Wolfgang Kähne - Kommunistische Standpunkte
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<strong>Wolfgang</strong> <strong>Kähne</strong><br />
Komponist<br />
An den<br />
Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland,<br />
Herrn Christian Wulff<br />
Schloß Bellevue, Spreeweg<br />
11010 Berlin<br />
Werter Herr Wulff,<br />
Berlin, den 13.10.2011<br />
obwohl ich mich fast mein gesamtes Leben mit Musik beschäftigte,<br />
verfolgte ich stets die Entwicklung gesellschaftlicher Prozesse auf der<br />
Welt, insbesondere die in Ost und West. Natürlich erkannte ich, daß die<br />
DDR nicht in Gänze vollkommen war, sie allerdings einen Verbrecherstaat<br />
zu nennen, wie durch Sie kürzlich erfolgt, übertrifft wohl alles, was mir<br />
bisher zu Ohren kam; und das war bisher hinsichtlich der Hetze und<br />
Haßausbrüche gegen die DDR nicht gerade wenig. Solche und andere,<br />
durch nichts bewiesene Schmähungen, erinnern mich stets an Theodor<br />
Storm, der die gegen die Dänen zu Hilfe gerufenen Preußen im Jahre 1867<br />
treffend so charakterisierte:<br />
„Wir können nicht verkennen, daß wir unter Gewalt leben. Dies ist um so<br />
einschneidender, als sie von jenen kommt, die wir gegen die Gewalt zu<br />
Hilfe riefen und die uns jetzt, nachdem sie jene bewältigen halfen, wie<br />
einen besiegten Stamm behandeln: Indem sie wichtige Einrichtungen,<br />
ohne uns zu fragen, hier über den Haufen werfen. Obenan steht ihr<br />
schlechtes Gesetzbuch, worin eine Reihe von Paragraphen ehrlichen<br />
Leuten gefährlicher sind als den Spitzbuben, die sie angeblich treffen<br />
sollen. Obwohl das Land - sowohl wegen der Art, wie es das neue Gebiet<br />
gewonnen, als auch weil wir zum geistigen Leben der Nation ein großes<br />
Kontingent gestellt haben - alle Ursache zu bescheidenem Auftreten bei<br />
uns hat, kommt doch jeder Kerl von dort mit der Miene des kleinen<br />
persönlichen Eroberers und als müsse er erst die höhere Weisheit bringen.<br />
Unglaublich ist die Roheit dieser Leute. Auf diese Weise einigt man<br />
Deutschland nicht."<br />
Der Unterschied zu damals bestand 1989 allerdings darin, daß wir<br />
mehrheitlich die DDR nicht aufgeben wollten und schon gar nicht die BRD
zu Hilfe riefen (gegen wen denn?). Mit Hilfe des Verräters Gorbatschow<br />
und manch anderen seines Schlages fanden wir uns quasi über Nacht als<br />
durch die BRD okkupiert und entmündigt vor. Eine wahre Heerschar an<br />
westdeutschen Raubrittern, Scharlatanen, Schmarotzern, kurzum:<br />
Gelichter aller Art sowie Gesinnungslumpen, auch aus der ehemaligen<br />
DDR, sahen ihre Stunde gekommen, sich auf Kosten unserer Bevölkerung<br />
scham- und gnadenlos zu bereichern.<br />
Unter der irreführenden Bezeichnung „Treuhandanstalt" haben es die<br />
sogenannten Abwickler aus dem Westen bekanntlich vermocht, binnen<br />
eines halben Jahrzehnts aus dem auf 600 Milliarden geschätzten<br />
Volksvermögen der DDR 275 Milliarden Schulden zu machen. Die hierfür<br />
Hauptverantwortliche, eine Birgit Breuel, wäre wegen dieses<br />
ungeheuerlichen Wirtschaftsverbrechens in der DDR exemplarisch bestraft<br />
worden.<br />
Wäre ich, Herr Wulff, nicht schon weit über die 80 hinaus und noch voller<br />
Spannkraft, ich würde mich spontan in die Reihe der Buchautoren<br />
einreihen, die bereits seit langem in vielfältigster Weise gegen die<br />
unvorstellbaren chaotischen und kriminellen Verhältnisse in der BRD zu<br />
Felde ziehen. An Stoffen über Raffgier, Brutalität, Bildungsnotstand, Lug<br />
und Trug usw. usf. mangelte es wahrlich nicht. Allein der Umstand, daß<br />
ich in der DDR ebenso wie Millionen andere Mitbürger ohne Angst vor<br />
Krieg und Terror 40 Jahre lang friedlich schaffen konnte, wiegt mir kein<br />
Euro, keine Reise oder kein Luxusgut auf. Die Phrasen der westdeutschen<br />
Propagandisten „Schwerter zu Pflugscharen" sowie „Frieden schaffen ohne<br />
Waffen" klingen geradezu höhnisch, wenn man weiß, daß die BRD nicht<br />
nur weltweit der drittgrößte Waffenproduzent und -exporteur ist, sondern<br />
sogar die Herstellung der international geächteten Splitterbomben durch<br />
ihre großen Banken finanzieren läßt.<br />
Hätten Sie bzw. Ihre Vorgänger im Amt nicht die verdammte Pflicht und<br />
Schuldigkeit gehabt, den DDR-Politikern und Militärs zu danken, die im<br />
November 1989 jegliches Blutvergießen verhindert haben, statt sie, wie<br />
die meisten von ihnen schon einmal während der Nazizeit, vor die<br />
bundesdeutschen Gerichte zu zerren?. Sind diese aufrechten<br />
Antifaschisten die „Verbrecher", die Sie meinten? Meines Erachtens sind es<br />
die heutigen westdeutschen Politiker, Militärs und Kriegsgewinnler, die den<br />
Mord an tausenden Zivilisten zu verantworten haben.<br />
Ihre unverschämte, dreiste Diffamierung meines Staates, der DDR, als<br />
Staat der Verbrecher hat mich wochenlang nicht ruhen lassen, so daß ich<br />
mich heute dazu entschloß, Ihnen diesen Brief zu schreiben. Ist der<br />
Chefredakteur des „Berliner Kurier" womöglich nicht erst durch Ihre<br />
unverfrorene Behauptung dazu ermuntert worden, in seinem Blatt vom<br />
„Käfig DDR" zu hetzen (Kopie meines Briefes vom 1.September 2011 an<br />
ihn lege ich bei).
Ihre Aufgabe als Bundespräsident sehe ich darin, die Gräben zwischen Ost<br />
und West nicht zu vertiefen, sondern alles dafür zu tun, für geordnete,<br />
gerechte und vor allem gleichberechtigte Verhältnisse zu sorgen, den<br />
ehemaligen DDR-Bürgern endlich zu der ihnen seit mehr als 2 Jahrzehnten<br />
vorenthaltenen Rente in voller Höhe zu verhelfen und ansonsten auch<br />
jegliche Gewaltanwendung nach außen wie nach innen zu unterbinden.<br />
Am Geld hierfür kann es trotz der Wirtschaftskrise offensichtlich nicht<br />
fehlen, da Ihre Sommerfeste und andere Galas immer aufwendiger über<br />
die Bühne gehen und für den Empfang des Papstes erst jüngst locker 30<br />
Millionen Euro hingeblättert werden konnten.<br />
Es wäre zu begrüßen, wenn Sie, Herr Wulff, aus der Rolle einer bloßen<br />
Repräsentationsfigur heraustreten könnten, damit Kinder auf die Frage<br />
von Reportern, ob sie wüßten, welche Aufgaben ein Bundespräsident<br />
habe, künftig nicht mehr im Brustton der Überzeugung zu antworten<br />
bräuchten: „Er kommt, und er geht wieder".<br />
(Quelle: ZDF, heute show vom 7.10.2011).<br />
<strong>Wolfgang</strong> <strong>Kähne</strong>