigrationsbewegung im Rahmen der Option für<br />
Israel eingriffen.
Hans-Christian Dahlmann<br />
Antisemitismus und Selbstbehauptung<br />
Jüdisches Leben in der Volksrepublik Polen<br />
Nach dem Holocaust lebten in Polen nur noch 300 000 von einst über drei Millionen<br />
Juden. Ein Großteil dieser Menschen verließ Polen nach antisemitischen<br />
Ausbrüchen in den Jahren 1946 und 1956 sowie einer antisemitischen Kampagne<br />
im Jahr 1968. Die wenigen ohnehin assimilierten Juden, die nicht emigrierten,<br />
entfernten sich noch weiter von ihren kulturellen und religiösen Wurzeln. In den<br />
1970er Jahren begann eine Neubesinnung auf die jüdische Identität, so dass<br />
nach dem Umbruch von 1989 wieder Ansätze eines jüdischen Lebens in Polen<br />
entstanden.<br />
Achim Wörn<br />
Auf gepackten Koffern<br />
Jüdische Lebenswelten in Stettin nach 1945<br />
Im westpommerschen Szczecin siedelten die polnischen Behörden 1946 Zehntausende<br />
jüdischer „Repatrianten“ aus der Sowjetunion an. Für die meisten war<br />
Stettin nur Durchgangsstation. Anders als es die offizielle Lesart glauben machen<br />
wollte, kehrten sie nicht in ihre Heimat zurück. Ursprünglich hatten sie in Ostpolen<br />
gelebt und sich während des Krieges in die UdSSR gerettet oder waren dorthin<br />
deportiert worden. Nun wurden sie im Westen zwangsangesiedelt. An diesem<br />
Zwang scheiterte der Versuch der Staatsmacht, die Juden dauerhaft in Stettin zu<br />
halten. Antisemitismus, Stalinismus und der Kampf gegen jüdische Eigenständigkeit<br />
trugen dazu bei, dass viele der Stettiner Juden emigrierten.