Rundbrief_3-4_2012
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EDITORIAL<br />
Erinnern, um zu widerstehen!<br />
Liebe Leserinnen und Leser, am 30 . Januar des kommenden<br />
Jahres jährt sich die Machtübernahme der Nazis zum achtzigsten<br />
Male . Unmittelbar nach dem 30 . Januar 1933 folgten<br />
die Entdemokratisierung Deutschlands, die Gleichschaltung<br />
und die die Verfolgung und Ermordung politischer Gegner .<br />
Antisemitismus wurde zur Staatsräson .<br />
Für den »<strong>Rundbrief</strong>« ist dieser Jahrestag Anlass, die Zusammenhänge<br />
und Hintergründe von 1933 zu reflektieren und<br />
zugleich den heutigen Umgang mit der NS-Vergangenheit in<br />
Deutschland kritisch unter die Lupe zu nehmen . Abschließend<br />
wollen wir einen Bogen zur Gegenwart schlagen . Er<br />
zeigt, wie wichtig die Erinnerung an das Jahr 1933 ist, um zu<br />
verstehen, was Neofaschismus und Rechtsextremismus bis<br />
hin zur Mordserie des NSU für die Gesellschaft bedeuten .<br />
30 . Januar 1933: Noch am selben Tag rief die KPD Württemberg<br />
zum Generalstreik auf: »Massenstreik! Hitler Reichskanzler!<br />
Wir sind bereit, Schulter an Schulter im engsten Klassenbündnis<br />
den drohenden Schlag des Faschismus durch<br />
den kühnen Gegenschlag mit der Waffe des Massenstreiks<br />
zu beantworten!« Auf den Aufruf zum Generalstreik geht Günter<br />
Wehner in seinem Beitrag in diesem »<strong>Rundbrief</strong>« ein . Die<br />
Hoffnung auf den Aufstand erfüllte sich leider nicht .<br />
Die Reichstagsbrand-Notverordnung vom 28 . Februar 1933 bildete<br />
den gesetzlichen Rahmen zur Verfolgung politischer Gegner<br />
. Ulrich Schneider erinnert in seinem Beitrag an den Reichstagsbrandprozess<br />
und Georgi Dimitroff, dem eine Schlüsselrolle<br />
in diesem Prozess zugedacht war . Die Diskussion um diesen<br />
Prozess, um Täter, Anstifter und Nutznießer hält bis heute an –<br />
und ist Beispiel dafür, wie Geschichte gemacht wird .<br />
Im Beitrag des »<strong>Rundbrief</strong>«-Redakteurs Reiner Zilkenat zum<br />
deutschen Großkapital werden der Keppler-Kreis und seine<br />
Bedeutung für den Aufstieg Hitlers näher beleuchtet . Wilhelm<br />
Keppler, mittelständischer Unternehmer und Mitglied der NS-<br />
DAP, unterstützte Hitler mit Kontakten in die Wirtschaft . Zu<br />
den Mitgliedern des Keppler-Kreises zählten einflussreiche<br />
Repräsentanten der Industrie- und Bankenwelt . Mit deren Hilfe<br />
sollten die wirtschaftspolitischen Forderungen der NSDAP<br />
und des Großkapitals in Einklang gebracht werden .<br />
Wie sah die Situation der Opposition gegen Hitler 1933 in<br />
Deutschland aus? Klaus Kinner betrachtet die Lage der KPD<br />
1933, Reiner Zilkenat geht auf die wirtschafts- und gesellschaftspolitischen<br />
Pläne der SPD im Sommer 1932 ein .<br />
Der Blick in die Vergangenheit und auf die kollektive Verantwortung<br />
bringt uns zurück zu den aktuellen Auseinandersetzungen<br />
. Unter der Rubrik »Aktuelles« erscheinen zwei Beiträge,<br />
die einen Blick in andere Teile Europas werfen . Sevim Dagdelen<br />
berichtet über Rassismus und Antiziganismus in Bulgarien .<br />
Karl Heinz Gräfe befasst sich mit der völkischen und nationalistischen<br />
Rechten in Russland . Zur Situation in Deutschland<br />
stellt Gerd Wiegel die neuesten Erkenntnisse aus dem NSU-<br />
Untersuchungsausschuss vor, und Jan Korte bespricht das aktuelle<br />
Buch von Claus Leggewie und Horst Meier, in dem sie für<br />
eine Abschaffung des Verfassungsschutzes plädieren .<br />
Über die publizistische Arbeit hinaus werden wir mit einer<br />
Veranstaltung an den Beginn des dunkelsten Kapitels deutscher<br />
und europäischer Geschichte erinnern . Am 30 . Januar<br />
2013 im Kino »Babylon« in Berlin-Mitte wollen wir »Erinnern,<br />
um zu widerstehen« . Wir sagen, dieses Thema gehört in den<br />
Blickpunkt gesellschaftlicher Debatten . Unser Anspruch ist<br />
es, gesellschaftlich zu sensibilisieren und Widerstand zu wecken:<br />
gegen Neofaschismus, Antisemitismus und Rassismus,<br />
aber auch gegen unglaubliches Behördenversagen im Zusammenhang<br />
mit der Mordserie der NSU .<br />
Matthias Höhn,<br />
Bundesgeschäftsführer der Partei »DIE LINKE«<br />
Redaktionelle Anmerkung:<br />
Viele der in diesem Heft abgedruckten zeitgenössischen Fotos<br />
und Flugblätter drucken wir mit der Genehmigung des Karl<br />
Dietz Verlages ab, wofür wir Dr . Jörn Schütrumpf herzlich danken<br />
(S . 22, 25, 58, 63, 67, 82, 93, 104 f ., 111) . Für das Recht,<br />
die beiden Fotos auf den Seiten 68 und 70 publizieren zu dürfen,<br />
danken wir dem Landesarchiv Berlin (Fotoabteilung, F<br />
Rep . 290, II 6939 u . II 6755) . Hinweise auf mehrere der hier<br />
wiedergegebenen Zeitungsartikel und Flugschriften (S . 129–<br />
131) erhielten wir von Peter Klaar (Berlin-Neukölln) . Mehrere<br />
Reproduktionen aus amtlichem Schriftgut entstammen dem<br />
damaligen Staatsarchiv Potsdam (S . 65, 112, 136 ff .), das vor<br />
längerer Zeit aufgelöst worden ist . Wir sind außerstande zu<br />
sagen, wo sich die entsprechenden Akten mittlerweile befinden<br />
. Die Kopien wurden bereits 1990/1991 angefertigt .<br />
Aus dem Bundesarchiv Berlin stammen die Schriftstücke<br />
auf den folgenden Seiten: BArch, R 8048/411, Bl . 42 (S . 6);<br />
BArch, R 72/73, Bl . 56 (S . 15); BArch, R 8051/7, Bl . 30 u .<br />
RS (S . 30 f .); BArch, R 8005/48, Bl . 240 (S . 64); BArch,<br />
R 72/174, Bl .167 f . (S .114 f .); BArch, R 1501/126130, Bl . 31 f<br />
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