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Stadtentwicklungskonzept - Entwurf April 2006 - Erfurt

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Landeshauptstadt <strong>Erfurt</strong><br />

Stadtverwaltung<br />

INTEGRIERTES<br />

STADTENTWICKLUNGSKONZEPT<br />

TEIL A<br />

STADTENTWICKLUNGS-<br />

KONZEPT<br />

<strong>Entwurf</strong>; <strong>April</strong> <strong>2006</strong><br />

Dezernat Stadtentwicklung, Verkehr<br />

und Wirtschaftsförderung<br />

Stadtentwicklungsamt


<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />

Beigeordneter:<br />

Herr Ingo Mlejnek<br />

Stadtentwicklungsamt<br />

Amtsleiter<br />

Herr Ulrich Reichardt<br />

Bearbeitungsteam Stadtentwicklungsamt<br />

Telefon 0361/ 655 2300<br />

Fax 0361/ 655 2309<br />

Stadtentwicklung@erfurt.de<br />

<strong>April</strong> <strong>2006</strong><br />

2<br />

Dezernat Stadtentwicklung,<br />

Verkehr und Wirtschaftsförderung


INHALTSVERZEICHNIS<br />

1 EINFÜHRUNG 5<br />

1.1 ANLASS 7<br />

1.2 AUFGABE UND ZIELSTELLUNG 7<br />

1.3 AUFBAU UND HERANGEHENSWEISE 7<br />

2 DEMOGRAFISCHER WANDEL UND STADTENTWICKLUNG 11<br />

2.1 DEMOGRAPHIE 13<br />

2.1.1 Bevölkerungsentwicklung bis zum Jahr 2004 13<br />

2.1.2 Bevölkerungsprognose bis zum Jahr 2020 15<br />

2.1.3 Bevölkerungsentwicklung in den einzelnen Siedlungsstrukturen 16<br />

2.2 AUSWIRKUNGEN DER BEVÖLKERUNGSVERÄNDERUNG IM ÜBERBLICK 18<br />

2.3 WOHNUNGSBEDARFSPROGNOSE 19<br />

2.4 STADTBEOBACHTUNGSSYSTEM 21<br />

3 BESTANDSANALYSE UND ENTWICKLUNGSTRENDS 23<br />

3.1 REGIONALE EINORDNUNG 25<br />

3.2 SIEDLUNGSENTWICKLUNG UND STADTSTRUKTUR 27<br />

3.2.1 Naturräumliche Gegebenheiten 27<br />

3.2.2 Historische Entwicklung 27<br />

3.2.3 Stadträumliche Gliederung 29<br />

3.2.4 Siedlungsstruktur der Stadtregion 30<br />

3.3 WOHNEN 32<br />

3.3.1 Analyse des Wohnungsbestandes 32<br />

3.3.2 Potentiale für Wohnungsneubau 36<br />

3.3.3 Wohnungsbedarf 36<br />

3.3.4 Szenarien der Wohnungsbestandsentwicklung 36<br />

3.4 GRÜN- UND FREIRAUMSTRUKTUR 40<br />

3.4.1 Elemente der Grün- und Freiraumstruktur 40<br />

3.4.2 Defizite und Konfliktpunkte 41<br />

3.4.3 Bedarfsprognose 42<br />

3.5 TECHNISCHE INFRASTRUKTUR 43<br />

3.5.1 Verkehr 43<br />

3.5.2 Ver- und Entsorgung 45<br />

3.6 WIRTSCHAFT 47<br />

3.6.1 Wirtschafts- und Arbeitsmarktregion 47<br />

3.6.2 Branchenentwicklung 49<br />

3.6.3 Gewerbeflächen 52<br />

3.6.4 Kommunale Finanzen 53<br />

3.6.5 Bildung und Wissenschaft 53<br />

3.7 SOZIALES 55<br />

3.7.1 Sozialstruktur 55<br />

3.7.2 Auswirkungen des demographischen Wandels am Beispiel der Schulen 56<br />

3.7.3 Sport und Freizeit 58<br />

3.7.4 Kultur 59<br />

3.7.5 Soziale Infrastruktur 60<br />

0. Inhalt<br />

3


<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />

4 ZIELKONZEPT DER GESAMTSTÄDTISCHEN ENTWICKLUNG 61<br />

4.1 LEITBILD „STARK IN DER MITTE - DIE MITTE STÄRKEN“ 63<br />

4.2 ZIELBEREICH "STARKE REGION - STARKE STADT" 64<br />

4.2.1 Initiative Mitteldeutschland 64<br />

4.2.2 Region <strong>Erfurt</strong>-Weimar-Jena 64<br />

4.2.3 Kooperationsraum <strong>Erfurt</strong> 65<br />

4.2.4 Standortprofilierung durch weitere Vernetzung 66<br />

4.3 ZIELBEREICH "KOMPAKTE STADT" 67<br />

4.4 ZIELBEREICH „FUNKTIONSFÄHIGER UND NACHFRAGEGERECHTER WOHNUNGSMARKT“ 69<br />

4.4.1 Strategische Handlungsansätze 69<br />

4.4.2 Entwicklungsstrategie für den Wohnungsbaubestand 70<br />

4.4.3 Entwicklungsstrategie für Wohnungsneubaupotentiale 71<br />

4.5 ZIELBEREICH „FREIRÄUME ENTWICKELN“ 73<br />

4.5.1 Grüner Ring um die Altstadt 74<br />

4.5.2 Geraband und Wasserarme 74<br />

4.5.3 Äußerer Grüner Ring 74<br />

4.5.4 <strong>Erfurt</strong>er Seen 76<br />

4.5.5 Umsetzungsstrategie 77<br />

4.6 ZIELBEREICH "VERBESSERUNG DER ERREICHBARKEIT UND STADTVERTRÄGLICHE<br />

GESTALTUNG DER VERKEHRSINFRASTRUKTUR" 78<br />

4.7 ZIELBEREICH "BEDARFSGERECHTE UND WIRTSCHAFTLICHE<br />

TECHNISCHE INFRASTRUKTUR" 81<br />

4.8 ZIELBEREICH "STÄRKUNG DES WIRTSCHAFTSSTANDORTES" 83<br />

4.8.1 Sicherung räumlicher Entwicklungspotentiale 83<br />

4.8.2 Sicherung des Unternehmensbestandes durch Bestandspflege 84<br />

4.8.3 Aufbau branchenspezifischer Netzwerke 85<br />

4.8.4 Ausbildung und Qualifizierung als Standortpotential 85<br />

4.8.5 Weiterentwicklung des Hochschul- und Forschungsstandortes <strong>Erfurt</strong> 86<br />

4.8.6 Stärkung des Einkaufs- und Tourismusstandortes 86<br />

4.8.7 Verknüpfung kultureller, wirtschaftlicher, wissenschaftlicher und<br />

touristischer Potentiale 87<br />

4.8.8 Bekanntheitsgrad steigern - Perspektiven aufzeigen 89<br />

4.9 ZIELBEREICH „SICHERSTELLUNG EINER HOHEN LEBENSQUALITÄT“ 90<br />

4.9.1 Oberzentrum mit attraktiven Bildungs-, Kultur- und Sportangeboten 90<br />

4.9.2 <strong>Erfurt</strong> - tolerant und weltoffen 90<br />

4.9.3 Sozialorientierte Stadtentwicklung 90<br />

4.9.4 Kinder- und familienfreundliche Stadt 92<br />

4.9.5 Standorte Sozialer Infrastruktur 92<br />

5 RESÜMEE 97<br />

Anlage 1 Grundlagen des <strong>Stadtentwicklungskonzept</strong>es und notwendige<br />

weiterführende Arbeiten<br />

4


1<br />

Einführung<br />

1. Einführung<br />

5


<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />

6


1. Einführung<br />

1.1 Anlass<br />

Die Stadtentwicklung erlebt in der heutigen Zeit einen grundlegenden Wandel. Nicht Expansion sondern<br />

rückläufige Bevölkerungszahlen und Stadtstrukturen belastende Leerstände von Wohngebäuden und Gewerbeimmobilien<br />

bilden die Ausgangsbasis der Stadtentwicklung. Die Veränderung der Altersstruktur der<br />

Bevölkerung und hieraus resultierende soziale Probleme sowie kleiner werdende finanzielle Handlungsspielräume<br />

der Stadt sind weitere Herausforderungen, die von der Landeshauptstadt <strong>Erfurt</strong> zu bewältigen sind.<br />

Für die Bewältigung der Zukunftsaufgaben der Landeshauptstadt <strong>Erfurt</strong> ist daher eine von Verwaltung, Politik<br />

und Öffentlichkeit gleichermaßen getragene Handlungsgrundlage für die künftige Entwicklung und Planung<br />

der Stadt erforderlich ist. Das nun vorliegende Integrierte <strong>Stadtentwicklungskonzept</strong> mit dem Zeithorizont<br />

2020 schafft somit zum Einen die Voraussetzungen zur Fortsetzung der Maßnahmen des Stadtumbaus.<br />

Zum Anderen werden aber auch Grundprinzipien für eine nachhaltige und zukunftsorientierte Stadtentwicklung<br />

formuliert.<br />

Ein wesentliches Handlungsfeld der Stadtentwicklung ist der Stadtumbau. Für solche Maßnahmen zur Umgestaltung<br />

der vom Wohnungsleerstand besonders betroffenen Stadtbereiche ist der Einsatz Städtebaufördermittel<br />

aus dem Programm "Stadtumbau Ost" dringend notwendig. Voraussetzung hierfür ist das Vorliegen<br />

eines Integrierten <strong>Stadtentwicklungskonzept</strong>es auf der Basis der Empfehlungen der Thüringer Städtebauförderrichtlinie<br />

(ThStBauFR), Anlage 9, "Leitfaden zur Erarbeitung von integrierten <strong>Stadtentwicklungskonzept</strong>en<br />

(Stadtumbaukonzept - ISEK)".<br />

1.2 Aufgabe und Zielstellung<br />

Der absehbare Prozess des Rückgangs der Einwohnerzahl in Stadt und Region mit seinen vielfältigen Konsequenzen<br />

wird die Stadtentwicklung der kommenden Jahrzehnte prägen. Sich diesem Problem zu stellen<br />

ist eine vordringliche Aufgabe der Stadtentwicklungsplanung. Zielstellung ist es aber nicht nur, diesen<br />

Schrumpfungsprozess und dessen Folgen zu begleiten, so dass der Bevölkerung der Stadt auch in Zukunft<br />

ein lebenswertes und bezahlbares Umfeld zur Verfügung steht, sondern auch, den demographisch bedingten<br />

Einwohnerverlust durch Gewinnung von Neubürgern zu begrenzen. Nur eine prosperierende Stadt mit<br />

einem konkurrenzfähigen und nachfragegerechten Angebot an Arbeitsplätzen, Wohnraum, sozialer, kultureller<br />

und technischer Infrastruktur und einer intakten Umwelt hat auch eine Chance, sich als urbanes Zentrum<br />

der Region zu behaupten und neue Einwohner hinzuzugewinnen. Ausgehend von diesen Gedanken formuliert<br />

das <strong>Stadtentwicklungskonzept</strong> einen Handlungsrahmen für die Entwicklung der Stadt <strong>Erfurt</strong> im Zeitraum<br />

bis 2020, der von Verwaltung, Politik und Öffentlichkeit gleichermaßen getragen werden soll.<br />

1.3 Aufbau und Herangehensweise<br />

Im Jahr 2003 hat die Stadtverwaltung die Arbeit am Integrierten <strong>Stadtentwicklungskonzept</strong> aufgenommen.<br />

Hierzu konnten die Ansätze aus dem Beitrag der Landeshauptstadt <strong>Erfurt</strong> zum Bundeswettbewerb "Stadtumbau<br />

Ost" im Jahr 2002 verwendet werden. Nach umfänglichen Vorarbeiten und Analysen, die unter anderem<br />

die Bevölkerungsprognose und die Nachfragesituation auf dem Wohnungsmarkt berücksichtigen, wurden<br />

ein übergeordnetes Leitbild der Stadtentwicklung sowie eine Strategie zum Stadtumbau entwickelt.<br />

Unter Berücksichtigung der besonderen Rahmenbedingungen der Landeshauptstadt wurde in Anlehnung an<br />

die oben genannte Thüringer Richtlinie eine veränderte und erweiterte Gliederung mit den drei Bausteinen<br />

• <strong>Stadtentwicklungskonzept</strong>,<br />

• Stadtumbaukonzept und den<br />

• Teilräumlichen Konzepten<br />

vorgenommen, die untereinander in direkter Wechselwirkung stehen:<br />

Das vorliegende <strong>Stadtentwicklungskonzept</strong> ist übergreifend und gesamtstädtisch angelegt. Als städtische<br />

Entwicklungskonzeption mit dem Zeithorizont 2020 werden Prognosen, Demographie und Szenarien (Kap. 2<br />

und 3) dargestellt. Aufbauend auf einem Leitbild werden sektorale und räumliche Entwicklungsziele für die<br />

Gesamtstadt formuliert (Kap. 4). Entsprechend den Vorgaben der oben genannten Förderrichtlinie stehen<br />

dabei Aussagen zur baulich-räumlichen Entwicklung im Vordergrund. Das <strong>Stadtentwicklungskonzept</strong> basiert<br />

auf einem derzeit noch in Bearbeitung befindlichen Stadtentwicklungsprogramm, das in Ergänzung mit sektoralen<br />

Konzeptionen die Entwicklung der Stadt über den Zeitraum 2020 hinaus umfassend beleuchten wird.<br />

7


<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />

Hierin werden baulich-räumliche, soziale, ökonomische und ökologische Aspekte sowie Projekte der Regionalentwicklung<br />

und Lokalen Agenda betrachtet. Das <strong>Stadtentwicklungskonzept</strong> entstand in der Verantwortung<br />

des Stadtentwicklungsamtes.<br />

Das Stadtumbaukonzept stellt das strategische Vorgehen beim Stadtumbau, Voraussetzungen, Folgen<br />

sowie Grundprinzipien und Prioritäten im Stadtumbau dar. Auf Grundlage eines kleinräumig angelegten,<br />

nachfrageorientierten und indikatorengestützten Stadtbeobachtungssystems kann das Stadtumbaukonzept<br />

kurzfristig alle ein bis zwei Jahre aktualisiert werden und mündet in einem Katalog jeweils geeigneter Umsetzungsmaßnahmen<br />

in den Beobachtungsgebieten. Das Stadtumbaukonzept wurde durch das Amt für<br />

Baukoordinierung, Stadterneuerung und Denkmalpflege erstellt.<br />

Hieran schließen sich dann die daraus abgeleiteten Teilräumlichen Konzepte an, von denen das erste der<br />

neue Masterplan II für die <strong>Erfurt</strong>er Großsiedlungen sein wird. In den Folgejahren werden weitere Teilräumliche<br />

Konzepte für die Erweiterte Altstadt, den Gründerzeitgürtel und den Bereich <strong>Erfurt</strong>-Nord erarbeitet.<br />

Das <strong>Stadtentwicklungskonzept</strong> baut auf dem Flächennutzungsplan, den verbindlichen Bauleitplänen und informellen<br />

Planungen sowie den Fachplanungen der Stadt auf. Aufgrund des langfristigen Horizonts werden<br />

dabei aber auch Planungsinhalte in Frage gestellt und Korrekturen insbesondere an den schon viele Jahre<br />

zurückliegenden Planungen empfohlen.<br />

Auch aufgrund der schwierig im Detail vorhersehbaren Entwicklungstrends stellt das <strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />

keine statische Planung dar. Vielmehr soll die Konzeption mit ihren Einzelbausteinen unter dem Dach<br />

klarer inhaltlicher und räumlicher Leitbilder flexibel und anpassungsfähig an neue Trends bleiben. Hierzu bedarf<br />

es einer laufenden Kontrolle und Anpassung hinsichtlich neuer Erkenntnisse, Realisierungschancen und<br />

tatsächlichen Entwicklungen.<br />

Am Beginn des <strong>Stadtentwicklungskonzept</strong>es steht die Darstellung der demografischen Veränderungen und<br />

ihrer vielfältigen Rückwirkungen auf die Entwicklung der Stadt <strong>Erfurt</strong>. Im anschließenden dritten Kapitel "Be-<br />

8<br />

Abb. 1 - Elemente der Stadtentwicklungsplanung


1. Einführung<br />

standsanalyse und Entwicklungstrends" wird herausgearbeitet, welche Faktoren die zukünftige Entwicklung<br />

der Stadt in den einzelnen Aufgabenbereichen bestimmen.<br />

Ausgehend von diesen Gedanken wird in Kapitel 4 ein Leitbild der künftigen Entwicklung formuliert, auf dem<br />

die Definition von neun Zielbereichen aufbaut. Diese wiederum werden durch die Benennung von Handlungsansätzen<br />

und Maßnahmen untersetzt, welche sich an Nachhaltigkeitskriterien orientieren. Künftige Generation<br />

sollen einen Lebensraum vorfinden, der von Entwicklungschancen und nicht von ökologischen, sozialen,<br />

finanziellen und wirtschaftlichen Altlasten geprägt ist. Im Sinne einer nachhaltigen Planung bildet die<br />

Sicherstellung einer hohen Umweltqualität einen zentralen Bestandteil der zukünftigen Stadtentwicklung.<br />

Aufgrund des Querschnittscharakters dieser Aufgabe wurde auf eine eigenständige Ausarbeitung zum Thema<br />

verzichtet. Vielmehr spiegeln sich Umweltbelange in allen Aussagen, beispielsweise zur Siedlungs-, Verkehrs-<br />

und Freiraumentwicklung, wider.<br />

Die Ziele für die Stadtentwicklung sind langfristig angelegt und werden nicht immer zeitnah realisierbar sein.<br />

Knappe finanzielle Mittel oder andere momentanen Zwänge dürfen aber nicht zu Entscheidungen führen, die<br />

diesen Zielstellungen entgegenstehen und ihre spätere Umsetzung gefährden. Vielmehr ist eine Politik der<br />

kleinen Schritte angezeigt, die sukzessive auf die endgültige Zielerreichung hinführt. Notwendig ist die verstärkte<br />

Einbeziehungen der Bewohner in die Planungs- und Stadtumbauprozesse. Neben der Akzeptanz<br />

notwendiger Maßnahmen kann dadurch auch eine stärkere Identifikation des Einzelnen mit "seiner" Stadt<br />

und "seinem" Stadtteil erreicht werden. Diese wiederum ist die Grundvoraussetzung für eine starkes bürgerschaftliches<br />

Engagement, ohne das die Zukunftsaufgaben der Stadtentwicklung nicht bewältigt werden können.<br />

Hierzu wird das vorliegende Material der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und durch den Stadtrat beschlossen.<br />

9


<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />

10


2<br />

2. Demographischer Wandel und Stadtentwicklung<br />

DEMOGRAFISCHER WANDEL UND<br />

STADTENTWICKLUNG<br />

11


<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />

12


2.1 Demographie<br />

2. Demographischer Wandel und Stadtentwicklung<br />

2.1.1 Bevölkerungsentwicklung bis zum Jahr 2004<br />

<strong>Erfurt</strong> hatte seit den späten 50er-Jahren des 20. Jahrhunderts bis zum Jahr 1988 eine stetig steigende Bevölkerungszahl.<br />

Nach der Wende führten zunächst verschiedene ungünstige Einflussfaktoren zu einer Verringerung<br />

der Bevölkerungszahl im heutigen Gebietsstand. So sank nach anfänglichen starken Wanderungsverlusten<br />

in die alten Bundesländer, dem Rückgang der Geburtenzahl durch die Änderung des generativen<br />

Verhaltens und eine starke Suburbanisierung durch den Abbau aufgestauter Wohnwünsche die Bevölkerungszahl<br />

bis zur Jahrtausendwende dramatisch um etwa 40.000 Einwohner. Die Gebietsreform des Jahres<br />

1994 mit der Eingliederung von 18 Gemeinden mit etwa 16.000 Einwohnern überlagerte diesen Prozess<br />

nur zeitweilig. Die Einführung der Zweitwohnungssteuer beeinflusst seit dem Jahr 2003 das Meldeverhalten<br />

positiv.<br />

Anzahl<br />

225.000<br />

Gebietsreform<br />

220.000<br />

215.000<br />

210.000<br />

205.000<br />

200.000<br />

195.000<br />

190.000<br />

185.000<br />

180.000<br />

1950 1953 1956 1959 1962 1965 1968 1971 1974 1977 1980 1983 1986 1989 1992 1995 1998 2001 2004<br />

Abb. 2 - Bevölkerungszahlen in der Stadt <strong>Erfurt</strong> seit 1950<br />

Inzwischen werden Wanderungsverluste in die alten Bundesländer durch Gewinne aus Thüringen kompensiert.<br />

Gleichzeitig ist die Suburbanisierung auf ein sehr geringes Niveau zurückgegangen. <strong>Erfurt</strong> verzeichnet<br />

Wanderungsgewinne aus nahezu allen Kreisen Thüringens. Seit dem Jahr 2002 kann ein weitgehend ausgeglichenes<br />

Wanderungssaldo festgestellt werden.<br />

Anzahl<br />

2.600<br />

2.400<br />

2.200<br />

2.000<br />

1.800<br />

1.600<br />

1.400<br />

1.200<br />

1.000<br />

1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004<br />

Geburten Gestorbene<br />

Einführung Zweiwohnsitzsteuer<br />

Abb. 3 - Entwicklung der natürlichen Bevölkerungsbewegung<br />

13


<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />

Neben der Wanderungsbewegung ist das negative Geburtensaldo (natürliche Bevölkerungsbewegung) eine<br />

wesentliche Hauptkomponente für die Bevölkerungsentwicklung in <strong>Erfurt</strong>. Seit 1990 zeigt sich ein deutlicher<br />

Gestorbenenüberschuss. Die Zahl der Geburten lag im Jahr 1994 auf dem niedrigsten Niveau der letzten<br />

zwei Generationen und hat in den darauf folgenden Jahren nach einem kontinuierlichen Anstieg jährliche<br />

Geburtenzahlen zwischen 1.600 und 1.700 erreicht. Die Zahl der Sterbefälle sank von 1990 bis 1998 kontinuierlich<br />

und schwankt seitdem um einen Wert von 2.000 Personen. Diese Entwicklung des negativen Geburtensaldos<br />

wird wegen des zunehmenden Anteils älterer Menschen und der sinkenden Anzahl von Frauen<br />

im gebärfähigem Alter nachhaltig sein.<br />

Gesunkene Geburtenzahlen und eine Individualisierung persönlicher Lebensziele haben zu einer grundhaften<br />

Veränderung der Haushaltsgrößenstruktur geführt. Inzwischen dominieren Ein- und Zweipersonenhaushalte<br />

die Verteilung. Minderjährige Kinder sind nur noch in 21 Prozent aller Haushalte anzutreffen.<br />

Die Entwicklung der Haushaltsgrößenanteile ergibt sich überwiegend aus der veränderten Altersstruktur,<br />

wobei einerseits der stets in den Haushalten der Eltern zugeordnete Anteil der Kinderjahrgänge gegenüber<br />

den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts stark rückläufig war und andererseits der Anteil der älteren Erwerbsfähigen<br />

und der Senioren deutlich gestiegen ist.<br />

14<br />

in %<br />

35<br />

30<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

1981<br />

26%<br />

23%<br />

24%<br />

27%<br />

1-Personen-Haushalt 2-Personen-Haushalt<br />

2004<br />

3-Personen-Haushalt 4-und-mehr-Personen-Haushalt<br />

Quelle: 1981 - Statistisches Jahrbuch der DDR; 2004 - eigene Modellrechnung mit Haupt- und Nebenwohnsitzern<br />

Stand: 31.12. des jeweiligen Jahres<br />

16%<br />

10%<br />

33%<br />

41%<br />

Abb. 4 - Haushaltsgrößen 1981 und 2004<br />

0 bis 3 3 bis 6 6 bis 15<br />

45 bis 60 bis<br />

80 und<br />

60 65<br />

älter<br />

15 bis 18 bis 25 bis<br />

65 bis<br />

18 25 45<br />

80<br />

1980 2004<br />

Abb. 5 - Altersgruppenstruktur im Vergleich der Jahre 1980 und2004


2. Demographischer Wandel und Stadtentwicklung<br />

2.1.2 Bevölkerungsprognose bis zum Jahr 2020<br />

Vor dem Hintergrund der 10. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamts 1<br />

aus dem Jahr 2003 war die Neuerarbeitung der städtischen Bevölkerungsprognose 2 erforderlich. In den Annahmen<br />

wurden dabei einerseits die globalen Trends als auch lokale Besonderheiten berücksichtigt:<br />

Geburten<br />

− weitgehend konstantes Geburtenverhalten<br />

− gemittelte und geglättete alterspezifische <strong>Erfurt</strong>er Geburtenziffern<br />

(zusammengefasste Geburtenziffer: 1.278)<br />

Sterbefälle<br />

− anfangs gemittelte und geglättete alterspezifische Sterbeziffern<br />

− schrittweise Angleichung an die Lebenserwartung der mittleren Variante der 10. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung<br />

des Statistischen Bundesamtes bis zum Jahr 2020 (Jungen: 78,1 Jahre; Mädchen:<br />

83,3 Jahre)<br />

Wanderungsverhalten<br />

− anfänglich ausgeglichen (mittlere Prognosevariante)<br />

− Berücksichtigung der Nah- und der Fernwanderung<br />

− Betrachtung von drei Wanderungsszenarien<br />

Neben der im Jahr 2020 erwarteten Bevölkerungszahl von 181.400 Personen in der mittleren Prognosevariante<br />

bleiben die Grundaussagen aus der vorangegangenen Prognose unverändert:<br />

• Eine weiterhin zu niedrige Geburtenziffer sichert die einfache Reproduktion der Bevölkerung nicht.<br />

• Die von Jahr zu Jahr niedrigere Anzahl von Frauen im gebärfähigem Alter führt zu langfristig sinkenden<br />

Geburtenzahlen.<br />

• Es wird eine zunehmende Überalterung der <strong>Erfurt</strong>er Bevölkerung eintreten.<br />

Dies hat eine anhaltend und zunehmend schneller schrumpfende Bevölkerung zum Ergebnis. Wanderungsbewegungen<br />

können diese Megatrends nur lokal und kurzfristig beeinflussen. Es ist zu erwarten, dass der<br />

gegenwärtige Ausgleich von Wanderungsverlusten über die Landesgrenze durch Zuwanderung Jungerwachsener<br />

aus Thüringen nur noch wenige Jahre Bestand haben wird. Um das Jahr 2010 beginnend wird<br />

dieser Ausgleich nicht mehr gelingen, da das Potential Jungerwachsener auch in Thüringen insgesamt wegen<br />

der stark reduzierten Geburtsjahrgänge seit den 90er-Jahren massiv zurückgeht. In der Folge dieser<br />

Entwicklung wird eine Verstetigung der Wanderungsverluste erwartet.<br />

Die Prognoseergebnisse sind nachstehend für ausgewählte Merkmale und Jahre für die mittlere Variante<br />

zusammengestellt:<br />

Tabelle 1 - Ergebnisse der Bevölkerungsprognose<br />

Jahr insgesamt<br />

davon<br />

unter 18 Jahre 18 Jahre und älter<br />

Geburten<br />

2004 3 199.088 28.960 170.128 1.725<br />

2010 195.800 26.850 168.950 1.650<br />

2015 189.950 27.200 162.750 1.450<br />

2020 181.400 25.000 156.400 1.200<br />

Auch nach dem Jahr 2020 ist mit einer Umkehr der demographischen Trends nicht zu rechnen, da diese bereits<br />

durch Entwicklungen in der Vergangenheit determiniert sind. Wenn die <strong>Erfurt</strong>er Bevölkerungsentwicklung<br />

ab dem Jahr 2020 analog der für das Land Thüringen prognostizierten Entwicklung verläuft ist im Jahr<br />

2040 mit etwa 156.000 Einwohnern zu rechnen. Wird dagegen eine Fortschreibung der im Jahr 2020 für die<br />

1<br />

Statistisches Bundesamt (Hg.): "Bevölkerung Deutschlands bis 2050 - 10. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung", Wiesbaden,<br />

2003<br />

2<br />

Stadt <strong>Erfurt</strong>, Kommunalstatistisches Heft 48, Bevölkerung in <strong>Erfurt</strong> - Bestandsentwicklung bis 10/2003 und Prognose bis 2020, Dezember<br />

2003<br />

3<br />

Die Zahlen für das Jahr 2004 sind Ist-Werte.<br />

15


<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />

Prognoserechnung der Stadt <strong>Erfurt</strong> zugrunde liegenden Annahmen unterstellt, könnte sich die Einwohnerzahl<br />

im Jahr 2040 bis auf 140.500 verringert haben.<br />

2.1.3 Bevölkerungsentwicklung in den einzelnen Siedlungsstrukturen<br />

Der Rückgang der Bevölkerungszahl in der Stadt insgesamt hat sich in den Siedlungsstrukturen differenziert<br />

ausgewirkt.<br />

Dadurch haben sich die Bevölkerungsanteile deutlich verschoben. Während in der städtischen Siedlungsstruktur<br />

mit 49,4 Prozent der Gesamtbevölkerung Ende des Jahres 2004 ein größerer Bevölkerungsanteil als<br />

im Jahre 1990 wohnt und im dörflichen Bereich nahezu eine Verdopplung aus 21,6 Prozent eingetreten ist,<br />

ist der Bevölkerungsanteil in den Plattenbaustadtteilen um mehr als 10 Prozentpunkte auf nunmehr<br />

29,0 Prozent zurückgegangen. Zahlenmäßig entspricht das einem Rückgang in den Großwohnsiedlungen<br />

(Plattenbau) von 89.440 (1990) auf 57.657 Einwohner im Jahr 2004.<br />

Die Schrumpfung in den Großwohnsiedlungen wird von allen drei Komponenten der Bevölkerungsveränderung,<br />

nämlich Geburtensaldo, Außenwanderungssaldo und innerstädtischem Umzugssaldo getragen. Die<br />

Relation der Teilkomponenten hat sich in den letzten Jahren etwas zueinander verschoben.<br />

Die folgenden Abbildungen zeigen die Entwicklung der Wanderungsbewegungen zwischen den Siedlungstypen<br />

in den Jahren 2000, 2002 und 2004.<br />

16<br />

Prozent<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004<br />

städtisch Plattenbau dörflich<br />

Abb. 6 - Anteil der Bevölkerung in den Siedlungstypen an der Stadt <strong>Erfurt</strong> insgesamt<br />

49,4<br />

29,0<br />

21,6


2. Demographischer Wandel und Stadtentwicklung<br />

Abb. 7 - Wanderungen zwischen den Siedlungsstrukturen und über die Stadtgrenze<br />

17


<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />

2.2 Auswirkungen der Bevölkerungsveränderung im Überblick<br />

Folgen für Wirtschaft und Beschäftigung<br />

Sinkende Einwohnerzahlen und ein vermindertes Konsumverhalten älterer Menschen führen zu einer rückläufigen<br />

Nachfrage nach privaten Gütern und Dienstleistungen. Hierdurch werden sowohl der Arbeitsmarkt<br />

als auch der Immobilienmarkt belastet. Gleichzeitig führt der starke Rückgang der Zahl der in das Erwerbsleben<br />

eintretenden Menschen zu einem Mangel an qualifizierten Fachkräften, was zu einem starken Wettbewerb<br />

der Wirtschaftsstandorte führt.<br />

Folgen für die finanzielle Situation der Kommune<br />

Der Bevölkerungsrückgang führt zu einer Belastung des kommunalen Haushalts. Die Einwohnerzahl beeinflusst<br />

den Gemeindeanteil an der Lohn- und Einkommenssteuer sowie die Schlüsselzuweisungen aus dem<br />

kommunalen Finanzausgleich. Nach Einschätzung der Fachkommission "Stadtentwicklungsplanung" des<br />

Deutschen Städtetages führt der Verlust von einem Einwohner zu rund 650 EURO Mindereinnahmen allein<br />

bei den Schlüsselzuweisungen 4 . Hinzu kommen noch indirekte Effekte. Beispielsweise Abnahme ist mit einer<br />

sinkenden Kaufkraft auch eine verminderter Umsatzsteueranteil verbunden.<br />

Folgen für den Wohnungsmarkt<br />

Mit dem Rückgang der Einwohnerzahlen ist ein sinkender Wohnungsbedarf verbunden. Durch die Abnahme<br />

der Haushaltsgröße und die Zunahme an Einpersonenhaushalten geht der Wohnungsbedarf etwas langsamer<br />

zurück als die Einwohnerzahl. Zu erwarten ist die Fortsetzung eines starken Segregationsprozesses,<br />

d. h. eine Bevölkerungsumverteilung in Richtung "guter" und "schlechter" Wohnlagen. Trotz einer hohen Zahl<br />

an Bestandwohnungen werden insbesondere Familien auch weiterhin den Besitz eines Eigenheimes anstreben.<br />

Gleichzeitig führt der höhere Anteil älterer Menschen zu einem steigenden Bedarf nach altengerechtem<br />

Wohnraum und einem entsprechenden Wohnumfeld. Wohnortnahe Einkaufsmöglichkeiten, ärztliche Versorgung<br />

und eine Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) können jedoch dauerhaft nur in<br />

zentralen Lagen gewährleistet werden. Aufgabe der Stadtentwicklung muss es sein, diesen Anforderungen<br />

entsprechende innerstädtische Angebote zu entwickeln.<br />

Folgen für Infrastruktur- und Dienstleistungseinrichtungen<br />

Der Bevölkerungsrückgang wirkt sich in unterschiedlichem Maße und räumlich differenziert auf kommunale<br />

Infrastruktur- und Dienstleistungseinrichtungen aus. Eine sinkende Nachfrage wird zu einer Ausdünnung des<br />

Angebots im ÖPNV führen. Bei den gebührenfinanzierten Ver- und Entsorgungsleistungen sind hohe Fixkosten<br />

bei sinkenden Verbrauchsmengen auf weniger Nutzer zu verteilen. In der Konsequenz drohen im Bereich<br />

der kommunalen Infrastruktur- und Dienstleistungseinrichtungen langfristig steigende Gebühren und<br />

die Zusammenlegung oder Schließung von Einrichtungen wie Kindertagesstätten, Schulen, Kultureinrichtungen<br />

und Sportstätten.<br />

Herausforderungen für die Stadtentwicklung<br />

Die schlaglichtartig umrissenen Folgen des demographischen Wandels zeigen, mit welch komplexer Problemlage<br />

die zukünftige Stadtentwicklung konfrontiert ist. Trotz unterschiedlicher Prognosen wird der Rückgang<br />

der Einwohnerzahlen nicht aufzuhalten sein. Wichtige Rahmenbedingungen für den Umgang mit dem<br />

demographischen Wandel werden von Bund und Land bestimmt. Dennoch ist es möglich, durch eine vorausschauende<br />

Stadtentwicklungspolitik den Bevölkerungsverlust zu begrenzen und die Stadt frühzeitig auf<br />

die Bewältigung des Wandels vorzubereiten. Wesentliche Handlungsfelder sind dabei die Positionierung der<br />

Stadt im Wettbewerb der Städte, Gemeinden und Regionen um Einwohner sowie Maßnahmen zur Integration<br />

von Zuwanderern.<br />

4 Quelle: Stadt Osnabrück: Wachsende Stadt in einer starken Region, S. 11, oder aber Original finden<br />

18


2. Demographischer Wandel und Stadtentwicklung<br />

2.3 Wohnungsbedarfsprognose<br />

Die wichtigste Ableitung aus der Bevölkerungsprognose ist die nach dem künftigen Bedarf an Wohnungen<br />

und deren Regionalisierung im Stadtgebiet, aus denen planerische Vorgaben künftiger Infrastruktur erwachsen<br />

können.<br />

Da Wohnungen grundsätzlich von Erwachsenen nachgefragt werden und Kinderanteile zwischen den Gebieten<br />

stark schwanken, wurde ein Verfahren zur Fortschreibung der Erwachsenenbevölkerung gewählt. Dieses<br />

Verfahren hat den Vorteil hoher Belastbarkeit, da die durchschnittliche Zahl Erwachsener pro bewohnte<br />

Wohnung eine wenig veränderliche gebietstypische Größe darstellt. Teilkomponenten der Veränderung im<br />

Erwachsenenbestand sind einerseits die Salden aus Zu- und Fortzügen sowie Umzügen sowie andererseits<br />

der jährliche Saldo aus Sterbefällen und der Anzahl derer die Erwachsen (18jährig) werden. Der letztgenannte<br />

Saldo ist insbesondere künftig die bestimmende Einflussgröße nicht nur für die Stadt insgesamt,<br />

sondern auch für deren Teilgebiete.<br />

Die Abb. 8 stellt diese Entwicklung für die Stadt insgesamt bis zum Jahr 2020 dar.<br />

Personen<br />

3.000<br />

2.500<br />

2.000<br />

1.500<br />

1.000<br />

1994 1996 1998 2000 2002 2004 <strong>2006</strong> 2008 2010 2012 2014 2016 2018 2020<br />

Ableitbar ist, dass die Erwachsenenzahl aus diesem Saldo in den nächsten Jahren noch Zuwächse erhalten<br />

wird um sich dann stetig zu reduzieren. In der Folge wird bis um das Jahr 2010 der Wohnungsbedarf zunächst<br />

noch steigen um dann stetig zurückzugehen.<br />

Prozent<br />

110<br />

100<br />

90<br />

80<br />

70<br />

60<br />

18jährige Gestorbene ab 2005 Prognoseergebnisse<br />

Abb. 8 - Entwicklung der Sterbefälle und der 18jährigen Bevölkerung<br />

2004 2005 <strong>2006</strong> 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020<br />

Stadt dörflich städtisch Plattenbau Süd Plattenbau Nord<br />

Abb. 9 - Wohnungsbedarfsprognose<br />

19


<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />

Je kleinräumiger die Prognose erfolgt um so größere Unschärfen können in den Prognosewerten eintreten.<br />

Da die <strong>Erfurt</strong>er Bevölkerung aber starke Bindungen an die jeweils eigene Siedlungsstruktur entwickelt hat, ist<br />

es vertretbar teilräumliche Prognosen für die Bereiche städtisch und dörflich, Plattenbau Nord (Berliner<br />

Platz, Rieth, Roter Berg, Moskauer Platz und Johannesplatz) und Plattenbau Süd (Melchendorf, Wiesenhügel<br />

und Herrenberg) abzuleiten. 5<br />

Tabelle 2 - Prognose des Wohnungsbedarfs in Teilgebieten der Stadt<br />

Gebiet<br />

2004 2010 2015 2020<br />

20<br />

Haushalte<br />

städtisch 50.820 54.200 54.400 54.000<br />

Plattenbau 30.294 26.800 23.800 21.700<br />

dörflich 17.310 17.900 17.500 16.900<br />

Stadt insgesamt 98.424 98.900 95.700 92.600<br />

darunter<br />

Plattenbau Süd 12.774 11.600 10.500 9.800<br />

Plattenbau Nord 17.520 15.200 13.300 11.900<br />

Mittelfristig wird in Teilbereichen der Stadt eine Stabilisierung erwartet. Während in den Großwohnsiedlungen<br />

bis 2020 die Nachfrage gegenüber heute um weitere 8.600 Wohnungen zurückgehen wird, wird im Siedlungstyp<br />

"städtisch" im gleichen Zeitraum mit einem Zuwachs um weitere 3.200 Wohnungen gerechnet, bis<br />

2015 sogar kurzfristig bis zu 3.600 WE. Dies ist nicht nur eine mittelfristige Stabilisierung, sondern ein erhebliches<br />

Wachstumspotenzial, das für den Stadtumbau positiv genutzt werden kann. Hier liegen Möglichkeiten,<br />

<strong>Erfurt</strong> im innerstädtischen Siedlungsbereich noch deutlich attraktiver als heute zu machen. Dennoch muss<br />

langfristig davon ausgegangen werden, dass in allen Teilgebieten die Zahl Wohnungen nachfragender<br />

Haushalte schrumpfen wird.<br />

5 Die Siedlungsstruktur bildet die Zusammenfassung ähnlich strukturierter Stadtteile ab.


2. Demographischer Wandel und Stadtentwicklung<br />

2.4 Stadtbeobachtungssystem<br />

Die gewollte Flexibilität der Stadtentwicklungsplanung setzt eine laufenden Beobachtung aktueller Entwicklungen<br />

voraus. Planerische Reaktionen müssen stets frühzeitig möglich sein, um gewollte oder ungewollte<br />

Entwicklungen beeinflussen zu können. Zur Untersetzung dieser Aufgabe wurde ein Stadtbeobachtungssystem<br />

6 konzipiert und aufgebaut. Dieses soll für die Stadt und für genau definierte Beobachtungsgebiete die<br />

langfristige Beobachtung der Entwicklung ermöglichen.<br />

Zur Sicherung der langfristigen Stabilität der Raumbezüge wurden die zu beobachtenden Gebietseinheiten<br />

detailliert abgestimmt. Prämissen für die Gebietsdefinition waren, dass die Beobachtungsgebiete<br />

− sich mindestens aus mehreren Baublöcken zusammensetzen,<br />

− in sich eine Struktur aufweisen, die eine gleichartige Entwicklung des gesamten Beobachtungsgebietes<br />

erwarten lässt,<br />

− keine Stadtteilgrenzen schneiden und<br />

− das Stadtgebiet flächendeckend abbilden.<br />

Damit entstand eine neue Ebene der Stadtgebietsgliederung.<br />

Es wurde ein Indikatorenset erarbeitet, welches die Zahl der Indikatoren auf ein Minimum beschränkt und<br />

damit überschaubar bleibt.<br />

Auf Grund der Abweichung von der traditionellen Gliederung auf Basis von Einheiten der Kleinräumigen<br />

Gliederung ergibt sich eine wesentliche Einschränkung bezüglich der Indikatoren. Darstellbar sind nur solche<br />

Indikatoren, die mit einem Adressbezug möglichst flächendeckend vorliegen. Dies betrifft die flächendeckenden<br />

kommunalen Register:<br />

− Melderegister,<br />

− Statistische Gebäudedatei und<br />

− Kfz-Register.<br />

Bei externen Datenquellen und solchen mit besonders sensiblen Daten ergeben sich Einschränkungen in<br />

der Verortbarkeit und damit im Gebietsbezug. Es wird unterstellt, dass auf deren Nutzung dennoch nicht<br />

verzichtet werden kann, so dass sie als Ergänzungsindikator gebraucht werden. Dies betrifft die Daten der<br />

Bundesagentur für Arbeit und des Sozialamts.<br />

Die Indikatoren werden entweder direkt aus den Registern abgeleitet oder entstehen durch Verknüpfungen.<br />

In wenigen Fällen sind Modellrechnungen erforderlich, um aussagekräftige Indikatoren abzuleiten (Haushaltsquoten,<br />

Leerstandsquoten). Die Kenntnis der Indikatorenbeschreibung ist eine wesentliche Voraussetzung<br />

zur Nutzung des Beobachtungssystems. Das vorliegende Indikatorenset umfasst nunmehr vier Eckdaten,<br />

sechzehn Indikatoren und drei Ergänzungsindikatoren. Das Stadtbeobachtungssystem mit seinem Indikatorenset<br />

bildet die Basis für die Nachfrageabschätzung an Wohnungen in den Quartieren im Rahmen des<br />

Stadtumbaukonzeptes (Teil B).<br />

Die Berechnung erfolgt für verschiedene räumliche Aggregatebenen (Beobachtungsgebiete, Stadtteile, subcity<br />

units des Urban Audit der Europäischen Union, Siedlungsstruktur und Stadt insgesamt). Die Ergänzungsindikatoren<br />

werden für Gebietseinheiten oberhalb der Stadtbeobachtungsgebiete dargestellt.<br />

6 Indikatorenkatalog Beobachtungsgebiete im Stadtbeobachtungssystem, Stadtverwaltung <strong>Erfurt</strong>, September 2003<br />

21


<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />

22


3<br />

3. Bestandsanalyse und Entwicklungstrends<br />

BESTANDSANALYSE UND<br />

ENTWICKLUNGSTRENDS<br />

23


<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />

24


3. Bestandsanalyse und Entwicklungstrends<br />

3.1 Regionale Einordnung<br />

Die Entwicklungsperspektiven einer Kommune werden wesentlich durch ihre Lage, Konkurrenzsituation und<br />

Wechselwirkungen mit anderen Städten und Gemeinden bestimmt. Obwohl <strong>Erfurt</strong> in der geographischen<br />

Mitte Deutschlands und des "neuen" Europas liegt, entspricht die überregionale Bedeutung der Stadt derzeit<br />

nur partiell dieser geographischen Zentralität. Folgende Faktoren sind bei der Beurteilung der Entwicklungschancen<br />

der Stadt von Bedeutung:<br />

<strong>Erfurt</strong> ist der bedeutendste Bevölkerungs-, Wirtschafts-, Verwaltungs- und Arbeitsmarktschwerpunkt in Thüringen<br />

mit teilweiser Ausstrahlung auf die Grenzregionen der benachbarten Bundesländer. Die zentrale Lage<br />

der Stadt innerhalb des Landes, die hohe Versorgungs- und Wirtschaftskraft sowie die Funktion als Landeshauptstadt<br />

bestimmen die Bedeutung für den gesamten thüringischen Raum. Dementsprechend weist der<br />

Landesentwicklungsplan LEP 2004 der Stadt die Funktion eines Oberzentrums zu.<br />

Abb. 10 - Raumstrukturen aus LEP<br />

<strong>Erfurt</strong> bildet das Zentrum einer Stadtregion, zu der neben dem überwiegend ländlich geprägten unmittelbaren<br />

Umland auch der Kranz der Mittelstädte Gotha, Arnstadt, Weimar und Sömmerda zählt. Nach Einschätzung<br />

des Leipziger Instituts für Wirtschafts- und Regionalentwicklung haben im europäischen Wettbewerb<br />

vor allem Ballungsräume von mindestens 5 Mio. Einwohnern sowie Agglomerationsräume mit großen leistungsfähigen<br />

Oberzentren (>300.000 EW) und einer hohen Verdichtung im Umland besonders günstige<br />

Entwicklungsperspektiven als Wirtschaftsstandort 7 . Der engere Raum <strong>Erfurt</strong> mit rund 460.000 Einwohnern<br />

(Stand 2000) ist - im Gegensatz etwa zu den nächstgelegenen Agglomerationsräume Halle/Leipzig und<br />

Nürnberg/Fürth/Erlangen - weder derzeit noch zukünftig in der Lage, diesen Anforderungen zu entsprechen.<br />

7 Institut für Wirtschafts- und Regionalentwicklung (Hg.) : „Raumstrukturelle Entwicklung in Thüringen“ (REIT-Studie), Leipzig 2002<br />

25


<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />

Ein wichtiger Entwicklungsfaktor ist daher die<br />

Lage <strong>Erfurt</strong>s im Zentrum der Thüringer Städtekette.<br />

Insbesondere in den Bereichen Wirtschaft,<br />

Hochschulen und Kultur bestehen intensive<br />

Verflechtungsbeziehungen im Abschnitt<br />

Eisenach-<strong>Erfurt</strong>-Jena. Dieser Raum<br />

wird in einem Gutachten des Leipziger Leibniz-Instituts<br />

für Länderkunde als ein der vier<br />

"Stabilitätsinseln" gesehen, die sich innerhalb<br />

eines flächendeckenden Schrumpfungsprozesses<br />

in Ostdeutschland zukünftig<br />

durch einen vergleichsweise geringen Bevölkerungsrückgang<br />

und eine relative Ausbildungs-<br />

und Arbeitsplatzattraktivität auszeichnen<br />

werden 8 . Ein Schwerpunkt des<br />

kommunalen Handelns muss daher eine Intensivierung<br />

der Zusammenarbeit der Städte<br />

sein, um "fehlende Ballungsraumvorteile"<br />

ausgleichen zu können.<br />

Festzuhalten bleibt, dass der wirtschaftliche<br />

Erfolg der Stadt <strong>Erfurt</strong> und das Maß des<br />

Einwohnerverlustes in der Stadt <strong>Erfurt</strong> in hohem<br />

Maße von der Entwicklung in der Region<br />

und in Thüringen insgesamt abhängig ist.<br />

Der Einwohnerverlust in Thüringen führt<br />

zwangsläufig zu einer sinkenden Einzelhandelsnachfrage<br />

und einem Abbau von Verwaltungskapazitäten<br />

in <strong>Erfurt</strong>. Umgekehrt stärken<br />

Ansiedlungserfolge in der Region - wie<br />

etwa das künftige Kompetenzzentrum zur<br />

Wartung und Instandhaltung von Airbus-<br />

Triebwerken in Arnstadt - auch das Oberzentrum<br />

<strong>Erfurt</strong>.<br />

Die Zentralität und somit auch der zukünftige wirtschaftliche Erfolg von Stadt und Region sind zudem stark<br />

abhängig von der Fertigstellung laufender und geplanter Verkehrsinfrastrukturmaßnahmen in Verantwortung<br />

des Bundes. Durch die Realisierung der Autobahn A 71 im Abschnitt <strong>Erfurt</strong>-Meiningen sind die Verflechtungsbeziehungen<br />

insbesondere zwischen dem Raum Ilmenau und <strong>Erfurt</strong> stärker geworden. Mit der durchgehenden<br />

Fertigstellung der Autobahnen A 71 und A 73 nach Süden wird eine bessere Anbindung an die<br />

dynamischen Wirtschaftsräume im Süden und Südwesten Deutschlands erzielt. Zugleich aber wird sich eine<br />

neue Konkurrenzsituation zu den Städten Schweinfurt, Würzburg, Coburg und Bamberg um Kaufkraftpotentiale<br />

aus dem Raum Südthüringen/Nordfranken ergeben. Der Bau der Autobahn zwischen Eisenach und<br />

Kassel wird zur Verbesserung der Erreichbarkeit des Wirtschaftsraumes Nord-West-<br />

Deutschland/Niederlande beitragen. Belastet wird die Entwicklungsperspektive der Stadt durch Unklarheiten<br />

hinsichtlich der Fertigstellung der ICE-Neubaustrecke München-<strong>Erfurt</strong>-Berlin.<br />

Die demographische Entwicklung lässt innerhalb der Region Umschichtungen großen Ausmaßes erwarten.<br />

Die verbleibenden Menschen werden sich für Wohnstandorte mit den größten Vorteilen entscheiden. Dadurch<br />

verliert das weitere Umland immer schneller Einwohner. <strong>Erfurt</strong> wird zum Ballungsraum der verbleibenden<br />

Bevölkerung und hat dann als Agglomerationsmagnet noch größere Bedeutung für die Entwicklung Thüringens<br />

als bisher.<br />

8<br />

Leibnitz-Institut für Länderkunde (Hg.): "Regionale Differenzierung der demographischen Entwicklung in den neuen Ländern", Leipzig<br />

2004<br />

26<br />

Abb. 11 - Raumkategorien


3.2 Siedlungsentwicklung und Stadtstruktur 9<br />

3. Bestandsanalyse und Entwicklungstrends<br />

Die Entwicklungsperspektiven einer Stadt leiten sich u. a. aus den Besonderheiten der jeweiligen Stadtstruktur<br />

ab. Diese wird maßgeblich durch naturräumliche Voraussetzungen und den Einfluss politischer, ökonomischer<br />

und sozialer Veränderungen bestimmt.<br />

3.2.1 Naturräumliche Gegebenheiten<br />

Die Stadt <strong>Erfurt</strong> liegt im Zentrum des flachwelligen Thüringer Beckens zwischen dem Thüringer Wald im Süden<br />

und dem Harz im Norden. Das kompakt bebaute Stadtgebiet erstreckt sich hauptsächlich in der flachen<br />

Gera-Unstrut-Niederung in einer Höhenlage zwischen ca. 160 m NN und 200 m NN sowie auf den flach bis<br />

mittel geneigten Hängen des <strong>Erfurt</strong>-Kranichfelder Hügellandes, der südwestlichen Ausläufer der Fahner Höhe<br />

und des Alach-Gamstädter Lössplateaus bis in Höhen über 300 m NN. Der Talboden des Geratales ist im<br />

Südwestteil des Stadtgebietes nur 200 m bis 500 m schmal und weitet sich nach Norden bis auf eine Breite<br />

von 8 km.<br />

3.2.2 Historische Entwicklung<br />

Die erste urkundliche Erwähnung als Erphesfurt stammt aus dem Jahr 742. Bedingt durch die Lage am<br />

Kreuzungspunkt alter deutscher und europäischer Handelsstraßen, entwickelte sich <strong>Erfurt</strong> im Mittelalter zu<br />

einem wichtigen Handelszentrum. Mit ca. 18.000 bis 20.000 Einwohnern erblühte die Stadt im 14. und 15.<br />

Jahrhundert zu einer mittelalterlichen Großstadt und erreichte damit den Gipfel ihrer wirtschaftlichen, politischen<br />

und geistig-kulturellen Entwicklung im Mittelalter. Großen Anteil hieran hatte die 1392 gegründete <strong>Erfurt</strong>er<br />

Universität.<br />

Im späten Mittelalter jedoch begann ein wirtschaftlicher Niedergang, der sich bis zum Ende des Dreißigjährigen<br />

Krieges 1618 - 1648 fortsetzte. Während der Zeit der politischen Abhängigkeit der Stadt von den Mainzer<br />

Erzbischöfen wurden im 17. und 18. Jahrhundert bedeutende Bauvorhaben, wie der Ausbau von Petersberg<br />

und Cyriaksburg zu Festungen, der Neubau der Statthalterei am Hirschgarten sowie des Waage- und<br />

Packhofes am Anger, ausgeführt. Eine entscheidende Verbesserung der wirtschaftlichen Lage gelingt dagegen<br />

trotz der Bemühungen einzelner kurmainzischen Statthalter nicht. Eine Ausnahme bildet der erwerbsmäßige<br />

Gartenbau, dessen Grundalgen in dieser Zeit durch Johann Christian Reichart geschaffen wurden.<br />

1802 erfolgte die Angliederung <strong>Erfurt</strong>s an den preußischen Staat. Mit Bau der Eisenbahn 1849 wurde eine<br />

sprunghafte Stadtentwicklung eingeleitet. Wesentlich für die Herausbildung der heutigen Stadtstruktur war<br />

die Entfestigung der Stadt zwischen 1871 und 1898. Im Jahre 1906 erreichte <strong>Erfurt</strong> die 100.000-Einwohner-<br />

Grenze und wurde zur Großstadt. Mit der Entfestigung wurde die Voraussetzung für bis heute strukturbestimmende<br />

Maßnahmen geschaffen: Durch den Bau des Flutgrabens wurde die Überschwemmungsgefahr<br />

für die Stadt beseitigt. Gleichzeitig konnte das Flussbett der Wilden Gera im Verlauf des ersten mittelalterlichen<br />

Mauerringes zugeschüttet und zum Bau einer Ring-Straße (heute Juri-Gagarin-Ring) genutzt werden.<br />

Außerhalb des zweiten Mauerring entstanden zwischen 1875 und 1905 mit dem so genannte Gründerzeitgürtel<br />

neue Vorstädte. 1906 erreichte <strong>Erfurt</strong> die 100.000-Einwohner-Grenze und wurde zur Großstadt. Getragen<br />

von einer dynamischen industriellen und gewerblichen Entwicklung entstanden unter anderem im<br />

Brühl, vor allem aber im Norden und Osten der Stadt wichtige Industriestandorte.<br />

Zugleich vollzog sich ein großer Stadtumbau- und Modernisierungsprozess, der das Bild aber auch die<br />

Funktionen und die Identität der Stadt bis heute prägt: An die Stelle kleinteiliger Bebauung etwa entlang des<br />

Angers traten neue Wohn- und Geschäftshäuser, Verwaltungsgebäude wie das Neue Rathaus oder die<br />

Hauptpost entstanden. Rund um den neuen Bahnhof wurde ein großstädtisches Bahnhofsviertel errichtet.<br />

Synonym hierfür waren die Hotels „<strong>Erfurt</strong>er Hof“ und „Kossenhaschen“. Traditionsreiche Einrichtungen wie<br />

Alte Oper, Theater, Stadtgarten und die kulturelle Nutzung des ehemaligen Pack- und Waagehofes (Angermuseum)<br />

haben ihre Wurzeln in dieser Zeit. Wesentlicher Bestandteil des Umbauprozesses war zudem die<br />

Schaffung verschiedener Promenaden und städtischer Parkanlagen wie der Hirschgarten, die Grünanlage<br />

auf der Cyriaksburg und insbesondere die Schaffung der Grünbereiche entlang des Flutgrabens. 10<br />

Zugleich wurden am Rand der Stadt technische und soziale Infrastruktureinrichtungen errichtet, die noch<br />

heute für die Stadtentwicklung von Bedeutung sind. Beispiele hierfür sind die heute von Universität und<br />

9 Landeshauptstadt <strong>Erfurt</strong>, Stadtverwaltung, Dezernat Stadtentwicklung, Verkehr und Wirtschaftsförderung, Stadtentwicklungsamt<br />

(Hg.): „Flächennutzungsplan der Landeshauptstadt <strong>Erfurt</strong>“, Erläuterungsbericht<br />

10 Dr. Bauer, A.: „<strong>Erfurt</strong>er Vereine im 19. Jahrhundert“. In: Stadt und Geschichte, Sonderheft 4 - „Preußen in <strong>Erfurt</strong>“, S. 22 ff.<br />

27


<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />

Fachhochschule genutzten Gebäude der Kunstgewerbeschule am Hügel und der Königlichen Baugewerkeschule<br />

an der Schlüterstraße, der Krankenhausstandort in der Nordhäuser Straße, die Betriebsstätten der<br />

Straßenbahn in der Magdeburger Allee, der Kraftwerksstandort Iderhoffstraße und die umfänglichen Bahnanlagen<br />

im Osten der Stadt.<br />

Nach dem ersten Weltkrieg setzte sich die Entwicklung <strong>Erfurt</strong>s zu einer modernen Großstadt fort. Insbesondere<br />

wurden die Grundlagen für die heute strukturbestimmenden Sport- und Verwaltungsstandorte geschaffen:<br />

Im Süden entstanden die Mitteldeutsche Kampfbahn, die Thüringenhalle sowie Verwaltungsgebäude im<br />

Bereich der Arnstädter Straße, in der nördlichen Gera-Aue die Radrennbahn und das Nordbad. Zeitgleich errichtete<br />

man bis in die 30er Jahre hinein reine Wohnsiedlungen am Stadtrand. 1935 wurde mit dem Bau der<br />

Wohnanlage Moritzhofes im Andreasviertel mit der Altstadtsanierung begonnen.<br />

<strong>Erfurt</strong> hat den zweiten Weltkrieg - im Vergleich zu anderen Städten - relativ unbeschadet überstanden.<br />

Gleichwohl waren empfindliche Verluste an wertvoller Gebäudesubstanz zu verzeichnen. Nachdem für den<br />

vollständigen Wiederaufbau des Augustinerklosters eine Lösung gefunden wurde, steht dieses für die Barfüßerkirche<br />

und das Collegium Majus noch heute aus.<br />

Nach 1945 und hauptsächlich in den 60er Jahren setzte durch eine extensive Wohnungsbauentwicklung die<br />

dritte große Stadterweiterung ein, die bis Ende der 80er Jahre andauerte. Motor der Stadtentwicklung waren<br />

die Weiterentwicklung der traditionsreichen Industrien sowie die Funktion als Bezirksstadt. Bedingt durch die<br />

topographische Situation hat <strong>Erfurt</strong> in dieser Periode eine deutliche Nord-Süd-Ausrichtung erfahren. Ausgehend<br />

von den Industrieansiedlungen des 19. Jahrhunderts wurden im Norden die Großwohnsiedlungen Johannesplatz,<br />

Rieth, Berliner Platz, Moskauer Platz und Roter Berg mit ca. 20.000 Wohnungen erbaut. Im<br />

Südosten sind bandartig die Großwohnsiedlungen Herrenberg, Wiesenhügel, Drosselberg und Buchenberg<br />

mit insgesamt ca. 14.500 Wohnungen entstanden. Durch diese Entwicklung wurden die ehemals dörflich<br />

geprägten Ortschaften Gispersleben sowie Melchendorf und Windischholzhausen an den Stadtkörper angebunden.<br />

Die fast ausschließliche Ausrichtung auf den Bau von Großwohnsiedlungen führte zur Vernachlässigung<br />

der Erhaltung und Erneuerung der Innenstadt. Hinzu kam in den 70er und 80er Jahren ein bewusster<br />

Umbauprozess: am südlichen und östlichen Ring sowie am Huttenplatz hielt der Plattenbau Einzug in die Innenstadt,<br />

Ambitionen zur Schaffung eines Straßenrings beschleunigten den Verfall des Andreasviertels.<br />

Die 90er Jahre nach der politischen Wende 1989/90 waren von einer regen Bautätigkeit geprägt. Bestimmende<br />

Faktoren waren dabei zum einen die in der gesamten ehemaligen DDR zu beobachtende "nachholende<br />

Entwicklung" etwa im Bereich des Eigenheimbaus und des Einzelhandels, zum anderen die Entscheidung,<br />

<strong>Erfurt</strong> zur Landeshauptstadt des neu gegründeten Freistaates Thüringen zu machen.<br />

Es wurden Einkaufszentren im Bereich der Äußeren Stadt, Bürohäuser im Raum Bindersleben, die neue<br />

Messe und weiterer Neubauten im Bereich der Inneren Stadt errichtet. Der aufgestaute Bedarf im Einfamiliehausbau<br />

erforderte eine zügige Ausweisung von entsprechenden Bauflächen. Mit dem Wohngebiet Ringelberg<br />

erfolgte eine größere Stadterweiterung im Osten der Stadt. Neu errichtete und umgenutzte Einrichtungen<br />

der Landesregierung konzentrieren sich heute zwischen Innenstadt und Steigerwald. Mit der Nutzung<br />

der barocken Statthalterei am Hirschgarten als Sitz des Ministerpräsidenten hat die Innenstadt auch eine repräsentative<br />

Funktion der Landesregierung übernommen.<br />

Parallel zur Flächenexpansion fielen im Zusammenhang mit Betriebsaufgaben zahlreiche ehemals gewerblich<br />

genutzte Flächen brach. Vergessen wird jedoch oft, dass seit 1990 zahlreiche Brachflächen neuen Nutzungen<br />

zugeführt wurden: Beispielhaft genannt seien die Kaufhausstandorte in der Schlösserstraße und<br />

neue Quartiere auf ehemaligen Gewerbeflächen am Stadtpark, in der Häßlerstraße und der Rudolfstraße.<br />

Darüber hinaus wurden - beispielsweise durch die Entwicklung des Venedig und der Öffnung des Petersberges<br />

- innerstädtische Freiraumpotenziale aktiviert.<br />

Ein zentraler Schwerpunkt der <strong>Erfurt</strong>er Stadtentwicklung seit 1990 ist die Sicherung der vom Verfall bedrohten<br />

Altbausubstanz. Mit der 1990 durch das Land ausgelösten "Thüringer Initiative zur Gebäudesicherung"<br />

sollte neben dem Erhalt der denkmalpflegerischen und städtebaulichen Werte auch dem Mangel an Wohnraum<br />

begegnet werden. Auf Grund der historischen und baukünstlerischen Bedeutung der Altstadt und der<br />

dort anstehenden städtebaulichen, baulichen und sozialen Missstände wurde bereits 1991 fünf Gebiete mit<br />

einer Fläche von ca. 20 ha förmlich als Sanierungsgebiete festgesetzt. 1992 schließlich wurde das Gesamtgebiet<br />

"Erweiterte Altstadt" als Sanierungsgebiet festgesetzt.<br />

Das Gesetz zur Neugliederung der Kreise in Thüringen verfügte 1994 die Eingemeindung von 17 Ortschaften<br />

in das Stadtgebiet von <strong>Erfurt</strong>. Mit dieser administrativen Stadterweiterung vergrößerte sich die Fläche der<br />

28


3. Bestandsanalyse und Entwicklungstrends<br />

Landeshauptstadt von ca. 10.706 ha auf ca. 26.908 ha. Dem Flächenzuwachs von gut 150 % stand ein Einwohnerzuwachs<br />

von lediglich 6,8 % gegenüber.<br />

Mit der Gebietsreform erfolgte eine Ost-West-Ausrichtung der Stadt. Entlang der Weimarischen Straße<br />

zeichnet sich ein Siedlungsband <strong>Erfurt</strong>-Linderbach-Güterverkehrszentrum ab. Im Westen der Stadt finden<br />

vermehrt Entwicklungen in Richtung Flughafen/Bindersleben und Messe/Schmira statt, da sowohl hinsichtlich<br />

technischer Erschließung als auch der verkehrlichen Anbindung günstige Voraussetzungen für Wohnungsbauerweiterungen<br />

und Gewerbeansiedlungen gegeben sind. Durch die Planung der Wohngebiete im<br />

Westen (Marbach) und im Osten (Ringelberg) wurde die Achsenentwicklung Ost - West weiter gestärkt und<br />

das Gesamtgefüge der Stadt in eine flächige Ausgewogenheit gebracht.<br />

3.2.3 Stadträumliche Gliederung<br />

Aufgrund der oben skizzierten Entwicklungsphasen der Stadtentwicklung gliedert sich das <strong>Erfurt</strong>er Stadtgebiet<br />

in vier räumliche Teilbereiche:<br />

Erweiterte Altstadt mit City<br />

Die Erweiterte Altstadt umfasst mit einer Fläche von ca. 300 ha das Gebiet zwischen Straße der Friedens,<br />

Rudolfstraße, Biereyestraße, Gutenbergstraße, Moritzwallstraße und Schlüterstraße im Westen und Norden<br />

sowie dem die östliche und südliche Grenze bildenden Flutgraben. Der in diesem Areal liegende mittelalterliche<br />

Stadtkern <strong>Erfurt</strong>s ist einer der am besten erhaltenen und mit ca. 150 ha der flächenmäßig größte<br />

Deutschlands.<br />

Die Erweiterten Altstadt ist durch vielfältige Handels- und gastronomische Einrichtungen geprägt. Öffentliche<br />

Verwaltung, Dienstleistungsunternehmen, Freizeitanbieter sowie Gesundheitseinrichtungen nutzen ebenfalls<br />

die Vorteile dieser zentralen Lage. Das Rückgrat dieses klassischen Stadtzentrums (City) bilden die Straßenzüge<br />

Bahnhofstraße (Bahnhof) - Schlösserstraße - Fischmarkt (Rathaus) - Domplatz und Kaufmannskirche<br />

(Anger 1) - Anger - Neuwerkstraße - Hirschgarten. Die Angerkreuzung als Schnittpunkt dieser Achsen<br />

ist der Ort mit der höchsten innerstädtischen Zentralität.<br />

Eine Besonderheit <strong>Erfurt</strong>s ist der<br />

hohe Anteil innerstädtischer<br />

Wohnfunktionen. Neben einer<br />

flächendeckenden Nutzungsmischung<br />

etabliert sich das kleinteilige<br />

Andreasviertel als beliebtes<br />

innerstädtisches Wohngebiet.<br />

Weitere Wohnnutzungen finden<br />

sich südwestlich der Langen Brücke<br />

bis hin zur Walkmühlstraße<br />

sowie entlang des Juri-Gagarin-<br />

Ringes in Form von Wohnscheiben<br />

in industrieller Bauweise.<br />

Innere Stadt<br />

Die Innere Stadt wird im Wesentlichen<br />

durch den sich ringförmig<br />

um die erweiterte Altstadt schließende<br />

Gründerzeitgürtel gebildet.<br />

Daneben gehören die in den 20er<br />

und 30er Jahren sowie zwischen<br />

1954 bis 1965 im Charakter der<br />

Gartenstadt entstandene Wohngebiete<br />

sowie der in industrieller<br />

Bauweise errichtete Johannesplatz<br />

(ab 1965) und Huttenplatz<br />

(80er Jahre) zur Inneren Stadt.<br />

Der sich an die erweiterte Altstadt<br />

anschließende Gründerzeitgürtel<br />

ist durch seine Blockbebauung mit<br />

Abb. 12 - Stadträumliche Gliederung<br />

29


<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />

überwiegender Wohnnutzung gekennzeichnet. In den östlichen und nordwestlichen Randlagen finden sich<br />

aber auch gemischt strukturiert bzw. vorrangig gewerblich genutzte Bereiche.<br />

Äußere Stadt<br />

Die Äußere Stadt umfasst das gesamte übrige, kompakt bebaute Stadtgebiet. Dazu zählen die Großwohnsiedlungen<br />

in Norden und Südosten der Stadt, das neu entstandene Wohngebiet am Ringelberg sowie die<br />

Siedlungsbänder, welche sich in Richtung Messe/Schmira, Flughafen/Bindersleben, Mittelhausen, Stotternheim<br />

sowie entlang der Weimarischen Straße bis Linderbach herausgebildet haben.<br />

Neben den zuvor genannten Wohnnutzungen der Großwohnsiedlungen und am Ringelberg befinden sich in<br />

der Äußeren Stadt typische Arbeitersiedlungen der 30iger Jahre, wie z. B. Sulzer Siedlung, Salinesiedlung,<br />

Peterbornsiedlung, sowie neue Einfamilienhausgebiete, wie z. B. An der Weinsteige in Bindersleben, Entwicklungsmaßnahme<br />

Nordhäuser Straße oder An den Teichen in Windischholzhausen.<br />

Die Äußere Stadt ist typischerweise auch der Bereich für industrielle und gewerbliche Nutzungen. Ausgehend<br />

von den traditionellen Industrie- bzw. Gewerbegebieten im Norden der Stadt entwickelten sich bandartig<br />

vorrangig von Gewerbe geprägte Bereich bis nach Mittelhausen und Stotternheim. Weitere Schwerpunkte<br />

gewerblicher Nutzungen sind Standorte im Südosten sowie das Siedlungsband entlang der Weimarischen<br />

Straße bis hin zum Güterverkehrszentrum in Linderbach. Gemischt strukturierte Bereiche verbinden die<br />

Wohn- und Gewerbenutzungen miteinander.<br />

Peripherie<br />

Das kompakt bebaute Stadtgebiet wird von einer zwei bis fünf Kilometer tiefen, typischen "Stadtrandzone" -<br />

der Peripherie - umschlossen. Sie umfasst den Großteil der eingemeindeten Dörfer.<br />

Diese Zone ist geprägt durch landwirtschaftliche Nutzflächen und eine Vielzahl von Kleingartenanlagen. Die<br />

Ortschaften weisen zumeist eine typisch ländliche Mischnutzung auf. Jedoch findet sich fast in jeder Ortschaft<br />

ein, zumeist noch vor der Gebietsreform geplantes, Einfamilienhausgebiet, das nicht in jedem Fall eine<br />

harmonische Abrundung der dörflichen Strukturen darstellt. Insbesondere Marbach hat sich zu einem bedeutenden<br />

Wohnstandort entwickelt. In einigen Ortschaften wurden zusätzlich Gewerbegebiete ausgewiesen,<br />

wobei Kerspleben als das Bedeutendste dieser Kategorie zu nennen ist.<br />

3.2.4 Siedlungsstruktur der Stadtregion<br />

Die Stadtregion <strong>Erfurt</strong> als engerer Verflechtungsbereich der Landeshauptstadt umfasst das in weiten Teilen<br />

ländlich geprägte Umland und den Kranz der Mittelstädte Gotha, Arnstadt, Weimar und Sömmerda. In diesem<br />

Gesamtraum ist zwischen 1990 und 2004 ein Rückgang von rund 479.000 Einwohnern auf 453.000<br />

Einwohner zu verzeichnen gewesen. Dabei sind jedoch sehr große teilräumliche Unterschiede zu beobachten,<br />

da die siedlungsstrukturelle Entwicklung durch den Bau von Eigenheimen und eine verstärkte Ansiedlung<br />

von Gewerbe im Umland beeinflusst gewesen ist.<br />

Dieser so genannte Suburbanisierungsprozess verlief, vor allem in den erst 1994 eingemeindeten Umlandgemeinden,<br />

weitgehend unkoordiniert. Wesentlicher Grund dafür war die schnelle Ausweisung von Bauland<br />

nach 1990 und in ganz entscheidendem Maße der Baulandpreis. Dennoch ist dieser Prozess im Vergleich<br />

zu anderen Städten (wie etwa Leipzig) im Raum <strong>Erfurt</strong> relativ moderat verlaufen, so dass die ländliche Prägung<br />

des Umlandes überwiegend erhalten geblieben ist. Ein Großteil der Wohnungsbauentwicklung vollzog<br />

sich im Bereich der 1994 in die Stadt <strong>Erfurt</strong> eingemeindeten Dörfer (z. B. Frienstedt, Salomonsborn, Tiefthal).<br />

Die im Raum <strong>Erfurt</strong> sichtbaren Ansätze einer Suburbanisierung finden sich somit im Wesentlichen im<br />

Stadtgebiet selbst.<br />

Außerhalb der Stadtgrenzen sind nur wenige Orte entscheidend gewachsen, bereits im 20 km-Radius um<br />

die Stadt weisen viele Gemeinden Einwohnerverluste auf. Nur wenige Orte konnten - meist in Kombination<br />

mit der Entwicklung von großen Gewerbeflächen - ein Wachstum auf eine Größe erreichen, die zumindest<br />

mittelfristig den Erhalt einer tragfähigen Infrastruktur erlaubt (z. B. Elxleben und Neudietendorf). Zahlreiche<br />

Orte dagegen haben nur wenige hundert Einwohner und sind auf Versorgungs- und Dienstleistungseinrichtungen<br />

in den Nachbargemeinden und insbesondere der Stadt <strong>Erfurt</strong> angewiesen. Dieses Problem wird sich<br />

vor dem Hintergrund fortschreitender Einwohnerverluste in Zukunft weiter verschärfen.<br />

30


3. Bestandsanalyse und Entwicklungstrends<br />

Abb. 13 - Wanderungssalden <strong>Erfurt</strong> gegenüber den Gemeinden Mittelthüringens 1994 bis 2001<br />

Der Prozess der Stadt-Umland-Wanderung hat sich inzwischen deutlich abgeschwächt bzw. in Teilen auch<br />

umgekehrt. Positiv wirkt hier zum einen die Aktivierung von Baulandpotentialen im Nahbereich der <strong>Erfurt</strong>er<br />

Kernstadt (z. B. Ringelberg, Sulzer Siedlung). Das gute Angebot an attraktiven Wohnmöglichkeiten im Inneren<br />

der Stadt ist ein wesentlicher Standortvorteil <strong>Erfurt</strong>s, der darüber hinaus von Bedeutung für die gesamte<br />

Region ist.<br />

Absehbar ist, dass der zukünftig zu erwartende Bevölkerungsrückgang regional differenziert verlaufen wird,<br />

da die verbleibenden Menschen sich für die Wohnstandorte mit den größten Vorteilen entscheiden werden. 11<br />

Da nur in den Zentren dauerhaft eine umfassende infrastrukturelle Ausstattung bereit gestellt werden kann,<br />

wird das Umland vermutlich schneller als die Stadt <strong>Erfurt</strong> an Einwohnern verlieren. Denkbar - ja sogar wahrscheinlich<br />

- ist ein Szenario der Siedlungsentwicklung, welches durch eine zunehmende interkommunale<br />

Konkurrenz um das immer knapper werdende Erwerbspersonen-Potential geprägt sein wird 12 .<br />

11<br />

Thießen, F. / Patt, P.W. / Goßmann, M.: „Geisterstädte und Boomtowns - Konsequenzen der Demographie“. In: Immobilienbrief, März<br />

2003<br />

12<br />

Institut für ökologische Raumentwicklung e. V. (Hg.): „Siedlungsstrukturelle Veränderungen im Umland der Agglomerationsräume“<br />

(Überarbeiteter Abschlussbericht), Dresden, Juli 2002<br />

31


<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />

3.3 Wohnen<br />

Im Zentrum des <strong>Stadtentwicklungskonzept</strong>es stehen Aussagen zur Entwicklung der Bevölkerungszahl und<br />

des Wohnungsmarktes und den sich hieraus ergebenden baulich-räumlichen Handlungserfordernissen. Im<br />

Folgenden werden daher bestimmende Faktoren und mögliche Entwicklungen des <strong>Erfurt</strong>er Wohnungsmarktes<br />

dargestellt.<br />

3.3.1 Analyse des Wohnungsbestandes<br />

Der <strong>Erfurt</strong>er Wohnungsbestand stellt sich im Jahr 2003 zahlenmäßig wie folgt dar:<br />

Die verschiedenen Wohnnutzungen verteilen sich dabei über das gesamte Stadtgebiet (vgl. Abb. 15).<br />

Nachstehend werden die verschiedenen Wohnbausubstanzen hinsichtlich ihrer Stärken und Schwächen analysiert:<br />

Bausubstanz vor 1870<br />

Die vor 1870 errichtete Bausubstanz findet sich fast ausschließlich in der erweiterten Altstadt. Aufgrund ihrer<br />

heterogenen Nutzung ist diese, insbesondere im Bereich der City, für Wohnnutzungen nur teilweise geeignet.<br />

Zum Beispiel führen von gastronomischen Einrichtungen ausgehende Lärmemissionen zu Konflikten mit<br />

Bewohnern, die teilweise Einschränkungen für die gewerbliche Nutzer nach sich zogen.<br />

Dagegen konnte das Andreasviertel und der Bereich Lange Brücke/Fischersand mit gezielter Förderung von<br />

Sanierungsmaßnahmen, angepassten Ergänzungen der Bausubstanz sowie durch qualitätsvolle Gestaltung<br />

der vorhandenen städtischen und privaten Freiräume als Wohnstandort stabilisiert werden. Sie zählen heute<br />

zu den begehrtesten Wohnlagen der Innenstadt.<br />

Der Wohnungsbestand in der Altstadt weist aber, vor allem in Randbereichen, auch noch Bereiche mit gravierenden<br />

Substanz- und Funktionsmängeln und damit verbundene hohe Leerstände auf.<br />

Gebiete gründerzeitlicher Prägung von 1870 - 1920<br />

Die Gründerzeitgebiete im südlichen und südwestlichen Stadtgebiet sowie entlang der Geraaue gelten als<br />

bevorzugte Wohnlagen. Sie sind nahezu durchgängig intakt.<br />

Die gründerzeitlichen Wohngebiete im Norden und Osten weisen trotz fortgesetzter Sanierungstätigkeit und<br />

seit 1998 wieder zunehmender Einwohnerzahlen in einigen Teilbereichen noch immer deutlich erhöhte Leerstandsquoten<br />

auf. In der Krämpfervorstadt und der Johannesvorstadt konnten seit 1996 im Rahmen verschiedener<br />

Programme der Stadterneuerung, wie dem URBAN-Programm der EU, der Stadtsanierung und<br />

dem Programm "Soziale Stadt" die Lebensbedingungen deutlich verbessert und der Wohnwert gesteigert<br />

werden. Zugleich besteht in einigen Teilgebieten eine spürbare Konzentration sozialer Problemlagen, wie<br />

z. B. eine überdurchschnittlich hohe Arbeitslosigkeit. Dem steht ein überdurchschnittlich niedriges Durchschnittsalter<br />

der Wohnbevölkerung gegenüber. Eine Verbesserung des traditionell schlechten Images mancher<br />

dieser Wohnlagen erfolgt trotz intensiver Maßnahmen der Stadterneuerung erst mit den Jahren. Neben<br />

Mängeln im Wohnumfeld und einem erhöhten Stellplatzdefizit trägt im Bereich der Hauptnetzstraßen eine<br />

starke Verlärmung zu lokal erhöhten Leerstandsquoten bei.<br />

32<br />

47.200<br />

9.240<br />

4.660<br />

13.200<br />

40.200<br />

Wohnungsbestand 2003 gesamt 112.250 WE 100 %<br />

darunter ca.<br />

Altbestand - Geschosswohnungsbau<br />

bis 1990 (ohne Plattenbau) 40.200 WE 36 %<br />

Altbestand Einfamilienhäuser bis 1990<br />

Plattenbau bis 1990 und Fertigstellung<br />

13.200 WE 12 %<br />

nach 1990<br />

Neubau Geschosswohnungsbau nach<br />

43.360 WE 39 %<br />

1990 (ohne Fertigstellung Plattenbau) 10.060 WE 9 %<br />

Neubau Einfamilienhausbau nach 1990 5.460 WE 5 %<br />

Abb. 14 - Wohnungsbestand per 2003


3. Bestandsanalyse und Entwicklungstrends<br />

Abb. 15 - Wohnungsbestand nach Baualter und Bautyp<br />

33


<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />

Wohngebiete von 1920 bis 1964<br />

Im Anschluss an den Gründerzeitgürtel sowie in der Nähe der traditionellen Industriestandorte finden sich<br />

die für den sozialen Wohnungsbau der 20iger und 30iger Jahre typischen mehrgeschossigen Wohnblöcke.<br />

Die oft durch Genossenschaften in einheitlicher Bauweise erschaffenen Arbeiterwohnblöcke trugen den damalig<br />

neuesten Ansprüchen an Belichtung und Belüftung sowie sozialen Gemeinschaftsgedanken Rechnung.<br />

Die innenstadtnahen Gebiete weisen heute einen hohen Sanierungsgrad und eine gute Auslastung<br />

auf. Als problematisch müssen dagegen die an gewerblich genutzte Standorte angelagerten Quartiere eingeschätzt<br />

werden. Beispielsweise ist das aufgrund seiner architektonischen Besonderheiten unter Denkmalschutz<br />

gestellte Ensemble im Bereich um die Teichstraße zum großen Teil unsaniert und leer stehend.<br />

Der Wohnungsbau der Nachkriegszeit diente vor allem der Deckung des enormen Wohnraumbedarf der Bevölkerung,<br />

so dass im großem Maßstab reine Wohngebiete entstanden. Dem Geist der "Moderne" mit seinen<br />

Forderungen nach "Licht, Luft und Sonne" folgend wurden langgestreckte Zeilenbauten in durchgrünte<br />

Flächen eingeordnet. Diese Gebiete bieten vorrangig kleinere Wohnungen in gewachsenen Nachbarschaften,<br />

die ein attraktives Wohnraumangebot für Ein- und Zweipersonenhaushalte darstellen können. Die überwiegend<br />

einfachen Wohnungstypen werden jedoch absehbar weitere nachfragegerechte Umbaumaßnahmen<br />

erfordern - dies sowohl in der technischen Ausstattung als auch in den Wohnungsgrundrissen.<br />

Großwohnsiedlungen<br />

Aufgrund ihres hohen Anteils am Gesamtwohnungsbestand mit erheblichen Wohndichten (Vermassung),<br />

überwiegend monotonen Gebäudestrukturen (Vereinheitlichung) und teilweise unzeitgemäßen Grundrissgestaltungen<br />

weisen die Großwohnsiedungen besonders in den nördlichen Gebieten starke Imageprobleme<br />

und damit verbundene erhebliche Segregationserscheinungen auf. Mit dem bisherigen Rückbaumaßnahmen<br />

auf Grundlage des Masterplanes <strong>Erfurt</strong>er Großwohnsiedlungen, welcher in Zusammenarbeit zwischen der<br />

Stadtverwaltung und den <strong>Erfurt</strong>er Wohnungsunternehmen erarbeitet wurde, konnte der Leerstand von Wohnungen<br />

deutlich abgesenkt werden. Zur Fortführung des Stadtumbaus im Bereich der Großwohnsiedlungen<br />

wird derzeit der Masterplan II erarbeitet.<br />

Geschosswohnungsbau ab 1990<br />

Der mehrgeschossige Wohnungsbau nach 1990 entspricht modernen Standards und weist in der Regel eine<br />

attraktive Wohnumfeldgestaltung auf. Für die innerstädtischen Bereiche kann aufgrund der zeitgemäßen<br />

Ausstattung absehbar von einer stabilen Entwicklung ausgegangen werden.<br />

Problematischer sind die Standorte am Rande von Dörfern der Peripherie mit ungenügender Anbindung an<br />

die Stadt zu bewerten. In diesen Gebieten lassen sich bestehende und absehbare infrastrukturelle Versorgungsdefizite<br />

nur bedingt durch die Vorteile des suburbanen Lebens kompensieren. Auch sind im Geschosswohnungsbau<br />

die Vorteile der privaten individuellen Grundstücksnutzung üblicherweise nicht gegeben.<br />

Dörfliche Gebiete<br />

Die dörflichen Siedlungsbereiche sind in ihrer Struktur sehr heterogen und hinsichtlich ihrer Stabilität langfristig<br />

sehr schwierig einzuschätzen. Allgemein wird der dörfliche Wohnungsbestand durch eine Vielzahl angrenzender<br />

Nebengebäude gekennzeichnet, die wesentlich das Dorfbild prägen. Aufgrund fehlender Nutzungen<br />

für diese Nebengebäude können vielfach keine Problemlösungen für ihre Erhaltung und Sanierung<br />

angeboten werden. In vielen Dörfern ist daher Verfall und Abriss zu verzeichnen oder abzusehen und<br />

zwangsläufig hinzunehmen. Stellenweise ist eine Umnutzung zu Wohnraum möglich. Möglicherweise wird<br />

auch alte - heutigen Wohnbedürfnissen nicht entsprechende - Bausubstanz in den Dorfkernen, z. B. Gehöfte<br />

und große Speicher oder sehr kleine Wohnhäuser zukünftig leer stehen.<br />

Einfamilienhausgebiete und Siedlungen<br />

Im <strong>Erfurt</strong>er Stadtgebiet gibt es eine Vielzahl von Einfamilienhausgebieten. Die jeweiligen Erscheinungsformen<br />

spiegeln unterschiedliche Entstehungszeiten und -anlässe wieder.<br />

Beispielsweise entstanden im Zeitraum 1919 bis 1945 die Ringelbergsiedlung, Stollbergsiedlung und Sulzer<br />

Siedlung, mit dem Ziel günstig Wohnraum zu schaffen und gleichzeitig einen Garten für die Selbstversorgung<br />

zur Verfügung zu haben. Die Siedlungsgebiete weisen noch heute Grundstückzuschnitte auf, die typisch<br />

für die Genese und den Siedlungscharakter sind.<br />

Der nach 1994 boomende Einfamilienhausbau erfolgte sowohl in Baulücken innerhalb bestehender Wohnbebauung<br />

als auch in neuen, über Bebauungspläne entwickelten Wohngebieten. Heute stehen Baugebiete<br />

in unterschiedlichsten Lagen, wie z. B. im inneren Stadtgebiet, im städtischen Randgebiet mit Stadtbahnan-<br />

34


3. Bestandsanalyse und Entwicklungstrends<br />

schluss oder im dörflich geprägten Bereich, und unterschiedlich zulässigen Bauweisen, wie Einzel-, Doppel-<br />

oder Reihenhausbebauung, zur Verfügung.<br />

Siedlungsschwerpunkte des Wohnungsneubaus sind die Baugebiete um Marbach sowie der Ringelberg.<br />

Aufgrund des individuellen Wohnwertes und der eigentumsbezogenen Selbstinitiative werden die <strong>Erfurt</strong>er<br />

Einfamilienhausgebiete und Siedlungen als langfristig stabile Wohngebiete mit hoher Wohnqualität bewertet.<br />

Noch nicht vollständig bebaute neue Wohngebiete bedürfen jedoch einer zügigen baulichen Komplettierung.<br />

Im Rahmen der Beteiligung am Bundeswettbewerb Stadtumbau Ost erfolgte bereits eine Einschätzung des<br />

Wohnungsbestandes innerhalb des kompakt bebauten Stadtgebietes hinsichtlich der aktuellen Situation und<br />

der sich daraus ergebenden Handlungsfelder. Als Schwerpunkte der notwendigen weiteren Betrachtungen<br />

stellten sich zum damaligen Zeitpunkt die Stadtraumtypen "Altstadt“, „Gründerzeit“ und „Großwohnsiedlung"<br />

heraus.<br />

Abb. 16 - Stadtraumbezogene Potentiale des Wohnungsbestandes - Problemfelder<br />

35


<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />

3.3.2 Potentiale für Wohnungsneubau<br />

Neben dem vorhandenen Wohnraum existieren eine Reihe von Potentialen für den Neubau von Wohnungen,<br />

insbesondere dem Einfamilienhausbau.<br />

Als Baulücken bezeichnete Bauflächen, deren Bebaubarkeit nach § 34 des Baugesetzbuches (BauGB) zu<br />

beurteilen ist, gibt es über das gesamte Stadtgebiet verteilt. Eine Erhebung der für den Einfamilienhausbau<br />

geeigneten Standorte ergab jedoch, dass die tatsächliche Bebaubarkeit mangels ausreichender Erschließung<br />

- insbesondere abwasserseitig - größtenteils momentan nicht gegeben ist.<br />

In Baugebieten von rechtskräftigen oder im Verfahren befindlichen Bebauungsplänen sind gegenwärtig Bauplätze<br />

für ca. 7.600 Wohneinheiten (WE) in Ein- und Mehrfamilienhäusern vorhanden bzw. möglich. Aufgrund<br />

der geringen Nachfrage von Geschosswohnungsbau wurden bereits mehrere Planänderungsverfahren<br />

mit dem Ziel der Reduzierung des Geschoßwohnungsbauanteils aufgenommen.<br />

Potentiale für den Wohnungsbau bieten weiterhin ehemals gewerblich genutzte Brachflächen. Im Brühl, dem<br />

ehemaligen Gelände der Optima und des Funkwerkes, oder am Bahnhof <strong>Erfurt</strong> West wurden bereits erfolgreich<br />

unter anderem auch Wohnnutzungen angesiedelt. Eine Information über im Stadtgebiet vorhandene<br />

Brachen und deren Nachnutzungsmöglichkeiten gibt das Baulandkataster 13 , welches als Heft 6 in der Reihe<br />

„Beiträge zur Stadtentwicklung“ veröffentlicht wurde. Im Rahmen des Stadtumbauprozesses ist mit der Entstehung<br />

weiterer Brachflächen, insbesondere in Folge des Umbau der Großwohnsiedlungen, zu rechnen.<br />

Darüber hinaus weist der Flächennutzungsplan-<strong>Entwurf</strong> Bauplätze für etwa 1.100 WE in Wohn- und Mischbauflächen<br />

aus, für die bisher noch kein Bebauungsplanverfahren eingeleitet wurde. Diese Flächen gelten<br />

als Reserve und sind besonders für den Einfamilienhausbau geeignet.<br />

3.3.3 Wohnungsbedarf<br />

Neben der bereits im Kap. 2.3 dargestellten rein quantitativen Berechnung des zukünftigen Wohnungsbedarfes<br />

sind auch Betrachtungen hinsichtlich der zukünftigen Nachfrage an einzelnen Wohnformen notwendig.<br />

Den Zeitgeschmack vorauszusehen ist zwar kaum möglich, aber anhand der Nachfragetrends für bestimmte<br />

Wohnformen und der Altersentwicklung der Bevölkerung können dennoch einige Aussagen getroffen werden:<br />

Wohneigentum, insbesondere Einfamilienhäuser, werden auch in Zukunft nachgefragt werden. Das „Häuschen<br />

mit Garten“ wird weiterhin eines der Lebensziele vieler Bürger sein. Ein weiterer Aspekt durch den<br />

Wohneigentum an Attraktivität gewinnt, ist die Altersvorsorge. Die Umsetzung der Wohnwünsche ist jedoch<br />

von den zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln und Förderbedingungen abhängig und daher nicht für<br />

jeden realisierbar.<br />

Durch den steigenden Anteil der älteren Bevölkerung ist mit einer vermehrten Nachfrage nach altersgerechten<br />

Wohnformen zu rechnen. Die Wohnbedürfnisse der Senioren können dabei sehr unterschiedlich sein.<br />

Das Spektrum reicht von betreutem Wohnen, über Wohnformen, die einer verminderten Mobilität gerecht<br />

werden bis hin zu Seniorenwohngemeinschaften. Dementsprechend vielfältige Angebote sollten vorgehalten<br />

werden.<br />

Bei einer stagnierenden allgemeinen Einkommenslage steigt der Bedarf an preiswertem Wohnraum. Eine<br />

fundierte Prognose der Entwicklung auf diesem Sektor ist zwar nicht möglich, aber es muss davon ausgegangen<br />

werden, dass auch bei Stabilisierung der wirtschaftlichen Lage keine Arbeits vollbeschäftigung erreicht<br />

werden kann.<br />

3.3.4 Szenarien der Wohnungsbestandsentwicklung<br />

Die Notwendigkeit eines Stadtumbaukonzeptes resultiert vor allem aus den rückläufigen Bevölkerungszahlen<br />

und den damit zusammenhängenden Anpassungserfordernissen. Im Bereich des Wohnungsbaus, dem<br />

zentralen Thema des Stadtumbaus, sind die zu erwartenden Wohnungsleerstände und der sich daraus ergebende<br />

Rückbaubedarf die wesentlichen Planungsgrundlagen. Basieren die Zahlen bis zum Jahre 2020<br />

auf fundierten und durchaus realistischen Prognosen, so ist der Ausblick für den Zeitraum 2020 bis 2040<br />

13 Landeshauptstadt <strong>Erfurt</strong>, Stadtverwaltung, Stadtentwicklungsamt (Hg.): „Baulandkataster für ausgewählte Bereiche“<br />

36


3. Bestandsanalyse und Entwicklungstrends<br />

aufgrund der Langfristigkeit und den damit verbundenen Unwägbarkeiten mit starken Unsicherheiten belastet.<br />

Theoretischer Wohnungsbestand ohne Rückbau<br />

Die Darstellung von Szenarien der zukünftigen Entwicklung des Wohnungsbestandes bedarf zunächst der<br />

theoretischen Ermittlung des Wohnungsbestandes ohne Rückbau. Betrachtet werden lediglich der zu erwartende<br />

Wohnungsneubau sowie die regulären Abgänge.<br />

Wohnungsneubauten im Bereich des Geschosswohnungsbaus sind in den vergangenen Jahren stark rückläufig<br />

und sind aufgrund des Überangebotes im Bestand auch in Zukunft nur in geringem Maße zu erwarten.<br />

Der bis zum Jahr 2000 kontinuierlich angestiegene Einfamilienhausbau ging mit Deckung des aufgestauten<br />

Bedarfes ebenfalls zurück (2000: ca. 750 WE, 2003: ca. 450 WE 14 ) und liegt seither auf annähernd gleich<br />

bleibendem Niveau. Der Anteil der Wohnungen in Einfamilienhäusern am Gesamtwohnungsbestand lag<br />

2002 bei 18 Prozent. Es wird angenommen, dass sich dieser langfristig den Wohnungsbestandsstrukturen<br />

der mit <strong>Erfurt</strong> vergleichbaren westdeutschen Städte nähert, deren Einfamilienhausanteil bei 25 % des Wohnungsbestandes<br />

liegt.<br />

Bis zum Jahr 2020 wird mit einem Wohnungsneubau von durchschnittlich 450 WE bis 500 WE pro Jahr (insgesamt<br />

ca. 8.000 WE) gerechnet. Für den Zeitraum 2020 bis 2040 wird aufgrund der bis dahin erreichten<br />

Angebotsstruktur sowie des weiteren Bevölkerungsrückganges von einer weiteren Verringerung des Wohnungsneubaus<br />

auf ca. 200 WE pro Jahr (insgesamt 4.000 WE) ausgegangen.<br />

Tabelle 3 - Annahmen zum Wohnungsneubau<br />

Neubau insgesamt Einfamilienhausbau Geschosswohnungsbau<br />

in WE in WE % in WE %<br />

2004 - 2020 8.000 6.000 75 2.000 25<br />

2020 - 2040 4.000 3.600 90 400 10<br />

Summe 12.000 9.600 80 2.400 20<br />

Als reguläre Abgänge werden der Abriss von überalterter Bausubstanz sowie die Umnutzung von Wohnungen<br />

bezeichnet. In der Wohnungswirtschaft der alten Bundesländer wird üblicherweise mit 0,3 % normalen<br />

Wohnungsabgängen gerechnet. Diese Annahme wird auch für die zukünftige Entwicklung des <strong>Erfurt</strong>er Wohnungsbestandes<br />

zu Grunde gelegt, was bis 2040 durchschnittlich ca. 300 bis 350 Wohnungsabgängen pro<br />

Jahr entspricht.<br />

Ohne geregelten Wohnungsrückbau würde sich somit der Wohnungsbestand bis 2040 wie folgt entwickeln:<br />

Tabelle 4 - Theoretische Wohnungsbestandsentwicklung ohne Rückbau<br />

Wohnungsbestand per 2003 112.400 WE<br />

Wohnungsneubau 2004 - 2020 + 8.000 WE<br />

reguläre Abgänge 2004- 2020 ./. 6.000 WE<br />

Wohnungsbestand per 2020 114.400 WE<br />

Wohnungsneubau 2020 - 2040 + 4.000WE<br />

reguläre Abgänge 2020 - 2040 ./. 7.000 WE<br />

Wohnungsbestand per 2040 111.400 WE<br />

Leerstandsszenarien<br />

Auf Basis des prognostizierten Wohnungsbedarfs und der theoretischen Wohnungsbestandsentwicklung<br />

lassen sich nunmehr verschiedene Rückbauszenarien und die verbleibenden Wohnungsüberhänge (Leerstände)<br />

darstellen. Zur Entlastung des Wohnungsmarktes ist auch eine geordnete Stilllegung 15 von Wohnungen<br />

denkbar. Diese Alternative zum Rückbau beinhaltet jedoch die Gefahr desolater Stadträume in denen<br />

die Bausubstanz zunehmend verfällt.<br />

14 Thüringer Landesamt für Statistik (Hg.): Baufertigstellungen von Wohnungen in Wohngebäuden mit 1-2 Wohneinheiten<br />

15 Der Abriss wird in den zu erwartenden Größenordnungen voraussichtlich nur stark begrenzt finanzierbar sein.<br />

37


<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />

Worst-Case-Szenario - Kein Rückbau/ Keine geordnete Stilllegung<br />

Mit diesem Szenario soll nochmals die Notwendigkeit von Wohnungsrückbau verdeutlicht werden. Die sich<br />

am Wohnungsmarkt ergebenden Leerstandsquoten sind sowohl aus städtebaulicher als auch aus wohnungswirtschaftlicher<br />

Sicht sehr problematisch. Der Verzicht auf Einwirkungsmöglichkeiten durch Rückbau<br />

oder Stilllegung führt zu einer ungeordneten Verteilung des Leestandes über das gesamte Stadtgebiet und<br />

damit zu zunehmenden Funktionsstörungen in der Gesamtstadt. Leerstehende Gebäude führen zu weiterem<br />

Leerstand im direkten Umfeld („Leerstand steckt an“).<br />

Tabelle 5 - Worst-Case-Szenario 2020 und 2040<br />

38<br />

2020 2040<br />

Wohnungsbestand 114.400 WE 111.400 WE<br />

Wohnungsbedarf ./. 92.600 WE ./. 74.000 WE<br />

Wohnungsüberhang<br />

(Leerstände)<br />

21.800 WE 37.400 WE<br />

entspricht einer Leerstandsquote von 19 % 34 %<br />

Machbar - Szenario : Rückbau gemäß Wettbewerbsbeitrag Stadtumbau Ost<br />

Im Beitrag zum Bundeswettbewerb „Stadtumbau Ost“ und im Masterplan I "<strong>Erfurt</strong>er Großwohnsiedlungen“<br />

hat die Stadt <strong>Erfurt</strong> für die Großwohnsiedlungen Entwicklungsprioritäten und kurzfristig fortzuschreibende<br />

Rückbau- bzw. Stilllegungsziele formuliert. Insgesamt wurde für den Zeitraum 2004 bis 2020 von einem<br />

möglichen Rückbau/ Stilllegung in Höhe von ca. 15.000 WE in diesem Bereich ausgegangen. Damit könnte<br />

die Leerstandquote im Zeitraum bis 2020 kurzfristig deutlich verbessert werden. In der Vorausschau auf das<br />

Jahr 2040 zeigt sich allerdings, dass ohne weiterführende Maßnahmen dann wieder mit einer Leerstandsquote<br />

von ca. 23 % zu rechnen ist.<br />

Tabelle 6- Machbar-Szenario 2020 und 2040<br />

2020 2040<br />

Wohnungsbestand ohne Rückbau 114.400 WE 111.400 WE<br />

Rückbau nach Status Quo ./. 15.000 WE ./. 15.000 WE<br />

Wohnungsbestand nach Status Quo bis<br />

2020<br />

99.400 WE 96.400 WE<br />

Wohnungsbedarf ./. 92.600 WE ./. 74.000 WE<br />

Wohnungsüberhang (Leerstände) 6.800 WE 22.400 WE<br />

entspricht einer Leerstandsquote von 7 % 23 %<br />

Optimalszenario<br />

Als städtebauliches und wohnungswirtschaftliches Optimum wurde unter bisherigen wohnungswirtschaftlichen<br />

Aspekten eine Leerstandsquote von 5 % des Wohnungsbestandes angesehen, die als Reserve für<br />

Umzüge und Renovierung benötigt wird. Eine Leerstandsquote von lediglich 5 % würde im Jahr 2040 ein<br />

Wohnungsüberhang von 33.500 WE bedeuten. Ein Rückbau dieses Wohnungsüberhanges ist aus heutiger<br />

Sicht aufgrund der damit verbundenen Kosten und sonstigen Auswirkung auf die Eigentümer (Verlust des<br />

Eigentums, wirtschaftliche Handlungsunfähigkeit) nicht mehr leistbar.<br />

Tabelle 7 -Optimalszenario 2020 und 2040<br />

2020 2040<br />

Wohnungsbestand ohne Rückbau 114.400 WE 111.400 WE<br />

Wohnungsbedarf 92.600 WE 74.000 WE<br />

5 % Leerstandsquote (-reserve) 4.900 WE 3.900 WE<br />

Wohnungsbedarf incl. Reserve 97.500 WE 77.900 WE<br />

Wohnungsüberhang (Leerstände) 16.900 WE 33.500 WE<br />

Während das Worst-Case-Szenario und das Optimalszenario die Grenzen des Spektrums der Wohnungsbestandsentwicklung<br />

darstellen sollen, stellt das Machbar-Szenario den bisherigen Stand der Stadtentwicklungsplanung<br />

dar. Im Sinne einer nachhaltigen Stadtentwicklung wäre lediglich das Optimalszenario als Zielstellung<br />

geeignet. Die Realisierungsfähigkeit ist aber aus den vorgenannten Gründen als problematisch bis<br />

kaum durchführbar zu bewerten. Zur Annäherung an eine realistische Zielstellung sind in der folgenden Tabelle<br />

weitere Varianten möglicher Leerstandsquoten und dem daraus resultierenden Wohnungsüberhang


3. Bestandsanalyse und Entwicklungstrends<br />

aufgezeigt. Nach derzeitiger Auffassung der Wohnungswirtschaft ist auch eine Leerstandsquote von 10 %<br />

vertretbar.<br />

Tabelle 8 - Rückbaubedarf bei verschiedenen Leerstandsquoten für die Jahre 2020 und 2040<br />

2020 2040<br />

Leerstandsquote (-reserve) 10% 10 % 15 %<br />

Wohnungsbestand ohne Rückbau 114.400 WE 111.200 WE 111.200 WE<br />

Wohnungsbedarf 92.600 WE 74.000 WE 74.000 WE<br />

Leerstandsquote (-reserve) 10.300 WE 8.200 WE 13.100 WE<br />

Wohnungsbedarf incl. Reserve 102.900 WE 82.200 WE 87.100 WE<br />

Wohnungsüberhang<br />

(Leerstände)<br />

11.500 WE 29.000 WE 24.100 WE<br />

Im Rahmen des Stadtbeobachtungssystems wird die laufende Entwicklung des Wohnungsmarktes analysiert.<br />

Entsprechende Schlussfolgerung auf die weitere Entwicklung sind Gegenstand der Betrachtungen des<br />

Stadtumbaukonzeptes (Teil B).<br />

39


<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />

3.4 Grün- und Freiraumstruktur<br />

Die Weiterentwicklung vorhandener Grün- und Freiraumstrukturen sowie der Umgang mit entstehenden<br />

Freiräumen im Sinne einer „Neuen Stadtlandschaft“ bildet einen zentralen Handlungsschwerpunkt des<br />

Stadtumbaus.<br />

3.4.1 Elemente der Grün- und Freiraumstruktur<br />

<strong>Erfurt</strong> liegt im Zentrum der naturräumlichen Großeinheit "Thüringer Becken-, Plateau- und Stufenland". Wesentliche<br />

topographische Elemente sind das Areal des Steigerwaldes, der Fluss Gera mit seiner Aue sowie<br />

der offenen Landschaft im Norden mit ihren künstlichen Seen. Der östliche Landschaftsraum stellt sich als<br />

traditionelle Kulturlandschaft dar, weist aber mit dem Nordstrand und dem verbindenden Wegenetz Potentiale<br />

als Naherholungsgebiet auf. Im Süden bilden größere zusammenhängende Wälder den Abschluss der im<br />

Zusammenhang bebauten Stadt. Die westliche an die Altstadt anschließende Landschaftszone ist durch begrünte<br />

Baugebiete, Parkanlagen, traditionelle Gartenbauflächen, private Gärten und Kleingartenanlagen geprägt,<br />

die einen Übergang zum landwirtschaftlich geprägten äußeren Stadtgebiet formulieren.<br />

Wälder<br />

Mit dem Landschaftsschutzgebiet „Steigerwald“, dem Willrodaer Forst sowie den östlich angrenzenden Klosterholz,<br />

Büßleber Holz und Wechselholz verfügt <strong>Erfurt</strong> über rund 1500 ha zusammenhängender Waldfläche.<br />

Weitere kleinere Forstflächen finden sich im nördlichen und östlichen Stadtgebiet. Neben den Aspekten einer<br />

forstwirtschaftlichen Nutzung haben sie vor allem hinsichtlich ihrer ökologischen Ausgleichsfunktion und<br />

als Erholungsgebiet Bedeutung.<br />

Landwirtschaftliche und gartenbauliche Nutzflächen<br />

<strong>Erfurt</strong> ist von weitläufigen, agrarisch geprägten Landschaftsräumen mit zum großen Teil hochwertigen Böden<br />

umgeben, die traditionell für Gartenbau und Landwirtschaft genutzt werden. Aufgrund moderner Bewirtschaftungsformen<br />

erscheinen diese Flächen häufig strukturarm. Lediglich in Ortsrandlagen finden sich noch<br />

Überreste der traditionellen Kulturlandschaft - wie Streuobstwiesen, Obstalleen, Hecken oder Feldgehölze.<br />

Park- und parkartige Grünanlagen<br />

Park- und Grünanlagen in der kompakten Stadt spielen für die Beachtung ökologischer Belange im Städtebau<br />

eine große Rolle. Die in verschiedenen Zeitepochen entstandenen Park- und Grünanlagen, Stadtteilplätze<br />

und Grünzüge unterschiedlicher Größe und Gestaltungsqualität bieten den Bürgern und Touristen<br />

vielfältige Erholungsmöglichkeiten. In <strong>Erfurt</strong> stehen rund 113 ha öffentliche Park- und parkähnlicher Grünanlagen<br />

zur Verfügung, was einem Versorgungsgrad von 5,7 m² pro Einwohner entspricht. Zusätzlich tragen<br />

der ega-Park, der Thüringer Zoopark und der Nordstrand als nicht öffentliche, aber durch die Allgemeinheit<br />

nutzbare Grünanlagen, zur Versorgung mit Grün bei.<br />

Kleingärten<br />

Die Kleingärten <strong>Erfurt</strong>s sind wesentlicher Bestandteil des Grünflächensystems um die bebaute Stadt. Sie erfüllen<br />

wichtige Ausgleichs- und Erholungsfunktionen. Die Gartenanlagen grenzen oftmals an Wohngebiete,<br />

an dörfliche Ortsränder bzw. sind sie Bestandteil eines Grünzuges in die freie Landschaft. Sie sind räumlich<br />

zusammenhängend und Gegenstand städtebaulicher Betrachtungen. Die Gartenanlagen sind im Stadtgebiet<br />

ungleichmäßig verteilt und konzentrieren sich vor allem in den landschaftlich reizvollen Gebieten der Stadt.<br />

Derzeit stehen in <strong>Erfurt</strong> ca. 400 ha Kleingartenfläche (20,2 m² pro Einwohner) zur Verfügung. Die vorhandenen<br />

Kleingärten werden fast vollständig nachgefragt.<br />

Friedhöfe<br />

Friedhöfe sind Orte mit Parkcharakter, die aufgrund ihrer Dimension und Grünausstattung wichtige Elemente<br />

im städtischen Grünsystem darstellen. Neben dem 58,7 ha großen Hauptfriedhof bestehen 34 Ortsteilfriedhöfe<br />

mit einer Größe von insgesamt 14,8 ha.<br />

Flusslandschaften<br />

Das Geraband durchzieht die Stadt von Süd nach Nord. In der Innenstadt teilt sich die Gera in drei Wasserläufe,<br />

wobei der bedeutendste davon der Flutgraben ist, welcher zum Zwecke des Hochwasserschutzes angelegt<br />

wurde. Die Fließgewässer Bergstrom und Walkstrom prägen die angrenzenden Stadträume und bieten<br />

einige Berührungspunkte in der Altstadt.<br />

40


3. Bestandsanalyse und Entwicklungstrends<br />

Seen<br />

In Folge des Kiesabbaus im Norden der Stadt entstand bzw. entsteht ein System von Kiesgruben, die sich<br />

schon während des Abbaus mit Grundwasser füllen. Langfristig werden zwölf Seen mit einer Wasserfläche<br />

von insgesamt etwa 430 Hektar entstehen, welche dann zu den größten Wasserflächenarealen Thüringens<br />

zählen werden. Von den acht bereits vorhandenen Baggerseen mit einer Gesamtwasserfläche von etwa 240<br />

Hektar haben bereits fünf ihre Endgestalt nahezu erreicht.<br />

Straßenbegleitgrün<br />

Viele Straßenräume <strong>Erfurt</strong>s sind von Alleebäumen geprägt. Diese Tradition wird fortgesetzt, indem sie bei<br />

Neuplanungen Beachtung findet und Neupflanzungen vorgenommen werden.<br />

3.4.2 Defizite und Konfliktpunkte<br />

Vernetzung<br />

Die unterschiedlich verteilten Park- und Grünanlagen in der Stadt stellen zumeist isolierte Grüninseln dar.<br />

Die Defizite in der Vernetzung dieser urbanen Grünstrukturen innerhalb der bebauten Stadt sowie zur umgebenden<br />

Landschaft werden nur teilweise durch Alleen und Baumpflanzungen in den Straßenräumen ausgeglichen.<br />

Ein funktionierendes Netz von Plätzen und Parks wird aufgrund zu geringer Dichte und der Entfernungen<br />

zwischen den einzelnen Grünflächen nicht erreicht.<br />

Auch die stadtnahen Landschaftsräume im Norden und Osten weisen Mängel an zusammenhängenden<br />

landschaftlichen Qualitäten auf. In der Kulturlandschaft im Osten finden sich nur Fragmente von Grünstrukturen<br />

(Nordstrand, Grünes Bildungszentrum, Gartenanlagen), welche isoliert und ohne physische Beziehung<br />

zur umgebenden Landschaft gelegen sind. Die Weichzone, der Übergang zwischen bebauter Stadt und<br />

Landschaft, ist von vielfältigen Nutzungen geprägt. Ein zusammenhängender spezifischer Charakter ist nicht<br />

erkennbar. Insbesondere sind der <strong>Erfurt</strong>er Zoopark und der Nordstrand, als bedeutende städtische Grünund<br />

Freiräume, nicht in das Grün- und Freiflächensystem eingebunden.<br />

Verteilung<br />

Neben der Frage der Vernetzung von Grün- und Freiflächen stellt sich im kompakten Stadtgebiet die Frage<br />

der Verteilung. Defizite im Angebot öffentlicher Grünflächen bestehen insbesondere in der Altstadt, in gründerzeitlich<br />

geprägten Wohngebieten der Krämpfervorstadt und der Johannesvorstadt sowie im Stadtteil Ilversgehofen.<br />

Gestalterisch angelegte öffentliche Grünbereiche stellen sich nur fragmentarisch in Form von<br />

kleinen Parks und Schmuckplätzen dar (z. B. Brühler Garten, Krämerbrücke, Hermannsplatz). Kleine städtische<br />

Grünbereiches als Puffer zwischen intensiv genutzten Flächen fehlen.<br />

Erlebbarkeit von Landschaftsräumen<br />

Der Flusslauf der Gera mit seinen Wasserarmen ist im städtischen Bereich nur in Teilbereichen erlebbar, da<br />

zahlreiche Gewässerabschnitte durch Privateigentum und Überbauung gekennzeichnet sind. So ist die<br />

Schmale Gera in den vergangenen Jahren auf ihre Funktion auf die Grundstücksentwässerung reduziert<br />

worden. Fehlende Wege- und Blickbeziehungen verhindern das Erleben der naturnahen Strukturen der<br />

Schmalen Gera. Der Flutgraben ist nur in seinem südlichen Abschnitt wahrnehmbar, wo Parkanlagen seinen<br />

Lauf säumen. Im Osten verraten nur das begleitende Großgrün und Brücken das Vorhandensein dieses<br />

Gewässers.<br />

Im Süden der Stadt befinden sich ausgedehnte und für die <strong>Erfurt</strong>er Stadtlandschaft bedeutende Naherholungsbereiche,<br />

die gleichzeitig wichtige ökologische Ausgleichsfunktionen erfüllen. Allerdings sind infolge<br />

vielfältiger Flächennutzungsformen ganze Teile so zersiedelt, dass die Begehbarkeit bzw. Erreichbarkeit der<br />

verschiedenen Freiräume stark eingeschränkt ist.<br />

Nutzungskonflikte<br />

Die öffentlichen Grünanlagen in der Stadt und die angrenzenden Wälder, insbesondere der Steigerwald,<br />

werden von den <strong>Erfurt</strong>ern und ihren Gästen intensiv für Freizeit und Erholung genutzt. Nur begrenzt vorhandener<br />

Grünräume und vielfältige Nutzungsansprüche führen zu Konflikten. Übernutzung, Missbrauch und<br />

Vandalismus führen vermehrt zu Schäden, deren Behebung den städtischen Haushalt belasten.<br />

Darüber hinaus sind in zahlreichen innerstädtischen Straßenräumen Nutzungskonflikte zu beobachten. Die<br />

Anforderungen des ruhenden und fließenden Verkehrs lassen kaum Grüngestaltungen zu, so dass eine Zonierung<br />

des Straßenraumes über die Trennung der Verkehrsarten hinaus oftmals nicht erkennbar ist.<br />

Schmale Gehwege sowie ungeordnetes Abstellen von Pkw und Mülltonnen vermitteln keine Aufenthaltsqualität,<br />

Vorgärten verlieren aufgrund abgestellter Pkws ihre eigentliche Funktion. Andererseits werden die oft<br />

raren Pkw-Stellflächen durch das Anpflanzen von Straßenbäumen und das Anlegen geordneter Parkflächen<br />

41


<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />

reduziert. Die Trennung von Fuß-, Rad- und Fahrverkehr ist besonders an den Hauptverkehrsachsen gewünscht,<br />

führt aber zu weiteren Einschränkungen für die Grüngestaltung, die gerade in diesen Bereichen zu<br />

Verbesserung der Wohn- und Aufenthaltsqualität beitragen könnte.<br />

Brachflächen<br />

Große Brachflächen und Leerstände befinden sich vor allem im Bereich stillgelegter ehemaliger industrieller<br />

Nutzungen im Norden und Osten der Stadt. Die zunehmenden Flächenfreisetzungen entziehen sich aufgrund<br />

noch fehlender Umsetzungsstrategien einer planvollen Eingliederung in das Stadtgefüge. Bis sich eine<br />

bauliche Nachnutzung findet, entwickelt sich in der Regel Wildwuchs. Eine Gebrauchsqualität ist in der Regel<br />

nicht gegeben.<br />

In den Großwohnsiedlungen kommt es, bedingt durch den Rückbau von Wohnungen, zu verstärkten Flächenfreisetzungen.<br />

Diese Flächenfreisetzung vollzieht sich in Bereichen, die aufgrund ihrer Grundstruktur in<br />

der Regel schon über einen hohen Freiraumanteil verfügen.<br />

Stadtklima<br />

Die reliefbedingte Lage der Stadt, die Tallage quer zur Hauptwindrichtung, schränkt die natürlichen Belüftungsverhältnisse<br />

ein. Dies wirkt sich besonders nachteilig während der im <strong>Erfurt</strong>er Raum häufigen windschwachen<br />

Wetterlagen aus. Dann werden Luftschadstoffe, die im Stadtgebiet freigesetzt werden, nicht<br />

mehr abtransportiert und führen zu einer erhöhten Luftbelastung. Weiterhin können die eingeschränkten Belüftungsverhältnisse<br />

zusammen mit den innerstädtischen großflächigen Versiegelungen und der damit verbundenen<br />

Überwärmung Schwülebelastungen verursachen. Dem Erhalt der für die Belüftung wichtigen<br />

Landschaftsstrukturen wie Kalt- bzw. Frischluftentstehungsgebiete und die Sicherung innerstädtischer Freiräume<br />

kommt dabei eine große Bedeutung zu. Durch den Rückbau in einigen Bereichen kann es insgesamt<br />

zu einer spürbaren Verbesserung des Stadtklimas kommen, insbesondere dort, wo vor der Bebauung wichtige<br />

Frischluftschneisen bereits bestanden hatten.<br />

3.4.3 Bedarfsprognose<br />

Als Richtwert für die Beurteilung der Versorgung der Bevölkerung mit öffentlichen Grünanlagen kann vom 6<br />

m² pro Einwohner ausgegangen werden. Somit besteht grundsätzlich momentan kaum Nachholbedarf. Defizite<br />

bestehen insbesondere in der Altstadt, in den gründerzeitlich geprägten Wohngebieten der Krämpfervorstadt<br />

und der Johannesvorstadt sowie im Stadtteil Ilversgehofen.<br />

Im Rahmen des Stadtumbaus und dem damit verbundenen Rückbau von Wohnungen wird es in Zukunft zu<br />

vermehrten Flächenfreisetzungen insbesondere im Bereich der Großwohnsiedlungen kommen. Da nicht für<br />

alle freigesetzten Flächen eine bauliche Nachnutzung möglich sein wird oder aber nicht zeitnah realisiert<br />

werden kann, stellt die - temporäre - Begrünung eine nahe liegende Lösung dar. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen,<br />

dass der tatsächliche Bedarf in diesen Bereichen aufgrund rückläufiger Bevölkerungszahlen abnimmt.<br />

In den Stadtgebieten, in denen die Bevölkerungszahl zunimmt, ist der Spielraum zur Schaffung neuer<br />

Freiraumangebote begrenzt. Dies gilt insbesondere für die Altstadt. Von besonderer Bedeutung ist daher die<br />

kontinuierliche Fortsetzung der Erschließung des Petersberges als wichtigste Grün- und Erholungsfläche der<br />

Innenstadt.<br />

Die Nachfrage nach Kleingärten wird sich aufgrund sinkender Einwohnerzahlen und steigendem Anteil der<br />

Ein- und Zweifamilienhäusern mit Gartenanteil rückläufig entwickeln. Legt man für die Versorgung mit Kleingartenfläche<br />

den städtebaulichen Richtwert von 17 m² pro Einwohner zugrunde, würde der Bedarf im Jahre<br />

2020 bei rund 310 ha und im Jahre 2040 bei ca. 240 ha liegen.<br />

Die Friedhöfe der Stadt besitzen aus heutiger Sicht ausreichend Erweiterungsmöglichkeiten. Von einer Veränderung<br />

des Bedarfes wird momentan nicht ausgegangen.<br />

42


3.5 Technische Infrastruktur<br />

3. Bestandsanalyse und Entwicklungstrends<br />

3.5.1 Verkehr<br />

Motorisierter Individualverkehr<br />

<strong>Erfurt</strong> ist mit derzeit fünf Anschlussstellen an die Bundesautobahnen A4 und A71 großräumig sehr gut angebunden.<br />

Mit den neuen außen liegenden Straßenverbindungen des <strong>Erfurt</strong>er Ringes, bestehend aus der A 4,<br />

der A 71, der Ostumfahrung sowie der Autobahnanbindung Eichelborn einschließlich des vierstreifigen Ausbaus<br />

der B 7 zwischen <strong>Erfurt</strong> und Mönchenholzhausen, werden überregionale und städtische Verkehrsströme<br />

gebündelt. Überregionale bzw. regionale Straßenverbindungen zu den benachbarten Mittelzentren verlaufen<br />

über die A 4, A 71, B 4 und die B 7 sowie die L 1051/ L 2141, die L 1055 (Richtung Sömmerda) und<br />

die L 1052 (Ostumfahrung)/L 2141. Die B 4 (Nordhausen - Arnstadt) und die B 7 (Weimar - Gotha) durchqueren<br />

das Stadtgebiet in Nord-Süd- bzw. Ost-West-Richtung und sind gleichzeitig innerörtliche Hauptverkehrsstraßen.<br />

Die wesentlichen Elemente des Hauptverkehrsstraßennetzes der Stadt <strong>Erfurt</strong> sind der Stadtring um die Innenstadt<br />

sowie zahlreiche auf diesen Stadtring mündende Radialstraßen. Tangential verlaufende Hauptverkehrsstraßen<br />

befinden sich in den Hauptentwicklungsachsen der Stadt im Norden und im Südosten.<br />

Durch eine konsequente Erschließung der Altstadt nach dem Verkehrszellenprinzip ist ein Durchfahren der<br />

Altstadt nicht möglich. Der Juri-Gagarin-Ring bildet das Rückgrat für die Erschließung der Altstadt. Seine Ergänzung<br />

im Westen und Norden erfolgt im Zuge historischer Straßenzüge.<br />

Ruhender Verkehr<br />

Der ansteigende private Pkw-Besitz und die vielfältigen Funktionen der Stadt <strong>Erfurt</strong> als Oberzentrum führen<br />

zu einer wachsenden Nachfrage nach Stellplätzen. Nach wie vor muss von einem hohen Motorisierungsgrad<br />

der Bewohner ausgegangen werden. Von besonderer Bedeutung für die Landeshauptstadt <strong>Erfurt</strong> ist die große<br />

Zahl an Einpendlern, die immer "ihren" kostenlosen Parkplatz in der Nähe des Arbeitsplatzes suchen<br />

werden, und die hohe Zahl der Besucher der Stadt.<br />

Im erweiterten Innenstadtbereich stehen gegenwärtig ca. 8.000 Stellplätze (inklusive Anwohnerstellplätze) in<br />

öffentlich zugänglichen, bewirtschafteten Anlagen zur Verfügung. Davon befinden sich gegenwärtig ca.<br />

3.200 Stellplätze in Parkhäusern, die ringförmig um die Altstadt angeordnet sind. In Verbindung mit einem<br />

hochmodernen Parkleitsystem ist damit die Erreichbarkeit der Innenstadt mit dem Pkw gesichert, denn die<br />

Einzugsbereiche der Parkhäuser decken die Innenstadt fast vollständig ab.<br />

Besonders in den Gründerzeitquartieren bestehen erhebliche Defizite bei den Abstellmöglichkeiten für Kraftfahrzeuge,<br />

weil die Stellplätze größtenteils nur im Straßenraum eingeordnet werden können. Zusätzlich zu<br />

dem Eigenbedarf der Anwohner werden diese Gebiete stark durch den hohen Parkraumbedarf von Einpendlern<br />

belastet. Durch die Überfrachtung der Straßen sind hier in besonders starkem Maße Beeinträchtigungen<br />

des Wohnumfeldes (Vorgärten und Grünbereiche) und des Straßenraumes (einschließlich Gehwege) festzustellen.<br />

Öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV)<br />

Die Stadt verfügt über eine traditionell gute Erschließung mit öffentlichen Verkehrsmitteln und nimmt im Vergleich<br />

mit anderen deutschen Städten dieser Größenordnung eine Spitzenstellung ein. Hauptverkehrsmittel<br />

des Öffentlichen Personennahverkehrs in der Stadt <strong>Erfurt</strong> ist die Stadtbahn mit sechs Straßenbahnlinien und<br />

25 Stadtbuslinien, von denen acht auch Erschließungsaufgaben für unmittelbar an die Stadt angrenzende<br />

Gemeinden übernehmen. Ergänzt wird dieses Netz durch 19 Regionalbuslinien. Einige Abschnitte des<br />

Schienennetzes der Deutschen Bahn, z. B. <strong>Erfurt</strong> Hauptbahnhof - <strong>Erfurt</strong>-Bischleben, <strong>Erfurt</strong> Hauptbahnhof -<br />

Stotternheim, sind ebenfalls Bestandteile des ÖPNV.<br />

Eine konsequente Förderung der öffentlichen Verkehrsmittel gegenüber dem motorisierten Individualverkehr<br />

erfordert die Verknüpfung und Aufgabenteilung zwischen Bus, Straßenbahn und Schienenpersonennahverkehr,<br />

der mit dem geplanten Verbundtarif Mittelthüringen verstärkt Rechnung getragen wird. So bestehen<br />

z. B. acht Verknüpfungspunkte für den Übergang von den die umliegenden Ortschaften anbindenden Buslinien<br />

zur Stadtbahn.<br />

Ein wesentliches Qualitätskriterium für den ÖPNV ist die gute Erschließung der besiedelten Teile des Stadtgebietes.<br />

Unter der Verwendung üblicher Einzugsbereiche von ÖPNV-Haltestellen ergibt sich eine fast flächendeckende<br />

Erschließung des Stadtgebietes. Das Netz des Stadt- und Stadt-Umland-Verkehrs orientiert<br />

sich strahlenförmig auf das Stadtzentrum als wichtigstes Zielgebiet.<br />

43


<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />

Schienenverkehr<br />

In das Fernverkehrsnetz der Deutschen Bahn AG (DB) ist <strong>Erfurt</strong> über ICE- bzw. IC-Linien nach Dresden,<br />

Frankfurt am Main, Berlin, Leipzig, Kassel, dem Ruhrgebiet und der Ostseeküste eingebunden. Im 60- bzw.<br />

120-Minuten-Takt verkehrende Nahverkehrslinien der Deutschen Bahn AG, der <strong>Erfurt</strong>er Industriebahn<br />

GmbH (EIB) sowie anderer Anbieter verbinden die Stadt <strong>Erfurt</strong> mit der Region. Alle diese Linien bedienen<br />

den <strong>Erfurt</strong>er Hauptbahnhof, welcher günstige Umsteigebeziehungen zum Fernverkehr der DB sowie zum<br />

Stadt- und Regionalverkehr bietet und durch seine Lage am Rande des Stadtzentrums kurze Wege sichert.<br />

Der Hauptbahnhof wird von ca. 92 % aller Fahrgäste im Nahverkehr der DB als Zugangsstelle benutzt.<br />

Eine wesentliche Aufwertung erlangt der Verkehrsknoten <strong>Erfurt</strong> durch die Realisierung der ICE-<br />

Neubaustrecke Berlin - <strong>Erfurt</strong> - München (Verkehrsprojekt Deutsche Einheit Nr. 8.1). Allerdings bestehen<br />

nach wie vor große Unklarheiten hinsichtlich der zeitlichen Umsetzung. Der Umbau des Hauptbahnhofes<br />

und seines Umfeldes zum ICE-Bahnhof und komplexen Verknüpfungspunkt mit der Stadtbahn, den Stadtund<br />

Regionalbussen dagegen wird unter finanzieller Beteiligung der Stadt realisiert. Solange seitens der<br />

Deutschen Bahn und des Bundes jedoch kein eindeutiges Signal zu einer zeitnahen Fertigstellung der ICE-<br />

Neubaustrecke erfolgt, wird dieses stadtstrukturell wichtigstes Projekt nur eine begrenze Kraft entfalten können.<br />

Für den Güterverkehr stehen in <strong>Erfurt</strong> drei Anschlussstellen zur Verfügung: das Güterverkehrszentrum<br />

(GVZ) bei Linderbach, die Güterverkehrsstelle <strong>Erfurt</strong>-Güterbahnhof sowie die Güterverkehrsstelle <strong>Erfurt</strong>-Ost.<br />

Mit dem weiteren Ausbau des GVZ wird die Anbindung des Güterverkehrs insbesondere an die Fernverbindungen<br />

wie Paris - Prag ermöglicht. Für den Güterverkehr im Nahbereich verfügt <strong>Erfurt</strong> über ein relativ ausgedehntes<br />

Schienenverkehrsnetz. Das Streckennetz der <strong>Erfurt</strong>er Industriebahn GmbH erreicht den größten<br />

Teil der vorhandenen oder geplanten Industriebetriebe.<br />

Luftverkehr<br />

Der Internationale Verkehrsflughafen <strong>Erfurt</strong> steht im Mittelpunkt der thüringischen Luftverkehrspolitik. Der<br />

Einzugsbereich des <strong>Erfurt</strong>er Flughafens erstreckt sich auf die Entwicklungsachse zwischen Eisenach und<br />

Jena / Hermsdorf sowie der Industriezone der nördlichen Hälfte des Thüringer Waldes. Im Urlaubsverkehr<br />

mit Charterflügen werden Einzugsbereiche bis Nordfranken im Süden, östliches Hessen und die Harzregion<br />

erreicht. Mit der im Juni 2005 realisierten Stadtbahn-Anbindung und den vorhandenen Pkw-Stellplätzen ist<br />

eine gute Erreichbarkeit des Flughafens gegeben.<br />

Radverkehr<br />

Der Radverkehr hat in den vergangenen Jahren stark an Bedeutung zugenommen, was sich insbesondere<br />

an der Verdreifachung seines Anteils auf nunmehr 9 Prozent des Gesamtverkehrs erkennen lässt.<br />

Die Entwicklung des Radverkehrsnetzes der Stadt ist im Radverkehrskonzept als Bestandteil des Verkehrsentwicklungsplanes<br />

formuliert. Das Radverkehrsnetz der Stadt <strong>Erfurt</strong> ist von der strahlenförmigen Erschließung<br />

des Stadtzentrums geprägt. Das Stadtzentrum selbst ist - mit Ausnahme des Angers - freizügig für den<br />

Radverkehr mit nutzbar. Dem Radverkehr stehen in <strong>Erfurt</strong> zur Zeit etwa 135 km benutzbare, qualitativ jedoch<br />

unterschiedliche Radverkehrsanlagen zur Verfügung. Zum überwiegenden Teil sind es kombinierte und gemeinsame<br />

Rad-Geh-Wege.<br />

<strong>Erfurt</strong> wird von zwei Fernradwanderwegen gequert: Während der "Gera-Radwanderweg" vom Thüringer<br />

Wald bis zur Unstrut durchgängig befahrbar ist, steht die Realisierung die Fertigstellung des „Fernradweges<br />

Thüringer Städtekette" als Teil des nationalen Radwegenetzes (D 4 Aachen-Zittau) im Raum <strong>Erfurt</strong> noch<br />

aus.<br />

Die Fernradwege bilden das Grundgerüst von Erholungswegen im stadtnahen Umland. Hier sind, trotz einer<br />

Reihe von Neubauten vor allem im Rahmen des ländlichen Wegebaus, Lückenschlüsse und Wegeverbesserungen<br />

erforderlich.<br />

44


3. Bestandsanalyse und Entwicklungstrends<br />

3.5.2 Ver- und Entsorgung<br />

Die Versorgung mit Energie und Wasser sowie die Abwasserbeseitigung und -reinigung gehören zu den<br />

Aufgaben einer Kommune 16 . Die Ausgestaltung der technischen Systeme bestimmt maßgeblich die Möglichkeiten<br />

der Stadtentwicklung. Vor dem Hintergrund des Bevölkerungsrückganges ist dabei ein komplexes<br />

Bündel von Problemen zu bewältigen.<br />

Abwasserentsorgung<br />

Die Abwasserentsorgung wurde in <strong>Erfurt</strong> auf den Entwässerungsbetrieb als Eigenbetrieb übertragen. Dieser<br />

stellt in Eigenverantwortung den Generalentwässerungsplan auf. Über das zentrale Abwassernetz werden<br />

ca. 28 km² bebaute Fläche entsorgt. Der Anschlussgrad beträgt gegenwärtig 90,1 %. Zur Zeit sind ca.<br />

13 km² bebaute Fläche der Stadt nicht an das zentrale Abwassernetz angeschlossen. Die Abwasserbehandlung<br />

wird hier auf den Grundstücken in Form von Kleinkläranlagen oder abflusslosen Sammelgruben realisiert.<br />

Alle Abwässer werden im Klärwerk Kühnhausen und in der Kläranlage Wallichen behandelt. Die Länge des<br />

Kanalnetzes beträgt 780 km, zuzüglich ca. 258 km Hausanschlusskanäle. Das Grundgerüst der Entwässerung<br />

bilden 24 Hauptsammler für die Schmutz- und Mischwasserableitung sowie weitere Regenwasserhauptsammler,<br />

die zum Teil verrohrte Vorfluter durch das Stadtgebiet sind.<br />

Strom, Gas, Fernwärme, Trinkwasser<br />

Mit den übrigen Versorgungsaufgaben (Strom, Gas, Fernwärme, Wasser) sind die Unternehmen der Stadtwerke<br />

<strong>Erfurt</strong> Gruppe beauftragt. Dadurch können diese Komponenten der technischen Infrastruktur zielorientiert<br />

abgestimmt werden. Das Versorgungsgebiet der Stadtwerke <strong>Erfurt</strong> umfasst eine Fläche von insgesamt<br />

269,1 km² und reicht dabei deutlich über die Stadtgrenzen hinaus.<br />

Die Arbeit der Stadtwerke <strong>Erfurt</strong> wird durch folgende Rahmenbedingungen bestimmt 17 . Seit 1993 besteht<br />

nach dem Erlass der Fernwärmesatzung Anschlusszwang für Grundstückseigentümer. Das gesamte Stadtgebiet<br />

ist mit Haupttrassen erschlossen. Die Großwohnsiedlungen, das Stadtzentrum und perspektivisch die<br />

Industriegebiete stellen die Hauptversorgungsgebiete dar. In den vergangenen Jahren fand im Zuge der<br />

Veränderung von Siedlungsstrukturen ein drastischer Netzumbau statt. Die Stadtwerke verzeichnen unter<br />

dem Einfluss der negativen demografischen Entwicklung und dem damit verbundenen Nachfragerückgang<br />

eine sinkende Fernwärmeeinspeisung. Eine ähnlich Ausrichtung zeigt sich bei der Betrachtung der Wärmehöchstlast,<br />

die seit 2002 jedoch wieder leicht gestiegen ist. Zur "richtigen" Dimensionierung der Netze stützen<br />

sich die SWE auf die in zwei Energiekonzepten errechneten Prognosen. Denen zufolge kündigen sich<br />

bis 2020 Absatzverluste für die Fernwärmeversorgung in einer Größenordnung von 30 % an, während<br />

gleichzeitig die Erzeugungskosten um 30 % und die Verteilungskosten um 40 % steigen werden. Die Stadtwerke<br />

erwarten hieraus Kostensteigerungen von 18 %. Diese kontraproduktive Entwicklung - Wachsen der<br />

Rohrnetzverteilung bei sinkender Siedlungsdichte - betrifft ebenso die Wasserversorgung. Die Kapitalkosten<br />

der notwendigen Investitionen belasten die Wasserversorgungsunternehmen am stärksten, gefolgt von Betriebs-<br />

und Instandhaltungskosten.<br />

Ein großes - von der Kommune nicht zu beeinflussendes Problem - stellt die derzeitige Förderpolitik dar. In<br />

den Nachwendejahren wurde massiv in die Ver- und Entsorgung investiert. Diese neuen Leitungen und Anlagen<br />

müssen jetzt in Folge des Stadtumbau Ost teilweise wieder rückgebaut beziehungsweise angepasst<br />

werden. Bei einer Lebensdauer von rund 40 bis 50 Jahren entstehen den Versorgern gravierende Buchwertverluste<br />

und hohe Rückbaukosten. Neben der Bezuschussung des Abrisses muss nach Einschätzung des<br />

Instituts für Wirtschaftsförderung Halle die Anpassung der Infrastruktur mit weiteren 40 EUR/qm bezuschusst<br />

werden. Diese Möglichkeiten sind derzeit jedoch nicht gegeben. 18<br />

Abfall<br />

Die Abfallentsorgung wird ebenfalls von einem Unternehmen der Stadtwerke <strong>Erfurt</strong> Gruppe gewährleistet.<br />

Zentrale Entsorgungsanlagen der Stadtwirtschaft <strong>Erfurt</strong> sind die Deponie Schwerborn und die benachbarte<br />

Kompostierungsanlage. Nachdem in den vergangenen Jahren flächendeckend eine grundstücksbezogene<br />

Entsorgung von Wertstoffen, organischen Abfällen, Papier und Restabfall eingeführt wurde, wird die weitere<br />

Entwicklung der Abfallentsorgung von einer seit dem 1. Juni 2005 geltenden neuen gesetzlichen Vorgabe<br />

16<br />

vgl. § 2 Thüringer Kommunalordnung (ThürKO)<br />

17<br />

vgl.: Frank Springer: "Siedlungsentwicklung und Infrastrukturfolgekosten". In: "WohnQualitäten Mittelthüringen - Dokumentation der<br />

Workshop-Reihe", Weimar, November 2004<br />

18<br />

Rüdiger Pohl:" Wirtschaftsstandort Sachsen-Anhalt: Stadtumbau als Chance", Vortrag auf dem gemeinsamen Neujahrsempfang der<br />

Ingenieurkammer, des Verbandes der Wohnungswirtschaft, des Verbandes der Wohnungsgenossenschaften und der Architektenkammer<br />

Sachsen-Anhalt am 08.01.2003 in Magdeburg. URL: www.stadtumbaurecht.de/index.php?Veroeffentlichungen&Andere=2003<br />

[Stand 20.05.2002]<br />

45


<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />

bestimmt. Diese besagt, dass in Deutschland Abfälle wie Hausmüll, Sperrmüll und hausmüllähnliche Abfälle<br />

aus dem Gewerbe ohne eine Vorbehandlung nicht mehr auf Deponien beseitigt werden dürfen. Dabei sind<br />

die sowohl die Verbrennung wie auch mechanisch-biologische Behandlungsverfahren zulässig.<br />

Die Städte <strong>Erfurt</strong> und Weimar sowie der Landkreis Weimarer Land haben eine kommunale Zweckvereinbarung<br />

getroffen und errichten in <strong>Erfurt</strong>-Ost (Schwerborner Strasse) eine Anlage für die Behandlung von<br />

90.000 t Restabfall pro Jahr. Dabei handelt es sich um eine Kombinationsanlage, die aus einer mechanischbiologischen<br />

Aufbereitungs- und einer Verbrennungsanlage mit Energiegewinnung für die nicht stofflich verwertbaren<br />

Abfallbestandteile (ca. 60.000 t pro Jahr) bestehen wird. Die Inbetriebnahme durch die ThüringerUmweltService<br />

GmbH soll <strong>2006</strong> erfolgen.<br />

46


3. Bestandsanalyse und Entwicklungstrends<br />

3.6 Wirtschaft<br />

Die Landeshauptstadt <strong>Erfurt</strong> hat seit 1990 einen tief greifenden Wandel durchlebt. Die wirtschaftlichen Veränderungen<br />

nach der Wende führten zunächst zu einem starken Rückgang der Beschäftigtenzahlen im Bereich<br />

des produzierenden Gewerbes. Durch die Konsolidierung und Neugründung von Unternehmen ist es<br />

gelungen, die traditionellen Branchen wie Maschinen- und Anlagenbau oder Nahrungsmittelindustrie in ihrem<br />

Kern zu sichern und um neue, innovative Facetten wie etwa die Bereiche Logistik, Softwareentwicklung,<br />

Telekommunikation oder Photovoltaik zu bereichern. <strong>Erfurt</strong> ist heute durch eine breite Branchenvielfalt und<br />

eine klein- und mittelständische Struktur der gewerblichen Wirtschaft gekennzeichnet, mit der ein tragfähiges<br />

Fundament für die weitere wirtschaftliche Entwicklung der Stadt vorhanden ist.<br />

Darüber hinaus haben die Bereiche Verwaltung, Handel, Medien und Dienstleistungen in den vergangenen<br />

Jahren einen deutlichen Zuwachs erhalten. Die zentrale Bedeutung der Stadt für das Land Thüringen wurde<br />

durch die neue Rolle als Landeshauptstadt, Einrichtungen wie Messe und Flughafen sowie eine zunehmend<br />

bessere Erreichbarkeit weiter gesteigert.<br />

3.6.1 Wirtschafts- und Arbeitsmarktregion<br />

<strong>Erfurt</strong> ist der Verkehrs-, Dienstleistungs-, Verwaltungs-<br />

und Kommunikationsknoten des Landes<br />

und als solcher Mittelpunkt einer eng verflochtenen<br />

Wirtschafts- und Arbeitsmarktregion. Von den<br />

<strong>Erfurt</strong>er Arbeitsplätzen profitierten rund 46.500<br />

Einpendler, demgegenüber standen etwa 15.000<br />

Auspendler (bezogen auf sozialversicherungspflichtige<br />

Beschäftigte) 19 . Das Haupteinzugsgebiet<br />

der Stadt reicht von Arnstadt bis Sömmerda und<br />

von Gotha bis Weimar, eine große Zahl von Einpendlern<br />

kommt zudem aus den Mittel- und Unterzentren<br />

des Landes.<br />

Intensive Pendlerverflechtungen bestehen zwischen<br />

den Städten und Wirtschaftsräumen entlang<br />

der Hauptverkehrsachsen A4. B4 und B7.<br />

Hier konzentrieren sich auch die größten Unternehmen<br />

des Landes. So ist zwischen <strong>Erfurt</strong> und<br />

Weimar ausgehend von der Ausweisung großer<br />

Gewerbeflächen im Raum <strong>Erfurt</strong>-Linderbach (Güterverkehrszentrum)<br />

und Nohra / Ulla zu Beginn<br />

der 1990er Jahre ein zusammenhängender Wirtschaftsraum<br />

entstanden. In der weiteren Region<br />

besitzen die Technologie- und Wissenschaftsstadt<br />

Jena sowie der Raum Eisenach eine herausragende<br />

Bedeutung als Wirtschaftsstandort. Durch<br />

den Bau der Autobahn A 71 verstärken sich die<br />

funktionellen Verflechtungen auf der Nord-Süd-<br />

Achse. Während der Raum Sömmerda-Kölleda<br />

u. a. mit Siemens Fujitsu, der Funkwerk AG und<br />

dem Motorenwerk MDC Power einer der wichtigsten<br />

Produktionsstandorte in Thüringen ist, entwickelt<br />

sich im Umfeld der TU Ilmenau eine mittelständig<br />

geprägte Struktur von Technologiefirmen.<br />

Sozialversicherungspflichtige Erwerbstätige<br />

nach Wirtschaftsbereichen<br />

Erwerbstätige insgesamt: 132.800<br />

davon Sozialversicherungspflichtige<br />

darunter<br />

98.638<br />

Produzierendes Gewerbe 8.834<br />

Baugewerbe 6.573<br />

Handel 12.280<br />

Verkehr und Nachrichtenübermittlung 7.308<br />

Sonstige Dienstleistungen 39.655<br />

Gebietskörperschaften 14.437<br />

Vor den südlichen Toren der Landeshauptstadt entsteht ausgehend vom traditionsreichen Industriestandort<br />

Arnstadt-Rudisleben und den neuen Gewerbegebieten Arnstadt-Nord, Thörey und Ichtershausen ein zusammenhängender<br />

Standort "<strong>Erfurt</strong>er Kreuz" mit einer vielfältigen Branchenstruktur. Durch die Entscheidung<br />

zum Bau eines Kompetenzzentrums zur Wartung und Instandhaltung von Airbus-Triebwerken wird dieser<br />

Standort am Kreuzungspunkt der Autobahnen A 4 und A 71 eine deutliche Stärkung erfahren. In diesem<br />

19<br />

Die Beschäftigtenzahlen liegen nur bis 2003 vollständig vor. Die Pendlerzahlen im Januar 2005 weichen nur unwesentlich von den<br />

Werten des Jahres 2003 ab.<br />

45<br />

%<br />

16<br />

%<br />

10%<br />

7%<br />

8%<br />

14<br />

%<br />

Quelle: Stadtentwicklungsamt, Bereich Statistik und Wahlen,<br />

Stand: 30.06.2003<br />

Abb. 17 - Erwerbstätige nach Wirtschaftsbereichen<br />

47


<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />

Raum wurde die raumordnerische Standortsicherung einer Industriegroßfläche mit einem Flächenpotential<br />

von über 200 ha vorgenommen 20 .<br />

Die Entwicklung der Gewerbestandorte im Umland ist eng mit der Zukunftsperspektive des Wirtschaftsstandortes<br />

<strong>Erfurt</strong> verbunden. Zum einen profitieren die in der Landeshauptstadt ansässigen Dienstleister,<br />

Bildungseinrichtungen, Gastgewerbe und Einzelhandel von Ansiedlungen im Umland. Zum anderen stabilisiert<br />

die Ansiedlungen von strukturwirksamen Betrieben die Entwicklung des produzierenden Sektors in <strong>Erfurt</strong>,<br />

etwa durch neue Absatzmöglichkeiten für Zulieferbetriebe.<br />

Die zukünftige Entwicklung der Region wird wesentlich durch zwei Faktoren beeinflusst: Investitionsentscheidungen<br />

werden im europäischen Wettbewerb nicht zwischen <strong>Erfurt</strong> und einer Nachbargemeinde getroffen.<br />

Vielmehr wird die gesamte Region als ein Standort wahrgenommen. Auch das durch die demographische<br />

Entwicklung spätestens ab 2008 anstehende Problem des Fachkräftemangels durch einen starken<br />

Rückgang der Schulabgänger betrifft die ganze Region. Hier zeigt sich bereits heute das Problem, dass<br />

neue Unternehmen auf Fachkräfte angewiesen sind, die weniger aus dem Feld der Arbeitslosen als vielmehr<br />

aus anderen Firmen und somit auch anderen Regionen kommen müssen. Um diese Herausforderungen<br />

bewältigen zu können, sind regionale Entwicklungsstrategien zur Etablierung attraktiver Wirtschafts- , Arbeits-<br />

und Wohnangebote in der Region zu entwickeln und umzusetzen. Nur so kann es gelingen, die vorhandenen<br />

Potentiale der Regiona wahrnehmbar zu gestalten. Diese Erkenntnis ist ein wesentliches Motiv<br />

der im Juni 2004 gegründeten Kommunalen Arbeitsgemeinschaft <strong>Erfurt</strong>-Weimar-Jena, die ImPulsRegion.<br />

20 Thüringer Ministerium für Bau und Verkehr (Hg.): „Landesentwicklungsplan 2004, S. 38, <strong>Erfurt</strong>, 2004<br />

48<br />

Abb. 18 - Berufseinpendler aus Thüringen in die Stadt <strong>Erfurt</strong>


3. Bestandsanalyse und Entwicklungstrends<br />

3.6.2 Branchenentwicklung<br />

Produzierendes Gewerbe 21<br />

Trotz des wirtschaftlichen Umbruchs nach 1990 verfügt <strong>Erfurt</strong> heute über eine vielfältige, zukunftsfähige<br />

Struktur an Betrieben des produzierenden Gewerbes. In der lokalen wie überregionalen Öffentlichkeit wird<br />

dieses jedoch nur unzureichend wahrgenommen, da kaum Endprodukte hergestellt werden. Innovative Produkte<br />

aus <strong>Erfurt</strong> versehen ihren Dienst zumeist unmerklich. So findet sich beispielsweise Mikrosystemtechnik<br />

(Halbleitertechnik) aus <strong>Erfurt</strong> in zahlreichen Komponenten der Automobilindustrie.<br />

Maschinen- und Anlagenbau: Die traditionsreichen und durch die <strong>Erfurt</strong>er Industriebahn auch mit Gleisanschlüssen<br />

versehenen Gewerbestandorte im Norden der Stadt werden von Firmen des Anlagen- und Maschinenbaus<br />

wie Müller Weingarten und Siemens Generatorenwerk geprägt. Die mittelständige Wirtschaft<br />

<strong>Erfurt</strong>s besetzt zunehmend Nischen besonders in Bezug auf Sonder- und Einzelanfertigungen. Dafür bestehen<br />

gute Voraussetzungen durch vorhandenes ausgebildetes Facharbeiterpersonal (z.B. Werkzeugbauer).<br />

Perspektivisch ist von einer Konsolidierung solcher bestehender Firmen und weiteren Neuansiedlungen im<br />

Bereich der Sonderfertigungen und spezialisierten Zulieferung auszugehen.<br />

Hochtechnologie: Mit dem Industriegebiet <strong>Erfurt</strong> Südost verfügt <strong>Erfurt</strong> über einen zukunftsfähigen Hochtechnologiestandort,<br />

der auf den gesamten Wirtschaftsstandort ausstrahlt. Schlüsselbranchen sind dabei Mikroelektronik,<br />

Halbleiterfertigung, Mikrosystemtechnik, Photovoltaik und Softwareentwicklung. Neben Umstrukturierungen<br />

und Ausgründungen aus dem Bereich der Mikroelektronik (X-FAB /Thesys /Melexis) sind zahlreiche<br />

kleine und mittelständig Unternehmen in dynamischen Wirtschaftsbereichen entstanden. Dies gilt etwa<br />

für den Bereich der Photovoltaik mit den Unternehmen ErSol und PV Crystalox oder die Softareunternehmen<br />

Ibykus und Q-Soft (Stotternheimer Straße). Rund um diese Schlüsselunternehmen bildet sich ein<br />

Netz spezialisierter kleinerer Unternehmen und Dienstleister, deren Ansiedlung durch das Technologie- und<br />

Medienzentrums tmz und das AZM Anwendungszentrum Mikrosystemtechnik unterstützt wird. Das AZM bietet<br />

mit dem CiS Institut für Mikrosensorik gGmbH, dem Unternehmensbereich Solarzentrum und dem Institut<br />

für Mikroelektronik und Mechatroniksysteme wichtige Forschungs- und Entwicklungsangebote für die <strong>Erfurt</strong>er<br />

Hochtechnologie.<br />

Baugewerbe: Bedingt durch den Bauboom Anfang der 90er Jahre verfünffachte sich die Anzahl der Betriebe<br />

im Zeitraum von 1992 bis 1998 und die Anzahl der Mitarbeiter stieg auf 160 %. Danach setzte ein stetiger<br />

Rückgang ein, wobei im Bauhauptgewerbe ein immenser Arbeitskräfteabbau bei nahezu gleichbleibender<br />

Firmenanzahl zu verzeichnen war, und im Ausbaugewerbe sich besonders die Unternehmenszahl verringerte.<br />

Wesentliche Ursache dafür ist, dass sich die Betriebe des Bauhauptgewerbes neue Betätigungsfelder<br />

(u. a. Fertig- u. Energiesparhäuser, Mietfabriken) gesucht haben und dadurch mit verringerter Mitarbeiterzahl<br />

ihre Existenz sichern konnten, während das Ausbaugewerbe solche Nischen nicht besetzen konnte. Im Jahr<br />

2004 waren noch dreieinhalb mal so viele Unternehmen wie 1992 vorhanden, jedoch nur 70 % der Arbeitsplätze.<br />

Damit waren durchschnittlich 16,5 Arbeitnehmer je Firma beschäftigt. Obwohl auch für die nächsten<br />

Jahre mit einem weiteren Abbau von Arbeitsplätzen im Bauhauptgewerbe und der Schließung von Betrieben<br />

im Baunebengewerbe gerechnet werden muss, zeichnet sich eine langsame Konsolidierung der mittelständigen<br />

Baubetriebe ab.<br />

Nahrungsmittelindustrie: Als Zentrum einer ländlich geprägten Region sind in <strong>Erfurt</strong> traditionsreichen Firmen<br />

der Nahrungsgüterindustrie ansässig. Unternehmen wie Braugold, Milchwerke Osterland, Malzwerk und <strong>Erfurt</strong>er<br />

Teigwaren haben in den vergangenen Jahren umfangreiche Erweiterungsinvestitionen getätigt und<br />

konnten ihre Marktposition kontinuierlich ausbauen. Es ist davon auszugehen, dass die Nahrungsgüterindustrie<br />

auch zukünftig in <strong>Erfurt</strong> (wie auch im Land Thüringen) eine große wirtschaftliche Bedeutung haben<br />

wird.<br />

Verwaltung und Dienstleistung<br />

Der Wirtschaftsstandort <strong>Erfurt</strong> wird durch die Funktion als Verwaltungszentrum des Landes Thüringen geprägt.<br />

Ein Großteil der vorhandenen Arbeitsplätze entfällt auf Einrichtungen des öffentlichen Sektors. Wichtige<br />

Arbeitgeber sind die Landesregierung und nachgeordnete Behörden, die Stadtverwaltung, die Arbeitsagentur<br />

<strong>Erfurt</strong>, das Bundesarbeitsgericht, die Bundeswehr sowie Fachhochschule und Universität.<br />

Hinzu kommen privatwirtschaftlich organisierte Unternehmen wie die Stadtwerke <strong>Erfurt</strong> Gruppe, TEAG Thüringer<br />

Energie AG, die Helaba, die Sparkasse Mittelthüringen, die Landesentwicklungsgesellschaft, die Messe<br />

<strong>Erfurt</strong> AG, Dienststellen ehemaliger Staatsunternehmen wie der Bahn AG sowie Kammern, Verbände und<br />

21 Produzierendes Gewerbe = Energie- und Wasserversorgung, Bergbau, Verarbeitendes Gewerbe und Baugewerbe<br />

49


<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />

Krankenkassen. Von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung ist auch das Gesundheitswesen. So zählt das<br />

Helios-Klinikum mit rund 2200 Mitarbeitern (einschließlich wirtschaftlich eigenständiger Dienstleister) zu den<br />

größten Arbeitgebern im Land Thüringen.<br />

Zukünftig wird die unvermindert sinkende Bevölkerung im Land Thüringen für den Staatssektor weitere Einschnitte<br />

bedeuten, die auch in <strong>Erfurt</strong> mit einer Schrumpfung des Personalbestandes verbunden sein werden<br />

22 . Umso wichtiger ist es, weitere Arbeitsplätze in privatwirtschaftlichen Unternehmen des Dienstleistungsbereiches<br />

zu schaffen. Dieser Sektor hat seit 1990 eine dynamische Entwicklung erlebt. Diese wurde<br />

getragen von einer Vielzahl an Dienstleistern wie Anwaltskanzleien, Werbeagenturen und Ingenieurbüros,<br />

der Ansiedlung von Banken und Versicherungen in der Innenstadt und der Konzentration der Zeitungsgruppe<br />

Thüringen am Standort <strong>Erfurt</strong>-Bindersleben.<br />

Medien und Telekommunikation<br />

Zu einem wichtigen wirtschaftlichen Standbein der Stadt <strong>Erfurt</strong> haben sich die Bereiche Medien und Telekommunikation<br />

entwickelt. Mit der Zeitungsgruppe Thüringen hat einer der wichtigsten Akteure des ostdeutschen<br />

Zeitungswesens seinen Sitz in <strong>Erfurt</strong>. Mit der Einrichtung des Landesfunkhauses des MDR, der<br />

Ansiedlung des Kinderkanals Ki.Ka und des ZDF-Regionalstudios sowie einer Reihe privatwirtschaftlicher<br />

Dienstleister und Produktionsunternehmen profiliert sich <strong>Erfurt</strong> als Film- und Fernsehstadt insbesondere im<br />

Bereich der Kindermedien. Wesentliche Bausteine zur Absicherung dieser Entwicklung sind das in Bau befindliche<br />

"Medienapplikations- und Gründerzentrums - MAGZ" sowie die Etablierung branchenbezogener<br />

Veranstaltungen wie das Festival "Goldener Spatz". Darüber hinaus haben sich mit der mobilcom AG mit ca.<br />

700 Arbeitnehmern, der csg Computer Services GmbH mit ebenfalls rund 850 Arbeitnehmern, der<br />

HELPBYCOM mit ca. 300 Arbeitnehmern und der MSG MediaService GmbH mit ca. 70 Arbeitnehmern wichtige<br />

Dienstleister aus dem IT- und Telekommunikationsbereich angesiedelt.<br />

Verkehr und Logistik<br />

Der Bereich Verkehr und Logistik ist von hoher wirtschaftlicher Bedeutung und kann in besonderem Maße<br />

zur Profilierung des Standortes <strong>Erfurt</strong> beitragen. Neben verschiedenen Dienststellen der Deutschen Bahn<br />

AG profilieren sich die <strong>Erfurt</strong>er Verkehrsbetriebe und die <strong>Erfurt</strong>er Industriebahn/Südthüringenbahn (EIB/STB)<br />

als innovative ÖPNV-Anbieter. Durch die Übernahme von Verkehrsleistungen in ganz Thüringen sowie in<br />

Nordbayern und Nordhessen ist die <strong>Erfurt</strong>er Industriebahn zu einem Werbeträger der Stadt geworden. Neben<br />

den Verkehrsunternehmen haben überregional tätige Planungsbüros und Spezialunternehmen wie "<strong>Erfurt</strong>er<br />

Gleisbau" ihren Sitz in der Stadt.<br />

Der Bereich der Logistik hat sich in den vergangenen Jahren sehr dynamisch entwickelt. Mit dem Güterverkehrszentrum<br />

GVZ ist ein Standort mit Flächenpotentialen inkl. Bahnanschluss vorhanden, der seit der Übernahme<br />

in das Eigentum der Stadt <strong>Erfurt</strong> Anfang 2005 besser vermarktet werden kann. Strukturbestimmendes<br />

Unternehmen ist hier das IKEA-Logistikzentrum. Weitere wichtige Standorte sind der Flughafen <strong>Erfurt</strong><br />

und das FIEGE-Logistizentrum in Apfelstädt. Mit den "<strong>Erfurt</strong>er Logistiktagen" ist zugleich ein überregional<br />

bedeutsames Forum für den Dialog zwischen Wissenschaft und Praxis in der Stadt etabliert. Ergänzend sind<br />

durch praxisnahe Ausbildungsgänge an der FH <strong>Erfurt</strong> (unter anderem am Fachbereich Verkehrs- und Transportwesen)<br />

weitere Voraussetzungen für eine positive Entwicklung im Bereich Verkehrswesen und Logistik<br />

gegeben.<br />

Einzelhandel<br />

Der Einzelhandel in der Landeshauptstadt Thüringens gestaltet sich weiter zu einem bedeutenden Faktor<br />

der Wirtschafts- und Stadtentwicklung. <strong>Erfurt</strong> wird durch eine sehr homogene Handelsstruktur gekennzeichnet<br />

und besitzt mit der Innenstadt ein Zentrum, das durch seine Handelsvielfalt "Shopping-Erlebnis" ermöglicht<br />

und damit Anziehungspunkt für Einwohner und Besucher ist. Dazu trägt insbesondere die Durchmischung<br />

von Magnetbetrieben und kleinteiligen Handelsgeschäften, Einzelhandelsfilialisten und eigenständigen<br />

<strong>Erfurt</strong>er Betrieben bei. Eine der höchsten Zentralitätskennziffern der ostdeutschen Landeshauptstädte<br />

und die Verdopplung des Einzugsgebietes seit 1998 sind Ausdruck dafür, dass der Einzelhandelsstandort<br />

<strong>Erfurt</strong> bei den Kunden auch überregional zunehmend an Akzeptanz gewinnt. Neben dem Zentrum sind die in<br />

jeweils angrenzende Wohnbebauung integrierte Einkaufscenter Anziehungspunkt für Einwohner und Besucher.<br />

Mit der Verzehnfachung der Einzelhandelsfläche seit 1990 ist eine flächendeckende Ausstattung der Stadt<br />

erreicht. Auf der Basis einer jährlich durchgeführten Haus-zu-Haus-Begehung wird in <strong>Erfurt</strong> der Gesamtbestand<br />

an Einzelhandelsflächen erfasst. Die Verkaufsflächenzahl von ca. 3 m²/EW ist somit nicht vergleichbar<br />

22 Helaba Landesbank Hessen-Thüringen: „Märkte und Trends Spezial“, S. 4, Frankfurt, November 2004<br />

50


3. Bestandsanalyse und Entwicklungstrends<br />

mit anderen Städten, in denen z. B. lediglich größere Handelsobjekte erfasst werden. Eine extensive Erweiterung<br />

der Handelsflächen erfolgt nur noch in Ausnahmefällen und vorzugsweise in der Innenstadt.<br />

Die Nahversorgung wird im gesamten Stadtgebiet (in Ortschaften teilweise über mobile Versorgung) sichergestellt.<br />

Tourismus<br />

Der Tourismus hat seit 1990 als Wirtschaftsfaktor zunehmend an Bedeutung gewonnen. Hauptanziehungspunkte<br />

und Imageträger des Tourismus sind vor allem der Dom und die Krämerbrücke.<br />

Vor allem in den Bereichen Städtetourismus und Tagungswesen ist ein kontinuierliches Wachstum zu verzeichnen.<br />

So stieg die Zahl der Übernachtungen von 513.000 im Jahr 2001 auf 530.000 im Jahr 2003. Davon<br />

entfielen 43.365 Übernachtungen auf ausländische Gäste 23 . Zusätzlich kommen - insbesondere zu<br />

"Events", wie dem Weihnachtsmarkt oder dem Krämerbrückenfest - zahlreiche Tagesbesucher und Privatgäste<br />

in die Stadt. Der Großteil der Gäste entfällt bisher auf die Gruppe der über 50jährigen. Die Verweildauer<br />

beträgt in der Regel 1-3 Tage.<br />

Die Attraktivität der historischen Altstadt, die gute touristische Infrastruktur mit einem breit gefächerten Angebot<br />

an Hotels, Beherbergungsbetrieben und Gaststätten und die Verbindung zu Kultur und Handel sind<br />

wesentliche Motoren des Tourismus. Zusätzliche Besucherpotenziale könnten zukünftig durch ergänzende<br />

Angebote für jüngere Zielgruppen erschlossen werden. Ein zentraler Ansatzpunkt der touristischen Entwicklung<br />

ist die Fortsetzung der Bemühungen zur Aufwertung der Altstadt und angrenzender Bereiche wie dem<br />

Petersberg. Notwendig ist zudem die weitere Profilbildung einzelner Kultur- und Freizeiteinrichtung, um Anziehungspunkte<br />

zu erhalten, die überregional wahrgenommen werden.<br />

Der Bekanntheitsgrad des Reiseziels <strong>Erfurt</strong> konnte in den vergangenen Jahren insbesondere durch die Zusammenarbeit<br />

der Tourismus GmbH <strong>Erfurt</strong> unter anderem in den Vereinen "Städtetourismus Thüringen e.V."<br />

und "Historic Highlights of Germany" sowie einer verstärkte Kooperation im Raum <strong>Erfurt</strong>-Weimar-Jena deutlich<br />

erhöht werden. Durch eine weitere Vernetzung mit Angeboten im Thüringer Wald, der Region Hainich-<br />

Werratal sowie der Ilm- und Saale-Region können perspektivisch weitere touristische Potenziale erschlossen<br />

werden.<br />

Die zukünftige touristische Entwicklung wird zudem von folgenden Trends beeinflusst:<br />

− zunehmender Anteil älterer und in der Mobilität eingeschränkter Gäste;<br />

− gleichzeitig steigende Zahl von aktiven Senioren, die etwa mit Reisemobilen oder als Radtouristen unterwegs<br />

sind;<br />

− zunehmenden individuelle - d. h. von Pauschalangeboten unabhängige - Reisegestaltung sowie kurzfristige<br />

Modetrends.<br />

Land- und Forstwirtschaft<br />

<strong>Erfurt</strong> verfügt in seiner Peripherie derzeit über 1.950 ha Waldfläche - davon 260 ha Kommunalwaldfläche -<br />

sowie ein großes Potential an landwirtschaftlicher Nutzfläche. Mit Bodenwertzahlen von zum Teil über 90<br />

sind sie besonders für den Garten- und Gemüseanbau hervorragend geeignet. Nicht zuletzt brachten die<br />

vormals weitläufigen, üppig blühenden Blumenfelder, die der Saatzucht dienten, <strong>Erfurt</strong> dem Beinamen „Blumenstadt“<br />

ein.<br />

Gegenüber 1990 ist ein Rückgang der gärtnerischen Nutzung, insbesondere der Saat- und Zierpflanzenproduktion<br />

zu verzeichnen, der vor allem aus umfangreichen Produktionsverlagerungen an kostengünstigere<br />

Standorte und die Flächeninanspruchnahme für Wohn- und Gewerbegebiete sowie Infrastrukturprojekte resultiert.<br />

Dennoch werden derzeit rund 16.700 Hektar landwirtschaftlicher Nutzflächen im Stadtgebiet durch<br />

75 Betriebe mit Sitz in <strong>Erfurt</strong> und durch sieben Betriebe des Umlandes bewirtschaftet. Trotz der besonderen<br />

Eignung der Flächen für den Gemüse- bzw. Gartenanbau werden auf 75 % der Flächen Getreide, Hackfrüchte,<br />

Ölfrüchte sowie Tierfutter angebaut. Lediglich auf 25 % wird Garten- bzw. Gemüseanbau betrieben.<br />

Der Anteil der Waldflächen am Stadtgebiet konnte in den vergangenen Jahren durch Aufforstungsmaßnahmen<br />

zum Beispiel im Bereich der Fahner Höhen und Ausgleichsmaßnahmen im Zuge der Verkehrsprojekte<br />

Deutsche Einheit deutlich gesteigert werden. Durch weitere Maßnahmen sowie forstliche Nachnutzung von<br />

Brachflächen wird sich der Anteil zukünftig weiter erhöhen.<br />

23 Thüringer Landessamt für Statistik: „Statistisches Jahrbuch 2004“, S. 284, <strong>Erfurt</strong> 2004<br />

51


<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />

3.6.3 Gewerbeflächen<br />

Im Jahr 1990 verfügte die Stadt über ca. 600 ha gewerblich genutzte Flächen, die schwerpunktmäßig im<br />

nördlichen bis östlichen Bereich und im Südosten lagen. Betriebsaufgaben oder der Mangel an Expansionsmöglichkeiten<br />

führten zunächst zu umfangreichen Standortaufgaben. Zeitgleich erfolgte die Ausweisung<br />

großer Gewerbeflächen insbesondere auf dem Gebiet der 1994 eingemeindeten Umlandgemeinden. Der mit<br />

der wirtschaftlichen Umstrukturierung verbundene Zuwachs in den Bereichen Handel, Dienstleistung und<br />

Verwaltung führte ebenfalls zur Entwicklung neuer Standorte. Nur in Ausnahmen - wie im Fall des Sparkassenfinanzzentrums<br />

- wurden dabei bestehende Brachflächen nachgenutzt. Es ist jedoch gelungen, zentrale<br />

Funktionen in die Entwicklungsachsen der Stadt einzufügen.<br />

So konzentriert sich die Medienbranche<br />

mit dem Thüringer Sitz<br />

des Mitteldeutschen Rundfunks<br />

MDR und des Kinderkanals<br />

"KI.KA“ sowie dem in Bau befindlichen<br />

Medienapplikations- und<br />

Gründerzentrum im Bereich der<br />

Messe am westlichen Stadtrand.<br />

Die Einrichtungen der Landesregierung<br />

finden sich im Wesentlichen<br />

im <strong>Erfurt</strong>er Süden. Auch<br />

maßgebliche Bürostandorte fügen<br />

sich im Bereich der Nordhäuser<br />

Straße nördlich des Thüringenparks<br />

und am Flughafen<br />

(Büropark "Airfurt") in die Entwicklungsachsen<br />

der Stadt ein.<br />

Diese Strategie der Nutzungsverteilung<br />

bewirkt zum einen eine effektive<br />

Nutzung technischer und<br />

verkehrlicher Infrastruktur, zum<br />

anderen geht insbesondere in<br />

den Stadtteilen nördlich und östlich<br />

der Innenstadt von Einrichtungen<br />

mit öffentlichem Charak-<br />

Abb. 19 - Branchenverteilung<br />

ter eine wichtige stabilisierende<br />

Rolle aus. Dies gilt beispielsweise für den Sitz der Stadtwerke <strong>Erfurt</strong> in der Magdeburger Allee, den Campus<br />

der Fachhochschule in der Altonaer Straße sowie dem Standort des Helios-Klinikums und der Universität in<br />

der Nordhäuser Straße.<br />

Der zukünftige Bedarf an gewerblichen Bauflächen ist schwer abzuschätzen. Im FNP-<strong>Entwurf</strong> sind<br />

ca. 1.300 ha gewerbliche Bauflächen dargestellt, die sich wie folgt qualifizieren lassen:<br />

52<br />

Flächen in rechtskräftigen Bebauungsplan-Gebieten 582 ha<br />

davon bebaut bzw. in Bau befindlich 518 ha<br />

unbebaut und nicht erschlossen 64 ha<br />

Flächen, für die Bebauungspläne im Verfahren sind 253 ha<br />

davon Bestandsflächen 163 ha<br />

Erweiterungsflächen 90 ha<br />

Flächen, ohne Bebauungsplanung (Baurecht kann<br />

weitestgehend nach § 34 BauGB erteilt werden)<br />

465 ha<br />

Gewerbliche Bauflächen nach FNP gesamt 1.300 ha<br />

Des Weiteren sind gewerbliche Ansiedlungen unter bestimmten Voraussetzungen auch in gemischten Bauflächen<br />

möglich. Auch Sondergebietsflächen mit der Zweckbestimmung Verwaltung sind für Ansiedlungen<br />

des tertiären Sektors vorgesehen.


3. Bestandsanalyse und Entwicklungstrends<br />

Die Ausweisung der Flächen basiert auf dem Prinzip der Fortschreibung des Achsenmodells mit der traditionell<br />

bestehenden Nord-Südost-Achse und einer neuen Ost-West-Achse. Verbunden hiermit ist die schrittweise<br />

Verbesserung der großen Gewerbestandorte insbesondere durch die bis 2007 abgeschlossene Fertigstellung<br />

des "<strong>Erfurt</strong>er Ringes".<br />

Eine Untersuchung 24 aller gesamtstädtisch wichtigen gewerblich genutzten Gebiete (ca. 1.500 ha sowohl auf<br />

gewerblichen als auch auf gemischten Bauflächen) ergab, dass derzeit ca. 470 ha ungenutzte oder brach<br />

gefallene Flächen vorhanden sind. Diese Zahl täuscht jedoch, da es derzeit bereits problematisch ist, größere<br />

zusammenhängende Flächen (5 bis 10 ha) nachzuweisen und schnell und preisgünstig anbieten zu können.<br />

Flächen mit Gleisanschluss werden in ganz Thüringen knapp und sind in <strong>Erfurt</strong> aktuell nur in der <strong>Erfurt</strong>er<br />

Straße Ost, nach der Änderung des B-Planes im GVZ sowie ab <strong>2006</strong> südlich der Kühnhäuser Straße vorhanden.<br />

Es ist daher notwendig, für die unterschiedlichen Branchen geeignete Flächen sowohl für Neuansiedlungen<br />

wie auch Betriebserweiterungen auszuweisen und vorhandene Flächenpotenziale im Bestand durch Aufbereitung<br />

und Zusammenlegung besser nutzbar zu machen.<br />

Die Bürofläche hat sich mit 1.874.219 m² am 31.12.2004 gegenüber 1990 verdreifacht, davon standen<br />

404.658 m² leer. Zu spürbarer Bewegung auf dem Markt gewerblicher Immobilien führen Umstrukturierungsprozesse,<br />

die durch den Wechsel von Mietobjekten, Umzug von Miet- in Eigentumsobjekte sowie durch<br />

räumliche Konzentration bisher verstreuter Betriebsteile gekennzeichnet ist. Notwendig ist die weitere Verbesserung<br />

der Anbindung einzelner Standorte. Beispielsweise konnten durch den Bau der Stadtbahn nach<br />

Bindersleben und den Bau der Autobahn A71 die Entwicklungschancen des Büroparks Airfurt verbessert<br />

werden.<br />

3.6.4 Kommunale Finanzen<br />

Die Kommunen in Deutschland und so auch <strong>Erfurt</strong> befinden sich in der schwersten Finanzkrise seit Bestehen<br />

der Bundesrepublik Deutschland. Sie ist durch die seit Jahren rückläufigen Einnahmen gepaart mit stetig<br />

steigenden Ausgaben geprägt. Diese Entwicklung ist dabei nur in geringem Maße durch die Kommune<br />

steuerbar. Einnahmeverlusten aufgrund der schlechten Wirtschaftslage und sinkenden Einwohnerzahlen<br />

stehen Mehrbelastungen u. a. aufgrund der Übertragung von Bundes- und Landesaufgaben ohne entsprechende<br />

Ausgleichsregelungen gegenüber.<br />

Dementsprechend prekär sieht die Lage bei den Investitionsausgaben aus. In den letzten Jahren konnten<br />

etwa gleich bleibende Mittel für investive Maßnahmen nur aufgrund massiver Verkäufe von Vermögenswerten<br />

bereit gestellt werden. Mit den Verkaufserlösen wurden die notwendigen Eigenanteile für Förderungen<br />

durch den Freistaat aufgebracht. Vermögenswerte sind jedoch nur einmal veräußerbar, so dass diese Vorgehensweise<br />

nur eine sehr kurzfristige Lösung ist.<br />

Eine Entspannung der Finanzlage ist auch langfristig nicht absehbar. Der nach § 53 Abs. 3 ThürKO geforderte<br />

Haushaltsausgleich wird weiterhin sinkende Investitionen und Ausgabenkürzungen notwendig machen,<br />

was zu drastischen Einschnitten in allen Bereichen führen wird. Insofern sind sämtliche Überlegungen zur<br />

Stadtentwicklung vor dem Hintergrund knapper Haushaltskassen zu betrachten.<br />

3.6.5 Bildung und Wissenschaft<br />

<strong>Erfurt</strong> verfügt über eine vielfältige Struktur an Bildungseinrichtungen, die neben einem umfassenden Angebot<br />

an allgemein bildenden Schulen, Spezialgymnasien, Fachschulen und Beruflichen Bildungszentren auch<br />

eine Reihe von privaten Instituten der Aus- und Weiterbildung umfasst. Berufliche Qualifizierungsmaßnahmen<br />

für Unternehmen der Region werden zum großen Teil von <strong>Erfurt</strong>er Instituten übernommen.<br />

Mit der Fachhochschule und der Universität verfügt <strong>Erfurt</strong> über zwei Hochschulen. In einem rein zahlenmäßigen<br />

Vergleich kann die Stadt nicht mit den großen Hochschulstandorten in Deutschland konkurrieren. Zu<br />

berücksichtigen ist aber, dass der Wirtschafts- und Bildungsstandort von der Nähe der Hochschulen und<br />

Wissenschaftseinrichtungen insbesondere in Ilmenau, Weimar und Jena (siehe Tabelle) profitieren kann.<br />

Profil und Bedeutung der <strong>Erfurt</strong>er Bildungs- und Wissenschaftslandschaft liegen dabei in einer differenzier-<br />

24<br />

Landeshauptstadt <strong>Erfurt</strong>, Stadtverwaltung, Stadtentwicklungsamt (Hg.): Beiträge zur Stadtentwicklung - Heft 3 „Sektorale Entwicklungskonzeption<br />

Arbeiten - Teilbereich Gewerbeflächenbericht“, Oktober 2003<br />

53


<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />

ten Struktur spezialisierter Angebote. In verschiedener Hinsicht werden Lücken besetzt, die eine eigenständige<br />

Profilierung im engen Wettbewerb erlauben und eine sinnvolle Ergänzung der Thüringer Hochschul-<br />

und Forschungslandschaft darstellen. Öffentliche Veranstaltungen der <strong>Erfurt</strong>er Hochschulen bereichern zudem<br />

das kulturelle Leben der Stadt. Die öffentlich nutzbaren Hochschulbibliotheken sichern den Zugang zu<br />

aktuellen Informationen aus zahlreichen Wissenschaftsbereichen.<br />

Tabelle 9 - Studentenzahlen und Profil der Hochschulen im Raum <strong>Erfurt</strong> - Weimar - Jena - Ilmenau 25<br />

Hochschule Schwerpunkte Studentenzahl<br />

Universität <strong>Erfurt</strong> Geisteswissenschaften, Kommunikationswissenschaften, Erziehungswissenschaften,<br />

Staatswissenschaften, Theologie<br />

ca. 4.000<br />

Fachhochschule <strong>Erfurt</strong> Architektur/Bauwesen, Restaurierung, Versorgungstechnik, Gartenbau,<br />

Landschaftsarchitektur, Verkehr und Logistik, Wirtschaft, Sozialwesen,<br />

Informatik<br />

Technische Universität Ilmenau Elektro- und Informationstechnik, Informatik, Naturwissenschaften, Maschinenbau,<br />

Medien, Wirtschaft<br />

Bauhaus-Universität Weimar Architektur, Stadt- und Regionalplanung, Bauwesen, Gestaltung,<br />

Medien<br />

54<br />

ca. 4.200<br />

7.019<br />

4.686<br />

(Stand 2002)<br />

Hochschule für Musik Weimar Musik 791<br />

(Stand 2002)<br />

Friedrich-Schiller-Universität Jena Volluniversität mit großer Bedeutung der Naturwissenschaften und Medizin<br />

19.702<br />

(Stand 2004)<br />

Fachhochschule Jena Wirtschaft, Technik, Soziales 4.630<br />

25 Angaben der Hochschulen lt. Website. Uni <strong>Erfurt</strong>, FH <strong>Erfurt</strong>, TU Ilmenau, FH Jena: Stand Sommersemester 2005. Bauhaus Uni und<br />

Hochschule für Musik: Stand Wintersemester 2002/2003 . Uni Jena: Stand WS 2004/2005.


3. Bestandsanalyse und Entwicklungstrends<br />

3.7 Soziales<br />

Im Rahmen der Daseinsvorsorge für ihre Bürger hat die Stadt <strong>Erfurt</strong> die Pflicht, die Versorgung mit notwendigen<br />

Einrichtungen des Gemeinbedarfes zu sichern. Zu den Grundbedürfnissen der Bevölkerung zählen<br />

u. a. die soziale Fürsorge, die medizinische Versorgung, schulische und außerschulische Bildung, Sicherheit<br />

und Hilfe im Notfall, ebenso die Möglichkeit zur Teilnahme an Gemeinschaft und Kultur, die Möglichkeit zur<br />

Freizeitgestaltung und die Möglichkeit zur Religionsausübung. Durch seine zentralörtliche Funktion übernimmt<br />

die Stadt <strong>Erfurt</strong> zusätzliche Versorgungsaufgaben für die Bevölkerung des Umlandes. Die Nachfrage<br />

nach sozialen Diensten unterliegt seit einigen Jahren einem starken Veränderungsprozess, der sich vor dem<br />

Hintergrund der prognostizierten Bevölkerungsentwicklung weiter fortsetzen wird. Stadtumbau und soziale<br />

Entwicklung sind daher untrennbar miteinander verbunden.<br />

3.7.1 Sozialstruktur<br />

Nach der Wirtschafts- und Währungsunion im Jahr 1990 wurde die Sozialordnung der Bundesrepublik auf<br />

die ehemalige DDR übertragen. Bis dahin gab es auch in <strong>Erfurt</strong> keine offizielle Arbeitslosigkeit, kaum Einkommensunterschiede<br />

und die Existenz sozialer Problemgruppen war weitgehend unbekannt. Auch gab es<br />

ein staatlich festgelegtes Versorgungsnetz von sozialer und gesundheitlicher Infrastruktur. Durch eine "besondere<br />

Fürsorge" des Staates existierten räumliche Segregationsprozesse der Bevölkerung kaum. Diese<br />

Situation hat sich tief greifend geändert.<br />

Die Entwicklungen der letzten Jahre im Sozialbereich zeigen auf der einen Seite eine Erhöhung des<br />

Wohlstandsniveaus und wachsendes Erwerbseinkommen 26 . Auf der anderen Seite jedoch gibt es immer<br />

mehr Menschen, die kurz- oder längerfristig in Not geraten und ihren Lebensunterhalt nur mit fremder Hilfe<br />

bestreiten können. Die Situation am Arbeitsmarkt, die geringen Arbeitsmarktchancen für eine immer größere<br />

Gruppe Arbeitsloser und steigende Einkommensunterschiede zeichnen ein deutliches Bild der neuen sozialen<br />

Spaltungs- und Segregationstendenzen. Dies zieht eine Chancenungleichheit hinsichtlich der Teilnahme<br />

am sozialen und kulturellen Leben in der Stadt nach sich, welche sich u. a. gravierend im Sozial- und Jugendhilfebereich<br />

niederschlagen 27 .<br />

Abb. 20 - Soziale Situation in den einzelnen Stadtteilen nach ausgewählten Indikatoren 35<br />

26<br />

vgl. Landeshauptstadt <strong>Erfurt</strong>, Stadtverwaltung, Dezernat Jugend, Bildung, Soziales und Gesundheit 05 (Hg.): „2.Sozialbericht der<br />

Stadt <strong>Erfurt</strong>“, <strong>April</strong> 2001<br />

27<br />

vgl. ebenda<br />

55


<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />

Auch in Bezug auf Lebensstile setzte ein Wandlungsprozess ein. Das klassische Modell von verheirateten<br />

Eltern mit mehreren Kindern ist im Rückzug begriffen. Dagegen ist die Zunahme von Ledigen im heiratsfähigen<br />

Alter, der eheähnliche Gemeinschaften und allein erziehende Mütter oder Väter zu beobachten. Damit<br />

geht eine Änderung der Bedarfsanforderungen nach sozialen Einrichtungen und Netzwerken sozialer Dienstleistungen<br />

einher. Die seit 1990 rückläufigen Geburtenzahlen zeigen bereits heute Auswirkungen im Bereich<br />

der Kinderbetreuung.<br />

Im Dezember 2004 waren in <strong>Erfurt</strong> 9.451 Personen, darunter 5.045 Frauen, abhängig von laufender Hilfe<br />

zum Lebensunterhalt, wobei 3.681 Kinder bis 18 Jahre und 147 Senioren ab 60 Jahre Sozialhilfe beziehen.<br />

Die Arbeitslosigkeit ist weiterhin der größte Ursachenfaktor (73 %) für deren Bezug. Besonders betroffen<br />

sind Alleinerziehende, Frauen mit Kindern und 1-Personenhaushalte. Die Entwicklung am Arbeitsmarkt zeigt<br />

weiterhin einen Anstieg der Arbeitslosigkeit. Im Jahr 2004 leben in der Stadt <strong>Erfurt</strong> 19.508 Arbeitslose, darunter<br />

2.553 jugendliche Arbeitslose bis 25 Jahre und 2.420 Arbeitslose, die älter als 55 Jahre sind, sowie<br />

8.759 Langzeitarbeitslose.<br />

Nach dem Zusammenschluss der Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe für erwerbsfähige Hilfsbedürftige nach<br />

dem "Vierten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt" (Hartz IV) zum 01. Januar 2005 zeigt<br />

die Auswertung der Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II) im <strong>April</strong> 2005 folgende Struktur:<br />

Tabelle 10 - Information zum SGB II per 04/2005 28<br />

56<br />

Anzahl<br />

Bedarfsgemeinschaften 15 869<br />

Empfänger von ALG II 21 147<br />

Empfänger von Sozialgeld 6 419<br />

Personen in Bedarfsgemeinschaften 27 566<br />

Diese neue Struktur der Grundsicherung für Arbeitssuchende kann mit den bisherigen Entwicklungen der<br />

Sozialstruktur nicht verglichen werden, da der Einführungsprozess noch nicht abgeschlossen ist. Mit einer<br />

Verschiebung der sozialräumlichen Verteilung innerhalb des Stadtgebietes ist in den nächsten Jahre nicht zu<br />

rechnen.<br />

3.7.2 Auswirkungen des demographischen Wandels am Beispiel der Schulen<br />

Mit dem seit Beginn der 90er Jahre einsetzenden drastischen Geburtenrückgang haben sich die Ausgangsbedingungen<br />

der Stadtentwicklung tief greifend verändert. Die Auswirkungen des demographischen Wandels<br />

werden in der Folge exemplarisch am Beispiel der Schulen dargestellt.<br />

Die Bestandsaufnahme und Bestandsbewertung der ersten Schulentwicklungspläne (1996-2001) bildet die<br />

Grundlage für den derzeit gültigen Schulentwicklungsplan zur Sicherung eines vielfältigen und flächendeckenden<br />

Schulangebotes in allen Schularten in der Stadt <strong>Erfurt</strong> mit dem Zeithorizont <strong>2006</strong> sowie planerischen<br />

Überlegungen über diesen Zeitpunkt hinaus. Seit Mitte der 90er Jahre haben sich die Schülerzahlen<br />

in den einzelnen Schularten teilweise stark rückläufig entwickelt, so dass in den letzten Jahren bereits zahlreiche<br />

Veränderungen im Schulnetz umgesetzt wurden. Dabei wurde besonders der vorhandene Überhang<br />

an schulischen Einrichtungen in den Großwohnsiedlungen (Plattenbau) der Stadt beachtet. Auffallend ist der<br />

große Rückgang der Schülerzahlen in den nördlichen und südöstlichen Großwohnsiedlungen in der Stadt<br />

<strong>Erfurt</strong>. So führte der Rückgang der Grund- und Regelschüler besonders in diesen Stadtteilen zur Aufhebung<br />

von Schulstandorten dieser Schularten, wobei die frei gezogenen Gebäude aber in der Regel in andere<br />

schulische Nutzungen übergingen.<br />

Nachdem die Grundschulstandorte im Wesentlichen der aktuellen Zahl der Schüler angepasst wurden,<br />

zeichnen sich derzeit Veränderungen im Bereich Regelschulen und Gymnasien ab. Beginnend ab dem Jahr<br />

2002/03 hat ein sichtbarer Rückgang der 15 bis unter 18-jährigen Schüler eingesetzt. Sie werden sich bis<br />

zum Jahr 2010 fast halbieren.<br />

Seit dem Jahr 2003 ist die Bezeichnung Schulentwicklungsplan durch Schulnetzplanung ersetzt worden und<br />

zeigt den Hauptschwerpunkt - die Netzentwicklung der schulischen Grundversorgung - auf. Derzeit wird die<br />

Entwicklung der Schulstandorte nach dem Jahr <strong>2006</strong> bearbeitet.<br />

28 Quelle: Stadtentwicklungsamt, Bereich Statistik und Wahlen, Monatsinfo 05/2005


3. Bestandsanalyse und Entwicklungstrends<br />

Tabelle 11 - Schüleraufkommen der letzten 10 Jahre in den einzelnen Schulformen 29<br />

Schulform Schuljahr Schuljahr<br />

Schuljahr<br />

Schuljahr<br />

Schuljahr<br />

1991/1992 1994/1995 1995/1996<br />

2000/2001<br />

2003/2004<br />

nach der Schulreform nach der Gebietsreform<br />

Beginn des 1. Schulentwicklungsplanes<br />

Beginn des 2. Schulentwicklungsplanes<br />

aktueller Wert<br />

Anz. KL. Schüler Anz. KL. Schüler Anz. KL. Schüler Anz. KL. Schüler Anz. KL. Schüler<br />

Grundschulen 34 497 10 567 41 512 11 211 41 490 10 726 33 252 5 043 30 214 4205<br />

Regelschulen 28 413 8 410 27 425 8 346 25 408 8 165 20 326 6 835 15 254 5002<br />

Gymnasien<br />

mit Sp.-ST.<br />

8 30 246 5 899 9 305 7 097 9 302 6 874 9 257 6 001 8 215 4634<br />

Gesamtschulen 2 52 1 074 2 72 1 668 2 73 1 664 2 73 1 746 2 72 1734<br />

Schulen 72 1208 25 950 79 1314 28 322 77 1273 27 429 64 908 19 625 55 755 15575<br />

Förderschulen 8 153 1 415 9 203 1 903 8 203 1 858 8 166 1 590 8 158 1403<br />

Schulen 80 1361 27 365 88 1517 30 225 85 1476 29 287 72 1074 21 215 63 913 16978<br />

SBBS 8 398 7 128 6 521 10 006 6 513 10 300 7 636 12 823 7 603 12034<br />

Schulen 88 1759 34 493 94 2038 40 231 91 1989 39 587 79 1710 34 038 70 1516 29012<br />

Die im Rahmen des eingeleiteten Stadtumbaus ersichtlichen Veränderungen im Wohnungsbestand in Kombination<br />

mit weiter zurückgehenden Schülerzahlen haben in der Zukunft durch die weitere Abnahme von<br />

Schulstandorten noch direkteren Bezug zur Art, Anzahl und Lage der Schulen in den einzelnen Quartieren.<br />

Der derzeit vorliegende Schulentwicklungsplan (Schulnetzplan) gibt die perspektivische Entwicklung bis zum<br />

Jahr <strong>2006</strong> vor, weitergehende Planungen liegen derzeit nicht vor.<br />

45000<br />

40000<br />

35000<br />

30000<br />

25000<br />

20000<br />

15000<br />

10000<br />

5000<br />

0<br />

1991/92<br />

1992/93<br />

30 Grundschulen Freie Schule "Regenbogen" <strong>Erfurt</strong><br />

15 Regelschulen Montessori-Integrationsschule<br />

6 Gymnasien Pierre-de-Coubertin-Gymnasien<br />

6 FÖS Edith-Stein-Schule<br />

7 SBBS Evangelisches Ratsgymnasium<br />

1993/94<br />

1994/95<br />

1995/96<br />

1996/97<br />

1997/98<br />

1998/99<br />

1999/00<br />

In den berufsbildenden Schulen wird der "Geburtenknick" im betrachteten Zeitraum zwischen 2001 und <strong>2006</strong><br />

zwar noch nicht wirksam, allerdings stagnieren die Schülerzahlen derzeit bereits und in den nächsten Jahren<br />

wird auch im berufsbildenden Bereich mit einem Rückgang der Schülerzahlen zu rechnen sein. Da die<br />

29 Quelle: Schulverwaltungsamt <strong>Erfurt</strong><br />

30 ohne Sportgymnasium<br />

2000/01<br />

Entwicklung der Schülerzahlen in <strong>Erfurt</strong><br />

2001/02<br />

2002/03<br />

2003/04<br />

2004/05<br />

2005/06<br />

<strong>2006</strong>/07<br />

2007/08<br />

2008/09<br />

2009/10<br />

2010/11<br />

2011/12<br />

2012/13<br />

2013/14<br />

2014/15<br />

2015/16<br />

Zeitraum Prognose der Schulentwicklung im Rahmen<br />

des Schulentwicklungsplanes 2001 - <strong>2006</strong>*<br />

Annahme:<br />

Die Übertrittsquoten zur Berrechnung der zukünftigen<br />

Schülerzahlen beruhen auf dem Durchschnitt der<br />

Jahre 2000 bis 2004<br />

* Quelle: Schulverwaltungsamt<br />

2016/17<br />

2107/18<br />

2018/19<br />

2019/20<br />

2020/21<br />

2021/22<br />

2022/23<br />

2023/24<br />

Abb. 21 - Entwicklung der Schülerzahlen in <strong>Erfurt</strong><br />

2024/25<br />

2025/26<br />

2026/27<br />

2027/28<br />

2028/29<br />

2029/30<br />

2030/31<br />

Schüler gesamt in <strong>Erfurt</strong> Schüler staatliche Schulen<br />

57


<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />

berufsbildenden Schulen aber in der Regel einen über das Stadtgebiet hinausgehenden Einzugsbereich haben,<br />

wird dieser Rückgang in wesentlich abgeschwächter Form als im Bereich der anderen allgemeinbildenden<br />

Schulen verlaufen. Ab etwa 2016 nimmt die Zahl der Berufsschüler dann wieder leicht zu, um sich etwa<br />

nach 2030 nur noch regressiv zu entwickeln.<br />

Hinzu kommt hier, dass sich die Anforderungen der Wirtschaft gravierend verändern und damit auch Einfluss<br />

auf die Schülerstrukturen genommen wird. Dies kann sowohl inhaltliche als auch örtliche Veränderungen der<br />

Ausbildung nach sich ziehen. Dadurch wird die Zuverlässigkeit von Prognosen in starkem Maße beeinträchtigt,<br />

was wiederum Schwierigkeiten bei der Bewertung der Schulnetzplanung dieser Schulart nach sich zieht.<br />

3.7.3 Sport und Freizeit<br />

Leistungssport<br />

<strong>Erfurt</strong> besitzt eine große Bedeutung als Sportstadt und Olympiastützpunkt. Sportliche Leistungen und medienwirksame<br />

Sportveranstaltung stellen einen Imagegewinn für die Stadt dar. Für die Stadt <strong>Erfurt</strong> ist die Bereitstellung<br />

sowie eine relevante Bewirtschaftung der sportlichen Infrastruktur, die ein Oberzentrum vorzuhalten<br />

hat, von besonderer Bedeutung. Das betrifft vor allem auch die Sportanlagen, die als Bundesleistungszentren<br />

im Olympiastützpunkt Thüringen - Standort <strong>Erfurt</strong> - vertreten sind. Mit dem Bau mehrerer großer<br />

Sportbauten im letzten Jahrzehnt, wie z. B. der neuen Tribüne im Steigerwaldstadion, der Eisschnelllaufhalle<br />

und der Leichtathletikhalle im Sportkomplex Süd, wurde die sportliche Infrastruktur generell und besonders<br />

für die Leistungssportarten Leichtathletik und Eisschnelllauf verbessert.<br />

Der derzeit in Planung befindliche Umbau der Radrennbahn und deren Teilüberdachung werden diese Entwicklung<br />

ebenso befördern wie die bereits fertig gestellte 3-Felder-Halle am Sportgymnasium "Pierre-de-<br />

Coubertin", in der in hoher Liga Volleyball gespielt wird. Mit diesen Maßnahmen wird maßgeblich zur Sicherung<br />

der Sportstadt <strong>Erfurt</strong> beigetragen. Zukünftig sollten - vor allem auch für Ballsportarten wie Handball<br />

und Fußball- weitere Investitionen vorgesehen werden. Für solche möglichen Erweiterungen sportlicher Infrastrukturelemente<br />

sind deshalb langfristig orientiert und unabhängig von einer zukünftigen Betreiberform relevante<br />

Flächen vorzuhalten.<br />

Zur weiteren Profilierung mit weit reichenden touristischen und werbewirksamen Effekten sollen publikumswirksame<br />

neue Initiativen, wie das 2005 erstmals durchgeführte Beach-Volleyball-Turnier weiter entwickelt<br />

werden. Solche Veranstaltungen können zur Erhöhung des Bekanntheitsgrades und des Images als Sportstadt<br />

beitragen.<br />

Freizeit- und Breitensport<br />

In <strong>Erfurt</strong> waren per August 2005 insgesamt 224 Sportvereine mit 26.552 Mitgliedern registriert, die vielfältige<br />

Möglichkeiten zur sportlichen Betätigung für alle Bevölkerungsschichten und alle sportlichen Klassen, vom<br />

Breiten- bis zum Spitzensport bieten.<br />

Besonders die Vereinsarbeit mit ihren sozialen Kontakten, der faire Umgang im sportlichen Miteinander vermittelt<br />

eine hohe soziale Kompetenz, die es gilt, auch zukünftig weiter zu entwickeln. Dazu sind durch die<br />

Kommune entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen, um den Sportvereinen im Rahmen des selbst<br />

verwalteten Sports auch zukünftig entsprechende Möglichkeiten für die Durchführung ihres Sportes zu erhalten.<br />

Deshalb muss die Bestandserhaltung und Sanierung der bestehenden Sportinfrastruktur Hauptanliegen<br />

der sportlichen Entwicklung in der Stadt sein. Das betrifft die weitere Sanierung der Schulsport- und Sporthallen<br />

ebenso wie die der Freibäder der Stadt.<br />

Entsprechend der Vorgaben zur Sportstättenplanung ist die Bereitstellung von Sportanlagen an die Bevölkerungsgröße<br />

gebunden. Sinkende Einwohnerzahlen sind dabei aber nichtzwangsläufig mit einem rückläufigen<br />

Bedarf an Sportstätten gleichzusetzen. Vorgaben zur Vorhaltung von kommunalen Sportstätten für die Bürger<br />

<strong>Erfurt</strong>s müssen auch aus der Erfüllung der Pflichtaufgabe "Schulsport" und aus dem Thüringer Sportfördergesetz<br />

in Verbindung mit der Thüringer Sportstättenplanungsverordnung abgeleitet werden. Der Landessportbund<br />

Thüringen strebt an, dass die Mitgliedschaft in Sportvereinen von derzeit ca. 15% aller Einwohner<br />

Thüringens (<strong>Erfurt</strong> 14,2%) auf 20% erhöht werden soll. Damit werden trotz sinkender Einwohnerzahlen<br />

mehr Sportangebote hinterfragt, die entsprechende Sportstätten benötigen. Unter diesem Gesichtspunkt<br />

sollten bei möglichen Schließungen von Schulen die dabei betroffenen Sporthallen für eine weitere sportliche<br />

Nutzung durch Sportvereine erhalten werden.<br />

58


3. Bestandsanalyse und Entwicklungstrends<br />

Unter dem Gesichtspunkt des sozialen Aspektes des Sports sind die in den letzten Jahren sinkenden durchschnittlichen<br />

Mitgliederzahlen in den Sportvereinen stärker zu hinterfragen. Abgesehen von der sinkenden<br />

Auslastungsquote von Sportanlagen sind Kleinvereine oft kaum in der Lage, umfassende Sportangebote für<br />

alle Altersgruppen anzubieten und können sich deshalb kaum oder gar nicht der Betreuung von Kindern und<br />

Jugendlichen im Verein widmen. Sie sind damit auch nicht oder kaum in der Lage, den wertvollen Sozialisierungs-<br />

und Integrationsfaktor, den der Sport eigentlich hat, umzusetzen. Hier gilt es zukünftig, durch Knüpfung<br />

von Netzwerken unterschiedlichster Träger Reserven auf zu decken.<br />

Darüber hinaus bietet <strong>Erfurt</strong> nicht nur den Sportvereinen, sondern auch vielen nichtorganisierten Sportlern<br />

zahlreiche Möglichkeiten. Neben den kommunalen Sportangeboten bieten zahlreiche kommerzielle Sportanbieter<br />

Möglichkeiten einer sportlichen Betätigung an und nicht zuletzt stellen die innerstädtischen Grünanlagen<br />

und die Waldgebiete im Süden der Stadt eine wichtige Ergänzung des Freizeitangebotes dar. Die Entwicklung<br />

der Kiesabbaugebiete im Norden der Stadt zum Gebiet "<strong>Erfurt</strong>er Seen" und die Weiterentwicklung<br />

des Erholungszentrums Nordstrand führt zu einer schrittweisen Verbesserung im Bereich der Wassersportmöglichkeiten.<br />

Darüber hinaus kann <strong>Erfurt</strong> von zahlreichen Freizeit- und Erholungsangeboten im Umland profitieren. Neben<br />

dem Gebiet um des Stausees Hohenfelden und um die Fahner Höhen bietet die Nähe zum Thüringer Wald<br />

und Südharz weitere attraktive Freizeitmöglichkeiten.<br />

3.7.4 Kultur<br />

Mit zahlreichen Angeboten für Theater, Musik, Kino, Ausstellungen, Messen und Museen ist in <strong>Erfurt</strong> ein<br />

vielfältiges Kulturangebot vorhanden, das in enger Verbindung zum reichen baulichen Erbe der Stadt steht.<br />

Dabei konnte in den vergangenen Jahren sowohl im Bereich der Hoch- als auch der Breitenkultur an Profil<br />

gewonnen werden. Basis ist dabei die Strategie, durch kulturelle Jahresthemen Akzente zu setzen. Hierbei<br />

wird auf historisch wichtige Persönlichkeiten Bezug genommen. Hierdurch gelingt es, eine kulturellerlebnisreiche<br />

Atmosphäre und touristische Entwicklung mit einander zu verzahnen.<br />

Eine wichtige Säule des Kulturangebotes sind die Museen und Theater der Stadt. In den vergangenen Jahren<br />

wurden umfassende bauliche Investitionen getätigt. So kann sich das Theater <strong>Erfurt</strong> in seinem neuen<br />

Haus mit überregional beachteten Produktionen und internationalen Kooperation etablieren und Besucherzahlen<br />

und Bekanntheitsgrad deutlich steigern. Das Beispiel "Arche" im Naturkundemuseum zeigt, wie wichtig<br />

es ist, auch zukünftig besondere Akzente zu setzen. Diesem Gedanken folgt die 2005 begonnene Sanierung<br />

des Angermuseums. Ab 2007 wird neben der Kunsthalle und dem Forum Konkreter Kunst als Orte der<br />

zeitgenössischen Kunst auch das traditionelle Kunstmuseum der Stadt wieder über attraktive Ausstellungsmöglichkeiten<br />

verfügen.<br />

In hohem Maße prägen privatwirtschaftliche Veranstalter bzw. Veranstaltungsorte wie etwa Alte Oper und<br />

Kaisersaal das vielfältige Kulturangebot der Stadt. Darüber hinaus wird diese Vielfalt wesentlich von ca. 250<br />

Kulturvereinen, Verbänden und Gesellschaften 31 getragen. Exemplarisch genannt seien das Kunsthaus <strong>Erfurt</strong><br />

e. V., der Kinoklub und die Initiative "Neues Schauspiel".<br />

In den vergangenen Jahren ist es gelungen, durch Festivals überregional ausstrahlende Akzente zu setzen.<br />

Zu nennen sind hier die Domstufenfestspiele, das Puppentheaterfestival Synergura, das Internationale Folklore-Festival<br />

Danetzare, das Kinderfilmfestival "Goldener Spatz" und der der internationale Orgelwettbewerb<br />

"Dom-Prediger".<br />

Ein besonderer Anziehungspunkt mit einer hohen wirtschaftlichen Bedeutung sind die großen Feste in der<br />

Altstadt wie das Krämerbrückenfest und der Weihnachtsmarkt. Eine zunehmende Bedeutung erlangen so<br />

unterschiedliche Veranstaltungen wie die Denkmalwoche und der Karnevalsumzug. Im Bereich der Breitenkultur<br />

hat <strong>Erfurt</strong> die Rolle als wichtigster Veranstaltungsort (Messe, Thüringenhalle) für Großveranstaltungen<br />

und Konzerte abseits der Hochkultur in Thüringen. Auch Einrichtungen wie der Thüringer Zoopark und die<br />

<strong>Erfurt</strong>er Gartenbauausstellung (ega) mit dem Deutschen Gartenbaumuseum werden von Besuchern aus<br />

ganz Thüringen und den angrenzenden Bundesländern aufgesucht.<br />

Die Weiterentwicklung des <strong>Erfurt</strong>er Kulturangebotes vollzieht sich im Kontext einer zunehmend engeren regionalen<br />

Zusammenarbeit insbesondere mit den Gebietskörperschaften Weimar, Jena und Weimarer Land<br />

im kulturell-touristischen Bereich. Im Jahr <strong>2006</strong> erfolgt unter dem Motto "rendezvous - Deutsch-Französiches<br />

31 Landeshauptstadt <strong>Erfurt</strong>, Stadtverwaltung, Kulutrdirektion (Hg.):“ ERFURT KULTURELL - Vereine-Verbände-Gesellschaften“<br />

59


<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />

Jahr" erstmals eine umfassende Bündelung von Aktivitäten. Als feste Größen regionaler Zusammenarbeit<br />

sind die Thüringer Bachwochen (untersetzt durch <strong>Erfurt</strong>er Bachwochen) und die Thüringer Jazzmeile etabliert.<br />

Neben der etablierten Kultur ist <strong>Erfurt</strong> in Verbindung mit Weimar und Jena das Zentrum "alternativer" Kultur<br />

in Thüringen, die durch verschiedene Clubs (u. a. Engelsburg, Centrum, Presseklub, Stadtgarten), freie Theatergruppen<br />

und Projekte (Radio FREI, Zughafen) verkörpert wird. Eine hohe überregionale Aufmerksamkeit<br />

erfährt dabei das Highfield-Festival am Stausee Hohenfelden, das in den bundesweiten Ankündigungen als<br />

<strong>Erfurt</strong>er Veranstaltung wahrgenommen wird.<br />

Als Oberzentrum und politisch-administrativen Zentrum des Landes ist für <strong>Erfurt</strong> auch zukünftig ein angemessenes<br />

kulturelles Angebot und Engagement unabdingbar. Eine wichtige Voraussetzung ist dabei, dass<br />

das Land Thüringen <strong>Erfurt</strong> gemeinsam mit Weimar zu den zukünftigen kulturellen Schwerpunkte des Landes<br />

zählt. Vor diesem Hintergrund ist die vorhandene kulturelle Infrastruktur qualitativ weiter zu profilieren sowie<br />

ein für alle Zielgruppen attraktives kulturelles Angebot sicher zu stellen.<br />

3.7.5 Soziale Infrastruktur<br />

In der Stadt <strong>Erfurt</strong> entwickelte sich in den vergangenen Jahren ein sehr ausgeprägtes Netz sozialen Zwecken<br />

dienender Gemeinbedarfseinrichtungen (vgl. Kap. 4.9.5). Dazu gehören Kindertagesstätten, Einrichtungen<br />

für Jugendliche, für Senioren, für behinderte Menschen sowie für Wohnungslose. So gibt es beispielsweise<br />

in der Stadt <strong>Erfurt</strong> 96 Kindertagesstätten, wovon sich 13 in kommunaler Trägerschaft und 83 in<br />

freier Trägerschaft befinden. Eine Betreuung von Kindern unter 2 Jahren wird durch 6 kommunale Kinderkrippen<br />

gesichert.<br />

Parallel dazu hat sich eine weit gefächerte freie Trägerlandschaft in der Stadt etabliert. Diese sind fester Bestandteil<br />

des sozialen Hilfesystems in der Stadt. Hier werden gemeinsam umfangreiche Beratungs- und<br />

Betreuungsangebote, z. B. Frauen- und Familienberatung, Sucht- und Drogenberatung, Angebote in der offenen<br />

Kinder- und Jugendarbeit, u. a. vorgehalten. Allein die Tagesbetreuung für Kinder wird durch 40 verschiedene<br />

freie Träger gesichert.<br />

60


4<br />

4. Zielkonzept der gesamtstädtischen Entwicklung<br />

ZIELKONZEPT<br />

DER GESAMTSTÄDTISCHEN<br />

ENTWICKLUNG<br />

61


<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />

62


4. Zielkonzept der gesamtstädtischen Entwicklung<br />

Auf der Basis des vorangegangenen Analyseteils wurde in der Verwaltung ein Leitbild der künftigen Stadtentwicklung<br />

formuliert. Dieses baut auf Diskussionsprozessen auf, die in den vergangenen Jahren im Rahmen<br />

der Lokalen Agenda 21 und des Wettbewerbs Stadtumbau Ost geführt wurden. Mit diesem Leitmotiv<br />

werden zum einen die wesentlichen Potentiale der Stadt charakterisiert, zum anderen aber auch die entscheidenden<br />

Handlungserfordernisse zur Sicherung der Zukunftsfähigkeit der Stadt beschrieben. Das Leitbild<br />

stellt somit die übergeordnete Klammer für eine Vielzahl von Entwicklungszielen und Maßnahmen dar.<br />

Diese werden in themenbezogenen Zielbereichen vorgestellt.<br />

4.1 Leitbild „Stark in der Mitte - die Mitte stärken“<br />

Die umfassende Analyse aller für die Entwicklung der Stadt relevanten Bereiche macht deutlich, dass Mittelpunkt-<br />

und Verbindungsfunktionen in vielfältiger Weise <strong>Erfurt</strong> prägen. Unter dem Leitmotiv "Stark in der Mitte<br />

- die Mitte stärken" wird daher eine konsequente Stärkung dieser Funktionen angestrebt. Folgende Ebenen<br />

sind dabei von Bedeutung:<br />

Zentrale Lage<br />

<strong>Erfurt</strong> liegt zentral in der Mitte Deutschlands und des „neuen“ Europa. Diese Gunstsituation konnte in den<br />

vergangenen Jahren durch den Autobahn A 71, den Ausbau der Autobahn A 4 und den Ausbau des Flughafen<br />

weiter verbessert werden. Die zeitnahe Fertigstellung begonnener Infrastrukturprojekte und dabei insbesondere<br />

der ICE-Strecke München - <strong>Erfurt</strong> - Berlin ist von entscheidender Bedeutung für die Zukunftschancen<br />

der Stadt.<br />

Zentrum Thüringens<br />

<strong>Erfurt</strong> ist das Zentrum Thüringens mit Ausstrahlung über die Landesgrenzen hinaus. Neben der Funktion als<br />

Landeshauptstadt ist <strong>Erfurt</strong> Handels-, Dienstleistungs- , Kultur- und Kommunikationszentrum der Wirtschaftsregion.<br />

Von einer starken Landeshauptstadt profitiert die gesamte Großraum in der Mitte Deutschlands.<br />

Durch die Kooperation mit anderen Entwicklungszentren des Landes - insbesondere Weimar und Jena<br />

- können fehlende Ballungsraumvorteile ausgeglichen werden und eine starke Einbindung in den mitteldeutschen<br />

Wirtschaftsraum erzielt werden.<br />

Altstadt im Mittelpunkt<br />

Das historische Stadtzentrum bestimmt Identität, Image und somit den wirtschaftlichen Erfolg der Stadt. Eine<br />

erfolgreiche Entwicklung der Stadtmitte ist die Grundvoraussetzung für eine Bewältigung und mögliche Abschwächung<br />

des zu erwartenden städtischen Schrumpfungsprozesses. Das baukulturelle Erbe, die nahezu<br />

in Reinkultur vorhandene Struktur der "europäischen Stadt" und die Erfolge der Stadterneuerung und Denkmalpflege<br />

sind zentrale Elemente des Standortprofils der Stadt.<br />

<strong>Erfurt</strong> verbindet<br />

<strong>Erfurt</strong> wird durch vielfältige wirtschaftliche, kultureller und soziale Verbindungsfunktionen geprägt. Exemplarisch<br />

genannt sei die zunehmende Bedeutung als Ort von Tagungen, Kongressen und Festivals, das umfangreiche<br />

Beziehungsgeflecht an Städtepartnerschaften, die Bedeutung als Sportstadt und insbesondere<br />

auch die Struktur der <strong>Erfurt</strong>er Wirtschaft: Produkte wie Turbinen, Mikrochips oder Serviceleistungen im<br />

IT-Bereich werden global genutzt, ohne das der Endkunde dieses wahrnimmt. Auch das Profil der <strong>Erfurt</strong>er<br />

Hochschulen spiegelt die Schnittstellenfunktion wider. Unter Bezugnahme auf die Geschichte der Stadt hat<br />

<strong>Erfurt</strong> hat die Chance, sich als weltoffene Stadt zu präsentieren, die eine Brückenfunktion einnehmen kann.<br />

Der zur Entwicklung des ICE-Bahnhofs gewählte Slogan "<strong>Erfurt</strong> verbindet" ist geeignet, diese vielfältigen Facetten<br />

zu bündeln und überregional zu kommunizieren.<br />

Kräfte bündeln<br />

Auch und gerade aufgrund begrenzter finanzieller Handlungsspielräume ist es erforderlich, im Rahmen<br />

kommunaler Investitionen Akzente zu setzen. Spezifische Stärken müssen gezielt herausgearbeitet werden,<br />

um der Stadt ein klar erkennbares Profil zu geben. Aktuelle Beispiele hierfür sind die Aufwertung des Bahnhofsumfeldes,<br />

die Realisierung des Medienapplikations- und Gründerzentrums, die Fortführung der Neugestaltung<br />

des Angers, die Sanierung der Radrennbahn und des Angermuseums sowie die Weiterentwicklung<br />

des Thüringer Zooparks.<br />

63


<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />

4.2 Zielbereich "Starke Region - starke Stadt"<br />

In den vorangegangen Kapiteln wurde aufgezeigt, wie vielfältig die Landeshauptstadt <strong>Erfurt</strong> als größte Stadt<br />

Thüringens mit ihrem Umland und dem gesamten Land verflochten ist.<br />

Die Funktionsfähigkeit des Oberzentrums mit seinen besonderen Qualitäten einer "überschaubaren Großstadt",<br />

dem Anschluss an nationale und internationale Verkehrssysteme und wichtigen Infrastruktureinrichtungen,<br />

wie der Messe <strong>Erfurt</strong>, ist eine wichtige Voraussetzung für den wirtschaftlichen Erfolg des Landes<br />

Thüringen. Im Unterschied etwa zu Leipzig ist jedoch anzuerkennen, dass <strong>Erfurt</strong> trotz seiner herausgehobenen<br />

Stellung im Lande alleine nicht über die Potentiale einer überregional ausstrahlenden Metropole verfügt.<br />

Aufgabe der Stadt <strong>Erfurt</strong> ist es daher, durch die Zusammenarbeit mit Städten und Kreisen die Voraussetzungen<br />

zur Sicherung und Weiterentwicklung eines zukunftsfähigen Wirtschaftsraumes zu schaffen. Hierbei<br />

kristallisieren sich vier wesentliche Handlungsebenen heraus:<br />

− Initiative Mitteldeutschland<br />

− "Region <strong>Erfurt</strong>-Weimar-Jena"<br />

− Kooperationsraum <strong>Erfurt</strong><br />

− Standortprofilierung durch weitere Vernetzung<br />

4.2.1 Initiative Mitteldeutschland<br />

"Im Mittelpunkt des weltweiten Wettbewerbs der Standorte stehen heutzutage Regionen. Ihr Profil, ihre Attraktivität<br />

für Unternehmen auf der Suche nach einem geeigneten Standort lassen sich um so besser transportieren,<br />

je besser die Bündelung der Kräfte im Inneren der Region funktioniert. Je geschlossener die Region<br />

auftritt, um so leichter wird sie wahrgenommen." 32<br />

Ziel der Raumordnungspolitik der EU und des Bundes ist die vorrangige Unterstützung von "Metropolregionen".<br />

Hiermit sind jedoch nicht nur Großstädte wie etwa Berlin oder Hamburg gemeint, sondern auch polyzentrale<br />

Stadtregionen. Laut Beschluss der 32. Ministerkonferenz für Raumordnung am 28.04.2005 sollte<br />

die Thüringer Städtereihe in die Entwicklung der "Metropolregion Halle/Leipzig-Sachsendreieck“ einbezogen<br />

werden.<br />

In diesem Sinne arbeitet die Thüringer Landesregierung in der "Initiative Mitteldeutschland" mit den Landesregierungen<br />

Sachsen und Sachsen-Anhalts zusammen. Die Regierungschefs der Länder Sachsen, Sachsen-Anhalt<br />

und Thüringen verständigten sich im <strong>April</strong> 2005 auf die Bildung einer so genannten „Metropolregion<br />

Mitteldeutschland“. Wesentliches Ziel ist es, wirtschaftliche, infrastrukturelle und wissenschaftliche Potentiale<br />

des sächsischen Städtedreiecks Leipzig-Dresden-Chemnitz, der Thüringer Städtekette <strong>Erfurt</strong>-<br />

Weimar-Jena-Gera sowie der Räume Halle und Magdeburg miteinander zu vernetzen und gemeinsam international<br />

zu vermarkten. Ein Baustein ist dabei die Positionierung Mitteldeutschlands zu einer führenden Verkehrs-<br />

und Logistikkompetenzregion.<br />

Die Bildung einer solchen Metropolregion vollzieht sich sowohl auf der Ebene der Landesregierung als auch<br />

auf der Ebene der Städte. Die Kooperation der Städte <strong>Erfurt</strong>, Weimar und Jena (vgl. Kap. 4.2.2) sollte daher<br />

als wichtiger Baustein der Entwicklung einer solchen Metropolregion genutzt werden.<br />

4.2.2 Region <strong>Erfurt</strong>-Weimar-Jena<br />

Unabhängig von der Bildung der "Metropolregion" ist die verstärkte Kooperation im Raum <strong>Erfurt</strong>-Weimar-<br />

Jena ein wichtiger Beitrag zur Sicherung der Zukunftsfähigkeit der Städte und Gemeinden und trägt den zunehmend<br />

stärker werdenden funktionalen und wirtschaftlichen Verflechtungen Rechnung. Vor diesem Hintergrund<br />

haben die Städte <strong>Erfurt</strong>, Weimar und Jena sowie der Landkreis Weimarer Land am 23. Juni 2004<br />

die kommunale Arbeitsgemeinschaft "Region <strong>Erfurt</strong>-Weimar-Jena" gegründet und sich zur Fortführung und<br />

Intensivierung der mit dem „Kulturstadtjahr Weimar 1999“ begonnenen Zusammenarbeit bekannt.<br />

Die Kooperation wird von zwei wesentlichen Gedanken getragen: Durch die Zusammenführung der spezifischen<br />

Standortpotentiale der Landeshauptstadt, der Kulturstadt Weimar und der Universitäts- und Techno-<br />

32<br />

Verband Region Stuttgart (Hg.): „Wirtschaftsförderung - eine typische regionale Aufgabe“. URL: http://www.regionstuttgart.org/vrs/main.jsp?navid=36<br />

[Stand 20.05.05]<br />

64


4. Zielkonzept der gesamtstädtischen Entwicklung<br />

logiestadt Jena sowie des Landkreises als Bindeglied unter dem Motto "Die ImPuls-Region" soll eine überregional<br />

wahrnehmbare "Marke" entstehen - insbesondere auch im Hinblick auf Diskussionen zur konzentrierten<br />

Förderung von Wachstumskernen. Mindestens genauso bedeutend ist es, die vorhandenen Angebote in<br />

der Region besser miteinander zu verbinden und beispielsweise durch gute ÖPNV-Angebote nutzbar zu<br />

machen. Ziel ist es, die Standortbedingungen für Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung weiter zu verbessern<br />

und die Region im Rahmen der sich verstärkenden Orientierung der Menschen auf große Städte ("Metropolisierung")<br />

als Lebens- und Arbeitsort attraktiv und zukunftsfähig zu gestalten.<br />

Seit den Anfängen der Kooperation im Kulturstadtjahr Weimar 1999 wurden einzelne Projekte wie der Kulturkalender<br />

und dem Gemeinschaftstarif Regiomobil realisiert. Ausgehend von diesen Projekten wird die Zusammenarbeit<br />

schrittweise verdichtet: Beispielsweise wird der Regiomobil-Tarif ab Dezember 2005 zum<br />

Verbundtarif Mittelthüringen aufgewertet werden, der die kombinierte Nutzung von Eisenbahn, Stadt- und<br />

Regionalverkehr mit nur einem Fahrschein erlauben wird. Elemente aus den Bereichen Kultur, Tourismus<br />

und Wirtschaftsförderung vereint das deutsch-französische Jahr unter dem Motto "rendezvous<strong>2006</strong>". In Zukunft<br />

sollen die bisherigen Kooperationsansätze auf der Grundlage einer umfassenden regionalen Entwicklungsstrategie<br />

weiter ausgebaut werden, mit deren Bearbeitung 2005 begonnen wurde.<br />

4.2.3 Kooperationsraum <strong>Erfurt</strong><br />

In Ergänzung der Kooperationsbemühungen der "Region <strong>Erfurt</strong>-Weimar-Jena" ist die Zusammenarbeit im<br />

engeren Verflechtungsraum der Landeshauptstadt zu verstärken. Dieser umfasst Teilräume der benachbarten<br />

Landkreise Sömmerda, Weimarer Land, Ilm-Kreis und Gotha. Ausgehend von begonnenen Kooperationsprojekten<br />

wie dem Regionalen Entwicklungskonzept (REK) <strong>Erfurt</strong>er Seen und der Mitarbeit bei den angrenzenden<br />

REK´s Südkreis Weimarer Land und Nessetal soll ein Stadt-Umland-Dialog initiiert werden und<br />

in einer abgestimmten Entwicklungskonzeption für einen "Kooperationsraum <strong>Erfurt</strong>" münden. Eine solche<br />

Konzeption sollte insbesondere folgende Elemente beinhalten:<br />

Abgestimmte Siedlungsentwicklung<br />

Die Attraktivität des Raumes <strong>Erfurt</strong> als Wohn- und Wirtschaftsstandort soll durch eine abgestimmte Siedlungsentwicklung<br />

in der Region gesichert werden. Zentrale Elemente sind dabei die Entwicklung von Siedlungsachsen<br />

und einzelnen Entwicklungskernen mit dem Ziel, dauerhaft tragfähige Infrastruktursysteme aufbauen<br />

und erhalten zu können. Zweiter wesentlicher Aspekt ist die Sicherung und Weiterentwicklung von<br />

Freiräumen, um den Charakter <strong>Erfurt</strong>s als Stadt im Grünen stärker als heute wirksam werden zu lassen.<br />

Gemeinsame Infrastruktur<br />

Verbunden mit einer abgestimmten Siedlungsentwicklung ist die Weiterentwicklung gemeindeübergreifender<br />

technischer Infrastruktursysteme weiter zu intensivieren, um zu leistungsfähigen und wirtschaftlich tragfähigen<br />

Lösungen zu kommen. Im Rahmen von teilräumlichen Konzepten ist zudem zu untersuchen, in welchen<br />

Bereichen der sozialen Infrastruktur interkommunale Lösungen sinnvoll sind. Dies gilt insbesondere für wohnungsnahe<br />

Einrichtungen in den dörflichen Ortsteilen.<br />

Gemeinsame Wirtschaftsstrategie<br />

Die Stadt <strong>Erfurt</strong> und ihr Umland bilden einen zusammenhängenden Wirtschaftsraum, der als solcher entwickelt<br />

und vermarktet werden muss. Ziel sollte daher die Erarbeitung einer interkommunalen Wirtschaftsstrategie<br />

sein. Als Signet können dabei die etablierten Begriffe "<strong>Erfurt</strong>er Kreuz" oder "<strong>Erfurt</strong>er Ring" aufgegriffen<br />

werden.<br />

Regionale Freiraumentwicklung<br />

Ausgehend vom beispielgebenden Projekt "<strong>Erfurt</strong>er Seen" soll eine umfassende Strategie zur Sicherung und<br />

Weiterentwicklung von Freiräumen im <strong>Erfurt</strong>er Umland erarbeitet werden, die auch die Belange der Landwirtschaft<br />

berücksichtigt. Ziel dieser Strategie ist es insbesondere, vorhandene Naherholungsgebiete wie die<br />

Fahner Höhen, den Raum Hohenfelden oder das Gera-Apfelstädt-Tal besser zugänglich zu machen und<br />

bisher unzureichend genutzte Bereiche wie das Grosse Ried oder Landschaftsräume im Osten und Westen<br />

der Stadt stärker nutzbar zu machen. Neben dem Aufbau linearer Grünverbindungen zwischen Kernstadt<br />

und Umland könnte dabei ein "Grüner Ring" mit einem Radweg "Rund um <strong>Erfurt</strong>" eine verbindende Funktion<br />

übernehmen. Die Entwicklung der Landschaftsräume soll auf abgestimmten Instrumentarien wie einem regionalen<br />

Ausgleichsflächenpool oder der Entwicklung gemeinsamer Konzepte der Brachenbegrünung von<br />

Rückbauflächen aufbauen.<br />

65


<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />

4.2.4 Standortprofilierung durch weitere Vernetzung<br />

Über umfassende regionale Kooperationen hinaus ist eine Profilierung des Standorts <strong>Erfurt</strong> durch die zielgerichtete<br />

Bearbeitung einzelner Handlungsfelder erforderlich. Dies gilt in besonderem Maße für die Bereiche<br />

Tourismus sowie Wissenschaft, Forschung und Hochschulen.<br />

Das von der Thüringer Landesregierung formulierte Modell eines "Technologiedreiecks" beschreibt die wesentlichen<br />

Potentiale des Raumes Jena - <strong>Erfurt</strong> - Ilmenau mit einer hohen Innovationsfähigkeit in den Bereichen<br />

Mikroelektronik, Biotechnologie, Optik, Informations- und Kommunikationstechnologie sowie Medien.<br />

Dieses Modell - erweitert um Technologiepotentiale im Raum Sömmerda und Kölleda - ist durch konkrete<br />

Projekte zu untersetzen. Die Federführung sollte jedoch bei den Fachministerien verbleiben. Die Kommunen<br />

müssen sich beispielsweise durch eine aktive Mitarbeit bei branchenbezogenen Netzwerken (wie der <strong>Erfurt</strong>er<br />

Mitgliedschaft im SolarInput e.V. und der Medieninitiative MIT 21) und gemeinsame Vorhaben zur besseren<br />

Information von Schülern und Studenten in die Arbeit einbringen. Die technologischen Potentiale der<br />

Region könnten auch durch Gastvorträge Ilmenauer Wissenschaftler im Rahmen der Vortragsveranstaltungen<br />

im <strong>Erfurt</strong>er Rathaus öffentlich bekannter gemacht werden.<br />

Geprüft werden sollte zudem, wie die Zusammenarbeit entlang der Städtekette auch in Richtung Gotha und<br />

Eisenach intensiviert werden kann. Ansatzpunkte liegen hier sowohl im Bereich der Wirtschaftsförderung als<br />

auch im Bereich und Kultur- und Tourismus.<br />

Darüber hinaus sind die Potenziale der weiteren Region im Bereich Naherholung als weicher Standortfaktor<br />

für die Stadt <strong>Erfurt</strong> zu begreifen und zu kommunizieren. Ein Slogan wie "in 45 Minuten an Loipe und Lift"<br />

könnte dieses gut zum Ausdruck bringen.<br />

66


4.3 Zielbereich "Kompakte Stadt"<br />

<strong>Erfurt</strong> stellt sich als eine überschaubare Großstadt in einem<br />

in weiten Teilen ländlich geprägten Umland dar. Die historische<br />

gewachsene Siedlungsstruktur ist durch die Elemente<br />

eines kompakten Stadtkerns mit Entwicklungsachsen charakterisiert.<br />

Funktional ist <strong>Erfurt</strong> aus überregionaler, regionaler und gesamtstädtischer<br />

Perspektive durch eine monozentrale Struktur<br />

geprägt. Den Siedlungsschwerpunkten sind lediglich<br />

Stadtteil- und Nahversorgungszentren zugeordnet. Die Konzentration<br />

auf den stadtstrukturell bedeutenden und zentral<br />

gelegenen historischen Stadtkern und damit Festigung seiner<br />

Funktionen als städtisches und regionales Oberzentrum<br />

ist auch weiterhin anzustreben. Eine über das vorhandene<br />

Maß hinausgehende Dezentralisierung ist aufgrund der relativ<br />

geringen Größe <strong>Erfurt</strong>s und der zukünftig voraussichtlich<br />

gesamtstädtisch beschränkten Entwicklungspotentiale nicht<br />

zielführend. Ein weiterer Aspekt ist die Schaffung bzw. Erhaltung<br />

einer funktionellen urbanen Nutzungsmischung.<br />

Städtische Qualitäten sollen hervorgehoben, urbane Vielfalt<br />

begünstigt und soziale Segregation vermindert werden.<br />

Die Bewahrung und weitere Qualifizierung dieser Stadtgestalt<br />

trotz notwendigem Schrumpfungsprozess ist Voraussetzung<br />

für eine effektive Nutzung der vorhandenen Infrastruktur<br />

und eine optimale Flächeninanspruchnahme im Sinne<br />

ökologischer Nachhaltigkeit. Zu berücksichtigen ist dabei<br />

aber auch, dass gerade vor dem Hintergrund des zu erwartenden<br />

Bevölkerungsrückganges Entwicklungsmöglichkeiten<br />

für die Einordnung ergänzender Funktionen - insbesondere<br />

von Gewerbebetrieben - vorhanden sein müssen.<br />

Aus diesen Zielstellungen leitet sich die Weiterführung des<br />

dem Flächennutzungsplan zu Grunde liegenden städtebaulichen<br />

Funktionsmodells ab. Im Vordergrund der künftigen<br />

Entwicklung wird dabei der gesteuerter Schrumpfungsprozess<br />

von außen nach innen stehen. Auf dieser Grundlage<br />

sollen Bauflächenpotentiale innerhalb des bereits bebauten<br />

Bereiches (Baulücken und Brachen) vorrangig genutzt werden.<br />

Der Schrumpfungsprozess bietet dabei die Chance,<br />

Stadt und Landschaft stärker miteinander zu verzahnen. Sofern<br />

neue Nutzungen auf Stadtumbauflächen nicht untergebracht<br />

werden können, ist eine konsequente Orientierung an<br />

zentralen Entwicklungsachsen erforderlich.<br />

Auf den genannten Zielen der räumlichen Entwicklung leiten<br />

sich die im Folgenden genannten städtebaulichen Handlungsschwerpunkte<br />

des Stadtumbaus ab. Dabei ist zu berücksichtigen,<br />

dass in Folge konjunktureller Schwankungen<br />

und der prognostizierten demographischen Entwicklung zu<br />

erwartende Leerstände und Brachen, mit denen in fast allen<br />

städtischen Bereichen zu rechnen ist, selten einer kurzfristigen<br />

Nachnutzung zugeführt werden können. Die Stadt kann<br />

aber auch mit Leerstand leben! Temporäre Nutzungen, so<br />

angelegt, dass sie eine mögliche spätere Umsetzung der<br />

geplanten Zielstellung nicht behindern, können zur Beseitigung<br />

von vorhandenen und entstehenden Missstände beitragen.<br />

4. Zielkonzept der gesamtstädtischen Entwicklung<br />

Abb. 22 - Szenario einer räumlichen und zeitlichen<br />

Leitbildentwicklung<br />

67


<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />

Altstadt stärken<br />

Die erweiterte Altstadt ist historischer Ausgangspunkt der baulichen Entwicklung <strong>Erfurt</strong>s und heute das funktionale<br />

Zentrum der Stadt mit einem vielschichtigen Gefüge aus Dienstleistung, Handel, Verwaltung und Kultur.<br />

Sie ist Bedeutungsträger städtischer Identität und touristischer Anziehungspunkt für Besucher aus aller<br />

Welt.<br />

Die Zielstellung „Stärkung der Altstadt“ umfasst vor allem den Erhalt der hochwertigen Baustrukturen, die<br />

Förderung der urbanen Nutzungsvielfalt und die Sicherung ihrer Funktion als regionales und städtisches<br />

Einzelhandels- und Dienstleistungszentrum sowie die weitere Erhöhung der Aufenthaltsqualität, z. B. durch<br />

die Schaffung attraktiver Freiräume und die Vernetzung eingebetteter und angrenzender Landschaftsbereiche.<br />

Gründerzeit konsolidieren<br />

Der die Altstadt umschließende Gründerzeitgürtel ist die städtebauliche Erweiterung der Kernstadt und bildet<br />

mit der Bebauung der 20iger und 30iger Jahre sowie der Wohnbebauung der 60iger Jahre die innere Stadt.<br />

Die Stabilisierung und Konsolidierung dieses Bereiches ist somit für den Erhalt der gesamtstädtischen Siedlungsstruktur<br />

erforderlich.<br />

In den als weitgehend intakt einzustufenden Teilgebieten sind die Instandsetzung bislang noch unsanierter<br />

Gebäude und die Nachnutzung leer stehender Gebäude zu forcieren. Gleichzeitig bedarf es punktuell Substanz<br />

verändernder Umstrukturierungsmaßnahmen, um die Wohnqualität, insbesondere hinsichtlich des<br />

Wohnumfeldes, zu erhöhen und die langfristige Vermietbarkeit des Gebäudebestandes zu sichern. So kann<br />

durch einen gezielten Rückbau leer stehender Gebäudekomplexe oder eine entsprechende Umnutzung vorhandener<br />

Brachen der Mangel an Grün- und Erholungsflächen sowie an organisierten Stellplatzbereichen<br />

behoben und die Aufenthaltsqualität von Straßen und Plätzen erhöht werden. Aber auch kleinteilige Entsiegelung,<br />

Begrünung von Dächern, Terrassen und Höfen können die Defizite an öffentlichen Grünflächen verkleinern.<br />

In manchen Randbereichen sind heute hohe Leerstande zu verzeichnen. Hier bedarf es eines konsequenten<br />

Rückbaus der nicht mehr sinnvoll erhaltbaren Bausubstanz bis hin zur Aufgabe der tradierten Quartiersstrukturen<br />

und der grundlegenden Veränderung des derzeit bestehenden stadträumlichen Gefüges.<br />

In den Quartieren der 20er- und 30er Jahre sowie in den Wohnsiedlung von 1946 - 1964 bzw. ab 1965 sind<br />

die harmonischen Dimensionen von Baustrukturen und Gartenland mit Baumbestand zu erhalten. Neue<br />

Verdichtungen sind zu vermeiden. Die charakteristischen Eigenarten und Besonderheiten der Gebiete sollen<br />

gewahrt bzw. wiederhergestellt werden.<br />

Die Umstrukturierung angrenzender Industriebrachen und deren stärkere Durchgrünung mittels naturräumlicher<br />

Gliederungselemente (Alleen, Wiesen, Wald) sollte in die entsprechenden Planungen mit einbezogen<br />

werden. Gleichzeitig sind regelmäßige Untersuchungen hinsichtlich verkehrsvermindernder, verkehrsführender<br />

und verkehrsgestaltender Maßnahmen mit Bezug zur Nutzungsintensität in den Gründerzeitgebieten<br />

vorzunehmen. Hierbei ist besonderes Augenmerk auf den ruhenden Verkehr zu legen.<br />

Großwohnsiedlungen umbauen<br />

Die Gebiete industrieller Bauweise befinden sich in einem grundlegenden Bedeutungswandel hinsichtlich der<br />

Nachfragesituation. Hohe bauliche Dichten, überwiegend monotone Gebäudestrukturen und zum Teil nicht<br />

der Nachfrage entsprechenden Grundrisse sowie starke Imageprobleme führen dazu, dass bei der sich absehbar<br />

kontinuierlich weiter verringernden Mietnachfrage die Großwohnsiedlungen auch zukünftig die<br />

Hauptlast des Stadtumbaus zu tragen haben werden.<br />

Zukünftig ist in den Großwohnsiedlungen, neben der Konzentration des Leerstandes und dem geordneten<br />

Rückbau überzähliger Wohnpotentiale, zum einen die Entwicklung geeigneter zusammenhängender Flächen<br />

für zukünftige Nachnutzungen anzustreben. Zum anderen werden bislang baulich genutzte Bereiche teilweise<br />

in einem langfristigen Re-Urbanisierungsprozess zu begleiten sein.<br />

Differenziert und großzügig gestaltete Grünräume sollen prägendes Merkmal dieser Stadtteile werden. "Grüne<br />

Zwischennutzungen" der durch Abriss frei werdenden Flächen führt kurzfristig zur Aufwertung der Freiraumstrukturen,<br />

hält aber langfristig Möglichkeiten für eine Neubebauung offen. Regionale landschaftliche<br />

Besonderheiten geben dem Quartier dabei seine Identität. Die Standorte befinden sich zumeist im äußeren<br />

Stadtrandbereich. Ziel ist es, landschaftliche Besonderheiten zu bewahren und zu schaffen und als Landschafts-<br />

und Erholungsraum zu sichern.<br />

Städtebauliche Qualitäten sollten durch behutsame Renovierung und Umstrukturierung aufgegriffen werden.<br />

68


4. Zielkonzept der gesamtstädtischen Entwicklung<br />

4.4 Zielbereich „Funktionsfähiger und nachfragegerechter Wohnungsmarkt“<br />

Zielstellung für den Sektor Wohnen ist die Erhaltung eines funktionsfähigen und attraktiven Wohnungsmarktes<br />

sowie die Vermeidung einer die Stadtstrukturen belastenden Perforation der Stadt durch ungeordneten<br />

Wohnungsleerstand. Dementsprechend nimmt das Siedlungskonzept Wohnen ausgehend von den städtebaulichen<br />

Leitbildern das gesamtstädtischen Achsen- und Zentrenkonzept auf und setzt für die Entwicklung<br />

des Wohnungsbestandes folgende Prioritäten:<br />

1. Priorität<br />

− Innenentwicklung im Bereich der <strong>Erfurt</strong>er<br />

Altstadt und den umliegenden gründerzeitlich<br />

geprägten Stadträumen<br />

− Nutzung von Baulückenpotentialen<br />

2. Priorität<br />

− Umstrukturierung / Neuordnung der Großwohnsiedlungen<br />

− Berücksichtigung von Nachnutzungspotentialen,<br />

insbesondere von nutzbaren Infrastrukturen<br />

bei der Entwicklung neuer<br />

niedriggeschossiger Wohnformen<br />

3. Priorität<br />

− Weiterentwicklung bestehender Wohnbauflächenpotentiale<br />

für den Eigenheimbau im<br />

Bereich städtischer Entwicklungsachsen<br />

und stadtnaher Wohnungsbauschwerpunkte<br />

4. Priorität<br />

− Stabilisierung aller stadträumlichen Gebiete<br />

außerhalb der 1. bis 3. Priorität<br />

− Weiterentwicklung entsprechend der<br />

Standortbedingungen<br />

Baurechte, etc.)<br />

(Infrastruktur,<br />

Die Prioritäten stellen sowohl jede für sich einen<br />

Handlungsschwerpunkt wie auch insgesamt<br />

eine Rangfolge dar. Ist die Umsetzung<br />

eines Punktes nicht möglich, müssen die folgenden Prioritäten verstärkt entwickelt werden. Ausschlaggebend<br />

ist u. a. die Nachfrageentwicklung in den verschiedenen Siedlungstypen.<br />

Abb. 23 - Siedlungskonzept Wohnen<br />

4.4.1 Strategische Handlungsansätze<br />

In der Stadt <strong>Erfurt</strong> soll die Funktionsfähigkeit des Wohnungsmarktes gewahrt bleiben. Dabei ist weiterhin und<br />

langfristig zunehmend mit einer deutlich erhöhten Wohnungsleerstandsquote in nicht mehr nachfragegerechten<br />

Angebotssegmenten zu rechnen. Gleichzeitig muss eine nachfragegerechtes Wohnungsangebot vorgehalten<br />

werden, welches auch ausreichend Potentiale für den Wohnungsneubau und eine angemessene<br />

Angebotsreserve einschließt.<br />

Die konkrete Planung von Wohnungsrückbau oder anderer den Wohnungsbestand beeinflussender Maßnahmen<br />

bedürfen einer kontinuierlichen Beobachtung der Entwicklung des Wohnungsbestandes und der<br />

Nachfragesituation. Mit dem Stadtbeobachtungssystem (vgl. Kap. 2.3) werden die benötigten Daten erfasst<br />

und für kleinräumige Beobachtungsgebiete verfügbar gemacht. Die Zielstellungen für die Wohnungsbauentwicklung<br />

sind nötigenfalls den tatsächlichen Entwicklungen anzupassen.<br />

Nach der im Rahmen der Beteiligung am Bundeswettbewerb Stadtumbau Ost erfolgten Einschätzung des<br />

Wohnungsbestandes hinsichtlich der aktuellen Situation und der sich daraus ergebenden Handlungsfelder<br />

69


<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />

ergaben sich als Schwerpunkte der notwendigen weiteren Betrachtungen die Stadtraumtypen Altstadt,<br />

Gründerzeit und Großwohnsiedlung. Die für diese Stadtraumtypen anzustrebenden Entwicklungsstrategien<br />

werden nachfolgend dargestellt.<br />

4.4.2 Entwicklungsstrategie für den Wohnungsbaubestand<br />

Altstadt<br />

Die Altstadt soll auch langfristig ein Wohnstandort bleiben. Gleichzeitig sind zentrale Funktionen wie Versorgung<br />

und Dienstleistung, Bildung, Kultur, Verwaltung und Tourismus im übergreifenden Altstadtbereich zu<br />

erhalten bzw. nach Möglichkeit verstärkt anzusiedeln. Hinsichtlich Abgrenzung und Größe des Stadtzentrums<br />

sowie der Ansiedlungsprioritäten innerhalb des Altstadtbereiches ist eine Überprüfung des Altstadtentwicklungskonzeptes<br />

notwendig. Beizubehaltende Strategie für die <strong>Erfurt</strong>er Altstadt ist die Durchführung einer<br />

erhaltenden Erneuerung mit dem Ziel der Stärkung von Selbsterneuerungskräften, d. h. der privaten Investitionstätigkeit.<br />

Aufgrund der noch bestehenden erheblichen Funktions- und Substanzmängel in wichtigen innerstädtischen<br />

Teilbereichen muss die Altstadt weiterhin Förderschwerpunkt der Stadterneuerung sein.<br />

Gründerzeitlich geprägte Gebiete<br />

Eine Zielstellung der Stadtentwicklung ist die Stabilisierung und Konsolidierung des Gründerzeitringes als<br />

wichtige das Stadtbild prägende, städtebaulich und architektonisch hochwertige Siedlungsstruktur. Angesichts<br />

der Vielzahl der Einzeleigentümer und der zu erwartenden wirtschaftlichen Auswirkungen auf diese<br />

erscheinen zum heutigen Zeitpunkt massive Umstrukturierungen und aus gesamtstädtische Sicht relevante<br />

Wohnungsreduzierungen sehr problematisch. Daher wird für diesen Bereich eine Strategie der kleinen<br />

Schritte empfohlen, wobei jeder weitere Schritt sich an den Auswirkungen bereits ergriffener Maßnahmen orientieren<br />

muss. Für diese sukzessive Konsolidierung und Umstrukturierung sind folgende Schwerpunkte zu<br />

setzen:<br />

• Verstärkte Anstrengungen in den weitgehend intakten Teilgebieten zur Sanierung einzelner verbliebener,<br />

bislang noch unsanierter Gebäude.<br />

• Durchführung von Umstrukturierungsmaßnahmen mit dem Ziel der Erhöhung der Wohnqualität und Verbesserung<br />

der langfristigen Vermietbarkeit des Gebäudebestandes in Gebieten mit deutlichen Nachfrageschwächen.<br />

• Nutzung der freiwerdenden Flächen zur Aufwertung öffentlicher und privater Freiraumangebote, zur<br />

Verbesserung der angespannten Parkraumsituation sowie zur Erarbeitung von Teilraumkonzeptionen<br />

zur Entwicklung wohnungsnaher Gartenanlagen (Mietergärten).<br />

• konsequenter Rückbau der nicht mehr sinnvoll erhaltbaren Bausubstanz in den problematischen Randbereichen<br />

mit hohen Leerständen bis hin zur Aufgabe der tradierten Quartiersstrukturen und der grundlegenden<br />

Veränderung des derzeit bestehenden stadträumlichen Gefüges.<br />

In Teilbereichen ist auch die Entwicklung neuer, niedriggeschossiger Wohnungsbauten in Stadthaus- oder<br />

Eigenheimbauweise denkbar. Begleitend ist die Untersuchung verkehrsvermindernder, verkehrsführender<br />

und verkehrsgestaltender<br />

Maßnahmen in den Gründerzeitgebieten<br />

erforderlich.<br />

Hierbei sind insbesondere die<br />

Auswirkungen der Reduzierung<br />

von Wohnbausubstanz<br />

(Auflösung von Blockstrukturen)<br />

auf die verbleibende<br />

Bausubstanz und die Wohnqualität<br />

der Blockinnenbereiche<br />

hinsichtlich beeinträchtigender<br />

Verkehrsemissionen<br />

zu untersuchen. Des weiteren<br />

ist begleitend die Umstrukturierung<br />

angrenzender Industriebrachen<br />

und deren stärkere<br />

Durchgrünung anzustreben.<br />

Abb. 24 - Entwicklungsmöglichkeiten Gründerzeit<br />

70


4. Zielkonzept der gesamtstädtischen Entwicklung<br />

Großwohnsiedlungen<br />

Der Umbauprozess der Großwohnsiedlungen soll langfristig in einer Einheit von Rück-, Um- und Neubaumaßnahmen<br />

sowie der Aufwertung öffentlicher und privater Freiräume erfolgen. Dies beinhaltet auch die<br />

Aufwertung der gesamtstädtischen wie auch standortbezogenen Wohnqualität durch die Weiterentwicklung<br />

übergeordneter Landschaftsbezüge und die Ausprägung flächiger Grünzäsuren zwischen den neu zu strukturierenden<br />

Stadtteilen. Gegenwärtiges Ziel ist die langfristige Umgestaltung zu stabilen - wenn auch kleineren<br />

- Siedlungseinheiten und Nachbarschaftsquartieren mit am Wohnungsmarkt nachgefragten Wohn- und<br />

Aufenthaltsqualitäten.<br />

Aufgrund des erheblichen Kostenaufwandes für den Wohnungsrückbau ist neben dem Rückbau leer stehender<br />

Wohngebäude zunächst auch die Stilllegung von Wohngebäuden denkbar. Hierzu ist in Abwägung<br />

der wohnungswirtschaftlichen und stadtstrukturellen Zielstellungen festzulegen, welche Bereiche der Großwohnsiedlungen<br />

mittel- bis langfristig weiter am Wohnungsmarkt bleiben sollen und welche Bereiche durch<br />

Stilllegung vom Wohnungsmarkt gehen können. Stabilisierungsmaßnahmen der Großwohnsiedlungen sollten<br />

zunächst auf die am Wohnungsmarkt verbleibenden Bereiche gelenkt werden. In den Stilllegungsbereichen<br />

sollten vorrangig Maßnahmen zur Sicherung der öffentlichen Ordnung erfolgen. Langfristig ist der<br />

Rückbau der nicht mehr nachgefragten Wohngebäude anzustreben. Nach erfolgtem Rückbau größerer zusammenhängender<br />

Bereiche ist je nach Lage und Eignung die Entwicklung neuer und nachgefragte Wohnungsmarktsegmente<br />

(vorrangig entdichtete Wohnbebauung) und anderer Nachnutzungen zu prüfen. Hierbei<br />

ist auch von einer in Teilen großflächigen Überformung durch Landschaftsstrukturen auszugehen.<br />

4.4.3 Entwicklungsstrategie für Wohnungsneubaupotentiale<br />

Die vorhandenen Wohnungsneubaupotentiale der Stadt <strong>Erfurt</strong> entsprechen im Wesentlichen dem zugrunde<br />

gelegten Szenario der voraussichtlichen Neubaunachfrage. Die zusätzlich zu den gegenwärtigen Realisierungszielen<br />

im Wohnungspotential enthaltene Angebotsreserve soll teilweise im Rahmen der verbindlichen<br />

Bauleitplanung reduziert werden. Insgesamt ist die bestehende Angebotsreserve angemessen, da ebenso<br />

wie die Nachfrageentwicklung auch die tatsächliche Marktpräsenz nur schwer vorausgesagt werden kann.<br />

Insbesondere ist die Verfügbarkeit ausreichend großer Nachnutzungsflächen im Rahmen des Stadtumbaus<br />

angesichts der mit der Flächenaufbereitung verbundenen Kosten schwer in den Umsetzungszeiträumen<br />

vorhersehbar. Grundsätzlich soll bis 2020 beständig ein ausreichendes Wohnungsneubauangebot mit einem<br />

günstigem Preisniveau in <strong>Erfurt</strong> zur Verfügung stehen.<br />

Tabelle 12 - Realisierungsziele für Neubaupotentiale bis 2020<br />

ca. Werte<br />

Gesamt (in WE) MFH (in WE) EFH in (WE)<br />

Potential Ziel Potential Ziel Potential Ziel<br />

Baulücken 700 400 - - 700 400<br />

Stadtumbau 1.000 1.000 - - 1.000 1.000<br />

Rechtskräftige Bebauungspläne<br />

5.000 3.800 3.100 1.600 1.900 2.200<br />

Bebauungsplanverfahren 2.700 2.300 1.300 700 1.400 1.600<br />

Reserven des FNP-<br />

<strong>Entwurf</strong>es<br />

800 500 - - 800 500<br />

Gesamt 10.200 8.000 4.400 2.300 5.800 5.700<br />

Die zugrunde gelegte Nachfrage vorausgesetzt, erfordert die Umsetzung dieser Realisierungsziele bis zum<br />

Jahr 2020, dass:<br />

• ca. zwei Drittel der Baulücken für eine Neubebauung verfügbar gemacht werden,<br />

• der Stadtumbau ausreichend großen Nachnutzungsflächen zur Verfügung stellen wird und diese vorrangig<br />

für den Bau von Einfamilienhäusern genutzt werden,<br />

• in Bebauungsplänen und -planverfahren Geschosswohnungsbaupotentiale verringert und teilweise in<br />

Einfamilienhauspotentiale umgewandelt werden und dass<br />

• Reserven des FNP-<strong>Entwurf</strong>es zurückhaltend, d. h. nur zu ca. einem Drittel aktiviert werden.<br />

71


<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />

Für die Entwicklung der einzelnen Wohnungsneubaupotentiale werden die folgenden Strategien empfohlen:<br />

Baulückenpotentiale<br />

• Herausfiltern von Baulücken, deren Erschließung gesichert ist bzw. kurzfristig gesichert werden kann<br />

• konkrete Prüfung der Bebaubarkeit zunächst nur für diese Grundstücke<br />

• fortlaufende Aktualisierung der Baulückenübersicht und sukzessive Prüfung entsprechend dem Erschließungsfortschritt<br />

Potentiale aus Stadtumbauprozessen<br />

• kurzfristige Nachnutzung der Flächen von zunächst punktuellen Rückbaumaßnahmen durch Grün und<br />

öffentliche sowie private Freiflächennutzungen (Stellplätze, Spielplätze, Ruhebereiche)<br />

• bauliche Nachnutzung der mittelfristig stabilisierbaren Stadträume durch gezielten punktuellen Wohnungsbau<br />

insbesondere von Einfamilien- und Reihenhäusern und/oder Neuansiedlung von Gewerbe-<br />

und Dienstleistungseinrichtungen<br />

• bauliche Nachnutzung, Vorhaltung als nicht zieldefinierte Potentialfläche oder Renaturierung der langfristig<br />

großflächig verfügbaren Rückbaubereiche<br />

Potentiale aus Bebauungsplänen und -planverfahren<br />

• Reduzierung von in Bebauungsplänen ausgewiesenen Mehrfamilienhausstandorten bzw. deren anteilige<br />

Umwandlung in Einfamilienhausstandorte in Abhängigkeit zur Nachfragesituation und in einem kontinuierlichen<br />

Abstimmungsprozess zwischen den städtischen Zielen und den Zielen und Rechten der Flächeneigentümer<br />

und betroffener Erschließungsträger<br />

Reservepotentiale des Flächennutzungsplanes<br />

• die Reserven des Flächennutzungsplanes sind überwiegend langfristige Entwicklungsreserven. Abweichungen<br />

sind entsprechend der Entwicklungssituation der übrigen Angebotssegmente und der Nachfrage<br />

möglich.<br />

Eine fortlaufende Betrachtung der Entwicklungspotentiale im Bereich Wohnen erfolgt in der Sektoralen Entwicklungskonzeption<br />

Wohnen 2020 - Teilbereich Neubau, deren erneute Veröffentlichung mit Arbeitsstand<br />

2005 derzeit vorbereitet wird.<br />

72


4. Zielkonzept der gesamtstädtischen Entwicklung<br />

4.5 Zielbereich „Freiräume entwickeln“<br />

Die Bedeutung von Grünflächen für die Gesamtstadt und die Gesellschaft ist unumstritten. In ökologischer<br />

Hinsicht ist vor allem der Einfluss auf das Stadtklima, insbesondere auf die verbesserte Regulierung des<br />

Wärme- und Luftaustauschs von Bedeutung. Ökonomisch betrachtet ist die Ausstattung mit ausreichend<br />

Grün- und Erholungsflächen ein wichtiger Standortfaktor im zunehmenden Wettbewerb der Städte. Als<br />

Raum für Kommunikation, wohnungsnahe Erholung und Erlebnis für alle Generationen hat städtisches Grün<br />

hohen sozialen Nutzen. Und nicht zuletzt ist auch der ästhetische Wert nicht zu vergessen, da Stadtgrün<br />

Gegenstand sinnlicher Wahrnehmung ist und das Stadtgefüge gliedert.<br />

Die durch den Strukturwandel umfangreich frei werdenden Flächen eröffnen neue Entwicklungsperspektiven<br />

hinsichtlich einer Qualifizierung des städtebaulichen Bestandes. In den wohnbezogenen Stadtquartieren bieten<br />

sie die Möglichkeit zur Aufwertung des Wohnumfeldes und der Anlage von stadtstrukturierenden Grünzügen.<br />

Damit können besonders vom Leerstand bedrohte Standorte aufgewertet und für die Bewohner wieder<br />

attraktiv werden. Gewerbebrachflächen könnten durch Grünstrukturen gegliedert, aufgewertet und somit<br />

besser vermarktet werden.<br />

Großflächige Gewerbestandorte, für die keine absehbaren Nutzungsausrichtungen der gesamten Fläche zu<br />

erwarten sind, können durch strukturierendes Grün auf saniertem Boden die Fläche wieder qualifizieren und<br />

den Vermarktungswert erhöhen.<br />

Ausgehend von den topographischen<br />

Gegebenheiten, den vorhandenen<br />

Grünstrukturen und<br />

baulichen Nutzungen sowie deren<br />

voraussichtliche Entwicklung<br />

wurde ein Grün- und Freiraumkonzept<br />

entwickelt, dass die bisher<br />

zergliederten und in Teilen<br />

unverbundene Stadtteilgefüge<br />

strukturiert und vorhandene Elemente<br />

von Landschaft und Infrastruktur<br />

in das Gesamtgefüge der<br />

Stadt einbindet und zu einem<br />

vernetzten System von öffentlichen<br />

und privaten Grün- und<br />

Freiflächen verbindet. Grundelemente<br />

des Konzeptes sind:<br />

• der Grüne Ring um die<br />

Altstadt<br />

• das Geraband und seine<br />

Wasserarme<br />

• der Äußerer Grüne Ring und<br />

• die <strong>Erfurt</strong>er Seen.<br />

Zusammen mit Hauptachsen und<br />

Bändern soll ein zusammenhän-<br />

Abb. 25 - Grünstrukturkonzept<br />

gendes Netz von Grünanlagen,<br />

Parks und Plätzen entstehen, welche durch ein dichtes Fußwegenetz verbunden sind. Im Ergebnis wird die<br />

Stadt <strong>Erfurt</strong> in einen Innenbereich (Altstadt), einen an die Altstadt angrenzenden, durch Grünstrukturen<br />

mehrfach unterbrochenen Hauptsiedlungsraum sowie eine erlebbare, landschaftlich reizvolle Peripherie zoniert.<br />

Dafür sind vorhandene und freiwerdende Flächen hinsichtlich ihrer Eignung zur Integrierung in das<br />

Grünflächensystem zu überprüfen. Durch Baumpflanzungen und die Wiedergewinnung zonierter Straßenräume<br />

(insbesondere Vorgärten) können die Verbindungen mit der umgebenden Landschaft zusätzlich verbessert<br />

werden.<br />

Bei der weiteren Detaillierung und Umsetzung von Konzepten zur freiraumplanerischen und städtebaulichen<br />

Entwicklung der Stadt sind die Anforderungen des Stadtklimas und des Hochwasserschutzes zu berücksichtigen.<br />

73


<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />

Das derzeit in Bearbeitung befindliche Klimagutachten für die Stadt <strong>Erfurt</strong> wird Ansatzpunkte zur Behebung<br />

lufthygienischer Probleme im Stadtgebiet <strong>Erfurt</strong> aufzeigen. Ein wichtiges Ergebnis dieser Arbeit soll eine<br />

Planungshinweiskarte für eine klimaoptimierte Stadtausrichtung sein. Im Bereich des 100-jährigen Hochwassers<br />

wurden bereits in den letzten Jahren Hochwasserschutzmaßnahmen geplant und durchgeführt. Für<br />

einzelne Bereiche wird es aber in absehbarer Zeit keinen Hochwasserschutz geben. Diese dem Hochwasserplan<br />

zu entnehmenden Bereiche sollten dauerhaft von Bebauung freigehalten bzw. Rückbaumaßnahmen<br />

angestrebt werden.<br />

4.5.1 Grüner Ring um die Altstadt<br />

Der Grüne Ring um die Altstadt basiert auf den vorhandenen Grünstrukturen entlang des Flutgrabens, die<br />

bogenförmig an die Innenstadt anschließen. Davon ausgehend soll eine linear strukturierte Kette von prägnanten<br />

öffentlichen Grünräumen die Altsstadt umschließen.<br />

Durchgrünte Baugebiete sollen weitere Teile dieser „Kette“ bilden. So kann eine stärkere Begrünung der östlichen<br />

Gründerzeitgebiete gleichzeitig als Element des Grünen Ringes zur besseren Vernetzung städtischer<br />

Grünstrukturen beitragen und eine Verbesserung des Wohnumfeldes und damit der Wohnqualität bewirken.<br />

Neben brach fallenden Flächen innerhalb dieser Quartiere stellt auch der Flutgraben mit seinen angrenzenden<br />

Bereichen ein wesentliches Potential für eine Verbesserung der Freiraumsituation dar.<br />

Vorhandene und noch zu entwickelnde Grünanlagen und Grünzüge vervollständigen den Grünen Ring um<br />

die Altstadt. Beispielsweise stellt der Petersberg mit seinen Freiflächen bereits eine der Grünoasen in der<br />

Altstadt dar. Bei der Umgestaltung des nördlichen Petersberg wird diese Funktion durch eine, die topographischen<br />

Strukturen berücksichtigende Freiflächengestaltung weiter gestärkt. Ein durch das Brühl führender<br />

Grünzug schafft eine Verbindung zu den traditionellen Grünanlagen im Süden. Die brachliegenden Flächen<br />

von Katholischem Krankenhaus, Stadtgarten und Hirschgarten sind traditionelle Gartenareale, die im Zusammenhang<br />

mit neuen Nutzungen zumindest teilweise wieder reaktiviert werden sollen. In der Thomasstraße<br />

bietet sich im Zusammenhang mit der Reaktivierung ehemals gewerblich genutzter Flächen entlang<br />

der Bahn die Chance, ein individuelles Quartier mit einer reizvollen Mischung historischer Industriearchitektur,<br />

neuen Baustrukturen und städtischen Freiräumen zu entwickeln.<br />

4.5.2 Geraband und Wasserarme<br />

Die Geraaue ist eines der wesentlichen strukturbestimmenden Elemente der Stadt <strong>Erfurt</strong> und soll in dieser<br />

Funktion zukünftig eine zentrale Rolle der Stadtentwicklung übernehmen. Der Fluss und seine Wasserarme<br />

sind ein Potential, dass zukünftig stärker zur Steigerung der Attraktivität der Stadt genutzt werden sollte.<br />

Um Wasser im öffentlichen Raum erlebbarer zu machen, sollen die Bemühungen zur Aufwertung und Verbesserung<br />

der Zugänglichkeit der Flussuferzonen fortgeführt werden. Positive Beispiele der vergangenen<br />

Jahre sind Maßnahmen am Brühler Garten, zwischen Langer Brücke und Schlösserbrücke, am Dämmchen<br />

und im Bereich des Venedig sowie die Öffnung des Bergstromes im Brühl. Ein weiterer Schritt in diese Richtung<br />

ist die in Vorbereitung befindliche Öffnung des Uferweges zwischen Lehmannsbrücke und Weidengasse.<br />

Zu prüfen ist, welche Voraussetzungen geschaffen werden müssen, um den Flutgraben in den bisher<br />

unzugänglichen Bereichen östlich der Innenstadt öffentlich zugänglich machen zu können.<br />

Dort, wo ein unmittelbares Erleben des Landschaftselementes Wasser für die Öffentlichkeit nicht möglich ist,<br />

sollte zumindest die grundlegende Struktur erkennbar sein. Gleichzeitig sind die privaten Uferzonen und die<br />

Vielgestaltigkeit des "Wohnen und Arbeiten am Wasser" stärker als Standortpotential zu nutzen und zu<br />

kommunizieren.<br />

Im Norden der Stadt charakterisieren flächenintensive Nutzungen, wie das Nordbad, Sport- und Spielanlagen<br />

sowie Schulen und Kindertagesstätten die Uferbereiche der Gera. Im Rahmen des Stadtumbaus entstehende<br />

Flächenpotentiale müssen hier zur Entlastung dieser ausgedehnten, innenstadtnahen und intensiv<br />

genutzten Freiflächen mit massivem Erholungsdruck genutzt werden.<br />

4.5.3 Äußerer Grüner Ring<br />

Der Äußere Grüne Ring definiert sich im Westen der Stadt durch einen grünen Bogen, welcher sich durch<br />

Gartenbauflächen, private Gärten und Kleingartenanlagen, den Hauptfriedhof, den Steigerwald sowie durchgrünte<br />

Baugebiete darstellt. Im Osten sind dagegen nur grüne Fragmente vorhanden, ohne erkennbare<br />

74


4. Zielkonzept der gesamtstädtischen Entwicklung<br />

Identität und Einbindung in das gesamtstädtische Gefüge. Zielstellung ist die sukzessive Gestaltung eines<br />

wahrnehmbaren, die kompakte Stadt umschließenden Grüngürtels.<br />

Die traditionellen Anbauflächen des Gartenbaus sind Teil der Identität von <strong>Erfurt</strong> als Blumenstadt und als<br />

solche in ihrer Vielfalt zu erhalten und gleichzeitig für die stadtnahe Erholung nutzbar zu machen.<br />

Einen wesentlichen Bestandteil des Äußeren Grünen Ringes bilden die Kleingartenanlagen. Die prognostizierte<br />

nachlassende Nachfrage birgt jedoch die Gefahr, dass vermehrt Gärten leer fallen. Eine ähnliche Rasanz<br />

wie im Wohnungsbau, die eine Perforation von Gartenanlagen mit all ihren negativen Folgen auch für<br />

die sozialen Aspekte des Kleingartenwesens nach sich ziehen könnte, muss vermieden werden. Um einer<br />

solchen Entwicklung rechtzeitig und sozial verträglich entgegensteuern zu können, soll im Rahmen des<br />

Stadtmonitorings auch die Entwicklung der Kleingartennutzung langfristig beobachtet werden. Im Fall vereinzelt<br />

leer stehender Gärten sollten diese, soweit sie an den Rändern bzw. an zentraler Stelle gelegen sind,<br />

für Gemeinschaftsbereiche vielfältiger Nutzungsformen genutzt werden. Ist ein massiverer Rückgang der<br />

Kleingartennutzungen absehbar, sind gemeinsam mit allen Beteiligten Konzeptionen zur weiteren Vorgehensweise<br />

zu erarbeiten.<br />

Intensiv landwirtschaftlich genutzte Kulturlandschaft bildet die Übergangszone von bebauter Stadt und<br />

Landschaft. Attraktiv gestaltete Wege (z. B. durch begleitende Gehölzpflanzungen) könnten diese eher profanen<br />

Nutzlandschaften erlebbar gestalten und die fragmentarisch vorhandenen Grünstrukturen verbinden.<br />

Der Landschaftraum um den Nordstrand 33 sowie der nordöstlichen Stadtrand bietet Potentiale für weiträumige<br />

Naherholungslandschaften. Ruhige, der Erholung dienende, aber große Flächen in Anspruch nehmende<br />

Freizeitgestaltungen können hier unter Beibehaltung des Landschaftsbildes der Kulturlandschaft ausgeübt<br />

werden.<br />

Potentiale für einen weiteren Teilbereich des Äußeren Grünen Ringes bietet der Strukturwandel in den<br />

Großwohnsiedlungen. In den Großwohnsiedlungen soll das Überangebot an nicht marktfähigen Wohnungsbeständen<br />

reduziert werden. Vorrangig geht es im Gebiet um die Verbesserung der Wohnumfeldqualität.<br />

Aufeinander abgestimmte Nutzungen und vielfältige Nutzungsangebote sollen diese Stadtteile beleben. Die<br />

Leitidee verknüpft mit einem zusammenhängenden Grünsystem alle Teilbereiche. Das Grün, welches die<br />

Eigenschaften und Relationen des Umfeldes widerspiegelt, steht dabei für ein attraktives Angebot an Freiflächen<br />

und Grünanlagen zur Verbesserung des Naturhaushaltes und der Erholungsqualität in dem jeweiligen<br />

Stadtteil. Wichtige Grundelemente der Landschaft dürfen nicht überbaut werden bzw. müssen wieder hergestellt<br />

werden.<br />

Im Rahmen der in Erarbeitung befindlichen Sektoralen Entwicklungskonzeption „Grün, Freizeit und Erholung“<br />

34 sollen räumliche bzw. strukturelle Vorgaben entwickelt werden, welche die vorhandenen klimatischen<br />

Beeinträchtigungen minimieren. Die Bewertung der Klimatologen, Vorgaben der technischen und verkehrstechnischen<br />

Infrastruktur sollen zugrunde gelegt und Bebauungsfeldvarianten untersucht werden.<br />

Zusammengefasst ergeben sich für die Großwohnsiedlungen im Norden und Südosten folgende Entwicklungsziele:<br />

Rieth, Berliner Platz, Moskauer Platz, Roter Berg<br />

• Der Äußere Grüne Ring folgt im Norden dem Bogen der nördlichen Querverbindung (NQV). Die den<br />

Straßenzug Straße der Nationen / Am Roten Berg begleitenden Grünflächen stellen eine wichtige Verbindung<br />

zwischen den Wohngebieten und ihren Freiflächen im Nordwesten und Norden dar. Das bisher<br />

nur in Fragmenten vorhandene Grün soll im Gefüge der Gesamtstadt eine eigene Identität erhalten.<br />

• Im Norden wird die Geraaue als Freizeit- und Erholungspark verstanden. Der Bedeutung der Geraaue<br />

für stadtökologische Zusammenhänge und als zentrales landschaftliches Grundelement verlangen erhöhte<br />

planerische Berücksichtigung, z.B. Rückbau in den Überschwemmungsgebieten.<br />

• Der Ort Gispersleben ist wieder so "frei zu legen", dass er als Ort mit besonderer Eigenart wahrgenommen<br />

werden kann. Im Rahmen der Planung des weiteren Rückbaus der Großwohnsiedlungen sollte hier<br />

eine Weichzone um die jeweiligen Siedlungen mit Erholungsnutzen für die Bewohner geschaffen werden.<br />

• Der Stadtteil Rieth ist aufgrund der Konzentration von Bildungseinrichtungen und weiteren Einrichtungen<br />

für den Gemeinbedarf an diesen gut vom ÖPNV erschlossenen und in der Entwicklungsachse liegenden<br />

33 vgl. interne Studie des Stadtentwicklungsamtes „Freizeit und Erholungspark Nordstrand“<br />

34 Arbeitstitel<br />

75


<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />

76<br />

zentralen Standort sowie in seiner Funktion als Zentrum, den jeweiligen Nutzungen entsprechend, mit<br />

hoher Aufenthaltsqualität weiter zu stärken und zu stabilisieren. Vorstellbar ist, flächenintensive Schulen<br />

wie Sonderschulen von regionaler und überregionaler Bedeutung anzusiedeln, um diesen Raum zu einem<br />

Bildungsstandort besonderer Qualität werden zu lassen. Diese Aufgabe umfasst u. a. auch die<br />

Neugestaltung attraktiver Freiräume und die Vernetzung eingebetteter und angrenzender Landschaftsbereiche.<br />

Charakteristisch sind dabei die flächenintensiven Einrichtungen wie Sportanlagen, Spielplätze,<br />

Schulen und Kindertagesstätten.<br />

Herrenberg, Wiesenhügel, Drosselberg, Buchenberg, Industriepark<br />

• Freilegung des Ortskernes Melchendorf - die historischen Dorfstrukturen müssen ablesbar gestaltet<br />

werden durch einen breiten Grünstreifen am Ortsrand ein abgestimmter Wechsel von Bebauung und<br />

Grünraum.<br />

• Die naturräumlichen Potentiale der Arena von Herrenberg und Wiesenhügel sollen erlebbar gestaltet<br />

werden durch eine Reaktion der baulichen Entwicklungen auf landschaftsräumliche Vorbedingungen.<br />

• Ein breiter Grünzug, beginnend an der Gustav - Adolf - Kirche soll bis an das Hochtechnologiestandort<br />

<strong>Erfurt</strong>-Südost den Raum strukturieren. Ein harmonischer Wechsel von Wohnraum, Naturraum (als Aufenthalts-<br />

und Kommunikationsort für den wissensintensiven Gewerbestandort sowie wohnumfeldnaher<br />

Grünraum für die Wohnbebauung) und wissensintensiver Arbeitswelt.<br />

4.5.4 <strong>Erfurt</strong>er Seen<br />

Die im Norden der Stadt in Folge des Kiesabbaus entstehende Seenlandschaft für Freizeit und Erholung<br />

nutzbar zu machen und so aufzuwerten, dass es überregionale Bekanntheit erlangt, ist Zielstellung der Regionalen<br />

Entwicklungskonzeption „<strong>Erfurt</strong>er Seen“. Zur Umsetzung dieser Zielstellung haben die Stadt <strong>Erfurt</strong><br />

und die Gemeinde Nöda bereits im Jahr 2001 eine kommunale Arbeitsgemeinschaft gegründet. Mit der<br />

Schaffung von Naturschutzseen, Landschaftsseen (ruhige Erholung) und Freizeitseen (intensive Nutzung)<br />

sollen die verschiedensten Interessengruppen Beachtung finden.<br />

Abb. 26 - Regionale Freizeitkarte „<strong>Erfurt</strong>er Seen“


4. Zielkonzept der gesamtstädtischen Entwicklung<br />

4.5.5 Umsetzungsstrategie<br />

Die Realisierung des Grün- und Freiraumkonzeptes ist ebenso wie die Umsetzung des gesamten <strong>Stadtentwicklungskonzept</strong>es<br />

als ein langfristiger Prozess zu betrachten, in dessen Verlauf sich die verschiedenen<br />

Elemente sukzessive zu einem Gesamtbild zusammenfügen.<br />

Auf Basis des hier vorgestellten Grundkonzeptes bedarf es für die einzelnen Elemente konkreter Konzepte,<br />

welche die Handlungsgrundlagen für die weitere Arbeit bilden. Neue Freiraumqualitäten für veränderte Nutzeransprüche<br />

sind zu definieren, neue Kooperations- und Organisationsformen zu finden, neue Instrumente<br />

und finanzierbare Strategien zu entwickeln. Privatunternehmen, Eigentümer und Bewohner müssen stärker<br />

als bisher in die Verantwortung genommen werden. Um diesen Anforderungen und neuen Aufgaben gerecht<br />

werden zu können, ist ein integriertes Freiflächenmanagement notwendig. Aspekte wie Verfügbarkeit, Finanzierung,<br />

Qualitätsstandards und Zuständigkeiten werden durch ein solches Management erfasst.<br />

Mit der Veränderung der Stadträume und der Stadtgesellschaft differenzieren sich auch die Anforderungen<br />

an Grünanlagen und Parks und deren Nutz- und Erholungswert. Die städtische Planung muss auf die veränderten<br />

Nutzungsansprüche, die auf diese Flächen gerichtet sind, reagieren. Angesichts des erforderlichen<br />

effizienten und gezielten Einsatzes öffentlicher Mittel ist die Frage nach der generellen Wertschätzung und<br />

Bedeutung der Parkanlagen für die <strong>Erfurt</strong>er Bevölkerung zu untersuchen. Welche Ansprüche und Qualitäten<br />

müssen Grünanlagen aufweisen, um heutigen und zukünftigen Ansprüchen zu genügen, und wie viel Grün<br />

braucht und verträgt die Stadt? Eine Einteilung der Grün- und Freiräume in verschiedene Kategorien sollte<br />

hier Orientierungshilfe für die Planung sein. Ausgehend von Einzelgutachten zu Grundwasser, Klima, Bodengutachten,<br />

Biotopkartierungen usw. sowie den stadträumlichen Qualitäten müssen insbesondere für die<br />

Stadtumbaugebiete Konzepte erarbeitet werden, die ein erkennbares System von bebauten Flächen und<br />

Freiräumen zum Ziel haben.<br />

Der Baustein Finanzierung spielt im Rahmen eines integrierten Frei- und Grünflächenmanagements zur Umsetzung<br />

der planerischen Zielstellungen eine entscheidende Rolle. Angesichts der knappen öffentlichen<br />

Gelder müssen neue Freiraumqualitäten mit finanzierbaren Strategien entwickelt werden. Grundsätzlich ist<br />

es deshalb für alle beteiligten Akteure notwendig, projektbezogen alternative Finanzierungsmöglichkeiten<br />

aufzuzeigen, die für die notwendigen Maßnahmen in den einzelnen Stufen der Grünflächenentwicklung zum<br />

Einsatz kommen können. Dies betrifft die Kosten für Erwerb, Freilegung, Planung, Herstellung sowie Pflege-<br />

und Entwicklung der entsprechenden Flächen. Als Instrument für den Planungs- und Entscheidungsprozess<br />

sollte eine Arbeitshilfe zusammengestellt werden, die einen Überblick über Förderprogramme und deren<br />

Einsatzmöglichkeiten sowie alternative Finanzierungsmöglichkeiten gibt.<br />

Es muss aber auch davon ausgegangen werden, dass notwendige Vorhaben nicht sofort finanzierbar sind.<br />

In diesem Fall sind zumindest die für das Grünsystem bedeutsamen Flächen langfristig zu sichern.<br />

Als Zwischennutzung für kleinteilige Brachflächen und "verwilderten Ecken“ sind temporäre Grünflächen geeignet.<br />

Unter der Voraussetzung, dass durch die Begrünung eine spätere bauliche Nachnutzung nicht behindert<br />

wird, kann zumindest eine zeitweise Verbesserung erreicht werden. Für die Realisierung sind auch<br />

hier verschiedene Modelle denkbar. Die Anlage derartiger befristeter Grünnutzungen könnte zum Beispiel<br />

über städtebauliche Verträge, städtische Sanierungsmittel, Spenden oder Stiftungen erfolgen. Pflegepatenschaften<br />

von Bewohnern, Schulen oder Vereinen könnten die notwendige Unterhaltung sichern. Im Rahmen<br />

des Projektes „<strong>Erfurt</strong> lebt mit Lücken“ ist durch das Stadtentwicklungsamt ein erster Modellversuch erfolgreich<br />

initiiert und mit Hilfe bürgerlichen Engagements durchgeführt worden.<br />

Der Landschaftsplan der Stadt <strong>Erfurt</strong>, der Ziele und Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege<br />

beinhaltet, bildet die Voraussetzungen für die Umsetzung der Ziele für den äußeren Landschaftraum.<br />

Aufbauend auf dem System der Schutzgebiete können über Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen gleichartige<br />

Biotoptypen durch lineare Landschaftsstrukturen wie Hecken, extensiv genutzte Ackerrandstreifen, Pufferzonen<br />

um Biotopkomplexe oder durch Trittsteinbiotope verbunden werden. Die räumliche Zuordnung der<br />

Ausgleichs- und Ersatzflächen muss dabei so vorgenommen werden, dass langfristig eine große Biotopvernetzung<br />

geschaffen werden kann. Diese sind in den Grundzügen bereits im Flächennutzungsplan dargestellt.<br />

77


<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />

4.6 Zielbereich "Verbesserung der Erreichbarkeit und stadtverträgliche Gestaltung<br />

der Verkehrsinfrastruktur"<br />

Ausgehend von der Bedeutung der Stadt <strong>Erfurt</strong> als Oberzentrum der Region und den daraus resultierenden<br />

Verflechtungen mit dem Umland sowie der weiteren Entwicklung der Stadt als attraktiver Wohnstandort ergeben<br />

sich trotz prognostiziertem Bevölkerungsrückgang unterschiedliche Ansprüche an die künftige Verkehrsentwicklung<br />

der Stadt.<br />

Zum Einen muss die Erreichbarkeit der Stadt im Nah- und Fernverkehr sowohl auf Straßen als auch auf<br />

Schienenwegen weiter verbessert werden, um die Konkurrenzfähigkeit zu anderen Städten und Regionen zu<br />

verbessern. Dazu sind neben den traditionellen infrastrukturellen Voraussetzungen vor allem auch moderne<br />

Informationssysteme und Möglichkeiten der Verkehrssteuerung durch Leitsysteme bzw. ein komplexes Verkehrssystemmanagement<br />

weiter auszubauen. (ELVIS <strong>Erfurt</strong>er Leit- und Verkehrs-Informationssystem). Besondere<br />

Priorität besitzt dabei der Erhalt einer attraktiven Erreichbarkeit der Innenstadt für alle Verkehrsarten.<br />

Andererseits gilt es, die Wohn- und Stadtqualität, die in starkem Maße durch den Verkehr in der Stadt beeinflusst<br />

wird, weiter zu verbessern. Dazu sind die verkehrlichen Rahmenbedingungen zu einer umfassenden<br />

städtebaulichen Aufwertung von Stadtteilen und Wohnquartieren zu schaffen.<br />

Im Ergebnis der Umsetzung der Ziele des Verkehrsentwicklungsplanes sind die erreichten Wirkungen zu<br />

messen, zu bewerten und gegebenenfalls neue Strategien im engen Zusammenhang mit den aktuellen Zielen<br />

der Stadtentwicklung abzuleiten. Dabei müssen sich künftige Strategien durch ein hohes Maß an Flexibilität<br />

auszeichnen, um auf aktuelle Entwicklungen angemessen reagieren zu können. Die vorhandenen Verkehrsinfrastrukturen,<br />

insbesondere die Stadtbahnachsen, sind als Grundgerüst für die weitere Stadtentwicklung<br />

anzusehen.<br />

Maßnahmen zur Verbesserung der städtebaulichen Integration, der Verbesserung der Aufenthaltsqualität<br />

sowie eine Entlastung der städtischen Umwelt von verkehrsbedingten Belastungen (Lärm, Luftschadstoffe,<br />

Klimagase, Barrierewirkung) sind zu entwickeln und umzusetzen. Lärmminderungskonzepte sind in Übereinstimmung<br />

mit gesamtstädtischen Verkehrskonzepten als Strategie voranzutreiben.<br />

Die Standortvorteile im kompakten Stadtgebiet (kurze Wege, hohe Qualität der ÖPNV Erschließung, Infrastrukturausstattung)<br />

sind im Sinne einer nachhaltigen und stadtverträglichen Mobilität weiter zu fördern. Dazu<br />

zählt in entscheidendem Maße auch die Lösung von Parkraumproblemen im zentrumsnahen Gründerzeitgürtel<br />

als wichtiges Kriterium zur Verbesserung der Wohnqualität in diesen Gebieten.<br />

Die Verkehrsplanung muss zukünftig den Anforderungen der schrumpfende und alternde Stadt Rechnung<br />

tragen. Dazu sind vergleichbare Mobilitätschancen für alle Bürger herzustellen - auch unter der Berücksichtigung<br />

unterschiedlicher Mobilitätsbedürfnisse aufgrund unterschiedlicher Lebensbedingungen. (Erhalt der<br />

Mobilität älterer Menschen, Zugang mobilitätseingeschränkter Bevölkerungsgruppen zu Verkehrsnetzen und<br />

-mitteln, Förderung eigenständiger und sicherer Mobilität von Kindern und Jugendlichen).<br />

Straßenverkehr<br />

Der Verkehrsentwicklungsplan entwickelt ausgehend von der Fertigstellung des "<strong>Erfurt</strong>er Ringes" (2007) und<br />

leistungsfähiger Tangentialstraßen ein funktional gegliedertes Straßennetzkonzept für das gesamte Stadtgebiet.<br />

Schwerpunktmäßig gilt es Lösungen für die verbleibenden Konfliktbereiche in Übereinstimmung mit<br />

den Zielen der Stadtentwicklung zu finden. Weitergehende Aufgaben bestehen in der Überprüfung bisheriger<br />

Planungsabsichten und Ausbaustandards im Zuge des Stadtumbauprozesses hinsichtlich ihrer Notwendigkeit.<br />

Eine entscheidende Zukunftsaufgabe besteht zudem in der qualitativen Aufwertung von Straßen und<br />

Straßenräumen durch komplexe Sanierungsmaßnahmen. Entsprechend der Schwerpunktsetzungen des<br />

Stadtumbaus sind dabei die Prioritäten zu überprüfen.<br />

Öffentlicher Personennahverkehr<br />

Unter Beachtung der raumstrukturellen Entwicklungen im Verdichtungsraum <strong>Erfurt</strong> ist es notwendig, neben<br />

der Bedienung der Innenstadt auch die Einbeziehung des Umlandes in den ÖPNV in den Mittelpunkt des Interesses<br />

zu rücken, um so die Möglichkeiten zur Steuerung räumlicher Prozesse mit Hilfe öffentlicher Verkehrsmittel<br />

zu erhalten. Dies bedarf einer integrierten Verkehrs- und Raumplanung, die in stärkerem Maße<br />

als bisher Stadt und Umland als eine Planungseinheit betrachtet. Die Einführung des Verbundtarifs Mittelthüringen<br />

mit einer besseren Abstimmung zwischen kommunalen und regionalen Anbietern einschließlich des<br />

78


4. Zielkonzept der gesamtstädtischen Entwicklung<br />

Eisenbahnverkehrs ab Dezember 2005 ist ein wichtiger Schritt auf diesem Weg (vgl. Ausführungen zum<br />

Schienenverkehr).<br />

Schwerpunkt der weiteren Entwicklung des ÖPNV bildet die Vollendung des Stadtbahnkonzeptes. Mit dem<br />

Stadtbahnausbau wurden und werden neue und bestehende Wohngebiete sowie Arbeits- und Ausbildungsplätze<br />

am Ringelberg, im Brühl, in Bindersleben, in Schmira und in der Oststadt an das bestehende Nahverkehrsnetz<br />

angebunden. Gleichzeitig wurde eine neue Direktverbindungen zwischen dem Hauptbahnhof und<br />

dem internationalen Verkehrsflughafen <strong>Erfurt</strong> geschaffen. Als abschließende Maßnahme soll die Neubaustrecken<br />

Rieth - Salinenstraße bis 2007/08 realisiert werden, um die Betriebsabläufe effektiver gestalten zu<br />

können.<br />

Zukünftig wird sich die Gestaltung des ÖPNV auf eine gute Auslastung der Stadtbahnlinien und wichtiger<br />

Buslinien konzentrieren müssen. Hierzu sind an den Endpunkten der Linien Verknüpfungspunkte in Form<br />

von Park-and-Ride-Anlagen (P+R) bzw. Bike-and-Ride-Anlagen (B+R) auszubauen bzw. aufzuwerten. Während<br />

durch P+R-Anlagen primär Einpendler in die Stadt angesprochen werden, können durch B+R-Anlagen<br />

auch Potentiale innerhalb der Stadt, insbesondere in den Ortschaften, erschlossen werden.<br />

Schienenverkehr<br />

Mit der Vollendung des derzeit laufenden des Ausbaus des <strong>Erfurt</strong>er Hauptbahnhofes als ICE-Bahnhof, Mobilitätszentrum<br />

und komplexer Verknüpfungspunkt zwischen Schienenpersonennah- und -fernverkehr, Stadtbahn,<br />

Stadtbus, Regionalbus, Taxi sowie nicht motorisiertem und motorisiertem Individualverkehr wird die<br />

Voraussetzung geschaffen, <strong>Erfurt</strong> als zentralen Verkehrsknotenpunkt entwickeln zu können. Als ein wesentlicher<br />

Bestandteil des Verknüpfungspunktes ist die Errichtung einer Fahrradstation weiter zu verfolgen.<br />

Zukünftig soll der Eisenbahnknoten <strong>Erfurt</strong> die ICE Linien München - <strong>Erfurt</strong> - Berlin und Frankfurt/M. - Leipzig<br />

- Dresden verknüpfen und damit schnelle Verbindungen in das Fernverkehrsnetz der Deutschen Bahn schaffen.<br />

Die Stadt <strong>Erfurt</strong> muss daher auch zukünftig ein klares Bekenntnis von Bund und Bahn AG zur Fertigstellung<br />

der Neubaustrecke einfordern. In gleichem Maße gilt dies für den durchgehenden zweigleisigen Ausbau<br />

und die Elektrifizierung der Mitte-Deutschland-Verbindung.<br />

Die notwendige stärkere Einbeziehung des Eisenbahnverkehr in die Ausgestaltung eines regionalen ÖPNV-<br />

Systems setzt die Verdichtung des Verkehrsangebotes und eine bessere städtebauliche Integration der<br />

Bahnhöfe und Haltepunkte (Bischleben, Vieselbach, Stotternheim, <strong>Erfurt</strong>-Nord, Gispersleben und Kühnhausen)<br />

voraus. Insbesondere die Verbindung Gotha-<strong>Erfurt</strong>-Weimar-Jena ist hinsichtlich der Schaffung eines einer<br />

S-Bahn ähnlichen Verkehrsangebotes zu überprüfen.<br />

Radverkehr<br />

Im Hinblick auf die gestiegenen Bedeutung des Radverkehrs in <strong>Erfurt</strong> gilt es, das Radverkehrsnetz der Stadt<br />

weiter auszubauen. Notwendig ist eine qualitative Verbesserung der Hauptachsen zum Stadtzentrum durch<br />

bauliche und organisatorische Maßnahmen. Neben der strahlenförmigen Erschließung des Stadtzentrums ist<br />

eine flächenmäßigen Erschließung aller Stadtteile durch Radverkehrsanlagen geplant. Weitere Lückenschlüsse<br />

und Ortsteilanbindungen sollen das Radverkehrsnetz ergänzen.<br />

Im Bereich des Stadtzentrums sind qualitative Verbesserungen der Straßenoberfläche und die Erweiterung<br />

von Abstellmöglichkeiten und Serviceangeboten auch für Radtouristen vorzusehen. Eine Schlüsselfunktion<br />

kann hierbei die Einrichtung einer Fahrradstation am Hauptbahnhof übernehmen.<br />

Von zunehmender Bedeutung ist die Zusammenarbeit von Thüringer Städten und Gemeinden zur Sicherung<br />

von anschließenden Radwegenetzen auch im Umland, um hier neben dem Alltagsverkehr auch dem Freizeit-<br />

und vor allem touristischen Radverkehr Rechnung zu tragen. Ein Beispiel hierfür ist das REK "<strong>Erfurt</strong>er<br />

Seen", welches u. a. auch die Verbesserung des Radwegesnetzes im Norden des Stadtgebietes zum Gegenstand<br />

hat. Die Umsetzung des Konzeptes ist kontinuierlich voranzutreiben.<br />

Anders als im städtischen Verkehrssystem kann der Radverkehr im überwiegend ländlich geprägten Raum<br />

nur bedingt eine Alternative zum individuellen Kfz-Verkehr oder ÖPNV darstellen. Dennoch ist die Schaffung<br />

eines durchgängigen Radwegenetzes für dessen Nutzer, insbesondere Kinder und Jugendliche, eine wichtige<br />

Aufgabe, hauptsächlich auch im Interesse der Verkehrssicherheit.<br />

Ruhender Verkehr<br />

Zur Lösung der Parkraumprobleme insbesondere im zentrumsnahen Gründerzeitgürtel sind im Rahmen der<br />

weiterführenden Stadtumbauplanungen Konzepte aufzustellen, die helfen, die Wohnqualität in diesen Gebieten<br />

zu verbessern. Es sollen intelligente Lösungen gefunden werden, die der Besonderheit dieser Gebiete<br />

Rechnung tragen. Beispielsweise könnten auf ungenutzten Grundstücken, die für das Freiraumkonzept nicht<br />

von Bedeutung sind, Parkhäuser errichtet werden. Die temporäre Nutzung von Brachen für den ruhenden<br />

79


<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />

Verkehr kann über einen langen Zeitraum das Parkplatzproblem in diesen Gebieten entschärfen. Hierzu liegen<br />

Untersuchungen vor, die kurzfristig Pilotprojekte ermöglichen.<br />

Luftverkehr<br />

Die Entwicklung des Luftverkehrs am Flughafen <strong>Erfurt</strong> wird neben der regionalen Strukturentwicklung im<br />

Wesentlichen durch drei Faktoren bestimmt, nämlich der globalen Entwicklung des Luftverkehrs, der Verlagerungseffekte<br />

anderer Flughäfen und der Konkurrenzsituation zur Eisenbahn.<br />

Der Flughafen <strong>Erfurt</strong> soll langfristig folgende wesentlichen Funktionen erfüllen:<br />

− direkte Anbindung Thüringens an das nationale und intereuropäische Luftverkehrsnetz für den Personenund<br />

Frachtverkehr im Linienflugverkehr zu den Wirtschaftszentren Deutschlands und Europas,<br />

− indirekte Anbindung Thüringens an das interkontinentale Luftverkehrsnetz durch Zubringerflugdienst zu<br />

den Flughäfen mit interkontinentalem Luftverkehr,<br />

− Charterflugverkehr zu den europäischen Urlaubszentren und Zielen in Nordafrika,<br />

− allwetterfähiger Flugplatz für den Geschäftsreise- und Werkflugverkehr (General Aviation),<br />

− innereuropäischer Luftverkehrsknoten.<br />

Eine Erweiterung des Flughafens soll gemäß Landesentwicklungsplan (LEP) 2004 langfristig möglich sein.<br />

Diese Vorgabe fand bereits im Flächennutzungsplan Berücksichtigung.<br />

80


4. Zielkonzept der gesamtstädtischen Entwicklung<br />

4.7 Zielbereich "Bedarfsgerechte und wirtschaftliche technische Infrastruktur"<br />

Jede bauliche Entwicklung - ob ein Bauflächenzuwachs oder eine Reduzierung an Bauflächen - beeinflusst<br />

die technische Infrastruktur. Sie bestimmt deren Entwicklung oder ihren Fortbestand. Einerseits hat der Ausbau<br />

der Ver- und Entsorgungssysteme für zu entwickelnde neue Gewerbe- und Wohnungsbaugebiete sowie<br />

für die bisher ungenügend versorgten Bereiche der Stadt, insbesondere in den Siedlungen und Ortsteilen, zu<br />

erfolgen. Andererseits muss auch langfristig eine wirtschaftliche Ver- und Entsorgung garantiert werden. Die<br />

Kosten der technischen Infrastruktur, die letztendlich von den Bürgern zu tragen sind, müssen auch für die<br />

prognostizierten weniger werdenden Einwohner der Stadt <strong>Erfurt</strong> bezahlbar sein. In gleichem Maße gilt dies<br />

für gewerbliche Kunden. Gelingt es nicht, Antworten auf die komplexen Fragestellungen der Siedlungsentwicklung<br />

und Infrastrukturfolgekosten zu finden, wird sich dies negativ auf die Chancen der Stadt <strong>Erfurt</strong> im<br />

Wettbewerb der Städte und Regionen auswirken.<br />

Bei der weiteren Entwicklung der Stadt und den notwendigen Entscheidung über Maßnahmen des Stadtumbaus<br />

und des Rückbaus von Gebäuden müssen daher die Belange der technischen Infrastruktur in besonderem<br />

Maße beachtet werden. Neben der stärkeren Einbeziehung der Problematik im Rahmen der Förderinstrumentarien<br />

von Bund und Land sind vor Ort eine Reihe von Ansatzpunkten vorhanden.<br />

Ganz entscheidend ist ein abgestimmtes Vorgehen und ein enger Dialog aller an Fragen der Siedlungs- und<br />

Infrastrukturentwicklung beteiligten Akteure (Kommune, Versorgungsunternehmen, Wohnungswirtschaft,<br />

Wirtschaftsverbände etc.). Zur Vermeidung unnötiger Kosten ist eine enge Abstimmung der Rückbaupläne<br />

mit den Versorgungsunternehmen erforderlich. Dabei reicht eine objektbezogene Betrachtung nicht aus,<br />

vielmehr sind die Maßnahmen in den Kontext der Planungen für ein Stadtviertel einzubinden. Entscheidend<br />

ist dabei die regelmäßige Fortschreibung der entsprechenden Planungsinstrumente. Diesen Anforderungen<br />

entspricht der Masterplan II.<br />

Bei der Realisierung von Umbaumaßnahmen ist das Prinzip zu beachten, dass ein Rückbau immer von Außen<br />

nach Innen bzw. von "Hinten nach Vorn" erfolgen sollte . Eine hohe Abnahmedichte in der Nähe von<br />

Versorgungsanlagen ist optimal. Unter Beachtung der Hinweise der Versorgungsunternehmen werden im<br />

folgenden differenziert nach den unterschiedlichen Medien folgende Hinweise zur strategischen Planung des<br />

Stadtumbaus gegeben:<br />

Wasser / Abwasser<br />

Der Rückgang der Einwohnerzahlen bedingt technische, finanzielle und hygienische Probleme beim Betrieb<br />

der Wasserleitungsnetze. Konkrete Daten liegen jedoch nicht vor. Aufgrund der langen Investitionszyklen ist<br />

eine sinnvolle Anpassung des Systems (Erzeugeranlagen, Pump- und Druckstationen, Rohrdurchmesser)<br />

nur auf Basis einer langfristigen strategische Planung möglich, wie sie mit dem Masterplan II vorgelegt werden<br />

wird. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Siedlungsdichte in Mehrfamilienhausgebieten nicht unter<br />

8000 EW/km² fallen sollte.<br />

Die Abwasserentsorgung des gesamten Stadtgebietes wie auch großer Teile des Umlandes (über Einleiterverträge)<br />

wird sich perspektivisch auf die Zentralkläranlage Kühnhausen konzentrieren, so dass hier ein wirtschaftlicher<br />

Betrieb gewährleistet wird.<br />

Gasversorgung<br />

Bei der Planung von Rückbaugebieten ist zu beachten, dass die Siedlungsdichte aus Sicht der Energieversorgungsunternehmen<br />

nicht unter 6000 EW/km² liegen sollte.<br />

Fernwärme<br />

Da Fernwärme überwiegend im Plattenwohnbau eingesetzt wird, wird die Fernwärmeversorgung neben<br />

Wasser und Abwasser auch die höchsten Lasten aller Versorgungssparten zu tragen haben. Eine besondere<br />

Last stellen hohe Abschreibungsverluste dar.<br />

In Teilräumen ist das Fernwärmenetz perspektivisch deutlich überdimensioniert. Aufgrund der verringerten<br />

Nachfrage wird die optimale Strömungsgeschwindigkeit deutlich vermindert. Liegt ein Gebäude an Leitungsendpunkten,<br />

ist ein Abbruch unproblematisch. Zunehmend werden jedoch verbindende Leitungen betroffen<br />

sein, die einen deutlich teureren Umbau erforderlich machen. Nicht immer vermeidbar sind Versorgungsinseln,<br />

die durch ergänzende Trassen an das Netz anzubinden sind. Im Einzelfall ist zu prüfen, ob dezentrale<br />

Systeme / Blockheizkraftwerke die wirtschaftlich sinnvollere Lösung darstellen.<br />

81


<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />

Strom<br />

Zur Anpassung und Weiterentwicklung der Stromversorgung sind teilräumliche Konzepte zu entwickeln, die<br />

die Entwicklungsperspektiven einzelner Stadtteile betrachten. Dies gilt beispielsweise für den Süd-Osten der<br />

Stadt. Hier müssen die Energieversorgungssysteme weitere Ansiedlungen und Unternehmensweiterungen<br />

am Hochtechnologiestandort ermöglichen.<br />

82


4. Zielkonzept der gesamtstädtischen Entwicklung<br />

4.8 Zielbereich "Stärkung des Wirtschaftsstandortes"<br />

Eine starke <strong>Erfurt</strong>er Wirtschaft ist Voraussetzung für den Weg aus der Finanzkrise der Stadt. Nur mit der<br />

Schaffung von Arbeitsplätzen kann einerseits eine Senkung der enormen Sozialausgaben und andererseits<br />

eine Steigerung der Gewerbe- und Einkommenssteuereinnahmen erreicht werden. Die Erhaltung und Schaffung<br />

von Arbeitsplätzen muss auch unter dem Aspekt rückläufiger Einwohnerzahlen und der Gefahr verstärkter<br />

Abwanderung aufgrund fehlender Verdienstmöglichkeiten oberste Zielstellung sein. Eine erfolgreiche<br />

Ansiedlungspolitik und die Unterstützung der ansässigen Unternehmen sind daher wichtigste Aufgaben<br />

der <strong>Erfurt</strong>er Wirtschaftspolitik.<br />

Voraussetzung hierfür sind zum einen gute "harte" Standortfaktoren, wie eine leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur,<br />

konkurrenzfähige Förderbedingungen und moderate Belastungen der Wirtschaft durch Steuern und<br />

Abgaben. Zum anderen sind die "weichen" Standortfaktoren - wie attraktiven Kultur- und Freizeitangebote -<br />

eine wichtige Voraussetzung einer positiven wirtschaftliche Entwicklung.<br />

Ausgehend von den nachfolgend näher beschriebenen Zielstellungen ist die Erarbeitung eine Wirtschaftsstrategie<br />

für die Stadt <strong>Erfurt</strong> notwendig, die konkrete Aussagen zu Arbeitsschritten und Zuständigkeiten enthält.<br />

4.8.1 Sicherung räumlicher Entwicklungspotentiale<br />

Gewerbeflächen vorhalten<br />

Zur Sicherung des Wirtschaftsstandortes <strong>Erfurt</strong> ist es notwendig, auch in Zukunft preiswerte und schnell verfügbare<br />

Gewerbeflächen vorzuhalten, um Neuansiedlungen und Betriebserweiterungen der unterschiedlichsten<br />

Nutzungsarten zu ermöglichen. Dieser Zielstellung entspricht die Absicherung eines umfangreichen Flächenpotentials<br />

im Flächennutzungsplanentwurf und in bestehenden Bebauungsplänen.<br />

Flächen aktivieren<br />

Im Sinne einer nachhaltigen Stadtentwicklung soll die Inanspruchnahme und damit Versiegelung von neuen<br />

Flächen weitestgehend vermieden werden. Eine Verdichtung gering bebauter Bereiche oder die städtebauliche<br />

Neuordnung von Gebieten mit erheblichen Missständen ermöglicht eine effektive Nutzung der technischen<br />

Infrastruktur (Ver- und Entsorgungsnetze) und eine bessere Auslastung der Verkehrssysteme, was<br />

auch zu einer Minimierung der Kosten für die Ver- und Entsorgung führt. Die Nutzung von Gewerbeflächen<br />

soll daher folgenden Grundprinzipien folgen:<br />

• Zielgerichtete Einbindung der Gewerbestandorte in die Entwicklungsachsen der Stadt.<br />

• Aktivierung von Flächenpotentialen durch Brachenmanagement (Beräumung, Sanierung, Zusammenfassung<br />

zu größeren Einheiten).<br />

• Vorrangige Neuansiedlungen und Betriebserweiterungen auf Brachflächen in bestehenden Gewerbegebieten.<br />

• Nutzung der bereits durch rechtskräftige Bebauungspläne ausgewiesenen Gewerbeflächen.<br />

• Freihaltung größerer zusammenhängender gewerblicher Bauflächen entsprechend der Vorgaben des<br />

Regionalen Raumordnungsplanes für Großinvestitionen des verarbeitenden Gewerbes mit regionaler<br />

Bedeutung.<br />

Die Ausweisung von gewerblichen Bauflächen im Flächennutzungsplan erfolgte bereits nach diesen Prinzipien.<br />

Weiterhin wurden im Stadtentwicklungsamt unter diesen Aspekten die „Sektorale Entwicklungskonzeption<br />

Arbeiten - Teilbereich Gewerbeflächenbericht“ 35 sowie das „Baulandkataster für ausgewählte Bereiche“<br />

36 als konkrete Handlungsgrundlage erarbeitet.<br />

Branchenorientierte Standortpolitik<br />

Notwendig ist eine branchenorientierte Standortpolitik, die zu einer optimalen Ausnutzung der vorhandenen<br />

Standorte und einer optimalen Nutzung von Synergieeffekten zwischen einzelnen Unternehmen beitragen<br />

soll. Auch ist die Entwicklung eines bestimmten Profils für ein Gewerbegebiet wichtig, um Störwirkungen innerhalb<br />

des Gebietes weitestgehend auszuschließen. So sind Produktionsbetriebe mit höheren Emissionen<br />

35 Beträge zur Stadtentwicklung - Heft 3<br />

36 Beträge zur Stadtentwicklung - Heft 6<br />

83


<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />

vorrangig auf Flächen am Stadtrand zu lenken, um Immissionskonflikte mit Wohngebieten auszuschließen.<br />

Räumliche Schwerpunkte einer brachenorientierten Standortpolitik sind auch zukünftig die Sicherung der industrielle<br />

Produktion im Norden des Stadtgebietes sowie die Weiterentwicklung des Technologiestandortes<br />

<strong>Erfurt</strong> Südost.<br />

Firmen des Dienstleistungssektors sollten vorrangig in zentral gelegenen Standorten - auch in Kombination<br />

mit Produktionsstätten oder mit Wohnbebauung - gelenkt werden. Ebenso sind Ansiedlungen der Medien-<br />

und Freizeitbranche in diesen Standorten anzustreben. Damit ist die Erreichbarkeit mit den öffentlichen Verkehrsmitteln<br />

auch für Nutzer ohne PKW gewährleistet. Unternehmen mit einem hohen Fahrzeugaufkommen<br />

sollen sich nach Möglichkeit in der Nähe zum überregionalen Verkehrsnetz ansiedeln, um die Verkehrsströme<br />

innerhalb des Stadtgebietes zu minimieren.<br />

In der Innenstadt und in den Gebieten des Stadtumbaus wird grundsätzlich eine Mischnutzung von Wohnen<br />

und Arbeiten angestrebt. Durch diese Funktionsmischung kann zum eine Ressourcen schonende Siedlungsentwicklung<br />

(geringerer Flächenverbrauch, sparsamer Umgang mit Energie usw.) erreicht werden, zum<br />

anderen wird die durchmischte, belebte Innenstadt als wesentliches Standortmerkmal <strong>Erfurt</strong>s erhalten.<br />

Für die Unternehmen der Landwirtschaft und des Gartenbaus sind die Anbauflächen als grundlegender Produktionsfaktor<br />

zu erhalten. Zur Sicherung des Zierpflanzenbaus sind eine stärkere Zusammenarbeit der Betriebe<br />

zur Reduzierung der Betriebskosten und Optimierung der Vertriebswege. Eine Schlüsselmaßnahme<br />

ist dabei die Entwicklung einer so genannten Gärtnersiedlung im Norden der Stadt.<br />

Die ökologische Landwirtschaft wird in den nächsten Jahrzehnten u. a. durch die veränderten Flächenförderungen<br />

der Europäischen Union einen hohen Stellenwert einnehmen und sollte ebenso wie regionale Vermarktungsformen<br />

im Rahmen der Möglichkeiten der Stadt besonders unterstützt werden. Eine stärkere Vermittlung<br />

zwischen den Freizeit- und Erholungsanforderungen einer Großstadt und den Erfordernissen der<br />

Landwirtschaftsbetriebe kann auf der Basis einer Entwicklungsstrategie für den "Äußeren Grünen Ring" (vgl.<br />

Kap. 4.5.3) erzielt werden.<br />

Standortoptimierung durch Stadtumbau<br />

Durch Maßnahmen des Stadtumbaus können die spezifischen Erfordernisse einer branchenorientierten<br />

Standortpolitik zusätzlich unterstützt werden. Folgende Ansatzpunkte sind im Rahmen detaillierter Untersuchungen<br />

zu überprüfen:<br />

• Die Aufgabe einer gewerblichen Nutzung kann in bestimmten Gebieten als Chance gesehen werden, die<br />

eine stärkere Durchgrünung und stadträumliche Einbindung eines Gewerbegebietes ermöglicht.<br />

• Durch den Umbau der technischen Erschließung (Ver- und Entsorgung, Verkehr) können ehemalige<br />

Großstandorte zu zukunftsfähigen Standorten für klein- und mittelständische Betriebe werden.<br />

• Der prognostizierte Einwohnerrückgang bietet die Chance, räumliche Entwicklungsmöglichkeiten zu<br />

verbessern und Nutzungskonflikte zu beheben. Dies gilt insbesondere für punktuelle Konflikte zwischen<br />

Wohnnutzungen und produzierendem Gewerbe an den traditionsreichen Industriestandorten im Norden<br />

sowie eine mögliche Erweiterung des Hochtechnologie-Standortes <strong>Erfurt</strong>-Südost.<br />

4.8.2 Sicherung des Unternehmensbestandes durch Bestandspflege<br />

Der Unterstützung der ansässigen Wirtschaft ist der gleiche Stellenwert wie der Unternehmensansiedlung<br />

beizumessen, geht es doch hier um die Erhaltung vorhandener Arbeitsplätze. Die Aufgabe der Wirtschaftsförderung<br />

beschränkt sich daher nicht nur auf die Beratung möglicher Investoren, sondern beinhaltet auch<br />

die Bestandspflege. Bereits heute ist die Stadt Ansprechpartner für die Probleme der <strong>Erfurt</strong>er Unternehmen.<br />

Sie unterstützt im Rahmen ihrer Verantwortlichkeiten, z. B. bei Genehmigung von Bauvorhaben, Erschließungsproblemen<br />

oder der Suche nach neuen Standorten. Von nicht zu unterschätzender Bedeutung ist die<br />

Herstellung von Kontakten zwischen den verschiedenen Betrieben und zu Institutionen, wie der Industrie-<br />

und Handelskammer und der Handwerkskammer, für die u. a. mit dem <strong>Erfurt</strong>er Wirtschaftskongress „erwicon“,<br />

den vom Oberbürgermeister durchgeführten Unternehmertagen und den Gewerbegebietsversammlungen<br />

des Dezernates Stadtentwicklung, Verkehr und Wirtschaftsförderung ein Podium zur Verfügung gestellt<br />

wird. Dieser eingeschlagene Weg ist konsequent fortzusetzen.<br />

84


4. Zielkonzept der gesamtstädtischen Entwicklung<br />

4.8.3 Aufbau branchenspezifischer Netzwerke<br />

In der Regionalökonomie wird der Aufbau von Branchennetzwerken zu regionalen Unternehmensnetzwerken<br />

- so genannten "Clustern" - als ein wichtiges Instrument einer erfolgreichen Regionalentwicklung gesehen.<br />

Für den Wirtschaftsstandort <strong>Erfurt</strong> gilt dies aufgrund der ausgesprochen großen Zahl kleiner und mittlerer<br />

Unternehmen in besonderem Maße. Durch gezielte Zusammenarbeit und kooperative Arbeitsteilung aller<br />

Beteiligten können leistungs- und vor allem konkurrenzfähige Branchennetzwerke herausgebildet werden.<br />

Durch gezielten branchenspezifischen Technologietransfer kann die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen<br />

und Wissenschaftseinrichtungen gesteigert und das Gründungsklima verbessert werden. Für eine zukunftsgerichtete<br />

Gestaltung der wirtschaftlichen Entwicklung sind folgende Branchen identifiziert worden, die über<br />

eine besondere Bedeutung in Stadt und Region verfügen:<br />

− Lebensmittelindustrie<br />

− Maschinen- und Anlagenbau<br />

− Mikroelektronik und Mikrosystemtechnik<br />

− Solartechnik / Photovoltaik<br />

− Logistik und Verkehrswesen<br />

− Bauwesen und Bautechnik<br />

− Gesundheitswesen<br />

Die Unterstützung von Branchennetzwerken ist als eine Aufgabe zu begreifen, bei der kommunale Aktivitäten<br />

zielführend in einen regionalen Entwicklungsprozess eingebunden sind. Beispielgebend ist dabei der Zusammenschluss<br />

von Thüringer Solarunternehmen, Forschungs- und Bildungseinrichtungen, Solarinitiativen,<br />

Gewerbetreibenden, Kommunen und anderer öffentlicher Einrichtungen im SolarInput e.V.. Die Stadt <strong>Erfurt</strong><br />

unterstützt die Weiterentwicklung der Unternehmen am Standort <strong>Erfurt</strong>-Südost und bringt sich als assoziierendes<br />

Mitglied durch die Unterstützung konkreter Projekte (Photovoltaik auf Schulen, Bereitstellung von<br />

Dächern, Initiierung von Anlagen auf der Fachhochschule und dem Hauptbahnhof) sowie dem Informationsportal<br />

www.energieroute.de in die Arbeit des Vereins ein.<br />

Weit fortgeschritten ist die Kooperation auch im Bereich Gebäudeautomation und Bautechnik. Das Konzept<br />

"Bautronic2004" zielt auf die Qualifizierung und den Ausbau des operativen regionalen Netzwerkes zwischen<br />

Partnern aus Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung auf dem Gebiet innovativer Produkte, Verfahren und<br />

Technologien des Bauwesens aus <strong>Erfurt</strong>, Sömmerda, Ilmenau und Weimar. Auf dieser Grundlage werden<br />

verschiedene Einzelprojekte bearbeitet.<br />

4.8.4 Ausbildung und Qualifizierung als Standortpotential<br />

In Zukunft wird sich das Problem fehlender Unternehmensnachfolger sowie das Problem des Fachkräftemangels<br />

verstärken. Notwendig ist eine intensive regionale Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft, Verwaltung,<br />

Schulen und Hochschulen, um zielgerichtete Strategien und Handlungsansätze zu entwickeln. Dabei<br />

ist das Augenmerk nicht nur auf die Bindung junger Menschen, sondern auch auf Möglichkeiten einer besseren<br />

Integration älterer Arbeitnehmer zu richten.<br />

Die bisherigen arbeits-, beschäftigungs- und wirtschaftsfördernden Maßnahmen müssen hinsichtlich ihrer<br />

sozialen Auswirkungen geprüft werden, um zielgerichteter arbeits- und beschäftigungsfördernd unterstützen<br />

zu können. Durch ein tragfähiges Netzwerk in der Zusammenarbeit mit allen internen und externen Beteiligten<br />

(Unternehmen, Wissenschaft, Kommune und Kammern) ist die Beschäftigungsförderung in der Stadt<br />

auszubauen.<br />

Die Ausbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen als wichtiges Standortpotential sind dauerhaft mit der Beschäftigungsförderung<br />

zu verknüpfen. Die kommunale Arbeits- und Beschäftigungsförderung muss sich zukünftig<br />

mehr an Ausbildungsstrategien sowohl hinsichtlich fachlicher Wissensbedarfe als auch der nötigen<br />

Rahmenbedingungen orientieren.<br />

Von wachsender Bedeutung ist ein frühzeitiger Kontakt zwischen den bildungsplanenden Gremien sowie<br />

den Berufs- und Ausbildungseinrichtungen mit Wirtschaft und Gewerbe vor Ort. Der Arbeitskreis SCHULE-<br />

WIRTSCHAFT <strong>Erfurt</strong>, eine Kooperation von Schule und Wirtschaft, ist eine der Möglichkeiten, diese Entwicklung<br />

zu unterstützen. Solche Initiativen müssen weiter entwickelt und vertieft werden.<br />

85


<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />

4.8.5 Weiterentwicklung des Hochschul- und Forschungsstandortes <strong>Erfurt</strong><br />

<strong>Erfurt</strong> hat die Chance, sich durch eine konsequente Pflege der "Nischen" als Hochschul- und Wissenschaftsstadt<br />

zu profilieren. Notwendige Voraussetzung hierzu ist die Nutzung der Synergieeffekte, die sich mit anderen<br />

Standorten insbesondere im Bereich des "Technologiedreieckes" <strong>Erfurt</strong>, Ilmenau, Weimar und Jena<br />

ergeben, in der fast alle an deutschen Hochschulen relevanten Ausbildungs- und Forschungsmöglichkeiten<br />

angeboten werden. Die Kommune kann hier die Rolle eines Moderators übernehmen, der die Verzahnung<br />

von Hochschulen, Wissenschaft und Wirtschaft durch Kooperation und Technologietransfer befördert.<br />

Zwischen der Stadt <strong>Erfurt</strong> und den <strong>Erfurt</strong>er Hochschulen wurden Kooperationsvereinbarungen mit dem Ziel<br />

einer kontinuierlichen Zusammenarbeit abgeschlossen. Ziel der Stadt ist es, den Hochschulen durch die<br />

Einbeziehung in konkrete Fragestellungen etwa im Bereich der Bildungsforschung, der Verkehrsplanung, der<br />

Energieversorgung oder der Stadtgestaltung einen unmittelbaren Praxisbezug zu ermöglichen, den Dialog<br />

zwischen Wirtschaft und Hochschulen zu befördern sowie durch gemeinsame öffentliche Veranstaltungen<br />

die Potentiale der Hochschulen deutlich zu machen. Diese Kooperationen sollten zukünftig weiter intensiviert<br />

werden und auf weitere wissenschaftliche Einrichtungen und Bildungseinrichtungen wie das Helios-Klinikum,<br />

Fachschulen und private Bildungseinrichtungen - etwa in Form eines Bildungsnetzwerkes - eingebunden<br />

werden.<br />

Die Zukunft der Hochschulen wird entscheidend von der demographischen Entwicklung beeinflusst: Aufgrund<br />

des hohen Anteils an Studenten aus der Region (im Falle der FH derzeit 80%) ist mit einem deutlichen<br />

Rückgang der Bewerberzahlen zu rechnen. Aufgabe der Stadtentwicklung ist es daher, ein Umfeld zu schaffen,<br />

dass den Studienort <strong>Erfurt</strong> für Bewerber aus anderen Bundesländern und Staaten attraktiv macht. Studentinnen<br />

und Studenten sollen dabei nicht als temporäre Gäste, sondern als Bürgerinnen und Bürger gesehen<br />

werden, um ein hohes Maß an Identifikation mit der Stadt zu erzielen. Durch folgende Maßnahmen<br />

kann die Kommune zu einer weiteren Profilierung des Bildungsstandortes beitragen:<br />

• Schaffung eines weltoffenen Klimas, um ausländische Studierende und Wissenschaftler für die Stadt zu<br />

gewinnen.<br />

• Unterstützung bei der räumlichen und inhaltlichen Weiterentwicklung der Hochschulen sowie gemeinsame<br />

Aquise von hochschulnahen Forschungseinrichtungen, Instituten und Stiftungen.<br />

• Unterstützung beim Aufbau regionaler Netzwerke zwischen Hochschulen, Kommunen und regionaler<br />

Wirtschaft.<br />

Förderung von Möglichkeiten, die das experimentelle Lernen etwa im Bereich der Medien ermöglichen und<br />

Existenzgründungen befördern.<br />

4.8.6 Stärkung des Einkaufs- und Tourismusstandortes<br />

Der Einzelhandel und die Dienstleistungsbereiche Tourismus und Fremdenverkehr sind wichtige Standbeine<br />

des Wirtschaftsstandortes <strong>Erfurt</strong>, dessen Attraktivität maßgeblich durch die Altstadt als Imageträger und Anziehungspunkt<br />

bestimmt wird.<br />

Vor dem Hintergrund einer immer stärker werdenden Verknüpfung der Bereiche Einkaufen, Freizeitgestaltung<br />

und Tourismus ("Erlebniseinkauf"), ist die Fortsetzung der Bemühungen um eine gute Erreichbarkeit<br />

und attraktive Gestaltung der Innenstadt eine zentrale Aufgabe der zukünftigen Stadtentwicklungspolitik.<br />

Notwendig ist zudem die Absicherung und Weiterentwicklung überregional ausstrahlender kultureller Angebote<br />

und "Events".<br />

Einkaufsstadt <strong>Erfurt</strong><br />

Überregional ausstrahlende Einzelhandelseinrichtungen am Stadtrand - wie etwa das neue IKEA-<br />

Einrichtungshaus - und eine attraktive Innenstadt können wechselseitig voneinander profitieren. Die Ansiedlung<br />

überörtlich bedeutsamer Einzelhandelseinrichtungen sollte jedoch auf die Innenstadt konzentriert werden,<br />

um dieses Gleichgewicht zu erhalten. Aufgabe der Stadtentwicklung ist es, die Besucher der Einzelhandelsmagneten<br />

am Stadtrand durch attraktive Kultur- und Freizeitangebote auch in die Innenstadt zu locken.<br />

Eine Schlüsselrolle im räumlichen und funktionalen Gefüge der Innenstadt kommt den Standorten ehemalige<br />

Hauptpost und dem Gelände am Hirschgarten zu, für die stadtverträgliche Nutzungen gefunden werden<br />

müssen. Ein Impuls der Innenstadtentwicklung ist zudem die für 2007 vorgesehene Fertigstellung des ICE-<br />

Bahnhofes und die Entwicklung seines direkten Umfeldes .<br />

86


4. Zielkonzept der gesamtstädtischen Entwicklung<br />

Außerhalb der Innenstadt sind zukünftig deutliche Umstrukturierungen mit einer Aufgabe von Nebenlagen zu<br />

Gunsten einzelner Zentren zu erwarten. Notwendig ist die Überprüfung des derzeit gültigen Einzelhandelskonzeptes<br />

mit dem Ziel, eine nachhaltige Arbeitsteilung des Stadtzentrums, der Einzelhandelsstandorte mit<br />

nicht zentrumsrelevanten Sortimenten am Stadtrand, sowie der Nahversorgungseinrichtungen in den Stadtteilen<br />

auch in Zukunft zu ermöglichen. Innerhalb des Gefüges der Innenstadt ist eine Strategie zur weiteren<br />

Entwicklung der "1b-Lagen" erforderlich.<br />

Tourismus- und Tagungsstadt <strong>Erfurt</strong><br />

Der Bekanntheitsgrad des Reiseziels <strong>Erfurt</strong> konnte in den vergangenen Jahren insbesondere durch die Zusammenarbeit<br />

der Tourismus GmbH <strong>Erfurt</strong> in den Vereinen "Städtetourismus Thüringen e.V." und "Historic<br />

Highlights of Germany" sowie einer verstärkte Kooperation im Raum <strong>Erfurt</strong>-Weimar-Jena deutlich erhöht<br />

werden. Diese Aktivitäten müssen daher kontinuierlich fortgesetzt werden.<br />

Für den Tourismusstandort <strong>Erfurt</strong> wird es in Zukunft entscheidend sein, einerseits auf die Bedürfnisse der<br />

klassischen Zielgruppe "50+" sowie der Tagungsgäste einzugehen, zum anderen aber auch über differenzierte<br />

touristische Angebote weitere Gästegruppen anzusprechen. Ein Schritt auf diesem Weg sind die laufenden<br />

Aktivitäten zur Einrichtung eines "Reisemobilhafens".<br />

Beispielgebend sind die Bemühungen der Tourismus GmbH, "<strong>Erfurt</strong> erlebbar für alle" zu gestalten. Dazu<br />

wurde ein Reiseplaner gestaltet, der insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Eignung für Urlauber mit<br />

beschränkter Beweglichkeit Aussagen trifft. Zukünftig sollten öffentlich zugängliche Einrichtungen und die<br />

dazugehörige Infrastruktur im Rahmen der Möglichkeiten barrierefrei gestaltet werden.<br />

Ein besonderes Augenmerk ist auf die Zielgruppe Jugendgruppen und junge Individualreisende zu legen, die<br />

sowohl später als kaufkräftige Touristen, aber auch als Neubürger nach <strong>Erfurt</strong> zurück kommen können. So<br />

hat die Stadt durchaus das Potenzial, Reisestation internationaler Rucksacktouristen auf einer West-Ost-<br />

Route Heidelberg-Dresden oder Nord-Süd-Route München - Berlin zu sein. Das bestehende Übernachtungsangebot<br />

sollte durch ein ergänzendes, individuelles und kostengünstiges Angebot im Ambiente der Innenstadt<br />

ergänzt werden. Beispielgebend sind hier Hostels wie das Weimarer "Hababusch Hostel", die den<br />

Kontakt zwischen Menschen aus aller Welt befördern und in ein "backpacker-network" eingebunden sind.<br />

Ein weitere Anknüpfungspunkt der weiteren touristischen Entwicklung und Anziehungspunkt für amerikanische<br />

Touristen ist das reiche Erbe jüdischer Kultur in <strong>Erfurt</strong>.<br />

Notwendig ist es, weitere herausragende Stadträume touristisch besser nutzbar zu machen. Dies gilt insbesondere<br />

die für eine bessere Anbindung der Zitadelle Petersberg an die Altstadt. Darüber hinaus sind die<br />

Potentiale, die sich aus einer Verknüpfung von Kultur und Natur in Thüringen ergeben können, besser zu<br />

nutzen. Neben zielgerichteten Maßnahmen wie der Entwicklung <strong>Erfurt</strong>s zu einem Knotenpunkt des Radtourismus<br />

am Schnittpunkt der Fernradwege "Thüringer Städtekette" und "Gera-Radwanderweg" sollte die Zusammenarbeit<br />

mit einzelnen Regionen - beispielsweise dem Raum Hohenfelden, den Fahner Höhen, aber<br />

auch dem Wintersportzentrum Oberhof - verstärkt werden. Ein wichtiger Ansatzpunkte der Kooperation liegt<br />

dabei in der gemeinsamen Vermarktung von Potentialen im Bereich des Sports. Eine beispielgebende Allianz<br />

Thüringer Veranstaltungen ist der "Thüringer Energie Bike Cup", der Mountainbiker aus ganz Deutschland<br />

nach Neuhaus am Rennweg, Oberhof, Frauenwald und <strong>Erfurt</strong> nach Thüringen führt.<br />

4.8.7 Verknüpfung kultureller, wirtschaftlicher, wissenschaftlicher und touristischer<br />

Potentiale<br />

Die Bereiche Kindermedien, Gartenbau und Denkmalpflege sind in besonderer Weise geeignet, kulturelle,<br />

wirtschaftliche, wissenschaftliche und touristische Potentiale stärker miteinander zu verknüpfen. Über die<br />

folgenden Ausführungen hinaus sind Detailuntersuchungen zur weiteren Ausgestaltung der Handlungsansätze<br />

erforderlich.<br />

Kindermedien<br />

Aufbauend auf den Strukturen im Bereich der audiovisuellen Medien, die sich in <strong>Erfurt</strong> mit dem Kinderkanal<br />

KI.KA. und Mitteldeutschen Rundfunk Thüringen (mdr) und zukünftig mit dem Medienapplikations- und<br />

Gründerzentrum (MAGZ) herausgebildet haben, soll sich die Landeshauptstadt mittel- und langfristig zu einem<br />

Zentrum der Kindermedien des deutschsprachigen Raumes entwickeln. Neben dem Bereich des Kinderfernsehens<br />

sollte sich die Aufmerksamkeit auch auf angrenzende Bereiche wie Kinderbuch, Kindermusik,<br />

Hörspiele, Internet und Lernsoftware richten.<br />

Die übergeordneten Aktivitäten der Medienförderung wie die Medieninitiative Thüringen 21 (MIT 21) und Mitteldeutschen<br />

Medienförderung (MDM) müssen durch lokale und regionale Strategien untersetzt werden, um<br />

weitergehende wirtschaftliche Effekte erzielen zu können. Für <strong>Erfurt</strong> bedeutet dies, auf der Basis einer 2004<br />

87


<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />

erstellten Studie "Kinder.Medien@Thüringen - Strategien zur Standortprofilierung" konkrete Maßnahmen<br />

und Projekte vor Ort zu befördern.<br />

Ansatzpunkte des kommunalen Handelns liegen in der Unterstützung bei der Standortsuche und Gründung<br />

von Medienunternehmen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich ein räumlicher Konzentrationsprozess vollzieht:<br />

Unternehmen und Institutionen haben sich überwiegend in der Altstadt und im Südwesten der Stadt<br />

angesiedelt bzw. sind nach einer Gründungsphase hierher umgezogen.<br />

Ein weiterer zentraler Aufgabenbereich liegt in kulturellen Projekten, die die Entwicklung zur Medienstadt<br />

flankieren. Nachdem mit der Fertigstellung des Opernhauses im Brühl ein wichtiger Impuls gegeben wurde,<br />

soll durch eine Nutzung des benachbarten Industriedenkmals "Heizwerk" die weitere Stärkung einer Kulturund<br />

Medienachse Altstadt - Brühl/Petersberg - ega/MDR/Messe erzielt werden.<br />

Weitere Möglichkeiten für eine Kindermedienstadt liegen in der unkomplizierten Erteilung von Drehgenehmigungen<br />

für Filmaufnahmen in der Stadt. Zu prüfen ist, inwieweit Kooperationsbeziehungen zwischen Medienunternehmern<br />

und Kultureinrichtungen - etwa dem Kinder- und Jugendtheater, dem Puppentheater - gestärkt<br />

werden können. Eine besondere Bedeutung kommt der stärkeren Verbindung der <strong>Erfurt</strong>er Gartenbauausstellung<br />

und den benachbarten Sendern zu. Denkbar ist beispielsweise, die heute nur im Sommer nutzbaren<br />

Spielhalle zu einer Ganzjahresattraktion "KI.KA-Halle" zu erweitern.<br />

Aufgrund der zentralen Bedeutung für den Standort <strong>Erfurt</strong> sind das Kinderfilmfestival „Goldener Spatz“ und<br />

das Thüringer Mediensymposium, aber auch Veranstaltungen und Initiativen wie der Kinderkunst e.V., der<br />

<strong>Erfurt</strong>er Netcode oder die <strong>Erfurt</strong>er Kinderbuchtage in ihrem Bestand zu sichern und weiter zu entwickeln. In<br />

diese Richtungen zielen die derzeit laufenden Aktivitäten der Stadtverwaltung zur Etablierung eines Kindermedienevents.<br />

Im Rahmen der regionalen Kooperation ist es erforderlich - insbesondere in Verbindung mit den Standorten<br />

Weimar und Ilmenau - Standortpotentiale gemeinsam zu kommunizieren und konkrete Kooperationsprojekte<br />

zu befördern.<br />

Gartenbau<br />

Die Stadt <strong>Erfurt</strong> und die unmittelbare Umgebung haben eine lange Tradition als Standort des Gartenbaus.<br />

Die Vielfalt der zum Teil überregional einmaligen Einrichtungen reicht von Wissenschaft und Forschung bis<br />

hin zur Blumenschau. Als wichtigster Ort zur Direktvermarktung für Produkte des Gartenbaus ist der <strong>Erfurt</strong>er<br />

Wochenmarkt das Schaufenster der Region. Der Gartenbau kann sowohl als ein Imageträger der Region<br />

nach Außen, als auch zur Bildung eines regionalen Bewusstseins vor Ort genutzt werden. Es bestehen vielfältige<br />

Anknüpfungspunkte für Projekte zwischen Stadt und Umland. Mit dem Thüringer Gärtnersommer und<br />

den Thüringer Gärtnertagen sind zwei wichtige Veranstaltungen etabliert, die als Ausgangspunkt einer solchen<br />

Entwicklung dienen können. Dabei sollten Einrichtungen wie die ega und der Rosengarten in Bad Langensalza<br />

zielgerichtet gemeinsam vermarktet werden.<br />

Durch eine verstärkte Kooperation der Einrichtungen und Betriebe können Bekanntheitsgrad und Image der<br />

Region erhöht, zusätzliche Besucherpotentiale erschlossen und die Vermarktung der Produkte verbessert<br />

werden. Konkrete Maßnahmen können sein: Erstellung einer Broschüre/Karte zur Gartenbauregion <strong>Erfurt</strong><br />

und Entwicklung eines Leitsystems.<br />

Kurzfristig sind die Impulse der Bundesgartenschau 2007 in Gera durch kommunale und regionale Aktivitäten<br />

aufzugreifen: Unter Nutzung bestehender Fernradwege könnte eine Radroute "Thüringer Gärten - von<br />

der ega zur BUGA" entwickelt werden, die als Themenroute (auch über den Radtourismus hinaus) dauerhaft<br />

beworben werden kann.<br />

Bei der weiteren Entwicklung dieses Wirtschaftsbereiches ist - insbesondere im Bereich des Zierpflanzenbaus<br />

- eine stärkere Zusammenarbeit der Betriebe zur Reduzierung der Betriebskosten und Optimierung der<br />

Vertriebswege erforderlich. Notwendig ist zugleich aber auch eine stärkere Vermittlung zwischen den Freizeit-<br />

und Erholungsanforderungen einer Großstadt und den Erfordernissen der Landwirtschafts- und Forstbetriebe.<br />

Denkmalpflege<br />

In dem von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz ausgelobten Wettbewerb „Leben in historischen Innenstädten<br />

und Ortskernen - Zukunft für urbane Zentren und Räume. Erhaltende Stadterneuerung, städtebaulicher<br />

Denkmalschutz und Stadtgestaltung“ wurde <strong>Erfurt</strong> im Jahr 2002 eine Goldmedaille verliehen. Diese<br />

Auszeichnung ist ein Beleg für die hohe Bedeutung, die Stadterneuerung und Denkmalpflege in der Stadt<br />

haben.<br />

Die touristische Anziehungskraft, die Attraktivität als Einkaufsstadt und zunehmend auch als Filmkulisse beruht<br />

wesentlich auf dem historischen Baubestand und dem Umgang mit diesem. Veranstaltung wie die<br />

88


4. Zielkonzept der gesamtstädtischen Entwicklung<br />

Denkmalwoche (jährlich im September) erzielen eine hohe öffentliche Aufmerksamkeit. Bei der Erhaltung<br />

von Baudenkmalen spielen lokale und regionale Akteure - hier wiederum aus dem Raum Weimar - eine entscheidende<br />

Rolle: Architekten, Fachhandwerker, Restaurierungsfirmen, Immobilenunternehmen und nicht<br />

zuletzt Hochschulen und Institute.<br />

Der Bereich der Denkmalpflege ist daher in besonderer Weise geeignet, durch ein gemeinsames Auftreten<br />

im Sinne einer "Kompetenzregion Denkmalpflege" eine größere öffentliche Aufmerksamkeit zu erzielen und<br />

die regionale Wirtschaft zu stärken. Anzustreben ist dabei ein Erhalt des Thüringer Landesamtes für Denkmalpflege<br />

am Standort Petersberg als Nukleus einer solchen Entwicklung.<br />

4.8.8 Bekanntheitsgrad steigern - Perspektiven aufzeigen<br />

Der Bekanntheitsgrad der Stadt <strong>Erfurt</strong> konnte in den vergangenen Jahren deutlich gesteigert werden. Dennoch<br />

gilt <strong>Erfurt</strong> immer noch als Geheimtipp. Es ist daher notwendig, begonnene Aktivitäten im Bereich des<br />

Stadtmarketings auszuweiten. Dabei sollten Tourismusmarketing, Wirtschaftsförderung und Stadtentwicklung<br />

enger miteinander verzahnt und in regionale Strategien eingebunden werden.<br />

Hierzu ist es zum einen erforderlich, Großveranstaltungen mit einer breiten öffentlichen Wirkung wie den<br />

Weihnachtsmarkt, das Krämerbrückenfest oder das Hainleite-Radrennen auch zukünftig attraktiv zu gestalten.<br />

Auch hochwertige Kulturveranstaltungen und "Events", wie das Festival "Goldener Spatz", die Weltpremiere<br />

der Oper "Waiting for the barbarians" oder die Ausstellung "Exil und Moderne" lenken die Aufmerksamkeit<br />

auf die Stadt. Kongressveranstaltungen wie der Deutsche Juristentag 2007 tragen unmittelbar zur<br />

Steigerung des Bekanntheitsgrades bei.<br />

Von besonderer Bedeutung ist die Medienpräsenz durch Live-Übertragungen wie etwa „Wetten, dass?“ und<br />

die stärkere Verknüpfung des Produktionsortes <strong>Erfurt</strong> mit dem Programmangebot der hier vertretenen Sender<br />

Kika, MDR und ZDF.<br />

In direkter Verantwortung der Kommune liegt die Ansprache von Entscheidungsträgern und Multiplikatoren.<br />

Finanziell und organisatorisch auch zukünftig abzusichern sind insbesondere der <strong>Erfurt</strong>er Wirtschaftskongresses<br />

"erwicon" und die Einladung von Kongress- und Reiseveranstaltern durch die Tourismus GmbH.<br />

Dies gilt ebenfalls für die Präsenz auf nationalen und internationalen Messen. Hier sind sinnvolle regionale<br />

Allianzen wie die Präsentation der "Region <strong>Erfurt</strong>-Weimar-Jena" auf der Gewerbe-Immobilienmesse EXPO-<br />

REAL in München erforderlich.<br />

Auch der aktive Dialog mit Partnern aus und in aller Welt trägt unmittelbar zur Steigerung des Bekanntheitsgrades<br />

bei. Wesentliche Handlungsfelder sind dabei die Intensivierung der Städtepartnerschaften und die<br />

Schaffung eines weltoffenen Klimas in der Stadt. Zudem sollten Prominente und im Ausland lebende ehemalige<br />

<strong>Erfurt</strong>er in stärkerem Maße als Botschafter der Stadt gewonnen werden.<br />

Über die Bemühungen zur Verbesserung der Außenwahrnehmung hinaus ist es zudem notwendig, insbesondere<br />

junge Menschen über die Möglichkeiten und Perspektiven, die die Stadt und die Region bieten,<br />

besser zu informieren.<br />

89


<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />

4.9 Zielbereich „Sicherstellung einer hohen Lebensqualität“<br />

<strong>Erfurt</strong> bietet seinen Bewohnern als überschaubare Großstadt eine hohe Lebens- und Wohnqualität. Durch<br />

eine aktive Politik zur Sicherung und Weiterentwicklung eines guten Netzes an sozialen und kulturellen Einrichtungen<br />

und Angeboten für alle Bevölkerungsgruppen hat die Stadt <strong>Erfurt</strong> die Chance, sich im Wettbewerb<br />

um Einwohner eine gute Position zu verschaffen. Dabei stehen sich zwei Handlungsfelder gegenüber:<br />

Zum einen ist die Anpassung der vorhandenen Strukturen an eine veränderte Nachfrage aufgrund des absehbaren<br />

Einwohnerrückganges und der sinkenden Einwohnerzahl erforderlich. Zum anderen gilt es, attraktive<br />

Angebote vorzuhalten, um den Einwohnerverlust so weit wie möglich begrenzen zu können.<br />

4.9.1 Oberzentrum mit attraktiven Bildungs-, Kultur- und Sportangeboten<br />

Bildungs-, Kultur- und Freizeitangebote tragen wesentlich zur Attraktivität des Oberzentrums <strong>Erfurt</strong> bei. Mittelbar<br />

unterstützen sie den Wirtschaftsstandort einschließlich der umgebenden Region als wichtige "weiche"<br />

Standortfaktoren. Darüber hinaus sind vielfältige direkte wirtschaftliche Wechselwirkungen zur Entwicklung<br />

<strong>Erfurt</strong>s als Dienstleistungs- und Tourismusstadt feststellbar. Neben der Sicherung vielfältiger Angebotsstrukturen<br />

ist die Pflege von regional und überregional wahrnehmbaren Leuchttürmen eine wichtige Aufgabe der<br />

Stadtpolitik.<br />

<strong>Erfurt</strong> verfügt über ein gutes und differenziertes Bildungsangebot, in dem sich staatliche Schulen aller<br />

Schulformen und Bildungsstätten verschiedener freier Träger ergänzen. Ziel der weiteren Entwicklung der<br />

<strong>Erfurt</strong>er Bildungslandschaft ist die Gestaltung eines Schulnetzes, welches auch zukünftig alle Voraussetzungen<br />

für ein breit gefächertes Schulangebot von einer wohnortnahen Grundschulausbildung bis hin zur beruflichen<br />

Ausbildung in einem der <strong>Erfurt</strong>er Bildungszentren sichert. Weitere Angebote in freier Trägerschaft, wie<br />

z. B. die der Waldorfschule und die einer Internationalen Schule, sollen entsprechend dem Bedarf in der Region<br />

im Ballungsraum <strong>Erfurt</strong>-Weimar abgedeckt werden. Selbstverständlich unterstützt die Landeshauptstadt<br />

<strong>Erfurt</strong> freie Träger mit neuen Bildungsangeboten bei der Suche nach geeigneten Objekten im Stadtgebiet.<br />

<strong>Erfurt</strong> soll auch in Zukunft ein überregional bekanntes Zentrum des Sports sein. Für die kommunale Sportverwaltung<br />

bedeutet das im Besonderen, die Infrastruktur für die Leistungskader in hoher Qualität und in<br />

ausreichendem Maße zur Verfügung zu stellen. Weiterhin sind die Voraussetzungen dafür zu schaffen, <strong>Erfurt</strong><br />

als Austragungsort nationaler und internationaler Wettkämpfe weiter zu etablieren. Nachdem in den vergangenen<br />

Jahren große Investitionen realisiert werden konnten, sind hierzu noch punktuelle Investitionen in<br />

den Sportzentren Süd (Steigerwaldstadion) und Nord (Rieth) erforderlich.<br />

Die Bedeutung <strong>Erfurt</strong>s als kulturelles Zentrum ist weiter auszubauen. In Abstimmung mit den Nachbarstädten<br />

ist dabei zu prüfen, welche Anziehungspunkte gezielt gefördert werden sollten, um den Anforderungen<br />

eines Oberzentrums zu entsprechen und den Kultur- und Städtetourismus weiter zu befördern. Entscheidend<br />

für die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt sind insbesondere Maßnahmen, die die begonnene Entwicklung<br />

zu einem Messe-, Kongress- und Kommunikationszentrum weiterführen. Zu berücksichtigen ist ein angemessenes<br />

Gleichgewicht zwischen Angeboten der Hochkultur (zum Beispiel Oper) und der Breitenkultur<br />

(zum Beispiel Zoopark, Stadtbibliothek).<br />

4.9.2 <strong>Erfurt</strong> - tolerant und weltoffen<br />

Die Stadt <strong>Erfurt</strong> als Sozial- und Wirtschaftsraum lebt von der Vielfalt an Potentialen, die Menschen aus anderen<br />

Ländern und Kulturen in diese Stadt einbringen. Mit dem Anliegen <strong>Erfurt</strong>s, eine interkulturell lebendige<br />

und internationale Stadt sein, kann internationale Bekanntheit mit multikultureller Vielfalt verbunden werden.<br />

Aufgabe von Politik und Verwaltung ist es einerseits, diese Zielstellung in der Öffentlichkeit deutlich herauszustellen<br />

und andererseits auch die Möglichkeiten der Einbeziehung von Menschen mit Migrationshintergrund<br />

in Politik und Verwaltung weiter auszubauen.<br />

4.9.3 Sozialorientierte Stadtentwicklung<br />

Die künftige Entwicklung der Stadt <strong>Erfurt</strong> soll sich an den Leitlinien einer sozialorientierten Stadtentwicklung<br />

orientieren. Im Mittelpunkt einer solchen, auf die Bedürfnisse aller Altersgruppen und Gesellschaftsschichten<br />

ausgerichteten Politik stehen Verteilungsgerechtigkeit und sozialer Ausgleich sowie ein hohes Maß an Partizipation.<br />

Das Prinzip gender mainstreaming, dass heißt, die Einbindung der Chancengleichheit in sämtliche<br />

90


4. Zielkonzept der gesamtstädtischen Entwicklung<br />

politische Konzepte und Maßnahmen der Gemeinschaft, nimmt in der Politik der <strong>Erfurt</strong>er Stadtentwicklung<br />

als Leitgedanke einen zentralen Stellenwert ein.<br />

Bedarfsgerechte Sozial- und Gesundheitssysteme 37<br />

Die Stadt <strong>Erfurt</strong> wird sich in der weiteren Entwicklung der Gesundheitsstruktur und anderer Hilfeangebote an<br />

den demographischen Entwicklungen orientieren und diese berücksichtigen müssen. Dazu sind die Träger<br />

sozialer Arbeits- und Gesundheitseinrichtungen in die Planungsprozesse einzubeziehen. Als wichtige<br />

Schwerpunkte dabei werden Gesundheitsprävention, die bedürfnisgerechte Betreuung Älterer und Hochbetagter<br />

und die Anpassung der Hilfen und Angebote für chronisch Kranke gesehen.<br />

Eine effektivere Struktur der Kommunikation und funktionierende Netzwerke, in die sowohl die Träger sozialer<br />

Arbeit als auch die Kommune eingebunden sind, sollen zu einer Verbesserung der Angebote im Bereich<br />

der sozialen Arbeit beitragen.<br />

Anpassung der Sozialen Hilfssysteme<br />

Vor dem Hintergrund demographischer Entwicklungen und dem damit verbundenen Wandel in der Gesellschaft<br />

sind die sozialen Hilfesysteme anzupassen, in dem vorhandene Netzwerke und Strukturen genutzt<br />

und gefördert werden. Auf der Basis, den Stadtteil als Lebensraum zu begreifen, muss die Stadt ihr Hilfesystem<br />

sozialraumorientiert (dass heißt auf einen Stadtteil oder Planungsraum bezogen) entwickeln, ohne spezielle<br />

Zielgruppen aus dem Blick zu verlieren.<br />

Eine Budgetierung der Finanzen für Hilfsangebote in den Stadtteilen soll zur Erhöhung der problem- und bedarfsbezogenen<br />

Lösungsmöglichkeiten beitragen. Damit entsteht eine höhere Transparenz sowohl bezüglich<br />

des Hilfesystems als auch der anderen finanziellen Aufwendungen der Kommune für einen bestimmten Bereich<br />

unter stärkerer Förderung der Bürger- und Trägerbeteiligung. Gleichzeitig wird der präventive Ansatz<br />

der Hilfen ausgebaut. Die Grundsicherung in den sozialen Angeboten bleibt dabei Aufgabe der Stadt.<br />

Stärkung der Stadtteile durch kulturelle Angebote<br />

Kulturelle Vielfalt über das Stadtzentrum hinaus in die Stadtteile zu bringen und damit die Lebensqualität zu<br />

erhöhen, ist ein langfristiges Ziel der Stadtentwicklung. Notwendig ist daher ein angemessener Ausgleich<br />

zwischen den Erfordernissen einer notwendigen Profilbildung der Stadt durch überregional ausstrahlende<br />

Kultur- und Freizeitangebote und den Erfordernissen der Stadtteilkultur.<br />

Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, müssen auch neue Formen der Zusammenarbeit zwischen der<br />

Kommune und freien Trägern, Vereinen und ehrenamtlich Tätigen in die Überlegungen einbezogen werden.<br />

Beispielgebend sind hier Angebote, die im Bereich der Programmgebiete "URBAN" und "Soziale Stadt" geschaffen<br />

werden konnten. Wichtig ist dabei, bürgerschaftlichem Engagement als Identität stiftendes Element<br />

ein Podium zu bieten, verwaltungsseitig offen zu sein für neue Initiativen, die den Stadtteil befördern, und<br />

vorhandene städtische Einrichtungen wie Schulen und Kindertagesstätten für die Nutzung durch die Bürger<br />

vor Ort zur Verfügung zustellen.<br />

Im Rahmen des Stadtmonitorings müssen auch für den Kultur- und Freizeitbereich jene Anforderungen analysiert<br />

werden, die sich aus den gegenwärtigen sozialen, ökonomischen Umstrukturierungen ergeben, und<br />

die durch Veränderungen der Bevölkerungsstruktur in den Stadtquartieren und vor allem auch der Altersstruktur<br />

generell zu erkennen sind.<br />

Ein breites Sportangebot für alle Bevölkerungsschichten<br />

Hinsichtlich eine möglichst breiten Angebotspalette aber auch der optimalen Ausnutzung der vorhandenen<br />

Sportstätten müssen kommunale Sportangebote und die sich weiter entwickelnden Angebote privater Sportanbieter<br />

aufeinander abgestimmt werden. So sollen zum Beispiel Sportanlagen breiter öffentlich genutzt und<br />

damit einer größeren Bevölkerungsgruppe unter dem Gesichtspunkt eines "familienfreundlichen Sportplatzes"<br />

zugänglich gemacht werden können.<br />

Die Förderung durch die kommunale Sportverwaltung wird im wesentlichen auf solche Angebote orientieren,<br />

die ohne öffentliches Engagement nicht möglich sind und die Teilnahme vieler Bürger sichern. Fun- und<br />

Trendsportarten können vorrangig im privatem Sportmarkt Ausgestaltungsmöglichkeiten finden.<br />

Hinsichtlich der sportlichen Angebote der Vereine, nach Möglichkeit auch der anderen sportlichen Anbieter,<br />

muss darauf orientiert werden, dass alle Altersgruppen ausreichend versorgt werden. Dabei müssen Integrationsmöglichkeiten<br />

für Kinder, Jugendliche und Senioren vorhanden sein, die neben Sport- und Spiel auch<br />

andere Nutzungen und Kommunikationsmöglichkeiten zwischen den Generationen zulassen. Dazu können<br />

37 vgl. Landeshauptstadt <strong>Erfurt</strong>, Stadtverwaltung, Stadtentwicklungsamt (Hg.): Sozialorientierte Stadtentwicklung - Tagungsband zur<br />

Workshopreihe "Kommunale Neuorientierung der sozialen Stadtentwicklung", Juli 2004<br />

91


<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />

auch im Rahmen der Ganztagsschulenentwicklung im Stadtgebiet mögliche erweiterte Formen der Zusammenarbeit<br />

zwischen Schule und Sportverein genutzt werden.<br />

4.9.4 Kinder- und familienfreundliche Stadt<br />

Die Stadt <strong>Erfurt</strong> hat sich zum Ziel gesetzt, sich zu einer kinder- und familienfreundlichen Kommune weiterzuentwickeln.<br />

„Familienfreundlichkeit wird angesichts der demographischen Entwicklung zu einem harten Wirtschaftsfaktor.<br />

Städte und Regionen, in denen Familien gut leben und arbeiten können, sind für die Zukunft<br />

ökonomisch besser gewappnet. Denn ohne junge Familien gibt es keinen Fachkräftenachwuchs, keine neuen<br />

Unternehmen und keine Innovationen.“ 38<br />

Umgekehrt wird die Familienfreundlichkeit einer Stadt oder Region entscheidend durch die wirtschaftlichen<br />

Perspektiven bestimmt. Die Stärkung des Wirtschaftsstandorts <strong>Erfurt</strong> (vgl.Kap. 4.8) ist daher ein wesentliches<br />

Element einer familienfreundlichen Stadt <strong>Erfurt</strong>. Darüber hinaus kann die Kommune durch ein Bündel<br />

von Maßnahmen dazu beitragen, jungen Menschen die Entscheidung für Kinder zu erleichtern sowie Familien<br />

und Personen in der Phase der Familiengründung an die Stadt zu binden.<br />

Dazu muss das derzeit gute Netz an familiengerechten Angeboten gesichert und entsprechend der demographischen<br />

Entwicklung bedarfsgerecht weiter entwickelt werden. Der Bildungs- und Ausbildungsbereich<br />

benötigt dabei erhöhte Aufmerksamkeit und muss in Zukunft neue Perspektiven für Kinder und Jugendliche<br />

bieten.<br />

Das vergleichsweise gute Angebot an Kindertagesstätten und Betreuungsangeboten ist zu erhalten, um die<br />

Vereinbarkeit von Familie und Beruf auch zukünftig zu gewährleisten. Das Platzangebot ist besonders für<br />

Kleinkinder flexibel und bedarfsgerecht weiterzuentwickeln. Die Vielfalt von Angeboten für Jugendliche - bestehend<br />

aus Jugendhäusern und Jugendclubs wie auch Vereinen oder Beratungsstellen - ist in großen Teilen<br />

nicht in ihrem Bestand gesichert. Notwendig ist ein Konzept, mit dem eine verlässliche langfristige Planungsgrundlage<br />

Basis für einen angemessenen Kern von Angeboten geschaffen wird.<br />

Ganz entscheidend ist zudem ein attraktives Angebot an familiengerechten Wohnraum zu angemessenen<br />

Preisen auf dem Mietwohnungsmarkt. Ein wichtiger Schlüssel zur Stabilisierung der Einwohnerentwicklung<br />

ist die Unterstützung der Eigentumsbildung junger Familien. Dabei sind Modelle zu entwickeln, die die Eigentumsbildung<br />

im Bereich des gründerzeitlichen Wohnungsbestandes fördern - beispielsweise durch koordinierte<br />

Beratungsangebote zu Erwerb, Sanierung und Bildung von gemeinschaftlichem Wohneigentum. Ein<br />

besonderes Potential liegt in der Nachnutzung von Stadtumbauflächen für eine Neubebauung in Form verdichteter<br />

Einfamilienhausbebauung.<br />

Auch in der räumlichen Umgestaltung der Stadt verlangen die Belange von Kindern und Jugendlichen bzw.<br />

Familien Berücksichtigung. Die Bevölkerung, insbesondere Familien sowie Kinder und Jugendliche, müssen<br />

in die Planung und Durchführung von Stadtumbaumaßnahmen verstärkt einbezogen werden. Im Rahmen<br />

des Stadtumbaus ist der Schaffung von öffentlichen Begegnungsräumen und altersgruppengerechten Spielplätzen<br />

besondere Bedeutung beizumessen.<br />

4.9.5 Standorte Sozialer Infrastruktur<br />

Ziel der Stadt ist es, für alle Bevölkerungsgruppen eine wohnungsnahe und bedarfsgerechte soziale Versorgung<br />

abzusichern. Der Begriff der "Wohnungsnähe" ist dabei abhängig von der Art der Einrichtung und dem<br />

Mobilitätsgrad der Nutzergruppe unterschiedlich zu definieren.<br />

Die konkrete Standortplanung vollzieht sich auf der Grundlage der Fachplanungen, die überwiegend kurz-<br />

bis mittelfristigen Charakter haben. Aufgabe der Stadtentwicklungsplanung ist es daher, basierend auf den<br />

Prognosen zur Bevölkerungsentwicklung bis 2020, Szenarien zu künftigen Bedarfen zu erarbeiten, um Möglichkeiten<br />

und Grenzen einer wohnungsnahen und bedarfsgerechten Versorgung aufzeigen zu können. Dabei<br />

gilt es zu berücksichtigen, dass insbesondere im Bereich der Kindertagesstätten und Schulen eine immer<br />

stärkere Orientierung auf Einrichtungen mit einem bestimmten Image oder besonderen Profil erfolgt.<br />

Auf der Basis der nachfolgenden skizzierten Kriterien und Grundsätze sind daher weitergehende Detailuntersuchungen<br />

erforderlich:<br />

38 "Familienatlas 2005: Familienfreundlichkeit ist der Standortfaktor der Zukunft", In: Prognos trendletter, 1/2005, S. 5<br />

92


4. Zielkonzept der gesamtstädtischen Entwicklung<br />

Erreichbarkeit gewährleisten<br />

In der nachfolgenden Abbildung sind die für <strong>Erfurt</strong> und seinen zentralörtlichen Einzugsbereich bedeutenden<br />

Gemeinbedarfseinrichtungen sowie deren Lage zu den Stadtbahntrassen und den Zentren dargestellt. Hier<br />

wird die derzeitige Konzentration derartiger Einrichtungen in der Innenstadt der Stadt und in den Entwicklungsachsen<br />

deutlich.<br />

Abb. 28 - Zentralörtliche Einrichtungen und wichtige Einrichtungen des Gemeinbedarfes<br />

Abb. 27 - Zentralörtliche Einrichtungen und wichtige Einrichtungen des Gemeinbedarfes<br />

Sofern nicht die unmittelbare Wohnortnähe als für das räumliche Konzept entscheidendes Kriterium Vorrang<br />

hat, sollen Gemeinbedarfseinrichtungen auch zukünftig vorrangig auf die Entwicklungsachsen und das<br />

Stadtzentrum konzentriert werden. Außerhalb dieser Achsen sind zwischen den Stadt- und Ortsteilen sichere<br />

Radwegeverbindungen und ergänzenden Mobilitätsangebote zu schaffen, um eine gute Erreichbarkeit der<br />

Einrichtungen zu gewährleisten. Weiterhin ist zu prüfen, wo durch gemeindeübergreifende Kooperationen<br />

einen angemessene Versorgung und Erreichbarkeit gewährleistet werden kann.<br />

93


<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />

Darüber hinaus ist die barrierefreie Nutzung der öffentlichen und privaten Infrastruktur ein weiteres wichtiges<br />

Kriterium zur Verbesserung der Erreichbarkeit. Die Grundsätze einer barrierefreien Stadtgestaltung 39 sind<br />

bei der zukünftigen Weiterentwicklung der sozialen Infrastruktur konsequent zu berücksichtigen.<br />

Tageseinrichtungen für Kinder<br />

Auf der Grundlage der Bevölkerungsprognose der Landeshauptstadt <strong>Erfurt</strong> bis zum Jahr 2020 ist absehbar,<br />

dass bei einem verstärkten Rückgang der Bevölkerung auch die Kinderzahlen sinken werden und damit weitere<br />

Kapazitäten freigesetzt werden. Es sind somit auch zukünftig ausreichende räumliche Kapazitäten vorhanden,<br />

um entsprechend der vorliegenden gesetzlichen Anforderungen jedem Kind im Alter von zwei Jahren<br />

bis zum Schuleintritt einen Platz in einer Tageseinrichtungen für Kinder bereitstellen zu können. Ebenso<br />

werden auch weiterhin Plätze für Kinder unter zwei Jahren bereitgestellt.<br />

Die Standorte für Tageseinrichtungen für Kinder sollen möglichst wohnortnah angeboten werden. Der Gesetzgeber<br />

sieht jedoch gleichzeitig vor, dass vor allen Dingen das Wunsch- und Wahlrecht der Eltern (z. B.<br />

Wahl des pädagogischen Konzepts oder Arbeitsplatznähe) Berücksichtigung findet. Die Fortsetzung der bisherigen<br />

investiven Maßnahmen in Tageseinrichtungen sowie der konzeptionellen Schwerpunktsetzungen<br />

können die wohnortnahe Nachfrage unterstützten. Angesichts der vielfach auftreten zyklischen Nachfragespitzen<br />

kann jedoch aus stadtökonomischen Gründen nicht immer eine nachgefragte Wohnortnähe tatsächlich<br />

gewährleistet werden.<br />

Grund- und Regelschulen, Gymnasien und Gesamtschulen<br />

Grundlage für die Unterhaltung von Schulen bildet der vom Stadtrat bestätigte Schulentwicklungsplan<br />

(Schulnetzplan). Durch den starken Rückgang der Geburtenzahlen ab dem Jahr 1991 nehmen die Schülerzahlen<br />

rapide ab und die Auflösung weiterer Schulen bzw. Schulteile war zwingend notwendig. Das vom<br />

Stadtrat zu bestätigende Schulnetz betrachtet daher Änderungen von Schulstandorten aller Schulformen, die<br />

dann einer anderen Bildungseinrichtung zugeordnet oder möglichen anderen Nutzungen zugeführt werden<br />

können. Die Entscheidung über Erhaltung oder Schließung von Schulstandorten muss unter Berücksichtigung<br />

des räumlichen Grundkonzeptes der Stadt erfolgen. Wesentliche Entscheidungskriterien sind gleichzeitig<br />

unter anderem die Anzahl der Schüler im Einzugsbereich, das pädagogische Konzept sowie die notwendigen<br />

Erhaltungsaufwendungen.<br />

Bei der Erstellung des Schulnetzes hat insbesondere für die jüngeren Klassen-Jahrgänge die "wohnortnahe<br />

Schule" größte Bedeutung. Bei der Einordnung des Schulnetzes sind dabei die gemeinsamen Empfehlungen<br />

der kommunalen Spitzenverbände und des Thüringer Kultusministeriums zur Schulnetzplanung zu beachten,<br />

in denen auf Klassengrößen, maximale Schulwegslängen und Mindestschülerzahlen je Schulart orientiert<br />

wird. Ziel ist ein tragbares städtisches Angebot vorzuhalten, welches von allen Stadt- und Ortschaftssteilen<br />

her fußläufig oder über den Nahverkehr erreicht werden kann.<br />

Im Wesentlichen muss sich die zukünftige <strong>Erfurt</strong>er Schulnetzplanung an den Prognosen für die Bevölkerungsentwicklung<br />

und den damit verbundenen rückläufigen Schülerzahlen orientieren. Allerdings können<br />

auch andere Einflussfaktoren, wie Besonderheiten im Schulprofil und dessen Nachfrage oder alternative<br />

Schulformen, Entscheidungskriterium sein. Neben den rein quantitative Standortfragen können auch folgende<br />

Aspekte ergänzend Einfluss in die Planung finden:<br />

• Prüfung und ggf. Nutzung der neuen Möglichkeiten zur Gestaltung des Schulnetzes und des Bestandserhaltes<br />

eines Schulstandortes durch klassen-, fächer- und klassenstufenübergreifenden Unterricht 40<br />

• Verbindung der Bildungsfunktion des Schulstandortes mit anderen öffentlichen bzw. kulturellen Funktionen,<br />

z. B. gesellschaftliche Zentren als kulturelle Kristallisationspunkte, Fokussierungspunkte für Bürger<br />

(analog URBAN und Soziale Stadt)<br />

Berufsbildende Schulen<br />

Die Landeshauptstadt <strong>Erfurt</strong> unterhält momentan sieben berufsbildende Schulen bzw. Berufsschulzentren, in<br />

die teilweise noch Fachoberschulen und berufliche Gymnasien integriert sind und deren Angebot von Informations-<br />

und Kommunikationstechnik über Handel, Wirtschaft und Verwaltung, Metall- und Kraftfahrzeugtechnik<br />

bis hin zur Ernährung, Hauswirtschaft sowie Körperpflege und Agrarwirtschaft reicht. Durch zahlreiche<br />

Um- und Ausbauten an fast allen Staatlichen Berufsbildenden Schulen wurden die Sanierungsstände<br />

stark angehoben. Auch der Ausstattungsgrad, den die rasante Entwicklung von Industrie und Wirtschaft<br />

durch sich zahlreich entwickelnde neue Berufsfelder und -inhalte fordert und an denen sich die berufliche<br />

Ausbildung orientieren muss, wurde deutlich verbessert.<br />

39 Stadtratsbeschluss Nr.068/2002 Konzept "Barrierefreies <strong>Erfurt</strong>"<br />

40 Vierte Veränderung der Thüringer Schulordnung § 45 Absatz 3 Satz 1<br />

94


4. Zielkonzept der gesamtstädtischen Entwicklung<br />

Dieses breite Angebot einer beruflichen Ausbildung soll trotz der derzeit sinkenden Schülerzahlen auch zukünftig<br />

in diesem Umfang erhalten werden. Auch wenn die Schülerzahlen bis etwa 2016 noch weiter leicht<br />

abnehmen werden, bleibt die Sicherung der Qualität der Ausbildung entsprechend der von der Wirtschaft<br />

und Industrie geforderten Ausbildungsnormativen das Hauptziel bei der Gestaltung des Berufsschulnetzes.<br />

Dabei sollen sich zukünftig staatliche Angebote und die der in <strong>Erfurt</strong> ansässigen freien Bildungsträger noch<br />

wirkungsvoller ergänzen.<br />

Förderschulen, besondere Bildungseinrichtungen und Internate<br />

Für Schüler mit Behinderungen und sonderpädagogischem Förderbedarf stehen in <strong>Erfurt</strong> regional drei Förderzentren<br />

und ein überregionales Förderzentrum zur Verfügung. Entsprechend dem Förderschulgesetz des<br />

Landes Thüringen (ThürFSG) aus dem Jahr 2003 werden derzeit Förderschulen als überregionale und regionale<br />

Förderzentren definiert, die ein oder mehrere Förderschwerpunkte zum Inhalt haben bzw. haben können.<br />

Nach Abschluss der Umwandlung der in <strong>Erfurt</strong> befindlichen Förderschulen in Förderzentren, die planmäßig<br />

im Jahr <strong>2006</strong> realisiert sein soll, werden diese langfristig den sonderpädagogischen Förderbedarf der<br />

Stadt absichern und die schulische Ausbildung von Kindern und Jugendlichen mit körperlichen und geistigen<br />

Beeinträchtigungen sichern.<br />

Besondere Bildungseinrichtungen sind das kommunale Technikerzentrum Süd, das der Absicherung des<br />

Unterrichtes in den Bereichen Wirtschaft und Technik sowie der informationstechnischen Grundbildung<br />

dient, der Zentrale Schulgarten, welcher der Staatlichen Berufsbildenden Schule 5 zur Verfügung steht, sowie<br />

die Musikschule, die Schülerakademie und die Volkshochschule. Diese Einrichtungen, die die schulische<br />

Grundversorgung mit besonderen Angeboten unterstützen, sollen langfristig ebenso erhalten werden wie die<br />

verschiedenen zugeordneten Internate bzw. Wohnheime, die für Schüler und Auszubildende in <strong>Erfurt</strong> zur<br />

Verfügung stehen.<br />

Hoch- und Fachhochschulen<br />

Die räumliche Entwicklung der <strong>Erfurt</strong>er Hochschulen konzentriert sich auf die zentralen Standorte Nordhäuser<br />

Straße (Uni) und Altonaer Straße (FH). Nur die katholisch-theologische Fakultät (Domstraße), das Max-<br />

Weber-Kolleg (Am Hügel) sowie das Studentenzentrum "Engelsburg" und das Gästehaus der Uni (Michaelisstraße)<br />

sind in der Altstadt ansässig. Ziel der künftigen Stadtentwicklung ist es, die zentralen Standorte der<br />

Hochschulen stärker mit den umgebenden Stadtteilen zu verzahnen und den Wiederaufbau der Alten Universität<br />

in der Michaelisstraße als Identität stiftender Ort der Hochschulstadt <strong>Erfurt</strong> zu vollenden.<br />

Sport<br />

Vordringliche Maßnahmen zur Sicherung der Sportinfrastruktur sind die Bestandserhaltung und planmäßige<br />

Sanierung der bestehenden Sportstätten mit punktueller Erweiterung. Dabei ist nach Möglichkeit auf eine<br />

Mehrfachnutzung für Schul- und Vereinssport und dort, wo möglich, auch auf den Hochleistungssport zu orientieren.<br />

Gegebenfalls sind entsprechende Flächen vorzuhalten. Die planmäßige Nutzungssicherung und<br />

die langfristige Bestandshaltung der Schulsporthallen sind deshalb wichtiger Bestandteil für wohnortnahen<br />

Sportbetrieb. Mit dem Neu- bzw. Ersatzneubau der im Jahr 2005 übergebenen Schulsporthallen an der<br />

SBBS 7 und am Gutenberggymnasium sind solche Investitionen richtungweisend. Darüber hinaus sollte<br />

darauf orientiert werden, Standorte kommunaler und kommerzieller Angebote räumlich miteinander zu vernetzen.<br />

Wichtige Anknüpfungspunkte bilden dabei das Sportzentrum Süd und die am zu sanierendem Nordbad<br />

beginnende und konsequent weiter zu entwickelnde Sportachse Nord.<br />

Kultur<br />

Vordringlich ist ein Sicherungskonzept für die vorhandenen kulturellen Einrichtungen, gegebenenfalls auch<br />

verbunden mit räumlichen Veränderungen. Dies gilt unter anderem für das Angermuseum und die bisher<br />

nicht öffentlich zugängliche Alte Synagoge. Adäquate Nutzungen sind insbesondere für das ehemalige<br />

Schauspielhaus (Klostergang) und das Heizhaus (Brühl) zu finden. Anzustreben ist eine stärkere Einbeziehung<br />

der Barfüßerruine in das Kulturkonzept der Stadt.<br />

Einrichtungen für Kinder und Jugendliche<br />

In Folge der sinkenden Geburtenzahlen ist sind auch weiterhin rückläufige Zahlen an Kindern und Jugendlichen<br />

zu erwarten. Die Sicherung eines qualitativ und quantitativ bedarfsgerechten Angebotes wird durch<br />

ständig fortschreibende Entwicklungskonzeptionen gewährleistet. Auf der Basis von Bestandserhebungen<br />

und Bedarfseinschätzungen müssen auch zukünftig entsprechende Maßnahmen für Kinder und Jugendliche<br />

mit sowohl stadtweiter als auch stadtteilbezogener Ausstrahlung angeboten werden.<br />

Einrichtungen für Senioren<br />

Die derzeitigen Platzkapazitäten in Senioren- und Pflegeheimen reichen voraussichtlich bis zum Jahre 2010<br />

aus. Darüber hinaus ist eine steigende Nachfrage nach seniorengerechten Wohnangeboten zu erwarten, die<br />

durch bauliche Maßnahmen, bedarfsgerechte Betreuungs- und Unterstützungsangebote sowie die Nutzung<br />

95


<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />

moderner Telekommunikation eine möglichst lange Selbstständigkeit der Senioren ermöglichen. Derzeit favorisieren<br />

<strong>Erfurt</strong>er Wohnungsbaugesellschaften, Genossenschaften und Immobiliengesellschaften verschiedene<br />

Modelle, die sich zwischen den extremen Polen von reinen "Seniorenwohnhäusern" und einer weitestgehenden<br />

Integration von Seniorenwohnungen bewegen. Unklar ist auch, in welchem Maße sich <strong>Erfurt</strong>er<br />

Senioren zu Wohngemeinschaften zusammen finden und entsprechenden Wohnraum nachfragen werden.<br />

Es wird daher zu beobachten sein, welche Modelle tatsächlich nachgefragt werden und welche Handlungserfordernisse<br />

hieraus abzuleiten sind.<br />

Einrichtungen für behinderte Menschen<br />

Zu den Gemeinbedarfseinrichtungen, die für behinderte Menschen angeboten werden, gehören u. a.:<br />

− geschütztes Wohnen in Heimen<br />

− betreutes Wohnen in Wohngemeinschaften<br />

− Arbeit in einer Werkstatt für Behinderte (WfB)<br />

− integrative Einrichtungen zur Frühförderung<br />

− integrative Tageseinrichtungen für Kinder<br />

− ambulante Frühförderung.<br />

Die Wohnform "behindertengerechtes Wohnen" muss verstärkt entwickelt werden, da hier ein Bedarf besteht,<br />

der derzeit nicht abgedeckt werden kann. Es ist auf behindertengerechte Erschließung öffentlicher<br />

Einrichtungen hinzuwirken. Dazu gehören u. a. behindertengerechte Parkplätze, niederflurgerechte Haltestellen<br />

und Verkehrsmittel.<br />

Gesundheitswesen<br />

Mit dem Helios-Klinikum als Krankenhaus der Maximalversorgung im Norden der Stadt sowie dem Katholischen<br />

Krankenhaus St. Johann Nepomuk (KKH) im Süden ist das Gesundheitswesen der Stadt <strong>Erfurt</strong> auf<br />

eine zukunftsfähige Basis gestellt worden. Damit ist die Bevölkerung der Stadt <strong>Erfurt</strong> gleichmäßig versorgt<br />

und eine sehr gute Erreichbarkeit gewährleistet.<br />

96


5<br />

RESÜMEE<br />

5. Resümee<br />

97


<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />

98


5. Resümee<br />

Demographischer Wandel und knappe Haushaltskassen sind die neuen Herausforderungen für die Stadtentwicklung,<br />

die sich auf fast alle Bereiche des städtischen Lebens auswirken. Verschärft wird die Situation<br />

durch die aufgrund der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung gesunkene Nachfrage nach Immobilien,<br />

Waren und Dienstleistungen. Unter dem Oberziel einer nachhaltigen Entwicklung müssen neue<br />

Wege gefunden werden, die diesen Anforderungen gerecht werden. Dabei ist das Zusammenwirken aller<br />

Akteure, sowohl innerhalb der Stadtverwaltung als auch der gesamten Bürgerschaft, unabdingbar.<br />

Wesentliche Zielstellungen der Stadtentwicklung<br />

In den vorangegangenen Kapiteln wurden für die einzelnen Funktionen der Stadt die derzeitige Situation analysiert,<br />

Entwicklungsprognosen aufgestellt und Strategien für die weitere Entwicklung erarbeitet.<br />

In der Gesamtschau ist festzuhalten, dass eine starke Wirtschaft die Grundlage einer jeden Gesellschaft und<br />

damit auch des Gemeinwesens Stadt ist. Eine wesentliche Aufgabe der Stadtpolitik ist demnach eine erfolgreiche<br />

Wirtschaftsförderung. Diese umfasst neben der Unterstützung der einheimischen Wirtschaft und der<br />

Ansiedlung neuer Unternehmen auch die Stärkung des Wirtschaftsraumes Mittelthüringen, da in Zeiten der<br />

Globalisierung nur starke Regionen in Zukunft bestehen können.<br />

Die Herausforderungen an die räumliche Entwicklung bestehen in der Nutzung der Chancen, die sich aus<br />

dem notwendigen Stadtumbau ergeben. Die zukünftige Stadtstruktur soll einerseits durch ein umfassendes<br />

Grün- und Freiraumkonzept an Aufenthaltsqualität gewinnen und andererseits so kompakt bleiben, dass die<br />

Kosten der Infrastruktur nicht auf ein unerträgliches Maß steigen. Das Angebot an Wohnungs- und Gewerbeflächen<br />

soll der Nachfrage einschließlich notwendiger Reserven entsprechen.<br />

Die sozialen Aspekte der Stadtentwicklung spielen ebenfalls eine wichtige Rolle. Ziel ist hier die Sicherstellung<br />

einer hohen Lebensqualität für alle Bevölkerungsgruppen. Soziale Segregation vermeiden bzw. überwinden,<br />

ist dabei eine häufig genannte Zielstellung der Stadtentwicklung. Es ist jedoch davon auszugehen,<br />

dass dies ein Wunschdenken bleibt. Einerseits wählen sich Bürger, die über die entsprechende Mittel verfügen,<br />

ihr Wohnumfeld selbst aus und andererseits konzentrieren sich die Bürger mit schlechtem finanziellen<br />

Hintergrund in Gebieten, wo das Wohnen für sie bezahlbar ist. Eine aufgezwungene soziale Mischung ist<br />

rechtlich kaum durchsetzbar und würde sich auch auf Dauer nicht halten. Der Umgang damit ist ein entscheidendes<br />

Kriterium der zukünftigen Stadtentwicklungspolitik. Es müssen Gebiete für alle sozialen Schichten<br />

vorgehalten werden.<br />

Wege zur Erreichung der Ziele<br />

Die Stadtentwicklung der nächsten Jahre und wahrscheinlich Jahrzehnte verlangt langfristig abgestimmte<br />

Zielvorgaben und Entwicklungsschwerpunkte, die durch kleine Schritte, die sich letztendlich zum Gesamtsystem<br />

zusammensetzen, erreicht werden.<br />

Die Realisierung von Vorhaben, die mangels Finanzierungsmöglichkeiten nicht unmittelbar umgesetzt werden<br />

können, darf nicht durch gegenläufige Entscheidungen gefährdet werden.<br />

Für die Entwicklung der Bauflächen darf nicht die schnelle Entscheidung für eine neue Nutzung an einer<br />

Stelle, wo eine bisherige weg gebrochen ist, der Maßstab allen Handelns sein. Vielmehr sollte die Abwägung<br />

der Nachhaltigkeit Grundlage von Entscheidungen sein. Dies betrifft insbesondere die Notwendigkeit, langfristige<br />

Beständigkeit und Ausführungs- und Folgekosten einer jeden Maßnahme. Bei sinkender Nachfrage<br />

muss nicht jede Baulücke geschlossen, jeder Hof überbaut und jedes Dachgeschoss ausgebaut werden.<br />

Augenmaß und das Wissen um Nutzungsprobleme müssen hier das Handeln aller Akteure bestimmen.<br />

Brachflächen sind nicht unbedingt ein Mangel für die Stadt. Sie stellen genauso gut Potentiale für eine zukünftige,<br />

heute noch nicht absehbare Entwicklung dar. Durch temporäre Nutzungen kann eine Ausgleich der<br />

Defizite im Stadtbild geschaffen werden.<br />

Bei Entscheidung für Investitionsmaßnahmen sind nicht nur die reinen Investitionskosten zu betrachten,<br />

sondern auch der laufende Unterhaltsaufwand im Bezug auf die Bevölkerungsentwicklung ins Kalkül zu ziehen.<br />

Gerade der Einsatz von Fördermitteln, die letztendlich auch Steuergelder sind, verlangt eine sorgfältige<br />

Prüfung der Vorhaben. Da in Zukunft immer weniger Menschen immer höhere Kosten zur Aufrechterhaltung<br />

von Leistungen der Gemeinschaft aufbringen müssen, ist gerade die Einheit von Investitionsaufwand zu Unterhaltungsaufwand<br />

eine entscheidende Größe.<br />

99


<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />

100


GRUNDLAGEN<br />

• Thüringer Städtebauförderrichtlinie (THStBauFR), Anlage 9, „Leitfaden zur<br />

Erarbeitung von integrierten <strong>Stadtentwicklungskonzept</strong>en“<br />

• Regionaler Raumordnungsplan Mittelthüringen<br />

• Studie der in.nova Gesellschaft für Unternehmensentwicklung GmbH<br />

„Wohnen in <strong>Erfurt</strong>“<br />

• Statistisches Informationssystem (A16)<br />

• Kommunalstatistisches Heft 48 „Bevölkerung in <strong>Erfurt</strong> –<br />

Bestandsentwicklung bis 10/2003 und Prognose bis 2020“ (A16)<br />

• Kommunalstatistisches Heft 49 (51 unveröffentlicht)<br />

„Bevölkerung der Stadt <strong>Erfurt</strong> und <strong>Erfurt</strong>er Stadtteile 2003“ (A16)<br />

• Konzept Stadtbeobachtungssystem (A16, A60)<br />

• Flächennutzungsplan (A16)<br />

• Beiträge zur Stadtentwicklung - Heft 2 „Sektorale Entwicklungskonzeption<br />

Wohnen 2020 - Teilbereich Neubau, Arbeitsstand 2002 (A16)<br />

• Beiträge zur Stadtentwicklung - Heft 3 „Sektorale Entwicklungskonzeption<br />

Arbeiten – Teil Gewerbeflächenbericht“ (A16)<br />

• Beiträge zur Stadtentwicklung - Heft 4 „Barrierefreies <strong>Erfurt</strong>“ (A16)<br />

• Beiträge zur Stadtentwicklung - Heft 5 „Sozialorientierte Stadtentwicklung -<br />

Tagungsband zur Workshopreihe Kommunale Neuorientierung der sozialen<br />

Stadtentwicklung“ (A16)<br />

• Beiträge zur Stadtentwicklung - Heft 6 „Baulandkataster für ausgewählte<br />

Bereiche“ (A16)<br />

• Beiträge zur Stadtentwicklung - Heft 7: „Auf dem Weg zum<br />

Stadtentwicklungsprogramm - Positionen zur Stadtentwicklung“ (A16)<br />

• Beiträge zur Stadtentwicklung - Heft 8 „Sind wir noch zu retten?<br />

Nachhaltigkeit als Konzept für die Zukunft“ (A16 mit FH und Uni)<br />

• Beiträge zur Stadtentwicklung - Heft 9 „<strong>Erfurt</strong> lebt mit Lücken - Projekt)<br />

Hopfenecke“ (A16)<br />

• Kriminalitätsatlas (A16)<br />

• Regionale Entwicklungskonzeption „<strong>Erfurt</strong>er Seen“ (A16)<br />

• Landschaftsplan (A31)<br />

• Klimagutachten (A31)<br />

• Schulentwicklungsplan bzw. Schulnetzplan (A40)<br />

• Kulturentwicklungsplan, nicht veröffentlich (A41)<br />

• Spielraumanalyse (A41)<br />

• Sozialberichte (D05, A16)<br />

• Rahmenplan Sozialwesen der Stadt <strong>Erfurt</strong> (D05)<br />

• Sozialstrukturatlanten (D05, A16)<br />

• Seniorenplan (A50)<br />

• Rahmenkonzept „Lebenssituation von Menschen mit Behinderungen in der<br />

Stadt <strong>Erfurt</strong>“ (A50)<br />

• Kooperationsvertrag Sozialamt mit der Fachhochschule <strong>Erfurt</strong>, FB<br />

Sozialwesen seit 2005 (A50)<br />

• Maßnahmeplan für Familienbildung und Familienförderung (A51)<br />

• Konzept Lokales Bündnis für Familie (A51)<br />

• Maßnahmen- und Bedarfsplanung Hilfen zur Erziehung (A51)<br />

• Bedarfsplanung Tageseinrichtungen für Kinder /Tagespflege (A51)<br />

• Jugendförderplan (A51)<br />

• Sportstättenleitplan (A52-ESB)<br />

• Konzept Gesunde-Städte-Netzwerk (A53)<br />

• Psychatrie- und Suchthilfeplan (A53)<br />

• Masterplan <strong>Erfurt</strong>er Großwohnsiedlungen (A60, A16)<br />

• Beitrag der Landeshauptstadt <strong>Erfurt</strong> zum Bundeswettbewerb „Stadtumbau<br />

Ost“ (A60, A16)<br />

• Kleingartenkonzeption (A67)<br />

• Verkehrsentwicklungsplan (A67)<br />

• Einzelhandelsbericht 2002 (A80)<br />

• Analyse Gewerbe-, Handels- und Büroflächen (A80)<br />

• Arbeit Verein Springboard to learning (Ausländerbeauftragte)<br />

• Projekt „Fremde werden Freunde“ (SV mit FHE und Uni)<br />

2. DEMOGRAPHISCHER WANDEL UND<br />

STADTENTWICKLUNG<br />

2.1 Demographie<br />

2.2 Auswirkungen der Bevölkerungsveränderung im<br />

2.3<br />

Überblick<br />

Wohnungsbedarfsprognose<br />

2.4 Stadtbeobachtungssystem<br />

3. BESTANDSANALYSE UND ENTWICKLUNGSTRENDS<br />

3.1 Regionale Einordnung<br />

3.2 Siedlungsentwicklung und Stadtstruktur<br />

3.3 Wohnen<br />

3.4 Grün- und Freiraumstruktur<br />

3.5 Technische Infrastruktur<br />

3.6 Wirtschaft<br />

3.7 Soziales<br />

STADTENTWICKLUNGSKONZEPT<br />

1. EINFÜHRUNG<br />

1.1 Anlass<br />

1.2 Aufgabe und Zielstellung<br />

1.3 Aufbau und Herangehensweise<br />

4. ZIELKONZEPT DER GESAMTSTÄDTISCHEN<br />

ENTWICKLUNG<br />

4.1 Leitbild „Stark in der Mitte - die Mitte stärken“<br />

4.2 Zielbereich „Starke Region - starke Stadt“<br />

4.3 Zielbereich „Kompakte Stadt“<br />

4.4 Zielbereich „Funktionsfähiger und nachfragegerechter<br />

Wohnungsmarkt“<br />

4.5 Zielbereich „Freiräume entwickeln“<br />

4.6 Zielbereich „Verbesserung der Erreichbarkeit und<br />

stadtverträglichen Gestaltung der Verkehrsinfrastruktur“<br />

4.7 Zielbereich „Bedarfsgerechte und wirtschaftliche<br />

technische Infrastruktur“<br />

4.8 Zielbereich „Stärkung des Wirtschaftsstandortes“<br />

4.9 Zielbereich „Sicherstellung einer hohen Lebensqualität“<br />

5. RESÜMEE<br />

WEITERFÜHRENDE ARBEITEN<br />

Analysen zum Bestand und dessen Entwicklung<br />

• Weiterführung der statistischen Analysen zur<br />

Bevölkerungsentwicklung<br />

• Fortschreibung der Bevölkerungs- und in Ableitung daraus der<br />

Wohnungsbedarfsprognose<br />

• jährliche Fortschreibung und Aktualisierung des<br />

Stadtbeobachtungssystemes<br />

• Fortschreibung vorhandener Bestandsanalysen<br />

• laufende Beobachtung der Entwicklungstrends<br />

• fortführende Untersuchung zur Bedarfsentwicklung von Kleingärten<br />

(A16)<br />

• Bedarfsermittlung für den Bereich der Tagesbetreuung für Kinder bis<br />

2020 (A51)<br />

• Bedarfsplanung für alte und hoch betagte Menschen bis 2020 (A50)<br />

• Untersuchungen zur Sportentwicklung in <strong>Erfurt</strong> - Sportstadt (A16)<br />

Planungen, Konzeptionen und Maßnahmen<br />

• Stadtentwicklungsprogramm (A16)<br />

• Wirtschaftsstrategie (A16, A80)<br />

• Untersuchung „<strong>Erfurt</strong> - bezahlbare Stadt“<br />

• Untersuchung „<strong>Erfurt</strong> - energieautarke Stadt“<br />

• Fortschreibung der kurz- bzw. mittelfristigen Fachplanungen auf<br />

Grundlage der langfristigen Zielvorgaben<br />

• Maßnahmekonzept „Von der Lokalen Agenda 21 <strong>Erfurt</strong> zur<br />

experimentellen Stadtentwicklung“ (A16)<br />

• KAG <strong>Erfurt</strong>-Weimar-Jena: Regionalkonzept, gemeinsames<br />

Regionalmanagement, Regionalmarketing (A 16)<br />

• Kooperationsraum <strong>Erfurt</strong>: Intensivierung der Zusammenarbeit mit<br />

Umlandgemeinden, Erarbeitung Entwicklungskonzeption Stadt-<br />

Umland (A16)<br />

• Sektorale Entwicklungskonzeption Wohnen 2020 - Teilbereich<br />

Bestand (A16)<br />

• Fortschreibung der Sektoralen Entwicklungskonzeption Wohnen<br />

2020 - Teilbereich Neubau (A16)<br />

• Sektorale Entwicklungskonzeption Grün- und Freiraumentwicklung<br />

(A16)<br />

• Teilräumliche Entwicklungskonzeptionen mit konkreten<br />

Handlungsansätzen auf Grundlage der langfristigen Zielvorgaben<br />

(A16, Fachämter)<br />

• REK „<strong>Erfurt</strong>er Seen“: Ausweitung auf alle vom Bergbau betroffenen<br />

Umlandgemeinden, Erarbeitung von Umsetzungsstrategien (A16)<br />

• Teilkonzepte für neue Strategien der Verkehrsführung (A16, A68)<br />

• Abstimmung langfristiger Strategien und Konzepte mit<br />

Versorgungsträgern (A16, A66)<br />

• Stadtmarketingkonzept (A80)<br />

• Integrationskonzept (A50)<br />

• Entwicklungskonzeption zum integrierten Planungsraummangement<br />

am Modelprojekt „Großwohnsiedlung Nord“ (D05, A16)<br />

• Sozialraumorientierte Planung von Beratungs- und<br />

Betreuungsangeboten für den Jugend- und Sozialbereich (D05,<br />

A16)<br />

• Sektorale Entwicklungskonzeption Schulnetzplanung (A16, A40)

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