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Bürger-Rezeption am Beispiel Frau Schnips. Einführun - Leben und ...

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von denselben auf eine gemeine Hausratte über, welche ihr, vermuthlich von dem Geruch der<br />

Druckerschwärze angelockt, die Nachtfeier der Venus s<strong>am</strong>mt der <strong>Frau</strong> <strong>Schnips</strong> in den <strong>Bürger</strong>schen<br />

Gedichten zerfressen hatte.“ 26 Heinrich Pfeiffer nimmt das Werk nicht spaßig, sondern glaubt in<br />

<strong>Bürger</strong> einen Kämpfer gegen die Kirche zu erkennen: „<strong>Bürger</strong>, dieser berühmte Dichter, hatte unstreitig<br />

zu seiner Zeit in dem Gedichte die ´<strong>Schnips</strong>´ genannt, den Zweck vor Augen, den Pfaffen<br />

d<strong>am</strong>it einen feinen Seitenhieb zu versetzen, dem Publikum aber, <strong>und</strong> den Bibelgläubigen d<strong>am</strong>it die<br />

Augen zu öffnen, <strong>und</strong> zu zeigen, was das für Burschen sind, welche sie als Muster der Tugend uud<br />

Frömmigkeit in einer alten Scharteke, Bibel genannt, noch heut zu Tage, so göttlich verwahren. [...]<br />

Ich habe, so viel nur in meinen Kräften stand, die Beweisgründe, welche für die Wahrheit dieses<br />

Gedichtes von <strong>Bürger</strong> sprechen, aus der so heiligen Schrift hervorgehoben, <strong>und</strong> sie gehörigen Ortes<br />

unter die Verse gebracht, worunter sie gehören.“ 27 Adolf Stahr schreibt über Karl Immermann:<br />

„Aber mitgegangen ist er mit der Zeit, der alte Freiherr, das muß man ihm nachsagen. Er hat alle<br />

´Kulturelemente´ unserer Zeit ´in sich aufgenommen,´ <strong>und</strong> von seinen Mendaciis ridiculis, die Johann<br />

Peter Lange in den Deliciis academicis (welche köstliche Zus<strong>am</strong>menstellung!) herausgab, <strong>und</strong><br />

die später der Sänger der ´<strong>Frau</strong> <strong>Schnips</strong>´ bei uns einbürgerte, ist wahrlich ein himmelweiter Sprung<br />

zu seinen jetzigen Arabesken <strong>und</strong> Mittheilungen eines verstorbenen <strong>Leben</strong>digen.“ 28 P. J. Lödig ordnet<br />

<strong>Frau</strong> <strong>Schnips</strong> ziemlich niedrig ein, wenn er schreibt: „Alle diese Weisheit k<strong>am</strong> aus Gallien, <strong>und</strong><br />

n<strong>am</strong>entlich von Diderot, der aus dem Lächerlichen eine Schatzk<strong>am</strong>mer zu machen gedachte, bis die<br />

Russische Kaiserin, der er Unterricht in der Politik geben wollte, ganz naiv erklärte: ´Ihre Weisheit<br />

ist alle gut; nur ist der kleine Unterschied, daß sie sich in Phrasen <strong>und</strong> auf dem Papier, das Alles duldet,<br />

herumtreibt, <strong>und</strong> wir es mit der Menschennatur in Natura zu thun haben, die etwas ungeduldiger<br />

ist.´ Hier ist nun ein breites Feld für S<strong>am</strong>mler, alle Ironien von Socrates zartem Spott bis herab<br />

auf <strong>Frau</strong> <strong>Schnips</strong> Manier: ´Sie sind mir auch das rechte Kraut!´ einzufangen, <strong>und</strong> sie nach Zeiträumen<br />

oder Nationen einzutheilen.“ 29 In einer kurzem witzigen Geschichte mit dem Titel Der dreißigjährige<br />

Krieg beginnt ein Anonymus: „Ein Bauer im Hanöverschen hatte das Unglück, ein böses,<br />

überaus zänkisches Weib zu besitzen. Das belferte, wie die <strong>Frau</strong> <strong>Schnips</strong> vor der Himmelsthür,<br />

einen <strong>und</strong> alle Tage ununterbrochen fort.“ 30 Ein gewisser „z.“ läßt durch den gewählten Zus<strong>am</strong>menhang<br />

keinen Zweifel, was er von <strong>Bürger</strong> <strong>und</strong> seinem Gedicht hält: „Kaum kann man es anders denn<br />

als einen verzeihlichen Hohn ansehen, wenn ein dem Verfasser der ´<strong>Frau</strong> <strong>Schnips</strong>´ ähnlicher Dichter<br />

[Beranger] als alleiniger Träger der Literatur eines gebildeten Volkes auf einem deutschen Gymnasiallehrplane<br />

figurirt, <strong>und</strong> man fühlt sich gleichs<strong>am</strong> in die Zeiten der Deutschthümelei <strong>und</strong> des<br />

Franzosenhasses versetzt.“ 31 Die bisher einzige aufgef<strong>und</strong>ene Parodie st<strong>am</strong>mt von Carl Friedrich<br />

Hartmann, es ist <strong>Frau</strong> Surpf in seinem Alsatische Saitenklänge 32 . Dass <strong>Bürger</strong>s Gedichte bei Schülern<br />

beliebter waren als bei ihren Lehrer, bezeugt nicht nur Gustav Freytag, der unbedingt Die Entführung<br />

dekl<strong>am</strong>ieren wollte 33 . Aus der Sicht des Lehrers weist Friedrich Schmalfeld darauf hin, wie<br />

störend die Auswahl von Gedichten im Schulunterricht sein kann: „Dies gab zuweilen etwas widerwärtige<br />

Zus<strong>am</strong>menstellungen, wenn z. B. Einer auftrat mit: ´Das Grab ist tief <strong>und</strong> stille <strong>und</strong> schauderhaft<br />

sein Rand´ u.s.w. <strong>und</strong> darauf ein Anderer mit einer Poeselei von Langbein oder <strong>Bürger</strong> folgte,<br />

während ein Dritter eine feierliche Ode von Klopstock vortrug <strong>und</strong> so fort. Es braucht nicht gesagt<br />

zu werden, daß dem Vortrage eines Gedichtes, wie z. B. der ´<strong>Frau</strong> <strong>Schnips</strong>´ ein tüchtiger Sermon<br />

über den Ungeschmack der Wahl folgte, aber das ästhetische <strong>und</strong> sittliche Gefühl war doch<br />

einmal beleidigt <strong>und</strong> die Stimmung für das, was noch k<strong>am</strong>, gestört.“ 34 Im Volkskalender von 1857<br />

stellt Ludwig Heros Betrachtungen über Apfel <strong>und</strong> Ad<strong>am</strong>sapfel an <strong>und</strong> zitiert <strong>Bürger</strong>: „Auch der<br />

Leib des Menschen zeigt einen Apfel, den Ad<strong>am</strong>sapfel. So nennt man nämlich scherzweise den<br />

Kehlkopf, der vorzüglich bei dem Manne stärker hervortritt. Die Sage behauptet. dem Ad<strong>am</strong> sey an<br />

dieser Stelle das Kernhaus des Apfels, den ihm Eva vom Baum der Erkenntniß gebrochen hatte, stecken<br />

geblieben, <strong>und</strong> so hätten alle Männer durch Erbschaft den Apfel überkommen. Daher läßt <strong>Bürger</strong><br />

die <strong>Frau</strong> <strong>Schnips</strong> zu Ad<strong>am</strong>, der Ihr das Lärmen vor der Himmelsthür verbieten will, sagen:<br />

´Ei, zupfte sich Herr Erdenkloß<br />

Doch nur an eig'ner Nase!<br />

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