Stadtentwicklungskonzept - Entwurf April 2006 - Erfurt
Stadtentwicklungskonzept - Entwurf April 2006 - Erfurt
Stadtentwicklungskonzept - Entwurf April 2006 - Erfurt
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Landeshauptstadt <strong>Erfurt</strong><br />
Stadtverwaltung<br />
INTEGRIERTES<br />
STADTENTWICKLUNGSKONZEPT<br />
TEIL A<br />
STADTENTWICKLUNGS-<br />
KONZEPT<br />
<strong>Entwurf</strong>; <strong>April</strong> <strong>2006</strong><br />
Dezernat Stadtentwicklung, Verkehr<br />
und Wirtschaftsförderung<br />
Stadtentwicklungsamt
<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />
Beigeordneter:<br />
Herr Ingo Mlejnek<br />
Stadtentwicklungsamt<br />
Amtsleiter<br />
Herr Ulrich Reichardt<br />
Bearbeitungsteam Stadtentwicklungsamt<br />
Telefon 0361/ 655 2300<br />
Fax 0361/ 655 2309<br />
Stadtentwicklung@erfurt.de<br />
<strong>April</strong> <strong>2006</strong><br />
2<br />
Dezernat Stadtentwicklung,<br />
Verkehr und Wirtschaftsförderung
INHALTSVERZEICHNIS<br />
1 EINFÜHRUNG 5<br />
1.1 ANLASS 7<br />
1.2 AUFGABE UND ZIELSTELLUNG 7<br />
1.3 AUFBAU UND HERANGEHENSWEISE 7<br />
2 DEMOGRAFISCHER WANDEL UND STADTENTWICKLUNG 11<br />
2.1 DEMOGRAPHIE 13<br />
2.1.1 Bevölkerungsentwicklung bis zum Jahr 2004 13<br />
2.1.2 Bevölkerungsprognose bis zum Jahr 2020 15<br />
2.1.3 Bevölkerungsentwicklung in den einzelnen Siedlungsstrukturen 16<br />
2.2 AUSWIRKUNGEN DER BEVÖLKERUNGSVERÄNDERUNG IM ÜBERBLICK 18<br />
2.3 WOHNUNGSBEDARFSPROGNOSE 19<br />
2.4 STADTBEOBACHTUNGSSYSTEM 21<br />
3 BESTANDSANALYSE UND ENTWICKLUNGSTRENDS 23<br />
3.1 REGIONALE EINORDNUNG 25<br />
3.2 SIEDLUNGSENTWICKLUNG UND STADTSTRUKTUR 27<br />
3.2.1 Naturräumliche Gegebenheiten 27<br />
3.2.2 Historische Entwicklung 27<br />
3.2.3 Stadträumliche Gliederung 29<br />
3.2.4 Siedlungsstruktur der Stadtregion 30<br />
3.3 WOHNEN 32<br />
3.3.1 Analyse des Wohnungsbestandes 32<br />
3.3.2 Potentiale für Wohnungsneubau 36<br />
3.3.3 Wohnungsbedarf 36<br />
3.3.4 Szenarien der Wohnungsbestandsentwicklung 36<br />
3.4 GRÜN- UND FREIRAUMSTRUKTUR 40<br />
3.4.1 Elemente der Grün- und Freiraumstruktur 40<br />
3.4.2 Defizite und Konfliktpunkte 41<br />
3.4.3 Bedarfsprognose 42<br />
3.5 TECHNISCHE INFRASTRUKTUR 43<br />
3.5.1 Verkehr 43<br />
3.5.2 Ver- und Entsorgung 45<br />
3.6 WIRTSCHAFT 47<br />
3.6.1 Wirtschafts- und Arbeitsmarktregion 47<br />
3.6.2 Branchenentwicklung 49<br />
3.6.3 Gewerbeflächen 52<br />
3.6.4 Kommunale Finanzen 53<br />
3.6.5 Bildung und Wissenschaft 53<br />
3.7 SOZIALES 55<br />
3.7.1 Sozialstruktur 55<br />
3.7.2 Auswirkungen des demographischen Wandels am Beispiel der Schulen 56<br />
3.7.3 Sport und Freizeit 58<br />
3.7.4 Kultur 59<br />
3.7.5 Soziale Infrastruktur 60<br />
0. Inhalt<br />
3
<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />
4 ZIELKONZEPT DER GESAMTSTÄDTISCHEN ENTWICKLUNG 61<br />
4.1 LEITBILD „STARK IN DER MITTE - DIE MITTE STÄRKEN“ 63<br />
4.2 ZIELBEREICH "STARKE REGION - STARKE STADT" 64<br />
4.2.1 Initiative Mitteldeutschland 64<br />
4.2.2 Region <strong>Erfurt</strong>-Weimar-Jena 64<br />
4.2.3 Kooperationsraum <strong>Erfurt</strong> 65<br />
4.2.4 Standortprofilierung durch weitere Vernetzung 66<br />
4.3 ZIELBEREICH "KOMPAKTE STADT" 67<br />
4.4 ZIELBEREICH „FUNKTIONSFÄHIGER UND NACHFRAGEGERECHTER WOHNUNGSMARKT“ 69<br />
4.4.1 Strategische Handlungsansätze 69<br />
4.4.2 Entwicklungsstrategie für den Wohnungsbaubestand 70<br />
4.4.3 Entwicklungsstrategie für Wohnungsneubaupotentiale 71<br />
4.5 ZIELBEREICH „FREIRÄUME ENTWICKELN“ 73<br />
4.5.1 Grüner Ring um die Altstadt 74<br />
4.5.2 Geraband und Wasserarme 74<br />
4.5.3 Äußerer Grüner Ring 74<br />
4.5.4 <strong>Erfurt</strong>er Seen 76<br />
4.5.5 Umsetzungsstrategie 77<br />
4.6 ZIELBEREICH "VERBESSERUNG DER ERREICHBARKEIT UND STADTVERTRÄGLICHE<br />
GESTALTUNG DER VERKEHRSINFRASTRUKTUR" 78<br />
4.7 ZIELBEREICH "BEDARFSGERECHTE UND WIRTSCHAFTLICHE<br />
TECHNISCHE INFRASTRUKTUR" 81<br />
4.8 ZIELBEREICH "STÄRKUNG DES WIRTSCHAFTSSTANDORTES" 83<br />
4.8.1 Sicherung räumlicher Entwicklungspotentiale 83<br />
4.8.2 Sicherung des Unternehmensbestandes durch Bestandspflege 84<br />
4.8.3 Aufbau branchenspezifischer Netzwerke 85<br />
4.8.4 Ausbildung und Qualifizierung als Standortpotential 85<br />
4.8.5 Weiterentwicklung des Hochschul- und Forschungsstandortes <strong>Erfurt</strong> 86<br />
4.8.6 Stärkung des Einkaufs- und Tourismusstandortes 86<br />
4.8.7 Verknüpfung kultureller, wirtschaftlicher, wissenschaftlicher und<br />
touristischer Potentiale 87<br />
4.8.8 Bekanntheitsgrad steigern - Perspektiven aufzeigen 89<br />
4.9 ZIELBEREICH „SICHERSTELLUNG EINER HOHEN LEBENSQUALITÄT“ 90<br />
4.9.1 Oberzentrum mit attraktiven Bildungs-, Kultur- und Sportangeboten 90<br />
4.9.2 <strong>Erfurt</strong> - tolerant und weltoffen 90<br />
4.9.3 Sozialorientierte Stadtentwicklung 90<br />
4.9.4 Kinder- und familienfreundliche Stadt 92<br />
4.9.5 Standorte Sozialer Infrastruktur 92<br />
5 RESÜMEE 97<br />
Anlage 1 Grundlagen des <strong>Stadtentwicklungskonzept</strong>es und notwendige<br />
weiterführende Arbeiten<br />
4
1<br />
Einführung<br />
1. Einführung<br />
5
<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />
6
1. Einführung<br />
1.1 Anlass<br />
Die Stadtentwicklung erlebt in der heutigen Zeit einen grundlegenden Wandel. Nicht Expansion sondern<br />
rückläufige Bevölkerungszahlen und Stadtstrukturen belastende Leerstände von Wohngebäuden und Gewerbeimmobilien<br />
bilden die Ausgangsbasis der Stadtentwicklung. Die Veränderung der Altersstruktur der<br />
Bevölkerung und hieraus resultierende soziale Probleme sowie kleiner werdende finanzielle Handlungsspielräume<br />
der Stadt sind weitere Herausforderungen, die von der Landeshauptstadt <strong>Erfurt</strong> zu bewältigen sind.<br />
Für die Bewältigung der Zukunftsaufgaben der Landeshauptstadt <strong>Erfurt</strong> ist daher eine von Verwaltung, Politik<br />
und Öffentlichkeit gleichermaßen getragene Handlungsgrundlage für die künftige Entwicklung und Planung<br />
der Stadt erforderlich ist. Das nun vorliegende Integrierte <strong>Stadtentwicklungskonzept</strong> mit dem Zeithorizont<br />
2020 schafft somit zum Einen die Voraussetzungen zur Fortsetzung der Maßnahmen des Stadtumbaus.<br />
Zum Anderen werden aber auch Grundprinzipien für eine nachhaltige und zukunftsorientierte Stadtentwicklung<br />
formuliert.<br />
Ein wesentliches Handlungsfeld der Stadtentwicklung ist der Stadtumbau. Für solche Maßnahmen zur Umgestaltung<br />
der vom Wohnungsleerstand besonders betroffenen Stadtbereiche ist der Einsatz Städtebaufördermittel<br />
aus dem Programm "Stadtumbau Ost" dringend notwendig. Voraussetzung hierfür ist das Vorliegen<br />
eines Integrierten <strong>Stadtentwicklungskonzept</strong>es auf der Basis der Empfehlungen der Thüringer Städtebauförderrichtlinie<br />
(ThStBauFR), Anlage 9, "Leitfaden zur Erarbeitung von integrierten <strong>Stadtentwicklungskonzept</strong>en<br />
(Stadtumbaukonzept - ISEK)".<br />
1.2 Aufgabe und Zielstellung<br />
Der absehbare Prozess des Rückgangs der Einwohnerzahl in Stadt und Region mit seinen vielfältigen Konsequenzen<br />
wird die Stadtentwicklung der kommenden Jahrzehnte prägen. Sich diesem Problem zu stellen<br />
ist eine vordringliche Aufgabe der Stadtentwicklungsplanung. Zielstellung ist es aber nicht nur, diesen<br />
Schrumpfungsprozess und dessen Folgen zu begleiten, so dass der Bevölkerung der Stadt auch in Zukunft<br />
ein lebenswertes und bezahlbares Umfeld zur Verfügung steht, sondern auch, den demographisch bedingten<br />
Einwohnerverlust durch Gewinnung von Neubürgern zu begrenzen. Nur eine prosperierende Stadt mit<br />
einem konkurrenzfähigen und nachfragegerechten Angebot an Arbeitsplätzen, Wohnraum, sozialer, kultureller<br />
und technischer Infrastruktur und einer intakten Umwelt hat auch eine Chance, sich als urbanes Zentrum<br />
der Region zu behaupten und neue Einwohner hinzuzugewinnen. Ausgehend von diesen Gedanken formuliert<br />
das <strong>Stadtentwicklungskonzept</strong> einen Handlungsrahmen für die Entwicklung der Stadt <strong>Erfurt</strong> im Zeitraum<br />
bis 2020, der von Verwaltung, Politik und Öffentlichkeit gleichermaßen getragen werden soll.<br />
1.3 Aufbau und Herangehensweise<br />
Im Jahr 2003 hat die Stadtverwaltung die Arbeit am Integrierten <strong>Stadtentwicklungskonzept</strong> aufgenommen.<br />
Hierzu konnten die Ansätze aus dem Beitrag der Landeshauptstadt <strong>Erfurt</strong> zum Bundeswettbewerb "Stadtumbau<br />
Ost" im Jahr 2002 verwendet werden. Nach umfänglichen Vorarbeiten und Analysen, die unter anderem<br />
die Bevölkerungsprognose und die Nachfragesituation auf dem Wohnungsmarkt berücksichtigen, wurden<br />
ein übergeordnetes Leitbild der Stadtentwicklung sowie eine Strategie zum Stadtumbau entwickelt.<br />
Unter Berücksichtigung der besonderen Rahmenbedingungen der Landeshauptstadt wurde in Anlehnung an<br />
die oben genannte Thüringer Richtlinie eine veränderte und erweiterte Gliederung mit den drei Bausteinen<br />
• <strong>Stadtentwicklungskonzept</strong>,<br />
• Stadtumbaukonzept und den<br />
• Teilräumlichen Konzepten<br />
vorgenommen, die untereinander in direkter Wechselwirkung stehen:<br />
Das vorliegende <strong>Stadtentwicklungskonzept</strong> ist übergreifend und gesamtstädtisch angelegt. Als städtische<br />
Entwicklungskonzeption mit dem Zeithorizont 2020 werden Prognosen, Demographie und Szenarien (Kap. 2<br />
und 3) dargestellt. Aufbauend auf einem Leitbild werden sektorale und räumliche Entwicklungsziele für die<br />
Gesamtstadt formuliert (Kap. 4). Entsprechend den Vorgaben der oben genannten Förderrichtlinie stehen<br />
dabei Aussagen zur baulich-räumlichen Entwicklung im Vordergrund. Das <strong>Stadtentwicklungskonzept</strong> basiert<br />
auf einem derzeit noch in Bearbeitung befindlichen Stadtentwicklungsprogramm, das in Ergänzung mit sektoralen<br />
Konzeptionen die Entwicklung der Stadt über den Zeitraum 2020 hinaus umfassend beleuchten wird.<br />
7
<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />
Hierin werden baulich-räumliche, soziale, ökonomische und ökologische Aspekte sowie Projekte der Regionalentwicklung<br />
und Lokalen Agenda betrachtet. Das <strong>Stadtentwicklungskonzept</strong> entstand in der Verantwortung<br />
des Stadtentwicklungsamtes.<br />
Das Stadtumbaukonzept stellt das strategische Vorgehen beim Stadtumbau, Voraussetzungen, Folgen<br />
sowie Grundprinzipien und Prioritäten im Stadtumbau dar. Auf Grundlage eines kleinräumig angelegten,<br />
nachfrageorientierten und indikatorengestützten Stadtbeobachtungssystems kann das Stadtumbaukonzept<br />
kurzfristig alle ein bis zwei Jahre aktualisiert werden und mündet in einem Katalog jeweils geeigneter Umsetzungsmaßnahmen<br />
in den Beobachtungsgebieten. Das Stadtumbaukonzept wurde durch das Amt für<br />
Baukoordinierung, Stadterneuerung und Denkmalpflege erstellt.<br />
Hieran schließen sich dann die daraus abgeleiteten Teilräumlichen Konzepte an, von denen das erste der<br />
neue Masterplan II für die <strong>Erfurt</strong>er Großsiedlungen sein wird. In den Folgejahren werden weitere Teilräumliche<br />
Konzepte für die Erweiterte Altstadt, den Gründerzeitgürtel und den Bereich <strong>Erfurt</strong>-Nord erarbeitet.<br />
Das <strong>Stadtentwicklungskonzept</strong> baut auf dem Flächennutzungsplan, den verbindlichen Bauleitplänen und informellen<br />
Planungen sowie den Fachplanungen der Stadt auf. Aufgrund des langfristigen Horizonts werden<br />
dabei aber auch Planungsinhalte in Frage gestellt und Korrekturen insbesondere an den schon viele Jahre<br />
zurückliegenden Planungen empfohlen.<br />
Auch aufgrund der schwierig im Detail vorhersehbaren Entwicklungstrends stellt das <strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />
keine statische Planung dar. Vielmehr soll die Konzeption mit ihren Einzelbausteinen unter dem Dach<br />
klarer inhaltlicher und räumlicher Leitbilder flexibel und anpassungsfähig an neue Trends bleiben. Hierzu bedarf<br />
es einer laufenden Kontrolle und Anpassung hinsichtlich neuer Erkenntnisse, Realisierungschancen und<br />
tatsächlichen Entwicklungen.<br />
Am Beginn des <strong>Stadtentwicklungskonzept</strong>es steht die Darstellung der demografischen Veränderungen und<br />
ihrer vielfältigen Rückwirkungen auf die Entwicklung der Stadt <strong>Erfurt</strong>. Im anschließenden dritten Kapitel "Be-<br />
8<br />
Abb. 1 - Elemente der Stadtentwicklungsplanung
1. Einführung<br />
standsanalyse und Entwicklungstrends" wird herausgearbeitet, welche Faktoren die zukünftige Entwicklung<br />
der Stadt in den einzelnen Aufgabenbereichen bestimmen.<br />
Ausgehend von diesen Gedanken wird in Kapitel 4 ein Leitbild der künftigen Entwicklung formuliert, auf dem<br />
die Definition von neun Zielbereichen aufbaut. Diese wiederum werden durch die Benennung von Handlungsansätzen<br />
und Maßnahmen untersetzt, welche sich an Nachhaltigkeitskriterien orientieren. Künftige Generation<br />
sollen einen Lebensraum vorfinden, der von Entwicklungschancen und nicht von ökologischen, sozialen,<br />
finanziellen und wirtschaftlichen Altlasten geprägt ist. Im Sinne einer nachhaltigen Planung bildet die<br />
Sicherstellung einer hohen Umweltqualität einen zentralen Bestandteil der zukünftigen Stadtentwicklung.<br />
Aufgrund des Querschnittscharakters dieser Aufgabe wurde auf eine eigenständige Ausarbeitung zum Thema<br />
verzichtet. Vielmehr spiegeln sich Umweltbelange in allen Aussagen, beispielsweise zur Siedlungs-, Verkehrs-<br />
und Freiraumentwicklung, wider.<br />
Die Ziele für die Stadtentwicklung sind langfristig angelegt und werden nicht immer zeitnah realisierbar sein.<br />
Knappe finanzielle Mittel oder andere momentanen Zwänge dürfen aber nicht zu Entscheidungen führen, die<br />
diesen Zielstellungen entgegenstehen und ihre spätere Umsetzung gefährden. Vielmehr ist eine Politik der<br />
kleinen Schritte angezeigt, die sukzessive auf die endgültige Zielerreichung hinführt. Notwendig ist die verstärkte<br />
Einbeziehungen der Bewohner in die Planungs- und Stadtumbauprozesse. Neben der Akzeptanz<br />
notwendiger Maßnahmen kann dadurch auch eine stärkere Identifikation des Einzelnen mit "seiner" Stadt<br />
und "seinem" Stadtteil erreicht werden. Diese wiederum ist die Grundvoraussetzung für eine starkes bürgerschaftliches<br />
Engagement, ohne das die Zukunftsaufgaben der Stadtentwicklung nicht bewältigt werden können.<br />
Hierzu wird das vorliegende Material der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und durch den Stadtrat beschlossen.<br />
9
<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />
10
2<br />
2. Demographischer Wandel und Stadtentwicklung<br />
DEMOGRAFISCHER WANDEL UND<br />
STADTENTWICKLUNG<br />
11
<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />
12
2.1 Demographie<br />
2. Demographischer Wandel und Stadtentwicklung<br />
2.1.1 Bevölkerungsentwicklung bis zum Jahr 2004<br />
<strong>Erfurt</strong> hatte seit den späten 50er-Jahren des 20. Jahrhunderts bis zum Jahr 1988 eine stetig steigende Bevölkerungszahl.<br />
Nach der Wende führten zunächst verschiedene ungünstige Einflussfaktoren zu einer Verringerung<br />
der Bevölkerungszahl im heutigen Gebietsstand. So sank nach anfänglichen starken Wanderungsverlusten<br />
in die alten Bundesländer, dem Rückgang der Geburtenzahl durch die Änderung des generativen<br />
Verhaltens und eine starke Suburbanisierung durch den Abbau aufgestauter Wohnwünsche die Bevölkerungszahl<br />
bis zur Jahrtausendwende dramatisch um etwa 40.000 Einwohner. Die Gebietsreform des Jahres<br />
1994 mit der Eingliederung von 18 Gemeinden mit etwa 16.000 Einwohnern überlagerte diesen Prozess<br />
nur zeitweilig. Die Einführung der Zweitwohnungssteuer beeinflusst seit dem Jahr 2003 das Meldeverhalten<br />
positiv.<br />
Anzahl<br />
225.000<br />
Gebietsreform<br />
220.000<br />
215.000<br />
210.000<br />
205.000<br />
200.000<br />
195.000<br />
190.000<br />
185.000<br />
180.000<br />
1950 1953 1956 1959 1962 1965 1968 1971 1974 1977 1980 1983 1986 1989 1992 1995 1998 2001 2004<br />
Abb. 2 - Bevölkerungszahlen in der Stadt <strong>Erfurt</strong> seit 1950<br />
Inzwischen werden Wanderungsverluste in die alten Bundesländer durch Gewinne aus Thüringen kompensiert.<br />
Gleichzeitig ist die Suburbanisierung auf ein sehr geringes Niveau zurückgegangen. <strong>Erfurt</strong> verzeichnet<br />
Wanderungsgewinne aus nahezu allen Kreisen Thüringens. Seit dem Jahr 2002 kann ein weitgehend ausgeglichenes<br />
Wanderungssaldo festgestellt werden.<br />
Anzahl<br />
2.600<br />
2.400<br />
2.200<br />
2.000<br />
1.800<br />
1.600<br />
1.400<br />
1.200<br />
1.000<br />
1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004<br />
Geburten Gestorbene<br />
Einführung Zweiwohnsitzsteuer<br />
Abb. 3 - Entwicklung der natürlichen Bevölkerungsbewegung<br />
13
<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />
Neben der Wanderungsbewegung ist das negative Geburtensaldo (natürliche Bevölkerungsbewegung) eine<br />
wesentliche Hauptkomponente für die Bevölkerungsentwicklung in <strong>Erfurt</strong>. Seit 1990 zeigt sich ein deutlicher<br />
Gestorbenenüberschuss. Die Zahl der Geburten lag im Jahr 1994 auf dem niedrigsten Niveau der letzten<br />
zwei Generationen und hat in den darauf folgenden Jahren nach einem kontinuierlichen Anstieg jährliche<br />
Geburtenzahlen zwischen 1.600 und 1.700 erreicht. Die Zahl der Sterbefälle sank von 1990 bis 1998 kontinuierlich<br />
und schwankt seitdem um einen Wert von 2.000 Personen. Diese Entwicklung des negativen Geburtensaldos<br />
wird wegen des zunehmenden Anteils älterer Menschen und der sinkenden Anzahl von Frauen<br />
im gebärfähigem Alter nachhaltig sein.<br />
Gesunkene Geburtenzahlen und eine Individualisierung persönlicher Lebensziele haben zu einer grundhaften<br />
Veränderung der Haushaltsgrößenstruktur geführt. Inzwischen dominieren Ein- und Zweipersonenhaushalte<br />
die Verteilung. Minderjährige Kinder sind nur noch in 21 Prozent aller Haushalte anzutreffen.<br />
Die Entwicklung der Haushaltsgrößenanteile ergibt sich überwiegend aus der veränderten Altersstruktur,<br />
wobei einerseits der stets in den Haushalten der Eltern zugeordnete Anteil der Kinderjahrgänge gegenüber<br />
den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts stark rückläufig war und andererseits der Anteil der älteren Erwerbsfähigen<br />
und der Senioren deutlich gestiegen ist.<br />
14<br />
in %<br />
35<br />
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
1981<br />
26%<br />
23%<br />
24%<br />
27%<br />
1-Personen-Haushalt 2-Personen-Haushalt<br />
2004<br />
3-Personen-Haushalt 4-und-mehr-Personen-Haushalt<br />
Quelle: 1981 - Statistisches Jahrbuch der DDR; 2004 - eigene Modellrechnung mit Haupt- und Nebenwohnsitzern<br />
Stand: 31.12. des jeweiligen Jahres<br />
16%<br />
10%<br />
33%<br />
41%<br />
Abb. 4 - Haushaltsgrößen 1981 und 2004<br />
0 bis 3 3 bis 6 6 bis 15<br />
45 bis 60 bis<br />
80 und<br />
60 65<br />
älter<br />
15 bis 18 bis 25 bis<br />
65 bis<br />
18 25 45<br />
80<br />
1980 2004<br />
Abb. 5 - Altersgruppenstruktur im Vergleich der Jahre 1980 und2004
2. Demographischer Wandel und Stadtentwicklung<br />
2.1.2 Bevölkerungsprognose bis zum Jahr 2020<br />
Vor dem Hintergrund der 10. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamts 1<br />
aus dem Jahr 2003 war die Neuerarbeitung der städtischen Bevölkerungsprognose 2 erforderlich. In den Annahmen<br />
wurden dabei einerseits die globalen Trends als auch lokale Besonderheiten berücksichtigt:<br />
Geburten<br />
− weitgehend konstantes Geburtenverhalten<br />
− gemittelte und geglättete alterspezifische <strong>Erfurt</strong>er Geburtenziffern<br />
(zusammengefasste Geburtenziffer: 1.278)<br />
Sterbefälle<br />
− anfangs gemittelte und geglättete alterspezifische Sterbeziffern<br />
− schrittweise Angleichung an die Lebenserwartung der mittleren Variante der 10. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung<br />
des Statistischen Bundesamtes bis zum Jahr 2020 (Jungen: 78,1 Jahre; Mädchen:<br />
83,3 Jahre)<br />
Wanderungsverhalten<br />
− anfänglich ausgeglichen (mittlere Prognosevariante)<br />
− Berücksichtigung der Nah- und der Fernwanderung<br />
− Betrachtung von drei Wanderungsszenarien<br />
Neben der im Jahr 2020 erwarteten Bevölkerungszahl von 181.400 Personen in der mittleren Prognosevariante<br />
bleiben die Grundaussagen aus der vorangegangenen Prognose unverändert:<br />
• Eine weiterhin zu niedrige Geburtenziffer sichert die einfache Reproduktion der Bevölkerung nicht.<br />
• Die von Jahr zu Jahr niedrigere Anzahl von Frauen im gebärfähigem Alter führt zu langfristig sinkenden<br />
Geburtenzahlen.<br />
• Es wird eine zunehmende Überalterung der <strong>Erfurt</strong>er Bevölkerung eintreten.<br />
Dies hat eine anhaltend und zunehmend schneller schrumpfende Bevölkerung zum Ergebnis. Wanderungsbewegungen<br />
können diese Megatrends nur lokal und kurzfristig beeinflussen. Es ist zu erwarten, dass der<br />
gegenwärtige Ausgleich von Wanderungsverlusten über die Landesgrenze durch Zuwanderung Jungerwachsener<br />
aus Thüringen nur noch wenige Jahre Bestand haben wird. Um das Jahr 2010 beginnend wird<br />
dieser Ausgleich nicht mehr gelingen, da das Potential Jungerwachsener auch in Thüringen insgesamt wegen<br />
der stark reduzierten Geburtsjahrgänge seit den 90er-Jahren massiv zurückgeht. In der Folge dieser<br />
Entwicklung wird eine Verstetigung der Wanderungsverluste erwartet.<br />
Die Prognoseergebnisse sind nachstehend für ausgewählte Merkmale und Jahre für die mittlere Variante<br />
zusammengestellt:<br />
Tabelle 1 - Ergebnisse der Bevölkerungsprognose<br />
Jahr insgesamt<br />
davon<br />
unter 18 Jahre 18 Jahre und älter<br />
Geburten<br />
2004 3 199.088 28.960 170.128 1.725<br />
2010 195.800 26.850 168.950 1.650<br />
2015 189.950 27.200 162.750 1.450<br />
2020 181.400 25.000 156.400 1.200<br />
Auch nach dem Jahr 2020 ist mit einer Umkehr der demographischen Trends nicht zu rechnen, da diese bereits<br />
durch Entwicklungen in der Vergangenheit determiniert sind. Wenn die <strong>Erfurt</strong>er Bevölkerungsentwicklung<br />
ab dem Jahr 2020 analog der für das Land Thüringen prognostizierten Entwicklung verläuft ist im Jahr<br />
2040 mit etwa 156.000 Einwohnern zu rechnen. Wird dagegen eine Fortschreibung der im Jahr 2020 für die<br />
1<br />
Statistisches Bundesamt (Hg.): "Bevölkerung Deutschlands bis 2050 - 10. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung", Wiesbaden,<br />
2003<br />
2<br />
Stadt <strong>Erfurt</strong>, Kommunalstatistisches Heft 48, Bevölkerung in <strong>Erfurt</strong> - Bestandsentwicklung bis 10/2003 und Prognose bis 2020, Dezember<br />
2003<br />
3<br />
Die Zahlen für das Jahr 2004 sind Ist-Werte.<br />
15
<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />
Prognoserechnung der Stadt <strong>Erfurt</strong> zugrunde liegenden Annahmen unterstellt, könnte sich die Einwohnerzahl<br />
im Jahr 2040 bis auf 140.500 verringert haben.<br />
2.1.3 Bevölkerungsentwicklung in den einzelnen Siedlungsstrukturen<br />
Der Rückgang der Bevölkerungszahl in der Stadt insgesamt hat sich in den Siedlungsstrukturen differenziert<br />
ausgewirkt.<br />
Dadurch haben sich die Bevölkerungsanteile deutlich verschoben. Während in der städtischen Siedlungsstruktur<br />
mit 49,4 Prozent der Gesamtbevölkerung Ende des Jahres 2004 ein größerer Bevölkerungsanteil als<br />
im Jahre 1990 wohnt und im dörflichen Bereich nahezu eine Verdopplung aus 21,6 Prozent eingetreten ist,<br />
ist der Bevölkerungsanteil in den Plattenbaustadtteilen um mehr als 10 Prozentpunkte auf nunmehr<br />
29,0 Prozent zurückgegangen. Zahlenmäßig entspricht das einem Rückgang in den Großwohnsiedlungen<br />
(Plattenbau) von 89.440 (1990) auf 57.657 Einwohner im Jahr 2004.<br />
Die Schrumpfung in den Großwohnsiedlungen wird von allen drei Komponenten der Bevölkerungsveränderung,<br />
nämlich Geburtensaldo, Außenwanderungssaldo und innerstädtischem Umzugssaldo getragen. Die<br />
Relation der Teilkomponenten hat sich in den letzten Jahren etwas zueinander verschoben.<br />
Die folgenden Abbildungen zeigen die Entwicklung der Wanderungsbewegungen zwischen den Siedlungstypen<br />
in den Jahren 2000, 2002 und 2004.<br />
16<br />
Prozent<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004<br />
städtisch Plattenbau dörflich<br />
Abb. 6 - Anteil der Bevölkerung in den Siedlungstypen an der Stadt <strong>Erfurt</strong> insgesamt<br />
49,4<br />
29,0<br />
21,6
2. Demographischer Wandel und Stadtentwicklung<br />
Abb. 7 - Wanderungen zwischen den Siedlungsstrukturen und über die Stadtgrenze<br />
17
<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />
2.2 Auswirkungen der Bevölkerungsveränderung im Überblick<br />
Folgen für Wirtschaft und Beschäftigung<br />
Sinkende Einwohnerzahlen und ein vermindertes Konsumverhalten älterer Menschen führen zu einer rückläufigen<br />
Nachfrage nach privaten Gütern und Dienstleistungen. Hierdurch werden sowohl der Arbeitsmarkt<br />
als auch der Immobilienmarkt belastet. Gleichzeitig führt der starke Rückgang der Zahl der in das Erwerbsleben<br />
eintretenden Menschen zu einem Mangel an qualifizierten Fachkräften, was zu einem starken Wettbewerb<br />
der Wirtschaftsstandorte führt.<br />
Folgen für die finanzielle Situation der Kommune<br />
Der Bevölkerungsrückgang führt zu einer Belastung des kommunalen Haushalts. Die Einwohnerzahl beeinflusst<br />
den Gemeindeanteil an der Lohn- und Einkommenssteuer sowie die Schlüsselzuweisungen aus dem<br />
kommunalen Finanzausgleich. Nach Einschätzung der Fachkommission "Stadtentwicklungsplanung" des<br />
Deutschen Städtetages führt der Verlust von einem Einwohner zu rund 650 EURO Mindereinnahmen allein<br />
bei den Schlüsselzuweisungen 4 . Hinzu kommen noch indirekte Effekte. Beispielsweise Abnahme ist mit einer<br />
sinkenden Kaufkraft auch eine verminderter Umsatzsteueranteil verbunden.<br />
Folgen für den Wohnungsmarkt<br />
Mit dem Rückgang der Einwohnerzahlen ist ein sinkender Wohnungsbedarf verbunden. Durch die Abnahme<br />
der Haushaltsgröße und die Zunahme an Einpersonenhaushalten geht der Wohnungsbedarf etwas langsamer<br />
zurück als die Einwohnerzahl. Zu erwarten ist die Fortsetzung eines starken Segregationsprozesses,<br />
d. h. eine Bevölkerungsumverteilung in Richtung "guter" und "schlechter" Wohnlagen. Trotz einer hohen Zahl<br />
an Bestandwohnungen werden insbesondere Familien auch weiterhin den Besitz eines Eigenheimes anstreben.<br />
Gleichzeitig führt der höhere Anteil älterer Menschen zu einem steigenden Bedarf nach altengerechtem<br />
Wohnraum und einem entsprechenden Wohnumfeld. Wohnortnahe Einkaufsmöglichkeiten, ärztliche Versorgung<br />
und eine Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) können jedoch dauerhaft nur in<br />
zentralen Lagen gewährleistet werden. Aufgabe der Stadtentwicklung muss es sein, diesen Anforderungen<br />
entsprechende innerstädtische Angebote zu entwickeln.<br />
Folgen für Infrastruktur- und Dienstleistungseinrichtungen<br />
Der Bevölkerungsrückgang wirkt sich in unterschiedlichem Maße und räumlich differenziert auf kommunale<br />
Infrastruktur- und Dienstleistungseinrichtungen aus. Eine sinkende Nachfrage wird zu einer Ausdünnung des<br />
Angebots im ÖPNV führen. Bei den gebührenfinanzierten Ver- und Entsorgungsleistungen sind hohe Fixkosten<br />
bei sinkenden Verbrauchsmengen auf weniger Nutzer zu verteilen. In der Konsequenz drohen im Bereich<br />
der kommunalen Infrastruktur- und Dienstleistungseinrichtungen langfristig steigende Gebühren und<br />
die Zusammenlegung oder Schließung von Einrichtungen wie Kindertagesstätten, Schulen, Kultureinrichtungen<br />
und Sportstätten.<br />
Herausforderungen für die Stadtentwicklung<br />
Die schlaglichtartig umrissenen Folgen des demographischen Wandels zeigen, mit welch komplexer Problemlage<br />
die zukünftige Stadtentwicklung konfrontiert ist. Trotz unterschiedlicher Prognosen wird der Rückgang<br />
der Einwohnerzahlen nicht aufzuhalten sein. Wichtige Rahmenbedingungen für den Umgang mit dem<br />
demographischen Wandel werden von Bund und Land bestimmt. Dennoch ist es möglich, durch eine vorausschauende<br />
Stadtentwicklungspolitik den Bevölkerungsverlust zu begrenzen und die Stadt frühzeitig auf<br />
die Bewältigung des Wandels vorzubereiten. Wesentliche Handlungsfelder sind dabei die Positionierung der<br />
Stadt im Wettbewerb der Städte, Gemeinden und Regionen um Einwohner sowie Maßnahmen zur Integration<br />
von Zuwanderern.<br />
4 Quelle: Stadt Osnabrück: Wachsende Stadt in einer starken Region, S. 11, oder aber Original finden<br />
18
2. Demographischer Wandel und Stadtentwicklung<br />
2.3 Wohnungsbedarfsprognose<br />
Die wichtigste Ableitung aus der Bevölkerungsprognose ist die nach dem künftigen Bedarf an Wohnungen<br />
und deren Regionalisierung im Stadtgebiet, aus denen planerische Vorgaben künftiger Infrastruktur erwachsen<br />
können.<br />
Da Wohnungen grundsätzlich von Erwachsenen nachgefragt werden und Kinderanteile zwischen den Gebieten<br />
stark schwanken, wurde ein Verfahren zur Fortschreibung der Erwachsenenbevölkerung gewählt. Dieses<br />
Verfahren hat den Vorteil hoher Belastbarkeit, da die durchschnittliche Zahl Erwachsener pro bewohnte<br />
Wohnung eine wenig veränderliche gebietstypische Größe darstellt. Teilkomponenten der Veränderung im<br />
Erwachsenenbestand sind einerseits die Salden aus Zu- und Fortzügen sowie Umzügen sowie andererseits<br />
der jährliche Saldo aus Sterbefällen und der Anzahl derer die Erwachsen (18jährig) werden. Der letztgenannte<br />
Saldo ist insbesondere künftig die bestimmende Einflussgröße nicht nur für die Stadt insgesamt,<br />
sondern auch für deren Teilgebiete.<br />
Die Abb. 8 stellt diese Entwicklung für die Stadt insgesamt bis zum Jahr 2020 dar.<br />
Personen<br />
3.000<br />
2.500<br />
2.000<br />
1.500<br />
1.000<br />
1994 1996 1998 2000 2002 2004 <strong>2006</strong> 2008 2010 2012 2014 2016 2018 2020<br />
Ableitbar ist, dass die Erwachsenenzahl aus diesem Saldo in den nächsten Jahren noch Zuwächse erhalten<br />
wird um sich dann stetig zu reduzieren. In der Folge wird bis um das Jahr 2010 der Wohnungsbedarf zunächst<br />
noch steigen um dann stetig zurückzugehen.<br />
Prozent<br />
110<br />
100<br />
90<br />
80<br />
70<br />
60<br />
18jährige Gestorbene ab 2005 Prognoseergebnisse<br />
Abb. 8 - Entwicklung der Sterbefälle und der 18jährigen Bevölkerung<br />
2004 2005 <strong>2006</strong> 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020<br />
Stadt dörflich städtisch Plattenbau Süd Plattenbau Nord<br />
Abb. 9 - Wohnungsbedarfsprognose<br />
19
<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />
Je kleinräumiger die Prognose erfolgt um so größere Unschärfen können in den Prognosewerten eintreten.<br />
Da die <strong>Erfurt</strong>er Bevölkerung aber starke Bindungen an die jeweils eigene Siedlungsstruktur entwickelt hat, ist<br />
es vertretbar teilräumliche Prognosen für die Bereiche städtisch und dörflich, Plattenbau Nord (Berliner<br />
Platz, Rieth, Roter Berg, Moskauer Platz und Johannesplatz) und Plattenbau Süd (Melchendorf, Wiesenhügel<br />
und Herrenberg) abzuleiten. 5<br />
Tabelle 2 - Prognose des Wohnungsbedarfs in Teilgebieten der Stadt<br />
Gebiet<br />
2004 2010 2015 2020<br />
20<br />
Haushalte<br />
städtisch 50.820 54.200 54.400 54.000<br />
Plattenbau 30.294 26.800 23.800 21.700<br />
dörflich 17.310 17.900 17.500 16.900<br />
Stadt insgesamt 98.424 98.900 95.700 92.600<br />
darunter<br />
Plattenbau Süd 12.774 11.600 10.500 9.800<br />
Plattenbau Nord 17.520 15.200 13.300 11.900<br />
Mittelfristig wird in Teilbereichen der Stadt eine Stabilisierung erwartet. Während in den Großwohnsiedlungen<br />
bis 2020 die Nachfrage gegenüber heute um weitere 8.600 Wohnungen zurückgehen wird, wird im Siedlungstyp<br />
"städtisch" im gleichen Zeitraum mit einem Zuwachs um weitere 3.200 Wohnungen gerechnet, bis<br />
2015 sogar kurzfristig bis zu 3.600 WE. Dies ist nicht nur eine mittelfristige Stabilisierung, sondern ein erhebliches<br />
Wachstumspotenzial, das für den Stadtumbau positiv genutzt werden kann. Hier liegen Möglichkeiten,<br />
<strong>Erfurt</strong> im innerstädtischen Siedlungsbereich noch deutlich attraktiver als heute zu machen. Dennoch muss<br />
langfristig davon ausgegangen werden, dass in allen Teilgebieten die Zahl Wohnungen nachfragender<br />
Haushalte schrumpfen wird.<br />
5 Die Siedlungsstruktur bildet die Zusammenfassung ähnlich strukturierter Stadtteile ab.
2. Demographischer Wandel und Stadtentwicklung<br />
2.4 Stadtbeobachtungssystem<br />
Die gewollte Flexibilität der Stadtentwicklungsplanung setzt eine laufenden Beobachtung aktueller Entwicklungen<br />
voraus. Planerische Reaktionen müssen stets frühzeitig möglich sein, um gewollte oder ungewollte<br />
Entwicklungen beeinflussen zu können. Zur Untersetzung dieser Aufgabe wurde ein Stadtbeobachtungssystem<br />
6 konzipiert und aufgebaut. Dieses soll für die Stadt und für genau definierte Beobachtungsgebiete die<br />
langfristige Beobachtung der Entwicklung ermöglichen.<br />
Zur Sicherung der langfristigen Stabilität der Raumbezüge wurden die zu beobachtenden Gebietseinheiten<br />
detailliert abgestimmt. Prämissen für die Gebietsdefinition waren, dass die Beobachtungsgebiete<br />
− sich mindestens aus mehreren Baublöcken zusammensetzen,<br />
− in sich eine Struktur aufweisen, die eine gleichartige Entwicklung des gesamten Beobachtungsgebietes<br />
erwarten lässt,<br />
− keine Stadtteilgrenzen schneiden und<br />
− das Stadtgebiet flächendeckend abbilden.<br />
Damit entstand eine neue Ebene der Stadtgebietsgliederung.<br />
Es wurde ein Indikatorenset erarbeitet, welches die Zahl der Indikatoren auf ein Minimum beschränkt und<br />
damit überschaubar bleibt.<br />
Auf Grund der Abweichung von der traditionellen Gliederung auf Basis von Einheiten der Kleinräumigen<br />
Gliederung ergibt sich eine wesentliche Einschränkung bezüglich der Indikatoren. Darstellbar sind nur solche<br />
Indikatoren, die mit einem Adressbezug möglichst flächendeckend vorliegen. Dies betrifft die flächendeckenden<br />
kommunalen Register:<br />
− Melderegister,<br />
− Statistische Gebäudedatei und<br />
− Kfz-Register.<br />
Bei externen Datenquellen und solchen mit besonders sensiblen Daten ergeben sich Einschränkungen in<br />
der Verortbarkeit und damit im Gebietsbezug. Es wird unterstellt, dass auf deren Nutzung dennoch nicht<br />
verzichtet werden kann, so dass sie als Ergänzungsindikator gebraucht werden. Dies betrifft die Daten der<br />
Bundesagentur für Arbeit und des Sozialamts.<br />
Die Indikatoren werden entweder direkt aus den Registern abgeleitet oder entstehen durch Verknüpfungen.<br />
In wenigen Fällen sind Modellrechnungen erforderlich, um aussagekräftige Indikatoren abzuleiten (Haushaltsquoten,<br />
Leerstandsquoten). Die Kenntnis der Indikatorenbeschreibung ist eine wesentliche Voraussetzung<br />
zur Nutzung des Beobachtungssystems. Das vorliegende Indikatorenset umfasst nunmehr vier Eckdaten,<br />
sechzehn Indikatoren und drei Ergänzungsindikatoren. Das Stadtbeobachtungssystem mit seinem Indikatorenset<br />
bildet die Basis für die Nachfrageabschätzung an Wohnungen in den Quartieren im Rahmen des<br />
Stadtumbaukonzeptes (Teil B).<br />
Die Berechnung erfolgt für verschiedene räumliche Aggregatebenen (Beobachtungsgebiete, Stadtteile, subcity<br />
units des Urban Audit der Europäischen Union, Siedlungsstruktur und Stadt insgesamt). Die Ergänzungsindikatoren<br />
werden für Gebietseinheiten oberhalb der Stadtbeobachtungsgebiete dargestellt.<br />
6 Indikatorenkatalog Beobachtungsgebiete im Stadtbeobachtungssystem, Stadtverwaltung <strong>Erfurt</strong>, September 2003<br />
21
<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />
22
3<br />
3. Bestandsanalyse und Entwicklungstrends<br />
BESTANDSANALYSE UND<br />
ENTWICKLUNGSTRENDS<br />
23
<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />
24
3. Bestandsanalyse und Entwicklungstrends<br />
3.1 Regionale Einordnung<br />
Die Entwicklungsperspektiven einer Kommune werden wesentlich durch ihre Lage, Konkurrenzsituation und<br />
Wechselwirkungen mit anderen Städten und Gemeinden bestimmt. Obwohl <strong>Erfurt</strong> in der geographischen<br />
Mitte Deutschlands und des "neuen" Europas liegt, entspricht die überregionale Bedeutung der Stadt derzeit<br />
nur partiell dieser geographischen Zentralität. Folgende Faktoren sind bei der Beurteilung der Entwicklungschancen<br />
der Stadt von Bedeutung:<br />
<strong>Erfurt</strong> ist der bedeutendste Bevölkerungs-, Wirtschafts-, Verwaltungs- und Arbeitsmarktschwerpunkt in Thüringen<br />
mit teilweiser Ausstrahlung auf die Grenzregionen der benachbarten Bundesländer. Die zentrale Lage<br />
der Stadt innerhalb des Landes, die hohe Versorgungs- und Wirtschaftskraft sowie die Funktion als Landeshauptstadt<br />
bestimmen die Bedeutung für den gesamten thüringischen Raum. Dementsprechend weist der<br />
Landesentwicklungsplan LEP 2004 der Stadt die Funktion eines Oberzentrums zu.<br />
Abb. 10 - Raumstrukturen aus LEP<br />
<strong>Erfurt</strong> bildet das Zentrum einer Stadtregion, zu der neben dem überwiegend ländlich geprägten unmittelbaren<br />
Umland auch der Kranz der Mittelstädte Gotha, Arnstadt, Weimar und Sömmerda zählt. Nach Einschätzung<br />
des Leipziger Instituts für Wirtschafts- und Regionalentwicklung haben im europäischen Wettbewerb<br />
vor allem Ballungsräume von mindestens 5 Mio. Einwohnern sowie Agglomerationsräume mit großen leistungsfähigen<br />
Oberzentren (>300.000 EW) und einer hohen Verdichtung im Umland besonders günstige<br />
Entwicklungsperspektiven als Wirtschaftsstandort 7 . Der engere Raum <strong>Erfurt</strong> mit rund 460.000 Einwohnern<br />
(Stand 2000) ist - im Gegensatz etwa zu den nächstgelegenen Agglomerationsräume Halle/Leipzig und<br />
Nürnberg/Fürth/Erlangen - weder derzeit noch zukünftig in der Lage, diesen Anforderungen zu entsprechen.<br />
7 Institut für Wirtschafts- und Regionalentwicklung (Hg.) : „Raumstrukturelle Entwicklung in Thüringen“ (REIT-Studie), Leipzig 2002<br />
25
<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />
Ein wichtiger Entwicklungsfaktor ist daher die<br />
Lage <strong>Erfurt</strong>s im Zentrum der Thüringer Städtekette.<br />
Insbesondere in den Bereichen Wirtschaft,<br />
Hochschulen und Kultur bestehen intensive<br />
Verflechtungsbeziehungen im Abschnitt<br />
Eisenach-<strong>Erfurt</strong>-Jena. Dieser Raum<br />
wird in einem Gutachten des Leipziger Leibniz-Instituts<br />
für Länderkunde als ein der vier<br />
"Stabilitätsinseln" gesehen, die sich innerhalb<br />
eines flächendeckenden Schrumpfungsprozesses<br />
in Ostdeutschland zukünftig<br />
durch einen vergleichsweise geringen Bevölkerungsrückgang<br />
und eine relative Ausbildungs-<br />
und Arbeitsplatzattraktivität auszeichnen<br />
werden 8 . Ein Schwerpunkt des<br />
kommunalen Handelns muss daher eine Intensivierung<br />
der Zusammenarbeit der Städte<br />
sein, um "fehlende Ballungsraumvorteile"<br />
ausgleichen zu können.<br />
Festzuhalten bleibt, dass der wirtschaftliche<br />
Erfolg der Stadt <strong>Erfurt</strong> und das Maß des<br />
Einwohnerverlustes in der Stadt <strong>Erfurt</strong> in hohem<br />
Maße von der Entwicklung in der Region<br />
und in Thüringen insgesamt abhängig ist.<br />
Der Einwohnerverlust in Thüringen führt<br />
zwangsläufig zu einer sinkenden Einzelhandelsnachfrage<br />
und einem Abbau von Verwaltungskapazitäten<br />
in <strong>Erfurt</strong>. Umgekehrt stärken<br />
Ansiedlungserfolge in der Region - wie<br />
etwa das künftige Kompetenzzentrum zur<br />
Wartung und Instandhaltung von Airbus-<br />
Triebwerken in Arnstadt - auch das Oberzentrum<br />
<strong>Erfurt</strong>.<br />
Die Zentralität und somit auch der zukünftige wirtschaftliche Erfolg von Stadt und Region sind zudem stark<br />
abhängig von der Fertigstellung laufender und geplanter Verkehrsinfrastrukturmaßnahmen in Verantwortung<br />
des Bundes. Durch die Realisierung der Autobahn A 71 im Abschnitt <strong>Erfurt</strong>-Meiningen sind die Verflechtungsbeziehungen<br />
insbesondere zwischen dem Raum Ilmenau und <strong>Erfurt</strong> stärker geworden. Mit der durchgehenden<br />
Fertigstellung der Autobahnen A 71 und A 73 nach Süden wird eine bessere Anbindung an die<br />
dynamischen Wirtschaftsräume im Süden und Südwesten Deutschlands erzielt. Zugleich aber wird sich eine<br />
neue Konkurrenzsituation zu den Städten Schweinfurt, Würzburg, Coburg und Bamberg um Kaufkraftpotentiale<br />
aus dem Raum Südthüringen/Nordfranken ergeben. Der Bau der Autobahn zwischen Eisenach und<br />
Kassel wird zur Verbesserung der Erreichbarkeit des Wirtschaftsraumes Nord-West-<br />
Deutschland/Niederlande beitragen. Belastet wird die Entwicklungsperspektive der Stadt durch Unklarheiten<br />
hinsichtlich der Fertigstellung der ICE-Neubaustrecke München-<strong>Erfurt</strong>-Berlin.<br />
Die demographische Entwicklung lässt innerhalb der Region Umschichtungen großen Ausmaßes erwarten.<br />
Die verbleibenden Menschen werden sich für Wohnstandorte mit den größten Vorteilen entscheiden. Dadurch<br />
verliert das weitere Umland immer schneller Einwohner. <strong>Erfurt</strong> wird zum Ballungsraum der verbleibenden<br />
Bevölkerung und hat dann als Agglomerationsmagnet noch größere Bedeutung für die Entwicklung Thüringens<br />
als bisher.<br />
8<br />
Leibnitz-Institut für Länderkunde (Hg.): "Regionale Differenzierung der demographischen Entwicklung in den neuen Ländern", Leipzig<br />
2004<br />
26<br />
Abb. 11 - Raumkategorien
3.2 Siedlungsentwicklung und Stadtstruktur 9<br />
3. Bestandsanalyse und Entwicklungstrends<br />
Die Entwicklungsperspektiven einer Stadt leiten sich u. a. aus den Besonderheiten der jeweiligen Stadtstruktur<br />
ab. Diese wird maßgeblich durch naturräumliche Voraussetzungen und den Einfluss politischer, ökonomischer<br />
und sozialer Veränderungen bestimmt.<br />
3.2.1 Naturräumliche Gegebenheiten<br />
Die Stadt <strong>Erfurt</strong> liegt im Zentrum des flachwelligen Thüringer Beckens zwischen dem Thüringer Wald im Süden<br />
und dem Harz im Norden. Das kompakt bebaute Stadtgebiet erstreckt sich hauptsächlich in der flachen<br />
Gera-Unstrut-Niederung in einer Höhenlage zwischen ca. 160 m NN und 200 m NN sowie auf den flach bis<br />
mittel geneigten Hängen des <strong>Erfurt</strong>-Kranichfelder Hügellandes, der südwestlichen Ausläufer der Fahner Höhe<br />
und des Alach-Gamstädter Lössplateaus bis in Höhen über 300 m NN. Der Talboden des Geratales ist im<br />
Südwestteil des Stadtgebietes nur 200 m bis 500 m schmal und weitet sich nach Norden bis auf eine Breite<br />
von 8 km.<br />
3.2.2 Historische Entwicklung<br />
Die erste urkundliche Erwähnung als Erphesfurt stammt aus dem Jahr 742. Bedingt durch die Lage am<br />
Kreuzungspunkt alter deutscher und europäischer Handelsstraßen, entwickelte sich <strong>Erfurt</strong> im Mittelalter zu<br />
einem wichtigen Handelszentrum. Mit ca. 18.000 bis 20.000 Einwohnern erblühte die Stadt im 14. und 15.<br />
Jahrhundert zu einer mittelalterlichen Großstadt und erreichte damit den Gipfel ihrer wirtschaftlichen, politischen<br />
und geistig-kulturellen Entwicklung im Mittelalter. Großen Anteil hieran hatte die 1392 gegründete <strong>Erfurt</strong>er<br />
Universität.<br />
Im späten Mittelalter jedoch begann ein wirtschaftlicher Niedergang, der sich bis zum Ende des Dreißigjährigen<br />
Krieges 1618 - 1648 fortsetzte. Während der Zeit der politischen Abhängigkeit der Stadt von den Mainzer<br />
Erzbischöfen wurden im 17. und 18. Jahrhundert bedeutende Bauvorhaben, wie der Ausbau von Petersberg<br />
und Cyriaksburg zu Festungen, der Neubau der Statthalterei am Hirschgarten sowie des Waage- und<br />
Packhofes am Anger, ausgeführt. Eine entscheidende Verbesserung der wirtschaftlichen Lage gelingt dagegen<br />
trotz der Bemühungen einzelner kurmainzischen Statthalter nicht. Eine Ausnahme bildet der erwerbsmäßige<br />
Gartenbau, dessen Grundalgen in dieser Zeit durch Johann Christian Reichart geschaffen wurden.<br />
1802 erfolgte die Angliederung <strong>Erfurt</strong>s an den preußischen Staat. Mit Bau der Eisenbahn 1849 wurde eine<br />
sprunghafte Stadtentwicklung eingeleitet. Wesentlich für die Herausbildung der heutigen Stadtstruktur war<br />
die Entfestigung der Stadt zwischen 1871 und 1898. Im Jahre 1906 erreichte <strong>Erfurt</strong> die 100.000-Einwohner-<br />
Grenze und wurde zur Großstadt. Mit der Entfestigung wurde die Voraussetzung für bis heute strukturbestimmende<br />
Maßnahmen geschaffen: Durch den Bau des Flutgrabens wurde die Überschwemmungsgefahr<br />
für die Stadt beseitigt. Gleichzeitig konnte das Flussbett der Wilden Gera im Verlauf des ersten mittelalterlichen<br />
Mauerringes zugeschüttet und zum Bau einer Ring-Straße (heute Juri-Gagarin-Ring) genutzt werden.<br />
Außerhalb des zweiten Mauerring entstanden zwischen 1875 und 1905 mit dem so genannte Gründerzeitgürtel<br />
neue Vorstädte. 1906 erreichte <strong>Erfurt</strong> die 100.000-Einwohner-Grenze und wurde zur Großstadt. Getragen<br />
von einer dynamischen industriellen und gewerblichen Entwicklung entstanden unter anderem im<br />
Brühl, vor allem aber im Norden und Osten der Stadt wichtige Industriestandorte.<br />
Zugleich vollzog sich ein großer Stadtumbau- und Modernisierungsprozess, der das Bild aber auch die<br />
Funktionen und die Identität der Stadt bis heute prägt: An die Stelle kleinteiliger Bebauung etwa entlang des<br />
Angers traten neue Wohn- und Geschäftshäuser, Verwaltungsgebäude wie das Neue Rathaus oder die<br />
Hauptpost entstanden. Rund um den neuen Bahnhof wurde ein großstädtisches Bahnhofsviertel errichtet.<br />
Synonym hierfür waren die Hotels „<strong>Erfurt</strong>er Hof“ und „Kossenhaschen“. Traditionsreiche Einrichtungen wie<br />
Alte Oper, Theater, Stadtgarten und die kulturelle Nutzung des ehemaligen Pack- und Waagehofes (Angermuseum)<br />
haben ihre Wurzeln in dieser Zeit. Wesentlicher Bestandteil des Umbauprozesses war zudem die<br />
Schaffung verschiedener Promenaden und städtischer Parkanlagen wie der Hirschgarten, die Grünanlage<br />
auf der Cyriaksburg und insbesondere die Schaffung der Grünbereiche entlang des Flutgrabens. 10<br />
Zugleich wurden am Rand der Stadt technische und soziale Infrastruktureinrichtungen errichtet, die noch<br />
heute für die Stadtentwicklung von Bedeutung sind. Beispiele hierfür sind die heute von Universität und<br />
9 Landeshauptstadt <strong>Erfurt</strong>, Stadtverwaltung, Dezernat Stadtentwicklung, Verkehr und Wirtschaftsförderung, Stadtentwicklungsamt<br />
(Hg.): „Flächennutzungsplan der Landeshauptstadt <strong>Erfurt</strong>“, Erläuterungsbericht<br />
10 Dr. Bauer, A.: „<strong>Erfurt</strong>er Vereine im 19. Jahrhundert“. In: Stadt und Geschichte, Sonderheft 4 - „Preußen in <strong>Erfurt</strong>“, S. 22 ff.<br />
27
<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />
Fachhochschule genutzten Gebäude der Kunstgewerbeschule am Hügel und der Königlichen Baugewerkeschule<br />
an der Schlüterstraße, der Krankenhausstandort in der Nordhäuser Straße, die Betriebsstätten der<br />
Straßenbahn in der Magdeburger Allee, der Kraftwerksstandort Iderhoffstraße und die umfänglichen Bahnanlagen<br />
im Osten der Stadt.<br />
Nach dem ersten Weltkrieg setzte sich die Entwicklung <strong>Erfurt</strong>s zu einer modernen Großstadt fort. Insbesondere<br />
wurden die Grundlagen für die heute strukturbestimmenden Sport- und Verwaltungsstandorte geschaffen:<br />
Im Süden entstanden die Mitteldeutsche Kampfbahn, die Thüringenhalle sowie Verwaltungsgebäude im<br />
Bereich der Arnstädter Straße, in der nördlichen Gera-Aue die Radrennbahn und das Nordbad. Zeitgleich errichtete<br />
man bis in die 30er Jahre hinein reine Wohnsiedlungen am Stadtrand. 1935 wurde mit dem Bau der<br />
Wohnanlage Moritzhofes im Andreasviertel mit der Altstadtsanierung begonnen.<br />
<strong>Erfurt</strong> hat den zweiten Weltkrieg - im Vergleich zu anderen Städten - relativ unbeschadet überstanden.<br />
Gleichwohl waren empfindliche Verluste an wertvoller Gebäudesubstanz zu verzeichnen. Nachdem für den<br />
vollständigen Wiederaufbau des Augustinerklosters eine Lösung gefunden wurde, steht dieses für die Barfüßerkirche<br />
und das Collegium Majus noch heute aus.<br />
Nach 1945 und hauptsächlich in den 60er Jahren setzte durch eine extensive Wohnungsbauentwicklung die<br />
dritte große Stadterweiterung ein, die bis Ende der 80er Jahre andauerte. Motor der Stadtentwicklung waren<br />
die Weiterentwicklung der traditionsreichen Industrien sowie die Funktion als Bezirksstadt. Bedingt durch die<br />
topographische Situation hat <strong>Erfurt</strong> in dieser Periode eine deutliche Nord-Süd-Ausrichtung erfahren. Ausgehend<br />
von den Industrieansiedlungen des 19. Jahrhunderts wurden im Norden die Großwohnsiedlungen Johannesplatz,<br />
Rieth, Berliner Platz, Moskauer Platz und Roter Berg mit ca. 20.000 Wohnungen erbaut. Im<br />
Südosten sind bandartig die Großwohnsiedlungen Herrenberg, Wiesenhügel, Drosselberg und Buchenberg<br />
mit insgesamt ca. 14.500 Wohnungen entstanden. Durch diese Entwicklung wurden die ehemals dörflich<br />
geprägten Ortschaften Gispersleben sowie Melchendorf und Windischholzhausen an den Stadtkörper angebunden.<br />
Die fast ausschließliche Ausrichtung auf den Bau von Großwohnsiedlungen führte zur Vernachlässigung<br />
der Erhaltung und Erneuerung der Innenstadt. Hinzu kam in den 70er und 80er Jahren ein bewusster<br />
Umbauprozess: am südlichen und östlichen Ring sowie am Huttenplatz hielt der Plattenbau Einzug in die Innenstadt,<br />
Ambitionen zur Schaffung eines Straßenrings beschleunigten den Verfall des Andreasviertels.<br />
Die 90er Jahre nach der politischen Wende 1989/90 waren von einer regen Bautätigkeit geprägt. Bestimmende<br />
Faktoren waren dabei zum einen die in der gesamten ehemaligen DDR zu beobachtende "nachholende<br />
Entwicklung" etwa im Bereich des Eigenheimbaus und des Einzelhandels, zum anderen die Entscheidung,<br />
<strong>Erfurt</strong> zur Landeshauptstadt des neu gegründeten Freistaates Thüringen zu machen.<br />
Es wurden Einkaufszentren im Bereich der Äußeren Stadt, Bürohäuser im Raum Bindersleben, die neue<br />
Messe und weiterer Neubauten im Bereich der Inneren Stadt errichtet. Der aufgestaute Bedarf im Einfamiliehausbau<br />
erforderte eine zügige Ausweisung von entsprechenden Bauflächen. Mit dem Wohngebiet Ringelberg<br />
erfolgte eine größere Stadterweiterung im Osten der Stadt. Neu errichtete und umgenutzte Einrichtungen<br />
der Landesregierung konzentrieren sich heute zwischen Innenstadt und Steigerwald. Mit der Nutzung<br />
der barocken Statthalterei am Hirschgarten als Sitz des Ministerpräsidenten hat die Innenstadt auch eine repräsentative<br />
Funktion der Landesregierung übernommen.<br />
Parallel zur Flächenexpansion fielen im Zusammenhang mit Betriebsaufgaben zahlreiche ehemals gewerblich<br />
genutzte Flächen brach. Vergessen wird jedoch oft, dass seit 1990 zahlreiche Brachflächen neuen Nutzungen<br />
zugeführt wurden: Beispielhaft genannt seien die Kaufhausstandorte in der Schlösserstraße und<br />
neue Quartiere auf ehemaligen Gewerbeflächen am Stadtpark, in der Häßlerstraße und der Rudolfstraße.<br />
Darüber hinaus wurden - beispielsweise durch die Entwicklung des Venedig und der Öffnung des Petersberges<br />
- innerstädtische Freiraumpotenziale aktiviert.<br />
Ein zentraler Schwerpunkt der <strong>Erfurt</strong>er Stadtentwicklung seit 1990 ist die Sicherung der vom Verfall bedrohten<br />
Altbausubstanz. Mit der 1990 durch das Land ausgelösten "Thüringer Initiative zur Gebäudesicherung"<br />
sollte neben dem Erhalt der denkmalpflegerischen und städtebaulichen Werte auch dem Mangel an Wohnraum<br />
begegnet werden. Auf Grund der historischen und baukünstlerischen Bedeutung der Altstadt und der<br />
dort anstehenden städtebaulichen, baulichen und sozialen Missstände wurde bereits 1991 fünf Gebiete mit<br />
einer Fläche von ca. 20 ha förmlich als Sanierungsgebiete festgesetzt. 1992 schließlich wurde das Gesamtgebiet<br />
"Erweiterte Altstadt" als Sanierungsgebiet festgesetzt.<br />
Das Gesetz zur Neugliederung der Kreise in Thüringen verfügte 1994 die Eingemeindung von 17 Ortschaften<br />
in das Stadtgebiet von <strong>Erfurt</strong>. Mit dieser administrativen Stadterweiterung vergrößerte sich die Fläche der<br />
28
3. Bestandsanalyse und Entwicklungstrends<br />
Landeshauptstadt von ca. 10.706 ha auf ca. 26.908 ha. Dem Flächenzuwachs von gut 150 % stand ein Einwohnerzuwachs<br />
von lediglich 6,8 % gegenüber.<br />
Mit der Gebietsreform erfolgte eine Ost-West-Ausrichtung der Stadt. Entlang der Weimarischen Straße<br />
zeichnet sich ein Siedlungsband <strong>Erfurt</strong>-Linderbach-Güterverkehrszentrum ab. Im Westen der Stadt finden<br />
vermehrt Entwicklungen in Richtung Flughafen/Bindersleben und Messe/Schmira statt, da sowohl hinsichtlich<br />
technischer Erschließung als auch der verkehrlichen Anbindung günstige Voraussetzungen für Wohnungsbauerweiterungen<br />
und Gewerbeansiedlungen gegeben sind. Durch die Planung der Wohngebiete im<br />
Westen (Marbach) und im Osten (Ringelberg) wurde die Achsenentwicklung Ost - West weiter gestärkt und<br />
das Gesamtgefüge der Stadt in eine flächige Ausgewogenheit gebracht.<br />
3.2.3 Stadträumliche Gliederung<br />
Aufgrund der oben skizzierten Entwicklungsphasen der Stadtentwicklung gliedert sich das <strong>Erfurt</strong>er Stadtgebiet<br />
in vier räumliche Teilbereiche:<br />
Erweiterte Altstadt mit City<br />
Die Erweiterte Altstadt umfasst mit einer Fläche von ca. 300 ha das Gebiet zwischen Straße der Friedens,<br />
Rudolfstraße, Biereyestraße, Gutenbergstraße, Moritzwallstraße und Schlüterstraße im Westen und Norden<br />
sowie dem die östliche und südliche Grenze bildenden Flutgraben. Der in diesem Areal liegende mittelalterliche<br />
Stadtkern <strong>Erfurt</strong>s ist einer der am besten erhaltenen und mit ca. 150 ha der flächenmäßig größte<br />
Deutschlands.<br />
Die Erweiterten Altstadt ist durch vielfältige Handels- und gastronomische Einrichtungen geprägt. Öffentliche<br />
Verwaltung, Dienstleistungsunternehmen, Freizeitanbieter sowie Gesundheitseinrichtungen nutzen ebenfalls<br />
die Vorteile dieser zentralen Lage. Das Rückgrat dieses klassischen Stadtzentrums (City) bilden die Straßenzüge<br />
Bahnhofstraße (Bahnhof) - Schlösserstraße - Fischmarkt (Rathaus) - Domplatz und Kaufmannskirche<br />
(Anger 1) - Anger - Neuwerkstraße - Hirschgarten. Die Angerkreuzung als Schnittpunkt dieser Achsen<br />
ist der Ort mit der höchsten innerstädtischen Zentralität.<br />
Eine Besonderheit <strong>Erfurt</strong>s ist der<br />
hohe Anteil innerstädtischer<br />
Wohnfunktionen. Neben einer<br />
flächendeckenden Nutzungsmischung<br />
etabliert sich das kleinteilige<br />
Andreasviertel als beliebtes<br />
innerstädtisches Wohngebiet.<br />
Weitere Wohnnutzungen finden<br />
sich südwestlich der Langen Brücke<br />
bis hin zur Walkmühlstraße<br />
sowie entlang des Juri-Gagarin-<br />
Ringes in Form von Wohnscheiben<br />
in industrieller Bauweise.<br />
Innere Stadt<br />
Die Innere Stadt wird im Wesentlichen<br />
durch den sich ringförmig<br />
um die erweiterte Altstadt schließende<br />
Gründerzeitgürtel gebildet.<br />
Daneben gehören die in den 20er<br />
und 30er Jahren sowie zwischen<br />
1954 bis 1965 im Charakter der<br />
Gartenstadt entstandene Wohngebiete<br />
sowie der in industrieller<br />
Bauweise errichtete Johannesplatz<br />
(ab 1965) und Huttenplatz<br />
(80er Jahre) zur Inneren Stadt.<br />
Der sich an die erweiterte Altstadt<br />
anschließende Gründerzeitgürtel<br />
ist durch seine Blockbebauung mit<br />
Abb. 12 - Stadträumliche Gliederung<br />
29
<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />
überwiegender Wohnnutzung gekennzeichnet. In den östlichen und nordwestlichen Randlagen finden sich<br />
aber auch gemischt strukturiert bzw. vorrangig gewerblich genutzte Bereiche.<br />
Äußere Stadt<br />
Die Äußere Stadt umfasst das gesamte übrige, kompakt bebaute Stadtgebiet. Dazu zählen die Großwohnsiedlungen<br />
in Norden und Südosten der Stadt, das neu entstandene Wohngebiet am Ringelberg sowie die<br />
Siedlungsbänder, welche sich in Richtung Messe/Schmira, Flughafen/Bindersleben, Mittelhausen, Stotternheim<br />
sowie entlang der Weimarischen Straße bis Linderbach herausgebildet haben.<br />
Neben den zuvor genannten Wohnnutzungen der Großwohnsiedlungen und am Ringelberg befinden sich in<br />
der Äußeren Stadt typische Arbeitersiedlungen der 30iger Jahre, wie z. B. Sulzer Siedlung, Salinesiedlung,<br />
Peterbornsiedlung, sowie neue Einfamilienhausgebiete, wie z. B. An der Weinsteige in Bindersleben, Entwicklungsmaßnahme<br />
Nordhäuser Straße oder An den Teichen in Windischholzhausen.<br />
Die Äußere Stadt ist typischerweise auch der Bereich für industrielle und gewerbliche Nutzungen. Ausgehend<br />
von den traditionellen Industrie- bzw. Gewerbegebieten im Norden der Stadt entwickelten sich bandartig<br />
vorrangig von Gewerbe geprägte Bereich bis nach Mittelhausen und Stotternheim. Weitere Schwerpunkte<br />
gewerblicher Nutzungen sind Standorte im Südosten sowie das Siedlungsband entlang der Weimarischen<br />
Straße bis hin zum Güterverkehrszentrum in Linderbach. Gemischt strukturierte Bereiche verbinden die<br />
Wohn- und Gewerbenutzungen miteinander.<br />
Peripherie<br />
Das kompakt bebaute Stadtgebiet wird von einer zwei bis fünf Kilometer tiefen, typischen "Stadtrandzone" -<br />
der Peripherie - umschlossen. Sie umfasst den Großteil der eingemeindeten Dörfer.<br />
Diese Zone ist geprägt durch landwirtschaftliche Nutzflächen und eine Vielzahl von Kleingartenanlagen. Die<br />
Ortschaften weisen zumeist eine typisch ländliche Mischnutzung auf. Jedoch findet sich fast in jeder Ortschaft<br />
ein, zumeist noch vor der Gebietsreform geplantes, Einfamilienhausgebiet, das nicht in jedem Fall eine<br />
harmonische Abrundung der dörflichen Strukturen darstellt. Insbesondere Marbach hat sich zu einem bedeutenden<br />
Wohnstandort entwickelt. In einigen Ortschaften wurden zusätzlich Gewerbegebiete ausgewiesen,<br />
wobei Kerspleben als das Bedeutendste dieser Kategorie zu nennen ist.<br />
3.2.4 Siedlungsstruktur der Stadtregion<br />
Die Stadtregion <strong>Erfurt</strong> als engerer Verflechtungsbereich der Landeshauptstadt umfasst das in weiten Teilen<br />
ländlich geprägte Umland und den Kranz der Mittelstädte Gotha, Arnstadt, Weimar und Sömmerda. In diesem<br />
Gesamtraum ist zwischen 1990 und 2004 ein Rückgang von rund 479.000 Einwohnern auf 453.000<br />
Einwohner zu verzeichnen gewesen. Dabei sind jedoch sehr große teilräumliche Unterschiede zu beobachten,<br />
da die siedlungsstrukturelle Entwicklung durch den Bau von Eigenheimen und eine verstärkte Ansiedlung<br />
von Gewerbe im Umland beeinflusst gewesen ist.<br />
Dieser so genannte Suburbanisierungsprozess verlief, vor allem in den erst 1994 eingemeindeten Umlandgemeinden,<br />
weitgehend unkoordiniert. Wesentlicher Grund dafür war die schnelle Ausweisung von Bauland<br />
nach 1990 und in ganz entscheidendem Maße der Baulandpreis. Dennoch ist dieser Prozess im Vergleich<br />
zu anderen Städten (wie etwa Leipzig) im Raum <strong>Erfurt</strong> relativ moderat verlaufen, so dass die ländliche Prägung<br />
des Umlandes überwiegend erhalten geblieben ist. Ein Großteil der Wohnungsbauentwicklung vollzog<br />
sich im Bereich der 1994 in die Stadt <strong>Erfurt</strong> eingemeindeten Dörfer (z. B. Frienstedt, Salomonsborn, Tiefthal).<br />
Die im Raum <strong>Erfurt</strong> sichtbaren Ansätze einer Suburbanisierung finden sich somit im Wesentlichen im<br />
Stadtgebiet selbst.<br />
Außerhalb der Stadtgrenzen sind nur wenige Orte entscheidend gewachsen, bereits im 20 km-Radius um<br />
die Stadt weisen viele Gemeinden Einwohnerverluste auf. Nur wenige Orte konnten - meist in Kombination<br />
mit der Entwicklung von großen Gewerbeflächen - ein Wachstum auf eine Größe erreichen, die zumindest<br />
mittelfristig den Erhalt einer tragfähigen Infrastruktur erlaubt (z. B. Elxleben und Neudietendorf). Zahlreiche<br />
Orte dagegen haben nur wenige hundert Einwohner und sind auf Versorgungs- und Dienstleistungseinrichtungen<br />
in den Nachbargemeinden und insbesondere der Stadt <strong>Erfurt</strong> angewiesen. Dieses Problem wird sich<br />
vor dem Hintergrund fortschreitender Einwohnerverluste in Zukunft weiter verschärfen.<br />
30
3. Bestandsanalyse und Entwicklungstrends<br />
Abb. 13 - Wanderungssalden <strong>Erfurt</strong> gegenüber den Gemeinden Mittelthüringens 1994 bis 2001<br />
Der Prozess der Stadt-Umland-Wanderung hat sich inzwischen deutlich abgeschwächt bzw. in Teilen auch<br />
umgekehrt. Positiv wirkt hier zum einen die Aktivierung von Baulandpotentialen im Nahbereich der <strong>Erfurt</strong>er<br />
Kernstadt (z. B. Ringelberg, Sulzer Siedlung). Das gute Angebot an attraktiven Wohnmöglichkeiten im Inneren<br />
der Stadt ist ein wesentlicher Standortvorteil <strong>Erfurt</strong>s, der darüber hinaus von Bedeutung für die gesamte<br />
Region ist.<br />
Absehbar ist, dass der zukünftig zu erwartende Bevölkerungsrückgang regional differenziert verlaufen wird,<br />
da die verbleibenden Menschen sich für die Wohnstandorte mit den größten Vorteilen entscheiden werden. 11<br />
Da nur in den Zentren dauerhaft eine umfassende infrastrukturelle Ausstattung bereit gestellt werden kann,<br />
wird das Umland vermutlich schneller als die Stadt <strong>Erfurt</strong> an Einwohnern verlieren. Denkbar - ja sogar wahrscheinlich<br />
- ist ein Szenario der Siedlungsentwicklung, welches durch eine zunehmende interkommunale<br />
Konkurrenz um das immer knapper werdende Erwerbspersonen-Potential geprägt sein wird 12 .<br />
11<br />
Thießen, F. / Patt, P.W. / Goßmann, M.: „Geisterstädte und Boomtowns - Konsequenzen der Demographie“. In: Immobilienbrief, März<br />
2003<br />
12<br />
Institut für ökologische Raumentwicklung e. V. (Hg.): „Siedlungsstrukturelle Veränderungen im Umland der Agglomerationsräume“<br />
(Überarbeiteter Abschlussbericht), Dresden, Juli 2002<br />
31
<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />
3.3 Wohnen<br />
Im Zentrum des <strong>Stadtentwicklungskonzept</strong>es stehen Aussagen zur Entwicklung der Bevölkerungszahl und<br />
des Wohnungsmarktes und den sich hieraus ergebenden baulich-räumlichen Handlungserfordernissen. Im<br />
Folgenden werden daher bestimmende Faktoren und mögliche Entwicklungen des <strong>Erfurt</strong>er Wohnungsmarktes<br />
dargestellt.<br />
3.3.1 Analyse des Wohnungsbestandes<br />
Der <strong>Erfurt</strong>er Wohnungsbestand stellt sich im Jahr 2003 zahlenmäßig wie folgt dar:<br />
Die verschiedenen Wohnnutzungen verteilen sich dabei über das gesamte Stadtgebiet (vgl. Abb. 15).<br />
Nachstehend werden die verschiedenen Wohnbausubstanzen hinsichtlich ihrer Stärken und Schwächen analysiert:<br />
Bausubstanz vor 1870<br />
Die vor 1870 errichtete Bausubstanz findet sich fast ausschließlich in der erweiterten Altstadt. Aufgrund ihrer<br />
heterogenen Nutzung ist diese, insbesondere im Bereich der City, für Wohnnutzungen nur teilweise geeignet.<br />
Zum Beispiel führen von gastronomischen Einrichtungen ausgehende Lärmemissionen zu Konflikten mit<br />
Bewohnern, die teilweise Einschränkungen für die gewerbliche Nutzer nach sich zogen.<br />
Dagegen konnte das Andreasviertel und der Bereich Lange Brücke/Fischersand mit gezielter Förderung von<br />
Sanierungsmaßnahmen, angepassten Ergänzungen der Bausubstanz sowie durch qualitätsvolle Gestaltung<br />
der vorhandenen städtischen und privaten Freiräume als Wohnstandort stabilisiert werden. Sie zählen heute<br />
zu den begehrtesten Wohnlagen der Innenstadt.<br />
Der Wohnungsbestand in der Altstadt weist aber, vor allem in Randbereichen, auch noch Bereiche mit gravierenden<br />
Substanz- und Funktionsmängeln und damit verbundene hohe Leerstände auf.<br />
Gebiete gründerzeitlicher Prägung von 1870 - 1920<br />
Die Gründerzeitgebiete im südlichen und südwestlichen Stadtgebiet sowie entlang der Geraaue gelten als<br />
bevorzugte Wohnlagen. Sie sind nahezu durchgängig intakt.<br />
Die gründerzeitlichen Wohngebiete im Norden und Osten weisen trotz fortgesetzter Sanierungstätigkeit und<br />
seit 1998 wieder zunehmender Einwohnerzahlen in einigen Teilbereichen noch immer deutlich erhöhte Leerstandsquoten<br />
auf. In der Krämpfervorstadt und der Johannesvorstadt konnten seit 1996 im Rahmen verschiedener<br />
Programme der Stadterneuerung, wie dem URBAN-Programm der EU, der Stadtsanierung und<br />
dem Programm "Soziale Stadt" die Lebensbedingungen deutlich verbessert und der Wohnwert gesteigert<br />
werden. Zugleich besteht in einigen Teilgebieten eine spürbare Konzentration sozialer Problemlagen, wie<br />
z. B. eine überdurchschnittlich hohe Arbeitslosigkeit. Dem steht ein überdurchschnittlich niedriges Durchschnittsalter<br />
der Wohnbevölkerung gegenüber. Eine Verbesserung des traditionell schlechten Images mancher<br />
dieser Wohnlagen erfolgt trotz intensiver Maßnahmen der Stadterneuerung erst mit den Jahren. Neben<br />
Mängeln im Wohnumfeld und einem erhöhten Stellplatzdefizit trägt im Bereich der Hauptnetzstraßen eine<br />
starke Verlärmung zu lokal erhöhten Leerstandsquoten bei.<br />
32<br />
47.200<br />
9.240<br />
4.660<br />
13.200<br />
40.200<br />
Wohnungsbestand 2003 gesamt 112.250 WE 100 %<br />
darunter ca.<br />
Altbestand - Geschosswohnungsbau<br />
bis 1990 (ohne Plattenbau) 40.200 WE 36 %<br />
Altbestand Einfamilienhäuser bis 1990<br />
Plattenbau bis 1990 und Fertigstellung<br />
13.200 WE 12 %<br />
nach 1990<br />
Neubau Geschosswohnungsbau nach<br />
43.360 WE 39 %<br />
1990 (ohne Fertigstellung Plattenbau) 10.060 WE 9 %<br />
Neubau Einfamilienhausbau nach 1990 5.460 WE 5 %<br />
Abb. 14 - Wohnungsbestand per 2003
3. Bestandsanalyse und Entwicklungstrends<br />
Abb. 15 - Wohnungsbestand nach Baualter und Bautyp<br />
33
<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />
Wohngebiete von 1920 bis 1964<br />
Im Anschluss an den Gründerzeitgürtel sowie in der Nähe der traditionellen Industriestandorte finden sich<br />
die für den sozialen Wohnungsbau der 20iger und 30iger Jahre typischen mehrgeschossigen Wohnblöcke.<br />
Die oft durch Genossenschaften in einheitlicher Bauweise erschaffenen Arbeiterwohnblöcke trugen den damalig<br />
neuesten Ansprüchen an Belichtung und Belüftung sowie sozialen Gemeinschaftsgedanken Rechnung.<br />
Die innenstadtnahen Gebiete weisen heute einen hohen Sanierungsgrad und eine gute Auslastung<br />
auf. Als problematisch müssen dagegen die an gewerblich genutzte Standorte angelagerten Quartiere eingeschätzt<br />
werden. Beispielsweise ist das aufgrund seiner architektonischen Besonderheiten unter Denkmalschutz<br />
gestellte Ensemble im Bereich um die Teichstraße zum großen Teil unsaniert und leer stehend.<br />
Der Wohnungsbau der Nachkriegszeit diente vor allem der Deckung des enormen Wohnraumbedarf der Bevölkerung,<br />
so dass im großem Maßstab reine Wohngebiete entstanden. Dem Geist der "Moderne" mit seinen<br />
Forderungen nach "Licht, Luft und Sonne" folgend wurden langgestreckte Zeilenbauten in durchgrünte<br />
Flächen eingeordnet. Diese Gebiete bieten vorrangig kleinere Wohnungen in gewachsenen Nachbarschaften,<br />
die ein attraktives Wohnraumangebot für Ein- und Zweipersonenhaushalte darstellen können. Die überwiegend<br />
einfachen Wohnungstypen werden jedoch absehbar weitere nachfragegerechte Umbaumaßnahmen<br />
erfordern - dies sowohl in der technischen Ausstattung als auch in den Wohnungsgrundrissen.<br />
Großwohnsiedlungen<br />
Aufgrund ihres hohen Anteils am Gesamtwohnungsbestand mit erheblichen Wohndichten (Vermassung),<br />
überwiegend monotonen Gebäudestrukturen (Vereinheitlichung) und teilweise unzeitgemäßen Grundrissgestaltungen<br />
weisen die Großwohnsiedungen besonders in den nördlichen Gebieten starke Imageprobleme<br />
und damit verbundene erhebliche Segregationserscheinungen auf. Mit dem bisherigen Rückbaumaßnahmen<br />
auf Grundlage des Masterplanes <strong>Erfurt</strong>er Großwohnsiedlungen, welcher in Zusammenarbeit zwischen der<br />
Stadtverwaltung und den <strong>Erfurt</strong>er Wohnungsunternehmen erarbeitet wurde, konnte der Leerstand von Wohnungen<br />
deutlich abgesenkt werden. Zur Fortführung des Stadtumbaus im Bereich der Großwohnsiedlungen<br />
wird derzeit der Masterplan II erarbeitet.<br />
Geschosswohnungsbau ab 1990<br />
Der mehrgeschossige Wohnungsbau nach 1990 entspricht modernen Standards und weist in der Regel eine<br />
attraktive Wohnumfeldgestaltung auf. Für die innerstädtischen Bereiche kann aufgrund der zeitgemäßen<br />
Ausstattung absehbar von einer stabilen Entwicklung ausgegangen werden.<br />
Problematischer sind die Standorte am Rande von Dörfern der Peripherie mit ungenügender Anbindung an<br />
die Stadt zu bewerten. In diesen Gebieten lassen sich bestehende und absehbare infrastrukturelle Versorgungsdefizite<br />
nur bedingt durch die Vorteile des suburbanen Lebens kompensieren. Auch sind im Geschosswohnungsbau<br />
die Vorteile der privaten individuellen Grundstücksnutzung üblicherweise nicht gegeben.<br />
Dörfliche Gebiete<br />
Die dörflichen Siedlungsbereiche sind in ihrer Struktur sehr heterogen und hinsichtlich ihrer Stabilität langfristig<br />
sehr schwierig einzuschätzen. Allgemein wird der dörfliche Wohnungsbestand durch eine Vielzahl angrenzender<br />
Nebengebäude gekennzeichnet, die wesentlich das Dorfbild prägen. Aufgrund fehlender Nutzungen<br />
für diese Nebengebäude können vielfach keine Problemlösungen für ihre Erhaltung und Sanierung<br />
angeboten werden. In vielen Dörfern ist daher Verfall und Abriss zu verzeichnen oder abzusehen und<br />
zwangsläufig hinzunehmen. Stellenweise ist eine Umnutzung zu Wohnraum möglich. Möglicherweise wird<br />
auch alte - heutigen Wohnbedürfnissen nicht entsprechende - Bausubstanz in den Dorfkernen, z. B. Gehöfte<br />
und große Speicher oder sehr kleine Wohnhäuser zukünftig leer stehen.<br />
Einfamilienhausgebiete und Siedlungen<br />
Im <strong>Erfurt</strong>er Stadtgebiet gibt es eine Vielzahl von Einfamilienhausgebieten. Die jeweiligen Erscheinungsformen<br />
spiegeln unterschiedliche Entstehungszeiten und -anlässe wieder.<br />
Beispielsweise entstanden im Zeitraum 1919 bis 1945 die Ringelbergsiedlung, Stollbergsiedlung und Sulzer<br />
Siedlung, mit dem Ziel günstig Wohnraum zu schaffen und gleichzeitig einen Garten für die Selbstversorgung<br />
zur Verfügung zu haben. Die Siedlungsgebiete weisen noch heute Grundstückzuschnitte auf, die typisch<br />
für die Genese und den Siedlungscharakter sind.<br />
Der nach 1994 boomende Einfamilienhausbau erfolgte sowohl in Baulücken innerhalb bestehender Wohnbebauung<br />
als auch in neuen, über Bebauungspläne entwickelten Wohngebieten. Heute stehen Baugebiete<br />
in unterschiedlichsten Lagen, wie z. B. im inneren Stadtgebiet, im städtischen Randgebiet mit Stadtbahnan-<br />
34
3. Bestandsanalyse und Entwicklungstrends<br />
schluss oder im dörflich geprägten Bereich, und unterschiedlich zulässigen Bauweisen, wie Einzel-, Doppel-<br />
oder Reihenhausbebauung, zur Verfügung.<br />
Siedlungsschwerpunkte des Wohnungsneubaus sind die Baugebiete um Marbach sowie der Ringelberg.<br />
Aufgrund des individuellen Wohnwertes und der eigentumsbezogenen Selbstinitiative werden die <strong>Erfurt</strong>er<br />
Einfamilienhausgebiete und Siedlungen als langfristig stabile Wohngebiete mit hoher Wohnqualität bewertet.<br />
Noch nicht vollständig bebaute neue Wohngebiete bedürfen jedoch einer zügigen baulichen Komplettierung.<br />
Im Rahmen der Beteiligung am Bundeswettbewerb Stadtumbau Ost erfolgte bereits eine Einschätzung des<br />
Wohnungsbestandes innerhalb des kompakt bebauten Stadtgebietes hinsichtlich der aktuellen Situation und<br />
der sich daraus ergebenden Handlungsfelder. Als Schwerpunkte der notwendigen weiteren Betrachtungen<br />
stellten sich zum damaligen Zeitpunkt die Stadtraumtypen "Altstadt“, „Gründerzeit“ und „Großwohnsiedlung"<br />
heraus.<br />
Abb. 16 - Stadtraumbezogene Potentiale des Wohnungsbestandes - Problemfelder<br />
35
<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />
3.3.2 Potentiale für Wohnungsneubau<br />
Neben dem vorhandenen Wohnraum existieren eine Reihe von Potentialen für den Neubau von Wohnungen,<br />
insbesondere dem Einfamilienhausbau.<br />
Als Baulücken bezeichnete Bauflächen, deren Bebaubarkeit nach § 34 des Baugesetzbuches (BauGB) zu<br />
beurteilen ist, gibt es über das gesamte Stadtgebiet verteilt. Eine Erhebung der für den Einfamilienhausbau<br />
geeigneten Standorte ergab jedoch, dass die tatsächliche Bebaubarkeit mangels ausreichender Erschließung<br />
- insbesondere abwasserseitig - größtenteils momentan nicht gegeben ist.<br />
In Baugebieten von rechtskräftigen oder im Verfahren befindlichen Bebauungsplänen sind gegenwärtig Bauplätze<br />
für ca. 7.600 Wohneinheiten (WE) in Ein- und Mehrfamilienhäusern vorhanden bzw. möglich. Aufgrund<br />
der geringen Nachfrage von Geschosswohnungsbau wurden bereits mehrere Planänderungsverfahren<br />
mit dem Ziel der Reduzierung des Geschoßwohnungsbauanteils aufgenommen.<br />
Potentiale für den Wohnungsbau bieten weiterhin ehemals gewerblich genutzte Brachflächen. Im Brühl, dem<br />
ehemaligen Gelände der Optima und des Funkwerkes, oder am Bahnhof <strong>Erfurt</strong> West wurden bereits erfolgreich<br />
unter anderem auch Wohnnutzungen angesiedelt. Eine Information über im Stadtgebiet vorhandene<br />
Brachen und deren Nachnutzungsmöglichkeiten gibt das Baulandkataster 13 , welches als Heft 6 in der Reihe<br />
„Beiträge zur Stadtentwicklung“ veröffentlicht wurde. Im Rahmen des Stadtumbauprozesses ist mit der Entstehung<br />
weiterer Brachflächen, insbesondere in Folge des Umbau der Großwohnsiedlungen, zu rechnen.<br />
Darüber hinaus weist der Flächennutzungsplan-<strong>Entwurf</strong> Bauplätze für etwa 1.100 WE in Wohn- und Mischbauflächen<br />
aus, für die bisher noch kein Bebauungsplanverfahren eingeleitet wurde. Diese Flächen gelten<br />
als Reserve und sind besonders für den Einfamilienhausbau geeignet.<br />
3.3.3 Wohnungsbedarf<br />
Neben der bereits im Kap. 2.3 dargestellten rein quantitativen Berechnung des zukünftigen Wohnungsbedarfes<br />
sind auch Betrachtungen hinsichtlich der zukünftigen Nachfrage an einzelnen Wohnformen notwendig.<br />
Den Zeitgeschmack vorauszusehen ist zwar kaum möglich, aber anhand der Nachfragetrends für bestimmte<br />
Wohnformen und der Altersentwicklung der Bevölkerung können dennoch einige Aussagen getroffen werden:<br />
Wohneigentum, insbesondere Einfamilienhäuser, werden auch in Zukunft nachgefragt werden. Das „Häuschen<br />
mit Garten“ wird weiterhin eines der Lebensziele vieler Bürger sein. Ein weiterer Aspekt durch den<br />
Wohneigentum an Attraktivität gewinnt, ist die Altersvorsorge. Die Umsetzung der Wohnwünsche ist jedoch<br />
von den zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln und Förderbedingungen abhängig und daher nicht für<br />
jeden realisierbar.<br />
Durch den steigenden Anteil der älteren Bevölkerung ist mit einer vermehrten Nachfrage nach altersgerechten<br />
Wohnformen zu rechnen. Die Wohnbedürfnisse der Senioren können dabei sehr unterschiedlich sein.<br />
Das Spektrum reicht von betreutem Wohnen, über Wohnformen, die einer verminderten Mobilität gerecht<br />
werden bis hin zu Seniorenwohngemeinschaften. Dementsprechend vielfältige Angebote sollten vorgehalten<br />
werden.<br />
Bei einer stagnierenden allgemeinen Einkommenslage steigt der Bedarf an preiswertem Wohnraum. Eine<br />
fundierte Prognose der Entwicklung auf diesem Sektor ist zwar nicht möglich, aber es muss davon ausgegangen<br />
werden, dass auch bei Stabilisierung der wirtschaftlichen Lage keine Arbeits vollbeschäftigung erreicht<br />
werden kann.<br />
3.3.4 Szenarien der Wohnungsbestandsentwicklung<br />
Die Notwendigkeit eines Stadtumbaukonzeptes resultiert vor allem aus den rückläufigen Bevölkerungszahlen<br />
und den damit zusammenhängenden Anpassungserfordernissen. Im Bereich des Wohnungsbaus, dem<br />
zentralen Thema des Stadtumbaus, sind die zu erwartenden Wohnungsleerstände und der sich daraus ergebende<br />
Rückbaubedarf die wesentlichen Planungsgrundlagen. Basieren die Zahlen bis zum Jahre 2020<br />
auf fundierten und durchaus realistischen Prognosen, so ist der Ausblick für den Zeitraum 2020 bis 2040<br />
13 Landeshauptstadt <strong>Erfurt</strong>, Stadtverwaltung, Stadtentwicklungsamt (Hg.): „Baulandkataster für ausgewählte Bereiche“<br />
36
3. Bestandsanalyse und Entwicklungstrends<br />
aufgrund der Langfristigkeit und den damit verbundenen Unwägbarkeiten mit starken Unsicherheiten belastet.<br />
Theoretischer Wohnungsbestand ohne Rückbau<br />
Die Darstellung von Szenarien der zukünftigen Entwicklung des Wohnungsbestandes bedarf zunächst der<br />
theoretischen Ermittlung des Wohnungsbestandes ohne Rückbau. Betrachtet werden lediglich der zu erwartende<br />
Wohnungsneubau sowie die regulären Abgänge.<br />
Wohnungsneubauten im Bereich des Geschosswohnungsbaus sind in den vergangenen Jahren stark rückläufig<br />
und sind aufgrund des Überangebotes im Bestand auch in Zukunft nur in geringem Maße zu erwarten.<br />
Der bis zum Jahr 2000 kontinuierlich angestiegene Einfamilienhausbau ging mit Deckung des aufgestauten<br />
Bedarfes ebenfalls zurück (2000: ca. 750 WE, 2003: ca. 450 WE 14 ) und liegt seither auf annähernd gleich<br />
bleibendem Niveau. Der Anteil der Wohnungen in Einfamilienhäusern am Gesamtwohnungsbestand lag<br />
2002 bei 18 Prozent. Es wird angenommen, dass sich dieser langfristig den Wohnungsbestandsstrukturen<br />
der mit <strong>Erfurt</strong> vergleichbaren westdeutschen Städte nähert, deren Einfamilienhausanteil bei 25 % des Wohnungsbestandes<br />
liegt.<br />
Bis zum Jahr 2020 wird mit einem Wohnungsneubau von durchschnittlich 450 WE bis 500 WE pro Jahr (insgesamt<br />
ca. 8.000 WE) gerechnet. Für den Zeitraum 2020 bis 2040 wird aufgrund der bis dahin erreichten<br />
Angebotsstruktur sowie des weiteren Bevölkerungsrückganges von einer weiteren Verringerung des Wohnungsneubaus<br />
auf ca. 200 WE pro Jahr (insgesamt 4.000 WE) ausgegangen.<br />
Tabelle 3 - Annahmen zum Wohnungsneubau<br />
Neubau insgesamt Einfamilienhausbau Geschosswohnungsbau<br />
in WE in WE % in WE %<br />
2004 - 2020 8.000 6.000 75 2.000 25<br />
2020 - 2040 4.000 3.600 90 400 10<br />
Summe 12.000 9.600 80 2.400 20<br />
Als reguläre Abgänge werden der Abriss von überalterter Bausubstanz sowie die Umnutzung von Wohnungen<br />
bezeichnet. In der Wohnungswirtschaft der alten Bundesländer wird üblicherweise mit 0,3 % normalen<br />
Wohnungsabgängen gerechnet. Diese Annahme wird auch für die zukünftige Entwicklung des <strong>Erfurt</strong>er Wohnungsbestandes<br />
zu Grunde gelegt, was bis 2040 durchschnittlich ca. 300 bis 350 Wohnungsabgängen pro<br />
Jahr entspricht.<br />
Ohne geregelten Wohnungsrückbau würde sich somit der Wohnungsbestand bis 2040 wie folgt entwickeln:<br />
Tabelle 4 - Theoretische Wohnungsbestandsentwicklung ohne Rückbau<br />
Wohnungsbestand per 2003 112.400 WE<br />
Wohnungsneubau 2004 - 2020 + 8.000 WE<br />
reguläre Abgänge 2004- 2020 ./. 6.000 WE<br />
Wohnungsbestand per 2020 114.400 WE<br />
Wohnungsneubau 2020 - 2040 + 4.000WE<br />
reguläre Abgänge 2020 - 2040 ./. 7.000 WE<br />
Wohnungsbestand per 2040 111.400 WE<br />
Leerstandsszenarien<br />
Auf Basis des prognostizierten Wohnungsbedarfs und der theoretischen Wohnungsbestandsentwicklung<br />
lassen sich nunmehr verschiedene Rückbauszenarien und die verbleibenden Wohnungsüberhänge (Leerstände)<br />
darstellen. Zur Entlastung des Wohnungsmarktes ist auch eine geordnete Stilllegung 15 von Wohnungen<br />
denkbar. Diese Alternative zum Rückbau beinhaltet jedoch die Gefahr desolater Stadträume in denen<br />
die Bausubstanz zunehmend verfällt.<br />
14 Thüringer Landesamt für Statistik (Hg.): Baufertigstellungen von Wohnungen in Wohngebäuden mit 1-2 Wohneinheiten<br />
15 Der Abriss wird in den zu erwartenden Größenordnungen voraussichtlich nur stark begrenzt finanzierbar sein.<br />
37
<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />
Worst-Case-Szenario - Kein Rückbau/ Keine geordnete Stilllegung<br />
Mit diesem Szenario soll nochmals die Notwendigkeit von Wohnungsrückbau verdeutlicht werden. Die sich<br />
am Wohnungsmarkt ergebenden Leerstandsquoten sind sowohl aus städtebaulicher als auch aus wohnungswirtschaftlicher<br />
Sicht sehr problematisch. Der Verzicht auf Einwirkungsmöglichkeiten durch Rückbau<br />
oder Stilllegung führt zu einer ungeordneten Verteilung des Leestandes über das gesamte Stadtgebiet und<br />
damit zu zunehmenden Funktionsstörungen in der Gesamtstadt. Leerstehende Gebäude führen zu weiterem<br />
Leerstand im direkten Umfeld („Leerstand steckt an“).<br />
Tabelle 5 - Worst-Case-Szenario 2020 und 2040<br />
38<br />
2020 2040<br />
Wohnungsbestand 114.400 WE 111.400 WE<br />
Wohnungsbedarf ./. 92.600 WE ./. 74.000 WE<br />
Wohnungsüberhang<br />
(Leerstände)<br />
21.800 WE 37.400 WE<br />
entspricht einer Leerstandsquote von 19 % 34 %<br />
Machbar - Szenario : Rückbau gemäß Wettbewerbsbeitrag Stadtumbau Ost<br />
Im Beitrag zum Bundeswettbewerb „Stadtumbau Ost“ und im Masterplan I "<strong>Erfurt</strong>er Großwohnsiedlungen“<br />
hat die Stadt <strong>Erfurt</strong> für die Großwohnsiedlungen Entwicklungsprioritäten und kurzfristig fortzuschreibende<br />
Rückbau- bzw. Stilllegungsziele formuliert. Insgesamt wurde für den Zeitraum 2004 bis 2020 von einem<br />
möglichen Rückbau/ Stilllegung in Höhe von ca. 15.000 WE in diesem Bereich ausgegangen. Damit könnte<br />
die Leerstandquote im Zeitraum bis 2020 kurzfristig deutlich verbessert werden. In der Vorausschau auf das<br />
Jahr 2040 zeigt sich allerdings, dass ohne weiterführende Maßnahmen dann wieder mit einer Leerstandsquote<br />
von ca. 23 % zu rechnen ist.<br />
Tabelle 6- Machbar-Szenario 2020 und 2040<br />
2020 2040<br />
Wohnungsbestand ohne Rückbau 114.400 WE 111.400 WE<br />
Rückbau nach Status Quo ./. 15.000 WE ./. 15.000 WE<br />
Wohnungsbestand nach Status Quo bis<br />
2020<br />
99.400 WE 96.400 WE<br />
Wohnungsbedarf ./. 92.600 WE ./. 74.000 WE<br />
Wohnungsüberhang (Leerstände) 6.800 WE 22.400 WE<br />
entspricht einer Leerstandsquote von 7 % 23 %<br />
Optimalszenario<br />
Als städtebauliches und wohnungswirtschaftliches Optimum wurde unter bisherigen wohnungswirtschaftlichen<br />
Aspekten eine Leerstandsquote von 5 % des Wohnungsbestandes angesehen, die als Reserve für<br />
Umzüge und Renovierung benötigt wird. Eine Leerstandsquote von lediglich 5 % würde im Jahr 2040 ein<br />
Wohnungsüberhang von 33.500 WE bedeuten. Ein Rückbau dieses Wohnungsüberhanges ist aus heutiger<br />
Sicht aufgrund der damit verbundenen Kosten und sonstigen Auswirkung auf die Eigentümer (Verlust des<br />
Eigentums, wirtschaftliche Handlungsunfähigkeit) nicht mehr leistbar.<br />
Tabelle 7 -Optimalszenario 2020 und 2040<br />
2020 2040<br />
Wohnungsbestand ohne Rückbau 114.400 WE 111.400 WE<br />
Wohnungsbedarf 92.600 WE 74.000 WE<br />
5 % Leerstandsquote (-reserve) 4.900 WE 3.900 WE<br />
Wohnungsbedarf incl. Reserve 97.500 WE 77.900 WE<br />
Wohnungsüberhang (Leerstände) 16.900 WE 33.500 WE<br />
Während das Worst-Case-Szenario und das Optimalszenario die Grenzen des Spektrums der Wohnungsbestandsentwicklung<br />
darstellen sollen, stellt das Machbar-Szenario den bisherigen Stand der Stadtentwicklungsplanung<br />
dar. Im Sinne einer nachhaltigen Stadtentwicklung wäre lediglich das Optimalszenario als Zielstellung<br />
geeignet. Die Realisierungsfähigkeit ist aber aus den vorgenannten Gründen als problematisch bis<br />
kaum durchführbar zu bewerten. Zur Annäherung an eine realistische Zielstellung sind in der folgenden Tabelle<br />
weitere Varianten möglicher Leerstandsquoten und dem daraus resultierenden Wohnungsüberhang
3. Bestandsanalyse und Entwicklungstrends<br />
aufgezeigt. Nach derzeitiger Auffassung der Wohnungswirtschaft ist auch eine Leerstandsquote von 10 %<br />
vertretbar.<br />
Tabelle 8 - Rückbaubedarf bei verschiedenen Leerstandsquoten für die Jahre 2020 und 2040<br />
2020 2040<br />
Leerstandsquote (-reserve) 10% 10 % 15 %<br />
Wohnungsbestand ohne Rückbau 114.400 WE 111.200 WE 111.200 WE<br />
Wohnungsbedarf 92.600 WE 74.000 WE 74.000 WE<br />
Leerstandsquote (-reserve) 10.300 WE 8.200 WE 13.100 WE<br />
Wohnungsbedarf incl. Reserve 102.900 WE 82.200 WE 87.100 WE<br />
Wohnungsüberhang<br />
(Leerstände)<br />
11.500 WE 29.000 WE 24.100 WE<br />
Im Rahmen des Stadtbeobachtungssystems wird die laufende Entwicklung des Wohnungsmarktes analysiert.<br />
Entsprechende Schlussfolgerung auf die weitere Entwicklung sind Gegenstand der Betrachtungen des<br />
Stadtumbaukonzeptes (Teil B).<br />
39
<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />
3.4 Grün- und Freiraumstruktur<br />
Die Weiterentwicklung vorhandener Grün- und Freiraumstrukturen sowie der Umgang mit entstehenden<br />
Freiräumen im Sinne einer „Neuen Stadtlandschaft“ bildet einen zentralen Handlungsschwerpunkt des<br />
Stadtumbaus.<br />
3.4.1 Elemente der Grün- und Freiraumstruktur<br />
<strong>Erfurt</strong> liegt im Zentrum der naturräumlichen Großeinheit "Thüringer Becken-, Plateau- und Stufenland". Wesentliche<br />
topographische Elemente sind das Areal des Steigerwaldes, der Fluss Gera mit seiner Aue sowie<br />
der offenen Landschaft im Norden mit ihren künstlichen Seen. Der östliche Landschaftsraum stellt sich als<br />
traditionelle Kulturlandschaft dar, weist aber mit dem Nordstrand und dem verbindenden Wegenetz Potentiale<br />
als Naherholungsgebiet auf. Im Süden bilden größere zusammenhängende Wälder den Abschluss der im<br />
Zusammenhang bebauten Stadt. Die westliche an die Altstadt anschließende Landschaftszone ist durch begrünte<br />
Baugebiete, Parkanlagen, traditionelle Gartenbauflächen, private Gärten und Kleingartenanlagen geprägt,<br />
die einen Übergang zum landwirtschaftlich geprägten äußeren Stadtgebiet formulieren.<br />
Wälder<br />
Mit dem Landschaftsschutzgebiet „Steigerwald“, dem Willrodaer Forst sowie den östlich angrenzenden Klosterholz,<br />
Büßleber Holz und Wechselholz verfügt <strong>Erfurt</strong> über rund 1500 ha zusammenhängender Waldfläche.<br />
Weitere kleinere Forstflächen finden sich im nördlichen und östlichen Stadtgebiet. Neben den Aspekten einer<br />
forstwirtschaftlichen Nutzung haben sie vor allem hinsichtlich ihrer ökologischen Ausgleichsfunktion und<br />
als Erholungsgebiet Bedeutung.<br />
Landwirtschaftliche und gartenbauliche Nutzflächen<br />
<strong>Erfurt</strong> ist von weitläufigen, agrarisch geprägten Landschaftsräumen mit zum großen Teil hochwertigen Böden<br />
umgeben, die traditionell für Gartenbau und Landwirtschaft genutzt werden. Aufgrund moderner Bewirtschaftungsformen<br />
erscheinen diese Flächen häufig strukturarm. Lediglich in Ortsrandlagen finden sich noch<br />
Überreste der traditionellen Kulturlandschaft - wie Streuobstwiesen, Obstalleen, Hecken oder Feldgehölze.<br />
Park- und parkartige Grünanlagen<br />
Park- und Grünanlagen in der kompakten Stadt spielen für die Beachtung ökologischer Belange im Städtebau<br />
eine große Rolle. Die in verschiedenen Zeitepochen entstandenen Park- und Grünanlagen, Stadtteilplätze<br />
und Grünzüge unterschiedlicher Größe und Gestaltungsqualität bieten den Bürgern und Touristen<br />
vielfältige Erholungsmöglichkeiten. In <strong>Erfurt</strong> stehen rund 113 ha öffentliche Park- und parkähnlicher Grünanlagen<br />
zur Verfügung, was einem Versorgungsgrad von 5,7 m² pro Einwohner entspricht. Zusätzlich tragen<br />
der ega-Park, der Thüringer Zoopark und der Nordstrand als nicht öffentliche, aber durch die Allgemeinheit<br />
nutzbare Grünanlagen, zur Versorgung mit Grün bei.<br />
Kleingärten<br />
Die Kleingärten <strong>Erfurt</strong>s sind wesentlicher Bestandteil des Grünflächensystems um die bebaute Stadt. Sie erfüllen<br />
wichtige Ausgleichs- und Erholungsfunktionen. Die Gartenanlagen grenzen oftmals an Wohngebiete,<br />
an dörfliche Ortsränder bzw. sind sie Bestandteil eines Grünzuges in die freie Landschaft. Sie sind räumlich<br />
zusammenhängend und Gegenstand städtebaulicher Betrachtungen. Die Gartenanlagen sind im Stadtgebiet<br />
ungleichmäßig verteilt und konzentrieren sich vor allem in den landschaftlich reizvollen Gebieten der Stadt.<br />
Derzeit stehen in <strong>Erfurt</strong> ca. 400 ha Kleingartenfläche (20,2 m² pro Einwohner) zur Verfügung. Die vorhandenen<br />
Kleingärten werden fast vollständig nachgefragt.<br />
Friedhöfe<br />
Friedhöfe sind Orte mit Parkcharakter, die aufgrund ihrer Dimension und Grünausstattung wichtige Elemente<br />
im städtischen Grünsystem darstellen. Neben dem 58,7 ha großen Hauptfriedhof bestehen 34 Ortsteilfriedhöfe<br />
mit einer Größe von insgesamt 14,8 ha.<br />
Flusslandschaften<br />
Das Geraband durchzieht die Stadt von Süd nach Nord. In der Innenstadt teilt sich die Gera in drei Wasserläufe,<br />
wobei der bedeutendste davon der Flutgraben ist, welcher zum Zwecke des Hochwasserschutzes angelegt<br />
wurde. Die Fließgewässer Bergstrom und Walkstrom prägen die angrenzenden Stadträume und bieten<br />
einige Berührungspunkte in der Altstadt.<br />
40
3. Bestandsanalyse und Entwicklungstrends<br />
Seen<br />
In Folge des Kiesabbaus im Norden der Stadt entstand bzw. entsteht ein System von Kiesgruben, die sich<br />
schon während des Abbaus mit Grundwasser füllen. Langfristig werden zwölf Seen mit einer Wasserfläche<br />
von insgesamt etwa 430 Hektar entstehen, welche dann zu den größten Wasserflächenarealen Thüringens<br />
zählen werden. Von den acht bereits vorhandenen Baggerseen mit einer Gesamtwasserfläche von etwa 240<br />
Hektar haben bereits fünf ihre Endgestalt nahezu erreicht.<br />
Straßenbegleitgrün<br />
Viele Straßenräume <strong>Erfurt</strong>s sind von Alleebäumen geprägt. Diese Tradition wird fortgesetzt, indem sie bei<br />
Neuplanungen Beachtung findet und Neupflanzungen vorgenommen werden.<br />
3.4.2 Defizite und Konfliktpunkte<br />
Vernetzung<br />
Die unterschiedlich verteilten Park- und Grünanlagen in der Stadt stellen zumeist isolierte Grüninseln dar.<br />
Die Defizite in der Vernetzung dieser urbanen Grünstrukturen innerhalb der bebauten Stadt sowie zur umgebenden<br />
Landschaft werden nur teilweise durch Alleen und Baumpflanzungen in den Straßenräumen ausgeglichen.<br />
Ein funktionierendes Netz von Plätzen und Parks wird aufgrund zu geringer Dichte und der Entfernungen<br />
zwischen den einzelnen Grünflächen nicht erreicht.<br />
Auch die stadtnahen Landschaftsräume im Norden und Osten weisen Mängel an zusammenhängenden<br />
landschaftlichen Qualitäten auf. In der Kulturlandschaft im Osten finden sich nur Fragmente von Grünstrukturen<br />
(Nordstrand, Grünes Bildungszentrum, Gartenanlagen), welche isoliert und ohne physische Beziehung<br />
zur umgebenden Landschaft gelegen sind. Die Weichzone, der Übergang zwischen bebauter Stadt und<br />
Landschaft, ist von vielfältigen Nutzungen geprägt. Ein zusammenhängender spezifischer Charakter ist nicht<br />
erkennbar. Insbesondere sind der <strong>Erfurt</strong>er Zoopark und der Nordstrand, als bedeutende städtische Grünund<br />
Freiräume, nicht in das Grün- und Freiflächensystem eingebunden.<br />
Verteilung<br />
Neben der Frage der Vernetzung von Grün- und Freiflächen stellt sich im kompakten Stadtgebiet die Frage<br />
der Verteilung. Defizite im Angebot öffentlicher Grünflächen bestehen insbesondere in der Altstadt, in gründerzeitlich<br />
geprägten Wohngebieten der Krämpfervorstadt und der Johannesvorstadt sowie im Stadtteil Ilversgehofen.<br />
Gestalterisch angelegte öffentliche Grünbereiche stellen sich nur fragmentarisch in Form von<br />
kleinen Parks und Schmuckplätzen dar (z. B. Brühler Garten, Krämerbrücke, Hermannsplatz). Kleine städtische<br />
Grünbereiches als Puffer zwischen intensiv genutzten Flächen fehlen.<br />
Erlebbarkeit von Landschaftsräumen<br />
Der Flusslauf der Gera mit seinen Wasserarmen ist im städtischen Bereich nur in Teilbereichen erlebbar, da<br />
zahlreiche Gewässerabschnitte durch Privateigentum und Überbauung gekennzeichnet sind. So ist die<br />
Schmale Gera in den vergangenen Jahren auf ihre Funktion auf die Grundstücksentwässerung reduziert<br />
worden. Fehlende Wege- und Blickbeziehungen verhindern das Erleben der naturnahen Strukturen der<br />
Schmalen Gera. Der Flutgraben ist nur in seinem südlichen Abschnitt wahrnehmbar, wo Parkanlagen seinen<br />
Lauf säumen. Im Osten verraten nur das begleitende Großgrün und Brücken das Vorhandensein dieses<br />
Gewässers.<br />
Im Süden der Stadt befinden sich ausgedehnte und für die <strong>Erfurt</strong>er Stadtlandschaft bedeutende Naherholungsbereiche,<br />
die gleichzeitig wichtige ökologische Ausgleichsfunktionen erfüllen. Allerdings sind infolge<br />
vielfältiger Flächennutzungsformen ganze Teile so zersiedelt, dass die Begehbarkeit bzw. Erreichbarkeit der<br />
verschiedenen Freiräume stark eingeschränkt ist.<br />
Nutzungskonflikte<br />
Die öffentlichen Grünanlagen in der Stadt und die angrenzenden Wälder, insbesondere der Steigerwald,<br />
werden von den <strong>Erfurt</strong>ern und ihren Gästen intensiv für Freizeit und Erholung genutzt. Nur begrenzt vorhandener<br />
Grünräume und vielfältige Nutzungsansprüche führen zu Konflikten. Übernutzung, Missbrauch und<br />
Vandalismus führen vermehrt zu Schäden, deren Behebung den städtischen Haushalt belasten.<br />
Darüber hinaus sind in zahlreichen innerstädtischen Straßenräumen Nutzungskonflikte zu beobachten. Die<br />
Anforderungen des ruhenden und fließenden Verkehrs lassen kaum Grüngestaltungen zu, so dass eine Zonierung<br />
des Straßenraumes über die Trennung der Verkehrsarten hinaus oftmals nicht erkennbar ist.<br />
Schmale Gehwege sowie ungeordnetes Abstellen von Pkw und Mülltonnen vermitteln keine Aufenthaltsqualität,<br />
Vorgärten verlieren aufgrund abgestellter Pkws ihre eigentliche Funktion. Andererseits werden die oft<br />
raren Pkw-Stellflächen durch das Anpflanzen von Straßenbäumen und das Anlegen geordneter Parkflächen<br />
41
<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />
reduziert. Die Trennung von Fuß-, Rad- und Fahrverkehr ist besonders an den Hauptverkehrsachsen gewünscht,<br />
führt aber zu weiteren Einschränkungen für die Grüngestaltung, die gerade in diesen Bereichen zu<br />
Verbesserung der Wohn- und Aufenthaltsqualität beitragen könnte.<br />
Brachflächen<br />
Große Brachflächen und Leerstände befinden sich vor allem im Bereich stillgelegter ehemaliger industrieller<br />
Nutzungen im Norden und Osten der Stadt. Die zunehmenden Flächenfreisetzungen entziehen sich aufgrund<br />
noch fehlender Umsetzungsstrategien einer planvollen Eingliederung in das Stadtgefüge. Bis sich eine<br />
bauliche Nachnutzung findet, entwickelt sich in der Regel Wildwuchs. Eine Gebrauchsqualität ist in der Regel<br />
nicht gegeben.<br />
In den Großwohnsiedlungen kommt es, bedingt durch den Rückbau von Wohnungen, zu verstärkten Flächenfreisetzungen.<br />
Diese Flächenfreisetzung vollzieht sich in Bereichen, die aufgrund ihrer Grundstruktur in<br />
der Regel schon über einen hohen Freiraumanteil verfügen.<br />
Stadtklima<br />
Die reliefbedingte Lage der Stadt, die Tallage quer zur Hauptwindrichtung, schränkt die natürlichen Belüftungsverhältnisse<br />
ein. Dies wirkt sich besonders nachteilig während der im <strong>Erfurt</strong>er Raum häufigen windschwachen<br />
Wetterlagen aus. Dann werden Luftschadstoffe, die im Stadtgebiet freigesetzt werden, nicht<br />
mehr abtransportiert und führen zu einer erhöhten Luftbelastung. Weiterhin können die eingeschränkten Belüftungsverhältnisse<br />
zusammen mit den innerstädtischen großflächigen Versiegelungen und der damit verbundenen<br />
Überwärmung Schwülebelastungen verursachen. Dem Erhalt der für die Belüftung wichtigen<br />
Landschaftsstrukturen wie Kalt- bzw. Frischluftentstehungsgebiete und die Sicherung innerstädtischer Freiräume<br />
kommt dabei eine große Bedeutung zu. Durch den Rückbau in einigen Bereichen kann es insgesamt<br />
zu einer spürbaren Verbesserung des Stadtklimas kommen, insbesondere dort, wo vor der Bebauung wichtige<br />
Frischluftschneisen bereits bestanden hatten.<br />
3.4.3 Bedarfsprognose<br />
Als Richtwert für die Beurteilung der Versorgung der Bevölkerung mit öffentlichen Grünanlagen kann vom 6<br />
m² pro Einwohner ausgegangen werden. Somit besteht grundsätzlich momentan kaum Nachholbedarf. Defizite<br />
bestehen insbesondere in der Altstadt, in den gründerzeitlich geprägten Wohngebieten der Krämpfervorstadt<br />
und der Johannesvorstadt sowie im Stadtteil Ilversgehofen.<br />
Im Rahmen des Stadtumbaus und dem damit verbundenen Rückbau von Wohnungen wird es in Zukunft zu<br />
vermehrten Flächenfreisetzungen insbesondere im Bereich der Großwohnsiedlungen kommen. Da nicht für<br />
alle freigesetzten Flächen eine bauliche Nachnutzung möglich sein wird oder aber nicht zeitnah realisiert<br />
werden kann, stellt die - temporäre - Begrünung eine nahe liegende Lösung dar. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen,<br />
dass der tatsächliche Bedarf in diesen Bereichen aufgrund rückläufiger Bevölkerungszahlen abnimmt.<br />
In den Stadtgebieten, in denen die Bevölkerungszahl zunimmt, ist der Spielraum zur Schaffung neuer<br />
Freiraumangebote begrenzt. Dies gilt insbesondere für die Altstadt. Von besonderer Bedeutung ist daher die<br />
kontinuierliche Fortsetzung der Erschließung des Petersberges als wichtigste Grün- und Erholungsfläche der<br />
Innenstadt.<br />
Die Nachfrage nach Kleingärten wird sich aufgrund sinkender Einwohnerzahlen und steigendem Anteil der<br />
Ein- und Zweifamilienhäusern mit Gartenanteil rückläufig entwickeln. Legt man für die Versorgung mit Kleingartenfläche<br />
den städtebaulichen Richtwert von 17 m² pro Einwohner zugrunde, würde der Bedarf im Jahre<br />
2020 bei rund 310 ha und im Jahre 2040 bei ca. 240 ha liegen.<br />
Die Friedhöfe der Stadt besitzen aus heutiger Sicht ausreichend Erweiterungsmöglichkeiten. Von einer Veränderung<br />
des Bedarfes wird momentan nicht ausgegangen.<br />
42
3.5 Technische Infrastruktur<br />
3. Bestandsanalyse und Entwicklungstrends<br />
3.5.1 Verkehr<br />
Motorisierter Individualverkehr<br />
<strong>Erfurt</strong> ist mit derzeit fünf Anschlussstellen an die Bundesautobahnen A4 und A71 großräumig sehr gut angebunden.<br />
Mit den neuen außen liegenden Straßenverbindungen des <strong>Erfurt</strong>er Ringes, bestehend aus der A 4,<br />
der A 71, der Ostumfahrung sowie der Autobahnanbindung Eichelborn einschließlich des vierstreifigen Ausbaus<br />
der B 7 zwischen <strong>Erfurt</strong> und Mönchenholzhausen, werden überregionale und städtische Verkehrsströme<br />
gebündelt. Überregionale bzw. regionale Straßenverbindungen zu den benachbarten Mittelzentren verlaufen<br />
über die A 4, A 71, B 4 und die B 7 sowie die L 1051/ L 2141, die L 1055 (Richtung Sömmerda) und<br />
die L 1052 (Ostumfahrung)/L 2141. Die B 4 (Nordhausen - Arnstadt) und die B 7 (Weimar - Gotha) durchqueren<br />
das Stadtgebiet in Nord-Süd- bzw. Ost-West-Richtung und sind gleichzeitig innerörtliche Hauptverkehrsstraßen.<br />
Die wesentlichen Elemente des Hauptverkehrsstraßennetzes der Stadt <strong>Erfurt</strong> sind der Stadtring um die Innenstadt<br />
sowie zahlreiche auf diesen Stadtring mündende Radialstraßen. Tangential verlaufende Hauptverkehrsstraßen<br />
befinden sich in den Hauptentwicklungsachsen der Stadt im Norden und im Südosten.<br />
Durch eine konsequente Erschließung der Altstadt nach dem Verkehrszellenprinzip ist ein Durchfahren der<br />
Altstadt nicht möglich. Der Juri-Gagarin-Ring bildet das Rückgrat für die Erschließung der Altstadt. Seine Ergänzung<br />
im Westen und Norden erfolgt im Zuge historischer Straßenzüge.<br />
Ruhender Verkehr<br />
Der ansteigende private Pkw-Besitz und die vielfältigen Funktionen der Stadt <strong>Erfurt</strong> als Oberzentrum führen<br />
zu einer wachsenden Nachfrage nach Stellplätzen. Nach wie vor muss von einem hohen Motorisierungsgrad<br />
der Bewohner ausgegangen werden. Von besonderer Bedeutung für die Landeshauptstadt <strong>Erfurt</strong> ist die große<br />
Zahl an Einpendlern, die immer "ihren" kostenlosen Parkplatz in der Nähe des Arbeitsplatzes suchen<br />
werden, und die hohe Zahl der Besucher der Stadt.<br />
Im erweiterten Innenstadtbereich stehen gegenwärtig ca. 8.000 Stellplätze (inklusive Anwohnerstellplätze) in<br />
öffentlich zugänglichen, bewirtschafteten Anlagen zur Verfügung. Davon befinden sich gegenwärtig ca.<br />
3.200 Stellplätze in Parkhäusern, die ringförmig um die Altstadt angeordnet sind. In Verbindung mit einem<br />
hochmodernen Parkleitsystem ist damit die Erreichbarkeit der Innenstadt mit dem Pkw gesichert, denn die<br />
Einzugsbereiche der Parkhäuser decken die Innenstadt fast vollständig ab.<br />
Besonders in den Gründerzeitquartieren bestehen erhebliche Defizite bei den Abstellmöglichkeiten für Kraftfahrzeuge,<br />
weil die Stellplätze größtenteils nur im Straßenraum eingeordnet werden können. Zusätzlich zu<br />
dem Eigenbedarf der Anwohner werden diese Gebiete stark durch den hohen Parkraumbedarf von Einpendlern<br />
belastet. Durch die Überfrachtung der Straßen sind hier in besonders starkem Maße Beeinträchtigungen<br />
des Wohnumfeldes (Vorgärten und Grünbereiche) und des Straßenraumes (einschließlich Gehwege) festzustellen.<br />
Öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV)<br />
Die Stadt verfügt über eine traditionell gute Erschließung mit öffentlichen Verkehrsmitteln und nimmt im Vergleich<br />
mit anderen deutschen Städten dieser Größenordnung eine Spitzenstellung ein. Hauptverkehrsmittel<br />
des Öffentlichen Personennahverkehrs in der Stadt <strong>Erfurt</strong> ist die Stadtbahn mit sechs Straßenbahnlinien und<br />
25 Stadtbuslinien, von denen acht auch Erschließungsaufgaben für unmittelbar an die Stadt angrenzende<br />
Gemeinden übernehmen. Ergänzt wird dieses Netz durch 19 Regionalbuslinien. Einige Abschnitte des<br />
Schienennetzes der Deutschen Bahn, z. B. <strong>Erfurt</strong> Hauptbahnhof - <strong>Erfurt</strong>-Bischleben, <strong>Erfurt</strong> Hauptbahnhof -<br />
Stotternheim, sind ebenfalls Bestandteile des ÖPNV.<br />
Eine konsequente Förderung der öffentlichen Verkehrsmittel gegenüber dem motorisierten Individualverkehr<br />
erfordert die Verknüpfung und Aufgabenteilung zwischen Bus, Straßenbahn und Schienenpersonennahverkehr,<br />
der mit dem geplanten Verbundtarif Mittelthüringen verstärkt Rechnung getragen wird. So bestehen<br />
z. B. acht Verknüpfungspunkte für den Übergang von den die umliegenden Ortschaften anbindenden Buslinien<br />
zur Stadtbahn.<br />
Ein wesentliches Qualitätskriterium für den ÖPNV ist die gute Erschließung der besiedelten Teile des Stadtgebietes.<br />
Unter der Verwendung üblicher Einzugsbereiche von ÖPNV-Haltestellen ergibt sich eine fast flächendeckende<br />
Erschließung des Stadtgebietes. Das Netz des Stadt- und Stadt-Umland-Verkehrs orientiert<br />
sich strahlenförmig auf das Stadtzentrum als wichtigstes Zielgebiet.<br />
43
<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />
Schienenverkehr<br />
In das Fernverkehrsnetz der Deutschen Bahn AG (DB) ist <strong>Erfurt</strong> über ICE- bzw. IC-Linien nach Dresden,<br />
Frankfurt am Main, Berlin, Leipzig, Kassel, dem Ruhrgebiet und der Ostseeküste eingebunden. Im 60- bzw.<br />
120-Minuten-Takt verkehrende Nahverkehrslinien der Deutschen Bahn AG, der <strong>Erfurt</strong>er Industriebahn<br />
GmbH (EIB) sowie anderer Anbieter verbinden die Stadt <strong>Erfurt</strong> mit der Region. Alle diese Linien bedienen<br />
den <strong>Erfurt</strong>er Hauptbahnhof, welcher günstige Umsteigebeziehungen zum Fernverkehr der DB sowie zum<br />
Stadt- und Regionalverkehr bietet und durch seine Lage am Rande des Stadtzentrums kurze Wege sichert.<br />
Der Hauptbahnhof wird von ca. 92 % aller Fahrgäste im Nahverkehr der DB als Zugangsstelle benutzt.<br />
Eine wesentliche Aufwertung erlangt der Verkehrsknoten <strong>Erfurt</strong> durch die Realisierung der ICE-<br />
Neubaustrecke Berlin - <strong>Erfurt</strong> - München (Verkehrsprojekt Deutsche Einheit Nr. 8.1). Allerdings bestehen<br />
nach wie vor große Unklarheiten hinsichtlich der zeitlichen Umsetzung. Der Umbau des Hauptbahnhofes<br />
und seines Umfeldes zum ICE-Bahnhof und komplexen Verknüpfungspunkt mit der Stadtbahn, den Stadtund<br />
Regionalbussen dagegen wird unter finanzieller Beteiligung der Stadt realisiert. Solange seitens der<br />
Deutschen Bahn und des Bundes jedoch kein eindeutiges Signal zu einer zeitnahen Fertigstellung der ICE-<br />
Neubaustrecke erfolgt, wird dieses stadtstrukturell wichtigstes Projekt nur eine begrenze Kraft entfalten können.<br />
Für den Güterverkehr stehen in <strong>Erfurt</strong> drei Anschlussstellen zur Verfügung: das Güterverkehrszentrum<br />
(GVZ) bei Linderbach, die Güterverkehrsstelle <strong>Erfurt</strong>-Güterbahnhof sowie die Güterverkehrsstelle <strong>Erfurt</strong>-Ost.<br />
Mit dem weiteren Ausbau des GVZ wird die Anbindung des Güterverkehrs insbesondere an die Fernverbindungen<br />
wie Paris - Prag ermöglicht. Für den Güterverkehr im Nahbereich verfügt <strong>Erfurt</strong> über ein relativ ausgedehntes<br />
Schienenverkehrsnetz. Das Streckennetz der <strong>Erfurt</strong>er Industriebahn GmbH erreicht den größten<br />
Teil der vorhandenen oder geplanten Industriebetriebe.<br />
Luftverkehr<br />
Der Internationale Verkehrsflughafen <strong>Erfurt</strong> steht im Mittelpunkt der thüringischen Luftverkehrspolitik. Der<br />
Einzugsbereich des <strong>Erfurt</strong>er Flughafens erstreckt sich auf die Entwicklungsachse zwischen Eisenach und<br />
Jena / Hermsdorf sowie der Industriezone der nördlichen Hälfte des Thüringer Waldes. Im Urlaubsverkehr<br />
mit Charterflügen werden Einzugsbereiche bis Nordfranken im Süden, östliches Hessen und die Harzregion<br />
erreicht. Mit der im Juni 2005 realisierten Stadtbahn-Anbindung und den vorhandenen Pkw-Stellplätzen ist<br />
eine gute Erreichbarkeit des Flughafens gegeben.<br />
Radverkehr<br />
Der Radverkehr hat in den vergangenen Jahren stark an Bedeutung zugenommen, was sich insbesondere<br />
an der Verdreifachung seines Anteils auf nunmehr 9 Prozent des Gesamtverkehrs erkennen lässt.<br />
Die Entwicklung des Radverkehrsnetzes der Stadt ist im Radverkehrskonzept als Bestandteil des Verkehrsentwicklungsplanes<br />
formuliert. Das Radverkehrsnetz der Stadt <strong>Erfurt</strong> ist von der strahlenförmigen Erschließung<br />
des Stadtzentrums geprägt. Das Stadtzentrum selbst ist - mit Ausnahme des Angers - freizügig für den<br />
Radverkehr mit nutzbar. Dem Radverkehr stehen in <strong>Erfurt</strong> zur Zeit etwa 135 km benutzbare, qualitativ jedoch<br />
unterschiedliche Radverkehrsanlagen zur Verfügung. Zum überwiegenden Teil sind es kombinierte und gemeinsame<br />
Rad-Geh-Wege.<br />
<strong>Erfurt</strong> wird von zwei Fernradwanderwegen gequert: Während der "Gera-Radwanderweg" vom Thüringer<br />
Wald bis zur Unstrut durchgängig befahrbar ist, steht die Realisierung die Fertigstellung des „Fernradweges<br />
Thüringer Städtekette" als Teil des nationalen Radwegenetzes (D 4 Aachen-Zittau) im Raum <strong>Erfurt</strong> noch<br />
aus.<br />
Die Fernradwege bilden das Grundgerüst von Erholungswegen im stadtnahen Umland. Hier sind, trotz einer<br />
Reihe von Neubauten vor allem im Rahmen des ländlichen Wegebaus, Lückenschlüsse und Wegeverbesserungen<br />
erforderlich.<br />
44
3. Bestandsanalyse und Entwicklungstrends<br />
3.5.2 Ver- und Entsorgung<br />
Die Versorgung mit Energie und Wasser sowie die Abwasserbeseitigung und -reinigung gehören zu den<br />
Aufgaben einer Kommune 16 . Die Ausgestaltung der technischen Systeme bestimmt maßgeblich die Möglichkeiten<br />
der Stadtentwicklung. Vor dem Hintergrund des Bevölkerungsrückganges ist dabei ein komplexes<br />
Bündel von Problemen zu bewältigen.<br />
Abwasserentsorgung<br />
Die Abwasserentsorgung wurde in <strong>Erfurt</strong> auf den Entwässerungsbetrieb als Eigenbetrieb übertragen. Dieser<br />
stellt in Eigenverantwortung den Generalentwässerungsplan auf. Über das zentrale Abwassernetz werden<br />
ca. 28 km² bebaute Fläche entsorgt. Der Anschlussgrad beträgt gegenwärtig 90,1 %. Zur Zeit sind ca.<br />
13 km² bebaute Fläche der Stadt nicht an das zentrale Abwassernetz angeschlossen. Die Abwasserbehandlung<br />
wird hier auf den Grundstücken in Form von Kleinkläranlagen oder abflusslosen Sammelgruben realisiert.<br />
Alle Abwässer werden im Klärwerk Kühnhausen und in der Kläranlage Wallichen behandelt. Die Länge des<br />
Kanalnetzes beträgt 780 km, zuzüglich ca. 258 km Hausanschlusskanäle. Das Grundgerüst der Entwässerung<br />
bilden 24 Hauptsammler für die Schmutz- und Mischwasserableitung sowie weitere Regenwasserhauptsammler,<br />
die zum Teil verrohrte Vorfluter durch das Stadtgebiet sind.<br />
Strom, Gas, Fernwärme, Trinkwasser<br />
Mit den übrigen Versorgungsaufgaben (Strom, Gas, Fernwärme, Wasser) sind die Unternehmen der Stadtwerke<br />
<strong>Erfurt</strong> Gruppe beauftragt. Dadurch können diese Komponenten der technischen Infrastruktur zielorientiert<br />
abgestimmt werden. Das Versorgungsgebiet der Stadtwerke <strong>Erfurt</strong> umfasst eine Fläche von insgesamt<br />
269,1 km² und reicht dabei deutlich über die Stadtgrenzen hinaus.<br />
Die Arbeit der Stadtwerke <strong>Erfurt</strong> wird durch folgende Rahmenbedingungen bestimmt 17 . Seit 1993 besteht<br />
nach dem Erlass der Fernwärmesatzung Anschlusszwang für Grundstückseigentümer. Das gesamte Stadtgebiet<br />
ist mit Haupttrassen erschlossen. Die Großwohnsiedlungen, das Stadtzentrum und perspektivisch die<br />
Industriegebiete stellen die Hauptversorgungsgebiete dar. In den vergangenen Jahren fand im Zuge der<br />
Veränderung von Siedlungsstrukturen ein drastischer Netzumbau statt. Die Stadtwerke verzeichnen unter<br />
dem Einfluss der negativen demografischen Entwicklung und dem damit verbundenen Nachfragerückgang<br />
eine sinkende Fernwärmeeinspeisung. Eine ähnlich Ausrichtung zeigt sich bei der Betrachtung der Wärmehöchstlast,<br />
die seit 2002 jedoch wieder leicht gestiegen ist. Zur "richtigen" Dimensionierung der Netze stützen<br />
sich die SWE auf die in zwei Energiekonzepten errechneten Prognosen. Denen zufolge kündigen sich<br />
bis 2020 Absatzverluste für die Fernwärmeversorgung in einer Größenordnung von 30 % an, während<br />
gleichzeitig die Erzeugungskosten um 30 % und die Verteilungskosten um 40 % steigen werden. Die Stadtwerke<br />
erwarten hieraus Kostensteigerungen von 18 %. Diese kontraproduktive Entwicklung - Wachsen der<br />
Rohrnetzverteilung bei sinkender Siedlungsdichte - betrifft ebenso die Wasserversorgung. Die Kapitalkosten<br />
der notwendigen Investitionen belasten die Wasserversorgungsunternehmen am stärksten, gefolgt von Betriebs-<br />
und Instandhaltungskosten.<br />
Ein großes - von der Kommune nicht zu beeinflussendes Problem - stellt die derzeitige Förderpolitik dar. In<br />
den Nachwendejahren wurde massiv in die Ver- und Entsorgung investiert. Diese neuen Leitungen und Anlagen<br />
müssen jetzt in Folge des Stadtumbau Ost teilweise wieder rückgebaut beziehungsweise angepasst<br />
werden. Bei einer Lebensdauer von rund 40 bis 50 Jahren entstehen den Versorgern gravierende Buchwertverluste<br />
und hohe Rückbaukosten. Neben der Bezuschussung des Abrisses muss nach Einschätzung des<br />
Instituts für Wirtschaftsförderung Halle die Anpassung der Infrastruktur mit weiteren 40 EUR/qm bezuschusst<br />
werden. Diese Möglichkeiten sind derzeit jedoch nicht gegeben. 18<br />
Abfall<br />
Die Abfallentsorgung wird ebenfalls von einem Unternehmen der Stadtwerke <strong>Erfurt</strong> Gruppe gewährleistet.<br />
Zentrale Entsorgungsanlagen der Stadtwirtschaft <strong>Erfurt</strong> sind die Deponie Schwerborn und die benachbarte<br />
Kompostierungsanlage. Nachdem in den vergangenen Jahren flächendeckend eine grundstücksbezogene<br />
Entsorgung von Wertstoffen, organischen Abfällen, Papier und Restabfall eingeführt wurde, wird die weitere<br />
Entwicklung der Abfallentsorgung von einer seit dem 1. Juni 2005 geltenden neuen gesetzlichen Vorgabe<br />
16<br />
vgl. § 2 Thüringer Kommunalordnung (ThürKO)<br />
17<br />
vgl.: Frank Springer: "Siedlungsentwicklung und Infrastrukturfolgekosten". In: "WohnQualitäten Mittelthüringen - Dokumentation der<br />
Workshop-Reihe", Weimar, November 2004<br />
18<br />
Rüdiger Pohl:" Wirtschaftsstandort Sachsen-Anhalt: Stadtumbau als Chance", Vortrag auf dem gemeinsamen Neujahrsempfang der<br />
Ingenieurkammer, des Verbandes der Wohnungswirtschaft, des Verbandes der Wohnungsgenossenschaften und der Architektenkammer<br />
Sachsen-Anhalt am 08.01.2003 in Magdeburg. URL: www.stadtumbaurecht.de/index.php?Veroeffentlichungen&Andere=2003<br />
[Stand 20.05.2002]<br />
45
<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />
bestimmt. Diese besagt, dass in Deutschland Abfälle wie Hausmüll, Sperrmüll und hausmüllähnliche Abfälle<br />
aus dem Gewerbe ohne eine Vorbehandlung nicht mehr auf Deponien beseitigt werden dürfen. Dabei sind<br />
die sowohl die Verbrennung wie auch mechanisch-biologische Behandlungsverfahren zulässig.<br />
Die Städte <strong>Erfurt</strong> und Weimar sowie der Landkreis Weimarer Land haben eine kommunale Zweckvereinbarung<br />
getroffen und errichten in <strong>Erfurt</strong>-Ost (Schwerborner Strasse) eine Anlage für die Behandlung von<br />
90.000 t Restabfall pro Jahr. Dabei handelt es sich um eine Kombinationsanlage, die aus einer mechanischbiologischen<br />
Aufbereitungs- und einer Verbrennungsanlage mit Energiegewinnung für die nicht stofflich verwertbaren<br />
Abfallbestandteile (ca. 60.000 t pro Jahr) bestehen wird. Die Inbetriebnahme durch die ThüringerUmweltService<br />
GmbH soll <strong>2006</strong> erfolgen.<br />
46
3. Bestandsanalyse und Entwicklungstrends<br />
3.6 Wirtschaft<br />
Die Landeshauptstadt <strong>Erfurt</strong> hat seit 1990 einen tief greifenden Wandel durchlebt. Die wirtschaftlichen Veränderungen<br />
nach der Wende führten zunächst zu einem starken Rückgang der Beschäftigtenzahlen im Bereich<br />
des produzierenden Gewerbes. Durch die Konsolidierung und Neugründung von Unternehmen ist es<br />
gelungen, die traditionellen Branchen wie Maschinen- und Anlagenbau oder Nahrungsmittelindustrie in ihrem<br />
Kern zu sichern und um neue, innovative Facetten wie etwa die Bereiche Logistik, Softwareentwicklung,<br />
Telekommunikation oder Photovoltaik zu bereichern. <strong>Erfurt</strong> ist heute durch eine breite Branchenvielfalt und<br />
eine klein- und mittelständische Struktur der gewerblichen Wirtschaft gekennzeichnet, mit der ein tragfähiges<br />
Fundament für die weitere wirtschaftliche Entwicklung der Stadt vorhanden ist.<br />
Darüber hinaus haben die Bereiche Verwaltung, Handel, Medien und Dienstleistungen in den vergangenen<br />
Jahren einen deutlichen Zuwachs erhalten. Die zentrale Bedeutung der Stadt für das Land Thüringen wurde<br />
durch die neue Rolle als Landeshauptstadt, Einrichtungen wie Messe und Flughafen sowie eine zunehmend<br />
bessere Erreichbarkeit weiter gesteigert.<br />
3.6.1 Wirtschafts- und Arbeitsmarktregion<br />
<strong>Erfurt</strong> ist der Verkehrs-, Dienstleistungs-, Verwaltungs-<br />
und Kommunikationsknoten des Landes<br />
und als solcher Mittelpunkt einer eng verflochtenen<br />
Wirtschafts- und Arbeitsmarktregion. Von den<br />
<strong>Erfurt</strong>er Arbeitsplätzen profitierten rund 46.500<br />
Einpendler, demgegenüber standen etwa 15.000<br />
Auspendler (bezogen auf sozialversicherungspflichtige<br />
Beschäftigte) 19 . Das Haupteinzugsgebiet<br />
der Stadt reicht von Arnstadt bis Sömmerda und<br />
von Gotha bis Weimar, eine große Zahl von Einpendlern<br />
kommt zudem aus den Mittel- und Unterzentren<br />
des Landes.<br />
Intensive Pendlerverflechtungen bestehen zwischen<br />
den Städten und Wirtschaftsräumen entlang<br />
der Hauptverkehrsachsen A4. B4 und B7.<br />
Hier konzentrieren sich auch die größten Unternehmen<br />
des Landes. So ist zwischen <strong>Erfurt</strong> und<br />
Weimar ausgehend von der Ausweisung großer<br />
Gewerbeflächen im Raum <strong>Erfurt</strong>-Linderbach (Güterverkehrszentrum)<br />
und Nohra / Ulla zu Beginn<br />
der 1990er Jahre ein zusammenhängender Wirtschaftsraum<br />
entstanden. In der weiteren Region<br />
besitzen die Technologie- und Wissenschaftsstadt<br />
Jena sowie der Raum Eisenach eine herausragende<br />
Bedeutung als Wirtschaftsstandort. Durch<br />
den Bau der Autobahn A 71 verstärken sich die<br />
funktionellen Verflechtungen auf der Nord-Süd-<br />
Achse. Während der Raum Sömmerda-Kölleda<br />
u. a. mit Siemens Fujitsu, der Funkwerk AG und<br />
dem Motorenwerk MDC Power einer der wichtigsten<br />
Produktionsstandorte in Thüringen ist, entwickelt<br />
sich im Umfeld der TU Ilmenau eine mittelständig<br />
geprägte Struktur von Technologiefirmen.<br />
Sozialversicherungspflichtige Erwerbstätige<br />
nach Wirtschaftsbereichen<br />
Erwerbstätige insgesamt: 132.800<br />
davon Sozialversicherungspflichtige<br />
darunter<br />
98.638<br />
Produzierendes Gewerbe 8.834<br />
Baugewerbe 6.573<br />
Handel 12.280<br />
Verkehr und Nachrichtenübermittlung 7.308<br />
Sonstige Dienstleistungen 39.655<br />
Gebietskörperschaften 14.437<br />
Vor den südlichen Toren der Landeshauptstadt entsteht ausgehend vom traditionsreichen Industriestandort<br />
Arnstadt-Rudisleben und den neuen Gewerbegebieten Arnstadt-Nord, Thörey und Ichtershausen ein zusammenhängender<br />
Standort "<strong>Erfurt</strong>er Kreuz" mit einer vielfältigen Branchenstruktur. Durch die Entscheidung<br />
zum Bau eines Kompetenzzentrums zur Wartung und Instandhaltung von Airbus-Triebwerken wird dieser<br />
Standort am Kreuzungspunkt der Autobahnen A 4 und A 71 eine deutliche Stärkung erfahren. In diesem<br />
19<br />
Die Beschäftigtenzahlen liegen nur bis 2003 vollständig vor. Die Pendlerzahlen im Januar 2005 weichen nur unwesentlich von den<br />
Werten des Jahres 2003 ab.<br />
45<br />
%<br />
16<br />
%<br />
10%<br />
7%<br />
8%<br />
14<br />
%<br />
Quelle: Stadtentwicklungsamt, Bereich Statistik und Wahlen,<br />
Stand: 30.06.2003<br />
Abb. 17 - Erwerbstätige nach Wirtschaftsbereichen<br />
47
<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />
Raum wurde die raumordnerische Standortsicherung einer Industriegroßfläche mit einem Flächenpotential<br />
von über 200 ha vorgenommen 20 .<br />
Die Entwicklung der Gewerbestandorte im Umland ist eng mit der Zukunftsperspektive des Wirtschaftsstandortes<br />
<strong>Erfurt</strong> verbunden. Zum einen profitieren die in der Landeshauptstadt ansässigen Dienstleister,<br />
Bildungseinrichtungen, Gastgewerbe und Einzelhandel von Ansiedlungen im Umland. Zum anderen stabilisiert<br />
die Ansiedlungen von strukturwirksamen Betrieben die Entwicklung des produzierenden Sektors in <strong>Erfurt</strong>,<br />
etwa durch neue Absatzmöglichkeiten für Zulieferbetriebe.<br />
Die zukünftige Entwicklung der Region wird wesentlich durch zwei Faktoren beeinflusst: Investitionsentscheidungen<br />
werden im europäischen Wettbewerb nicht zwischen <strong>Erfurt</strong> und einer Nachbargemeinde getroffen.<br />
Vielmehr wird die gesamte Region als ein Standort wahrgenommen. Auch das durch die demographische<br />
Entwicklung spätestens ab 2008 anstehende Problem des Fachkräftemangels durch einen starken<br />
Rückgang der Schulabgänger betrifft die ganze Region. Hier zeigt sich bereits heute das Problem, dass<br />
neue Unternehmen auf Fachkräfte angewiesen sind, die weniger aus dem Feld der Arbeitslosen als vielmehr<br />
aus anderen Firmen und somit auch anderen Regionen kommen müssen. Um diese Herausforderungen<br />
bewältigen zu können, sind regionale Entwicklungsstrategien zur Etablierung attraktiver Wirtschafts- , Arbeits-<br />
und Wohnangebote in der Region zu entwickeln und umzusetzen. Nur so kann es gelingen, die vorhandenen<br />
Potentiale der Regiona wahrnehmbar zu gestalten. Diese Erkenntnis ist ein wesentliches Motiv<br />
der im Juni 2004 gegründeten Kommunalen Arbeitsgemeinschaft <strong>Erfurt</strong>-Weimar-Jena, die ImPulsRegion.<br />
20 Thüringer Ministerium für Bau und Verkehr (Hg.): „Landesentwicklungsplan 2004, S. 38, <strong>Erfurt</strong>, 2004<br />
48<br />
Abb. 18 - Berufseinpendler aus Thüringen in die Stadt <strong>Erfurt</strong>
3. Bestandsanalyse und Entwicklungstrends<br />
3.6.2 Branchenentwicklung<br />
Produzierendes Gewerbe 21<br />
Trotz des wirtschaftlichen Umbruchs nach 1990 verfügt <strong>Erfurt</strong> heute über eine vielfältige, zukunftsfähige<br />
Struktur an Betrieben des produzierenden Gewerbes. In der lokalen wie überregionalen Öffentlichkeit wird<br />
dieses jedoch nur unzureichend wahrgenommen, da kaum Endprodukte hergestellt werden. Innovative Produkte<br />
aus <strong>Erfurt</strong> versehen ihren Dienst zumeist unmerklich. So findet sich beispielsweise Mikrosystemtechnik<br />
(Halbleitertechnik) aus <strong>Erfurt</strong> in zahlreichen Komponenten der Automobilindustrie.<br />
Maschinen- und Anlagenbau: Die traditionsreichen und durch die <strong>Erfurt</strong>er Industriebahn auch mit Gleisanschlüssen<br />
versehenen Gewerbestandorte im Norden der Stadt werden von Firmen des Anlagen- und Maschinenbaus<br />
wie Müller Weingarten und Siemens Generatorenwerk geprägt. Die mittelständige Wirtschaft<br />
<strong>Erfurt</strong>s besetzt zunehmend Nischen besonders in Bezug auf Sonder- und Einzelanfertigungen. Dafür bestehen<br />
gute Voraussetzungen durch vorhandenes ausgebildetes Facharbeiterpersonal (z.B. Werkzeugbauer).<br />
Perspektivisch ist von einer Konsolidierung solcher bestehender Firmen und weiteren Neuansiedlungen im<br />
Bereich der Sonderfertigungen und spezialisierten Zulieferung auszugehen.<br />
Hochtechnologie: Mit dem Industriegebiet <strong>Erfurt</strong> Südost verfügt <strong>Erfurt</strong> über einen zukunftsfähigen Hochtechnologiestandort,<br />
der auf den gesamten Wirtschaftsstandort ausstrahlt. Schlüsselbranchen sind dabei Mikroelektronik,<br />
Halbleiterfertigung, Mikrosystemtechnik, Photovoltaik und Softwareentwicklung. Neben Umstrukturierungen<br />
und Ausgründungen aus dem Bereich der Mikroelektronik (X-FAB /Thesys /Melexis) sind zahlreiche<br />
kleine und mittelständig Unternehmen in dynamischen Wirtschaftsbereichen entstanden. Dies gilt etwa<br />
für den Bereich der Photovoltaik mit den Unternehmen ErSol und PV Crystalox oder die Softareunternehmen<br />
Ibykus und Q-Soft (Stotternheimer Straße). Rund um diese Schlüsselunternehmen bildet sich ein<br />
Netz spezialisierter kleinerer Unternehmen und Dienstleister, deren Ansiedlung durch das Technologie- und<br />
Medienzentrums tmz und das AZM Anwendungszentrum Mikrosystemtechnik unterstützt wird. Das AZM bietet<br />
mit dem CiS Institut für Mikrosensorik gGmbH, dem Unternehmensbereich Solarzentrum und dem Institut<br />
für Mikroelektronik und Mechatroniksysteme wichtige Forschungs- und Entwicklungsangebote für die <strong>Erfurt</strong>er<br />
Hochtechnologie.<br />
Baugewerbe: Bedingt durch den Bauboom Anfang der 90er Jahre verfünffachte sich die Anzahl der Betriebe<br />
im Zeitraum von 1992 bis 1998 und die Anzahl der Mitarbeiter stieg auf 160 %. Danach setzte ein stetiger<br />
Rückgang ein, wobei im Bauhauptgewerbe ein immenser Arbeitskräfteabbau bei nahezu gleichbleibender<br />
Firmenanzahl zu verzeichnen war, und im Ausbaugewerbe sich besonders die Unternehmenszahl verringerte.<br />
Wesentliche Ursache dafür ist, dass sich die Betriebe des Bauhauptgewerbes neue Betätigungsfelder<br />
(u. a. Fertig- u. Energiesparhäuser, Mietfabriken) gesucht haben und dadurch mit verringerter Mitarbeiterzahl<br />
ihre Existenz sichern konnten, während das Ausbaugewerbe solche Nischen nicht besetzen konnte. Im Jahr<br />
2004 waren noch dreieinhalb mal so viele Unternehmen wie 1992 vorhanden, jedoch nur 70 % der Arbeitsplätze.<br />
Damit waren durchschnittlich 16,5 Arbeitnehmer je Firma beschäftigt. Obwohl auch für die nächsten<br />
Jahre mit einem weiteren Abbau von Arbeitsplätzen im Bauhauptgewerbe und der Schließung von Betrieben<br />
im Baunebengewerbe gerechnet werden muss, zeichnet sich eine langsame Konsolidierung der mittelständigen<br />
Baubetriebe ab.<br />
Nahrungsmittelindustrie: Als Zentrum einer ländlich geprägten Region sind in <strong>Erfurt</strong> traditionsreichen Firmen<br />
der Nahrungsgüterindustrie ansässig. Unternehmen wie Braugold, Milchwerke Osterland, Malzwerk und <strong>Erfurt</strong>er<br />
Teigwaren haben in den vergangenen Jahren umfangreiche Erweiterungsinvestitionen getätigt und<br />
konnten ihre Marktposition kontinuierlich ausbauen. Es ist davon auszugehen, dass die Nahrungsgüterindustrie<br />
auch zukünftig in <strong>Erfurt</strong> (wie auch im Land Thüringen) eine große wirtschaftliche Bedeutung haben<br />
wird.<br />
Verwaltung und Dienstleistung<br />
Der Wirtschaftsstandort <strong>Erfurt</strong> wird durch die Funktion als Verwaltungszentrum des Landes Thüringen geprägt.<br />
Ein Großteil der vorhandenen Arbeitsplätze entfällt auf Einrichtungen des öffentlichen Sektors. Wichtige<br />
Arbeitgeber sind die Landesregierung und nachgeordnete Behörden, die Stadtverwaltung, die Arbeitsagentur<br />
<strong>Erfurt</strong>, das Bundesarbeitsgericht, die Bundeswehr sowie Fachhochschule und Universität.<br />
Hinzu kommen privatwirtschaftlich organisierte Unternehmen wie die Stadtwerke <strong>Erfurt</strong> Gruppe, TEAG Thüringer<br />
Energie AG, die Helaba, die Sparkasse Mittelthüringen, die Landesentwicklungsgesellschaft, die Messe<br />
<strong>Erfurt</strong> AG, Dienststellen ehemaliger Staatsunternehmen wie der Bahn AG sowie Kammern, Verbände und<br />
21 Produzierendes Gewerbe = Energie- und Wasserversorgung, Bergbau, Verarbeitendes Gewerbe und Baugewerbe<br />
49
<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />
Krankenkassen. Von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung ist auch das Gesundheitswesen. So zählt das<br />
Helios-Klinikum mit rund 2200 Mitarbeitern (einschließlich wirtschaftlich eigenständiger Dienstleister) zu den<br />
größten Arbeitgebern im Land Thüringen.<br />
Zukünftig wird die unvermindert sinkende Bevölkerung im Land Thüringen für den Staatssektor weitere Einschnitte<br />
bedeuten, die auch in <strong>Erfurt</strong> mit einer Schrumpfung des Personalbestandes verbunden sein werden<br />
22 . Umso wichtiger ist es, weitere Arbeitsplätze in privatwirtschaftlichen Unternehmen des Dienstleistungsbereiches<br />
zu schaffen. Dieser Sektor hat seit 1990 eine dynamische Entwicklung erlebt. Diese wurde<br />
getragen von einer Vielzahl an Dienstleistern wie Anwaltskanzleien, Werbeagenturen und Ingenieurbüros,<br />
der Ansiedlung von Banken und Versicherungen in der Innenstadt und der Konzentration der Zeitungsgruppe<br />
Thüringen am Standort <strong>Erfurt</strong>-Bindersleben.<br />
Medien und Telekommunikation<br />
Zu einem wichtigen wirtschaftlichen Standbein der Stadt <strong>Erfurt</strong> haben sich die Bereiche Medien und Telekommunikation<br />
entwickelt. Mit der Zeitungsgruppe Thüringen hat einer der wichtigsten Akteure des ostdeutschen<br />
Zeitungswesens seinen Sitz in <strong>Erfurt</strong>. Mit der Einrichtung des Landesfunkhauses des MDR, der<br />
Ansiedlung des Kinderkanals Ki.Ka und des ZDF-Regionalstudios sowie einer Reihe privatwirtschaftlicher<br />
Dienstleister und Produktionsunternehmen profiliert sich <strong>Erfurt</strong> als Film- und Fernsehstadt insbesondere im<br />
Bereich der Kindermedien. Wesentliche Bausteine zur Absicherung dieser Entwicklung sind das in Bau befindliche<br />
"Medienapplikations- und Gründerzentrums - MAGZ" sowie die Etablierung branchenbezogener<br />
Veranstaltungen wie das Festival "Goldener Spatz". Darüber hinaus haben sich mit der mobilcom AG mit ca.<br />
700 Arbeitnehmern, der csg Computer Services GmbH mit ebenfalls rund 850 Arbeitnehmern, der<br />
HELPBYCOM mit ca. 300 Arbeitnehmern und der MSG MediaService GmbH mit ca. 70 Arbeitnehmern wichtige<br />
Dienstleister aus dem IT- und Telekommunikationsbereich angesiedelt.<br />
Verkehr und Logistik<br />
Der Bereich Verkehr und Logistik ist von hoher wirtschaftlicher Bedeutung und kann in besonderem Maße<br />
zur Profilierung des Standortes <strong>Erfurt</strong> beitragen. Neben verschiedenen Dienststellen der Deutschen Bahn<br />
AG profilieren sich die <strong>Erfurt</strong>er Verkehrsbetriebe und die <strong>Erfurt</strong>er Industriebahn/Südthüringenbahn (EIB/STB)<br />
als innovative ÖPNV-Anbieter. Durch die Übernahme von Verkehrsleistungen in ganz Thüringen sowie in<br />
Nordbayern und Nordhessen ist die <strong>Erfurt</strong>er Industriebahn zu einem Werbeträger der Stadt geworden. Neben<br />
den Verkehrsunternehmen haben überregional tätige Planungsbüros und Spezialunternehmen wie "<strong>Erfurt</strong>er<br />
Gleisbau" ihren Sitz in der Stadt.<br />
Der Bereich der Logistik hat sich in den vergangenen Jahren sehr dynamisch entwickelt. Mit dem Güterverkehrszentrum<br />
GVZ ist ein Standort mit Flächenpotentialen inkl. Bahnanschluss vorhanden, der seit der Übernahme<br />
in das Eigentum der Stadt <strong>Erfurt</strong> Anfang 2005 besser vermarktet werden kann. Strukturbestimmendes<br />
Unternehmen ist hier das IKEA-Logistikzentrum. Weitere wichtige Standorte sind der Flughafen <strong>Erfurt</strong><br />
und das FIEGE-Logistizentrum in Apfelstädt. Mit den "<strong>Erfurt</strong>er Logistiktagen" ist zugleich ein überregional<br />
bedeutsames Forum für den Dialog zwischen Wissenschaft und Praxis in der Stadt etabliert. Ergänzend sind<br />
durch praxisnahe Ausbildungsgänge an der FH <strong>Erfurt</strong> (unter anderem am Fachbereich Verkehrs- und Transportwesen)<br />
weitere Voraussetzungen für eine positive Entwicklung im Bereich Verkehrswesen und Logistik<br />
gegeben.<br />
Einzelhandel<br />
Der Einzelhandel in der Landeshauptstadt Thüringens gestaltet sich weiter zu einem bedeutenden Faktor<br />
der Wirtschafts- und Stadtentwicklung. <strong>Erfurt</strong> wird durch eine sehr homogene Handelsstruktur gekennzeichnet<br />
und besitzt mit der Innenstadt ein Zentrum, das durch seine Handelsvielfalt "Shopping-Erlebnis" ermöglicht<br />
und damit Anziehungspunkt für Einwohner und Besucher ist. Dazu trägt insbesondere die Durchmischung<br />
von Magnetbetrieben und kleinteiligen Handelsgeschäften, Einzelhandelsfilialisten und eigenständigen<br />
<strong>Erfurt</strong>er Betrieben bei. Eine der höchsten Zentralitätskennziffern der ostdeutschen Landeshauptstädte<br />
und die Verdopplung des Einzugsgebietes seit 1998 sind Ausdruck dafür, dass der Einzelhandelsstandort<br />
<strong>Erfurt</strong> bei den Kunden auch überregional zunehmend an Akzeptanz gewinnt. Neben dem Zentrum sind die in<br />
jeweils angrenzende Wohnbebauung integrierte Einkaufscenter Anziehungspunkt für Einwohner und Besucher.<br />
Mit der Verzehnfachung der Einzelhandelsfläche seit 1990 ist eine flächendeckende Ausstattung der Stadt<br />
erreicht. Auf der Basis einer jährlich durchgeführten Haus-zu-Haus-Begehung wird in <strong>Erfurt</strong> der Gesamtbestand<br />
an Einzelhandelsflächen erfasst. Die Verkaufsflächenzahl von ca. 3 m²/EW ist somit nicht vergleichbar<br />
22 Helaba Landesbank Hessen-Thüringen: „Märkte und Trends Spezial“, S. 4, Frankfurt, November 2004<br />
50
3. Bestandsanalyse und Entwicklungstrends<br />
mit anderen Städten, in denen z. B. lediglich größere Handelsobjekte erfasst werden. Eine extensive Erweiterung<br />
der Handelsflächen erfolgt nur noch in Ausnahmefällen und vorzugsweise in der Innenstadt.<br />
Die Nahversorgung wird im gesamten Stadtgebiet (in Ortschaften teilweise über mobile Versorgung) sichergestellt.<br />
Tourismus<br />
Der Tourismus hat seit 1990 als Wirtschaftsfaktor zunehmend an Bedeutung gewonnen. Hauptanziehungspunkte<br />
und Imageträger des Tourismus sind vor allem der Dom und die Krämerbrücke.<br />
Vor allem in den Bereichen Städtetourismus und Tagungswesen ist ein kontinuierliches Wachstum zu verzeichnen.<br />
So stieg die Zahl der Übernachtungen von 513.000 im Jahr 2001 auf 530.000 im Jahr 2003. Davon<br />
entfielen 43.365 Übernachtungen auf ausländische Gäste 23 . Zusätzlich kommen - insbesondere zu<br />
"Events", wie dem Weihnachtsmarkt oder dem Krämerbrückenfest - zahlreiche Tagesbesucher und Privatgäste<br />
in die Stadt. Der Großteil der Gäste entfällt bisher auf die Gruppe der über 50jährigen. Die Verweildauer<br />
beträgt in der Regel 1-3 Tage.<br />
Die Attraktivität der historischen Altstadt, die gute touristische Infrastruktur mit einem breit gefächerten Angebot<br />
an Hotels, Beherbergungsbetrieben und Gaststätten und die Verbindung zu Kultur und Handel sind<br />
wesentliche Motoren des Tourismus. Zusätzliche Besucherpotenziale könnten zukünftig durch ergänzende<br />
Angebote für jüngere Zielgruppen erschlossen werden. Ein zentraler Ansatzpunkt der touristischen Entwicklung<br />
ist die Fortsetzung der Bemühungen zur Aufwertung der Altstadt und angrenzender Bereiche wie dem<br />
Petersberg. Notwendig ist zudem die weitere Profilbildung einzelner Kultur- und Freizeiteinrichtung, um Anziehungspunkte<br />
zu erhalten, die überregional wahrgenommen werden.<br />
Der Bekanntheitsgrad des Reiseziels <strong>Erfurt</strong> konnte in den vergangenen Jahren insbesondere durch die Zusammenarbeit<br />
der Tourismus GmbH <strong>Erfurt</strong> unter anderem in den Vereinen "Städtetourismus Thüringen e.V."<br />
und "Historic Highlights of Germany" sowie einer verstärkte Kooperation im Raum <strong>Erfurt</strong>-Weimar-Jena deutlich<br />
erhöht werden. Durch eine weitere Vernetzung mit Angeboten im Thüringer Wald, der Region Hainich-<br />
Werratal sowie der Ilm- und Saale-Region können perspektivisch weitere touristische Potenziale erschlossen<br />
werden.<br />
Die zukünftige touristische Entwicklung wird zudem von folgenden Trends beeinflusst:<br />
− zunehmender Anteil älterer und in der Mobilität eingeschränkter Gäste;<br />
− gleichzeitig steigende Zahl von aktiven Senioren, die etwa mit Reisemobilen oder als Radtouristen unterwegs<br />
sind;<br />
− zunehmenden individuelle - d. h. von Pauschalangeboten unabhängige - Reisegestaltung sowie kurzfristige<br />
Modetrends.<br />
Land- und Forstwirtschaft<br />
<strong>Erfurt</strong> verfügt in seiner Peripherie derzeit über 1.950 ha Waldfläche - davon 260 ha Kommunalwaldfläche -<br />
sowie ein großes Potential an landwirtschaftlicher Nutzfläche. Mit Bodenwertzahlen von zum Teil über 90<br />
sind sie besonders für den Garten- und Gemüseanbau hervorragend geeignet. Nicht zuletzt brachten die<br />
vormals weitläufigen, üppig blühenden Blumenfelder, die der Saatzucht dienten, <strong>Erfurt</strong> dem Beinamen „Blumenstadt“<br />
ein.<br />
Gegenüber 1990 ist ein Rückgang der gärtnerischen Nutzung, insbesondere der Saat- und Zierpflanzenproduktion<br />
zu verzeichnen, der vor allem aus umfangreichen Produktionsverlagerungen an kostengünstigere<br />
Standorte und die Flächeninanspruchnahme für Wohn- und Gewerbegebiete sowie Infrastrukturprojekte resultiert.<br />
Dennoch werden derzeit rund 16.700 Hektar landwirtschaftlicher Nutzflächen im Stadtgebiet durch<br />
75 Betriebe mit Sitz in <strong>Erfurt</strong> und durch sieben Betriebe des Umlandes bewirtschaftet. Trotz der besonderen<br />
Eignung der Flächen für den Gemüse- bzw. Gartenanbau werden auf 75 % der Flächen Getreide, Hackfrüchte,<br />
Ölfrüchte sowie Tierfutter angebaut. Lediglich auf 25 % wird Garten- bzw. Gemüseanbau betrieben.<br />
Der Anteil der Waldflächen am Stadtgebiet konnte in den vergangenen Jahren durch Aufforstungsmaßnahmen<br />
zum Beispiel im Bereich der Fahner Höhen und Ausgleichsmaßnahmen im Zuge der Verkehrsprojekte<br />
Deutsche Einheit deutlich gesteigert werden. Durch weitere Maßnahmen sowie forstliche Nachnutzung von<br />
Brachflächen wird sich der Anteil zukünftig weiter erhöhen.<br />
23 Thüringer Landessamt für Statistik: „Statistisches Jahrbuch 2004“, S. 284, <strong>Erfurt</strong> 2004<br />
51
<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />
3.6.3 Gewerbeflächen<br />
Im Jahr 1990 verfügte die Stadt über ca. 600 ha gewerblich genutzte Flächen, die schwerpunktmäßig im<br />
nördlichen bis östlichen Bereich und im Südosten lagen. Betriebsaufgaben oder der Mangel an Expansionsmöglichkeiten<br />
führten zunächst zu umfangreichen Standortaufgaben. Zeitgleich erfolgte die Ausweisung<br />
großer Gewerbeflächen insbesondere auf dem Gebiet der 1994 eingemeindeten Umlandgemeinden. Der mit<br />
der wirtschaftlichen Umstrukturierung verbundene Zuwachs in den Bereichen Handel, Dienstleistung und<br />
Verwaltung führte ebenfalls zur Entwicklung neuer Standorte. Nur in Ausnahmen - wie im Fall des Sparkassenfinanzzentrums<br />
- wurden dabei bestehende Brachflächen nachgenutzt. Es ist jedoch gelungen, zentrale<br />
Funktionen in die Entwicklungsachsen der Stadt einzufügen.<br />
So konzentriert sich die Medienbranche<br />
mit dem Thüringer Sitz<br />
des Mitteldeutschen Rundfunks<br />
MDR und des Kinderkanals<br />
"KI.KA“ sowie dem in Bau befindlichen<br />
Medienapplikations- und<br />
Gründerzentrum im Bereich der<br />
Messe am westlichen Stadtrand.<br />
Die Einrichtungen der Landesregierung<br />
finden sich im Wesentlichen<br />
im <strong>Erfurt</strong>er Süden. Auch<br />
maßgebliche Bürostandorte fügen<br />
sich im Bereich der Nordhäuser<br />
Straße nördlich des Thüringenparks<br />
und am Flughafen<br />
(Büropark "Airfurt") in die Entwicklungsachsen<br />
der Stadt ein.<br />
Diese Strategie der Nutzungsverteilung<br />
bewirkt zum einen eine effektive<br />
Nutzung technischer und<br />
verkehrlicher Infrastruktur, zum<br />
anderen geht insbesondere in<br />
den Stadtteilen nördlich und östlich<br />
der Innenstadt von Einrichtungen<br />
mit öffentlichem Charak-<br />
Abb. 19 - Branchenverteilung<br />
ter eine wichtige stabilisierende<br />
Rolle aus. Dies gilt beispielsweise für den Sitz der Stadtwerke <strong>Erfurt</strong> in der Magdeburger Allee, den Campus<br />
der Fachhochschule in der Altonaer Straße sowie dem Standort des Helios-Klinikums und der Universität in<br />
der Nordhäuser Straße.<br />
Der zukünftige Bedarf an gewerblichen Bauflächen ist schwer abzuschätzen. Im FNP-<strong>Entwurf</strong> sind<br />
ca. 1.300 ha gewerbliche Bauflächen dargestellt, die sich wie folgt qualifizieren lassen:<br />
52<br />
Flächen in rechtskräftigen Bebauungsplan-Gebieten 582 ha<br />
davon bebaut bzw. in Bau befindlich 518 ha<br />
unbebaut und nicht erschlossen 64 ha<br />
Flächen, für die Bebauungspläne im Verfahren sind 253 ha<br />
davon Bestandsflächen 163 ha<br />
Erweiterungsflächen 90 ha<br />
Flächen, ohne Bebauungsplanung (Baurecht kann<br />
weitestgehend nach § 34 BauGB erteilt werden)<br />
465 ha<br />
Gewerbliche Bauflächen nach FNP gesamt 1.300 ha<br />
Des Weiteren sind gewerbliche Ansiedlungen unter bestimmten Voraussetzungen auch in gemischten Bauflächen<br />
möglich. Auch Sondergebietsflächen mit der Zweckbestimmung Verwaltung sind für Ansiedlungen<br />
des tertiären Sektors vorgesehen.
3. Bestandsanalyse und Entwicklungstrends<br />
Die Ausweisung der Flächen basiert auf dem Prinzip der Fortschreibung des Achsenmodells mit der traditionell<br />
bestehenden Nord-Südost-Achse und einer neuen Ost-West-Achse. Verbunden hiermit ist die schrittweise<br />
Verbesserung der großen Gewerbestandorte insbesondere durch die bis 2007 abgeschlossene Fertigstellung<br />
des "<strong>Erfurt</strong>er Ringes".<br />
Eine Untersuchung 24 aller gesamtstädtisch wichtigen gewerblich genutzten Gebiete (ca. 1.500 ha sowohl auf<br />
gewerblichen als auch auf gemischten Bauflächen) ergab, dass derzeit ca. 470 ha ungenutzte oder brach<br />
gefallene Flächen vorhanden sind. Diese Zahl täuscht jedoch, da es derzeit bereits problematisch ist, größere<br />
zusammenhängende Flächen (5 bis 10 ha) nachzuweisen und schnell und preisgünstig anbieten zu können.<br />
Flächen mit Gleisanschluss werden in ganz Thüringen knapp und sind in <strong>Erfurt</strong> aktuell nur in der <strong>Erfurt</strong>er<br />
Straße Ost, nach der Änderung des B-Planes im GVZ sowie ab <strong>2006</strong> südlich der Kühnhäuser Straße vorhanden.<br />
Es ist daher notwendig, für die unterschiedlichen Branchen geeignete Flächen sowohl für Neuansiedlungen<br />
wie auch Betriebserweiterungen auszuweisen und vorhandene Flächenpotenziale im Bestand durch Aufbereitung<br />
und Zusammenlegung besser nutzbar zu machen.<br />
Die Bürofläche hat sich mit 1.874.219 m² am 31.12.2004 gegenüber 1990 verdreifacht, davon standen<br />
404.658 m² leer. Zu spürbarer Bewegung auf dem Markt gewerblicher Immobilien führen Umstrukturierungsprozesse,<br />
die durch den Wechsel von Mietobjekten, Umzug von Miet- in Eigentumsobjekte sowie durch<br />
räumliche Konzentration bisher verstreuter Betriebsteile gekennzeichnet ist. Notwendig ist die weitere Verbesserung<br />
der Anbindung einzelner Standorte. Beispielsweise konnten durch den Bau der Stadtbahn nach<br />
Bindersleben und den Bau der Autobahn A71 die Entwicklungschancen des Büroparks Airfurt verbessert<br />
werden.<br />
3.6.4 Kommunale Finanzen<br />
Die Kommunen in Deutschland und so auch <strong>Erfurt</strong> befinden sich in der schwersten Finanzkrise seit Bestehen<br />
der Bundesrepublik Deutschland. Sie ist durch die seit Jahren rückläufigen Einnahmen gepaart mit stetig<br />
steigenden Ausgaben geprägt. Diese Entwicklung ist dabei nur in geringem Maße durch die Kommune<br />
steuerbar. Einnahmeverlusten aufgrund der schlechten Wirtschaftslage und sinkenden Einwohnerzahlen<br />
stehen Mehrbelastungen u. a. aufgrund der Übertragung von Bundes- und Landesaufgaben ohne entsprechende<br />
Ausgleichsregelungen gegenüber.<br />
Dementsprechend prekär sieht die Lage bei den Investitionsausgaben aus. In den letzten Jahren konnten<br />
etwa gleich bleibende Mittel für investive Maßnahmen nur aufgrund massiver Verkäufe von Vermögenswerten<br />
bereit gestellt werden. Mit den Verkaufserlösen wurden die notwendigen Eigenanteile für Förderungen<br />
durch den Freistaat aufgebracht. Vermögenswerte sind jedoch nur einmal veräußerbar, so dass diese Vorgehensweise<br />
nur eine sehr kurzfristige Lösung ist.<br />
Eine Entspannung der Finanzlage ist auch langfristig nicht absehbar. Der nach § 53 Abs. 3 ThürKO geforderte<br />
Haushaltsausgleich wird weiterhin sinkende Investitionen und Ausgabenkürzungen notwendig machen,<br />
was zu drastischen Einschnitten in allen Bereichen führen wird. Insofern sind sämtliche Überlegungen zur<br />
Stadtentwicklung vor dem Hintergrund knapper Haushaltskassen zu betrachten.<br />
3.6.5 Bildung und Wissenschaft<br />
<strong>Erfurt</strong> verfügt über eine vielfältige Struktur an Bildungseinrichtungen, die neben einem umfassenden Angebot<br />
an allgemein bildenden Schulen, Spezialgymnasien, Fachschulen und Beruflichen Bildungszentren auch<br />
eine Reihe von privaten Instituten der Aus- und Weiterbildung umfasst. Berufliche Qualifizierungsmaßnahmen<br />
für Unternehmen der Region werden zum großen Teil von <strong>Erfurt</strong>er Instituten übernommen.<br />
Mit der Fachhochschule und der Universität verfügt <strong>Erfurt</strong> über zwei Hochschulen. In einem rein zahlenmäßigen<br />
Vergleich kann die Stadt nicht mit den großen Hochschulstandorten in Deutschland konkurrieren. Zu<br />
berücksichtigen ist aber, dass der Wirtschafts- und Bildungsstandort von der Nähe der Hochschulen und<br />
Wissenschaftseinrichtungen insbesondere in Ilmenau, Weimar und Jena (siehe Tabelle) profitieren kann.<br />
Profil und Bedeutung der <strong>Erfurt</strong>er Bildungs- und Wissenschaftslandschaft liegen dabei in einer differenzier-<br />
24<br />
Landeshauptstadt <strong>Erfurt</strong>, Stadtverwaltung, Stadtentwicklungsamt (Hg.): Beiträge zur Stadtentwicklung - Heft 3 „Sektorale Entwicklungskonzeption<br />
Arbeiten - Teilbereich Gewerbeflächenbericht“, Oktober 2003<br />
53
<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />
ten Struktur spezialisierter Angebote. In verschiedener Hinsicht werden Lücken besetzt, die eine eigenständige<br />
Profilierung im engen Wettbewerb erlauben und eine sinnvolle Ergänzung der Thüringer Hochschul-<br />
und Forschungslandschaft darstellen. Öffentliche Veranstaltungen der <strong>Erfurt</strong>er Hochschulen bereichern zudem<br />
das kulturelle Leben der Stadt. Die öffentlich nutzbaren Hochschulbibliotheken sichern den Zugang zu<br />
aktuellen Informationen aus zahlreichen Wissenschaftsbereichen.<br />
Tabelle 9 - Studentenzahlen und Profil der Hochschulen im Raum <strong>Erfurt</strong> - Weimar - Jena - Ilmenau 25<br />
Hochschule Schwerpunkte Studentenzahl<br />
Universität <strong>Erfurt</strong> Geisteswissenschaften, Kommunikationswissenschaften, Erziehungswissenschaften,<br />
Staatswissenschaften, Theologie<br />
ca. 4.000<br />
Fachhochschule <strong>Erfurt</strong> Architektur/Bauwesen, Restaurierung, Versorgungstechnik, Gartenbau,<br />
Landschaftsarchitektur, Verkehr und Logistik, Wirtschaft, Sozialwesen,<br />
Informatik<br />
Technische Universität Ilmenau Elektro- und Informationstechnik, Informatik, Naturwissenschaften, Maschinenbau,<br />
Medien, Wirtschaft<br />
Bauhaus-Universität Weimar Architektur, Stadt- und Regionalplanung, Bauwesen, Gestaltung,<br />
Medien<br />
54<br />
ca. 4.200<br />
7.019<br />
4.686<br />
(Stand 2002)<br />
Hochschule für Musik Weimar Musik 791<br />
(Stand 2002)<br />
Friedrich-Schiller-Universität Jena Volluniversität mit großer Bedeutung der Naturwissenschaften und Medizin<br />
19.702<br />
(Stand 2004)<br />
Fachhochschule Jena Wirtschaft, Technik, Soziales 4.630<br />
25 Angaben der Hochschulen lt. Website. Uni <strong>Erfurt</strong>, FH <strong>Erfurt</strong>, TU Ilmenau, FH Jena: Stand Sommersemester 2005. Bauhaus Uni und<br />
Hochschule für Musik: Stand Wintersemester 2002/2003 . Uni Jena: Stand WS 2004/2005.
3. Bestandsanalyse und Entwicklungstrends<br />
3.7 Soziales<br />
Im Rahmen der Daseinsvorsorge für ihre Bürger hat die Stadt <strong>Erfurt</strong> die Pflicht, die Versorgung mit notwendigen<br />
Einrichtungen des Gemeinbedarfes zu sichern. Zu den Grundbedürfnissen der Bevölkerung zählen<br />
u. a. die soziale Fürsorge, die medizinische Versorgung, schulische und außerschulische Bildung, Sicherheit<br />
und Hilfe im Notfall, ebenso die Möglichkeit zur Teilnahme an Gemeinschaft und Kultur, die Möglichkeit zur<br />
Freizeitgestaltung und die Möglichkeit zur Religionsausübung. Durch seine zentralörtliche Funktion übernimmt<br />
die Stadt <strong>Erfurt</strong> zusätzliche Versorgungsaufgaben für die Bevölkerung des Umlandes. Die Nachfrage<br />
nach sozialen Diensten unterliegt seit einigen Jahren einem starken Veränderungsprozess, der sich vor dem<br />
Hintergrund der prognostizierten Bevölkerungsentwicklung weiter fortsetzen wird. Stadtumbau und soziale<br />
Entwicklung sind daher untrennbar miteinander verbunden.<br />
3.7.1 Sozialstruktur<br />
Nach der Wirtschafts- und Währungsunion im Jahr 1990 wurde die Sozialordnung der Bundesrepublik auf<br />
die ehemalige DDR übertragen. Bis dahin gab es auch in <strong>Erfurt</strong> keine offizielle Arbeitslosigkeit, kaum Einkommensunterschiede<br />
und die Existenz sozialer Problemgruppen war weitgehend unbekannt. Auch gab es<br />
ein staatlich festgelegtes Versorgungsnetz von sozialer und gesundheitlicher Infrastruktur. Durch eine "besondere<br />
Fürsorge" des Staates existierten räumliche Segregationsprozesse der Bevölkerung kaum. Diese<br />
Situation hat sich tief greifend geändert.<br />
Die Entwicklungen der letzten Jahre im Sozialbereich zeigen auf der einen Seite eine Erhöhung des<br />
Wohlstandsniveaus und wachsendes Erwerbseinkommen 26 . Auf der anderen Seite jedoch gibt es immer<br />
mehr Menschen, die kurz- oder längerfristig in Not geraten und ihren Lebensunterhalt nur mit fremder Hilfe<br />
bestreiten können. Die Situation am Arbeitsmarkt, die geringen Arbeitsmarktchancen für eine immer größere<br />
Gruppe Arbeitsloser und steigende Einkommensunterschiede zeichnen ein deutliches Bild der neuen sozialen<br />
Spaltungs- und Segregationstendenzen. Dies zieht eine Chancenungleichheit hinsichtlich der Teilnahme<br />
am sozialen und kulturellen Leben in der Stadt nach sich, welche sich u. a. gravierend im Sozial- und Jugendhilfebereich<br />
niederschlagen 27 .<br />
Abb. 20 - Soziale Situation in den einzelnen Stadtteilen nach ausgewählten Indikatoren 35<br />
26<br />
vgl. Landeshauptstadt <strong>Erfurt</strong>, Stadtverwaltung, Dezernat Jugend, Bildung, Soziales und Gesundheit 05 (Hg.): „2.Sozialbericht der<br />
Stadt <strong>Erfurt</strong>“, <strong>April</strong> 2001<br />
27<br />
vgl. ebenda<br />
55
<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />
Auch in Bezug auf Lebensstile setzte ein Wandlungsprozess ein. Das klassische Modell von verheirateten<br />
Eltern mit mehreren Kindern ist im Rückzug begriffen. Dagegen ist die Zunahme von Ledigen im heiratsfähigen<br />
Alter, der eheähnliche Gemeinschaften und allein erziehende Mütter oder Väter zu beobachten. Damit<br />
geht eine Änderung der Bedarfsanforderungen nach sozialen Einrichtungen und Netzwerken sozialer Dienstleistungen<br />
einher. Die seit 1990 rückläufigen Geburtenzahlen zeigen bereits heute Auswirkungen im Bereich<br />
der Kinderbetreuung.<br />
Im Dezember 2004 waren in <strong>Erfurt</strong> 9.451 Personen, darunter 5.045 Frauen, abhängig von laufender Hilfe<br />
zum Lebensunterhalt, wobei 3.681 Kinder bis 18 Jahre und 147 Senioren ab 60 Jahre Sozialhilfe beziehen.<br />
Die Arbeitslosigkeit ist weiterhin der größte Ursachenfaktor (73 %) für deren Bezug. Besonders betroffen<br />
sind Alleinerziehende, Frauen mit Kindern und 1-Personenhaushalte. Die Entwicklung am Arbeitsmarkt zeigt<br />
weiterhin einen Anstieg der Arbeitslosigkeit. Im Jahr 2004 leben in der Stadt <strong>Erfurt</strong> 19.508 Arbeitslose, darunter<br />
2.553 jugendliche Arbeitslose bis 25 Jahre und 2.420 Arbeitslose, die älter als 55 Jahre sind, sowie<br />
8.759 Langzeitarbeitslose.<br />
Nach dem Zusammenschluss der Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe für erwerbsfähige Hilfsbedürftige nach<br />
dem "Vierten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt" (Hartz IV) zum 01. Januar 2005 zeigt<br />
die Auswertung der Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II) im <strong>April</strong> 2005 folgende Struktur:<br />
Tabelle 10 - Information zum SGB II per 04/2005 28<br />
56<br />
Anzahl<br />
Bedarfsgemeinschaften 15 869<br />
Empfänger von ALG II 21 147<br />
Empfänger von Sozialgeld 6 419<br />
Personen in Bedarfsgemeinschaften 27 566<br />
Diese neue Struktur der Grundsicherung für Arbeitssuchende kann mit den bisherigen Entwicklungen der<br />
Sozialstruktur nicht verglichen werden, da der Einführungsprozess noch nicht abgeschlossen ist. Mit einer<br />
Verschiebung der sozialräumlichen Verteilung innerhalb des Stadtgebietes ist in den nächsten Jahre nicht zu<br />
rechnen.<br />
3.7.2 Auswirkungen des demographischen Wandels am Beispiel der Schulen<br />
Mit dem seit Beginn der 90er Jahre einsetzenden drastischen Geburtenrückgang haben sich die Ausgangsbedingungen<br />
der Stadtentwicklung tief greifend verändert. Die Auswirkungen des demographischen Wandels<br />
werden in der Folge exemplarisch am Beispiel der Schulen dargestellt.<br />
Die Bestandsaufnahme und Bestandsbewertung der ersten Schulentwicklungspläne (1996-2001) bildet die<br />
Grundlage für den derzeit gültigen Schulentwicklungsplan zur Sicherung eines vielfältigen und flächendeckenden<br />
Schulangebotes in allen Schularten in der Stadt <strong>Erfurt</strong> mit dem Zeithorizont <strong>2006</strong> sowie planerischen<br />
Überlegungen über diesen Zeitpunkt hinaus. Seit Mitte der 90er Jahre haben sich die Schülerzahlen<br />
in den einzelnen Schularten teilweise stark rückläufig entwickelt, so dass in den letzten Jahren bereits zahlreiche<br />
Veränderungen im Schulnetz umgesetzt wurden. Dabei wurde besonders der vorhandene Überhang<br />
an schulischen Einrichtungen in den Großwohnsiedlungen (Plattenbau) der Stadt beachtet. Auffallend ist der<br />
große Rückgang der Schülerzahlen in den nördlichen und südöstlichen Großwohnsiedlungen in der Stadt<br />
<strong>Erfurt</strong>. So führte der Rückgang der Grund- und Regelschüler besonders in diesen Stadtteilen zur Aufhebung<br />
von Schulstandorten dieser Schularten, wobei die frei gezogenen Gebäude aber in der Regel in andere<br />
schulische Nutzungen übergingen.<br />
Nachdem die Grundschulstandorte im Wesentlichen der aktuellen Zahl der Schüler angepasst wurden,<br />
zeichnen sich derzeit Veränderungen im Bereich Regelschulen und Gymnasien ab. Beginnend ab dem Jahr<br />
2002/03 hat ein sichtbarer Rückgang der 15 bis unter 18-jährigen Schüler eingesetzt. Sie werden sich bis<br />
zum Jahr 2010 fast halbieren.<br />
Seit dem Jahr 2003 ist die Bezeichnung Schulentwicklungsplan durch Schulnetzplanung ersetzt worden und<br />
zeigt den Hauptschwerpunkt - die Netzentwicklung der schulischen Grundversorgung - auf. Derzeit wird die<br />
Entwicklung der Schulstandorte nach dem Jahr <strong>2006</strong> bearbeitet.<br />
28 Quelle: Stadtentwicklungsamt, Bereich Statistik und Wahlen, Monatsinfo 05/2005
3. Bestandsanalyse und Entwicklungstrends<br />
Tabelle 11 - Schüleraufkommen der letzten 10 Jahre in den einzelnen Schulformen 29<br />
Schulform Schuljahr Schuljahr<br />
Schuljahr<br />
Schuljahr<br />
Schuljahr<br />
1991/1992 1994/1995 1995/1996<br />
2000/2001<br />
2003/2004<br />
nach der Schulreform nach der Gebietsreform<br />
Beginn des 1. Schulentwicklungsplanes<br />
Beginn des 2. Schulentwicklungsplanes<br />
aktueller Wert<br />
Anz. KL. Schüler Anz. KL. Schüler Anz. KL. Schüler Anz. KL. Schüler Anz. KL. Schüler<br />
Grundschulen 34 497 10 567 41 512 11 211 41 490 10 726 33 252 5 043 30 214 4205<br />
Regelschulen 28 413 8 410 27 425 8 346 25 408 8 165 20 326 6 835 15 254 5002<br />
Gymnasien<br />
mit Sp.-ST.<br />
8 30 246 5 899 9 305 7 097 9 302 6 874 9 257 6 001 8 215 4634<br />
Gesamtschulen 2 52 1 074 2 72 1 668 2 73 1 664 2 73 1 746 2 72 1734<br />
Schulen 72 1208 25 950 79 1314 28 322 77 1273 27 429 64 908 19 625 55 755 15575<br />
Förderschulen 8 153 1 415 9 203 1 903 8 203 1 858 8 166 1 590 8 158 1403<br />
Schulen 80 1361 27 365 88 1517 30 225 85 1476 29 287 72 1074 21 215 63 913 16978<br />
SBBS 8 398 7 128 6 521 10 006 6 513 10 300 7 636 12 823 7 603 12034<br />
Schulen 88 1759 34 493 94 2038 40 231 91 1989 39 587 79 1710 34 038 70 1516 29012<br />
Die im Rahmen des eingeleiteten Stadtumbaus ersichtlichen Veränderungen im Wohnungsbestand in Kombination<br />
mit weiter zurückgehenden Schülerzahlen haben in der Zukunft durch die weitere Abnahme von<br />
Schulstandorten noch direkteren Bezug zur Art, Anzahl und Lage der Schulen in den einzelnen Quartieren.<br />
Der derzeit vorliegende Schulentwicklungsplan (Schulnetzplan) gibt die perspektivische Entwicklung bis zum<br />
Jahr <strong>2006</strong> vor, weitergehende Planungen liegen derzeit nicht vor.<br />
45000<br />
40000<br />
35000<br />
30000<br />
25000<br />
20000<br />
15000<br />
10000<br />
5000<br />
0<br />
1991/92<br />
1992/93<br />
30 Grundschulen Freie Schule "Regenbogen" <strong>Erfurt</strong><br />
15 Regelschulen Montessori-Integrationsschule<br />
6 Gymnasien Pierre-de-Coubertin-Gymnasien<br />
6 FÖS Edith-Stein-Schule<br />
7 SBBS Evangelisches Ratsgymnasium<br />
1993/94<br />
1994/95<br />
1995/96<br />
1996/97<br />
1997/98<br />
1998/99<br />
1999/00<br />
In den berufsbildenden Schulen wird der "Geburtenknick" im betrachteten Zeitraum zwischen 2001 und <strong>2006</strong><br />
zwar noch nicht wirksam, allerdings stagnieren die Schülerzahlen derzeit bereits und in den nächsten Jahren<br />
wird auch im berufsbildenden Bereich mit einem Rückgang der Schülerzahlen zu rechnen sein. Da die<br />
29 Quelle: Schulverwaltungsamt <strong>Erfurt</strong><br />
30 ohne Sportgymnasium<br />
2000/01<br />
Entwicklung der Schülerzahlen in <strong>Erfurt</strong><br />
2001/02<br />
2002/03<br />
2003/04<br />
2004/05<br />
2005/06<br />
<strong>2006</strong>/07<br />
2007/08<br />
2008/09<br />
2009/10<br />
2010/11<br />
2011/12<br />
2012/13<br />
2013/14<br />
2014/15<br />
2015/16<br />
Zeitraum Prognose der Schulentwicklung im Rahmen<br />
des Schulentwicklungsplanes 2001 - <strong>2006</strong>*<br />
Annahme:<br />
Die Übertrittsquoten zur Berrechnung der zukünftigen<br />
Schülerzahlen beruhen auf dem Durchschnitt der<br />
Jahre 2000 bis 2004<br />
* Quelle: Schulverwaltungsamt<br />
2016/17<br />
2107/18<br />
2018/19<br />
2019/20<br />
2020/21<br />
2021/22<br />
2022/23<br />
2023/24<br />
Abb. 21 - Entwicklung der Schülerzahlen in <strong>Erfurt</strong><br />
2024/25<br />
2025/26<br />
2026/27<br />
2027/28<br />
2028/29<br />
2029/30<br />
2030/31<br />
Schüler gesamt in <strong>Erfurt</strong> Schüler staatliche Schulen<br />
57
<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />
berufsbildenden Schulen aber in der Regel einen über das Stadtgebiet hinausgehenden Einzugsbereich haben,<br />
wird dieser Rückgang in wesentlich abgeschwächter Form als im Bereich der anderen allgemeinbildenden<br />
Schulen verlaufen. Ab etwa 2016 nimmt die Zahl der Berufsschüler dann wieder leicht zu, um sich etwa<br />
nach 2030 nur noch regressiv zu entwickeln.<br />
Hinzu kommt hier, dass sich die Anforderungen der Wirtschaft gravierend verändern und damit auch Einfluss<br />
auf die Schülerstrukturen genommen wird. Dies kann sowohl inhaltliche als auch örtliche Veränderungen der<br />
Ausbildung nach sich ziehen. Dadurch wird die Zuverlässigkeit von Prognosen in starkem Maße beeinträchtigt,<br />
was wiederum Schwierigkeiten bei der Bewertung der Schulnetzplanung dieser Schulart nach sich zieht.<br />
3.7.3 Sport und Freizeit<br />
Leistungssport<br />
<strong>Erfurt</strong> besitzt eine große Bedeutung als Sportstadt und Olympiastützpunkt. Sportliche Leistungen und medienwirksame<br />
Sportveranstaltung stellen einen Imagegewinn für die Stadt dar. Für die Stadt <strong>Erfurt</strong> ist die Bereitstellung<br />
sowie eine relevante Bewirtschaftung der sportlichen Infrastruktur, die ein Oberzentrum vorzuhalten<br />
hat, von besonderer Bedeutung. Das betrifft vor allem auch die Sportanlagen, die als Bundesleistungszentren<br />
im Olympiastützpunkt Thüringen - Standort <strong>Erfurt</strong> - vertreten sind. Mit dem Bau mehrerer großer<br />
Sportbauten im letzten Jahrzehnt, wie z. B. der neuen Tribüne im Steigerwaldstadion, der Eisschnelllaufhalle<br />
und der Leichtathletikhalle im Sportkomplex Süd, wurde die sportliche Infrastruktur generell und besonders<br />
für die Leistungssportarten Leichtathletik und Eisschnelllauf verbessert.<br />
Der derzeit in Planung befindliche Umbau der Radrennbahn und deren Teilüberdachung werden diese Entwicklung<br />
ebenso befördern wie die bereits fertig gestellte 3-Felder-Halle am Sportgymnasium "Pierre-de-<br />
Coubertin", in der in hoher Liga Volleyball gespielt wird. Mit diesen Maßnahmen wird maßgeblich zur Sicherung<br />
der Sportstadt <strong>Erfurt</strong> beigetragen. Zukünftig sollten - vor allem auch für Ballsportarten wie Handball<br />
und Fußball- weitere Investitionen vorgesehen werden. Für solche möglichen Erweiterungen sportlicher Infrastrukturelemente<br />
sind deshalb langfristig orientiert und unabhängig von einer zukünftigen Betreiberform relevante<br />
Flächen vorzuhalten.<br />
Zur weiteren Profilierung mit weit reichenden touristischen und werbewirksamen Effekten sollen publikumswirksame<br />
neue Initiativen, wie das 2005 erstmals durchgeführte Beach-Volleyball-Turnier weiter entwickelt<br />
werden. Solche Veranstaltungen können zur Erhöhung des Bekanntheitsgrades und des Images als Sportstadt<br />
beitragen.<br />
Freizeit- und Breitensport<br />
In <strong>Erfurt</strong> waren per August 2005 insgesamt 224 Sportvereine mit 26.552 Mitgliedern registriert, die vielfältige<br />
Möglichkeiten zur sportlichen Betätigung für alle Bevölkerungsschichten und alle sportlichen Klassen, vom<br />
Breiten- bis zum Spitzensport bieten.<br />
Besonders die Vereinsarbeit mit ihren sozialen Kontakten, der faire Umgang im sportlichen Miteinander vermittelt<br />
eine hohe soziale Kompetenz, die es gilt, auch zukünftig weiter zu entwickeln. Dazu sind durch die<br />
Kommune entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen, um den Sportvereinen im Rahmen des selbst<br />
verwalteten Sports auch zukünftig entsprechende Möglichkeiten für die Durchführung ihres Sportes zu erhalten.<br />
Deshalb muss die Bestandserhaltung und Sanierung der bestehenden Sportinfrastruktur Hauptanliegen<br />
der sportlichen Entwicklung in der Stadt sein. Das betrifft die weitere Sanierung der Schulsport- und Sporthallen<br />
ebenso wie die der Freibäder der Stadt.<br />
Entsprechend der Vorgaben zur Sportstättenplanung ist die Bereitstellung von Sportanlagen an die Bevölkerungsgröße<br />
gebunden. Sinkende Einwohnerzahlen sind dabei aber nichtzwangsläufig mit einem rückläufigen<br />
Bedarf an Sportstätten gleichzusetzen. Vorgaben zur Vorhaltung von kommunalen Sportstätten für die Bürger<br />
<strong>Erfurt</strong>s müssen auch aus der Erfüllung der Pflichtaufgabe "Schulsport" und aus dem Thüringer Sportfördergesetz<br />
in Verbindung mit der Thüringer Sportstättenplanungsverordnung abgeleitet werden. Der Landessportbund<br />
Thüringen strebt an, dass die Mitgliedschaft in Sportvereinen von derzeit ca. 15% aller Einwohner<br />
Thüringens (<strong>Erfurt</strong> 14,2%) auf 20% erhöht werden soll. Damit werden trotz sinkender Einwohnerzahlen<br />
mehr Sportangebote hinterfragt, die entsprechende Sportstätten benötigen. Unter diesem Gesichtspunkt<br />
sollten bei möglichen Schließungen von Schulen die dabei betroffenen Sporthallen für eine weitere sportliche<br />
Nutzung durch Sportvereine erhalten werden.<br />
58
3. Bestandsanalyse und Entwicklungstrends<br />
Unter dem Gesichtspunkt des sozialen Aspektes des Sports sind die in den letzten Jahren sinkenden durchschnittlichen<br />
Mitgliederzahlen in den Sportvereinen stärker zu hinterfragen. Abgesehen von der sinkenden<br />
Auslastungsquote von Sportanlagen sind Kleinvereine oft kaum in der Lage, umfassende Sportangebote für<br />
alle Altersgruppen anzubieten und können sich deshalb kaum oder gar nicht der Betreuung von Kindern und<br />
Jugendlichen im Verein widmen. Sie sind damit auch nicht oder kaum in der Lage, den wertvollen Sozialisierungs-<br />
und Integrationsfaktor, den der Sport eigentlich hat, umzusetzen. Hier gilt es zukünftig, durch Knüpfung<br />
von Netzwerken unterschiedlichster Träger Reserven auf zu decken.<br />
Darüber hinaus bietet <strong>Erfurt</strong> nicht nur den Sportvereinen, sondern auch vielen nichtorganisierten Sportlern<br />
zahlreiche Möglichkeiten. Neben den kommunalen Sportangeboten bieten zahlreiche kommerzielle Sportanbieter<br />
Möglichkeiten einer sportlichen Betätigung an und nicht zuletzt stellen die innerstädtischen Grünanlagen<br />
und die Waldgebiete im Süden der Stadt eine wichtige Ergänzung des Freizeitangebotes dar. Die Entwicklung<br />
der Kiesabbaugebiete im Norden der Stadt zum Gebiet "<strong>Erfurt</strong>er Seen" und die Weiterentwicklung<br />
des Erholungszentrums Nordstrand führt zu einer schrittweisen Verbesserung im Bereich der Wassersportmöglichkeiten.<br />
Darüber hinaus kann <strong>Erfurt</strong> von zahlreichen Freizeit- und Erholungsangeboten im Umland profitieren. Neben<br />
dem Gebiet um des Stausees Hohenfelden und um die Fahner Höhen bietet die Nähe zum Thüringer Wald<br />
und Südharz weitere attraktive Freizeitmöglichkeiten.<br />
3.7.4 Kultur<br />
Mit zahlreichen Angeboten für Theater, Musik, Kino, Ausstellungen, Messen und Museen ist in <strong>Erfurt</strong> ein<br />
vielfältiges Kulturangebot vorhanden, das in enger Verbindung zum reichen baulichen Erbe der Stadt steht.<br />
Dabei konnte in den vergangenen Jahren sowohl im Bereich der Hoch- als auch der Breitenkultur an Profil<br />
gewonnen werden. Basis ist dabei die Strategie, durch kulturelle Jahresthemen Akzente zu setzen. Hierbei<br />
wird auf historisch wichtige Persönlichkeiten Bezug genommen. Hierdurch gelingt es, eine kulturellerlebnisreiche<br />
Atmosphäre und touristische Entwicklung mit einander zu verzahnen.<br />
Eine wichtige Säule des Kulturangebotes sind die Museen und Theater der Stadt. In den vergangenen Jahren<br />
wurden umfassende bauliche Investitionen getätigt. So kann sich das Theater <strong>Erfurt</strong> in seinem neuen<br />
Haus mit überregional beachteten Produktionen und internationalen Kooperation etablieren und Besucherzahlen<br />
und Bekanntheitsgrad deutlich steigern. Das Beispiel "Arche" im Naturkundemuseum zeigt, wie wichtig<br />
es ist, auch zukünftig besondere Akzente zu setzen. Diesem Gedanken folgt die 2005 begonnene Sanierung<br />
des Angermuseums. Ab 2007 wird neben der Kunsthalle und dem Forum Konkreter Kunst als Orte der<br />
zeitgenössischen Kunst auch das traditionelle Kunstmuseum der Stadt wieder über attraktive Ausstellungsmöglichkeiten<br />
verfügen.<br />
In hohem Maße prägen privatwirtschaftliche Veranstalter bzw. Veranstaltungsorte wie etwa Alte Oper und<br />
Kaisersaal das vielfältige Kulturangebot der Stadt. Darüber hinaus wird diese Vielfalt wesentlich von ca. 250<br />
Kulturvereinen, Verbänden und Gesellschaften 31 getragen. Exemplarisch genannt seien das Kunsthaus <strong>Erfurt</strong><br />
e. V., der Kinoklub und die Initiative "Neues Schauspiel".<br />
In den vergangenen Jahren ist es gelungen, durch Festivals überregional ausstrahlende Akzente zu setzen.<br />
Zu nennen sind hier die Domstufenfestspiele, das Puppentheaterfestival Synergura, das Internationale Folklore-Festival<br />
Danetzare, das Kinderfilmfestival "Goldener Spatz" und der der internationale Orgelwettbewerb<br />
"Dom-Prediger".<br />
Ein besonderer Anziehungspunkt mit einer hohen wirtschaftlichen Bedeutung sind die großen Feste in der<br />
Altstadt wie das Krämerbrückenfest und der Weihnachtsmarkt. Eine zunehmende Bedeutung erlangen so<br />
unterschiedliche Veranstaltungen wie die Denkmalwoche und der Karnevalsumzug. Im Bereich der Breitenkultur<br />
hat <strong>Erfurt</strong> die Rolle als wichtigster Veranstaltungsort (Messe, Thüringenhalle) für Großveranstaltungen<br />
und Konzerte abseits der Hochkultur in Thüringen. Auch Einrichtungen wie der Thüringer Zoopark und die<br />
<strong>Erfurt</strong>er Gartenbauausstellung (ega) mit dem Deutschen Gartenbaumuseum werden von Besuchern aus<br />
ganz Thüringen und den angrenzenden Bundesländern aufgesucht.<br />
Die Weiterentwicklung des <strong>Erfurt</strong>er Kulturangebotes vollzieht sich im Kontext einer zunehmend engeren regionalen<br />
Zusammenarbeit insbesondere mit den Gebietskörperschaften Weimar, Jena und Weimarer Land<br />
im kulturell-touristischen Bereich. Im Jahr <strong>2006</strong> erfolgt unter dem Motto "rendezvous - Deutsch-Französiches<br />
31 Landeshauptstadt <strong>Erfurt</strong>, Stadtverwaltung, Kulutrdirektion (Hg.):“ ERFURT KULTURELL - Vereine-Verbände-Gesellschaften“<br />
59
<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />
Jahr" erstmals eine umfassende Bündelung von Aktivitäten. Als feste Größen regionaler Zusammenarbeit<br />
sind die Thüringer Bachwochen (untersetzt durch <strong>Erfurt</strong>er Bachwochen) und die Thüringer Jazzmeile etabliert.<br />
Neben der etablierten Kultur ist <strong>Erfurt</strong> in Verbindung mit Weimar und Jena das Zentrum "alternativer" Kultur<br />
in Thüringen, die durch verschiedene Clubs (u. a. Engelsburg, Centrum, Presseklub, Stadtgarten), freie Theatergruppen<br />
und Projekte (Radio FREI, Zughafen) verkörpert wird. Eine hohe überregionale Aufmerksamkeit<br />
erfährt dabei das Highfield-Festival am Stausee Hohenfelden, das in den bundesweiten Ankündigungen als<br />
<strong>Erfurt</strong>er Veranstaltung wahrgenommen wird.<br />
Als Oberzentrum und politisch-administrativen Zentrum des Landes ist für <strong>Erfurt</strong> auch zukünftig ein angemessenes<br />
kulturelles Angebot und Engagement unabdingbar. Eine wichtige Voraussetzung ist dabei, dass<br />
das Land Thüringen <strong>Erfurt</strong> gemeinsam mit Weimar zu den zukünftigen kulturellen Schwerpunkte des Landes<br />
zählt. Vor diesem Hintergrund ist die vorhandene kulturelle Infrastruktur qualitativ weiter zu profilieren sowie<br />
ein für alle Zielgruppen attraktives kulturelles Angebot sicher zu stellen.<br />
3.7.5 Soziale Infrastruktur<br />
In der Stadt <strong>Erfurt</strong> entwickelte sich in den vergangenen Jahren ein sehr ausgeprägtes Netz sozialen Zwecken<br />
dienender Gemeinbedarfseinrichtungen (vgl. Kap. 4.9.5). Dazu gehören Kindertagesstätten, Einrichtungen<br />
für Jugendliche, für Senioren, für behinderte Menschen sowie für Wohnungslose. So gibt es beispielsweise<br />
in der Stadt <strong>Erfurt</strong> 96 Kindertagesstätten, wovon sich 13 in kommunaler Trägerschaft und 83 in<br />
freier Trägerschaft befinden. Eine Betreuung von Kindern unter 2 Jahren wird durch 6 kommunale Kinderkrippen<br />
gesichert.<br />
Parallel dazu hat sich eine weit gefächerte freie Trägerlandschaft in der Stadt etabliert. Diese sind fester Bestandteil<br />
des sozialen Hilfesystems in der Stadt. Hier werden gemeinsam umfangreiche Beratungs- und<br />
Betreuungsangebote, z. B. Frauen- und Familienberatung, Sucht- und Drogenberatung, Angebote in der offenen<br />
Kinder- und Jugendarbeit, u. a. vorgehalten. Allein die Tagesbetreuung für Kinder wird durch 40 verschiedene<br />
freie Träger gesichert.<br />
60
4<br />
4. Zielkonzept der gesamtstädtischen Entwicklung<br />
ZIELKONZEPT<br />
DER GESAMTSTÄDTISCHEN<br />
ENTWICKLUNG<br />
61
<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />
62
4. Zielkonzept der gesamtstädtischen Entwicklung<br />
Auf der Basis des vorangegangenen Analyseteils wurde in der Verwaltung ein Leitbild der künftigen Stadtentwicklung<br />
formuliert. Dieses baut auf Diskussionsprozessen auf, die in den vergangenen Jahren im Rahmen<br />
der Lokalen Agenda 21 und des Wettbewerbs Stadtumbau Ost geführt wurden. Mit diesem Leitmotiv<br />
werden zum einen die wesentlichen Potentiale der Stadt charakterisiert, zum anderen aber auch die entscheidenden<br />
Handlungserfordernisse zur Sicherung der Zukunftsfähigkeit der Stadt beschrieben. Das Leitbild<br />
stellt somit die übergeordnete Klammer für eine Vielzahl von Entwicklungszielen und Maßnahmen dar.<br />
Diese werden in themenbezogenen Zielbereichen vorgestellt.<br />
4.1 Leitbild „Stark in der Mitte - die Mitte stärken“<br />
Die umfassende Analyse aller für die Entwicklung der Stadt relevanten Bereiche macht deutlich, dass Mittelpunkt-<br />
und Verbindungsfunktionen in vielfältiger Weise <strong>Erfurt</strong> prägen. Unter dem Leitmotiv "Stark in der Mitte<br />
- die Mitte stärken" wird daher eine konsequente Stärkung dieser Funktionen angestrebt. Folgende Ebenen<br />
sind dabei von Bedeutung:<br />
Zentrale Lage<br />
<strong>Erfurt</strong> liegt zentral in der Mitte Deutschlands und des „neuen“ Europa. Diese Gunstsituation konnte in den<br />
vergangenen Jahren durch den Autobahn A 71, den Ausbau der Autobahn A 4 und den Ausbau des Flughafen<br />
weiter verbessert werden. Die zeitnahe Fertigstellung begonnener Infrastrukturprojekte und dabei insbesondere<br />
der ICE-Strecke München - <strong>Erfurt</strong> - Berlin ist von entscheidender Bedeutung für die Zukunftschancen<br />
der Stadt.<br />
Zentrum Thüringens<br />
<strong>Erfurt</strong> ist das Zentrum Thüringens mit Ausstrahlung über die Landesgrenzen hinaus. Neben der Funktion als<br />
Landeshauptstadt ist <strong>Erfurt</strong> Handels-, Dienstleistungs- , Kultur- und Kommunikationszentrum der Wirtschaftsregion.<br />
Von einer starken Landeshauptstadt profitiert die gesamte Großraum in der Mitte Deutschlands.<br />
Durch die Kooperation mit anderen Entwicklungszentren des Landes - insbesondere Weimar und Jena<br />
- können fehlende Ballungsraumvorteile ausgeglichen werden und eine starke Einbindung in den mitteldeutschen<br />
Wirtschaftsraum erzielt werden.<br />
Altstadt im Mittelpunkt<br />
Das historische Stadtzentrum bestimmt Identität, Image und somit den wirtschaftlichen Erfolg der Stadt. Eine<br />
erfolgreiche Entwicklung der Stadtmitte ist die Grundvoraussetzung für eine Bewältigung und mögliche Abschwächung<br />
des zu erwartenden städtischen Schrumpfungsprozesses. Das baukulturelle Erbe, die nahezu<br />
in Reinkultur vorhandene Struktur der "europäischen Stadt" und die Erfolge der Stadterneuerung und Denkmalpflege<br />
sind zentrale Elemente des Standortprofils der Stadt.<br />
<strong>Erfurt</strong> verbindet<br />
<strong>Erfurt</strong> wird durch vielfältige wirtschaftliche, kultureller und soziale Verbindungsfunktionen geprägt. Exemplarisch<br />
genannt sei die zunehmende Bedeutung als Ort von Tagungen, Kongressen und Festivals, das umfangreiche<br />
Beziehungsgeflecht an Städtepartnerschaften, die Bedeutung als Sportstadt und insbesondere<br />
auch die Struktur der <strong>Erfurt</strong>er Wirtschaft: Produkte wie Turbinen, Mikrochips oder Serviceleistungen im<br />
IT-Bereich werden global genutzt, ohne das der Endkunde dieses wahrnimmt. Auch das Profil der <strong>Erfurt</strong>er<br />
Hochschulen spiegelt die Schnittstellenfunktion wider. Unter Bezugnahme auf die Geschichte der Stadt hat<br />
<strong>Erfurt</strong> hat die Chance, sich als weltoffene Stadt zu präsentieren, die eine Brückenfunktion einnehmen kann.<br />
Der zur Entwicklung des ICE-Bahnhofs gewählte Slogan "<strong>Erfurt</strong> verbindet" ist geeignet, diese vielfältigen Facetten<br />
zu bündeln und überregional zu kommunizieren.<br />
Kräfte bündeln<br />
Auch und gerade aufgrund begrenzter finanzieller Handlungsspielräume ist es erforderlich, im Rahmen<br />
kommunaler Investitionen Akzente zu setzen. Spezifische Stärken müssen gezielt herausgearbeitet werden,<br />
um der Stadt ein klar erkennbares Profil zu geben. Aktuelle Beispiele hierfür sind die Aufwertung des Bahnhofsumfeldes,<br />
die Realisierung des Medienapplikations- und Gründerzentrums, die Fortführung der Neugestaltung<br />
des Angers, die Sanierung der Radrennbahn und des Angermuseums sowie die Weiterentwicklung<br />
des Thüringer Zooparks.<br />
63
<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />
4.2 Zielbereich "Starke Region - starke Stadt"<br />
In den vorangegangen Kapiteln wurde aufgezeigt, wie vielfältig die Landeshauptstadt <strong>Erfurt</strong> als größte Stadt<br />
Thüringens mit ihrem Umland und dem gesamten Land verflochten ist.<br />
Die Funktionsfähigkeit des Oberzentrums mit seinen besonderen Qualitäten einer "überschaubaren Großstadt",<br />
dem Anschluss an nationale und internationale Verkehrssysteme und wichtigen Infrastruktureinrichtungen,<br />
wie der Messe <strong>Erfurt</strong>, ist eine wichtige Voraussetzung für den wirtschaftlichen Erfolg des Landes<br />
Thüringen. Im Unterschied etwa zu Leipzig ist jedoch anzuerkennen, dass <strong>Erfurt</strong> trotz seiner herausgehobenen<br />
Stellung im Lande alleine nicht über die Potentiale einer überregional ausstrahlenden Metropole verfügt.<br />
Aufgabe der Stadt <strong>Erfurt</strong> ist es daher, durch die Zusammenarbeit mit Städten und Kreisen die Voraussetzungen<br />
zur Sicherung und Weiterentwicklung eines zukunftsfähigen Wirtschaftsraumes zu schaffen. Hierbei<br />
kristallisieren sich vier wesentliche Handlungsebenen heraus:<br />
− Initiative Mitteldeutschland<br />
− "Region <strong>Erfurt</strong>-Weimar-Jena"<br />
− Kooperationsraum <strong>Erfurt</strong><br />
− Standortprofilierung durch weitere Vernetzung<br />
4.2.1 Initiative Mitteldeutschland<br />
"Im Mittelpunkt des weltweiten Wettbewerbs der Standorte stehen heutzutage Regionen. Ihr Profil, ihre Attraktivität<br />
für Unternehmen auf der Suche nach einem geeigneten Standort lassen sich um so besser transportieren,<br />
je besser die Bündelung der Kräfte im Inneren der Region funktioniert. Je geschlossener die Region<br />
auftritt, um so leichter wird sie wahrgenommen." 32<br />
Ziel der Raumordnungspolitik der EU und des Bundes ist die vorrangige Unterstützung von "Metropolregionen".<br />
Hiermit sind jedoch nicht nur Großstädte wie etwa Berlin oder Hamburg gemeint, sondern auch polyzentrale<br />
Stadtregionen. Laut Beschluss der 32. Ministerkonferenz für Raumordnung am 28.04.2005 sollte<br />
die Thüringer Städtereihe in die Entwicklung der "Metropolregion Halle/Leipzig-Sachsendreieck“ einbezogen<br />
werden.<br />
In diesem Sinne arbeitet die Thüringer Landesregierung in der "Initiative Mitteldeutschland" mit den Landesregierungen<br />
Sachsen und Sachsen-Anhalts zusammen. Die Regierungschefs der Länder Sachsen, Sachsen-Anhalt<br />
und Thüringen verständigten sich im <strong>April</strong> 2005 auf die Bildung einer so genannten „Metropolregion<br />
Mitteldeutschland“. Wesentliches Ziel ist es, wirtschaftliche, infrastrukturelle und wissenschaftliche Potentiale<br />
des sächsischen Städtedreiecks Leipzig-Dresden-Chemnitz, der Thüringer Städtekette <strong>Erfurt</strong>-<br />
Weimar-Jena-Gera sowie der Räume Halle und Magdeburg miteinander zu vernetzen und gemeinsam international<br />
zu vermarkten. Ein Baustein ist dabei die Positionierung Mitteldeutschlands zu einer führenden Verkehrs-<br />
und Logistikkompetenzregion.<br />
Die Bildung einer solchen Metropolregion vollzieht sich sowohl auf der Ebene der Landesregierung als auch<br />
auf der Ebene der Städte. Die Kooperation der Städte <strong>Erfurt</strong>, Weimar und Jena (vgl. Kap. 4.2.2) sollte daher<br />
als wichtiger Baustein der Entwicklung einer solchen Metropolregion genutzt werden.<br />
4.2.2 Region <strong>Erfurt</strong>-Weimar-Jena<br />
Unabhängig von der Bildung der "Metropolregion" ist die verstärkte Kooperation im Raum <strong>Erfurt</strong>-Weimar-<br />
Jena ein wichtiger Beitrag zur Sicherung der Zukunftsfähigkeit der Städte und Gemeinden und trägt den zunehmend<br />
stärker werdenden funktionalen und wirtschaftlichen Verflechtungen Rechnung. Vor diesem Hintergrund<br />
haben die Städte <strong>Erfurt</strong>, Weimar und Jena sowie der Landkreis Weimarer Land am 23. Juni 2004<br />
die kommunale Arbeitsgemeinschaft "Region <strong>Erfurt</strong>-Weimar-Jena" gegründet und sich zur Fortführung und<br />
Intensivierung der mit dem „Kulturstadtjahr Weimar 1999“ begonnenen Zusammenarbeit bekannt.<br />
Die Kooperation wird von zwei wesentlichen Gedanken getragen: Durch die Zusammenführung der spezifischen<br />
Standortpotentiale der Landeshauptstadt, der Kulturstadt Weimar und der Universitäts- und Techno-<br />
32<br />
Verband Region Stuttgart (Hg.): „Wirtschaftsförderung - eine typische regionale Aufgabe“. URL: http://www.regionstuttgart.org/vrs/main.jsp?navid=36<br />
[Stand 20.05.05]<br />
64
4. Zielkonzept der gesamtstädtischen Entwicklung<br />
logiestadt Jena sowie des Landkreises als Bindeglied unter dem Motto "Die ImPuls-Region" soll eine überregional<br />
wahrnehmbare "Marke" entstehen - insbesondere auch im Hinblick auf Diskussionen zur konzentrierten<br />
Förderung von Wachstumskernen. Mindestens genauso bedeutend ist es, die vorhandenen Angebote in<br />
der Region besser miteinander zu verbinden und beispielsweise durch gute ÖPNV-Angebote nutzbar zu<br />
machen. Ziel ist es, die Standortbedingungen für Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung weiter zu verbessern<br />
und die Region im Rahmen der sich verstärkenden Orientierung der Menschen auf große Städte ("Metropolisierung")<br />
als Lebens- und Arbeitsort attraktiv und zukunftsfähig zu gestalten.<br />
Seit den Anfängen der Kooperation im Kulturstadtjahr Weimar 1999 wurden einzelne Projekte wie der Kulturkalender<br />
und dem Gemeinschaftstarif Regiomobil realisiert. Ausgehend von diesen Projekten wird die Zusammenarbeit<br />
schrittweise verdichtet: Beispielsweise wird der Regiomobil-Tarif ab Dezember 2005 zum<br />
Verbundtarif Mittelthüringen aufgewertet werden, der die kombinierte Nutzung von Eisenbahn, Stadt- und<br />
Regionalverkehr mit nur einem Fahrschein erlauben wird. Elemente aus den Bereichen Kultur, Tourismus<br />
und Wirtschaftsförderung vereint das deutsch-französische Jahr unter dem Motto "rendezvous<strong>2006</strong>". In Zukunft<br />
sollen die bisherigen Kooperationsansätze auf der Grundlage einer umfassenden regionalen Entwicklungsstrategie<br />
weiter ausgebaut werden, mit deren Bearbeitung 2005 begonnen wurde.<br />
4.2.3 Kooperationsraum <strong>Erfurt</strong><br />
In Ergänzung der Kooperationsbemühungen der "Region <strong>Erfurt</strong>-Weimar-Jena" ist die Zusammenarbeit im<br />
engeren Verflechtungsraum der Landeshauptstadt zu verstärken. Dieser umfasst Teilräume der benachbarten<br />
Landkreise Sömmerda, Weimarer Land, Ilm-Kreis und Gotha. Ausgehend von begonnenen Kooperationsprojekten<br />
wie dem Regionalen Entwicklungskonzept (REK) <strong>Erfurt</strong>er Seen und der Mitarbeit bei den angrenzenden<br />
REK´s Südkreis Weimarer Land und Nessetal soll ein Stadt-Umland-Dialog initiiert werden und<br />
in einer abgestimmten Entwicklungskonzeption für einen "Kooperationsraum <strong>Erfurt</strong>" münden. Eine solche<br />
Konzeption sollte insbesondere folgende Elemente beinhalten:<br />
Abgestimmte Siedlungsentwicklung<br />
Die Attraktivität des Raumes <strong>Erfurt</strong> als Wohn- und Wirtschaftsstandort soll durch eine abgestimmte Siedlungsentwicklung<br />
in der Region gesichert werden. Zentrale Elemente sind dabei die Entwicklung von Siedlungsachsen<br />
und einzelnen Entwicklungskernen mit dem Ziel, dauerhaft tragfähige Infrastruktursysteme aufbauen<br />
und erhalten zu können. Zweiter wesentlicher Aspekt ist die Sicherung und Weiterentwicklung von<br />
Freiräumen, um den Charakter <strong>Erfurt</strong>s als Stadt im Grünen stärker als heute wirksam werden zu lassen.<br />
Gemeinsame Infrastruktur<br />
Verbunden mit einer abgestimmten Siedlungsentwicklung ist die Weiterentwicklung gemeindeübergreifender<br />
technischer Infrastruktursysteme weiter zu intensivieren, um zu leistungsfähigen und wirtschaftlich tragfähigen<br />
Lösungen zu kommen. Im Rahmen von teilräumlichen Konzepten ist zudem zu untersuchen, in welchen<br />
Bereichen der sozialen Infrastruktur interkommunale Lösungen sinnvoll sind. Dies gilt insbesondere für wohnungsnahe<br />
Einrichtungen in den dörflichen Ortsteilen.<br />
Gemeinsame Wirtschaftsstrategie<br />
Die Stadt <strong>Erfurt</strong> und ihr Umland bilden einen zusammenhängenden Wirtschaftsraum, der als solcher entwickelt<br />
und vermarktet werden muss. Ziel sollte daher die Erarbeitung einer interkommunalen Wirtschaftsstrategie<br />
sein. Als Signet können dabei die etablierten Begriffe "<strong>Erfurt</strong>er Kreuz" oder "<strong>Erfurt</strong>er Ring" aufgegriffen<br />
werden.<br />
Regionale Freiraumentwicklung<br />
Ausgehend vom beispielgebenden Projekt "<strong>Erfurt</strong>er Seen" soll eine umfassende Strategie zur Sicherung und<br />
Weiterentwicklung von Freiräumen im <strong>Erfurt</strong>er Umland erarbeitet werden, die auch die Belange der Landwirtschaft<br />
berücksichtigt. Ziel dieser Strategie ist es insbesondere, vorhandene Naherholungsgebiete wie die<br />
Fahner Höhen, den Raum Hohenfelden oder das Gera-Apfelstädt-Tal besser zugänglich zu machen und<br />
bisher unzureichend genutzte Bereiche wie das Grosse Ried oder Landschaftsräume im Osten und Westen<br />
der Stadt stärker nutzbar zu machen. Neben dem Aufbau linearer Grünverbindungen zwischen Kernstadt<br />
und Umland könnte dabei ein "Grüner Ring" mit einem Radweg "Rund um <strong>Erfurt</strong>" eine verbindende Funktion<br />
übernehmen. Die Entwicklung der Landschaftsräume soll auf abgestimmten Instrumentarien wie einem regionalen<br />
Ausgleichsflächenpool oder der Entwicklung gemeinsamer Konzepte der Brachenbegrünung von<br />
Rückbauflächen aufbauen.<br />
65
<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />
4.2.4 Standortprofilierung durch weitere Vernetzung<br />
Über umfassende regionale Kooperationen hinaus ist eine Profilierung des Standorts <strong>Erfurt</strong> durch die zielgerichtete<br />
Bearbeitung einzelner Handlungsfelder erforderlich. Dies gilt in besonderem Maße für die Bereiche<br />
Tourismus sowie Wissenschaft, Forschung und Hochschulen.<br />
Das von der Thüringer Landesregierung formulierte Modell eines "Technologiedreiecks" beschreibt die wesentlichen<br />
Potentiale des Raumes Jena - <strong>Erfurt</strong> - Ilmenau mit einer hohen Innovationsfähigkeit in den Bereichen<br />
Mikroelektronik, Biotechnologie, Optik, Informations- und Kommunikationstechnologie sowie Medien.<br />
Dieses Modell - erweitert um Technologiepotentiale im Raum Sömmerda und Kölleda - ist durch konkrete<br />
Projekte zu untersetzen. Die Federführung sollte jedoch bei den Fachministerien verbleiben. Die Kommunen<br />
müssen sich beispielsweise durch eine aktive Mitarbeit bei branchenbezogenen Netzwerken (wie der <strong>Erfurt</strong>er<br />
Mitgliedschaft im SolarInput e.V. und der Medieninitiative MIT 21) und gemeinsame Vorhaben zur besseren<br />
Information von Schülern und Studenten in die Arbeit einbringen. Die technologischen Potentiale der<br />
Region könnten auch durch Gastvorträge Ilmenauer Wissenschaftler im Rahmen der Vortragsveranstaltungen<br />
im <strong>Erfurt</strong>er Rathaus öffentlich bekannter gemacht werden.<br />
Geprüft werden sollte zudem, wie die Zusammenarbeit entlang der Städtekette auch in Richtung Gotha und<br />
Eisenach intensiviert werden kann. Ansatzpunkte liegen hier sowohl im Bereich der Wirtschaftsförderung als<br />
auch im Bereich und Kultur- und Tourismus.<br />
Darüber hinaus sind die Potenziale der weiteren Region im Bereich Naherholung als weicher Standortfaktor<br />
für die Stadt <strong>Erfurt</strong> zu begreifen und zu kommunizieren. Ein Slogan wie "in 45 Minuten an Loipe und Lift"<br />
könnte dieses gut zum Ausdruck bringen.<br />
66
4.3 Zielbereich "Kompakte Stadt"<br />
<strong>Erfurt</strong> stellt sich als eine überschaubare Großstadt in einem<br />
in weiten Teilen ländlich geprägten Umland dar. Die historische<br />
gewachsene Siedlungsstruktur ist durch die Elemente<br />
eines kompakten Stadtkerns mit Entwicklungsachsen charakterisiert.<br />
Funktional ist <strong>Erfurt</strong> aus überregionaler, regionaler und gesamtstädtischer<br />
Perspektive durch eine monozentrale Struktur<br />
geprägt. Den Siedlungsschwerpunkten sind lediglich<br />
Stadtteil- und Nahversorgungszentren zugeordnet. Die Konzentration<br />
auf den stadtstrukturell bedeutenden und zentral<br />
gelegenen historischen Stadtkern und damit Festigung seiner<br />
Funktionen als städtisches und regionales Oberzentrum<br />
ist auch weiterhin anzustreben. Eine über das vorhandene<br />
Maß hinausgehende Dezentralisierung ist aufgrund der relativ<br />
geringen Größe <strong>Erfurt</strong>s und der zukünftig voraussichtlich<br />
gesamtstädtisch beschränkten Entwicklungspotentiale nicht<br />
zielführend. Ein weiterer Aspekt ist die Schaffung bzw. Erhaltung<br />
einer funktionellen urbanen Nutzungsmischung.<br />
Städtische Qualitäten sollen hervorgehoben, urbane Vielfalt<br />
begünstigt und soziale Segregation vermindert werden.<br />
Die Bewahrung und weitere Qualifizierung dieser Stadtgestalt<br />
trotz notwendigem Schrumpfungsprozess ist Voraussetzung<br />
für eine effektive Nutzung der vorhandenen Infrastruktur<br />
und eine optimale Flächeninanspruchnahme im Sinne<br />
ökologischer Nachhaltigkeit. Zu berücksichtigen ist dabei<br />
aber auch, dass gerade vor dem Hintergrund des zu erwartenden<br />
Bevölkerungsrückganges Entwicklungsmöglichkeiten<br />
für die Einordnung ergänzender Funktionen - insbesondere<br />
von Gewerbebetrieben - vorhanden sein müssen.<br />
Aus diesen Zielstellungen leitet sich die Weiterführung des<br />
dem Flächennutzungsplan zu Grunde liegenden städtebaulichen<br />
Funktionsmodells ab. Im Vordergrund der künftigen<br />
Entwicklung wird dabei der gesteuerter Schrumpfungsprozess<br />
von außen nach innen stehen. Auf dieser Grundlage<br />
sollen Bauflächenpotentiale innerhalb des bereits bebauten<br />
Bereiches (Baulücken und Brachen) vorrangig genutzt werden.<br />
Der Schrumpfungsprozess bietet dabei die Chance,<br />
Stadt und Landschaft stärker miteinander zu verzahnen. Sofern<br />
neue Nutzungen auf Stadtumbauflächen nicht untergebracht<br />
werden können, ist eine konsequente Orientierung an<br />
zentralen Entwicklungsachsen erforderlich.<br />
Auf den genannten Zielen der räumlichen Entwicklung leiten<br />
sich die im Folgenden genannten städtebaulichen Handlungsschwerpunkte<br />
des Stadtumbaus ab. Dabei ist zu berücksichtigen,<br />
dass in Folge konjunktureller Schwankungen<br />
und der prognostizierten demographischen Entwicklung zu<br />
erwartende Leerstände und Brachen, mit denen in fast allen<br />
städtischen Bereichen zu rechnen ist, selten einer kurzfristigen<br />
Nachnutzung zugeführt werden können. Die Stadt kann<br />
aber auch mit Leerstand leben! Temporäre Nutzungen, so<br />
angelegt, dass sie eine mögliche spätere Umsetzung der<br />
geplanten Zielstellung nicht behindern, können zur Beseitigung<br />
von vorhandenen und entstehenden Missstände beitragen.<br />
4. Zielkonzept der gesamtstädtischen Entwicklung<br />
Abb. 22 - Szenario einer räumlichen und zeitlichen<br />
Leitbildentwicklung<br />
67
<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />
Altstadt stärken<br />
Die erweiterte Altstadt ist historischer Ausgangspunkt der baulichen Entwicklung <strong>Erfurt</strong>s und heute das funktionale<br />
Zentrum der Stadt mit einem vielschichtigen Gefüge aus Dienstleistung, Handel, Verwaltung und Kultur.<br />
Sie ist Bedeutungsträger städtischer Identität und touristischer Anziehungspunkt für Besucher aus aller<br />
Welt.<br />
Die Zielstellung „Stärkung der Altstadt“ umfasst vor allem den Erhalt der hochwertigen Baustrukturen, die<br />
Förderung der urbanen Nutzungsvielfalt und die Sicherung ihrer Funktion als regionales und städtisches<br />
Einzelhandels- und Dienstleistungszentrum sowie die weitere Erhöhung der Aufenthaltsqualität, z. B. durch<br />
die Schaffung attraktiver Freiräume und die Vernetzung eingebetteter und angrenzender Landschaftsbereiche.<br />
Gründerzeit konsolidieren<br />
Der die Altstadt umschließende Gründerzeitgürtel ist die städtebauliche Erweiterung der Kernstadt und bildet<br />
mit der Bebauung der 20iger und 30iger Jahre sowie der Wohnbebauung der 60iger Jahre die innere Stadt.<br />
Die Stabilisierung und Konsolidierung dieses Bereiches ist somit für den Erhalt der gesamtstädtischen Siedlungsstruktur<br />
erforderlich.<br />
In den als weitgehend intakt einzustufenden Teilgebieten sind die Instandsetzung bislang noch unsanierter<br />
Gebäude und die Nachnutzung leer stehender Gebäude zu forcieren. Gleichzeitig bedarf es punktuell Substanz<br />
verändernder Umstrukturierungsmaßnahmen, um die Wohnqualität, insbesondere hinsichtlich des<br />
Wohnumfeldes, zu erhöhen und die langfristige Vermietbarkeit des Gebäudebestandes zu sichern. So kann<br />
durch einen gezielten Rückbau leer stehender Gebäudekomplexe oder eine entsprechende Umnutzung vorhandener<br />
Brachen der Mangel an Grün- und Erholungsflächen sowie an organisierten Stellplatzbereichen<br />
behoben und die Aufenthaltsqualität von Straßen und Plätzen erhöht werden. Aber auch kleinteilige Entsiegelung,<br />
Begrünung von Dächern, Terrassen und Höfen können die Defizite an öffentlichen Grünflächen verkleinern.<br />
In manchen Randbereichen sind heute hohe Leerstande zu verzeichnen. Hier bedarf es eines konsequenten<br />
Rückbaus der nicht mehr sinnvoll erhaltbaren Bausubstanz bis hin zur Aufgabe der tradierten Quartiersstrukturen<br />
und der grundlegenden Veränderung des derzeit bestehenden stadträumlichen Gefüges.<br />
In den Quartieren der 20er- und 30er Jahre sowie in den Wohnsiedlung von 1946 - 1964 bzw. ab 1965 sind<br />
die harmonischen Dimensionen von Baustrukturen und Gartenland mit Baumbestand zu erhalten. Neue<br />
Verdichtungen sind zu vermeiden. Die charakteristischen Eigenarten und Besonderheiten der Gebiete sollen<br />
gewahrt bzw. wiederhergestellt werden.<br />
Die Umstrukturierung angrenzender Industriebrachen und deren stärkere Durchgrünung mittels naturräumlicher<br />
Gliederungselemente (Alleen, Wiesen, Wald) sollte in die entsprechenden Planungen mit einbezogen<br />
werden. Gleichzeitig sind regelmäßige Untersuchungen hinsichtlich verkehrsvermindernder, verkehrsführender<br />
und verkehrsgestaltender Maßnahmen mit Bezug zur Nutzungsintensität in den Gründerzeitgebieten<br />
vorzunehmen. Hierbei ist besonderes Augenmerk auf den ruhenden Verkehr zu legen.<br />
Großwohnsiedlungen umbauen<br />
Die Gebiete industrieller Bauweise befinden sich in einem grundlegenden Bedeutungswandel hinsichtlich der<br />
Nachfragesituation. Hohe bauliche Dichten, überwiegend monotone Gebäudestrukturen und zum Teil nicht<br />
der Nachfrage entsprechenden Grundrisse sowie starke Imageprobleme führen dazu, dass bei der sich absehbar<br />
kontinuierlich weiter verringernden Mietnachfrage die Großwohnsiedlungen auch zukünftig die<br />
Hauptlast des Stadtumbaus zu tragen haben werden.<br />
Zukünftig ist in den Großwohnsiedlungen, neben der Konzentration des Leerstandes und dem geordneten<br />
Rückbau überzähliger Wohnpotentiale, zum einen die Entwicklung geeigneter zusammenhängender Flächen<br />
für zukünftige Nachnutzungen anzustreben. Zum anderen werden bislang baulich genutzte Bereiche teilweise<br />
in einem langfristigen Re-Urbanisierungsprozess zu begleiten sein.<br />
Differenziert und großzügig gestaltete Grünräume sollen prägendes Merkmal dieser Stadtteile werden. "Grüne<br />
Zwischennutzungen" der durch Abriss frei werdenden Flächen führt kurzfristig zur Aufwertung der Freiraumstrukturen,<br />
hält aber langfristig Möglichkeiten für eine Neubebauung offen. Regionale landschaftliche<br />
Besonderheiten geben dem Quartier dabei seine Identität. Die Standorte befinden sich zumeist im äußeren<br />
Stadtrandbereich. Ziel ist es, landschaftliche Besonderheiten zu bewahren und zu schaffen und als Landschafts-<br />
und Erholungsraum zu sichern.<br />
Städtebauliche Qualitäten sollten durch behutsame Renovierung und Umstrukturierung aufgegriffen werden.<br />
68
4. Zielkonzept der gesamtstädtischen Entwicklung<br />
4.4 Zielbereich „Funktionsfähiger und nachfragegerechter Wohnungsmarkt“<br />
Zielstellung für den Sektor Wohnen ist die Erhaltung eines funktionsfähigen und attraktiven Wohnungsmarktes<br />
sowie die Vermeidung einer die Stadtstrukturen belastenden Perforation der Stadt durch ungeordneten<br />
Wohnungsleerstand. Dementsprechend nimmt das Siedlungskonzept Wohnen ausgehend von den städtebaulichen<br />
Leitbildern das gesamtstädtischen Achsen- und Zentrenkonzept auf und setzt für die Entwicklung<br />
des Wohnungsbestandes folgende Prioritäten:<br />
1. Priorität<br />
− Innenentwicklung im Bereich der <strong>Erfurt</strong>er<br />
Altstadt und den umliegenden gründerzeitlich<br />
geprägten Stadträumen<br />
− Nutzung von Baulückenpotentialen<br />
2. Priorität<br />
− Umstrukturierung / Neuordnung der Großwohnsiedlungen<br />
− Berücksichtigung von Nachnutzungspotentialen,<br />
insbesondere von nutzbaren Infrastrukturen<br />
bei der Entwicklung neuer<br />
niedriggeschossiger Wohnformen<br />
3. Priorität<br />
− Weiterentwicklung bestehender Wohnbauflächenpotentiale<br />
für den Eigenheimbau im<br />
Bereich städtischer Entwicklungsachsen<br />
und stadtnaher Wohnungsbauschwerpunkte<br />
4. Priorität<br />
− Stabilisierung aller stadträumlichen Gebiete<br />
außerhalb der 1. bis 3. Priorität<br />
− Weiterentwicklung entsprechend der<br />
Standortbedingungen<br />
Baurechte, etc.)<br />
(Infrastruktur,<br />
Die Prioritäten stellen sowohl jede für sich einen<br />
Handlungsschwerpunkt wie auch insgesamt<br />
eine Rangfolge dar. Ist die Umsetzung<br />
eines Punktes nicht möglich, müssen die folgenden Prioritäten verstärkt entwickelt werden. Ausschlaggebend<br />
ist u. a. die Nachfrageentwicklung in den verschiedenen Siedlungstypen.<br />
Abb. 23 - Siedlungskonzept Wohnen<br />
4.4.1 Strategische Handlungsansätze<br />
In der Stadt <strong>Erfurt</strong> soll die Funktionsfähigkeit des Wohnungsmarktes gewahrt bleiben. Dabei ist weiterhin und<br />
langfristig zunehmend mit einer deutlich erhöhten Wohnungsleerstandsquote in nicht mehr nachfragegerechten<br />
Angebotssegmenten zu rechnen. Gleichzeitig muss eine nachfragegerechtes Wohnungsangebot vorgehalten<br />
werden, welches auch ausreichend Potentiale für den Wohnungsneubau und eine angemessene<br />
Angebotsreserve einschließt.<br />
Die konkrete Planung von Wohnungsrückbau oder anderer den Wohnungsbestand beeinflussender Maßnahmen<br />
bedürfen einer kontinuierlichen Beobachtung der Entwicklung des Wohnungsbestandes und der<br />
Nachfragesituation. Mit dem Stadtbeobachtungssystem (vgl. Kap. 2.3) werden die benötigten Daten erfasst<br />
und für kleinräumige Beobachtungsgebiete verfügbar gemacht. Die Zielstellungen für die Wohnungsbauentwicklung<br />
sind nötigenfalls den tatsächlichen Entwicklungen anzupassen.<br />
Nach der im Rahmen der Beteiligung am Bundeswettbewerb Stadtumbau Ost erfolgten Einschätzung des<br />
Wohnungsbestandes hinsichtlich der aktuellen Situation und der sich daraus ergebenden Handlungsfelder<br />
69
<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />
ergaben sich als Schwerpunkte der notwendigen weiteren Betrachtungen die Stadtraumtypen Altstadt,<br />
Gründerzeit und Großwohnsiedlung. Die für diese Stadtraumtypen anzustrebenden Entwicklungsstrategien<br />
werden nachfolgend dargestellt.<br />
4.4.2 Entwicklungsstrategie für den Wohnungsbaubestand<br />
Altstadt<br />
Die Altstadt soll auch langfristig ein Wohnstandort bleiben. Gleichzeitig sind zentrale Funktionen wie Versorgung<br />
und Dienstleistung, Bildung, Kultur, Verwaltung und Tourismus im übergreifenden Altstadtbereich zu<br />
erhalten bzw. nach Möglichkeit verstärkt anzusiedeln. Hinsichtlich Abgrenzung und Größe des Stadtzentrums<br />
sowie der Ansiedlungsprioritäten innerhalb des Altstadtbereiches ist eine Überprüfung des Altstadtentwicklungskonzeptes<br />
notwendig. Beizubehaltende Strategie für die <strong>Erfurt</strong>er Altstadt ist die Durchführung einer<br />
erhaltenden Erneuerung mit dem Ziel der Stärkung von Selbsterneuerungskräften, d. h. der privaten Investitionstätigkeit.<br />
Aufgrund der noch bestehenden erheblichen Funktions- und Substanzmängel in wichtigen innerstädtischen<br />
Teilbereichen muss die Altstadt weiterhin Förderschwerpunkt der Stadterneuerung sein.<br />
Gründerzeitlich geprägte Gebiete<br />
Eine Zielstellung der Stadtentwicklung ist die Stabilisierung und Konsolidierung des Gründerzeitringes als<br />
wichtige das Stadtbild prägende, städtebaulich und architektonisch hochwertige Siedlungsstruktur. Angesichts<br />
der Vielzahl der Einzeleigentümer und der zu erwartenden wirtschaftlichen Auswirkungen auf diese<br />
erscheinen zum heutigen Zeitpunkt massive Umstrukturierungen und aus gesamtstädtische Sicht relevante<br />
Wohnungsreduzierungen sehr problematisch. Daher wird für diesen Bereich eine Strategie der kleinen<br />
Schritte empfohlen, wobei jeder weitere Schritt sich an den Auswirkungen bereits ergriffener Maßnahmen orientieren<br />
muss. Für diese sukzessive Konsolidierung und Umstrukturierung sind folgende Schwerpunkte zu<br />
setzen:<br />
• Verstärkte Anstrengungen in den weitgehend intakten Teilgebieten zur Sanierung einzelner verbliebener,<br />
bislang noch unsanierter Gebäude.<br />
• Durchführung von Umstrukturierungsmaßnahmen mit dem Ziel der Erhöhung der Wohnqualität und Verbesserung<br />
der langfristigen Vermietbarkeit des Gebäudebestandes in Gebieten mit deutlichen Nachfrageschwächen.<br />
• Nutzung der freiwerdenden Flächen zur Aufwertung öffentlicher und privater Freiraumangebote, zur<br />
Verbesserung der angespannten Parkraumsituation sowie zur Erarbeitung von Teilraumkonzeptionen<br />
zur Entwicklung wohnungsnaher Gartenanlagen (Mietergärten).<br />
• konsequenter Rückbau der nicht mehr sinnvoll erhaltbaren Bausubstanz in den problematischen Randbereichen<br />
mit hohen Leerständen bis hin zur Aufgabe der tradierten Quartiersstrukturen und der grundlegenden<br />
Veränderung des derzeit bestehenden stadträumlichen Gefüges.<br />
In Teilbereichen ist auch die Entwicklung neuer, niedriggeschossiger Wohnungsbauten in Stadthaus- oder<br />
Eigenheimbauweise denkbar. Begleitend ist die Untersuchung verkehrsvermindernder, verkehrsführender<br />
und verkehrsgestaltender<br />
Maßnahmen in den Gründerzeitgebieten<br />
erforderlich.<br />
Hierbei sind insbesondere die<br />
Auswirkungen der Reduzierung<br />
von Wohnbausubstanz<br />
(Auflösung von Blockstrukturen)<br />
auf die verbleibende<br />
Bausubstanz und die Wohnqualität<br />
der Blockinnenbereiche<br />
hinsichtlich beeinträchtigender<br />
Verkehrsemissionen<br />
zu untersuchen. Des weiteren<br />
ist begleitend die Umstrukturierung<br />
angrenzender Industriebrachen<br />
und deren stärkere<br />
Durchgrünung anzustreben.<br />
Abb. 24 - Entwicklungsmöglichkeiten Gründerzeit<br />
70
4. Zielkonzept der gesamtstädtischen Entwicklung<br />
Großwohnsiedlungen<br />
Der Umbauprozess der Großwohnsiedlungen soll langfristig in einer Einheit von Rück-, Um- und Neubaumaßnahmen<br />
sowie der Aufwertung öffentlicher und privater Freiräume erfolgen. Dies beinhaltet auch die<br />
Aufwertung der gesamtstädtischen wie auch standortbezogenen Wohnqualität durch die Weiterentwicklung<br />
übergeordneter Landschaftsbezüge und die Ausprägung flächiger Grünzäsuren zwischen den neu zu strukturierenden<br />
Stadtteilen. Gegenwärtiges Ziel ist die langfristige Umgestaltung zu stabilen - wenn auch kleineren<br />
- Siedlungseinheiten und Nachbarschaftsquartieren mit am Wohnungsmarkt nachgefragten Wohn- und<br />
Aufenthaltsqualitäten.<br />
Aufgrund des erheblichen Kostenaufwandes für den Wohnungsrückbau ist neben dem Rückbau leer stehender<br />
Wohngebäude zunächst auch die Stilllegung von Wohngebäuden denkbar. Hierzu ist in Abwägung<br />
der wohnungswirtschaftlichen und stadtstrukturellen Zielstellungen festzulegen, welche Bereiche der Großwohnsiedlungen<br />
mittel- bis langfristig weiter am Wohnungsmarkt bleiben sollen und welche Bereiche durch<br />
Stilllegung vom Wohnungsmarkt gehen können. Stabilisierungsmaßnahmen der Großwohnsiedlungen sollten<br />
zunächst auf die am Wohnungsmarkt verbleibenden Bereiche gelenkt werden. In den Stilllegungsbereichen<br />
sollten vorrangig Maßnahmen zur Sicherung der öffentlichen Ordnung erfolgen. Langfristig ist der<br />
Rückbau der nicht mehr nachgefragten Wohngebäude anzustreben. Nach erfolgtem Rückbau größerer zusammenhängender<br />
Bereiche ist je nach Lage und Eignung die Entwicklung neuer und nachgefragte Wohnungsmarktsegmente<br />
(vorrangig entdichtete Wohnbebauung) und anderer Nachnutzungen zu prüfen. Hierbei<br />
ist auch von einer in Teilen großflächigen Überformung durch Landschaftsstrukturen auszugehen.<br />
4.4.3 Entwicklungsstrategie für Wohnungsneubaupotentiale<br />
Die vorhandenen Wohnungsneubaupotentiale der Stadt <strong>Erfurt</strong> entsprechen im Wesentlichen dem zugrunde<br />
gelegten Szenario der voraussichtlichen Neubaunachfrage. Die zusätzlich zu den gegenwärtigen Realisierungszielen<br />
im Wohnungspotential enthaltene Angebotsreserve soll teilweise im Rahmen der verbindlichen<br />
Bauleitplanung reduziert werden. Insgesamt ist die bestehende Angebotsreserve angemessen, da ebenso<br />
wie die Nachfrageentwicklung auch die tatsächliche Marktpräsenz nur schwer vorausgesagt werden kann.<br />
Insbesondere ist die Verfügbarkeit ausreichend großer Nachnutzungsflächen im Rahmen des Stadtumbaus<br />
angesichts der mit der Flächenaufbereitung verbundenen Kosten schwer in den Umsetzungszeiträumen<br />
vorhersehbar. Grundsätzlich soll bis 2020 beständig ein ausreichendes Wohnungsneubauangebot mit einem<br />
günstigem Preisniveau in <strong>Erfurt</strong> zur Verfügung stehen.<br />
Tabelle 12 - Realisierungsziele für Neubaupotentiale bis 2020<br />
ca. Werte<br />
Gesamt (in WE) MFH (in WE) EFH in (WE)<br />
Potential Ziel Potential Ziel Potential Ziel<br />
Baulücken 700 400 - - 700 400<br />
Stadtumbau 1.000 1.000 - - 1.000 1.000<br />
Rechtskräftige Bebauungspläne<br />
5.000 3.800 3.100 1.600 1.900 2.200<br />
Bebauungsplanverfahren 2.700 2.300 1.300 700 1.400 1.600<br />
Reserven des FNP-<br />
<strong>Entwurf</strong>es<br />
800 500 - - 800 500<br />
Gesamt 10.200 8.000 4.400 2.300 5.800 5.700<br />
Die zugrunde gelegte Nachfrage vorausgesetzt, erfordert die Umsetzung dieser Realisierungsziele bis zum<br />
Jahr 2020, dass:<br />
• ca. zwei Drittel der Baulücken für eine Neubebauung verfügbar gemacht werden,<br />
• der Stadtumbau ausreichend großen Nachnutzungsflächen zur Verfügung stellen wird und diese vorrangig<br />
für den Bau von Einfamilienhäusern genutzt werden,<br />
• in Bebauungsplänen und -planverfahren Geschosswohnungsbaupotentiale verringert und teilweise in<br />
Einfamilienhauspotentiale umgewandelt werden und dass<br />
• Reserven des FNP-<strong>Entwurf</strong>es zurückhaltend, d. h. nur zu ca. einem Drittel aktiviert werden.<br />
71
<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />
Für die Entwicklung der einzelnen Wohnungsneubaupotentiale werden die folgenden Strategien empfohlen:<br />
Baulückenpotentiale<br />
• Herausfiltern von Baulücken, deren Erschließung gesichert ist bzw. kurzfristig gesichert werden kann<br />
• konkrete Prüfung der Bebaubarkeit zunächst nur für diese Grundstücke<br />
• fortlaufende Aktualisierung der Baulückenübersicht und sukzessive Prüfung entsprechend dem Erschließungsfortschritt<br />
Potentiale aus Stadtumbauprozessen<br />
• kurzfristige Nachnutzung der Flächen von zunächst punktuellen Rückbaumaßnahmen durch Grün und<br />
öffentliche sowie private Freiflächennutzungen (Stellplätze, Spielplätze, Ruhebereiche)<br />
• bauliche Nachnutzung der mittelfristig stabilisierbaren Stadträume durch gezielten punktuellen Wohnungsbau<br />
insbesondere von Einfamilien- und Reihenhäusern und/oder Neuansiedlung von Gewerbe-<br />
und Dienstleistungseinrichtungen<br />
• bauliche Nachnutzung, Vorhaltung als nicht zieldefinierte Potentialfläche oder Renaturierung der langfristig<br />
großflächig verfügbaren Rückbaubereiche<br />
Potentiale aus Bebauungsplänen und -planverfahren<br />
• Reduzierung von in Bebauungsplänen ausgewiesenen Mehrfamilienhausstandorten bzw. deren anteilige<br />
Umwandlung in Einfamilienhausstandorte in Abhängigkeit zur Nachfragesituation und in einem kontinuierlichen<br />
Abstimmungsprozess zwischen den städtischen Zielen und den Zielen und Rechten der Flächeneigentümer<br />
und betroffener Erschließungsträger<br />
Reservepotentiale des Flächennutzungsplanes<br />
• die Reserven des Flächennutzungsplanes sind überwiegend langfristige Entwicklungsreserven. Abweichungen<br />
sind entsprechend der Entwicklungssituation der übrigen Angebotssegmente und der Nachfrage<br />
möglich.<br />
Eine fortlaufende Betrachtung der Entwicklungspotentiale im Bereich Wohnen erfolgt in der Sektoralen Entwicklungskonzeption<br />
Wohnen 2020 - Teilbereich Neubau, deren erneute Veröffentlichung mit Arbeitsstand<br />
2005 derzeit vorbereitet wird.<br />
72
4. Zielkonzept der gesamtstädtischen Entwicklung<br />
4.5 Zielbereich „Freiräume entwickeln“<br />
Die Bedeutung von Grünflächen für die Gesamtstadt und die Gesellschaft ist unumstritten. In ökologischer<br />
Hinsicht ist vor allem der Einfluss auf das Stadtklima, insbesondere auf die verbesserte Regulierung des<br />
Wärme- und Luftaustauschs von Bedeutung. Ökonomisch betrachtet ist die Ausstattung mit ausreichend<br />
Grün- und Erholungsflächen ein wichtiger Standortfaktor im zunehmenden Wettbewerb der Städte. Als<br />
Raum für Kommunikation, wohnungsnahe Erholung und Erlebnis für alle Generationen hat städtisches Grün<br />
hohen sozialen Nutzen. Und nicht zuletzt ist auch der ästhetische Wert nicht zu vergessen, da Stadtgrün<br />
Gegenstand sinnlicher Wahrnehmung ist und das Stadtgefüge gliedert.<br />
Die durch den Strukturwandel umfangreich frei werdenden Flächen eröffnen neue Entwicklungsperspektiven<br />
hinsichtlich einer Qualifizierung des städtebaulichen Bestandes. In den wohnbezogenen Stadtquartieren bieten<br />
sie die Möglichkeit zur Aufwertung des Wohnumfeldes und der Anlage von stadtstrukturierenden Grünzügen.<br />
Damit können besonders vom Leerstand bedrohte Standorte aufgewertet und für die Bewohner wieder<br />
attraktiv werden. Gewerbebrachflächen könnten durch Grünstrukturen gegliedert, aufgewertet und somit<br />
besser vermarktet werden.<br />
Großflächige Gewerbestandorte, für die keine absehbaren Nutzungsausrichtungen der gesamten Fläche zu<br />
erwarten sind, können durch strukturierendes Grün auf saniertem Boden die Fläche wieder qualifizieren und<br />
den Vermarktungswert erhöhen.<br />
Ausgehend von den topographischen<br />
Gegebenheiten, den vorhandenen<br />
Grünstrukturen und<br />
baulichen Nutzungen sowie deren<br />
voraussichtliche Entwicklung<br />
wurde ein Grün- und Freiraumkonzept<br />
entwickelt, dass die bisher<br />
zergliederten und in Teilen<br />
unverbundene Stadtteilgefüge<br />
strukturiert und vorhandene Elemente<br />
von Landschaft und Infrastruktur<br />
in das Gesamtgefüge der<br />
Stadt einbindet und zu einem<br />
vernetzten System von öffentlichen<br />
und privaten Grün- und<br />
Freiflächen verbindet. Grundelemente<br />
des Konzeptes sind:<br />
• der Grüne Ring um die<br />
Altstadt<br />
• das Geraband und seine<br />
Wasserarme<br />
• der Äußerer Grüne Ring und<br />
• die <strong>Erfurt</strong>er Seen.<br />
Zusammen mit Hauptachsen und<br />
Bändern soll ein zusammenhän-<br />
Abb. 25 - Grünstrukturkonzept<br />
gendes Netz von Grünanlagen,<br />
Parks und Plätzen entstehen, welche durch ein dichtes Fußwegenetz verbunden sind. Im Ergebnis wird die<br />
Stadt <strong>Erfurt</strong> in einen Innenbereich (Altstadt), einen an die Altstadt angrenzenden, durch Grünstrukturen<br />
mehrfach unterbrochenen Hauptsiedlungsraum sowie eine erlebbare, landschaftlich reizvolle Peripherie zoniert.<br />
Dafür sind vorhandene und freiwerdende Flächen hinsichtlich ihrer Eignung zur Integrierung in das<br />
Grünflächensystem zu überprüfen. Durch Baumpflanzungen und die Wiedergewinnung zonierter Straßenräume<br />
(insbesondere Vorgärten) können die Verbindungen mit der umgebenden Landschaft zusätzlich verbessert<br />
werden.<br />
Bei der weiteren Detaillierung und Umsetzung von Konzepten zur freiraumplanerischen und städtebaulichen<br />
Entwicklung der Stadt sind die Anforderungen des Stadtklimas und des Hochwasserschutzes zu berücksichtigen.<br />
73
<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />
Das derzeit in Bearbeitung befindliche Klimagutachten für die Stadt <strong>Erfurt</strong> wird Ansatzpunkte zur Behebung<br />
lufthygienischer Probleme im Stadtgebiet <strong>Erfurt</strong> aufzeigen. Ein wichtiges Ergebnis dieser Arbeit soll eine<br />
Planungshinweiskarte für eine klimaoptimierte Stadtausrichtung sein. Im Bereich des 100-jährigen Hochwassers<br />
wurden bereits in den letzten Jahren Hochwasserschutzmaßnahmen geplant und durchgeführt. Für<br />
einzelne Bereiche wird es aber in absehbarer Zeit keinen Hochwasserschutz geben. Diese dem Hochwasserplan<br />
zu entnehmenden Bereiche sollten dauerhaft von Bebauung freigehalten bzw. Rückbaumaßnahmen<br />
angestrebt werden.<br />
4.5.1 Grüner Ring um die Altstadt<br />
Der Grüne Ring um die Altstadt basiert auf den vorhandenen Grünstrukturen entlang des Flutgrabens, die<br />
bogenförmig an die Innenstadt anschließen. Davon ausgehend soll eine linear strukturierte Kette von prägnanten<br />
öffentlichen Grünräumen die Altsstadt umschließen.<br />
Durchgrünte Baugebiete sollen weitere Teile dieser „Kette“ bilden. So kann eine stärkere Begrünung der östlichen<br />
Gründerzeitgebiete gleichzeitig als Element des Grünen Ringes zur besseren Vernetzung städtischer<br />
Grünstrukturen beitragen und eine Verbesserung des Wohnumfeldes und damit der Wohnqualität bewirken.<br />
Neben brach fallenden Flächen innerhalb dieser Quartiere stellt auch der Flutgraben mit seinen angrenzenden<br />
Bereichen ein wesentliches Potential für eine Verbesserung der Freiraumsituation dar.<br />
Vorhandene und noch zu entwickelnde Grünanlagen und Grünzüge vervollständigen den Grünen Ring um<br />
die Altstadt. Beispielsweise stellt der Petersberg mit seinen Freiflächen bereits eine der Grünoasen in der<br />
Altstadt dar. Bei der Umgestaltung des nördlichen Petersberg wird diese Funktion durch eine, die topographischen<br />
Strukturen berücksichtigende Freiflächengestaltung weiter gestärkt. Ein durch das Brühl führender<br />
Grünzug schafft eine Verbindung zu den traditionellen Grünanlagen im Süden. Die brachliegenden Flächen<br />
von Katholischem Krankenhaus, Stadtgarten und Hirschgarten sind traditionelle Gartenareale, die im Zusammenhang<br />
mit neuen Nutzungen zumindest teilweise wieder reaktiviert werden sollen. In der Thomasstraße<br />
bietet sich im Zusammenhang mit der Reaktivierung ehemals gewerblich genutzter Flächen entlang<br />
der Bahn die Chance, ein individuelles Quartier mit einer reizvollen Mischung historischer Industriearchitektur,<br />
neuen Baustrukturen und städtischen Freiräumen zu entwickeln.<br />
4.5.2 Geraband und Wasserarme<br />
Die Geraaue ist eines der wesentlichen strukturbestimmenden Elemente der Stadt <strong>Erfurt</strong> und soll in dieser<br />
Funktion zukünftig eine zentrale Rolle der Stadtentwicklung übernehmen. Der Fluss und seine Wasserarme<br />
sind ein Potential, dass zukünftig stärker zur Steigerung der Attraktivität der Stadt genutzt werden sollte.<br />
Um Wasser im öffentlichen Raum erlebbarer zu machen, sollen die Bemühungen zur Aufwertung und Verbesserung<br />
der Zugänglichkeit der Flussuferzonen fortgeführt werden. Positive Beispiele der vergangenen<br />
Jahre sind Maßnahmen am Brühler Garten, zwischen Langer Brücke und Schlösserbrücke, am Dämmchen<br />
und im Bereich des Venedig sowie die Öffnung des Bergstromes im Brühl. Ein weiterer Schritt in diese Richtung<br />
ist die in Vorbereitung befindliche Öffnung des Uferweges zwischen Lehmannsbrücke und Weidengasse.<br />
Zu prüfen ist, welche Voraussetzungen geschaffen werden müssen, um den Flutgraben in den bisher<br />
unzugänglichen Bereichen östlich der Innenstadt öffentlich zugänglich machen zu können.<br />
Dort, wo ein unmittelbares Erleben des Landschaftselementes Wasser für die Öffentlichkeit nicht möglich ist,<br />
sollte zumindest die grundlegende Struktur erkennbar sein. Gleichzeitig sind die privaten Uferzonen und die<br />
Vielgestaltigkeit des "Wohnen und Arbeiten am Wasser" stärker als Standortpotential zu nutzen und zu<br />
kommunizieren.<br />
Im Norden der Stadt charakterisieren flächenintensive Nutzungen, wie das Nordbad, Sport- und Spielanlagen<br />
sowie Schulen und Kindertagesstätten die Uferbereiche der Gera. Im Rahmen des Stadtumbaus entstehende<br />
Flächenpotentiale müssen hier zur Entlastung dieser ausgedehnten, innenstadtnahen und intensiv<br />
genutzten Freiflächen mit massivem Erholungsdruck genutzt werden.<br />
4.5.3 Äußerer Grüner Ring<br />
Der Äußere Grüne Ring definiert sich im Westen der Stadt durch einen grünen Bogen, welcher sich durch<br />
Gartenbauflächen, private Gärten und Kleingartenanlagen, den Hauptfriedhof, den Steigerwald sowie durchgrünte<br />
Baugebiete darstellt. Im Osten sind dagegen nur grüne Fragmente vorhanden, ohne erkennbare<br />
74
4. Zielkonzept der gesamtstädtischen Entwicklung<br />
Identität und Einbindung in das gesamtstädtische Gefüge. Zielstellung ist die sukzessive Gestaltung eines<br />
wahrnehmbaren, die kompakte Stadt umschließenden Grüngürtels.<br />
Die traditionellen Anbauflächen des Gartenbaus sind Teil der Identität von <strong>Erfurt</strong> als Blumenstadt und als<br />
solche in ihrer Vielfalt zu erhalten und gleichzeitig für die stadtnahe Erholung nutzbar zu machen.<br />
Einen wesentlichen Bestandteil des Äußeren Grünen Ringes bilden die Kleingartenanlagen. Die prognostizierte<br />
nachlassende Nachfrage birgt jedoch die Gefahr, dass vermehrt Gärten leer fallen. Eine ähnliche Rasanz<br />
wie im Wohnungsbau, die eine Perforation von Gartenanlagen mit all ihren negativen Folgen auch für<br />
die sozialen Aspekte des Kleingartenwesens nach sich ziehen könnte, muss vermieden werden. Um einer<br />
solchen Entwicklung rechtzeitig und sozial verträglich entgegensteuern zu können, soll im Rahmen des<br />
Stadtmonitorings auch die Entwicklung der Kleingartennutzung langfristig beobachtet werden. Im Fall vereinzelt<br />
leer stehender Gärten sollten diese, soweit sie an den Rändern bzw. an zentraler Stelle gelegen sind,<br />
für Gemeinschaftsbereiche vielfältiger Nutzungsformen genutzt werden. Ist ein massiverer Rückgang der<br />
Kleingartennutzungen absehbar, sind gemeinsam mit allen Beteiligten Konzeptionen zur weiteren Vorgehensweise<br />
zu erarbeiten.<br />
Intensiv landwirtschaftlich genutzte Kulturlandschaft bildet die Übergangszone von bebauter Stadt und<br />
Landschaft. Attraktiv gestaltete Wege (z. B. durch begleitende Gehölzpflanzungen) könnten diese eher profanen<br />
Nutzlandschaften erlebbar gestalten und die fragmentarisch vorhandenen Grünstrukturen verbinden.<br />
Der Landschaftraum um den Nordstrand 33 sowie der nordöstlichen Stadtrand bietet Potentiale für weiträumige<br />
Naherholungslandschaften. Ruhige, der Erholung dienende, aber große Flächen in Anspruch nehmende<br />
Freizeitgestaltungen können hier unter Beibehaltung des Landschaftsbildes der Kulturlandschaft ausgeübt<br />
werden.<br />
Potentiale für einen weiteren Teilbereich des Äußeren Grünen Ringes bietet der Strukturwandel in den<br />
Großwohnsiedlungen. In den Großwohnsiedlungen soll das Überangebot an nicht marktfähigen Wohnungsbeständen<br />
reduziert werden. Vorrangig geht es im Gebiet um die Verbesserung der Wohnumfeldqualität.<br />
Aufeinander abgestimmte Nutzungen und vielfältige Nutzungsangebote sollen diese Stadtteile beleben. Die<br />
Leitidee verknüpft mit einem zusammenhängenden Grünsystem alle Teilbereiche. Das Grün, welches die<br />
Eigenschaften und Relationen des Umfeldes widerspiegelt, steht dabei für ein attraktives Angebot an Freiflächen<br />
und Grünanlagen zur Verbesserung des Naturhaushaltes und der Erholungsqualität in dem jeweiligen<br />
Stadtteil. Wichtige Grundelemente der Landschaft dürfen nicht überbaut werden bzw. müssen wieder hergestellt<br />
werden.<br />
Im Rahmen der in Erarbeitung befindlichen Sektoralen Entwicklungskonzeption „Grün, Freizeit und Erholung“<br />
34 sollen räumliche bzw. strukturelle Vorgaben entwickelt werden, welche die vorhandenen klimatischen<br />
Beeinträchtigungen minimieren. Die Bewertung der Klimatologen, Vorgaben der technischen und verkehrstechnischen<br />
Infrastruktur sollen zugrunde gelegt und Bebauungsfeldvarianten untersucht werden.<br />
Zusammengefasst ergeben sich für die Großwohnsiedlungen im Norden und Südosten folgende Entwicklungsziele:<br />
Rieth, Berliner Platz, Moskauer Platz, Roter Berg<br />
• Der Äußere Grüne Ring folgt im Norden dem Bogen der nördlichen Querverbindung (NQV). Die den<br />
Straßenzug Straße der Nationen / Am Roten Berg begleitenden Grünflächen stellen eine wichtige Verbindung<br />
zwischen den Wohngebieten und ihren Freiflächen im Nordwesten und Norden dar. Das bisher<br />
nur in Fragmenten vorhandene Grün soll im Gefüge der Gesamtstadt eine eigene Identität erhalten.<br />
• Im Norden wird die Geraaue als Freizeit- und Erholungspark verstanden. Der Bedeutung der Geraaue<br />
für stadtökologische Zusammenhänge und als zentrales landschaftliches Grundelement verlangen erhöhte<br />
planerische Berücksichtigung, z.B. Rückbau in den Überschwemmungsgebieten.<br />
• Der Ort Gispersleben ist wieder so "frei zu legen", dass er als Ort mit besonderer Eigenart wahrgenommen<br />
werden kann. Im Rahmen der Planung des weiteren Rückbaus der Großwohnsiedlungen sollte hier<br />
eine Weichzone um die jeweiligen Siedlungen mit Erholungsnutzen für die Bewohner geschaffen werden.<br />
• Der Stadtteil Rieth ist aufgrund der Konzentration von Bildungseinrichtungen und weiteren Einrichtungen<br />
für den Gemeinbedarf an diesen gut vom ÖPNV erschlossenen und in der Entwicklungsachse liegenden<br />
33 vgl. interne Studie des Stadtentwicklungsamtes „Freizeit und Erholungspark Nordstrand“<br />
34 Arbeitstitel<br />
75
<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />
76<br />
zentralen Standort sowie in seiner Funktion als Zentrum, den jeweiligen Nutzungen entsprechend, mit<br />
hoher Aufenthaltsqualität weiter zu stärken und zu stabilisieren. Vorstellbar ist, flächenintensive Schulen<br />
wie Sonderschulen von regionaler und überregionaler Bedeutung anzusiedeln, um diesen Raum zu einem<br />
Bildungsstandort besonderer Qualität werden zu lassen. Diese Aufgabe umfasst u. a. auch die<br />
Neugestaltung attraktiver Freiräume und die Vernetzung eingebetteter und angrenzender Landschaftsbereiche.<br />
Charakteristisch sind dabei die flächenintensiven Einrichtungen wie Sportanlagen, Spielplätze,<br />
Schulen und Kindertagesstätten.<br />
Herrenberg, Wiesenhügel, Drosselberg, Buchenberg, Industriepark<br />
• Freilegung des Ortskernes Melchendorf - die historischen Dorfstrukturen müssen ablesbar gestaltet<br />
werden durch einen breiten Grünstreifen am Ortsrand ein abgestimmter Wechsel von Bebauung und<br />
Grünraum.<br />
• Die naturräumlichen Potentiale der Arena von Herrenberg und Wiesenhügel sollen erlebbar gestaltet<br />
werden durch eine Reaktion der baulichen Entwicklungen auf landschaftsräumliche Vorbedingungen.<br />
• Ein breiter Grünzug, beginnend an der Gustav - Adolf - Kirche soll bis an das Hochtechnologiestandort<br />
<strong>Erfurt</strong>-Südost den Raum strukturieren. Ein harmonischer Wechsel von Wohnraum, Naturraum (als Aufenthalts-<br />
und Kommunikationsort für den wissensintensiven Gewerbestandort sowie wohnumfeldnaher<br />
Grünraum für die Wohnbebauung) und wissensintensiver Arbeitswelt.<br />
4.5.4 <strong>Erfurt</strong>er Seen<br />
Die im Norden der Stadt in Folge des Kiesabbaus entstehende Seenlandschaft für Freizeit und Erholung<br />
nutzbar zu machen und so aufzuwerten, dass es überregionale Bekanntheit erlangt, ist Zielstellung der Regionalen<br />
Entwicklungskonzeption „<strong>Erfurt</strong>er Seen“. Zur Umsetzung dieser Zielstellung haben die Stadt <strong>Erfurt</strong><br />
und die Gemeinde Nöda bereits im Jahr 2001 eine kommunale Arbeitsgemeinschaft gegründet. Mit der<br />
Schaffung von Naturschutzseen, Landschaftsseen (ruhige Erholung) und Freizeitseen (intensive Nutzung)<br />
sollen die verschiedensten Interessengruppen Beachtung finden.<br />
Abb. 26 - Regionale Freizeitkarte „<strong>Erfurt</strong>er Seen“
4. Zielkonzept der gesamtstädtischen Entwicklung<br />
4.5.5 Umsetzungsstrategie<br />
Die Realisierung des Grün- und Freiraumkonzeptes ist ebenso wie die Umsetzung des gesamten <strong>Stadtentwicklungskonzept</strong>es<br />
als ein langfristiger Prozess zu betrachten, in dessen Verlauf sich die verschiedenen<br />
Elemente sukzessive zu einem Gesamtbild zusammenfügen.<br />
Auf Basis des hier vorgestellten Grundkonzeptes bedarf es für die einzelnen Elemente konkreter Konzepte,<br />
welche die Handlungsgrundlagen für die weitere Arbeit bilden. Neue Freiraumqualitäten für veränderte Nutzeransprüche<br />
sind zu definieren, neue Kooperations- und Organisationsformen zu finden, neue Instrumente<br />
und finanzierbare Strategien zu entwickeln. Privatunternehmen, Eigentümer und Bewohner müssen stärker<br />
als bisher in die Verantwortung genommen werden. Um diesen Anforderungen und neuen Aufgaben gerecht<br />
werden zu können, ist ein integriertes Freiflächenmanagement notwendig. Aspekte wie Verfügbarkeit, Finanzierung,<br />
Qualitätsstandards und Zuständigkeiten werden durch ein solches Management erfasst.<br />
Mit der Veränderung der Stadträume und der Stadtgesellschaft differenzieren sich auch die Anforderungen<br />
an Grünanlagen und Parks und deren Nutz- und Erholungswert. Die städtische Planung muss auf die veränderten<br />
Nutzungsansprüche, die auf diese Flächen gerichtet sind, reagieren. Angesichts des erforderlichen<br />
effizienten und gezielten Einsatzes öffentlicher Mittel ist die Frage nach der generellen Wertschätzung und<br />
Bedeutung der Parkanlagen für die <strong>Erfurt</strong>er Bevölkerung zu untersuchen. Welche Ansprüche und Qualitäten<br />
müssen Grünanlagen aufweisen, um heutigen und zukünftigen Ansprüchen zu genügen, und wie viel Grün<br />
braucht und verträgt die Stadt? Eine Einteilung der Grün- und Freiräume in verschiedene Kategorien sollte<br />
hier Orientierungshilfe für die Planung sein. Ausgehend von Einzelgutachten zu Grundwasser, Klima, Bodengutachten,<br />
Biotopkartierungen usw. sowie den stadträumlichen Qualitäten müssen insbesondere für die<br />
Stadtumbaugebiete Konzepte erarbeitet werden, die ein erkennbares System von bebauten Flächen und<br />
Freiräumen zum Ziel haben.<br />
Der Baustein Finanzierung spielt im Rahmen eines integrierten Frei- und Grünflächenmanagements zur Umsetzung<br />
der planerischen Zielstellungen eine entscheidende Rolle. Angesichts der knappen öffentlichen<br />
Gelder müssen neue Freiraumqualitäten mit finanzierbaren Strategien entwickelt werden. Grundsätzlich ist<br />
es deshalb für alle beteiligten Akteure notwendig, projektbezogen alternative Finanzierungsmöglichkeiten<br />
aufzuzeigen, die für die notwendigen Maßnahmen in den einzelnen Stufen der Grünflächenentwicklung zum<br />
Einsatz kommen können. Dies betrifft die Kosten für Erwerb, Freilegung, Planung, Herstellung sowie Pflege-<br />
und Entwicklung der entsprechenden Flächen. Als Instrument für den Planungs- und Entscheidungsprozess<br />
sollte eine Arbeitshilfe zusammengestellt werden, die einen Überblick über Förderprogramme und deren<br />
Einsatzmöglichkeiten sowie alternative Finanzierungsmöglichkeiten gibt.<br />
Es muss aber auch davon ausgegangen werden, dass notwendige Vorhaben nicht sofort finanzierbar sind.<br />
In diesem Fall sind zumindest die für das Grünsystem bedeutsamen Flächen langfristig zu sichern.<br />
Als Zwischennutzung für kleinteilige Brachflächen und "verwilderten Ecken“ sind temporäre Grünflächen geeignet.<br />
Unter der Voraussetzung, dass durch die Begrünung eine spätere bauliche Nachnutzung nicht behindert<br />
wird, kann zumindest eine zeitweise Verbesserung erreicht werden. Für die Realisierung sind auch<br />
hier verschiedene Modelle denkbar. Die Anlage derartiger befristeter Grünnutzungen könnte zum Beispiel<br />
über städtebauliche Verträge, städtische Sanierungsmittel, Spenden oder Stiftungen erfolgen. Pflegepatenschaften<br />
von Bewohnern, Schulen oder Vereinen könnten die notwendige Unterhaltung sichern. Im Rahmen<br />
des Projektes „<strong>Erfurt</strong> lebt mit Lücken“ ist durch das Stadtentwicklungsamt ein erster Modellversuch erfolgreich<br />
initiiert und mit Hilfe bürgerlichen Engagements durchgeführt worden.<br />
Der Landschaftsplan der Stadt <strong>Erfurt</strong>, der Ziele und Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege<br />
beinhaltet, bildet die Voraussetzungen für die Umsetzung der Ziele für den äußeren Landschaftraum.<br />
Aufbauend auf dem System der Schutzgebiete können über Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen gleichartige<br />
Biotoptypen durch lineare Landschaftsstrukturen wie Hecken, extensiv genutzte Ackerrandstreifen, Pufferzonen<br />
um Biotopkomplexe oder durch Trittsteinbiotope verbunden werden. Die räumliche Zuordnung der<br />
Ausgleichs- und Ersatzflächen muss dabei so vorgenommen werden, dass langfristig eine große Biotopvernetzung<br />
geschaffen werden kann. Diese sind in den Grundzügen bereits im Flächennutzungsplan dargestellt.<br />
77
<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />
4.6 Zielbereich "Verbesserung der Erreichbarkeit und stadtverträgliche Gestaltung<br />
der Verkehrsinfrastruktur"<br />
Ausgehend von der Bedeutung der Stadt <strong>Erfurt</strong> als Oberzentrum der Region und den daraus resultierenden<br />
Verflechtungen mit dem Umland sowie der weiteren Entwicklung der Stadt als attraktiver Wohnstandort ergeben<br />
sich trotz prognostiziertem Bevölkerungsrückgang unterschiedliche Ansprüche an die künftige Verkehrsentwicklung<br />
der Stadt.<br />
Zum Einen muss die Erreichbarkeit der Stadt im Nah- und Fernverkehr sowohl auf Straßen als auch auf<br />
Schienenwegen weiter verbessert werden, um die Konkurrenzfähigkeit zu anderen Städten und Regionen zu<br />
verbessern. Dazu sind neben den traditionellen infrastrukturellen Voraussetzungen vor allem auch moderne<br />
Informationssysteme und Möglichkeiten der Verkehrssteuerung durch Leitsysteme bzw. ein komplexes Verkehrssystemmanagement<br />
weiter auszubauen. (ELVIS <strong>Erfurt</strong>er Leit- und Verkehrs-Informationssystem). Besondere<br />
Priorität besitzt dabei der Erhalt einer attraktiven Erreichbarkeit der Innenstadt für alle Verkehrsarten.<br />
Andererseits gilt es, die Wohn- und Stadtqualität, die in starkem Maße durch den Verkehr in der Stadt beeinflusst<br />
wird, weiter zu verbessern. Dazu sind die verkehrlichen Rahmenbedingungen zu einer umfassenden<br />
städtebaulichen Aufwertung von Stadtteilen und Wohnquartieren zu schaffen.<br />
Im Ergebnis der Umsetzung der Ziele des Verkehrsentwicklungsplanes sind die erreichten Wirkungen zu<br />
messen, zu bewerten und gegebenenfalls neue Strategien im engen Zusammenhang mit den aktuellen Zielen<br />
der Stadtentwicklung abzuleiten. Dabei müssen sich künftige Strategien durch ein hohes Maß an Flexibilität<br />
auszeichnen, um auf aktuelle Entwicklungen angemessen reagieren zu können. Die vorhandenen Verkehrsinfrastrukturen,<br />
insbesondere die Stadtbahnachsen, sind als Grundgerüst für die weitere Stadtentwicklung<br />
anzusehen.<br />
Maßnahmen zur Verbesserung der städtebaulichen Integration, der Verbesserung der Aufenthaltsqualität<br />
sowie eine Entlastung der städtischen Umwelt von verkehrsbedingten Belastungen (Lärm, Luftschadstoffe,<br />
Klimagase, Barrierewirkung) sind zu entwickeln und umzusetzen. Lärmminderungskonzepte sind in Übereinstimmung<br />
mit gesamtstädtischen Verkehrskonzepten als Strategie voranzutreiben.<br />
Die Standortvorteile im kompakten Stadtgebiet (kurze Wege, hohe Qualität der ÖPNV Erschließung, Infrastrukturausstattung)<br />
sind im Sinne einer nachhaltigen und stadtverträglichen Mobilität weiter zu fördern. Dazu<br />
zählt in entscheidendem Maße auch die Lösung von Parkraumproblemen im zentrumsnahen Gründerzeitgürtel<br />
als wichtiges Kriterium zur Verbesserung der Wohnqualität in diesen Gebieten.<br />
Die Verkehrsplanung muss zukünftig den Anforderungen der schrumpfende und alternde Stadt Rechnung<br />
tragen. Dazu sind vergleichbare Mobilitätschancen für alle Bürger herzustellen - auch unter der Berücksichtigung<br />
unterschiedlicher Mobilitätsbedürfnisse aufgrund unterschiedlicher Lebensbedingungen. (Erhalt der<br />
Mobilität älterer Menschen, Zugang mobilitätseingeschränkter Bevölkerungsgruppen zu Verkehrsnetzen und<br />
-mitteln, Förderung eigenständiger und sicherer Mobilität von Kindern und Jugendlichen).<br />
Straßenverkehr<br />
Der Verkehrsentwicklungsplan entwickelt ausgehend von der Fertigstellung des "<strong>Erfurt</strong>er Ringes" (2007) und<br />
leistungsfähiger Tangentialstraßen ein funktional gegliedertes Straßennetzkonzept für das gesamte Stadtgebiet.<br />
Schwerpunktmäßig gilt es Lösungen für die verbleibenden Konfliktbereiche in Übereinstimmung mit<br />
den Zielen der Stadtentwicklung zu finden. Weitergehende Aufgaben bestehen in der Überprüfung bisheriger<br />
Planungsabsichten und Ausbaustandards im Zuge des Stadtumbauprozesses hinsichtlich ihrer Notwendigkeit.<br />
Eine entscheidende Zukunftsaufgabe besteht zudem in der qualitativen Aufwertung von Straßen und<br />
Straßenräumen durch komplexe Sanierungsmaßnahmen. Entsprechend der Schwerpunktsetzungen des<br />
Stadtumbaus sind dabei die Prioritäten zu überprüfen.<br />
Öffentlicher Personennahverkehr<br />
Unter Beachtung der raumstrukturellen Entwicklungen im Verdichtungsraum <strong>Erfurt</strong> ist es notwendig, neben<br />
der Bedienung der Innenstadt auch die Einbeziehung des Umlandes in den ÖPNV in den Mittelpunkt des Interesses<br />
zu rücken, um so die Möglichkeiten zur Steuerung räumlicher Prozesse mit Hilfe öffentlicher Verkehrsmittel<br />
zu erhalten. Dies bedarf einer integrierten Verkehrs- und Raumplanung, die in stärkerem Maße<br />
als bisher Stadt und Umland als eine Planungseinheit betrachtet. Die Einführung des Verbundtarifs Mittelthüringen<br />
mit einer besseren Abstimmung zwischen kommunalen und regionalen Anbietern einschließlich des<br />
78
4. Zielkonzept der gesamtstädtischen Entwicklung<br />
Eisenbahnverkehrs ab Dezember 2005 ist ein wichtiger Schritt auf diesem Weg (vgl. Ausführungen zum<br />
Schienenverkehr).<br />
Schwerpunkt der weiteren Entwicklung des ÖPNV bildet die Vollendung des Stadtbahnkonzeptes. Mit dem<br />
Stadtbahnausbau wurden und werden neue und bestehende Wohngebiete sowie Arbeits- und Ausbildungsplätze<br />
am Ringelberg, im Brühl, in Bindersleben, in Schmira und in der Oststadt an das bestehende Nahverkehrsnetz<br />
angebunden. Gleichzeitig wurde eine neue Direktverbindungen zwischen dem Hauptbahnhof und<br />
dem internationalen Verkehrsflughafen <strong>Erfurt</strong> geschaffen. Als abschließende Maßnahme soll die Neubaustrecken<br />
Rieth - Salinenstraße bis 2007/08 realisiert werden, um die Betriebsabläufe effektiver gestalten zu<br />
können.<br />
Zukünftig wird sich die Gestaltung des ÖPNV auf eine gute Auslastung der Stadtbahnlinien und wichtiger<br />
Buslinien konzentrieren müssen. Hierzu sind an den Endpunkten der Linien Verknüpfungspunkte in Form<br />
von Park-and-Ride-Anlagen (P+R) bzw. Bike-and-Ride-Anlagen (B+R) auszubauen bzw. aufzuwerten. Während<br />
durch P+R-Anlagen primär Einpendler in die Stadt angesprochen werden, können durch B+R-Anlagen<br />
auch Potentiale innerhalb der Stadt, insbesondere in den Ortschaften, erschlossen werden.<br />
Schienenverkehr<br />
Mit der Vollendung des derzeit laufenden des Ausbaus des <strong>Erfurt</strong>er Hauptbahnhofes als ICE-Bahnhof, Mobilitätszentrum<br />
und komplexer Verknüpfungspunkt zwischen Schienenpersonennah- und -fernverkehr, Stadtbahn,<br />
Stadtbus, Regionalbus, Taxi sowie nicht motorisiertem und motorisiertem Individualverkehr wird die<br />
Voraussetzung geschaffen, <strong>Erfurt</strong> als zentralen Verkehrsknotenpunkt entwickeln zu können. Als ein wesentlicher<br />
Bestandteil des Verknüpfungspunktes ist die Errichtung einer Fahrradstation weiter zu verfolgen.<br />
Zukünftig soll der Eisenbahnknoten <strong>Erfurt</strong> die ICE Linien München - <strong>Erfurt</strong> - Berlin und Frankfurt/M. - Leipzig<br />
- Dresden verknüpfen und damit schnelle Verbindungen in das Fernverkehrsnetz der Deutschen Bahn schaffen.<br />
Die Stadt <strong>Erfurt</strong> muss daher auch zukünftig ein klares Bekenntnis von Bund und Bahn AG zur Fertigstellung<br />
der Neubaustrecke einfordern. In gleichem Maße gilt dies für den durchgehenden zweigleisigen Ausbau<br />
und die Elektrifizierung der Mitte-Deutschland-Verbindung.<br />
Die notwendige stärkere Einbeziehung des Eisenbahnverkehr in die Ausgestaltung eines regionalen ÖPNV-<br />
Systems setzt die Verdichtung des Verkehrsangebotes und eine bessere städtebauliche Integration der<br />
Bahnhöfe und Haltepunkte (Bischleben, Vieselbach, Stotternheim, <strong>Erfurt</strong>-Nord, Gispersleben und Kühnhausen)<br />
voraus. Insbesondere die Verbindung Gotha-<strong>Erfurt</strong>-Weimar-Jena ist hinsichtlich der Schaffung eines einer<br />
S-Bahn ähnlichen Verkehrsangebotes zu überprüfen.<br />
Radverkehr<br />
Im Hinblick auf die gestiegenen Bedeutung des Radverkehrs in <strong>Erfurt</strong> gilt es, das Radverkehrsnetz der Stadt<br />
weiter auszubauen. Notwendig ist eine qualitative Verbesserung der Hauptachsen zum Stadtzentrum durch<br />
bauliche und organisatorische Maßnahmen. Neben der strahlenförmigen Erschließung des Stadtzentrums ist<br />
eine flächenmäßigen Erschließung aller Stadtteile durch Radverkehrsanlagen geplant. Weitere Lückenschlüsse<br />
und Ortsteilanbindungen sollen das Radverkehrsnetz ergänzen.<br />
Im Bereich des Stadtzentrums sind qualitative Verbesserungen der Straßenoberfläche und die Erweiterung<br />
von Abstellmöglichkeiten und Serviceangeboten auch für Radtouristen vorzusehen. Eine Schlüsselfunktion<br />
kann hierbei die Einrichtung einer Fahrradstation am Hauptbahnhof übernehmen.<br />
Von zunehmender Bedeutung ist die Zusammenarbeit von Thüringer Städten und Gemeinden zur Sicherung<br />
von anschließenden Radwegenetzen auch im Umland, um hier neben dem Alltagsverkehr auch dem Freizeit-<br />
und vor allem touristischen Radverkehr Rechnung zu tragen. Ein Beispiel hierfür ist das REK "<strong>Erfurt</strong>er<br />
Seen", welches u. a. auch die Verbesserung des Radwegesnetzes im Norden des Stadtgebietes zum Gegenstand<br />
hat. Die Umsetzung des Konzeptes ist kontinuierlich voranzutreiben.<br />
Anders als im städtischen Verkehrssystem kann der Radverkehr im überwiegend ländlich geprägten Raum<br />
nur bedingt eine Alternative zum individuellen Kfz-Verkehr oder ÖPNV darstellen. Dennoch ist die Schaffung<br />
eines durchgängigen Radwegenetzes für dessen Nutzer, insbesondere Kinder und Jugendliche, eine wichtige<br />
Aufgabe, hauptsächlich auch im Interesse der Verkehrssicherheit.<br />
Ruhender Verkehr<br />
Zur Lösung der Parkraumprobleme insbesondere im zentrumsnahen Gründerzeitgürtel sind im Rahmen der<br />
weiterführenden Stadtumbauplanungen Konzepte aufzustellen, die helfen, die Wohnqualität in diesen Gebieten<br />
zu verbessern. Es sollen intelligente Lösungen gefunden werden, die der Besonderheit dieser Gebiete<br />
Rechnung tragen. Beispielsweise könnten auf ungenutzten Grundstücken, die für das Freiraumkonzept nicht<br />
von Bedeutung sind, Parkhäuser errichtet werden. Die temporäre Nutzung von Brachen für den ruhenden<br />
79
<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />
Verkehr kann über einen langen Zeitraum das Parkplatzproblem in diesen Gebieten entschärfen. Hierzu liegen<br />
Untersuchungen vor, die kurzfristig Pilotprojekte ermöglichen.<br />
Luftverkehr<br />
Die Entwicklung des Luftverkehrs am Flughafen <strong>Erfurt</strong> wird neben der regionalen Strukturentwicklung im<br />
Wesentlichen durch drei Faktoren bestimmt, nämlich der globalen Entwicklung des Luftverkehrs, der Verlagerungseffekte<br />
anderer Flughäfen und der Konkurrenzsituation zur Eisenbahn.<br />
Der Flughafen <strong>Erfurt</strong> soll langfristig folgende wesentlichen Funktionen erfüllen:<br />
− direkte Anbindung Thüringens an das nationale und intereuropäische Luftverkehrsnetz für den Personenund<br />
Frachtverkehr im Linienflugverkehr zu den Wirtschaftszentren Deutschlands und Europas,<br />
− indirekte Anbindung Thüringens an das interkontinentale Luftverkehrsnetz durch Zubringerflugdienst zu<br />
den Flughäfen mit interkontinentalem Luftverkehr,<br />
− Charterflugverkehr zu den europäischen Urlaubszentren und Zielen in Nordafrika,<br />
− allwetterfähiger Flugplatz für den Geschäftsreise- und Werkflugverkehr (General Aviation),<br />
− innereuropäischer Luftverkehrsknoten.<br />
Eine Erweiterung des Flughafens soll gemäß Landesentwicklungsplan (LEP) 2004 langfristig möglich sein.<br />
Diese Vorgabe fand bereits im Flächennutzungsplan Berücksichtigung.<br />
80
4. Zielkonzept der gesamtstädtischen Entwicklung<br />
4.7 Zielbereich "Bedarfsgerechte und wirtschaftliche technische Infrastruktur"<br />
Jede bauliche Entwicklung - ob ein Bauflächenzuwachs oder eine Reduzierung an Bauflächen - beeinflusst<br />
die technische Infrastruktur. Sie bestimmt deren Entwicklung oder ihren Fortbestand. Einerseits hat der Ausbau<br />
der Ver- und Entsorgungssysteme für zu entwickelnde neue Gewerbe- und Wohnungsbaugebiete sowie<br />
für die bisher ungenügend versorgten Bereiche der Stadt, insbesondere in den Siedlungen und Ortsteilen, zu<br />
erfolgen. Andererseits muss auch langfristig eine wirtschaftliche Ver- und Entsorgung garantiert werden. Die<br />
Kosten der technischen Infrastruktur, die letztendlich von den Bürgern zu tragen sind, müssen auch für die<br />
prognostizierten weniger werdenden Einwohner der Stadt <strong>Erfurt</strong> bezahlbar sein. In gleichem Maße gilt dies<br />
für gewerbliche Kunden. Gelingt es nicht, Antworten auf die komplexen Fragestellungen der Siedlungsentwicklung<br />
und Infrastrukturfolgekosten zu finden, wird sich dies negativ auf die Chancen der Stadt <strong>Erfurt</strong> im<br />
Wettbewerb der Städte und Regionen auswirken.<br />
Bei der weiteren Entwicklung der Stadt und den notwendigen Entscheidung über Maßnahmen des Stadtumbaus<br />
und des Rückbaus von Gebäuden müssen daher die Belange der technischen Infrastruktur in besonderem<br />
Maße beachtet werden. Neben der stärkeren Einbeziehung der Problematik im Rahmen der Förderinstrumentarien<br />
von Bund und Land sind vor Ort eine Reihe von Ansatzpunkten vorhanden.<br />
Ganz entscheidend ist ein abgestimmtes Vorgehen und ein enger Dialog aller an Fragen der Siedlungs- und<br />
Infrastrukturentwicklung beteiligten Akteure (Kommune, Versorgungsunternehmen, Wohnungswirtschaft,<br />
Wirtschaftsverbände etc.). Zur Vermeidung unnötiger Kosten ist eine enge Abstimmung der Rückbaupläne<br />
mit den Versorgungsunternehmen erforderlich. Dabei reicht eine objektbezogene Betrachtung nicht aus,<br />
vielmehr sind die Maßnahmen in den Kontext der Planungen für ein Stadtviertel einzubinden. Entscheidend<br />
ist dabei die regelmäßige Fortschreibung der entsprechenden Planungsinstrumente. Diesen Anforderungen<br />
entspricht der Masterplan II.<br />
Bei der Realisierung von Umbaumaßnahmen ist das Prinzip zu beachten, dass ein Rückbau immer von Außen<br />
nach Innen bzw. von "Hinten nach Vorn" erfolgen sollte . Eine hohe Abnahmedichte in der Nähe von<br />
Versorgungsanlagen ist optimal. Unter Beachtung der Hinweise der Versorgungsunternehmen werden im<br />
folgenden differenziert nach den unterschiedlichen Medien folgende Hinweise zur strategischen Planung des<br />
Stadtumbaus gegeben:<br />
Wasser / Abwasser<br />
Der Rückgang der Einwohnerzahlen bedingt technische, finanzielle und hygienische Probleme beim Betrieb<br />
der Wasserleitungsnetze. Konkrete Daten liegen jedoch nicht vor. Aufgrund der langen Investitionszyklen ist<br />
eine sinnvolle Anpassung des Systems (Erzeugeranlagen, Pump- und Druckstationen, Rohrdurchmesser)<br />
nur auf Basis einer langfristigen strategische Planung möglich, wie sie mit dem Masterplan II vorgelegt werden<br />
wird. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Siedlungsdichte in Mehrfamilienhausgebieten nicht unter<br />
8000 EW/km² fallen sollte.<br />
Die Abwasserentsorgung des gesamten Stadtgebietes wie auch großer Teile des Umlandes (über Einleiterverträge)<br />
wird sich perspektivisch auf die Zentralkläranlage Kühnhausen konzentrieren, so dass hier ein wirtschaftlicher<br />
Betrieb gewährleistet wird.<br />
Gasversorgung<br />
Bei der Planung von Rückbaugebieten ist zu beachten, dass die Siedlungsdichte aus Sicht der Energieversorgungsunternehmen<br />
nicht unter 6000 EW/km² liegen sollte.<br />
Fernwärme<br />
Da Fernwärme überwiegend im Plattenwohnbau eingesetzt wird, wird die Fernwärmeversorgung neben<br />
Wasser und Abwasser auch die höchsten Lasten aller Versorgungssparten zu tragen haben. Eine besondere<br />
Last stellen hohe Abschreibungsverluste dar.<br />
In Teilräumen ist das Fernwärmenetz perspektivisch deutlich überdimensioniert. Aufgrund der verringerten<br />
Nachfrage wird die optimale Strömungsgeschwindigkeit deutlich vermindert. Liegt ein Gebäude an Leitungsendpunkten,<br />
ist ein Abbruch unproblematisch. Zunehmend werden jedoch verbindende Leitungen betroffen<br />
sein, die einen deutlich teureren Umbau erforderlich machen. Nicht immer vermeidbar sind Versorgungsinseln,<br />
die durch ergänzende Trassen an das Netz anzubinden sind. Im Einzelfall ist zu prüfen, ob dezentrale<br />
Systeme / Blockheizkraftwerke die wirtschaftlich sinnvollere Lösung darstellen.<br />
81
<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />
Strom<br />
Zur Anpassung und Weiterentwicklung der Stromversorgung sind teilräumliche Konzepte zu entwickeln, die<br />
die Entwicklungsperspektiven einzelner Stadtteile betrachten. Dies gilt beispielsweise für den Süd-Osten der<br />
Stadt. Hier müssen die Energieversorgungssysteme weitere Ansiedlungen und Unternehmensweiterungen<br />
am Hochtechnologiestandort ermöglichen.<br />
82
4. Zielkonzept der gesamtstädtischen Entwicklung<br />
4.8 Zielbereich "Stärkung des Wirtschaftsstandortes"<br />
Eine starke <strong>Erfurt</strong>er Wirtschaft ist Voraussetzung für den Weg aus der Finanzkrise der Stadt. Nur mit der<br />
Schaffung von Arbeitsplätzen kann einerseits eine Senkung der enormen Sozialausgaben und andererseits<br />
eine Steigerung der Gewerbe- und Einkommenssteuereinnahmen erreicht werden. Die Erhaltung und Schaffung<br />
von Arbeitsplätzen muss auch unter dem Aspekt rückläufiger Einwohnerzahlen und der Gefahr verstärkter<br />
Abwanderung aufgrund fehlender Verdienstmöglichkeiten oberste Zielstellung sein. Eine erfolgreiche<br />
Ansiedlungspolitik und die Unterstützung der ansässigen Unternehmen sind daher wichtigste Aufgaben<br />
der <strong>Erfurt</strong>er Wirtschaftspolitik.<br />
Voraussetzung hierfür sind zum einen gute "harte" Standortfaktoren, wie eine leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur,<br />
konkurrenzfähige Förderbedingungen und moderate Belastungen der Wirtschaft durch Steuern und<br />
Abgaben. Zum anderen sind die "weichen" Standortfaktoren - wie attraktiven Kultur- und Freizeitangebote -<br />
eine wichtige Voraussetzung einer positiven wirtschaftliche Entwicklung.<br />
Ausgehend von den nachfolgend näher beschriebenen Zielstellungen ist die Erarbeitung eine Wirtschaftsstrategie<br />
für die Stadt <strong>Erfurt</strong> notwendig, die konkrete Aussagen zu Arbeitsschritten und Zuständigkeiten enthält.<br />
4.8.1 Sicherung räumlicher Entwicklungspotentiale<br />
Gewerbeflächen vorhalten<br />
Zur Sicherung des Wirtschaftsstandortes <strong>Erfurt</strong> ist es notwendig, auch in Zukunft preiswerte und schnell verfügbare<br />
Gewerbeflächen vorzuhalten, um Neuansiedlungen und Betriebserweiterungen der unterschiedlichsten<br />
Nutzungsarten zu ermöglichen. Dieser Zielstellung entspricht die Absicherung eines umfangreichen Flächenpotentials<br />
im Flächennutzungsplanentwurf und in bestehenden Bebauungsplänen.<br />
Flächen aktivieren<br />
Im Sinne einer nachhaltigen Stadtentwicklung soll die Inanspruchnahme und damit Versiegelung von neuen<br />
Flächen weitestgehend vermieden werden. Eine Verdichtung gering bebauter Bereiche oder die städtebauliche<br />
Neuordnung von Gebieten mit erheblichen Missständen ermöglicht eine effektive Nutzung der technischen<br />
Infrastruktur (Ver- und Entsorgungsnetze) und eine bessere Auslastung der Verkehrssysteme, was<br />
auch zu einer Minimierung der Kosten für die Ver- und Entsorgung führt. Die Nutzung von Gewerbeflächen<br />
soll daher folgenden Grundprinzipien folgen:<br />
• Zielgerichtete Einbindung der Gewerbestandorte in die Entwicklungsachsen der Stadt.<br />
• Aktivierung von Flächenpotentialen durch Brachenmanagement (Beräumung, Sanierung, Zusammenfassung<br />
zu größeren Einheiten).<br />
• Vorrangige Neuansiedlungen und Betriebserweiterungen auf Brachflächen in bestehenden Gewerbegebieten.<br />
• Nutzung der bereits durch rechtskräftige Bebauungspläne ausgewiesenen Gewerbeflächen.<br />
• Freihaltung größerer zusammenhängender gewerblicher Bauflächen entsprechend der Vorgaben des<br />
Regionalen Raumordnungsplanes für Großinvestitionen des verarbeitenden Gewerbes mit regionaler<br />
Bedeutung.<br />
Die Ausweisung von gewerblichen Bauflächen im Flächennutzungsplan erfolgte bereits nach diesen Prinzipien.<br />
Weiterhin wurden im Stadtentwicklungsamt unter diesen Aspekten die „Sektorale Entwicklungskonzeption<br />
Arbeiten - Teilbereich Gewerbeflächenbericht“ 35 sowie das „Baulandkataster für ausgewählte Bereiche“<br />
36 als konkrete Handlungsgrundlage erarbeitet.<br />
Branchenorientierte Standortpolitik<br />
Notwendig ist eine branchenorientierte Standortpolitik, die zu einer optimalen Ausnutzung der vorhandenen<br />
Standorte und einer optimalen Nutzung von Synergieeffekten zwischen einzelnen Unternehmen beitragen<br />
soll. Auch ist die Entwicklung eines bestimmten Profils für ein Gewerbegebiet wichtig, um Störwirkungen innerhalb<br />
des Gebietes weitestgehend auszuschließen. So sind Produktionsbetriebe mit höheren Emissionen<br />
35 Beträge zur Stadtentwicklung - Heft 3<br />
36 Beträge zur Stadtentwicklung - Heft 6<br />
83
<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />
vorrangig auf Flächen am Stadtrand zu lenken, um Immissionskonflikte mit Wohngebieten auszuschließen.<br />
Räumliche Schwerpunkte einer brachenorientierten Standortpolitik sind auch zukünftig die Sicherung der industrielle<br />
Produktion im Norden des Stadtgebietes sowie die Weiterentwicklung des Technologiestandortes<br />
<strong>Erfurt</strong> Südost.<br />
Firmen des Dienstleistungssektors sollten vorrangig in zentral gelegenen Standorten - auch in Kombination<br />
mit Produktionsstätten oder mit Wohnbebauung - gelenkt werden. Ebenso sind Ansiedlungen der Medien-<br />
und Freizeitbranche in diesen Standorten anzustreben. Damit ist die Erreichbarkeit mit den öffentlichen Verkehrsmitteln<br />
auch für Nutzer ohne PKW gewährleistet. Unternehmen mit einem hohen Fahrzeugaufkommen<br />
sollen sich nach Möglichkeit in der Nähe zum überregionalen Verkehrsnetz ansiedeln, um die Verkehrsströme<br />
innerhalb des Stadtgebietes zu minimieren.<br />
In der Innenstadt und in den Gebieten des Stadtumbaus wird grundsätzlich eine Mischnutzung von Wohnen<br />
und Arbeiten angestrebt. Durch diese Funktionsmischung kann zum eine Ressourcen schonende Siedlungsentwicklung<br />
(geringerer Flächenverbrauch, sparsamer Umgang mit Energie usw.) erreicht werden, zum<br />
anderen wird die durchmischte, belebte Innenstadt als wesentliches Standortmerkmal <strong>Erfurt</strong>s erhalten.<br />
Für die Unternehmen der Landwirtschaft und des Gartenbaus sind die Anbauflächen als grundlegender Produktionsfaktor<br />
zu erhalten. Zur Sicherung des Zierpflanzenbaus sind eine stärkere Zusammenarbeit der Betriebe<br />
zur Reduzierung der Betriebskosten und Optimierung der Vertriebswege. Eine Schlüsselmaßnahme<br />
ist dabei die Entwicklung einer so genannten Gärtnersiedlung im Norden der Stadt.<br />
Die ökologische Landwirtschaft wird in den nächsten Jahrzehnten u. a. durch die veränderten Flächenförderungen<br />
der Europäischen Union einen hohen Stellenwert einnehmen und sollte ebenso wie regionale Vermarktungsformen<br />
im Rahmen der Möglichkeiten der Stadt besonders unterstützt werden. Eine stärkere Vermittlung<br />
zwischen den Freizeit- und Erholungsanforderungen einer Großstadt und den Erfordernissen der<br />
Landwirtschaftsbetriebe kann auf der Basis einer Entwicklungsstrategie für den "Äußeren Grünen Ring" (vgl.<br />
Kap. 4.5.3) erzielt werden.<br />
Standortoptimierung durch Stadtumbau<br />
Durch Maßnahmen des Stadtumbaus können die spezifischen Erfordernisse einer branchenorientierten<br />
Standortpolitik zusätzlich unterstützt werden. Folgende Ansatzpunkte sind im Rahmen detaillierter Untersuchungen<br />
zu überprüfen:<br />
• Die Aufgabe einer gewerblichen Nutzung kann in bestimmten Gebieten als Chance gesehen werden, die<br />
eine stärkere Durchgrünung und stadträumliche Einbindung eines Gewerbegebietes ermöglicht.<br />
• Durch den Umbau der technischen Erschließung (Ver- und Entsorgung, Verkehr) können ehemalige<br />
Großstandorte zu zukunftsfähigen Standorten für klein- und mittelständische Betriebe werden.<br />
• Der prognostizierte Einwohnerrückgang bietet die Chance, räumliche Entwicklungsmöglichkeiten zu<br />
verbessern und Nutzungskonflikte zu beheben. Dies gilt insbesondere für punktuelle Konflikte zwischen<br />
Wohnnutzungen und produzierendem Gewerbe an den traditionsreichen Industriestandorten im Norden<br />
sowie eine mögliche Erweiterung des Hochtechnologie-Standortes <strong>Erfurt</strong>-Südost.<br />
4.8.2 Sicherung des Unternehmensbestandes durch Bestandspflege<br />
Der Unterstützung der ansässigen Wirtschaft ist der gleiche Stellenwert wie der Unternehmensansiedlung<br />
beizumessen, geht es doch hier um die Erhaltung vorhandener Arbeitsplätze. Die Aufgabe der Wirtschaftsförderung<br />
beschränkt sich daher nicht nur auf die Beratung möglicher Investoren, sondern beinhaltet auch<br />
die Bestandspflege. Bereits heute ist die Stadt Ansprechpartner für die Probleme der <strong>Erfurt</strong>er Unternehmen.<br />
Sie unterstützt im Rahmen ihrer Verantwortlichkeiten, z. B. bei Genehmigung von Bauvorhaben, Erschließungsproblemen<br />
oder der Suche nach neuen Standorten. Von nicht zu unterschätzender Bedeutung ist die<br />
Herstellung von Kontakten zwischen den verschiedenen Betrieben und zu Institutionen, wie der Industrie-<br />
und Handelskammer und der Handwerkskammer, für die u. a. mit dem <strong>Erfurt</strong>er Wirtschaftskongress „erwicon“,<br />
den vom Oberbürgermeister durchgeführten Unternehmertagen und den Gewerbegebietsversammlungen<br />
des Dezernates Stadtentwicklung, Verkehr und Wirtschaftsförderung ein Podium zur Verfügung gestellt<br />
wird. Dieser eingeschlagene Weg ist konsequent fortzusetzen.<br />
84
4. Zielkonzept der gesamtstädtischen Entwicklung<br />
4.8.3 Aufbau branchenspezifischer Netzwerke<br />
In der Regionalökonomie wird der Aufbau von Branchennetzwerken zu regionalen Unternehmensnetzwerken<br />
- so genannten "Clustern" - als ein wichtiges Instrument einer erfolgreichen Regionalentwicklung gesehen.<br />
Für den Wirtschaftsstandort <strong>Erfurt</strong> gilt dies aufgrund der ausgesprochen großen Zahl kleiner und mittlerer<br />
Unternehmen in besonderem Maße. Durch gezielte Zusammenarbeit und kooperative Arbeitsteilung aller<br />
Beteiligten können leistungs- und vor allem konkurrenzfähige Branchennetzwerke herausgebildet werden.<br />
Durch gezielten branchenspezifischen Technologietransfer kann die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen<br />
und Wissenschaftseinrichtungen gesteigert und das Gründungsklima verbessert werden. Für eine zukunftsgerichtete<br />
Gestaltung der wirtschaftlichen Entwicklung sind folgende Branchen identifiziert worden, die über<br />
eine besondere Bedeutung in Stadt und Region verfügen:<br />
− Lebensmittelindustrie<br />
− Maschinen- und Anlagenbau<br />
− Mikroelektronik und Mikrosystemtechnik<br />
− Solartechnik / Photovoltaik<br />
− Logistik und Verkehrswesen<br />
− Bauwesen und Bautechnik<br />
− Gesundheitswesen<br />
Die Unterstützung von Branchennetzwerken ist als eine Aufgabe zu begreifen, bei der kommunale Aktivitäten<br />
zielführend in einen regionalen Entwicklungsprozess eingebunden sind. Beispielgebend ist dabei der Zusammenschluss<br />
von Thüringer Solarunternehmen, Forschungs- und Bildungseinrichtungen, Solarinitiativen,<br />
Gewerbetreibenden, Kommunen und anderer öffentlicher Einrichtungen im SolarInput e.V.. Die Stadt <strong>Erfurt</strong><br />
unterstützt die Weiterentwicklung der Unternehmen am Standort <strong>Erfurt</strong>-Südost und bringt sich als assoziierendes<br />
Mitglied durch die Unterstützung konkreter Projekte (Photovoltaik auf Schulen, Bereitstellung von<br />
Dächern, Initiierung von Anlagen auf der Fachhochschule und dem Hauptbahnhof) sowie dem Informationsportal<br />
www.energieroute.de in die Arbeit des Vereins ein.<br />
Weit fortgeschritten ist die Kooperation auch im Bereich Gebäudeautomation und Bautechnik. Das Konzept<br />
"Bautronic2004" zielt auf die Qualifizierung und den Ausbau des operativen regionalen Netzwerkes zwischen<br />
Partnern aus Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung auf dem Gebiet innovativer Produkte, Verfahren und<br />
Technologien des Bauwesens aus <strong>Erfurt</strong>, Sömmerda, Ilmenau und Weimar. Auf dieser Grundlage werden<br />
verschiedene Einzelprojekte bearbeitet.<br />
4.8.4 Ausbildung und Qualifizierung als Standortpotential<br />
In Zukunft wird sich das Problem fehlender Unternehmensnachfolger sowie das Problem des Fachkräftemangels<br />
verstärken. Notwendig ist eine intensive regionale Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft, Verwaltung,<br />
Schulen und Hochschulen, um zielgerichtete Strategien und Handlungsansätze zu entwickeln. Dabei<br />
ist das Augenmerk nicht nur auf die Bindung junger Menschen, sondern auch auf Möglichkeiten einer besseren<br />
Integration älterer Arbeitnehmer zu richten.<br />
Die bisherigen arbeits-, beschäftigungs- und wirtschaftsfördernden Maßnahmen müssen hinsichtlich ihrer<br />
sozialen Auswirkungen geprüft werden, um zielgerichteter arbeits- und beschäftigungsfördernd unterstützen<br />
zu können. Durch ein tragfähiges Netzwerk in der Zusammenarbeit mit allen internen und externen Beteiligten<br />
(Unternehmen, Wissenschaft, Kommune und Kammern) ist die Beschäftigungsförderung in der Stadt<br />
auszubauen.<br />
Die Ausbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen als wichtiges Standortpotential sind dauerhaft mit der Beschäftigungsförderung<br />
zu verknüpfen. Die kommunale Arbeits- und Beschäftigungsförderung muss sich zukünftig<br />
mehr an Ausbildungsstrategien sowohl hinsichtlich fachlicher Wissensbedarfe als auch der nötigen<br />
Rahmenbedingungen orientieren.<br />
Von wachsender Bedeutung ist ein frühzeitiger Kontakt zwischen den bildungsplanenden Gremien sowie<br />
den Berufs- und Ausbildungseinrichtungen mit Wirtschaft und Gewerbe vor Ort. Der Arbeitskreis SCHULE-<br />
WIRTSCHAFT <strong>Erfurt</strong>, eine Kooperation von Schule und Wirtschaft, ist eine der Möglichkeiten, diese Entwicklung<br />
zu unterstützen. Solche Initiativen müssen weiter entwickelt und vertieft werden.<br />
85
<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />
4.8.5 Weiterentwicklung des Hochschul- und Forschungsstandortes <strong>Erfurt</strong><br />
<strong>Erfurt</strong> hat die Chance, sich durch eine konsequente Pflege der "Nischen" als Hochschul- und Wissenschaftsstadt<br />
zu profilieren. Notwendige Voraussetzung hierzu ist die Nutzung der Synergieeffekte, die sich mit anderen<br />
Standorten insbesondere im Bereich des "Technologiedreieckes" <strong>Erfurt</strong>, Ilmenau, Weimar und Jena<br />
ergeben, in der fast alle an deutschen Hochschulen relevanten Ausbildungs- und Forschungsmöglichkeiten<br />
angeboten werden. Die Kommune kann hier die Rolle eines Moderators übernehmen, der die Verzahnung<br />
von Hochschulen, Wissenschaft und Wirtschaft durch Kooperation und Technologietransfer befördert.<br />
Zwischen der Stadt <strong>Erfurt</strong> und den <strong>Erfurt</strong>er Hochschulen wurden Kooperationsvereinbarungen mit dem Ziel<br />
einer kontinuierlichen Zusammenarbeit abgeschlossen. Ziel der Stadt ist es, den Hochschulen durch die<br />
Einbeziehung in konkrete Fragestellungen etwa im Bereich der Bildungsforschung, der Verkehrsplanung, der<br />
Energieversorgung oder der Stadtgestaltung einen unmittelbaren Praxisbezug zu ermöglichen, den Dialog<br />
zwischen Wirtschaft und Hochschulen zu befördern sowie durch gemeinsame öffentliche Veranstaltungen<br />
die Potentiale der Hochschulen deutlich zu machen. Diese Kooperationen sollten zukünftig weiter intensiviert<br />
werden und auf weitere wissenschaftliche Einrichtungen und Bildungseinrichtungen wie das Helios-Klinikum,<br />
Fachschulen und private Bildungseinrichtungen - etwa in Form eines Bildungsnetzwerkes - eingebunden<br />
werden.<br />
Die Zukunft der Hochschulen wird entscheidend von der demographischen Entwicklung beeinflusst: Aufgrund<br />
des hohen Anteils an Studenten aus der Region (im Falle der FH derzeit 80%) ist mit einem deutlichen<br />
Rückgang der Bewerberzahlen zu rechnen. Aufgabe der Stadtentwicklung ist es daher, ein Umfeld zu schaffen,<br />
dass den Studienort <strong>Erfurt</strong> für Bewerber aus anderen Bundesländern und Staaten attraktiv macht. Studentinnen<br />
und Studenten sollen dabei nicht als temporäre Gäste, sondern als Bürgerinnen und Bürger gesehen<br />
werden, um ein hohes Maß an Identifikation mit der Stadt zu erzielen. Durch folgende Maßnahmen<br />
kann die Kommune zu einer weiteren Profilierung des Bildungsstandortes beitragen:<br />
• Schaffung eines weltoffenen Klimas, um ausländische Studierende und Wissenschaftler für die Stadt zu<br />
gewinnen.<br />
• Unterstützung bei der räumlichen und inhaltlichen Weiterentwicklung der Hochschulen sowie gemeinsame<br />
Aquise von hochschulnahen Forschungseinrichtungen, Instituten und Stiftungen.<br />
• Unterstützung beim Aufbau regionaler Netzwerke zwischen Hochschulen, Kommunen und regionaler<br />
Wirtschaft.<br />
Förderung von Möglichkeiten, die das experimentelle Lernen etwa im Bereich der Medien ermöglichen und<br />
Existenzgründungen befördern.<br />
4.8.6 Stärkung des Einkaufs- und Tourismusstandortes<br />
Der Einzelhandel und die Dienstleistungsbereiche Tourismus und Fremdenverkehr sind wichtige Standbeine<br />
des Wirtschaftsstandortes <strong>Erfurt</strong>, dessen Attraktivität maßgeblich durch die Altstadt als Imageträger und Anziehungspunkt<br />
bestimmt wird.<br />
Vor dem Hintergrund einer immer stärker werdenden Verknüpfung der Bereiche Einkaufen, Freizeitgestaltung<br />
und Tourismus ("Erlebniseinkauf"), ist die Fortsetzung der Bemühungen um eine gute Erreichbarkeit<br />
und attraktive Gestaltung der Innenstadt eine zentrale Aufgabe der zukünftigen Stadtentwicklungspolitik.<br />
Notwendig ist zudem die Absicherung und Weiterentwicklung überregional ausstrahlender kultureller Angebote<br />
und "Events".<br />
Einkaufsstadt <strong>Erfurt</strong><br />
Überregional ausstrahlende Einzelhandelseinrichtungen am Stadtrand - wie etwa das neue IKEA-<br />
Einrichtungshaus - und eine attraktive Innenstadt können wechselseitig voneinander profitieren. Die Ansiedlung<br />
überörtlich bedeutsamer Einzelhandelseinrichtungen sollte jedoch auf die Innenstadt konzentriert werden,<br />
um dieses Gleichgewicht zu erhalten. Aufgabe der Stadtentwicklung ist es, die Besucher der Einzelhandelsmagneten<br />
am Stadtrand durch attraktive Kultur- und Freizeitangebote auch in die Innenstadt zu locken.<br />
Eine Schlüsselrolle im räumlichen und funktionalen Gefüge der Innenstadt kommt den Standorten ehemalige<br />
Hauptpost und dem Gelände am Hirschgarten zu, für die stadtverträgliche Nutzungen gefunden werden<br />
müssen. Ein Impuls der Innenstadtentwicklung ist zudem die für 2007 vorgesehene Fertigstellung des ICE-<br />
Bahnhofes und die Entwicklung seines direkten Umfeldes .<br />
86
4. Zielkonzept der gesamtstädtischen Entwicklung<br />
Außerhalb der Innenstadt sind zukünftig deutliche Umstrukturierungen mit einer Aufgabe von Nebenlagen zu<br />
Gunsten einzelner Zentren zu erwarten. Notwendig ist die Überprüfung des derzeit gültigen Einzelhandelskonzeptes<br />
mit dem Ziel, eine nachhaltige Arbeitsteilung des Stadtzentrums, der Einzelhandelsstandorte mit<br />
nicht zentrumsrelevanten Sortimenten am Stadtrand, sowie der Nahversorgungseinrichtungen in den Stadtteilen<br />
auch in Zukunft zu ermöglichen. Innerhalb des Gefüges der Innenstadt ist eine Strategie zur weiteren<br />
Entwicklung der "1b-Lagen" erforderlich.<br />
Tourismus- und Tagungsstadt <strong>Erfurt</strong><br />
Der Bekanntheitsgrad des Reiseziels <strong>Erfurt</strong> konnte in den vergangenen Jahren insbesondere durch die Zusammenarbeit<br />
der Tourismus GmbH <strong>Erfurt</strong> in den Vereinen "Städtetourismus Thüringen e.V." und "Historic<br />
Highlights of Germany" sowie einer verstärkte Kooperation im Raum <strong>Erfurt</strong>-Weimar-Jena deutlich erhöht<br />
werden. Diese Aktivitäten müssen daher kontinuierlich fortgesetzt werden.<br />
Für den Tourismusstandort <strong>Erfurt</strong> wird es in Zukunft entscheidend sein, einerseits auf die Bedürfnisse der<br />
klassischen Zielgruppe "50+" sowie der Tagungsgäste einzugehen, zum anderen aber auch über differenzierte<br />
touristische Angebote weitere Gästegruppen anzusprechen. Ein Schritt auf diesem Weg sind die laufenden<br />
Aktivitäten zur Einrichtung eines "Reisemobilhafens".<br />
Beispielgebend sind die Bemühungen der Tourismus GmbH, "<strong>Erfurt</strong> erlebbar für alle" zu gestalten. Dazu<br />
wurde ein Reiseplaner gestaltet, der insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Eignung für Urlauber mit<br />
beschränkter Beweglichkeit Aussagen trifft. Zukünftig sollten öffentlich zugängliche Einrichtungen und die<br />
dazugehörige Infrastruktur im Rahmen der Möglichkeiten barrierefrei gestaltet werden.<br />
Ein besonderes Augenmerk ist auf die Zielgruppe Jugendgruppen und junge Individualreisende zu legen, die<br />
sowohl später als kaufkräftige Touristen, aber auch als Neubürger nach <strong>Erfurt</strong> zurück kommen können. So<br />
hat die Stadt durchaus das Potenzial, Reisestation internationaler Rucksacktouristen auf einer West-Ost-<br />
Route Heidelberg-Dresden oder Nord-Süd-Route München - Berlin zu sein. Das bestehende Übernachtungsangebot<br />
sollte durch ein ergänzendes, individuelles und kostengünstiges Angebot im Ambiente der Innenstadt<br />
ergänzt werden. Beispielgebend sind hier Hostels wie das Weimarer "Hababusch Hostel", die den<br />
Kontakt zwischen Menschen aus aller Welt befördern und in ein "backpacker-network" eingebunden sind.<br />
Ein weitere Anknüpfungspunkt der weiteren touristischen Entwicklung und Anziehungspunkt für amerikanische<br />
Touristen ist das reiche Erbe jüdischer Kultur in <strong>Erfurt</strong>.<br />
Notwendig ist es, weitere herausragende Stadträume touristisch besser nutzbar zu machen. Dies gilt insbesondere<br />
die für eine bessere Anbindung der Zitadelle Petersberg an die Altstadt. Darüber hinaus sind die<br />
Potentiale, die sich aus einer Verknüpfung von Kultur und Natur in Thüringen ergeben können, besser zu<br />
nutzen. Neben zielgerichteten Maßnahmen wie der Entwicklung <strong>Erfurt</strong>s zu einem Knotenpunkt des Radtourismus<br />
am Schnittpunkt der Fernradwege "Thüringer Städtekette" und "Gera-Radwanderweg" sollte die Zusammenarbeit<br />
mit einzelnen Regionen - beispielsweise dem Raum Hohenfelden, den Fahner Höhen, aber<br />
auch dem Wintersportzentrum Oberhof - verstärkt werden. Ein wichtiger Ansatzpunkte der Kooperation liegt<br />
dabei in der gemeinsamen Vermarktung von Potentialen im Bereich des Sports. Eine beispielgebende Allianz<br />
Thüringer Veranstaltungen ist der "Thüringer Energie Bike Cup", der Mountainbiker aus ganz Deutschland<br />
nach Neuhaus am Rennweg, Oberhof, Frauenwald und <strong>Erfurt</strong> nach Thüringen führt.<br />
4.8.7 Verknüpfung kultureller, wirtschaftlicher, wissenschaftlicher und touristischer<br />
Potentiale<br />
Die Bereiche Kindermedien, Gartenbau und Denkmalpflege sind in besonderer Weise geeignet, kulturelle,<br />
wirtschaftliche, wissenschaftliche und touristische Potentiale stärker miteinander zu verknüpfen. Über die<br />
folgenden Ausführungen hinaus sind Detailuntersuchungen zur weiteren Ausgestaltung der Handlungsansätze<br />
erforderlich.<br />
Kindermedien<br />
Aufbauend auf den Strukturen im Bereich der audiovisuellen Medien, die sich in <strong>Erfurt</strong> mit dem Kinderkanal<br />
KI.KA. und Mitteldeutschen Rundfunk Thüringen (mdr) und zukünftig mit dem Medienapplikations- und<br />
Gründerzentrum (MAGZ) herausgebildet haben, soll sich die Landeshauptstadt mittel- und langfristig zu einem<br />
Zentrum der Kindermedien des deutschsprachigen Raumes entwickeln. Neben dem Bereich des Kinderfernsehens<br />
sollte sich die Aufmerksamkeit auch auf angrenzende Bereiche wie Kinderbuch, Kindermusik,<br />
Hörspiele, Internet und Lernsoftware richten.<br />
Die übergeordneten Aktivitäten der Medienförderung wie die Medieninitiative Thüringen 21 (MIT 21) und Mitteldeutschen<br />
Medienförderung (MDM) müssen durch lokale und regionale Strategien untersetzt werden, um<br />
weitergehende wirtschaftliche Effekte erzielen zu können. Für <strong>Erfurt</strong> bedeutet dies, auf der Basis einer 2004<br />
87
<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />
erstellten Studie "Kinder.Medien@Thüringen - Strategien zur Standortprofilierung" konkrete Maßnahmen<br />
und Projekte vor Ort zu befördern.<br />
Ansatzpunkte des kommunalen Handelns liegen in der Unterstützung bei der Standortsuche und Gründung<br />
von Medienunternehmen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich ein räumlicher Konzentrationsprozess vollzieht:<br />
Unternehmen und Institutionen haben sich überwiegend in der Altstadt und im Südwesten der Stadt<br />
angesiedelt bzw. sind nach einer Gründungsphase hierher umgezogen.<br />
Ein weiterer zentraler Aufgabenbereich liegt in kulturellen Projekten, die die Entwicklung zur Medienstadt<br />
flankieren. Nachdem mit der Fertigstellung des Opernhauses im Brühl ein wichtiger Impuls gegeben wurde,<br />
soll durch eine Nutzung des benachbarten Industriedenkmals "Heizwerk" die weitere Stärkung einer Kulturund<br />
Medienachse Altstadt - Brühl/Petersberg - ega/MDR/Messe erzielt werden.<br />
Weitere Möglichkeiten für eine Kindermedienstadt liegen in der unkomplizierten Erteilung von Drehgenehmigungen<br />
für Filmaufnahmen in der Stadt. Zu prüfen ist, inwieweit Kooperationsbeziehungen zwischen Medienunternehmern<br />
und Kultureinrichtungen - etwa dem Kinder- und Jugendtheater, dem Puppentheater - gestärkt<br />
werden können. Eine besondere Bedeutung kommt der stärkeren Verbindung der <strong>Erfurt</strong>er Gartenbauausstellung<br />
und den benachbarten Sendern zu. Denkbar ist beispielsweise, die heute nur im Sommer nutzbaren<br />
Spielhalle zu einer Ganzjahresattraktion "KI.KA-Halle" zu erweitern.<br />
Aufgrund der zentralen Bedeutung für den Standort <strong>Erfurt</strong> sind das Kinderfilmfestival „Goldener Spatz“ und<br />
das Thüringer Mediensymposium, aber auch Veranstaltungen und Initiativen wie der Kinderkunst e.V., der<br />
<strong>Erfurt</strong>er Netcode oder die <strong>Erfurt</strong>er Kinderbuchtage in ihrem Bestand zu sichern und weiter zu entwickeln. In<br />
diese Richtungen zielen die derzeit laufenden Aktivitäten der Stadtverwaltung zur Etablierung eines Kindermedienevents.<br />
Im Rahmen der regionalen Kooperation ist es erforderlich - insbesondere in Verbindung mit den Standorten<br />
Weimar und Ilmenau - Standortpotentiale gemeinsam zu kommunizieren und konkrete Kooperationsprojekte<br />
zu befördern.<br />
Gartenbau<br />
Die Stadt <strong>Erfurt</strong> und die unmittelbare Umgebung haben eine lange Tradition als Standort des Gartenbaus.<br />
Die Vielfalt der zum Teil überregional einmaligen Einrichtungen reicht von Wissenschaft und Forschung bis<br />
hin zur Blumenschau. Als wichtigster Ort zur Direktvermarktung für Produkte des Gartenbaus ist der <strong>Erfurt</strong>er<br />
Wochenmarkt das Schaufenster der Region. Der Gartenbau kann sowohl als ein Imageträger der Region<br />
nach Außen, als auch zur Bildung eines regionalen Bewusstseins vor Ort genutzt werden. Es bestehen vielfältige<br />
Anknüpfungspunkte für Projekte zwischen Stadt und Umland. Mit dem Thüringer Gärtnersommer und<br />
den Thüringer Gärtnertagen sind zwei wichtige Veranstaltungen etabliert, die als Ausgangspunkt einer solchen<br />
Entwicklung dienen können. Dabei sollten Einrichtungen wie die ega und der Rosengarten in Bad Langensalza<br />
zielgerichtet gemeinsam vermarktet werden.<br />
Durch eine verstärkte Kooperation der Einrichtungen und Betriebe können Bekanntheitsgrad und Image der<br />
Region erhöht, zusätzliche Besucherpotentiale erschlossen und die Vermarktung der Produkte verbessert<br />
werden. Konkrete Maßnahmen können sein: Erstellung einer Broschüre/Karte zur Gartenbauregion <strong>Erfurt</strong><br />
und Entwicklung eines Leitsystems.<br />
Kurzfristig sind die Impulse der Bundesgartenschau 2007 in Gera durch kommunale und regionale Aktivitäten<br />
aufzugreifen: Unter Nutzung bestehender Fernradwege könnte eine Radroute "Thüringer Gärten - von<br />
der ega zur BUGA" entwickelt werden, die als Themenroute (auch über den Radtourismus hinaus) dauerhaft<br />
beworben werden kann.<br />
Bei der weiteren Entwicklung dieses Wirtschaftsbereiches ist - insbesondere im Bereich des Zierpflanzenbaus<br />
- eine stärkere Zusammenarbeit der Betriebe zur Reduzierung der Betriebskosten und Optimierung der<br />
Vertriebswege erforderlich. Notwendig ist zugleich aber auch eine stärkere Vermittlung zwischen den Freizeit-<br />
und Erholungsanforderungen einer Großstadt und den Erfordernissen der Landwirtschafts- und Forstbetriebe.<br />
Denkmalpflege<br />
In dem von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz ausgelobten Wettbewerb „Leben in historischen Innenstädten<br />
und Ortskernen - Zukunft für urbane Zentren und Räume. Erhaltende Stadterneuerung, städtebaulicher<br />
Denkmalschutz und Stadtgestaltung“ wurde <strong>Erfurt</strong> im Jahr 2002 eine Goldmedaille verliehen. Diese<br />
Auszeichnung ist ein Beleg für die hohe Bedeutung, die Stadterneuerung und Denkmalpflege in der Stadt<br />
haben.<br />
Die touristische Anziehungskraft, die Attraktivität als Einkaufsstadt und zunehmend auch als Filmkulisse beruht<br />
wesentlich auf dem historischen Baubestand und dem Umgang mit diesem. Veranstaltung wie die<br />
88
4. Zielkonzept der gesamtstädtischen Entwicklung<br />
Denkmalwoche (jährlich im September) erzielen eine hohe öffentliche Aufmerksamkeit. Bei der Erhaltung<br />
von Baudenkmalen spielen lokale und regionale Akteure - hier wiederum aus dem Raum Weimar - eine entscheidende<br />
Rolle: Architekten, Fachhandwerker, Restaurierungsfirmen, Immobilenunternehmen und nicht<br />
zuletzt Hochschulen und Institute.<br />
Der Bereich der Denkmalpflege ist daher in besonderer Weise geeignet, durch ein gemeinsames Auftreten<br />
im Sinne einer "Kompetenzregion Denkmalpflege" eine größere öffentliche Aufmerksamkeit zu erzielen und<br />
die regionale Wirtschaft zu stärken. Anzustreben ist dabei ein Erhalt des Thüringer Landesamtes für Denkmalpflege<br />
am Standort Petersberg als Nukleus einer solchen Entwicklung.<br />
4.8.8 Bekanntheitsgrad steigern - Perspektiven aufzeigen<br />
Der Bekanntheitsgrad der Stadt <strong>Erfurt</strong> konnte in den vergangenen Jahren deutlich gesteigert werden. Dennoch<br />
gilt <strong>Erfurt</strong> immer noch als Geheimtipp. Es ist daher notwendig, begonnene Aktivitäten im Bereich des<br />
Stadtmarketings auszuweiten. Dabei sollten Tourismusmarketing, Wirtschaftsförderung und Stadtentwicklung<br />
enger miteinander verzahnt und in regionale Strategien eingebunden werden.<br />
Hierzu ist es zum einen erforderlich, Großveranstaltungen mit einer breiten öffentlichen Wirkung wie den<br />
Weihnachtsmarkt, das Krämerbrückenfest oder das Hainleite-Radrennen auch zukünftig attraktiv zu gestalten.<br />
Auch hochwertige Kulturveranstaltungen und "Events", wie das Festival "Goldener Spatz", die Weltpremiere<br />
der Oper "Waiting for the barbarians" oder die Ausstellung "Exil und Moderne" lenken die Aufmerksamkeit<br />
auf die Stadt. Kongressveranstaltungen wie der Deutsche Juristentag 2007 tragen unmittelbar zur<br />
Steigerung des Bekanntheitsgrades bei.<br />
Von besonderer Bedeutung ist die Medienpräsenz durch Live-Übertragungen wie etwa „Wetten, dass?“ und<br />
die stärkere Verknüpfung des Produktionsortes <strong>Erfurt</strong> mit dem Programmangebot der hier vertretenen Sender<br />
Kika, MDR und ZDF.<br />
In direkter Verantwortung der Kommune liegt die Ansprache von Entscheidungsträgern und Multiplikatoren.<br />
Finanziell und organisatorisch auch zukünftig abzusichern sind insbesondere der <strong>Erfurt</strong>er Wirtschaftskongresses<br />
"erwicon" und die Einladung von Kongress- und Reiseveranstaltern durch die Tourismus GmbH.<br />
Dies gilt ebenfalls für die Präsenz auf nationalen und internationalen Messen. Hier sind sinnvolle regionale<br />
Allianzen wie die Präsentation der "Region <strong>Erfurt</strong>-Weimar-Jena" auf der Gewerbe-Immobilienmesse EXPO-<br />
REAL in München erforderlich.<br />
Auch der aktive Dialog mit Partnern aus und in aller Welt trägt unmittelbar zur Steigerung des Bekanntheitsgrades<br />
bei. Wesentliche Handlungsfelder sind dabei die Intensivierung der Städtepartnerschaften und die<br />
Schaffung eines weltoffenen Klimas in der Stadt. Zudem sollten Prominente und im Ausland lebende ehemalige<br />
<strong>Erfurt</strong>er in stärkerem Maße als Botschafter der Stadt gewonnen werden.<br />
Über die Bemühungen zur Verbesserung der Außenwahrnehmung hinaus ist es zudem notwendig, insbesondere<br />
junge Menschen über die Möglichkeiten und Perspektiven, die die Stadt und die Region bieten,<br />
besser zu informieren.<br />
89
<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />
4.9 Zielbereich „Sicherstellung einer hohen Lebensqualität“<br />
<strong>Erfurt</strong> bietet seinen Bewohnern als überschaubare Großstadt eine hohe Lebens- und Wohnqualität. Durch<br />
eine aktive Politik zur Sicherung und Weiterentwicklung eines guten Netzes an sozialen und kulturellen Einrichtungen<br />
und Angeboten für alle Bevölkerungsgruppen hat die Stadt <strong>Erfurt</strong> die Chance, sich im Wettbewerb<br />
um Einwohner eine gute Position zu verschaffen. Dabei stehen sich zwei Handlungsfelder gegenüber:<br />
Zum einen ist die Anpassung der vorhandenen Strukturen an eine veränderte Nachfrage aufgrund des absehbaren<br />
Einwohnerrückganges und der sinkenden Einwohnerzahl erforderlich. Zum anderen gilt es, attraktive<br />
Angebote vorzuhalten, um den Einwohnerverlust so weit wie möglich begrenzen zu können.<br />
4.9.1 Oberzentrum mit attraktiven Bildungs-, Kultur- und Sportangeboten<br />
Bildungs-, Kultur- und Freizeitangebote tragen wesentlich zur Attraktivität des Oberzentrums <strong>Erfurt</strong> bei. Mittelbar<br />
unterstützen sie den Wirtschaftsstandort einschließlich der umgebenden Region als wichtige "weiche"<br />
Standortfaktoren. Darüber hinaus sind vielfältige direkte wirtschaftliche Wechselwirkungen zur Entwicklung<br />
<strong>Erfurt</strong>s als Dienstleistungs- und Tourismusstadt feststellbar. Neben der Sicherung vielfältiger Angebotsstrukturen<br />
ist die Pflege von regional und überregional wahrnehmbaren Leuchttürmen eine wichtige Aufgabe der<br />
Stadtpolitik.<br />
<strong>Erfurt</strong> verfügt über ein gutes und differenziertes Bildungsangebot, in dem sich staatliche Schulen aller<br />
Schulformen und Bildungsstätten verschiedener freier Träger ergänzen. Ziel der weiteren Entwicklung der<br />
<strong>Erfurt</strong>er Bildungslandschaft ist die Gestaltung eines Schulnetzes, welches auch zukünftig alle Voraussetzungen<br />
für ein breit gefächertes Schulangebot von einer wohnortnahen Grundschulausbildung bis hin zur beruflichen<br />
Ausbildung in einem der <strong>Erfurt</strong>er Bildungszentren sichert. Weitere Angebote in freier Trägerschaft, wie<br />
z. B. die der Waldorfschule und die einer Internationalen Schule, sollen entsprechend dem Bedarf in der Region<br />
im Ballungsraum <strong>Erfurt</strong>-Weimar abgedeckt werden. Selbstverständlich unterstützt die Landeshauptstadt<br />
<strong>Erfurt</strong> freie Träger mit neuen Bildungsangeboten bei der Suche nach geeigneten Objekten im Stadtgebiet.<br />
<strong>Erfurt</strong> soll auch in Zukunft ein überregional bekanntes Zentrum des Sports sein. Für die kommunale Sportverwaltung<br />
bedeutet das im Besonderen, die Infrastruktur für die Leistungskader in hoher Qualität und in<br />
ausreichendem Maße zur Verfügung zu stellen. Weiterhin sind die Voraussetzungen dafür zu schaffen, <strong>Erfurt</strong><br />
als Austragungsort nationaler und internationaler Wettkämpfe weiter zu etablieren. Nachdem in den vergangenen<br />
Jahren große Investitionen realisiert werden konnten, sind hierzu noch punktuelle Investitionen in<br />
den Sportzentren Süd (Steigerwaldstadion) und Nord (Rieth) erforderlich.<br />
Die Bedeutung <strong>Erfurt</strong>s als kulturelles Zentrum ist weiter auszubauen. In Abstimmung mit den Nachbarstädten<br />
ist dabei zu prüfen, welche Anziehungspunkte gezielt gefördert werden sollten, um den Anforderungen<br />
eines Oberzentrums zu entsprechen und den Kultur- und Städtetourismus weiter zu befördern. Entscheidend<br />
für die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt sind insbesondere Maßnahmen, die die begonnene Entwicklung<br />
zu einem Messe-, Kongress- und Kommunikationszentrum weiterführen. Zu berücksichtigen ist ein angemessenes<br />
Gleichgewicht zwischen Angeboten der Hochkultur (zum Beispiel Oper) und der Breitenkultur<br />
(zum Beispiel Zoopark, Stadtbibliothek).<br />
4.9.2 <strong>Erfurt</strong> - tolerant und weltoffen<br />
Die Stadt <strong>Erfurt</strong> als Sozial- und Wirtschaftsraum lebt von der Vielfalt an Potentialen, die Menschen aus anderen<br />
Ländern und Kulturen in diese Stadt einbringen. Mit dem Anliegen <strong>Erfurt</strong>s, eine interkulturell lebendige<br />
und internationale Stadt sein, kann internationale Bekanntheit mit multikultureller Vielfalt verbunden werden.<br />
Aufgabe von Politik und Verwaltung ist es einerseits, diese Zielstellung in der Öffentlichkeit deutlich herauszustellen<br />
und andererseits auch die Möglichkeiten der Einbeziehung von Menschen mit Migrationshintergrund<br />
in Politik und Verwaltung weiter auszubauen.<br />
4.9.3 Sozialorientierte Stadtentwicklung<br />
Die künftige Entwicklung der Stadt <strong>Erfurt</strong> soll sich an den Leitlinien einer sozialorientierten Stadtentwicklung<br />
orientieren. Im Mittelpunkt einer solchen, auf die Bedürfnisse aller Altersgruppen und Gesellschaftsschichten<br />
ausgerichteten Politik stehen Verteilungsgerechtigkeit und sozialer Ausgleich sowie ein hohes Maß an Partizipation.<br />
Das Prinzip gender mainstreaming, dass heißt, die Einbindung der Chancengleichheit in sämtliche<br />
90
4. Zielkonzept der gesamtstädtischen Entwicklung<br />
politische Konzepte und Maßnahmen der Gemeinschaft, nimmt in der Politik der <strong>Erfurt</strong>er Stadtentwicklung<br />
als Leitgedanke einen zentralen Stellenwert ein.<br />
Bedarfsgerechte Sozial- und Gesundheitssysteme 37<br />
Die Stadt <strong>Erfurt</strong> wird sich in der weiteren Entwicklung der Gesundheitsstruktur und anderer Hilfeangebote an<br />
den demographischen Entwicklungen orientieren und diese berücksichtigen müssen. Dazu sind die Träger<br />
sozialer Arbeits- und Gesundheitseinrichtungen in die Planungsprozesse einzubeziehen. Als wichtige<br />
Schwerpunkte dabei werden Gesundheitsprävention, die bedürfnisgerechte Betreuung Älterer und Hochbetagter<br />
und die Anpassung der Hilfen und Angebote für chronisch Kranke gesehen.<br />
Eine effektivere Struktur der Kommunikation und funktionierende Netzwerke, in die sowohl die Träger sozialer<br />
Arbeit als auch die Kommune eingebunden sind, sollen zu einer Verbesserung der Angebote im Bereich<br />
der sozialen Arbeit beitragen.<br />
Anpassung der Sozialen Hilfssysteme<br />
Vor dem Hintergrund demographischer Entwicklungen und dem damit verbundenen Wandel in der Gesellschaft<br />
sind die sozialen Hilfesysteme anzupassen, in dem vorhandene Netzwerke und Strukturen genutzt<br />
und gefördert werden. Auf der Basis, den Stadtteil als Lebensraum zu begreifen, muss die Stadt ihr Hilfesystem<br />
sozialraumorientiert (dass heißt auf einen Stadtteil oder Planungsraum bezogen) entwickeln, ohne spezielle<br />
Zielgruppen aus dem Blick zu verlieren.<br />
Eine Budgetierung der Finanzen für Hilfsangebote in den Stadtteilen soll zur Erhöhung der problem- und bedarfsbezogenen<br />
Lösungsmöglichkeiten beitragen. Damit entsteht eine höhere Transparenz sowohl bezüglich<br />
des Hilfesystems als auch der anderen finanziellen Aufwendungen der Kommune für einen bestimmten Bereich<br />
unter stärkerer Förderung der Bürger- und Trägerbeteiligung. Gleichzeitig wird der präventive Ansatz<br />
der Hilfen ausgebaut. Die Grundsicherung in den sozialen Angeboten bleibt dabei Aufgabe der Stadt.<br />
Stärkung der Stadtteile durch kulturelle Angebote<br />
Kulturelle Vielfalt über das Stadtzentrum hinaus in die Stadtteile zu bringen und damit die Lebensqualität zu<br />
erhöhen, ist ein langfristiges Ziel der Stadtentwicklung. Notwendig ist daher ein angemessener Ausgleich<br />
zwischen den Erfordernissen einer notwendigen Profilbildung der Stadt durch überregional ausstrahlende<br />
Kultur- und Freizeitangebote und den Erfordernissen der Stadtteilkultur.<br />
Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, müssen auch neue Formen der Zusammenarbeit zwischen der<br />
Kommune und freien Trägern, Vereinen und ehrenamtlich Tätigen in die Überlegungen einbezogen werden.<br />
Beispielgebend sind hier Angebote, die im Bereich der Programmgebiete "URBAN" und "Soziale Stadt" geschaffen<br />
werden konnten. Wichtig ist dabei, bürgerschaftlichem Engagement als Identität stiftendes Element<br />
ein Podium zu bieten, verwaltungsseitig offen zu sein für neue Initiativen, die den Stadtteil befördern, und<br />
vorhandene städtische Einrichtungen wie Schulen und Kindertagesstätten für die Nutzung durch die Bürger<br />
vor Ort zur Verfügung zustellen.<br />
Im Rahmen des Stadtmonitorings müssen auch für den Kultur- und Freizeitbereich jene Anforderungen analysiert<br />
werden, die sich aus den gegenwärtigen sozialen, ökonomischen Umstrukturierungen ergeben, und<br />
die durch Veränderungen der Bevölkerungsstruktur in den Stadtquartieren und vor allem auch der Altersstruktur<br />
generell zu erkennen sind.<br />
Ein breites Sportangebot für alle Bevölkerungsschichten<br />
Hinsichtlich eine möglichst breiten Angebotspalette aber auch der optimalen Ausnutzung der vorhandenen<br />
Sportstätten müssen kommunale Sportangebote und die sich weiter entwickelnden Angebote privater Sportanbieter<br />
aufeinander abgestimmt werden. So sollen zum Beispiel Sportanlagen breiter öffentlich genutzt und<br />
damit einer größeren Bevölkerungsgruppe unter dem Gesichtspunkt eines "familienfreundlichen Sportplatzes"<br />
zugänglich gemacht werden können.<br />
Die Förderung durch die kommunale Sportverwaltung wird im wesentlichen auf solche Angebote orientieren,<br />
die ohne öffentliches Engagement nicht möglich sind und die Teilnahme vieler Bürger sichern. Fun- und<br />
Trendsportarten können vorrangig im privatem Sportmarkt Ausgestaltungsmöglichkeiten finden.<br />
Hinsichtlich der sportlichen Angebote der Vereine, nach Möglichkeit auch der anderen sportlichen Anbieter,<br />
muss darauf orientiert werden, dass alle Altersgruppen ausreichend versorgt werden. Dabei müssen Integrationsmöglichkeiten<br />
für Kinder, Jugendliche und Senioren vorhanden sein, die neben Sport- und Spiel auch<br />
andere Nutzungen und Kommunikationsmöglichkeiten zwischen den Generationen zulassen. Dazu können<br />
37 vgl. Landeshauptstadt <strong>Erfurt</strong>, Stadtverwaltung, Stadtentwicklungsamt (Hg.): Sozialorientierte Stadtentwicklung - Tagungsband zur<br />
Workshopreihe "Kommunale Neuorientierung der sozialen Stadtentwicklung", Juli 2004<br />
91
<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />
auch im Rahmen der Ganztagsschulenentwicklung im Stadtgebiet mögliche erweiterte Formen der Zusammenarbeit<br />
zwischen Schule und Sportverein genutzt werden.<br />
4.9.4 Kinder- und familienfreundliche Stadt<br />
Die Stadt <strong>Erfurt</strong> hat sich zum Ziel gesetzt, sich zu einer kinder- und familienfreundlichen Kommune weiterzuentwickeln.<br />
„Familienfreundlichkeit wird angesichts der demographischen Entwicklung zu einem harten Wirtschaftsfaktor.<br />
Städte und Regionen, in denen Familien gut leben und arbeiten können, sind für die Zukunft<br />
ökonomisch besser gewappnet. Denn ohne junge Familien gibt es keinen Fachkräftenachwuchs, keine neuen<br />
Unternehmen und keine Innovationen.“ 38<br />
Umgekehrt wird die Familienfreundlichkeit einer Stadt oder Region entscheidend durch die wirtschaftlichen<br />
Perspektiven bestimmt. Die Stärkung des Wirtschaftsstandorts <strong>Erfurt</strong> (vgl.Kap. 4.8) ist daher ein wesentliches<br />
Element einer familienfreundlichen Stadt <strong>Erfurt</strong>. Darüber hinaus kann die Kommune durch ein Bündel<br />
von Maßnahmen dazu beitragen, jungen Menschen die Entscheidung für Kinder zu erleichtern sowie Familien<br />
und Personen in der Phase der Familiengründung an die Stadt zu binden.<br />
Dazu muss das derzeit gute Netz an familiengerechten Angeboten gesichert und entsprechend der demographischen<br />
Entwicklung bedarfsgerecht weiter entwickelt werden. Der Bildungs- und Ausbildungsbereich<br />
benötigt dabei erhöhte Aufmerksamkeit und muss in Zukunft neue Perspektiven für Kinder und Jugendliche<br />
bieten.<br />
Das vergleichsweise gute Angebot an Kindertagesstätten und Betreuungsangeboten ist zu erhalten, um die<br />
Vereinbarkeit von Familie und Beruf auch zukünftig zu gewährleisten. Das Platzangebot ist besonders für<br />
Kleinkinder flexibel und bedarfsgerecht weiterzuentwickeln. Die Vielfalt von Angeboten für Jugendliche - bestehend<br />
aus Jugendhäusern und Jugendclubs wie auch Vereinen oder Beratungsstellen - ist in großen Teilen<br />
nicht in ihrem Bestand gesichert. Notwendig ist ein Konzept, mit dem eine verlässliche langfristige Planungsgrundlage<br />
Basis für einen angemessenen Kern von Angeboten geschaffen wird.<br />
Ganz entscheidend ist zudem ein attraktives Angebot an familiengerechten Wohnraum zu angemessenen<br />
Preisen auf dem Mietwohnungsmarkt. Ein wichtiger Schlüssel zur Stabilisierung der Einwohnerentwicklung<br />
ist die Unterstützung der Eigentumsbildung junger Familien. Dabei sind Modelle zu entwickeln, die die Eigentumsbildung<br />
im Bereich des gründerzeitlichen Wohnungsbestandes fördern - beispielsweise durch koordinierte<br />
Beratungsangebote zu Erwerb, Sanierung und Bildung von gemeinschaftlichem Wohneigentum. Ein<br />
besonderes Potential liegt in der Nachnutzung von Stadtumbauflächen für eine Neubebauung in Form verdichteter<br />
Einfamilienhausbebauung.<br />
Auch in der räumlichen Umgestaltung der Stadt verlangen die Belange von Kindern und Jugendlichen bzw.<br />
Familien Berücksichtigung. Die Bevölkerung, insbesondere Familien sowie Kinder und Jugendliche, müssen<br />
in die Planung und Durchführung von Stadtumbaumaßnahmen verstärkt einbezogen werden. Im Rahmen<br />
des Stadtumbaus ist der Schaffung von öffentlichen Begegnungsräumen und altersgruppengerechten Spielplätzen<br />
besondere Bedeutung beizumessen.<br />
4.9.5 Standorte Sozialer Infrastruktur<br />
Ziel der Stadt ist es, für alle Bevölkerungsgruppen eine wohnungsnahe und bedarfsgerechte soziale Versorgung<br />
abzusichern. Der Begriff der "Wohnungsnähe" ist dabei abhängig von der Art der Einrichtung und dem<br />
Mobilitätsgrad der Nutzergruppe unterschiedlich zu definieren.<br />
Die konkrete Standortplanung vollzieht sich auf der Grundlage der Fachplanungen, die überwiegend kurz-<br />
bis mittelfristigen Charakter haben. Aufgabe der Stadtentwicklungsplanung ist es daher, basierend auf den<br />
Prognosen zur Bevölkerungsentwicklung bis 2020, Szenarien zu künftigen Bedarfen zu erarbeiten, um Möglichkeiten<br />
und Grenzen einer wohnungsnahen und bedarfsgerechten Versorgung aufzeigen zu können. Dabei<br />
gilt es zu berücksichtigen, dass insbesondere im Bereich der Kindertagesstätten und Schulen eine immer<br />
stärkere Orientierung auf Einrichtungen mit einem bestimmten Image oder besonderen Profil erfolgt.<br />
Auf der Basis der nachfolgenden skizzierten Kriterien und Grundsätze sind daher weitergehende Detailuntersuchungen<br />
erforderlich:<br />
38 "Familienatlas 2005: Familienfreundlichkeit ist der Standortfaktor der Zukunft", In: Prognos trendletter, 1/2005, S. 5<br />
92
4. Zielkonzept der gesamtstädtischen Entwicklung<br />
Erreichbarkeit gewährleisten<br />
In der nachfolgenden Abbildung sind die für <strong>Erfurt</strong> und seinen zentralörtlichen Einzugsbereich bedeutenden<br />
Gemeinbedarfseinrichtungen sowie deren Lage zu den Stadtbahntrassen und den Zentren dargestellt. Hier<br />
wird die derzeitige Konzentration derartiger Einrichtungen in der Innenstadt der Stadt und in den Entwicklungsachsen<br />
deutlich.<br />
Abb. 28 - Zentralörtliche Einrichtungen und wichtige Einrichtungen des Gemeinbedarfes<br />
Abb. 27 - Zentralörtliche Einrichtungen und wichtige Einrichtungen des Gemeinbedarfes<br />
Sofern nicht die unmittelbare Wohnortnähe als für das räumliche Konzept entscheidendes Kriterium Vorrang<br />
hat, sollen Gemeinbedarfseinrichtungen auch zukünftig vorrangig auf die Entwicklungsachsen und das<br />
Stadtzentrum konzentriert werden. Außerhalb dieser Achsen sind zwischen den Stadt- und Ortsteilen sichere<br />
Radwegeverbindungen und ergänzenden Mobilitätsangebote zu schaffen, um eine gute Erreichbarkeit der<br />
Einrichtungen zu gewährleisten. Weiterhin ist zu prüfen, wo durch gemeindeübergreifende Kooperationen<br />
einen angemessene Versorgung und Erreichbarkeit gewährleistet werden kann.<br />
93
<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />
Darüber hinaus ist die barrierefreie Nutzung der öffentlichen und privaten Infrastruktur ein weiteres wichtiges<br />
Kriterium zur Verbesserung der Erreichbarkeit. Die Grundsätze einer barrierefreien Stadtgestaltung 39 sind<br />
bei der zukünftigen Weiterentwicklung der sozialen Infrastruktur konsequent zu berücksichtigen.<br />
Tageseinrichtungen für Kinder<br />
Auf der Grundlage der Bevölkerungsprognose der Landeshauptstadt <strong>Erfurt</strong> bis zum Jahr 2020 ist absehbar,<br />
dass bei einem verstärkten Rückgang der Bevölkerung auch die Kinderzahlen sinken werden und damit weitere<br />
Kapazitäten freigesetzt werden. Es sind somit auch zukünftig ausreichende räumliche Kapazitäten vorhanden,<br />
um entsprechend der vorliegenden gesetzlichen Anforderungen jedem Kind im Alter von zwei Jahren<br />
bis zum Schuleintritt einen Platz in einer Tageseinrichtungen für Kinder bereitstellen zu können. Ebenso<br />
werden auch weiterhin Plätze für Kinder unter zwei Jahren bereitgestellt.<br />
Die Standorte für Tageseinrichtungen für Kinder sollen möglichst wohnortnah angeboten werden. Der Gesetzgeber<br />
sieht jedoch gleichzeitig vor, dass vor allen Dingen das Wunsch- und Wahlrecht der Eltern (z. B.<br />
Wahl des pädagogischen Konzepts oder Arbeitsplatznähe) Berücksichtigung findet. Die Fortsetzung der bisherigen<br />
investiven Maßnahmen in Tageseinrichtungen sowie der konzeptionellen Schwerpunktsetzungen<br />
können die wohnortnahe Nachfrage unterstützten. Angesichts der vielfach auftreten zyklischen Nachfragespitzen<br />
kann jedoch aus stadtökonomischen Gründen nicht immer eine nachgefragte Wohnortnähe tatsächlich<br />
gewährleistet werden.<br />
Grund- und Regelschulen, Gymnasien und Gesamtschulen<br />
Grundlage für die Unterhaltung von Schulen bildet der vom Stadtrat bestätigte Schulentwicklungsplan<br />
(Schulnetzplan). Durch den starken Rückgang der Geburtenzahlen ab dem Jahr 1991 nehmen die Schülerzahlen<br />
rapide ab und die Auflösung weiterer Schulen bzw. Schulteile war zwingend notwendig. Das vom<br />
Stadtrat zu bestätigende Schulnetz betrachtet daher Änderungen von Schulstandorten aller Schulformen, die<br />
dann einer anderen Bildungseinrichtung zugeordnet oder möglichen anderen Nutzungen zugeführt werden<br />
können. Die Entscheidung über Erhaltung oder Schließung von Schulstandorten muss unter Berücksichtigung<br />
des räumlichen Grundkonzeptes der Stadt erfolgen. Wesentliche Entscheidungskriterien sind gleichzeitig<br />
unter anderem die Anzahl der Schüler im Einzugsbereich, das pädagogische Konzept sowie die notwendigen<br />
Erhaltungsaufwendungen.<br />
Bei der Erstellung des Schulnetzes hat insbesondere für die jüngeren Klassen-Jahrgänge die "wohnortnahe<br />
Schule" größte Bedeutung. Bei der Einordnung des Schulnetzes sind dabei die gemeinsamen Empfehlungen<br />
der kommunalen Spitzenverbände und des Thüringer Kultusministeriums zur Schulnetzplanung zu beachten,<br />
in denen auf Klassengrößen, maximale Schulwegslängen und Mindestschülerzahlen je Schulart orientiert<br />
wird. Ziel ist ein tragbares städtisches Angebot vorzuhalten, welches von allen Stadt- und Ortschaftssteilen<br />
her fußläufig oder über den Nahverkehr erreicht werden kann.<br />
Im Wesentlichen muss sich die zukünftige <strong>Erfurt</strong>er Schulnetzplanung an den Prognosen für die Bevölkerungsentwicklung<br />
und den damit verbundenen rückläufigen Schülerzahlen orientieren. Allerdings können<br />
auch andere Einflussfaktoren, wie Besonderheiten im Schulprofil und dessen Nachfrage oder alternative<br />
Schulformen, Entscheidungskriterium sein. Neben den rein quantitative Standortfragen können auch folgende<br />
Aspekte ergänzend Einfluss in die Planung finden:<br />
• Prüfung und ggf. Nutzung der neuen Möglichkeiten zur Gestaltung des Schulnetzes und des Bestandserhaltes<br />
eines Schulstandortes durch klassen-, fächer- und klassenstufenübergreifenden Unterricht 40<br />
• Verbindung der Bildungsfunktion des Schulstandortes mit anderen öffentlichen bzw. kulturellen Funktionen,<br />
z. B. gesellschaftliche Zentren als kulturelle Kristallisationspunkte, Fokussierungspunkte für Bürger<br />
(analog URBAN und Soziale Stadt)<br />
Berufsbildende Schulen<br />
Die Landeshauptstadt <strong>Erfurt</strong> unterhält momentan sieben berufsbildende Schulen bzw. Berufsschulzentren, in<br />
die teilweise noch Fachoberschulen und berufliche Gymnasien integriert sind und deren Angebot von Informations-<br />
und Kommunikationstechnik über Handel, Wirtschaft und Verwaltung, Metall- und Kraftfahrzeugtechnik<br />
bis hin zur Ernährung, Hauswirtschaft sowie Körperpflege und Agrarwirtschaft reicht. Durch zahlreiche<br />
Um- und Ausbauten an fast allen Staatlichen Berufsbildenden Schulen wurden die Sanierungsstände<br />
stark angehoben. Auch der Ausstattungsgrad, den die rasante Entwicklung von Industrie und Wirtschaft<br />
durch sich zahlreich entwickelnde neue Berufsfelder und -inhalte fordert und an denen sich die berufliche<br />
Ausbildung orientieren muss, wurde deutlich verbessert.<br />
39 Stadtratsbeschluss Nr.068/2002 Konzept "Barrierefreies <strong>Erfurt</strong>"<br />
40 Vierte Veränderung der Thüringer Schulordnung § 45 Absatz 3 Satz 1<br />
94
4. Zielkonzept der gesamtstädtischen Entwicklung<br />
Dieses breite Angebot einer beruflichen Ausbildung soll trotz der derzeit sinkenden Schülerzahlen auch zukünftig<br />
in diesem Umfang erhalten werden. Auch wenn die Schülerzahlen bis etwa 2016 noch weiter leicht<br />
abnehmen werden, bleibt die Sicherung der Qualität der Ausbildung entsprechend der von der Wirtschaft<br />
und Industrie geforderten Ausbildungsnormativen das Hauptziel bei der Gestaltung des Berufsschulnetzes.<br />
Dabei sollen sich zukünftig staatliche Angebote und die der in <strong>Erfurt</strong> ansässigen freien Bildungsträger noch<br />
wirkungsvoller ergänzen.<br />
Förderschulen, besondere Bildungseinrichtungen und Internate<br />
Für Schüler mit Behinderungen und sonderpädagogischem Förderbedarf stehen in <strong>Erfurt</strong> regional drei Förderzentren<br />
und ein überregionales Förderzentrum zur Verfügung. Entsprechend dem Förderschulgesetz des<br />
Landes Thüringen (ThürFSG) aus dem Jahr 2003 werden derzeit Förderschulen als überregionale und regionale<br />
Förderzentren definiert, die ein oder mehrere Förderschwerpunkte zum Inhalt haben bzw. haben können.<br />
Nach Abschluss der Umwandlung der in <strong>Erfurt</strong> befindlichen Förderschulen in Förderzentren, die planmäßig<br />
im Jahr <strong>2006</strong> realisiert sein soll, werden diese langfristig den sonderpädagogischen Förderbedarf der<br />
Stadt absichern und die schulische Ausbildung von Kindern und Jugendlichen mit körperlichen und geistigen<br />
Beeinträchtigungen sichern.<br />
Besondere Bildungseinrichtungen sind das kommunale Technikerzentrum Süd, das der Absicherung des<br />
Unterrichtes in den Bereichen Wirtschaft und Technik sowie der informationstechnischen Grundbildung<br />
dient, der Zentrale Schulgarten, welcher der Staatlichen Berufsbildenden Schule 5 zur Verfügung steht, sowie<br />
die Musikschule, die Schülerakademie und die Volkshochschule. Diese Einrichtungen, die die schulische<br />
Grundversorgung mit besonderen Angeboten unterstützen, sollen langfristig ebenso erhalten werden wie die<br />
verschiedenen zugeordneten Internate bzw. Wohnheime, die für Schüler und Auszubildende in <strong>Erfurt</strong> zur<br />
Verfügung stehen.<br />
Hoch- und Fachhochschulen<br />
Die räumliche Entwicklung der <strong>Erfurt</strong>er Hochschulen konzentriert sich auf die zentralen Standorte Nordhäuser<br />
Straße (Uni) und Altonaer Straße (FH). Nur die katholisch-theologische Fakultät (Domstraße), das Max-<br />
Weber-Kolleg (Am Hügel) sowie das Studentenzentrum "Engelsburg" und das Gästehaus der Uni (Michaelisstraße)<br />
sind in der Altstadt ansässig. Ziel der künftigen Stadtentwicklung ist es, die zentralen Standorte der<br />
Hochschulen stärker mit den umgebenden Stadtteilen zu verzahnen und den Wiederaufbau der Alten Universität<br />
in der Michaelisstraße als Identität stiftender Ort der Hochschulstadt <strong>Erfurt</strong> zu vollenden.<br />
Sport<br />
Vordringliche Maßnahmen zur Sicherung der Sportinfrastruktur sind die Bestandserhaltung und planmäßige<br />
Sanierung der bestehenden Sportstätten mit punktueller Erweiterung. Dabei ist nach Möglichkeit auf eine<br />
Mehrfachnutzung für Schul- und Vereinssport und dort, wo möglich, auch auf den Hochleistungssport zu orientieren.<br />
Gegebenfalls sind entsprechende Flächen vorzuhalten. Die planmäßige Nutzungssicherung und<br />
die langfristige Bestandshaltung der Schulsporthallen sind deshalb wichtiger Bestandteil für wohnortnahen<br />
Sportbetrieb. Mit dem Neu- bzw. Ersatzneubau der im Jahr 2005 übergebenen Schulsporthallen an der<br />
SBBS 7 und am Gutenberggymnasium sind solche Investitionen richtungweisend. Darüber hinaus sollte<br />
darauf orientiert werden, Standorte kommunaler und kommerzieller Angebote räumlich miteinander zu vernetzen.<br />
Wichtige Anknüpfungspunkte bilden dabei das Sportzentrum Süd und die am zu sanierendem Nordbad<br />
beginnende und konsequent weiter zu entwickelnde Sportachse Nord.<br />
Kultur<br />
Vordringlich ist ein Sicherungskonzept für die vorhandenen kulturellen Einrichtungen, gegebenenfalls auch<br />
verbunden mit räumlichen Veränderungen. Dies gilt unter anderem für das Angermuseum und die bisher<br />
nicht öffentlich zugängliche Alte Synagoge. Adäquate Nutzungen sind insbesondere für das ehemalige<br />
Schauspielhaus (Klostergang) und das Heizhaus (Brühl) zu finden. Anzustreben ist eine stärkere Einbeziehung<br />
der Barfüßerruine in das Kulturkonzept der Stadt.<br />
Einrichtungen für Kinder und Jugendliche<br />
In Folge der sinkenden Geburtenzahlen ist sind auch weiterhin rückläufige Zahlen an Kindern und Jugendlichen<br />
zu erwarten. Die Sicherung eines qualitativ und quantitativ bedarfsgerechten Angebotes wird durch<br />
ständig fortschreibende Entwicklungskonzeptionen gewährleistet. Auf der Basis von Bestandserhebungen<br />
und Bedarfseinschätzungen müssen auch zukünftig entsprechende Maßnahmen für Kinder und Jugendliche<br />
mit sowohl stadtweiter als auch stadtteilbezogener Ausstrahlung angeboten werden.<br />
Einrichtungen für Senioren<br />
Die derzeitigen Platzkapazitäten in Senioren- und Pflegeheimen reichen voraussichtlich bis zum Jahre 2010<br />
aus. Darüber hinaus ist eine steigende Nachfrage nach seniorengerechten Wohnangeboten zu erwarten, die<br />
durch bauliche Maßnahmen, bedarfsgerechte Betreuungs- und Unterstützungsangebote sowie die Nutzung<br />
95
<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />
moderner Telekommunikation eine möglichst lange Selbstständigkeit der Senioren ermöglichen. Derzeit favorisieren<br />
<strong>Erfurt</strong>er Wohnungsbaugesellschaften, Genossenschaften und Immobiliengesellschaften verschiedene<br />
Modelle, die sich zwischen den extremen Polen von reinen "Seniorenwohnhäusern" und einer weitestgehenden<br />
Integration von Seniorenwohnungen bewegen. Unklar ist auch, in welchem Maße sich <strong>Erfurt</strong>er<br />
Senioren zu Wohngemeinschaften zusammen finden und entsprechenden Wohnraum nachfragen werden.<br />
Es wird daher zu beobachten sein, welche Modelle tatsächlich nachgefragt werden und welche Handlungserfordernisse<br />
hieraus abzuleiten sind.<br />
Einrichtungen für behinderte Menschen<br />
Zu den Gemeinbedarfseinrichtungen, die für behinderte Menschen angeboten werden, gehören u. a.:<br />
− geschütztes Wohnen in Heimen<br />
− betreutes Wohnen in Wohngemeinschaften<br />
− Arbeit in einer Werkstatt für Behinderte (WfB)<br />
− integrative Einrichtungen zur Frühförderung<br />
− integrative Tageseinrichtungen für Kinder<br />
− ambulante Frühförderung.<br />
Die Wohnform "behindertengerechtes Wohnen" muss verstärkt entwickelt werden, da hier ein Bedarf besteht,<br />
der derzeit nicht abgedeckt werden kann. Es ist auf behindertengerechte Erschließung öffentlicher<br />
Einrichtungen hinzuwirken. Dazu gehören u. a. behindertengerechte Parkplätze, niederflurgerechte Haltestellen<br />
und Verkehrsmittel.<br />
Gesundheitswesen<br />
Mit dem Helios-Klinikum als Krankenhaus der Maximalversorgung im Norden der Stadt sowie dem Katholischen<br />
Krankenhaus St. Johann Nepomuk (KKH) im Süden ist das Gesundheitswesen der Stadt <strong>Erfurt</strong> auf<br />
eine zukunftsfähige Basis gestellt worden. Damit ist die Bevölkerung der Stadt <strong>Erfurt</strong> gleichmäßig versorgt<br />
und eine sehr gute Erreichbarkeit gewährleistet.<br />
96
5<br />
RESÜMEE<br />
5. Resümee<br />
97
<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />
98
5. Resümee<br />
Demographischer Wandel und knappe Haushaltskassen sind die neuen Herausforderungen für die Stadtentwicklung,<br />
die sich auf fast alle Bereiche des städtischen Lebens auswirken. Verschärft wird die Situation<br />
durch die aufgrund der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung gesunkene Nachfrage nach Immobilien,<br />
Waren und Dienstleistungen. Unter dem Oberziel einer nachhaltigen Entwicklung müssen neue<br />
Wege gefunden werden, die diesen Anforderungen gerecht werden. Dabei ist das Zusammenwirken aller<br />
Akteure, sowohl innerhalb der Stadtverwaltung als auch der gesamten Bürgerschaft, unabdingbar.<br />
Wesentliche Zielstellungen der Stadtentwicklung<br />
In den vorangegangenen Kapiteln wurden für die einzelnen Funktionen der Stadt die derzeitige Situation analysiert,<br />
Entwicklungsprognosen aufgestellt und Strategien für die weitere Entwicklung erarbeitet.<br />
In der Gesamtschau ist festzuhalten, dass eine starke Wirtschaft die Grundlage einer jeden Gesellschaft und<br />
damit auch des Gemeinwesens Stadt ist. Eine wesentliche Aufgabe der Stadtpolitik ist demnach eine erfolgreiche<br />
Wirtschaftsförderung. Diese umfasst neben der Unterstützung der einheimischen Wirtschaft und der<br />
Ansiedlung neuer Unternehmen auch die Stärkung des Wirtschaftsraumes Mittelthüringen, da in Zeiten der<br />
Globalisierung nur starke Regionen in Zukunft bestehen können.<br />
Die Herausforderungen an die räumliche Entwicklung bestehen in der Nutzung der Chancen, die sich aus<br />
dem notwendigen Stadtumbau ergeben. Die zukünftige Stadtstruktur soll einerseits durch ein umfassendes<br />
Grün- und Freiraumkonzept an Aufenthaltsqualität gewinnen und andererseits so kompakt bleiben, dass die<br />
Kosten der Infrastruktur nicht auf ein unerträgliches Maß steigen. Das Angebot an Wohnungs- und Gewerbeflächen<br />
soll der Nachfrage einschließlich notwendiger Reserven entsprechen.<br />
Die sozialen Aspekte der Stadtentwicklung spielen ebenfalls eine wichtige Rolle. Ziel ist hier die Sicherstellung<br />
einer hohen Lebensqualität für alle Bevölkerungsgruppen. Soziale Segregation vermeiden bzw. überwinden,<br />
ist dabei eine häufig genannte Zielstellung der Stadtentwicklung. Es ist jedoch davon auszugehen,<br />
dass dies ein Wunschdenken bleibt. Einerseits wählen sich Bürger, die über die entsprechende Mittel verfügen,<br />
ihr Wohnumfeld selbst aus und andererseits konzentrieren sich die Bürger mit schlechtem finanziellen<br />
Hintergrund in Gebieten, wo das Wohnen für sie bezahlbar ist. Eine aufgezwungene soziale Mischung ist<br />
rechtlich kaum durchsetzbar und würde sich auch auf Dauer nicht halten. Der Umgang damit ist ein entscheidendes<br />
Kriterium der zukünftigen Stadtentwicklungspolitik. Es müssen Gebiete für alle sozialen Schichten<br />
vorgehalten werden.<br />
Wege zur Erreichung der Ziele<br />
Die Stadtentwicklung der nächsten Jahre und wahrscheinlich Jahrzehnte verlangt langfristig abgestimmte<br />
Zielvorgaben und Entwicklungsschwerpunkte, die durch kleine Schritte, die sich letztendlich zum Gesamtsystem<br />
zusammensetzen, erreicht werden.<br />
Die Realisierung von Vorhaben, die mangels Finanzierungsmöglichkeiten nicht unmittelbar umgesetzt werden<br />
können, darf nicht durch gegenläufige Entscheidungen gefährdet werden.<br />
Für die Entwicklung der Bauflächen darf nicht die schnelle Entscheidung für eine neue Nutzung an einer<br />
Stelle, wo eine bisherige weg gebrochen ist, der Maßstab allen Handelns sein. Vielmehr sollte die Abwägung<br />
der Nachhaltigkeit Grundlage von Entscheidungen sein. Dies betrifft insbesondere die Notwendigkeit, langfristige<br />
Beständigkeit und Ausführungs- und Folgekosten einer jeden Maßnahme. Bei sinkender Nachfrage<br />
muss nicht jede Baulücke geschlossen, jeder Hof überbaut und jedes Dachgeschoss ausgebaut werden.<br />
Augenmaß und das Wissen um Nutzungsprobleme müssen hier das Handeln aller Akteure bestimmen.<br />
Brachflächen sind nicht unbedingt ein Mangel für die Stadt. Sie stellen genauso gut Potentiale für eine zukünftige,<br />
heute noch nicht absehbare Entwicklung dar. Durch temporäre Nutzungen kann eine Ausgleich der<br />
Defizite im Stadtbild geschaffen werden.<br />
Bei Entscheidung für Investitionsmaßnahmen sind nicht nur die reinen Investitionskosten zu betrachten,<br />
sondern auch der laufende Unterhaltsaufwand im Bezug auf die Bevölkerungsentwicklung ins Kalkül zu ziehen.<br />
Gerade der Einsatz von Fördermitteln, die letztendlich auch Steuergelder sind, verlangt eine sorgfältige<br />
Prüfung der Vorhaben. Da in Zukunft immer weniger Menschen immer höhere Kosten zur Aufrechterhaltung<br />
von Leistungen der Gemeinschaft aufbringen müssen, ist gerade die Einheit von Investitionsaufwand zu Unterhaltungsaufwand<br />
eine entscheidende Größe.<br />
99
<strong>Stadtentwicklungskonzept</strong><br />
100
GRUNDLAGEN<br />
• Thüringer Städtebauförderrichtlinie (THStBauFR), Anlage 9, „Leitfaden zur<br />
Erarbeitung von integrierten <strong>Stadtentwicklungskonzept</strong>en“<br />
• Regionaler Raumordnungsplan Mittelthüringen<br />
• Studie der in.nova Gesellschaft für Unternehmensentwicklung GmbH<br />
„Wohnen in <strong>Erfurt</strong>“<br />
• Statistisches Informationssystem (A16)<br />
• Kommunalstatistisches Heft 48 „Bevölkerung in <strong>Erfurt</strong> –<br />
Bestandsentwicklung bis 10/2003 und Prognose bis 2020“ (A16)<br />
• Kommunalstatistisches Heft 49 (51 unveröffentlicht)<br />
„Bevölkerung der Stadt <strong>Erfurt</strong> und <strong>Erfurt</strong>er Stadtteile 2003“ (A16)<br />
• Konzept Stadtbeobachtungssystem (A16, A60)<br />
• Flächennutzungsplan (A16)<br />
• Beiträge zur Stadtentwicklung - Heft 2 „Sektorale Entwicklungskonzeption<br />
Wohnen 2020 - Teilbereich Neubau, Arbeitsstand 2002 (A16)<br />
• Beiträge zur Stadtentwicklung - Heft 3 „Sektorale Entwicklungskonzeption<br />
Arbeiten – Teil Gewerbeflächenbericht“ (A16)<br />
• Beiträge zur Stadtentwicklung - Heft 4 „Barrierefreies <strong>Erfurt</strong>“ (A16)<br />
• Beiträge zur Stadtentwicklung - Heft 5 „Sozialorientierte Stadtentwicklung -<br />
Tagungsband zur Workshopreihe Kommunale Neuorientierung der sozialen<br />
Stadtentwicklung“ (A16)<br />
• Beiträge zur Stadtentwicklung - Heft 6 „Baulandkataster für ausgewählte<br />
Bereiche“ (A16)<br />
• Beiträge zur Stadtentwicklung - Heft 7: „Auf dem Weg zum<br />
Stadtentwicklungsprogramm - Positionen zur Stadtentwicklung“ (A16)<br />
• Beiträge zur Stadtentwicklung - Heft 8 „Sind wir noch zu retten?<br />
Nachhaltigkeit als Konzept für die Zukunft“ (A16 mit FH und Uni)<br />
• Beiträge zur Stadtentwicklung - Heft 9 „<strong>Erfurt</strong> lebt mit Lücken - Projekt)<br />
Hopfenecke“ (A16)<br />
• Kriminalitätsatlas (A16)<br />
• Regionale Entwicklungskonzeption „<strong>Erfurt</strong>er Seen“ (A16)<br />
• Landschaftsplan (A31)<br />
• Klimagutachten (A31)<br />
• Schulentwicklungsplan bzw. Schulnetzplan (A40)<br />
• Kulturentwicklungsplan, nicht veröffentlich (A41)<br />
• Spielraumanalyse (A41)<br />
• Sozialberichte (D05, A16)<br />
• Rahmenplan Sozialwesen der Stadt <strong>Erfurt</strong> (D05)<br />
• Sozialstrukturatlanten (D05, A16)<br />
• Seniorenplan (A50)<br />
• Rahmenkonzept „Lebenssituation von Menschen mit Behinderungen in der<br />
Stadt <strong>Erfurt</strong>“ (A50)<br />
• Kooperationsvertrag Sozialamt mit der Fachhochschule <strong>Erfurt</strong>, FB<br />
Sozialwesen seit 2005 (A50)<br />
• Maßnahmeplan für Familienbildung und Familienförderung (A51)<br />
• Konzept Lokales Bündnis für Familie (A51)<br />
• Maßnahmen- und Bedarfsplanung Hilfen zur Erziehung (A51)<br />
• Bedarfsplanung Tageseinrichtungen für Kinder /Tagespflege (A51)<br />
• Jugendförderplan (A51)<br />
• Sportstättenleitplan (A52-ESB)<br />
• Konzept Gesunde-Städte-Netzwerk (A53)<br />
• Psychatrie- und Suchthilfeplan (A53)<br />
• Masterplan <strong>Erfurt</strong>er Großwohnsiedlungen (A60, A16)<br />
• Beitrag der Landeshauptstadt <strong>Erfurt</strong> zum Bundeswettbewerb „Stadtumbau<br />
Ost“ (A60, A16)<br />
• Kleingartenkonzeption (A67)<br />
• Verkehrsentwicklungsplan (A67)<br />
• Einzelhandelsbericht 2002 (A80)<br />
• Analyse Gewerbe-, Handels- und Büroflächen (A80)<br />
• Arbeit Verein Springboard to learning (Ausländerbeauftragte)<br />
• Projekt „Fremde werden Freunde“ (SV mit FHE und Uni)<br />
2. DEMOGRAPHISCHER WANDEL UND<br />
STADTENTWICKLUNG<br />
2.1 Demographie<br />
2.2 Auswirkungen der Bevölkerungsveränderung im<br />
2.3<br />
Überblick<br />
Wohnungsbedarfsprognose<br />
2.4 Stadtbeobachtungssystem<br />
3. BESTANDSANALYSE UND ENTWICKLUNGSTRENDS<br />
3.1 Regionale Einordnung<br />
3.2 Siedlungsentwicklung und Stadtstruktur<br />
3.3 Wohnen<br />
3.4 Grün- und Freiraumstruktur<br />
3.5 Technische Infrastruktur<br />
3.6 Wirtschaft<br />
3.7 Soziales<br />
STADTENTWICKLUNGSKONZEPT<br />
1. EINFÜHRUNG<br />
1.1 Anlass<br />
1.2 Aufgabe und Zielstellung<br />
1.3 Aufbau und Herangehensweise<br />
4. ZIELKONZEPT DER GESAMTSTÄDTISCHEN<br />
ENTWICKLUNG<br />
4.1 Leitbild „Stark in der Mitte - die Mitte stärken“<br />
4.2 Zielbereich „Starke Region - starke Stadt“<br />
4.3 Zielbereich „Kompakte Stadt“<br />
4.4 Zielbereich „Funktionsfähiger und nachfragegerechter<br />
Wohnungsmarkt“<br />
4.5 Zielbereich „Freiräume entwickeln“<br />
4.6 Zielbereich „Verbesserung der Erreichbarkeit und<br />
stadtverträglichen Gestaltung der Verkehrsinfrastruktur“<br />
4.7 Zielbereich „Bedarfsgerechte und wirtschaftliche<br />
technische Infrastruktur“<br />
4.8 Zielbereich „Stärkung des Wirtschaftsstandortes“<br />
4.9 Zielbereich „Sicherstellung einer hohen Lebensqualität“<br />
5. RESÜMEE<br />
WEITERFÜHRENDE ARBEITEN<br />
Analysen zum Bestand und dessen Entwicklung<br />
• Weiterführung der statistischen Analysen zur<br />
Bevölkerungsentwicklung<br />
• Fortschreibung der Bevölkerungs- und in Ableitung daraus der<br />
Wohnungsbedarfsprognose<br />
• jährliche Fortschreibung und Aktualisierung des<br />
Stadtbeobachtungssystemes<br />
• Fortschreibung vorhandener Bestandsanalysen<br />
• laufende Beobachtung der Entwicklungstrends<br />
• fortführende Untersuchung zur Bedarfsentwicklung von Kleingärten<br />
(A16)<br />
• Bedarfsermittlung für den Bereich der Tagesbetreuung für Kinder bis<br />
2020 (A51)<br />
• Bedarfsplanung für alte und hoch betagte Menschen bis 2020 (A50)<br />
• Untersuchungen zur Sportentwicklung in <strong>Erfurt</strong> - Sportstadt (A16)<br />
Planungen, Konzeptionen und Maßnahmen<br />
• Stadtentwicklungsprogramm (A16)<br />
• Wirtschaftsstrategie (A16, A80)<br />
• Untersuchung „<strong>Erfurt</strong> - bezahlbare Stadt“<br />
• Untersuchung „<strong>Erfurt</strong> - energieautarke Stadt“<br />
• Fortschreibung der kurz- bzw. mittelfristigen Fachplanungen auf<br />
Grundlage der langfristigen Zielvorgaben<br />
• Maßnahmekonzept „Von der Lokalen Agenda 21 <strong>Erfurt</strong> zur<br />
experimentellen Stadtentwicklung“ (A16)<br />
• KAG <strong>Erfurt</strong>-Weimar-Jena: Regionalkonzept, gemeinsames<br />
Regionalmanagement, Regionalmarketing (A 16)<br />
• Kooperationsraum <strong>Erfurt</strong>: Intensivierung der Zusammenarbeit mit<br />
Umlandgemeinden, Erarbeitung Entwicklungskonzeption Stadt-<br />
Umland (A16)<br />
• Sektorale Entwicklungskonzeption Wohnen 2020 - Teilbereich<br />
Bestand (A16)<br />
• Fortschreibung der Sektoralen Entwicklungskonzeption Wohnen<br />
2020 - Teilbereich Neubau (A16)<br />
• Sektorale Entwicklungskonzeption Grün- und Freiraumentwicklung<br />
(A16)<br />
• Teilräumliche Entwicklungskonzeptionen mit konkreten<br />
Handlungsansätzen auf Grundlage der langfristigen Zielvorgaben<br />
(A16, Fachämter)<br />
• REK „<strong>Erfurt</strong>er Seen“: Ausweitung auf alle vom Bergbau betroffenen<br />
Umlandgemeinden, Erarbeitung von Umsetzungsstrategien (A16)<br />
• Teilkonzepte für neue Strategien der Verkehrsführung (A16, A68)<br />
• Abstimmung langfristiger Strategien und Konzepte mit<br />
Versorgungsträgern (A16, A66)<br />
• Stadtmarketingkonzept (A80)<br />
• Integrationskonzept (A50)<br />
• Entwicklungskonzeption zum integrierten Planungsraummangement<br />
am Modelprojekt „Großwohnsiedlung Nord“ (D05, A16)<br />
• Sozialraumorientierte Planung von Beratungs- und<br />
Betreuungsangeboten für den Jugend- und Sozialbereich (D05,<br />
A16)<br />
• Sektorale Entwicklungskonzeption Schulnetzplanung (A16, A40)