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das verhältnis von - Polymer Physics Group of Rostock University ...

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DAS VERHÄLTNIS VON<br />

IRREVERSIBLEN UND REVERSIBLEN PROZESSEN WÄHREND<br />

DES KRISTALLISIERENS UND SCHMELZENS VON POLYMEREN<br />

DISSERTATION<br />

zur Erlangung des akademischen Grades<br />

eines Doktors der Naturwissenschaften<br />

(Dr. rer. nat.)<br />

vorgelegt der<br />

Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität <strong>Rostock</strong><br />

<strong>Rostock</strong>, März 2001<br />

<strong>von</strong> Andreas Wurm<br />

aus Güstrow


Dekan: Pr<strong>of</strong>. Dr. R. Redmer<br />

1. Gutachter: Pr<strong>of</strong>. Dr. C. Schick<br />

2. Gutachter: Pr<strong>of</strong>. Dr. G. Strobl (Freiburg)<br />

3. Gutachter: Pr<strong>of</strong>. Dr. B. Wunderlich (Knoxville, TN, USA)<br />

Tag der Verteidigung: 7. Juni 2001


KAPITEL 1: EINLEITUNG .........................................................................................1<br />

KAPITEL 2: ZUSAMMENHANG ZWISCHEN MORPHOLOGIE UND<br />

WÄRMEKAPAZITÄT TEILKRISTALLINER POLYMERE .....................3<br />

2.1. Morphologie teilkristalliner <strong>Polymer</strong>e ..............................................................3<br />

2.2. Vorstellungen zur Entstehung der teilkristallinen Strukturen...........................5<br />

2.3. Wärmekapazität teilkristalliner <strong>Polymer</strong>e ........................................................8<br />

KAPITEL 3: DYNAMISCHE MESSMETHODEN......................................................15<br />

3.1. Bestimmung der Wärmekapazität.................................................................15<br />

3.1.1. Standard DSC ........................................................................................15<br />

3.1.2. AC Kalorimetrie und 3-ω-Methode..........................................................16<br />

3.1.3. Temperaturmodulierte DSC (TMDSC) ...................................................17<br />

3.2. Experimentelle Bestimmung des Schermoduls ............................................22<br />

3.2.1. Kriech- und Erholungsexperiment bzw. Spannungsrelaxation ...............23<br />

3.2.2. Dynamisch Mechanische Analyse..........................................................23<br />

3.2.3. Temperaturmodulierte Dynamisch Mechanische Analyse (TMDMA) .....28<br />

KAPITEL 4: EXPERIMENTELLE ERGEBNISSE ....................................................35<br />

4.1. TMDSC Scanexperimente zwischen Glasübergangs- und<br />

Schmelztemperatur.......................................................................................35<br />

4.2. TMDSC und TMDMA im Schmelzbereich.....................................................45<br />

4.2.1. Der Einfluss irreversibler latenter Wärmen<br />

auf die dynamische Wärmekapazität......................................................45<br />

4.2.2. Vergleich berechneter und gemessener dynamischer<br />

Wärmekapazitäten .................................................................................49<br />

4.2.3. Quasi-isotherme TMDSC und TMDMA im Schmelzbereich ...................52<br />

4.2.4. DMA Experimente ohne Temperaturmodulation ....................................60<br />

4.3. Quasi-isotherme TMDSC und TMDMA während der Kristallisation..............64<br />

KAPITEL 5: DISKUSSION.......................................................................................77<br />

5.1. Reversibles Schmelzen als Relaxationsprozess ..........................................77<br />

5.2. Immobilisierung und Mobilisierung der starr amorphen Bereiche in<br />

Polycarbonat und Polyhydroxybuttersäure ...................................................86<br />

KAPITEL 6: ZUSAMMENFASSUNG .......................................................................93<br />

LITERATURVERZEICHNIS......................................................................................97<br />

ANHANG


KAPITEL 1: EINLEITUNG<br />

Die Entstehung teilkristalliner Strukturen in <strong>Polymer</strong>en und ihr Schmelzen sind bis<br />

heute nicht vollständig verstandene Phänomene. Es gibt trotz vielfältiger Bemühungen<br />

weder eine allgemein anerkannte Theorie zur Beschreibung der Prozesse noch<br />

ein universelles Modell für die teilkristalline Morphologie auf molekularer Ebene.<br />

Bei neueren Theorien werden, basierend auf zahlreichen Hinweisen aus verschiedenen<br />

experimentellen Methoden, trotz großer Unterkühlung lokale Gleichgewichte<br />

zwischen Kristall und Flüssigkeit angenommen.<br />

Für die Untersuchung dieser Gleichgewichte kann neben anderen Methoden die<br />

Temperaturmodulierte Differential Scanning Calorimetry (TMDSC) erfolgreich eingesetzt<br />

werden. Auf diese neue Methode geht z.B. auch die 1997 erfolgte erstmalige<br />

Beschreibung des reversiblen Schmelzens bei <strong>Polymer</strong>en, die keinen kristallinen α-<br />

Prozess und kein damit verbundenes Oberflächenschmelzen zeigen, zurück.<br />

Der Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit liegt in der breiten Anwendung der TMDSC<br />

und dem Ausloten ihrer Möglichkeiten und Grenzen bei der Untersuchung der Entstehung,<br />

der Alterung und des Schmelzens <strong>von</strong> teilkristallinen Strukturen in <strong>Polymer</strong>en.<br />

Im Mittelpunkt soll dabei die Diskussion der Exzesswärmekapazität stehen.<br />

Diese wird sowohl durch latente Wärmen irreversibel ablaufender Prozesse, wie<br />

Kristallisation und Schmelzen, als auch durch latente Wärmen reversibler Schmelzund<br />

Kristallisationsprozesse hervorgerufen.<br />

Der Einfluss des irreversiblen Schmelzens auf die in TMDSC Scanexperimenten<br />

ermittelte dynamische Wärmekapazität und ihre Abhängigkeit <strong>von</strong> den Messbedingungen<br />

soll im Rahmen der vorliegenden Arbeit im Vergleich mit Modellrechnungen<br />

diskutiert werden. Da es sich hierbei um sehr komplexe Phänomene handelt, wurde<br />

der Versuch unternommen irreversible Prozesse weitestgehend auszuschließen.<br />

Dazu erfolgten quasi-isotherme Experimente im Schmelzbereich und während der<br />

Kristallisation. Die beobachtete Exzesswärmekapazität ist dann nur Ausdruck reversibler<br />

latenter Schmelz- und Kristallisationswärmen. Diese werden als Folge lokaler<br />

reversibler Übergänge zwischen kristalliner und amorpher Phase diskutiert. Als Vergleichsmethode<br />

wird die im Rahmen der vorliegenden Arbeit neu entwickelte Temperaturmodulierte<br />

Dynamisch Mechanische Analyse (TMDMA) herangezogen.


2 Einleitung<br />

Bei der TMDSC steht im Vergleich zur konventionellen DSC mit der Wahl der Frequenz<br />

der Temperaturmodulation ein weiterer, unabhängiger Parameter zur Verfügung.<br />

Durch Veränderung der aufgeprägten Temperaturmodulationsfrequenz lässt<br />

sich die dynamische Wärmekapazität frequenzabhängig bestimmen. Es sollen anhand<br />

der Frequenzabhängigkeit der Wärmekapazität Aussagen zur Dynamik der<br />

reversiblen Prozesse erhalten werden. Ein mögliches molekulares Bild für <strong>das</strong> reversible<br />

Schmelzen wird diskutiert.<br />

Ein weiterer Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit ist die Bestimmung der Basislinienwärmekapazität<br />

(Wärmekapazität, die nur durch die zur Temperaturerhöhung<br />

der Probe, ohne Änderung der Phasenanteile, notwendige Wärme bestimmt wird).<br />

Durch geeignete Wahl der Temperaturmodulationsfrequenz soll die Möglichkeit des<br />

direkten experimentellen Zugangs zur Basislinienwärmekapazität mittels TMDSC<br />

gezeigt werden.<br />

Diese direkte experimentelle Bestimmung der Basislinienwärmekapazität lässt Informationen<br />

über die Prozesse erwarten, die die Basislinienwärmekapazität bestimmen.<br />

Solche Prozesse sind z.B. <strong>das</strong> Immobilisieren und Mobilisieren der starr amorphen<br />

Bereiche in teilkristallinen <strong>Polymer</strong>en. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird am<br />

Beispiel <strong>von</strong> Polycarbonat und Polyhydroxybuttersäure <strong>das</strong> Immobilisieren dieser<br />

Bereiche während der isothermen Kristallisation und ihr Mobilisieren beim Aufheizen<br />

untersucht. Die Ergebnisse sollen im Rahmen <strong>von</strong> Strobl's Modell zur <strong>Polymer</strong>kristallisation<br />

und Marand's Modell zur Kristallisation <strong>von</strong> Polycarbonat diskutiert werden.


KAPITEL 2: ZUSAMMENHANG ZWISCHEN MORPHOLOGIE UND<br />

WÄRMEKAPAZITÄT TEILKRISTALLINER POLYMERE<br />

Die physikalischen Eigenschaften <strong>von</strong> teilkristallinen <strong>Polymer</strong>en werden entscheidend<br />

durch ihre Morphologie bestimmt. In Abschnitt 2.1 erfolgt die Beschreibung der<br />

Morphologie teilkristalliner <strong>Polymer</strong>e auf unterschiedlichen Längenskalen. Daran<br />

anschließend werden in Abschnitt 2.2 Theorien und Vorstellungen zur Entstehung<br />

der teilkristallinen Strukturen vorgestellt. Die Ausführungen hierzu beziehen sich im<br />

Wesentlichen auf Darstellungen <strong>von</strong> Wunderlich [1], Gedde [2] und Strobl [3, 4]. Im<br />

Abschnitt 2.3 wird die experimentell bestimmte Wärmekapazität als Überlagerung der<br />

durch die Morphologie bestimmten Basislinienwärmekapazität und der an latente<br />

Wärmen geknüpften Exzesswärmekapazität diskutiert. Die theoretischen Grundlagen<br />

hierzu basieren auf der Darstellung <strong>von</strong> Mathot [5].<br />

2.1. MORPHOLOGIE TEILKRISTALLINER POLYMERE<br />

Nach genügend langer Kristallisationszeit stellt sich in Abhängigkeit <strong>von</strong> den<br />

Kristallisationsbedingungen eine teilkristalline Struktur ein, die sich in einem<br />

stationären Zustand befindet. Auf verschiedenen Längenskalen zwischen einem nm<br />

und mehreren mm können sich charakteristische Strukturen herausbilden.<br />

Mittels Transmissionselektronenmikroskopie bzw. Atomkraftmikroskopie findet man<br />

auf der 1-20 nm Skala in den meisten Fällen Kristalllamellen, die sich wie in<br />

Abbildung 2.1b dargestellt als Lamellenstapel arrangieren. Die charakteristischen<br />

Dimensionen der Lamellenstapel, wie Langperiode und Dicke der kristallinen und<br />

amorphen Bereiche, sind aus Röntgenkleinwinkelbeugungsuntersuchungen zu<br />

ermitteln. Die laterale Ausdehnung einer Kristalllamelle kann mehrere µm betragen.<br />

Das zwischen den Kristalllamellen verbleibende Material beinhaltet nichtkristallisierbare<br />

Segmente, Kettenenden und Verschlaufungen und ist amorph. Kalorimetrie<br />

sowie NMR-, Raman-, dielektrische- und mechanische Spektroskopie zeigen, <strong>das</strong>s<br />

die amorphe Phase nach der Teilnahme bzw. Nichtteilnahme am Glasprozess bei<br />

der Glasübergangstemperatur in beweglich und starr amorphe Bereiche unterteilt<br />

werden kann [6-10].


4 Kapitel 2<br />

Abb. 2.1: Schematische Darstellung der Struktur teilkristalliner <strong>Polymer</strong>e auf<br />

verschiedenen Längenskalen. Die supermolekulare Struktur - Sphärolit (Teil a)- wird<br />

aus Kristalllamellen rückgefalteter Moleküle mit dazwischenliegenden amorphen<br />

Bereichen gebildet (Teil b). Zwischen den kristallinen Bereichen der Kristalllamellen<br />

und den isotropen amorphen Anteilen existiert eine starr amorphe Randschicht<br />

(Teil c). Die kristallinen, amorphen und starr amorphen Anteile sind in Teil c mit c, a<br />

und ra gekennzeichnet.<br />

Im Lichtmikroskop erkennt man, <strong>das</strong>s diese Lamellenstapel meist in supermolekularen<br />

Strukturen wie Sphäroliten, Axialiten oder Dendriten angeordnet sind, die <strong>of</strong>t <strong>das</strong><br />

gesamte Volumen ausfüllen. Sphärolitische Strukturen, als häufigster Vertreter,<br />

entstehen durch axiales Wachstum der verschiedenen Lamellen ausgehend <strong>von</strong><br />

einem Kristallisationskeim (Abbildung 2.1a). Die Größe der Sphärolite hängt vom<br />

<strong>Polymer</strong>, der Molekularmasse und den Kristallisationsbedingungen ab und kann sich<br />

vom µm bis in den mm Bereich erstrecken.<br />

Auf der sub- Nanometer Längenskala zeigt sich anhand <strong>von</strong> Röntgenweitwinkel- und<br />

Elektronenbeugungsexperimenten, <strong>das</strong>s die <strong>Polymer</strong>ketten in der Kristalllamelle<br />

weitestgehend senkrecht zur Lamellenebene und in den dazwischenliegenden<br />

amorphen Bereichen isotrop angeordnet sind. Im 3-Phasen-Stapelmodell wird der<br />

Übergangsbereich zwischen der Kristalllamelle und der Schmelze, der auch<br />

Rückfaltungen einer Kette in die Lamelle beinhaltet, als starr amorpher Bereich<br />

angesehen (Abbildung 2.1c) [11, 12].<br />

Diese Möglichkeit der Kettenrückfaltung in die Kristalllamelle als grundlegendes<br />

Konzept zur Beschreibung der teilkristallinen lamellaren Strukturen wurde 1938 <strong>von</strong><br />

Storks [13] basierend auf Elektronenbeugungsuntersuchungen an<br />

trans-(Polyisopren) vorgeschlagen, was aber unbeachtet blieb. Basierend auf<br />

Vorstellungen <strong>von</strong> Abitz, Gerngroß und Hermann (1930) [14] wurde bei der<br />

Beschreibung teilkristalliner <strong>Polymer</strong>e <strong>das</strong> sogenannte „fringed micelle“ Konzept bis<br />

in die fünfziger Jahre favorisiert. Dabei ragen die Enden der Moleküle aus den sich<br />

parallel nebeneinander liegenden Ketten heraus und bilden somit den amorphen<br />

Anteil. Keller [15], Fischer [16] und Till [17] entdeckten 1957 unabhängig <strong>von</strong>einander,<br />

<strong>das</strong>s Polyethylen in Lösung in dünne, plättchenförmige Kristallite mit einer Dicke


Morphologie und Wärmekapazität teilkristalliner <strong>Polymer</strong>e 5<br />

<strong>von</strong> ca. 12 nm kristallisiert. Keller [15] zeigte erstmals, <strong>das</strong>s die <strong>Polymer</strong>ketten in<br />

Polyethyleneinkristallen senkrecht zur lateralen Ausdehnungsrichtung der Kristalllamelle<br />

stehen. Da aber die Länge der Ketten viel größer ist als die Dicke der<br />

Lamellen, schlussfolgerte Keller, <strong>das</strong>s Makromoleküle viele Male in eine reguläre<br />

Struktur rückgefaltet werden. Während der Kristallisation kommt es jedoch nicht zur<br />

vollständigen Umlagerung des gesamten Kettenmoleküls zu regulären, scharfen<br />

Rückfaltungen. Neutronenkleinwinkelstreuexperimente an deuteriertem Probenmaterial<br />

zeigen, <strong>das</strong>s die räumliche Ausdehnung des Moleküls im wesentlichen erhalten<br />

bleibt und nur eine Separation <strong>von</strong> kristallisierbaren und nichtkristallisierbaren<br />

Kettensegmenten stattfindet [18-20]. Dies wird im „switchbord“ - Modell <strong>von</strong> Flory [21]<br />

und im Erstarrungsmodell zur Kristallisation <strong>von</strong> Fischer [22] berücksichtigt.<br />

Experimentelle Befunde zeigen, <strong>das</strong>s neben den die Morphologie dominierenden<br />

Kristalllamellen <strong>of</strong>tmals unperfekte Kristalle (Blöckchen) vorliegen [23-28]. Der<br />

Entstehungsmechanismus und die Morphologie dieser Kristalle ist Gegenstand der<br />

aktuellen Forschung und wird kontrovers diskutiert.<br />

2.2. VORSTELLUNGEN ZUR ENTSTEHUNG DER TEILKRISTALLINEN STRUKTUREN<br />

Es existieren viele verschiedenartige Modelle zur Beschreibung der Kristallisationsmechanismen<br />

<strong>von</strong> Makromolekülen.<br />

Bis heute wird die Literatur <strong>von</strong> dem 1960 <strong>von</strong> H<strong>of</strong>fmann und Lauritzen [29]<br />

vorgeschlagenen Modell dominiert.<br />

Abb. 2.2: Modell nach H<strong>of</strong>fman und Lauritzen [29, 30] zur sekundären Oberflächenkeimbildung<br />

und zum Wachstum der Kristalle aus rückgefalteten Ketten. Ein<br />

sekundärer Keim mit der durch den Grad der Unterkühlung bestimmten Länge b und<br />

Höhe l wächst lateral in Richtung g, wobei a die Breite des Moleküls ist. Die<br />

Wachstumsrichtung der Kristalllamelle ist G.<br />

Dieses Modell berücksichtigt die reguläre Kettenrückfaltung. Die Kristallisation wird<br />

hierbei als zweistufiger Prozess aufgefasst. Im ersten Schritt werden durch


6 Kapitel 2<br />

heterogene oder homogene Keimbildung stabile, primäre Keime gebildet. Im zweiten<br />

Schritt wächst der Kristall beginnend mit der sekundären Keimbildung an der glatten<br />

Wachstumsfront und dem lateralen Wachstum (Richtung g in Abbildung 2.2). Die<br />

Kristalloberfläche wird, wie in Abbildung 2.2 dargestellt, durch laterales Anlagern und<br />

Rückfalten der <strong>Polymer</strong>kette abgeschlossen. Die eigentliche Wachstumsrichtung der<br />

Kristalllamelle ist die Richtung G in Abbildung 2.2.<br />

Aufgrund vieler Unzulänglichkeiten der H<strong>of</strong>fmann-Lauritzen Theorie bei der Erklärung<br />

experimenteller Befunde wie Kristalllamellendickenwachstum, Einschubkristallisation<br />

und reversibles Schmelzen entstanden alternative Konzepte. Andere Modelle wurden<br />

unter anderem <strong>von</strong> Wunderlich [1], Sadler [31, 32] und Strobl [23, 33, 34] vorgeschlagen.<br />

Wunderlich legte den Schwerpunkt auf molekulare Fraktionierungseffekte, die die<br />

<strong>Polymer</strong>kristallisation <strong>of</strong>t begleiten. Der grundlegende Unterschied zur H<strong>of</strong>fmann-<br />

Lauritzen Theorie ist, <strong>das</strong>s jedes einzelne Molekül vor der Kristallisation eine<br />

sekundäre Keimbildung durchlaufen muss, die sogenannte „molecular nucleation“<br />

und nicht nur für jede Ebene an der Wachstumsfront ein sekundärer Keim vorhanden<br />

sein muss.<br />

Sadler unterteilt <strong>das</strong> <strong>Polymer</strong>molekül in eine Aneinanderreihung kristallisierbarer<br />

Einheiten, im allgemeinen aus einigen Monomeren bestehende Kettensegmente, und<br />

betrachtet sie als unabhängige Einheiten. Es wird angenommen, <strong>das</strong>s sich die<br />

Kettensegmente nicht notwendigerweise vorteilhaft für den weiteren Verlauf der<br />

Kristallisation an der Wachstumsfront anlagern. Außerdem wird <strong>das</strong> Ablösen der<br />

gerade an der Wachstumsfront angelagerten Segmente zugelassen. So können<br />

vorher „falsch“ eingebaute Kettensegmente nach dem Ablösen „richtig“ an den<br />

Kristall angelagert werden. Die gerade an der Wachstumsfront befindlichen<br />

Segmente fluktuieren solange zwischen Kristall und Schmelze, bis sie eine<br />

thermodynamisch stabile Position eingenommen haben. Solche Fluktuationen<br />

können zur Beschreibung des später diskutierten reversiblen Schmelzens herangezogen<br />

werden (Kapitel 5.1).<br />

Strobl’s Modell zur Entstehung der Kristalllamellen ist, wie in Abbildung 2.3<br />

dargestellt, ein dreistufiger Prozess, bei dem zuerst eine Schicht mit mesomorpher<br />

innerer Struktur entsteht. Diese Phase besteht aus nicht vollständig gestreckten und<br />

rückgefalteten Ketten und entspricht in ihren thermodynamischen Eigenschaften eher<br />

der isotropen Schmelze als dem Kristall. Diese Schichten müssen eine Mindestdicke<br />

aufweisen, um in der umgebenden Schmelze stabil zu sein. Sie wachsen lateral<br />

durch Anlagerung teilweise gestreckter Kettensegmente entsprechender Länge.<br />

Aufgrund der immer noch hohen Beweglichkeit der Ketten kommt es durch<br />

kontinuierliche Umlagerungen zu einer Verdickung und Perfektionierung der<br />

Schichten. Bei Erreichen einer kritischen Dicke erstarrt die Schicht und <strong>das</strong><br />

Dickenwachstum endet.


Morphologie und Wärmekapazität teilkristalliner <strong>Polymer</strong>e 7<br />

Abb. 2.3: Skizze des <strong>von</strong> Strobl vorgeschlagenen Mechanismus zur Bildung einer<br />

Kristalllamelle (entnommen aus [23]).<br />

Basierend auf kraftmikroskopischen Untersuchungen (AFM) wird angenommen, <strong>das</strong>s<br />

im zweiten Schritt granulare, blöckchenartige Schichten entstehen [35]. Bei diesem<br />

Übergang soll es sich um einen Phasenübergang 2. Ordnung handeln, der spontan<br />

und ohne Keimbildung ablaufen kann. Bis zu diesem Zeitpunkt befinden sich die<br />

gebildeten Strukturen im thermodynamischen Gleichgewicht mit der sie umgebenden<br />

Schmelze. Dieses ermöglicht den Übergang <strong>von</strong> <strong>Polymer</strong>segmenten zwischen<br />

Schmelze und Blöckchen bei konstanter Temperatur. Der dritte Schritt beschreibt<br />

dann <strong>das</strong> Zusammenwachsen (Verschmelzen) der im zweiten Schritt entstandenen<br />

Blöckchen zu einer homogenen Kristalllamelle mit der Dicke der ursprünglichen<br />

Blöckchen. Die Stabilisierung der Struktur führt zu der bekannten Erhöhung der<br />

Schmelztemperatur im Vergleich zur Kristallisationstemperatur. Im Rahmen dieses<br />

Modells lassen sich, aufgrund der Annahme <strong>von</strong> lokalen Gleichgewichten zwischen<br />

Kristall und Schmelze, in den frühen Stadien der Kristallisation Effekte wie Einschubkristallisation,<br />

Dickenwachstum der Kristalllamellen bei Temperaturerhöhung und<br />

reversibles Schmelzen erklären.<br />

Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Arbeit sind reversible und irreversible<br />

Schmelz- bzw. Kristallisationsprozesse auf molekularer Ebene. Mit dem Schmelzen<br />

bzw. Kristallisieren <strong>von</strong> <strong>Polymer</strong>molekülen oder Kettenbestandteilen ändert sich die<br />

Zahl der inneren Freiheitsgrade des Systems. Ein Maß für die inneren Freiheitsgrade<br />

ist die Wärmekapazität. Somit können mit Hilfe der Wärmekapazität Aussagen zur<br />

molekularen Beweglichkeit der <strong>Polymer</strong>ketten gemacht werden.


8 Kapitel 2<br />

2.3. WÄRMEKAPAZITÄT TEILKRISTALLINER POLYMERE<br />

Abbildung 2.4 zeigt am Beispiel <strong>von</strong> Polyetheretherketon (PEEK) den für kristallisationsfähige<br />

<strong>Polymer</strong>e typischen Verlauf der Wärmekapazität.<br />

c p in J g -1 K -1<br />

5<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

0<br />

-1<br />

-2<br />

glass transition<br />

crystallization<br />

melting<br />

-3<br />

400 450 500 550 600 650<br />

T in K<br />

Abb. 2.4: Spezifische Wärmekapazität <strong>von</strong> PEEK aus einem standard DSC<br />

Experiment. PerkinElmer Instruments Pyris1 DSC, q0=20K/min.<br />

Die Wärmekapazität repräsentiert eine Überlagerung aller parallel ablaufenden<br />

Prozesse, die sowohl reversibel als auch irreversibeler Natur sein können. Als<br />

Beispiele seien Glasübergang, Kristallisation und Schmelzen genannt. Einen<br />

bedeutenden Anteil an der Wärmekapazität liefern aber auch die schnellen,<br />

atomaren und molekularen Prozesse. Es handelt sich hierbei um Vibrationen,<br />

Rotationen und interne Rotationen <strong>von</strong> Atomen bzw. <strong>von</strong> Molekülen. Die Frequenzen<br />

dieser Vibrationen und Rotationen liegen im Bereich 10 12 -10 14 Hz [36]. Somit liefern<br />

diese Bewegungen bei jedem derzeit möglichen Experiment Beiträge zur gemessenen<br />

Wärmekapazität.<br />

Um Phasenübergänge, wie Kristallisation und Schmelzen, beschreiben zu können,<br />

ist es notwendig, die entsprechenden Beiträge dieser Prozesse <strong>von</strong> der gemessenen<br />

Wärmekapazität zu separieren. Ein wichtiger Schritt ist hierbei die Bestimmung der<br />

Basislinienwärmekapazität cpb. Diese entspricht der Wärme, die nötig ist, um die<br />

Temperatur der Probe zu erhöhen, ohne die Phasen<strong>verhältnis</strong>se (hier Kristallinitätsgrad)<br />

zu verändern [5]. Alle Beiträge latenter Wärmen aus Kristallisations- und<br />

Schmelzprozessen zählen demnach nicht zur Basislinienwärmekapazität. Diese nicht<br />

zur Basislinienwärmekapazität gehörenden Beiträge werden zur Exzesswärmekapazität<br />

cp excess zusammengefasst. Die gemessene Wärmekapazität cp setzt sich dann<br />

additiv aus der Basislinienwärmekapazität cpb und der Exzesswärmekapazität cp excess


Morphologie und Wärmekapazität teilkristalliner <strong>Polymer</strong>e 9<br />

zusammen, wobei beide stark vom aufgeprägten Messprogramm, der Vorgeschichte<br />

der Probe und natürlich der Temperatur abhängen:<br />

c p<br />

pb<br />

p excess<br />

( T,<br />

t)<br />

= c ( T,<br />

t)<br />

+ c ( T,<br />

t)<br />

(2-1)<br />

Bestimmung der Basislinienwärmekapazität<br />

Sind die Wärmekapazitäten des flüssigen (cp liquid) bzw. kristallinen Materials (cp crystal)<br />

bekannt, kann bei Kenntnis des Kristallinitätsgrades (χ) und unter Annahme eines<br />

„2-Pasen-Modells“ durch Superposition der einzelnen Wärmekapazitäten die Basislinienwärmekapazität<br />

(cpb) des teilkristallinen <strong>Polymer</strong>s oberhalb <strong>von</strong> Tg bestimmt<br />

werden:<br />

c pb ( p crystal<br />

p liquid<br />

T,<br />

t)<br />

= χ (T, t) c ( T ) + ( 1 − χ ( T,<br />

t))<br />

c ( T )<br />

(2-2)<br />

Die Bestimmung der Wärmekapazitäten des kristallinen bzw. flüssigen Materials<br />

kann für <strong>Polymer</strong>e näherungsweise aus Messungen der Wärmekapazitäten<br />

unterhalb der Glasübergangstemperatur Tg und oberhalb der Schmelztemperatur Tm<br />

erfolgen. Grundvoraussetzung dafür ist, <strong>das</strong>s unterhalb <strong>von</strong> Tg und oberhalb <strong>von</strong> Tm<br />

keine anderen Prozesse, als die die Basislinienwärmekapazität repräsentierenden,<br />

ablaufen. Die Wärmekapazität der Flüssigkeit im Bereich zwischen Tg und Tm wird,<br />

falls nicht direkt messbar, durch Extrapolation der gemessenen Wärmekapazität <strong>von</strong><br />

oberhalb Tm zu tieferen Temperaturen ermittelt. Die direkte experimentelle Bestimmung<br />

der Wärmekapazität der kristallinen Phase ist für die meisten <strong>Polymer</strong>e<br />

aufgrund der unvollständigen Kristallisation nicht möglich. cp crystal kann aber durch<br />

Extrapolation der unterhalb <strong>von</strong> Tg gemessenen Wärmekapazität zu höheren<br />

Temperaturen bestimmt werden. Hierbei wird angenommen, <strong>das</strong>s unterhalb <strong>von</strong> Tg<br />

die Wärmekapazität des Kristalls der Wärmekapazität des amorphen Festkörpers<br />

(Glas) entspricht. Eine Bestätigung dieser Annahme liefert Abbildung 2.5, wo die<br />

spezifischen Wärmekapazitäten der amorphen und kristallinen Zustände einiger<br />

<strong>Polymer</strong>e über einer normierten Temperaturachse aufgetragen sind. Die der ATHAS<br />

Datenbank [37] entnommenen Daten für <strong>das</strong> Glas bzw. den Kristall eines <strong>Polymer</strong>s<br />

zeigen unterhalb der Glasübergangstemperatur nur Unterschiede, die geringer sind<br />

als die in der Datenbank angegeben Unsicherheiten <strong>von</strong> weniger als 5%.<br />

In der ATHAS Datenbank sind die Wärmekapazitäten für eine Vielzahl <strong>von</strong><br />

<strong>Polymer</strong>en in einem weiten Temperaturbereich aufgeführt. Neben den Werten für die<br />

Schmelze und den amorphen Festkörper (Glas) findet man hier auch die Wärmekapazitäten<br />

der Kristalle, so <strong>das</strong>s die vorher beschriebene experimentelle Bestimmung<br />

nur selten nötig ist.


10 Kapitel 2<br />

c p in J g -1 K -1<br />

2<br />

1<br />

PE PEN<br />

PCL PBT<br />

PS PC<br />

PET PP<br />

PEO PEEK<br />

-50 -40 -30 -20<br />

T-T in K g<br />

-10 0 10<br />

Abb. 2.5: Spezifische Wärmekapazität für amorphe und kristalline Zustände<br />

verschiedener <strong>Polymer</strong>e. Die Daten sind der ATHAS Datenbank [37] entnommen.<br />

Die spezifische Wärmekapazität des amorphen <strong>Polymer</strong>s entspricht bei positiven<br />

normierten Temperaturen der der Flüssigkeit und bei negativen der des Glases.<br />

Nutzt man für cp liquid und cp crystal die Datenbankwerte, ist für die Bestimmung der<br />

Basislinienwärmekapazität die Bestimmung des Kristallinitätsgrades entscheidend.<br />

Diese erfolgt aus der spezifischen Enthalpie h mittels des Gesamtenthalpieverfahrens<br />

[38-40]:<br />

hliquid<br />

( T ) − h(<br />

T )<br />

χ ( T ) =<br />

(2-3)<br />

h ( T ) − h ( T )<br />

liquid<br />

crystal<br />

wobei die Differenz hliquid (T) – h(T) durch Integration der experimentell ermittelten<br />

Wärmekapazitätsdifferenz zwischen Probe und Flüssigkeit erhalten werden kann.<br />

Die spezifischen Enthalpien der amorphen und kristallinen Referenzzustände<br />

hliquid (T) bzw. hcrystal (T) können der ATHAS Datenbank entnommen werden.<br />

In Abbildung 2.6 ist der Verlauf der gemessenen Wärmekapazität <strong>von</strong> PEEK<br />

zusammen mit den Wärmekapazitäten für den Kristall cp crystal und der Flüssigkeit<br />

cp liquid aus der ATHAS Datenbank dargestellt. Zusätzlich ist der Verlauf der<br />

Basislinienwärmekapazität cpb(χcrystal(T)), erhalten aus den Gleichungen 2-2 und 2-3<br />

eingezeichnet.<br />

Die Basislinienwärmekapazität wird neben dem temperaturabhängigen Anstieg am<br />

Glasübergang auch durch Prozesse beeinflusst, die mit latenten Wärmen einhergehen.<br />

Zum Beispiel spiegelt sich die Abnahme der Freiheitsgrade beim Kristallisieren<br />

bzw. ihre Zunahme beim Schmelzen in cpb wieder. In Abbildung 2.5 ist dies die<br />

Zunahme <strong>von</strong> cpb(χcrystal(T)) gegenüber cpb(χcrystal=0.3) im Schmelzbereich aufgrund<br />

der höheren Wärmekapazität der Schmelze im Vergleich zum Kristall.


Morphologie und Wärmekapazität teilkristalliner <strong>Polymer</strong>e 11<br />

c p in J g -1 K -1<br />

5<br />

4<br />

3<br />

2<br />

c p liquid<br />

c pb (χ crystal =0.3)<br />

c pb (χ crystal (T))<br />

c p solid<br />

400 450 500 550 600 650<br />

T in K<br />

Abb. 2.6: Spezifische Wärmekapazität <strong>von</strong> PEEK aus einem standard DSC<br />

Experiment. Die Geraden repräsentieren den Verlauf der Wärmekapazitäten der<br />

flüssigen und kristallinen Substanz bzw. die Wärmekapazität der teilkristallinen Probe<br />

mit einem Kristallinitätsgrad <strong>von</strong> 0.3 berechnet aus einem „2-Phasen-Modell“.<br />

Zusätzlich ist die Basislinienwärmekapazität unter Berücksichtigung der Änderung<br />

des Kristallinitätsgrades beim Schmelzen angegeben. PerkinElmer Instruments<br />

Pyris1 DSC, q0=20K/min.<br />

Beim Vergleich der Basislinienwärmekapazität mit der gemessenen Wärmekapazität<br />

in Abb. 2.5 ist auffällig, <strong>das</strong>s beide nur im vollständig amorphen Zustand (oberhalb<br />

Tm) und dem festen Zustand (unterhalb Tg) übereinstimmen. Die gemessene<br />

Wärmekapazität im Bereich zwischen Tg und Tm weicht einerseits aufgrund der<br />

Exzesswärmekapazität durch mit latenten Wärmen verbundenen Prozessen ab,<br />

andererseits aufgrund der unzureichenden Näherung des „2-Phasen-Modells“ für die<br />

Basislinienwärmekapazität. Voraussetzung für die Diskussion der Exzesswärmekapazität<br />

und die dafür ursächlichen Prozesse ist aber die korrekte Bestimmung der<br />

Basislinienwärmekapazität. Für die meisten <strong>Polymer</strong>e genügt hierfür <strong>das</strong> oben<br />

beschriebene „2-Phasen-Modell“ nicht. Auch in dielektrischer [7, 9] und mechanischer<br />

[7] Relaxationsspektroskopie sowie in Raman- [8, 10, 12, 41] und NMR [10, 12,<br />

42, 43] Spektroskopie werden Abweichungen vom einfachen „2-Phasen-Modell“<br />

beobachtet.<br />

Bestimmung der Basislinienwärmekapazität - 3-Phasen-Modell<br />

Bei kalorimetrischen Untersuchungen ist besonders auffällig, <strong>das</strong>s die gemessene<br />

Stufe in der Wärmekapazität am Glasübergang deutlich geringer ist, als die dem<br />

amorphen Anteil des „2-Phasen-Modells“ entsprechende (siehe auch Abb. 2.5) [6, 7,


12 Kapitel 2<br />

10, 12, 44]. Durch Einbeziehung einer dritten „Phase“ 1 , die nicht zur Kristallisations-<br />

bzw. Schmelzwärme beiträgt und auch nicht im Bereich des Glasübergangs<br />

immobilisiert bzw. wieder mobilisiert wird, lässt sich <strong>das</strong> Modell zu einem „3-Phasen-<br />

Modell“ erweitern. Es wird angenommen, <strong>das</strong>s die Mobilität der Moleküle bzw.<br />

Molekülsegmente, die diesem amorphen Anteil angehören eingeschränkt ist und sie<br />

somit keinen Beitrag zur Wärmekapazitätsstufe im Glasübergangsbereich liefern.<br />

Weiterhin zeigt sich in Röntgenbeugungsuntersuchungen, <strong>das</strong>s die Struktur dieses<br />

Anteils ungeordnet ist und der der amorphen Phase ähnelt. Im DSC Experiment ist<br />

demzufolge kein Beitrag zum Schmelzprozess zu erwarten. Diese Situation ist z.B.<br />

im „3-Phasen-Lamellenstapelmodell“, als Erweiterung des „2-Phasen-Lamellenstapelmodells“<br />

[45] an den Faltenoberflächen der Kristalle gegeben (siehe Abb. 2.1c)<br />

[10-12]. Die „3. Phase“ wird daher als starr amorpher Anteil bezeichnet und verhält<br />

sich wie die eingefrorene Flüssigkeit (Glas). Die Wärmekapazität des starr amorphen<br />

Anteils entspricht damit der des Glases. Unter der Voraussetzung gleicher Wärmekapazitäten<br />

<strong>von</strong> kristalliner und Glasphase, kann man einen festen Anteil als Summe<br />

der Anteile der kristallinen χcrystal und starr amorphen Anteile χrigid amorph mit der<br />

Wärmekapazität cp solid = cp crystal = cp rigid amorph = cp glass definieren:<br />

χ = χ + χ<br />

(2-4)<br />

solid<br />

crystal<br />

rigid amorph<br />

Den Anteil χsolid dieser festen Phase am <strong>Polymer</strong> erhält man aus Kenntnis des<br />

flüssigen (beweglich amorphen) Anteils χliquid :<br />

χ =1 − χ<br />

(2-5)<br />

solid<br />

liquid<br />

Dieser kann aus dem Verhältnis der Stufenhöhen der Wärmekapazität des<br />

teilkristallinen ∆cp und des vollständig amorphen <strong>Polymer</strong>s ∆cp amorph am Glasübergang<br />

ermittelt werden:<br />

∆c<br />

p<br />

χ liquid =<br />

(2-6)<br />

∆c<br />

p amorph<br />

Mit Kenntnis des kristallinen Anteils entsprechend Gleichung 2.3 und dem beweglich<br />

amorphem Anteil lässt sich auch der starr amorphe Anteil bestimmen:<br />

χ = 1−<br />

χ − χ<br />

rigid amorph<br />

crystal<br />

liquid<br />

(2-7)<br />

Unter Verwendung des „3-Phasen-Modells“ wird die Basislinienwärmekapazität des<br />

teilkristallinen <strong>Polymer</strong>s additiv aus der Wärmekapazität des flüssigen und des festen<br />

Anteils berechnet:<br />

c pb<br />

solid p solid<br />

solid<br />

p liquid<br />

( T , t ) = χ (T, t) c ( T ) + ( 1 − χ (T, t) ) c ( T ) (2-8)<br />

Unter Kenntnis der Basislinienwärmekapazität und Gleichung 2-1 erhält man nun aus<br />

der gemessenen Wärmekapazität die Funktion für die Exzesswärmekapazität, die<br />

1 Der Begriff Phase ist hier im Sinne <strong>von</strong> Bereichen unterschiedlicher Ordnung oder molekularer<br />

Beweglichkeit und nicht im thermodynamischen Sinne gemeint.


Morphologie und Wärmekapazität teilkristalliner <strong>Polymer</strong>e 13<br />

entscheidend <strong>von</strong> der Vorgeschichte und den Messbedingungen abhängt. Die<br />

Abhängigkeit <strong>von</strong> den Messbedingungen bei TMDSC Experimenten wird anhand <strong>von</strong><br />

Modellrechnungen in Abschnitt 4.2 diskutiert. Zur detaillierten Diskussion der<br />

Exzesswärmekapazität ist also zunächst die genaue Kenntnis des Verlaufs der<br />

Basislinienwärmekapazität notwendig. Von Wunderlich und Mitarbeitern ist dazu die<br />

quasi-isotherme Bestimmung der Wärmekapazität als direkte experimentelle<br />

Methode (siehe auch Kapitel 3) vorgeschlagen worden [46, 47]. Ausgangspunkt war<br />

hierbei die Überlegung, <strong>das</strong>s <strong>Polymer</strong>e für die Kristallisation eine hohe Unterkühlung<br />

benötigen, also keine Gleichgewichte an den Grenzflächen zwischen der amorphen<br />

und der kristallinen Phase existieren sollten. Es sind daher keine reversiblen<br />

Prozesse an diesen Phasengrenzflächen zu erwarten. Nach genügend langer<br />

Wartezeit bei einer bestimmten Temperatur sind alle irreversibel ablaufenden<br />

Prozesse beendet und man sollte nur noch die Basislinienwärmekapazität messen.<br />

Man hätte damit über die quasi-isotherme Bestimmung der Wärmekapazität, ohne<br />

den störenden Einfluss der irreversibel ablaufenden Prozesse, jederzeit die<br />

Möglichkeit Basislinienwärmekapazitäten zu bestimmen und mit deren Kenntnis<br />

Aussagen über die bei dieser Temperatur und Vorgeschichte eingestellte Morphologie<br />

der Probe zu machen. Aus dem Abklingverhalten der irreversiblen Prozesse<br />

lassen sich auch Aussagen zu diesen Phänomenen erwarten.<br />

Exzesswärmekapazität im quasi-isothermen Experiment<br />

Die erste quasi-isotherme TMDSC Messung im Schmelzbereich <strong>von</strong> PET wurde<br />

1996 <strong>von</strong> Wunderlich und Mitarbeitern durchgeführt [47, 48]. Das Ergebnis dieses<br />

Experimentes ist in Abbildung 2.6 dargestellt.<br />

Abb. 2.7: Wärmekapazität <strong>von</strong> PET ermittelt aus standard DSC und quasi-isothermer<br />

TMDSC (entnommen aus [47]).


14 Kapitel 2<br />

Wider Erwarten zeigte sich, <strong>das</strong>s die quasi-isotherm bestimmte Wärmekapazität im<br />

Schmelzbereich <strong>von</strong> PET nicht nur durch die Basislinienwärmekapazität bestimmt<br />

wird. Die gemessene Wärmekapazität bleibt zwar nach langer, isothermer Wartezeit<br />

konstant, ist jedoch ab einer Temperatur <strong>von</strong> 470 K im gesamten Schmelzbereich<br />

deutlich höher als die erwartete Basislinienwärmekapazität. Ab einer Temperatur <strong>von</strong><br />

500 K ist die quasi-isotherm gemessene Wärmekapazität sogar höher als die<br />

Wärmekapazität der Schmelze bei dieser Temperatur. Dies lässt sich nur durch <strong>das</strong><br />

Vorhandensein einer reversiblen latenten Wärme erklären. Demnach gibt es in<br />

diesem Beispiel mindestens einen zusätzlichen reversiblen Prozess, der eine<br />

Exzesswärmekapazität liefert. Dieser Prozess wurde <strong>von</strong> Wunderlich als reversibles<br />

Schmelzen bezeichnet [46, 49-51]. Die Ursache und der molekulare Prozess des<br />

reversiblen Schmelzens sind seitdem Gegenstand der Forschung verschiedener<br />

Arbeitsgruppen.<br />

Dabei konzentrieren sich Strobl und Mitarbeiter auf <strong>Polymer</strong>e, die einen kristallinen<br />

α-Prozess [52] aufweisen. Es handelt sich hierbei um eine gleitende Diffusion <strong>von</strong><br />

gestreckten Ketten durch den Kristall senkrecht zum Lamellenstapel. Am Beispiel<br />

<strong>von</strong> Polyethylen und Polyethylenoxid konnte durch Vergleich mit Röntgenbeugungsexperimenten<br />

gezeigt werden, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> Auftreten der Exzesswärmekapazität durch<br />

ein reversibles Oberflächenschmelzen [53, 54] an den Faltenoberflächen der<br />

Kristalllamellen bestimmt wird [55-59]. Dieser Effekt ist streng mit dem kristallinen α-<br />

Prozess verbunden und beschränkt sich somit auf eine Minderheit unter den<br />

<strong>Polymer</strong>en.<br />

Allerdings tritt auch bei allen anderen <strong>Polymer</strong>en eine Exzesswärmekapazität auf, die<br />

nicht durch latente Wärmen des oben beschriebenen Oberflächenschmelzens<br />

hervorgerufen werden kann. Diese Prozesse sind Gegenstand der weiteren<br />

Betrachtungen im Rahmen der vorliegenden Arbeit.<br />

Ausgangspunkt ist die Annahme <strong>von</strong> lokalen Gleichgewichten an den Grenzflächen<br />

zwischen Kristall und amorpher Phase. Das Vorhandensein solcher Gleichgewichte<br />

würde <strong>das</strong> Auftreten reversibler Übergänge zwischen kristallinen und amorphen<br />

Bereichen erklären. Mit der Untersuchung der Exzesswärmekapazität ist ein Beitrag<br />

zum Verständnis des reversiblen Schmelzens zu erwarten. Insbesondere die<br />

Möglichkeit der frequenzabhängigen Bestimmung der Exzesswärmekapazität in<br />

TMDSC Experimenten sollte Aufschluss über die Dynamik des Prozesses geben.


KAPITEL 3: DYNAMISCHE MESSMETHODEN<br />

In diesem Kapitel werden die im Rahmen der vorliegenden Arbeit verwendeten<br />

experimentelle Methoden diskutiert.<br />

Im Vordergrund stehen dabei Methoden zur Bestimmung der Wärmekapazität,<br />

Abschnitt 3.1. Hier ist vor allem die spektroskopische Untersuchung der Wärmekapazität<br />

<strong>von</strong> Interesse, die eine Beschreibung der Dynamik reversibler Prozesse zulässt.<br />

Des Weiteren wird in Abschnitt 3.2 die im Rahmen dieser Arbeit entwickelte Methode<br />

der Temperaturmodulierten Dynamisch Mechanischen Analyse (TMDMA) vorgestellt.<br />

Sie liefert wichtige ergänzende Aussagen über die Entwicklung des Kristallinitätsgrades<br />

während isothermer Experimente im Schmelzbereich .<br />

3.1. BESTIMMUNG DER WÄRMEKAPAZITÄT<br />

Die Methode zur experimentellen Bestimmung <strong>von</strong> Wärmekapazitäten ist die<br />

Kalorimetrie. Kalorimetrie bedeutet die Messung <strong>von</strong> Wärme. Es gibt eine Vielzahl<br />

<strong>von</strong> kalorimetrischen Methoden. Dabei kann unterschieden werden zwischen<br />

solchen, die in der Zeitdomäne arbeiten (adiabatisch [60-63], isotherm [63], DSC [64,<br />

65]) und solchen, die in der Frequenzdomäne mit periodischem Energieeintrag<br />

arbeiten (AC [66-72], 3-ω [73-77], TMDSC [78-81]). Im Rahmen der vorliegenden<br />

Arbeit steht die absolute Messung der Wärmekapazität in einem großen Temperaturbereich<br />

im Mittelpunkt. Die hierfür einfachste geeignete Methode ist die DSC mit<br />

der Erweiterung zur Temperaturmodulierten DSC (TMDSC).<br />

3.1.1. Standard DSC<br />

Bei der Differential Scanning Calorimetry (DSC) wird die Differenz der Wärmeströme<br />

in die Probe und in eine Referenzsubstanz gemessen. Probe und Referenz befinden<br />

sich idealerweise in symmetrischen, separaten Öfen, deren Umgebungstemperatur<br />

identisch ist. Die Probenwärmekapazität berechnet sich dann aus dem Quotienten<br />

zwischen Differenzwärmestrom und der im Experiment vorgegebenen Heizrate. Im<br />

tatsächlichen Experiment ist natürlich immer eine geringe Unsymmetrie zwischen der<br />

Proben- und Referenzseite des Kalorimeters zu verzeichnen. Der Einfluss dieser wird<br />

durch eine Leermessung und Subtraktion des hierbei gemessenen Differenzwärmestroms<br />

<strong>von</strong> dem der Probenmessung korrigiert. Eine detaillierte Beschreibung der<br />

Methode findet man z.B. in [64, 65].<br />

Die aus standard DSC Experimenten gewonnenen Wärmekapazitäten sind, wie im<br />

Abschnitt 2.3 angesprochenen, eine Überlagerung aller reversiblen und irreversiblen


16 Kapitel 3<br />

Komponenten der Wärmekapazität. Voraussetzung für die Trennung <strong>von</strong> reversiblen<br />

und irreversiblen Komponenten ist die Möglichkeit wenigstens eine Komponente<br />

direkt zu bestimmen. Bei der isothermen Bestimmung der Wärmekapazität in<br />

Abhängigkeit <strong>von</strong> der Zeit sollte mit dem Ende aller irreversiblen Prozesse nach<br />

genügend langer Wartezeit nur noch die reversible Komponente der Wärmekapazität<br />

gemessen werden. Es ist jedoch prinzipiell unmöglich die Wärmekapazität isotherm<br />

zu messen, da die Messung <strong>von</strong> Wärmen die Messung des Energiebetrages ist, der<br />

zwischen zwei Systemen unterschiedlicher Temperatur ausgetauscht wird. Als<br />

treibende Kraft für den Wärmeaustausch ist somit immer ein Temperaturgradient<br />

zwischen Probe und Reservoir nötig.<br />

Mit einer Vielzahl <strong>von</strong> kalorimetrischen Methoden lässt sich aber eine quasiisotherme<br />

Bestimmung der Wärmekapazität erreichen. Quasi-isotherm bedeutet,<br />

<strong>das</strong>s die Probentemperatur, hervorgerufen durch einen kleinen periodischen<br />

Wärmeeintrag, periodisch um eine mittlere Temperatur schwankt.<br />

3.1.2. AC Kalorimetrie und 3-ω-Methode<br />

Bei der AC (alternating current) Kalorimetrie erfolgt der periodische Energieeintrag in<br />

<strong>das</strong> System durch einen Wechselstrom durch einen Heizer auf einer Probenseite.<br />

Die resultierende periodische Temperaturschwankung der Probe wird detektiert [66-<br />

72]. Aus dem Verhältnis der Amplituden der eingetragenen elektrischen Leistung und<br />

der resultierenden Temperaturschwankung kann die Wärmekapazität bestimmt<br />

werden. Dies ist jedoch nur im Idealfall einer homogenen Temperaturverteilung in der<br />

Probe möglich. Im realisierbaren Experiment, wo der Wärmeeintrag und die<br />

Temperaturbestimmung auf entgegengesetzten Probenseiten erfolgen, wird es<br />

immer eine Dämpfung der Wärmewelle auf dem Weg durch die Probe geben. Die<br />

Messgröße ist dann die Diffusivität, wobei thermische Leitfähigkeit und Wärmekapazität<br />

als Quotient miteinander gekoppelt sind und eine Trennung schwer möglich ist.<br />

Diese Trennung gelingt nur durch eine vollständige mathematische Beschreibung<br />

des Meßsystems unter Berücksichtigung aller Wärmeübergänge und Prozesse in der<br />

Probe. Erste Erfolge hierzu sind in [82-86] dargestellt.<br />

Eine weitere Methode zur quasi-isothermen Bestimmung der Wärmekapazität ist die<br />

3-ω-Methode. Hier wird, ähnlich wie bei der AC Kalorimetrie, auf einer Seite der als<br />

unendlich ausgedehnt angesehenen Probe eine periodische Leistung eingetragen.<br />

Allerdings erfolgt die Messung der resultierenden Temperaturamplitude auf der<br />

selben Seite [73-77]. Da auch hier der Wärmefluss in die Probe eine Rolle spielt, ist<br />

die Bestimmung der Wärmekapazität wieder untrennbar mit der thermischen<br />

Leitfähigkeit verbunden. Die Messgröße ist hierbei die Effusivität und wird vom<br />

Produkt aus Wärmekapazität und Leitfähigkeit bestimmt.<br />

Birge und Nagel [73] bzw. Christensen [74] erkannten, <strong>das</strong>s in einem solchen 3-ω-<br />

Experiment die Messfrequenz als zusätzlicher Parameter zur Verfügung steht. Sie<br />

wandten ähnlich wie bei dielektrischer und dynamisch mechanischer Spektroskopie


Dynamische Messmethoden 17<br />

Auswertealgorithmen der linearen Antworttheorie an und bestimmten eine frequenzabhängige<br />

komplexe Wärmekapazität mit Real- und Imaginärteil. Im Bereich <strong>von</strong><br />

Relaxationsprozessen, wie z.B. dem Glasübergang, ist es möglich, mit dieser<br />

Methode Wärmekapazitätsspektroskopie durchzuführen. Die Wärmekapazität ist<br />

dann analog zur dynamischen Nachgiebigkeit (J*) aus mechanischen Experimenten<br />

und der dielektrischen Suszeptibilität (ε∗) aus dielektrischen Experimenten als<br />

Suszeptibilität anzusehen. Wie erwartet findet man im Glasübergangsbereich eine<br />

Stufe im Realteil (cp’) und ein Maximum im Imaginärteil (cp’’), die sich mit der<br />

Frequenz bzw. Temperatur charakteristisch verschieben.<br />

Das Hauptproblem bei diesen Methoden, die den Effekt der Ausbreitung thermischer<br />

Wellen ausnutzen, besteht in der Separation der Wärmekapazität <strong>von</strong> der thermischen<br />

Leitfähigkeit. Wenn Diffusivität und Effusivität gleichzeitig verfügbar sind, kann<br />

eine Trennung <strong>von</strong> Wärmekapazität und Wärmeleitung erfolgen. Eine mögliche<br />

Methode dazu ist die gleichzeitige Detektion der Temperaturamplitude am Heizer<br />

und an der gegenüberliegenden Probenseite. So lassen sich Wärmekapazität und<br />

thermische Leitfähigkeit in einem einzigen Experiment bestimmen. Hierzu laufen in<br />

einigen Gruppen intensive Arbeiten und erste Erfolge sind zu verzeichnen [58, 59,<br />

87-89]. Sollte dies in dem für diese Experimente gängigen Frequenzbereich <strong>von</strong><br />

0.01 Hz bis 100 kHz gelingen, ist es möglich, Wärmekapazitätsspektroskopie mit<br />

einem experimentellen Aufbau durchzuführen.<br />

3.1.3. Temperaturmodulierte DSC (TMDSC)<br />

Eine andere Methode, zur direkten Bestimmung der komplexen Wärmekapazität ist<br />

die bereits 1971 <strong>von</strong> Gobrecht und Mitarbeitern erstmals durchgeführte Temperaturmodulierte<br />

DSC [78]. Hierbei wird dem linearen Temperaturprogramm der standard<br />

DSC (kann auch isotherm sein) eine periodische Temperaturänderung überlagert.<br />

Das Messprinzip ist analog zu dem der zuvor beschriebenen wärmewellenspektroskopischen<br />

Methoden. Aus dem gemessenen periodischen Differenzwärmestrom<br />

wird mittels Fourieranalyse frequenzselektiv die Amplitude des Wärmestroms der<br />

betrachteten Frequenz ermittelt.<br />

Aus der Amplitude der aufgeprägten Heizratenmodulation (Aq) und der Amplitude des<br />

Wärmestroms (AHF) lässt sich der Betrag der komplexen Wärmekapazität 1<br />

berechnen:<br />

C<br />

A<br />

* HF<br />

p = (3-1)<br />

Aq<br />

1 Da im Rahmen dieser Arbeit die dynamisch bestimmten Wärmekapazitäten immer als Betrag der<br />

komplexen Wärmekapazität angesehen werden und die komplexen Anteile nicht separat diskutiert<br />

werden, wird die dynamisch gemessene Wärmekapazität im folgenden nur mit cp (dynamische<br />

Wärmekapazität) bezeichnet.


18 Kapitel 3<br />

Für TMDSC Experimente ist es möglich die Frequenz der Modulation so zu wählen,<br />

<strong>das</strong>s die ermittelte Wärmekapazität nur unwesentlich durch die thermische<br />

Leitfähigkeit beeinflusst wird. Dies ist in typischen kommerziellen Kalorimetern mit<br />

Probenmassen unter 20 mg bei Frequenzen kleiner als 0.004 Hz möglich [36]. Der<br />

Einfluss der Wärmeleitfähigkeit und der Wärmeübergänge lässt sich durch später<br />

angesprochene Korrekturen berücksichtigen, so<strong>das</strong>s insgesamt ein Frequenzbereich<br />

<strong>von</strong> ca. 0.1 Hz bis 10 -5 Hz zur Bestimmung der dynamischen Wärmekapazität mittels<br />

TMDSC zur Verfügung steht.<br />

Diese Methode wurde <strong>von</strong> der wissenschaftlichen Gemeinschaft und den Entwicklern<br />

in ihrer Bedeutung und der sich daraus ergebenden Möglichkeiten unterschätzt. Es<br />

erfolgte zunächst keine weitere Entwicklung. Erst 1993 erkannte Reading die<br />

Temperaturmodulierte DSC als Möglichkeit, reversible und nicht reversible Prozesse<br />

zu trennen [79]. Die Experimente wurden mit der Überlagerung einer periodischen<br />

Temperaturstörung und einer linearen Heiz- bzw. Kühlrate, wie im DSC Experiment<br />

üblich, durchgeführt [80, 81, 90]. Weitere Untersuchungen zeigten jedoch schnell,<br />

<strong>das</strong>s aufgrund der im Vergleich zur aufgeprägten periodischen Temperaturstörung<br />

langen Zeitkonstante der ablaufenden Phasenübergänge in <strong>Polymer</strong>en eine wirkliche<br />

Trennung reversibler und irreversibler Prozesse nur im quasi-isothermen Experiment<br />

möglich sein kann [46, 48, 91]. Hierbei erfolgt die Modulation ohne unterliegende<br />

Heizrate und damit um eine gewählte mittlere Temperatur quasi-isotherm. Ein<br />

Beispiel für die quasi-isotherme Messung der Wärmekapazität während der<br />

Kristallisation der niedermolekularen Substanz 2,5-bis-(2-Propyloxycarbonylphenylsulfanyl)<br />

ist in Abbildung 3.1 dargestellt.<br />

Hier erfolgt um die mittlere Temperatur <strong>von</strong> 343 K eine sinusförmige Temperaturmodulation<br />

mit der Temperaturamplitude <strong>von</strong> 0.2 K und einer Periodendauer <strong>von</strong> 50 s<br />

(f = 0.02 Hz). Die Information über den gemessenen totalen Wärmestrom HFtotal<br />

(analog dem Wärmestrom im standard DSC Experiment) kann durch gleitende<br />

Mittelung des gemessenen periodischen Differenzwärmestroms über eine Modulationsperiode<br />

bestimmt werden:<br />

t+<br />

t p / 2<br />

∫<br />

HF = HF(<br />

t)<br />

dt<br />

(3-2)<br />

total<br />

t−t<br />

p / 2<br />

Somit können in einem Experiment die dynamische Wärmekapazität aus den<br />

Amplituden der Heizraten- und Wärmestrommodulation (entsprechend Gleichung<br />

3-1) und die Umwandlungsenthalpien aus dem totalen Wärmestrom ermittelt werden.


Dynamische Messmethoden 19<br />

T in K<br />

HF in mW<br />

in mW<br />

A HF in mW<br />

343.2 a<br />

343.0<br />

342.8<br />

0.4 b<br />

0.0<br />

-0.4<br />

-0.8<br />

0.0<br />

-0.1<br />

-0.2<br />

0.60<br />

0.55<br />

0.50<br />

c<br />

d<br />

exotherm<br />

exotherm<br />

100 1000 10000<br />

t in s<br />

Abb. 3.1: Quasi-isotherme Kristallisation <strong>von</strong><br />

2,5-bis-(2-Propyloxycarbonylphenylsulfanyl) bei einer mittleren Temperatur <strong>von</strong><br />

343 K, einer Temperaturamplitude <strong>von</strong> 0.2 K und einer Periodendauer <strong>von</strong> 50 s.<br />

Kurve a - periodisches Temperaturprogramm, Kurve b - gemessener periodischer<br />

Wärmestrom, Kurve c - totaler Wärmestrom, Kurve d - Amplitude des Wärmestroms<br />

in Kurve b. Die Generierung des periodischen Temperaturprogramms sowie die<br />

Ermittlung der Wärmestromamplitude erfolgte mit einem an ein PerkinElmer<br />

Instruments DSC2 gekoppelten Lock-in Amplifier EG&G 7220.<br />

Entsprechend Gleichung 2-3 lässt sich daraus dann die Änderung des Kristallinitätsgrades<br />

bestimmen.<br />

Im Vergleich zu standard DSC Experimenten hat man mit der Wahl der Temperaturmodulationsperiode<br />

bzw. –frequenz einen weiteren unabhängigen Parameter zur<br />

Verfügung. Durch Veränderung der aufgeprägten Frequenz der Temperaturmodulation<br />

ist die dynamische Wärmekapazität frequenzabhängig bestimmbar [92-95].<br />

Insbesondere bei der Untersuchung <strong>von</strong> Relaxationsprozessen, wie z.B. dem<br />

Glasübergang <strong>von</strong> <strong>Polymer</strong>en, lässt sich mittels TMDSC <strong>das</strong> mit anderen Methoden<br />

(AC-Calorimetry, 3-ω−Methode und Photoakustik) abfragbare Frequenzfenster<br />

(100 kHz - 0.01 Hz ) zu tiefen Frequenzen hin erweitern ( 0.1 Hz - 10 -5 Hz ) [94, 95].<br />

Hierbei ist die tiefste bisher gemessene Frequenz <strong>von</strong> f = 10 -5 Hz mit einem<br />

Wärmeleitungskalorimeter nach Calvet (Setaram DSC-121) erreicht worden. Im<br />

Gegensatz zu den sonst üblichen Scheibenmesssystemen, wo ein Großteil der<br />

Wärme undefiniert an die Umgebung im Probenraum abgegeben wird, fließt die


20 Kapitel 3<br />

Wärme während der Messung im Calvet-Kalorimeter überwiegend durch die die<br />

Probe zylinderförmig umgebenden Thermoelemente ab. Verbunden mit der<br />

vergleichsweise großen Probe (ca. 150 mg) ist eine sehr hohe Empfindlichkeit<br />

erreichbar, was jedoch mit einer großen Zeitkonstante verbunden ist, und den<br />

Frequenzbereich zu hohen Frequenzen auf 10 -3 Hz beschränkt. Die Beschränkung<br />

zu tiefen Frequenzen liefert im Allgemeinen die endliche Messzeit. Bei einer<br />

Frequenz <strong>von</strong> 10 -5 Hz dauert die Messung einer Periode schon über einen Tag. Im<br />

TMDSC- Hochfrequenzbereich zwischen 0.1 Hz und 10 -3 Hz kann unter anderem mit<br />

dem leistungskompensierten PerkinElmer Instruments Pyris 1 DSC gemessen<br />

werden. In diesem Kalorimeter befinden sich Temperatursensor und Heizer dicht<br />

unter der kleinen Probe (ca. 10 mg), so <strong>das</strong>s eine geringe Zeitkonstante des Gerätes<br />

realisiert ist. In einem eingeschränkten Frequenzbereich (2.5*10 -2 Hz - 10 -2 Hz)<br />

arbeitet <strong>das</strong> in dieser Arbeit verwendete Wärmeleitungskalorimeter DSC 2920CE der<br />

Fa. TA Instruments.<br />

Im Hochfrequenzbereich für TMDSC Experimente <strong>von</strong> über 0.004 Hz wird der<br />

gemessene Wärmestrom durch den Temperaturgradienten aufgrund <strong>von</strong> Wärmeleitungsprozessen<br />

in der Probe selber und durch alle Wärmeübergänge im Proben-<br />

Kalorimeter-System beeinflusst. Die mathematische Beschreibung dieser Prozesse<br />

ist sehr komplex und nur unter Annahme günstiger Randbedingungen möglich [96,<br />

97]. Eine empirische Lösung unter Annahme einer effektiven Zeitkonstante zur<br />

Korrektur wurde in [98] vorgestellt. Der dort gefundene lineare Zusammenhang<br />

zwischen dem Quadrat der reziproken gemessenen dynamischen Wärmekapazität<br />

der Schmelze (1/cp) 2 und dem Quadrat der Messfrequenz (ω 2 ) liefert für jede<br />

Messtemperatur eine Korrekturfunktion für Frequenzen bis zu 0.1 Hz. Diese<br />

Korrektur setzt eine frequenzunabhängige Wärmekapazität voraus. Da aber gerade<br />

die Frequenzabhängigkeit <strong>von</strong> cp für die Beschreibung der Dynamik des reversiblen<br />

Schmelzens herangezogen werden soll und die Korrekturwerte nicht einfach<br />

interpoliert werden können, wurde diese Korrektur nicht angewendet.<br />

Im Rahmen der vorliegenden Arbeit erfolgte eine einfachere Korrektur, die zu guten<br />

Ergebnissen führt [99]. Für jede einzelne Messfrequenz erfolgte die Bestimmung der<br />

dynamische Wärmekapazität der jeweiligen Probe in der Flüssigkeit. Der Korrekturfaktor<br />

für die einzelnen Frequenzen wurde aus dem Verhältnis des in der ATHAS<br />

Datenbank angegebenen Wertes für die Wärmekapazität der Flüssigkeit (cp liquid(T))<br />

und der gemessenen dynamischen Wärmekapazität (cp(ω,T)) erhalten<br />

(K(ω) = cp liquid(T) / cp(ω,Τ)). Die Multiplikation der gemessenen dynamischen<br />

Wärmekapazität mit dem Korrekturfaktor für die entsprechende Frequenz im<br />

gesamten Temperaturbereich ergibt die im folgenden immer dargestellte korrigierte<br />

dynamische Wärmekapazität. Auch dieses Korrekturverfahren berücksichtigt über die<br />

interne Kalibrierung mit den Werten in der Flüssigkeit die für jede Probe unterschiedlichen<br />

thermischen Kontakte. Das Verfahren liefert für <strong>Polymer</strong>e bei einer Einwage<br />

<strong>von</strong> 20 mg bis zu Periodendauern <strong>von</strong> 45 s gute Ergebnisse [99]. Die hier verwen-


Dynamische Messmethoden 21<br />

deten Einwagen betragen nur ca. 10 mg, so<strong>das</strong>s <strong>das</strong> Korrekturverfahren auch noch<br />

für Perioden <strong>von</strong> 30 s anwendbar ist.<br />

Von den ATHAS Datenbankwerten abweichende Wärmekapazitäten misst man<br />

<strong>of</strong>tmals auch bei tiefen Frequenzen (f < 0.004 Hz), bei denen keine frequenzabhängige<br />

Korrektur aufgrund <strong>von</strong> Wärmeleitungsprozessen erfolgen muss. Die Ursachen<br />

des Fehlers liegen sowohl in der Messungenauigkeit des Kalorimeters als auch in<br />

der Unsicherheit der Datenbankwerte <strong>von</strong> teilweise über 5% begründet. Die<br />

gefundenen Abweichungen sind aber immer kleiner als die in der Datenbank<br />

angegebenen Unsicherheiten. Um jedoch auch für die niedrigen Frequenzen die<br />

Vergleichbarkeit der gemessenen Wärmekapazitäten mit den ATHAS Datenbankwerten<br />

zu gewährleisten, erfolgt auch hier die Bestimmung eines Korrekturfaktors<br />

(K = cp liquid(ω) / cp(ω)) in der Flüssigkeit und die anschließende Multiplikation der<br />

gemessenen dynamischen Wärmekapazität mit K(ω) im gesamten Temperaturbereich.<br />

Somit ist für alle Messfrequenzen die Vergleichbarkeit mit den ATHAS<br />

Datenbankwerten gegeben.<br />

Eine Kontrolle der Güte der frequenzabhängigen Korrektur liefert der Vergleich der<br />

korrigierten Wärmekapazitäten mit den ATHAS Datenbankwerten unterhalb der<br />

Glasübergangstemperatur. Hier hat die Probe die Wärmekapazität des Festkörpers<br />

(cp solid) und ist nahezu unabhängig <strong>von</strong> der Probenmorphologie. Die korrigierte<br />

dynamische Wärmekapazität sollte demnach für alle Frequenzen der Wärmekapazität<br />

des Festkörpers entsprechen. Das Ergebnis dieses Vergleichs zeigt für alle<br />

korrigierten dynamischen Wärmekapazitäten unterhalb der Glasübergangstemperatur<br />

eine gute Übereinstimmung mit den Datenbankwerten (Fehler


22 Kapitel 3<br />

Messbedingungen angeben, unter denen der Fehler aufgrund <strong>von</strong> geringer<br />

Nichtstationarität und Nichtlinearität klein bleibt [103, 104]. Zum Einhalten dieser<br />

Bedingungen und zur Ermittlung der entsprechenden Parametersätze für die<br />

Messungen (Messfrequenz – Temperaturamplitude - unterliegende Heiz- bzw.<br />

Kühlrate) sind Vorkenntnisse über <strong>das</strong> Probenverhalten im entsprechenden<br />

Temperaturbereich erforderlich. Insbesondere fließen die Breite des<br />

Übergangsbereichs und die Temperatur- bzw. zeitabhängige Änderung der<br />

Wärmekapazität in die Abschätzungen ein.<br />

Das Problem aller temperaturmodulierter Methoden besteht darin, <strong>das</strong>s die Störung<br />

eine Temperaturänderung darstellt und die Messgröße ebenfalls temperaturabhängig<br />

ist. Die dynamische Bestimmung der Wärmekapazität ist allerdings prinzipiell an eine<br />

Temperaturmodulation gebunden. Somit werden der Zustand der Probe und damit<br />

die zu bestimmende Größe Wärmekapazität bei jeder temperaturmodulierten<br />

Messung schon allein durch die Temperaturmodulation verändert. Daher ist es<br />

<strong>of</strong>tmals notwendig TMDSC- Untersuchungen mit anderen Messmethoden, deren<br />

Störung keine Temperaturänderung darstellt, zu vergleichen. Hierdurch wird<br />

entscheidbar, ob die zur Wärmekapazität beitragenden Prozesse erst durch die<br />

Temperaturmodulation in <strong>das</strong> System eingebracht werden oder ob diese Prozesse<br />

auch ohne Temperaturmodulation (z.B. isotherm) stattfinden. Als Beispiel sei hier der<br />

dynamische Glasübergang genannt, wo dynamische Messmethoden (z.B. dielektrische<br />

und mechanische Spektroskopie) ohne Temperaturmodulation zeigen, <strong>das</strong>s die<br />

beobachteten Prozesse nicht an die Temperaturmodulation selbst gebunden sind.<br />

Auch andere den Zustand des Systems charakterisierende, temperaturabhängige<br />

Größen lassen sich in isothermen Experimenten bestimmen (z.B. Dichte, spezifisches<br />

Volumen, Streufunktion, Dielektrizitätszahl). Die Eigenschaften teilkristalliner<br />

<strong>Polymer</strong>e werden entscheidend vom Kristallinitätsgrad bestimmt. So spiegelt sich ein<br />

während der Temperaturmodulation veränderter Kristallinitätsgrad stark in den<br />

mechanischen Eigenschaften der Probe wider. Deshalb wurden neben kalorimetrischen<br />

auch mechanische Untersuchungen an teilkristallinen <strong>Polymer</strong>en durchgeführt.<br />

3.2. EXPERIMENTELLE BESTIMMUNG DES SCHERMODULS<br />

Die experimentelle Methode zur Bestimmung des Schermoduls ist die mechanische<br />

Analyse mit Scheranregung. Bei dieser Methode werden die Zusammenhänge<br />

zwischen Scherspannung (σ) und Scherdeformation (γ) untersucht. <strong>Polymer</strong>e zeigen<br />

dabei weder linear elastisches Deformationsverhalten, wie z.B. Stahl oder Keramiken,<br />

noch linear viskoses Fließverhalten, wie niedermolekulare Flüssigkeiten und<br />

Gase. Das Verhalten <strong>von</strong> <strong>Polymer</strong>en, wo ein Teil der Deformation s<strong>of</strong>ort auftritt, ein<br />

anderer sich aber erst unter konstanter Spannung ausbildet, wird als viskoelastisches<br />

Deformationsverhalten bezeichnet. Die Grundlage der Theorie des<br />

linearen visko-elastischen Verhaltens ist <strong>das</strong> Superpositionsprinzip <strong>von</strong> Boltzmann


Dynamische Messmethoden 23<br />

[105]. Es beinhaltet, <strong>das</strong>s die Summe der aufgeprägten Spannungen die Summe der<br />

entsprechenden Deformationen zur Folge hat bzw. umgekehrt. Detaillierte Beschreibungen<br />

des Deformationsverhaltens <strong>von</strong> <strong>Polymer</strong>en und der im folgenden angesprochenen<br />

Methoden finden sich z.B. bei Ferry [52] und Schwarzl [106].<br />

3.2.1. Kriech- und Erholungsexperiment bzw. Spannungsrelaxation<br />

Die Bestimmung der mechanischen Größen Schermodul und Schernachgiebigkeit<br />

kann aus der Spannungsrelaxation und dem Kriechexperiment erfolgen. Bei<br />

letzterem wird die Deformation unter konstanter Spannung betrachtet und die<br />

Schernachgiebigkeit ermittelt, während beim Spannungsrelaxationsexperiment durch<br />

Beobachtung der notwendigen Spannung für eine konstant zu haltende Deformation<br />

der Schermodul bestimmt wird. Aus der Zeitabhängigkeit <strong>von</strong> Schermodul und<br />

Schernachgiebigkeit lassen sich die Relaxationszeit und <strong>das</strong> Relaxationspektrum<br />

bzw. die Retardationszeit und <strong>das</strong> Retardationsspektrum mit den entsprechenden<br />

Relaxationsstärken und Retardationsstärken berechnen. Da beide Experimente<br />

prinzipiell den gleichen Sachverhalt, nämlich den Zusammenhang <strong>von</strong> Spannungs-<br />

und Deformationsablauf beschreiben, sind die Größen Schermodul und<br />

-nachgiebigkeit <strong>von</strong>einander abhängig. Es ist möglich, die aus dem Experiment<br />

erhaltenen Größen in die entsprechend andere umzurechnen. Das Frequenzfenster<br />

solcher Messungen liegt beginnend bei 10 -1 Hz und ist zu niedrigen Frequenzen<br />

durch die Messzeit begrenzt. Inzwischen wurde gezeigt, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> Messprinzip der<br />

einmaligen Anregung der Probe auch bei kalorimetrischen Experimenten angewandt<br />

werden kann [107, 108]. Hier vollführt man einen Temperatursprung und ermittelt <strong>das</strong><br />

zeitliche Abklingverhalten des Wärmestroms. Daraus lässt sich dann <strong>das</strong> Spektrum<br />

der Wärmekapazität bestimmen. Der Vorteil gegenüber den oben beschriebenen<br />

frequenzabhängigen quasi-isothermen TMDSC-Experimenten, wo die dynamischen<br />

Wärmekapazitäten nacheinander bei den einzelnen Frequenzen gemessen werden<br />

besteht darin, <strong>das</strong>s so <strong>das</strong> gesamte Spektrum innerhalb der Periodendauer der<br />

Grundfrequenz erhalten wird. Als Konsequenz daraus ergibt sich einerseits die<br />

extrem verkürzte Messzeit, andererseits aber auch, <strong>das</strong>s der Zustand des Systems<br />

für alle Frequenzen identisch ist.<br />

3.2.2. Dynamisch Mechanische Analyse<br />

Eine Erweiterung des Messbereiches mechanischer Methoden kann man durch<br />

periodische Messungen, wie erzwungene Schwingungen, freie Schwingungen,<br />

Resonanz stehender Wellen und Wellenausbreitung bis zu 10 8 Hz erreichen. Die<br />

üblichen kommerziellen Geräte, wie <strong>das</strong> im Rahmen dieser Arbeit verwendete<br />

Advanced Rheometric Expansion System (ARES) der Fa. Rheometric Scientific,<br />

arbeiten nach dem Prinzip der erzwungenen Schwingungen und überstreichen den<br />

Frequenzbereich zwischen 10 -4 Hz und 100 Hz.<br />

Hierbei wird <strong>das</strong> Verhältnis <strong>von</strong> Spannung σ(t) und aufgeprägter harmonischer<br />

Deformation (γ(t)=γ0sin(ωt ) erfasst, wobei ω die Kreisfrequenz der Schwingung ist.


24 Kapitel 3<br />

Die resultierende Spannung lässt sich in die Summe zweier harmonischer Komponenten<br />

zerlegen:<br />

*<br />

[ G'(<br />

ω)<br />

sin( ωt)<br />

+ G''<br />

( ω)<br />

cos( ωt)<br />

] = γ G ( ω)<br />

sin( ω δ )<br />

σ ( t ) = γ<br />

t + (3-3)<br />

0<br />

wobei eine Komponente mit der Deformation in Phase ist und die Amplitude γ0G’(ω)<br />

hat und die andere der Deformation um π/2 mit der Amplitude γ0G’’(ω) vorauseilt. So<br />

lässt sich der komplexe dynamische Schermodul:<br />

G * ( ω) = G'(<br />

ω)<br />

+ iG''<br />

( ω)<br />

(3-4)<br />

mit dem Phasenwinkel<br />

G''<br />

( ω)<br />

tan( δ ) =<br />

G'(<br />

ω)<br />

(3-5)<br />

definieren.<br />

Der schematische Verlauf des Schermoduls eines teilkristallinen sowie eines<br />

amorphen <strong>Polymer</strong>s in Abhängigkeit <strong>von</strong> der Temperatur ist in Abb. 3.2 dargestellt.<br />

Im Temperaturbereich unterhalb des Glasübergangs findet man einen oder mehrere<br />

Dispersionsstufen, die sekundären Relaxationsprozessen zuzuordnen sind. Diese<br />

werden durch Bewegungen kurzer Kettenstücke der amorphen Phase hervorgerufen.<br />

In diesem Bereich ist <strong>das</strong> Material am härtesten (steifsten) und <strong>das</strong> teilkristalline<br />

<strong>Polymer</strong> besitzt einen Schermodul, der etwas höher als der des rein amorphen<br />

<strong>Polymer</strong>s im Glaszustand ist.<br />

log (G/Pa)<br />

9<br />

8<br />

7<br />

6<br />

5<br />

4<br />

secondary relaxation processes<br />

glass transition<br />

amorphous<br />

T<br />

0<br />

α crystalline - relaxation process<br />

semi-crystalline<br />

flow<br />

melting<br />

Abb.3.2: Schematische Darstellung des Schermoduls eines amorphen und eines<br />

teilkristallinen <strong>Polymer</strong>s.<br />

Im Glasübergangsbereich kommt es zur Erweichung der amorphen Phase und somit<br />

zu einer Abnahme des Schermoduls bis zum gummi-elastischen Zustand. In<br />

teilkristallinen <strong>Polymer</strong>en lässt sich <strong>das</strong> <strong>Polymer</strong> im Bereich zwischen Tg und der


Dynamische Messmethoden 25<br />

Schmelztemperatur Tm als eine Mischung harter (kristalliner) und weicher (amorpher)<br />

Anteile auffassen. Der Schermodul hängt in diesem Bereich nicht nur stark vom<br />

Kristallinitätsgrad sondern vor allem <strong>von</strong> der Morphologie ab. Bei einigen <strong>Polymer</strong>en<br />

findet man in diesem Bereich auch Dispersionsstufen, die Relaxationsprozessen in<br />

der kristallinen Phase zugeordnet werden. Als ein Beispiel sei die Kettendiffusion<br />

innerhalb der Kristalle genannt (kristalliner α Prozess).<br />

Mit der Abnahme des Kristallinitätsgrades im Schmelzbereich kommt es auch zu<br />

einer dramatischen Abnahme des Schermoduls. Nach dem Schmelzen aller Kristalle<br />

wird für den Schermodul der Wert für die amorphe Phase bei dieser Temperatur<br />

gemessen. Daran anschließend findet man im amorphen <strong>Polymer</strong> den Fließbereich,<br />

der auch schon bei Temperaturen unterhalb der Schmelztemperatur beginnen kann.<br />

Die in Abb. 3.2 verwendete Achsenskalierung für den Schermodul deutet in etwa die<br />

Dimension des Übergangs vom teilkristallinen zum amorphen <strong>Polymer</strong> an. Während<br />

der Kristallisation lässt sich entsprechend ein deutlicher Anstieg im Schermodul<br />

erwarten.<br />

Mit Hilfe der DMA lassen sich verschiedene mechanische Größen bestimmen, die<br />

direkt mit Strukturänderungen korreliert sind (Schermodul, Schernachgiebigkeit,<br />

Elastizitätsmodul und Viskosität jeweils mit den einzelnen komplexen Komponenten).<br />

Im Rahmen der vorliegenden Arbeit soll nur die Speicherkomponente bzw. der<br />

Realteil des komplexen Schermoduls G’ als Parameter für die Änderung des<br />

Kristallinitätsgrades beim Kristallisieren und Schmelzen betrachtet werden.<br />

Makroskopisch ist G’ als Widerstand gegen Formänderung eines Probenmaterials<br />

auffassbar und lässt sich aus den Amplituden<strong>verhältnis</strong>sen <strong>von</strong> Spannung und<br />

Deformation und dem Phasenwinkel bestimmen:<br />

σ 0<br />

G '=<br />

cosδ<br />

(3-6)<br />

γ<br />

0<br />

Im Vergleich mit TMDSC Untersuchungen soll aus G’ die Bestimmung der reversiblen<br />

und irreversiblen Kristallinitätsgradsänderungen erfolgen. Eine direkte<br />

Proportionalität zum Kristallinitätsgrad gibt es jedoch nicht. Es existieren verschiedene<br />

Modelle zur Beschreibung der Relationen zwischen G’ und dem Kristallinitätsgrad<br />

[109-111]. Die einfachsten Modelle basieren auf paralleler (Voigt Modell)<br />

und serieller (Reuss Modell) Anordnung der Phasen. G’ wird dann aufgrund der<br />

Phasen<strong>verhältnis</strong>se und der Phasenanordnung ermittelt. Diese beiden Modelle sind<br />

Grenzfälle des realen Verhaltens teilkristalliner <strong>Polymer</strong>e. Die <strong>von</strong> Takayanagi [112-<br />

114] vorgeschlagene Kombination des Voigt und Reuss Modells zum parallelseriellen<br />

bzw. seriell-parallelen Modell der Verknüpfung kristalliner und amorpher<br />

Bereiche führt <strong>of</strong>t zu guten Anpassungen. Hier fließen neben geometrische Angaben<br />

zur Morphologie immer die Werte für den Schermodul der amorphen und kristallinen<br />

Phasen ein. Letzterer ist aufgrund der unvollständigen Kristallisation nicht messbar.<br />

Außerdem ist bei diesen Modellen die experimentell gefundene Unterteilung der


26 Kapitel 3<br />

amorphen Bereiche in starre bzw. bewegliche Anteile nicht berücksichtigt. Das <strong>von</strong><br />

Kerner [115, 116] entwickelte Modell der Mischung <strong>von</strong> Kugeln in amorpher Matrix<br />

hat den Vorteil, <strong>das</strong>s die Kugeln als teilkristalline Sphärolite in der amorphen<br />

Umgebung angesehen werden können. Der Schermodul der Sphärolite wird dabei<br />

dem gemessenen Schermodul des teilkristallinen Materials nach Beendigung der<br />

Kristallisation, wenn der gesamte Raum mit Sphäroliten ausgefüllt ist, gleichgesetzt<br />

und ist somit experimentell bestimmbar. Die mit dem Kerner Modell bestimmte<br />

Abhängigkeit des Schermoduls vom Kristallinitätsgrad ist in Abbildung 3.3 gezeigt.<br />

Diese Werte weichen stark <strong>von</strong> der im Folgenden beschriebenen experimentell<br />

ermittelten Korrelation ab. Daher wurde für weiterführende Rechnungen zur<br />

Bestimmung <strong>von</strong> Kristallinitätsgradsänderungen aus dem Realteil des Schermoduls<br />

in Abschnitt 4 die im folgenden beschriebenen experimentell ermittelte Beziehungen<br />

herangezogen.<br />

log(G'/Pa)<br />

8<br />

7<br />

6<br />

5<br />

4<br />

3<br />

log(G'/Pa)<br />

8 A<br />

7<br />

6<br />

5<br />

570 595<br />

T in K<br />

620<br />

c e in J/g K<br />

3<br />

2<br />

1<br />

0<br />

545 570 595<br />

T in K<br />

620<br />

0.0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5<br />

Abb. 3.3: Beziehung zwischen Schermodul und Kristallinitätsgrad ermittelt aus DMA<br />

(Einschub A) und analogen DSC (Einschub B) Experimenten im Schmelzbereich <strong>von</strong><br />

PEEK. Die Quadrate geben die nach dem Kerner Modell berechnete Beziehung an.<br />

DSC: PerkinElmer Instruments DSC7.<br />

Abbildung 3.3 zeigt am Beispiel <strong>von</strong> PEEK einen anderen, experimentellen Weg zur<br />

Bestimmung der Korrelation zwischen Kristallinitätsgrad und dem Logarithmus des<br />

Schermoduls.<br />

Hierzu wurden Schmelzexperimente mit gleichem Temperaturprogramm an gleich<br />

kristallisierten Proben im DSC und im mechanischen Spektrometer ARES durchge-<br />

χ c<br />

B<br />

0.4<br />

0.3<br />

0.2<br />

0.1<br />

0.0<br />

χ c


Dynamische Messmethoden 27<br />

führt. Die Änderung des Kristallinitätsgrades während des Schmelzprozesses werden<br />

im DSC und im ARES als gleich vorausgesetzt. Die Bestimmung des Kristallinitätsgrades<br />

in Abhängigkeit <strong>von</strong> der Temperatur erfolgte aus der Schmelzkurve des<br />

DSC Experiments (Einschub B). Einschub A zeigt die Abnahme des Schermoduls<br />

während des Schmelzens um mehr als 3 Größenordnungen. Kombiniert man die<br />

Größen Schermodul und Kristallinitätsgrad (Einschübe A und B), erhält man die in<br />

Abb. 3.3 gezeigte Korrelation zwischen dem Schermodul und dem Kristallinitätsgrad.<br />

Eine weitere Möglichkeit experimentell diese Korrelation zu bestimmen, eröffnet die<br />

auf 1 µm genaue Messbarkeit der Längenänderung der Probe ∆l im ARES. Die<br />

Abhängigkeit der Speicherkomponente des Schermoduls <strong>von</strong> der Längenänderung<br />

während der isothermen Kristallisation <strong>von</strong> Polycaprolacton bei 328 K ist in<br />

Abbildung 3.4 dargestellt.<br />

log (G') in Pa<br />

7<br />

6<br />

5<br />

0.00 0.01 0.02 0.03 0.04 0.05 0.06<br />

∆l in mm<br />

Abb. 3.4: Logarithmus des Realteils des Schermoduls als Funktion der Längenänderung<br />

während der quasi-isothermen Kristallisation <strong>von</strong> PCL bei 328 K.<br />

Diese Längenänderung der Probe zwischen den parallelen Platten kann als<br />

Änderung des Volumens während der Kristallisation betrachtet werden. Die<br />

Änderung des Volumens repräsentiert unter Annahme einer isotropen Probe über die<br />

Dichte die Änderung des Kristallinitätsgrades (Gleichung 3-7). Somit kann simultan<br />

die Änderung des Schermoduls und des Kristallinitätsgrades bestimmt werden.<br />

ρ c ( ρ sc − ρ a ) Va<br />

−V<br />

sc la<br />

− lsc<br />

∆l<br />

χ =<br />

= = =<br />

(3-7)<br />

ρ ( ρ − ρ ) V −V<br />

l − l const<br />

sc<br />

c<br />

a<br />

a<br />

c<br />

a<br />

Gleichung 3-7 gibt die Beziehungen zwischen Kristallinität χ, Dichte ρa, ρc, ρsc,<br />

Volumen Va, Vc, Vsc und Dicke la, lc, lsc der amorphen, kristallinen bzw. teilkristallinen<br />

Bereiche und der Längenänderung ∆l an.<br />

c


28 Kapitel 3<br />

Aus der in Abbildung 3.4 gezeigten linearen Abhängigkeit lassen sich Änderungen<br />

des Kristallinitätsgrades aus der Änderung des Realteil des Schermoduls bestimmen.<br />

3.2.3. Temperaturmodulierte Dynamisch Mechanische Analyse (TMDMA)<br />

Das Konzept der temperaturmodulierten DSC, die Unterteilung der Antwort eines<br />

Systems auf eine periodische Temperaturstörung in ein unterliegendes und ein<br />

periodisches Signal wird auch auf andere Methoden wie Thermogravimetrie [117],<br />

Dilatometrie [118-120], dielektrische Messungen [121] und Dynamisch Mechanische<br />

Analyse [122, 123] angewandt. Im Rahmen dieser Arbeit wurde die Temperaturmodulierte<br />

Dynamisch Mechanische Analyse entwickelt [122-127].<br />

Der Vergleich der TMDSC mit der TMDMA liefert insbesondere dann neue<br />

Informationen, wenn im TMDSC Experiment aufgrund des niedrigen Signal-Rausch-<br />

Verhältnisses kleine Änderungen des Gesamtkristallinitätsgrades nicht aufgelöst<br />

werden können. Der Grund hierfür besteht darin, <strong>das</strong>s die Messgröße nicht eine<br />

Funktion des Kristallinitätsgrades sondern deren Ableitung ist. Die Verfolgung solch<br />

kleiner Änderungen ermöglicht aber die DMA, wo die Messgröße eine Funktion des<br />

Kristallinitätsgrades ist. Somit können langsame Prozesse mit geringer Rate der<br />

Kristallinitätsgradsänderungen isotherm verfolgt werden.<br />

Neben diesen isothermen Experimenten lassen sich auch quasi-isotherme<br />

Experimente wie bei der TMDSC durchführen. Analog zur TMDSC spricht man hier<br />

<strong>von</strong> der TMDMA und es lässt sich die Amplitude der Schermodulantwort auf die<br />

Temperaturstörung bestimmen und im Vergleich mit TMDSC-Experimenten<br />

diskutieren.<br />

Eine wesentliche Voraussetzung für die Vergleichbarkeit beider Methoden ist die<br />

gleiche Kristallisationskinetik der Proben in den unterschiedlichen Geräten, die<br />

insbesondere durch Unterschiede in der Temperatur aber auch durch scherinduzierte<br />

Prozesse beeinflusst werden kann. Das im Rahmen dieser Arbeit genutzte<br />

mechanische Messgerät ARES wurde daher wie folgt temperaturkalibriert:


Dynamische Messmethoden 29<br />

T o -T m in K<br />

4<br />

2<br />

0<br />

∆l in mm<br />

0.0<br />

-0.2<br />

-0.4<br />

-0.6<br />

-0.8<br />

Hg<br />

430 432<br />

T in K<br />

H 2 O<br />

200 250 300 350 400 450 500 550 600 650<br />

In<br />

T m in K<br />

Abb. 3.5: Bestimmung der Temperaturkalibrierfunktion für <strong>das</strong> ARES anhand der<br />

Schmelztemperatur verschiedener St<strong>of</strong>fe.<br />

Zwischen die bei den Kristallisations- und Schmelzexperimenten verwendeten<br />

Probenhalter, parallele Platten (untere Platte mit größerem Durchmesser und<br />

erhöhter Umrandung), werden nacheinander kristalline Festkörper mit exakt<br />

bekanntem Schmelzpunkt (Quecksilber, Wasser, Indium, Zinn und Blei) gelegt. Unter<br />

leichter, konstant gehaltener Kompression der Probe ist es nun möglich, wie im<br />

Einschub in Abbildung 3.5 dargestellt, die Dickenänderung der Probe in Abhängigkeit<br />

<strong>von</strong> der Temperatur aufzuzeichnen. Beim Schmelzen der Kalibriersubstanz nimmt<br />

die Dicke durch die Kompression drastisch ab. Die so gefundene Schmelztemperatur<br />

wird mit der Schmelztemperatur aus Tabellenwerten verglichen. Anhand der<br />

Messpunkte für mehrere Kalibriersubstanzen lässt sich eine exponentielle Temperaturkalibrierfunktion<br />

mit T-Tm = 0.35*e (Tm/144) für die Abweichung der gemessenen <strong>von</strong><br />

der wahren Temperatur bestimmen.<br />

Ein weiterer Einflussfaktor auf die Kristallisationskinetik kann die Scherung der Probe<br />

sein. Man spricht dann <strong>von</strong> scherinduzierter Kristallisation. In [128, 129] wurde dieser<br />

Einfluss für PCL unter Verwendung sehr großer Scherraten gezeigt. Für die im<br />

Rahmen dieser Arbeit verwendeten kleinen Scherraten konnte, wie in Abb. 3.6<br />

ebenfalls am Beispiel <strong>von</strong> PCL gezeigt ist, keine Abhängigkeit der Kristallisationskinetik<br />

<strong>von</strong> der Scherung gefunden werden.<br />

Sn<br />

Pb


30 Kapitel 3<br />

G' in Pa<br />

10 8<br />

10 7<br />

10 6<br />

10 5<br />

10 4<br />

10 3<br />

10 2<br />

applied shear strain after:<br />

18000 s<br />

14400 s<br />

10800 s<br />

7200 s<br />

3600 s<br />

10<br />

0 10000 20000 30000 40000 50000 60000<br />

1<br />

Abb. 3.6: Einfluss der Scherung auf die Kristallisationskinetik <strong>von</strong> PCL.<br />

t in s<br />

Hierzu wurde die Probe zunächst mit 2 K/min aus der Schmelze (343 K) auf die<br />

Kristallisationstemperatur (328 K) abgekühlt und die Entwicklung des Schermoduls<br />

unter aufgeprägter Scherung bestimmt. In den folgenden Experimenten wurde die<br />

Probe nach dem Abkühlen aus der Schmelze ohne Scherung bei der Kristallisationstemperatur<br />

getempert und erst nach verschiedenen Wartezeiten mit der<br />

Scherung begonnen. Da alle Kurvenverläufe nahezu deckungsgleich sind, kann<br />

da<strong>von</strong> ausgegangen werden, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> Kristallisationsverhalten bei den verwendeten<br />

Messbedingungen gar nicht oder nur unwesentlich durch die Scherung beeinflusst<br />

wird.<br />

Zum Vergleich temperaturmodulierter Messungen im DSC und im mechanischen<br />

Spektrometer ist es weiterhin notwendig, mit gleichen Periodendauern (Frequenzen)<br />

der Temperaturmodulation und gleichen Temperaturamplituden zu arbeiten. Für die<br />

unterschiedlichen DSC’s ist aufgrund der frequenzabhängigen Kalibriermessungen in<br />

der Schmelze (siehe oben) bekannt, ab welcher Periodendauer die vorgegebene<br />

Temperaturamplitude in der gesamten Probe realisiert wird. Für Untersuchungen der<br />

Kristallisation ist es aus Gründen der Einhaltung stationärer Bedingungen immer<br />

günstig, mit der höchst möglichen Frequenz zu arbeiten. Um zu bestimmen, ab<br />

welcher Frequenz auch im mechanischen Spektrometer die gesamte Probe der<br />

aufgeprägten Temperaturmodulation folgt, wurde für teilkristallines PCL die<br />

Abhängigkeit der Amplitude des Schermoduls <strong>von</strong> der Frequenz der Temperaturmodulation<br />

bestimmt. Die Amplitude der Sägezahntemperaturmodulation wurde mit<br />

0.5 K analog zu üblichen Werten im DSC und zu den späteren Messungen während<br />

der isothermen Kristallisation gewählt. Die für die Auswertung maßgebliche<br />

Temperaturamplitude der 1. Harmonischen ist dann 0.4 K (AT soll). Die Regelung der<br />

Temperatur erfolgte über ein im Probenraum des Spektrometers angebrachtes<br />

0 s


Dynamische Messmethoden 31<br />

Thermoelement. Die Amplitude der mit diesem Thermoelement ermittelten<br />

Temperatur (AT oven) ist, wie in Abbildung 3.7 a dargestellt, erst ab Frequenzen kleiner<br />

als 3*10 -3 Hz im Bereich des Sollwertes. Betrachtet man die Temperaturamplitude<br />

eines Thermoelementes, <strong>das</strong> sich in direktem Kontakt zur unteren Platte befindet<br />

(AT sample), ist zu erkennen, <strong>das</strong>s erst bei Frequenzen kleiner als 10 -3 Hz die<br />

vorgegebene Temperaturamplitude <strong>von</strong> 0.4 K realisiert wird. Dass die Temperatur,<br />

gemessen unter der unteren Platte, auch der Temperatur der gesamten Probe<br />

entspricht, sieht man am Verlauf der Schermodulamplituden (Abb. 3.7 b) und der<br />

Temperaturamplitude unter der unteren Platte (Abb. 3.7 a).<br />

A T in K<br />

A G' in MPa<br />

A G' /A T sample in MPa K -1<br />

0.5<br />

0.4<br />

0.3<br />

0.2<br />

0.1<br />

0.20<br />

0.15<br />

0.10<br />

0.05<br />

0.63<br />

0.60<br />

0.57<br />

0.54<br />

0.51<br />

a<br />

b<br />

c<br />

t in s p<br />

1000 100<br />

1E-3 0.01<br />

f in Hz<br />

A T oven<br />

A T soll<br />

A T sample<br />

Abb. 3.7: Bestimmung der Frequenzabhängigkeit der Temperaturamplitude der<br />

parallelen Platten und der Amplitude der Speicherkomponente des Schermoduls.<br />

Wird jedoch <strong>das</strong> Amplituden<strong>verhältnis</strong> der Schermoduloszillation und der Temperatur<br />

betrachtet (Abb. 3.7 c), findet man einen relativ konstanten Wert. Dies spricht dafür,<br />

<strong>das</strong>s auch eine schnellere Modulation möglich ist. Damit könnte ein direkter<br />

Vergleich der aus der TMDSC erhaltenen Dynamik mit TMDMA Experimenten<br />

erfolgen. Allerdings muss dann wie in TMDSC Experimenten eine Korrektur des<br />

gemessenen Schermoduls in Abhängigkeit <strong>von</strong> der Temperaturmodulationsfrequenz<br />

erfolgen. Darauf wurde zunächst verzichtet und alle nachfolgenden Untersuchungen<br />

mit einer Temperaturamplitude <strong>von</strong> 0.5 K und einer Frequenz <strong>von</strong> 8.33*10 -4 Hz<br />

(Periodendauer tp = 1200 s) durchgeführt.<br />

Die Realisierung des periodischen Temperaturprogramms erfolgte im ARES mit Hilfe<br />

der <strong>von</strong> Rheometric Scientific zur Verfügung gestellten S<strong>of</strong>tware „RheoParse“. Diese<br />

ermöglicht jedes beliebige Temperaturprogramm (insbesondere auch ein perio-


32 Kapitel 3<br />

disches) zu generieren. Hierbei wird einem aus der RSIOrchestrator-S<strong>of</strong>tware<br />

standardmäßig gewählten Messprogramm <strong>das</strong> Temperaturprogramm der Rheoserve<br />

S<strong>of</strong>tware überlagert. Das Beispiel für eine Modulation mit variabler Temperaturamplitude,<br />

Temperaturmodulationsfrequenz, Anfangstemperatur und unterliegender<br />

Heiz- bzw. Kühlrate als Überlagerung zu einem isothermen dynamischen Experiment<br />

ist im Anhang A2 aufgelistet. Bei der Wahl der unterliegenden Heizrate <strong>von</strong> 0 K/min<br />

spricht man analog zum quasi-isothermen TMDSC Experiment <strong>von</strong> quasi-isothermer<br />

TMDMA. In Abbildung 3.8 ist als Beispiel für ein quasi-isothermes TMDMA<br />

Experiment ein Ausschnitt der Entwicklung des Schermoduls während des<br />

schrittweise quasi-isothermen Schmelzens <strong>von</strong> PCL dargestellt.<br />

T in K<br />

G' in Pa<br />


Dynamische Messmethoden 33<br />

empfohlen. In dieser spiegeln sich, wie Abb. 3.8 z.B. zwischen 100000 s und<br />

105000 s zeigt, die Zeitabhängigkeit des Schermoduls und damit der Kristallinität<br />

wieder.<br />

In Abbildung 3.9 sind für PEEK die Amplituden der periodischen Anteile des<br />

Wärmestroms und die normierten Amplituden des Schermoduls aus schrittweise<br />

quasi-isothermen und Scanexperimenten dargestellt. Analog zur Amplitude des<br />

Wärmestroms findet man aufgrund eines reversiblen Prozesses auch in der<br />

normierten Amplitude des Schermoduls aus TMDMA Scan- und schrittweise quasiisothermen<br />

Experimenten einen Peak.<br />

A HF in mW<br />

A G' /G'<br />

1.2<br />

1.0<br />

0.8<br />

0.6<br />

0.4<br />

0.3<br />

0.2<br />

0.1<br />

0.0<br />

a-TMDSC<br />

b-TMDMA<br />

520 540 560 580 600 620<br />

T in K<br />

Abb. 3.9: Amplituden des Wärmestroms aus TMDSC Scan- (Kurve a) und quasiisothermen<br />

Experimenten (Kurve b nach 1800 s bzw. Kurve c nach 10800 s) und<br />

normierte Amplitude des Schermoduls aus TMDMA Scan- (Kurve a) und quasiisothermen<br />

Experimenten. TMDSC: Setaram DSC141, TMDMA: Rheometric<br />

Scientific ARES, AT = 0.5 K, tp = 1200 s, qo scan = 0.1 K/min.<br />

Die zeitliche Entwicklung der Amplitude des Schermoduls ist im vorliegenden<br />

Beispiel aufgrund des niedrigen Signal-Rausch-Verhältnisses nicht verfolgbar.<br />

Wie in der TMDSC lassen sich auch für die TMDMA temperaturmodulierte Messungen<br />

mit unterliegender Heizrate realisieren. In Abbildung 3.10 sind <strong>das</strong> periodische<br />

Temperaturprogramm und der gemessene Schermodul bzw. der totale Schermodul<br />

für einen Ausschnitt eines TMDMA Scanexperiments dargestellt. Die aus dem<br />

periodischen Schermodul bestimmte normierte Amplitude der Gesamtmessung ist im<br />

Abschnitt ist in Abb. 3.9 b zu sehen.<br />

a<br />

b<br />

c<br />

d<br />

e


34 Kapitel 3<br />

G' in Pa<br />

8.0x10 7<br />

7.5x10 7<br />

7.0x10 7<br />

6.5x10 7<br />

6.0x10 7<br />

5.5x10 7<br />

G'<br />

41000 42000 43000 44000 45000<br />

t in s<br />

Abb. 3.10: Beispiel für ein TMDMA Scanexperiment im Schmelzbereich <strong>von</strong> PEEK.<br />

Neben dem periodischen Temperaturprogramm (blau) und dem Realteil des<br />

Schermoduls (schwarz) sind auch der geglättete Schermodul (grün) und der totale<br />

Schermodul (rot) dargestellt.<br />

Aus dem Verlauf <strong>von</strong> G’ ist deutlich die Antwort auf <strong>das</strong> periodische Temperaturprogramm<br />

zu erkennen. Der Abfall während der Heizphasen wird im Wesentlichen<br />

durch <strong>das</strong> Schmelzen und den sich damit verringernden Kristallinitätsgrad bestimmt,<br />

wobei die Zunahme <strong>von</strong> G’ während der Isothermen für eine Rekristallisation und<br />

Zunahme des Kristallinitätsgrades spricht.<br />

Grundsätzlich lässt sich zur TMDMA sagen, <strong>das</strong>s eine vollständige Korrelation der<br />

Messgrößen zur Morphologie immer an der unbekannten Beziehung zwischen<br />

Schermodul und Kristallinitätsgrad scheitert. Trotzdem können basierend auf der<br />

experimentell bestimmten Abhängigkeit des Schermoduls vom Kristallinitätsgrad<br />

neben qualitativen Aussagen aufgrund der Zu- bzw. Abnahme des Schermoduls<br />

auch Kristallinitätsgradsänderungen abgeschätzt werden.<br />

Wie die folgenden Kapitel zeigen, kann die Kombination der vorgestellten dynamischen<br />

Messmethoden zusätzliche Erkenntnisse liefern. Es sei hier nochmals auf<br />

die Möglichkeit der Ermittlung kleinster Änderungen der Morphologie bzw. des<br />

Kristallinitätsgrades im TMDMA Experiment hingewiesen. Dies ist als Zusatzinformation<br />

zu den TMDSC Experimenten zu verstehen. Auch der Vergleich der<br />

frequenzabhängigen (Temperaturmodulationsfrequenz) Untersuchungen der<br />

Wärmekapazität mit den frequenzabhängigen (Scherfrequenz) dynamisch mechanischen<br />

Untersuchungen liefert interessante Ergebnisse zur Dynamik des reversiblen<br />

Schmelzens.<br />


KAPITEL 4: EXPERIMENTELLE ERGEBNISSE<br />

Die vorgestellten TMDSC Experimente an teilkristallinen <strong>Polymer</strong>en sind vielseitig.<br />

Das betrifft sowohl die unterschiedlichen Messbedingungen und Probenmaterialien,<br />

als auch die verschiedenen Fragestellungen beim Schmelzen und Kristallisieren.<br />

Zunächst werden im Abschnitt 4.1 TMDSC Scanexperimente in einem weiten<br />

Temperaturbereich betrachtet, um danach in Abschnitt 4.2 auf detailliertere<br />

Fragestellungen beim Schmelzen und in Abschnitt 4.3 beim Kristallisieren einzugehen.<br />

In Abschnitt 4.2 wird anhand <strong>von</strong> Modellrechnungen der Einfluss der irreversiblen<br />

latenten Wärmen auf die dynamische Wärmekapazität mit dem Ergebnis betrachtet,<br />

<strong>das</strong>s quantitative Aussagen zum reversiblen Schmelzen nur aus quasi-isothermen<br />

Experimenten gewonnen werden können. Daran anschließend erfolgt in Abschnitt<br />

4.2 bzw. 4.3 die Vorstellung und Diskussion quasi-isothermer TMDSC und TMDMA<br />

Experimente und frequenzabhängiger Messungen des Schermoduls bzw. der<br />

dynamischen Wärmekapazität im Schmelzbereich und während der Kristallisation.<br />

4.1. TMDSC SCANEXPERIMENTE ZWISCHEN GLASÜBERGANG UND<br />

SCHMELZTEMPERATUR<br />

Um für verschiedene <strong>Polymer</strong>e einen Überblick über den Temperaturbereich zu<br />

erlangen in dem Exzessphänomene auftreten, bietet sich die Betrachtung der<br />

dynamischen Wärmekapazität aus TMDSC Scanexperimenten im Temperaturbereich<br />

<strong>von</strong> unterhalb der Glasübergangstemperatur bis oberhalb der Schmelztemperatur<br />

und der Vergleich mit ATHAS Datenbankwerten an.<br />

Dieser Vergleich ist aufgrund der in Abschnitt 3.1.4 beschriebenen Kalibrierung der<br />

gemessenen dynamischen Wärmekapazitäten auf die Datenbankwerte oberhalb der<br />

Schmelztemperatur möglich. Die gemessenen dynamischen Wärmekapazitäten<br />

stimmen sowohl oberhalb der Schmelz- als auch unterhalb der Glasübergangstemperatur<br />

mit den Datenbankwerten überein. Zwischen diesen beiden Referenzzuständen<br />

findet man bei allen teilkristallinen <strong>Polymer</strong>en Exzessphänomene, deren<br />

Ausprägung jedoch in Abhängigkeit vom <strong>Polymer</strong> sehr unterschiedlich sein kann. Im<br />

folgenden werden mit Polyethylen (PE), syndiotaktischem Polypropylen (sPP),


36 Kapitel 4<br />

Polycaprolacton (PCL), Polycarbonat (PC) und Polyhydroxybuttersäure (PHB)<br />

verschiedene Vertreter vorgestellt. 1<br />

In Abbildung 4.1 ist die gemessene dynamische Wärmekapazität zusammen mit der<br />

Basislinienwärmekapazität aus einem „2-Phasen Modell“ und den Wärmekapazitäten<br />

der flüssigen bzw. festen Substanz während des Kühlens und nachfolgenden<br />

Heizens für PE dargestellt.<br />

|c p *| in J g -1 K -1<br />

10<br />

9<br />

8<br />

7<br />

6<br />

5<br />

4<br />

3<br />

HF total in W g -1<br />

0.4<br />

0.2<br />

0.0<br />

-0.2<br />

-0.4<br />

-0.6<br />

380 390 400 410<br />

c p liquid<br />

heating<br />

T in K<br />

cooling<br />

exotherm<br />

heating<br />

cooling<br />

2<br />

1<br />

250<br />

cp solid<br />

300 350<br />

c (χ = 0.78)<br />

pb crystal<br />

400<br />

T in K<br />

Abb. 4.1: Gemessene spezifische dynamische Wärmekapazität <strong>von</strong> Polyethylen<br />

(BASF: HDPE6011H) während einer TMDSC Scan-Kühlmessung und darauffolgender<br />

Heizmessung. Die Geraden geben den Verlauf der Wärmekapazitäten der<br />

flüssigen, kristallinen und teilkristallinen Substanz an. TA Instruments DSC 2920CE,<br />

q0=0.5 K/min, AT=0.5 K, tp=100 s.<br />

Die dynamische Wärmekapazität entspricht vor der Kristallisation der Wärmekapazität<br />

der Flüssigkeit. Bei 397 K beginnt <strong>das</strong> <strong>Polymer</strong> zu kristallisieren. Da Polyethylen<br />

aufgrund der hohen Kettenbeweglichkeit ein sehr gut kristallisierbares Material ist,<br />

erfolgt die Kristallisation nach ihrem Beginn im Kühlexperiment sehr schnell. Schon<br />

innerhalb <strong>von</strong> 10 Minuten (5 K in Abbildung 4.1) ist die Hauptkristallisation abgeschlossen.<br />

Während der Kristallisation bestimmen die hierbei auftretenden latenten<br />

Kristallisationswärmen den Kurvenverlauf und es wird ein scharfes Maximum in der<br />

dynamischen Wärmekapazität registriert. Eine Diskussion dieses Bereiches ist nicht<br />

möglich, da aufgrund der schnellen Kristallisation und der damit verbundenen schnell<br />

frei werdenden Kristallisationswärmen die Grundvoraussetzungen Linearität und<br />

Stationarität (nur 6 Modulationsperioden im Kristallisationsbereich) während der<br />

Messung nicht erfüllt sind. Bei 392 K wird die dynamische Wärmekapazität mit<br />

1 Details über die im Rahmen der vorliegenden Arbeit untersuchten <strong>Polymer</strong>e sind im Anhang A1<br />

aufgeführt.


Experimentelle Ergebnisse 37<br />

3.5 J/gK ermittelt. Die erwartete Basislinienwärmekapazität für <strong>das</strong> hier zu 78 %<br />

kristallisierte Material beträgt jedoch nur 2.2 J/gK. Die Exzesswärmekapazität, die<br />

immer die Differenz zwischen gemessener und Basislinienwärmekapazität darstellt,<br />

beträgt demnach zu diesem Zeitpunkt der Messung 1.3 J/gK. Während der weiteren<br />

Abkühlphase nähert sich die gemessene dynamische Wärmekapazität der<br />

Basislinienwärmekapazität an, erreicht diese jedoch erst bei ca. 280 K. In diesem<br />

Bereich <strong>von</strong> über 100 K findet man also eine Exzesswärmekapazität. Die dynamische<br />

Wärmekapazität während der Aufheizphase verläuft bis zu 392 K identisch zu<br />

der während des Abkühlens. Das weitere Aufheizen ist bis zum Schmelzbereich mit<br />

einer Zunahme der dynamischen Wärmekapazität auf über 10 J/gK verbunden, was<br />

einer Exzesswärmekapazität <strong>von</strong> 8 J/gK entspricht. Auch hier wird ein Großteil der<br />

Exzesswärmekapazität durch latente, irreversible Schmelzwärmen hervorgerufen<br />

und die Messung wird unter den gegebenen Bedingungen nichtlinear und nichtstationär.<br />

Bei Experimenten mit quasi-isothermen Messbedingungen, die sowohl unter<br />

stationären als auch unter linearen Bedingungen durchgeführt wurden, findet man für<br />

PE im Schmelzbereich dynamische Wärmekapazitäten, die mehr als dem Doppelten<br />

der Basislinienwärmekapazität entsprechen [56]. Dies ist nur mit dem Auftreten<br />

reversibler latenter Wärmen zu erklären, die einen Beitrag zur dynamischen<br />

Wärmekapazität liefern. Für <strong>das</strong> Polyethylen scheint die Frage nach dem damit<br />

einhergehenden reversiblen Schmelz- und Kristallisationsprozess geklärt. Hier tritt,<br />

wie z.B. auch bei Polyethylenoxid, ein reversibles Oberflächenschmelzen an den<br />

Faltenoberflächen der Kristalllamellen auf [53, 54]. Dieses reversible Oberflächenschmelzen<br />

ist, wie durch Vergleich mit Röntgenbeugungsexperimenten gezeigt,<br />

streng mit dem kristallinen α-Prozess, der die gleitende Bewegung <strong>von</strong> gestreckten<br />

Ketten durch die Kristalllamelle beschreibt, verbunden [55-57]. Der Vergleich der<br />

Exzesswärmekapazitäten, ermittelt aus temperaturmodulierten DSC Untersuchungen<br />

mit aus Röntgenkleinwinkeluntersuchungen berechneten Exzesswärmekapazitäten,<br />

lässt den Schluss zu, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> reversible Oberflächenschmelzen für die große<br />

Exzesswärmekapazität verantwortlich ist. Dennoch ist für <strong>das</strong> Polyethylen nicht<br />

auszuschließen, <strong>das</strong>s weitere reversible Prozesse einen, wenn auch vergleichsweise<br />

kleinen Beitrag zur gemessenen dynamischen Wärmekapazität liefern. Eine aus<br />

dieser Überlegung resultierende Aufteilung der Exzesswärmekapazität auf zwei oder<br />

mehrere Prozesse wäre nur unter präziser Bestimmung der Exzesswärmekapazität<br />

aufgrund eines der reversiblen Prozesse möglich. Für <strong>das</strong> reversible Oberflächenschmelzen<br />

ist es sowohl aus theoretischen Überlegungen als auch aus den<br />

Vergleichsexperimenten mit Röntgenkleinwinkelstreuung gegenwärtig nicht möglich,<br />

die notwendige Genauigkeit zu erzielen. Die erforderliche Genauigkeit ergibt sich aus<br />

der Betrachtung der Exzesswärmekapazitäten anderer <strong>Polymer</strong>e, bei denen kein<br />

reversibles Oberflächenschmelzen auftritt. Hier werden, wie im Folgenden gezeigt,<br />

<strong>of</strong>tmals nur Exzesswärmekapazitäten <strong>von</strong> unter 10% der Basislinienwärmekapazität<br />

beobachtet.


38 Kapitel 4<br />

Eine andere Möglichkeit der Trennung verschiedener Prozesse besteht in frequenzabhängigen<br />

Untersuchungen. Hierbei werden z.B. in der dielektrischen und<br />

mechanischen Spektroskopie einzelne Prozesse entsprechend ihrer Dynamik<br />

<strong>von</strong>einander separiert. Sollten <strong>das</strong> reversible Oberflächenschmelzen und mögliche<br />

andere reversible Prozesse unterschiedliche Dynamiken aufweisen, ist eine<br />

Separation durch wärmekapazitätsspektroskopische Untersuchungen denkbar.<br />

Allerdings ist der hierfür zur Zeit experimentell zur Verfügung stehende Frequenzbereich<br />

zu gering.<br />

Da <strong>das</strong> Auftreten des kristallinen α-Prozesses und damit <strong>das</strong> reversible Oberflächenschmelzen<br />

auf eine Minderheit unter den <strong>Polymer</strong>en beschränkt ist, jedoch auch alle<br />

anderen <strong>Polymer</strong>e zumindest im Schmelzbereich Exzesswärmekapazitäten zeigen,<br />

gibt es mindestens einen weiteren reversiblen Prozess. Die Untersuchung der<br />

Exzesswärmekapazität und des zugrundeliegenden reversiblen Prozesses, die nicht<br />

vom Oberflächenschmelzen an den Faltenoberflächen der Kristalllamellen herrühren,<br />

soll im weiteren im Mittelpunkt stehen.<br />

Abbildung 4.2 zeigt, analog zum Experiment am Polyethylen, die gemessene<br />

dynamische Wärmekapazität während des Abkühlens und nachfolgenden Aufheizens<br />

<strong>von</strong> syndiotaktischem Polypropylen.<br />

|c p *| in J g -1 K -1<br />

3<br />

2<br />

HF total in W g -1<br />

0.05<br />

0.00<br />

-0.05<br />

heating<br />

c p solid<br />

cooling<br />

360 370 380 390 400 410 420<br />

T in K<br />

exotherm<br />

c p liquid<br />

c pb (χ solid (T g ) = 0.59)<br />

cooling<br />

heating<br />

c pb (χ crystal = 0.17)<br />

250 300 350 400<br />

T in K<br />

Abb. 4.2: Gemessene spezifische dynamische Wärmekapazität <strong>von</strong> Polypropylen<br />

(sPP) während einer TMDSC Scan-Kühlmessung und darauffolgender Heizmessung.<br />

Die Geraden geben den Verlauf der Wärmekapazitäten der flüssigen, kristallinen und<br />

teilkristallinen Substanz an. TA Instruments DSC 2920CE, q0=0.5 K/min, AT=0.5 K,<br />

tp=100 s.<br />

Auch hier entspricht die gemessene dynamische Wärmekapazität vor dem Beginn<br />

der Kristallisation der Wärmekapazität der Flüssigkeit. Anhand des totalen Wärmestroms<br />

lässt sich der Beginn der Kristallisation bei 376 K erkennen. Ab hier weicht


Experimentelle Ergebnisse 39<br />

auch die gemessene dynamische Wärmekapazität <strong>von</strong> der Wärmekapazität der<br />

Flüssigkeit ab. Vergleicht man jedoch die gemessene dynamische Wärmekapazität<br />

nach erfolgter Kristallisation bei 363 K (Ende der Kristallisationsexothermen im<br />

totalen Wärmestrom) <strong>von</strong> 2.27 J/gK mit der Basislinienwärmekapazität <strong>von</strong> 2.15 J/gK,<br />

ist ein deutlicher Unterschied zu verzeichnen. Die Exzesswärmekapazität beträgt<br />

0.12 J/gK. Dabei erfolgt die Berechnung der Basislinienwärmekapazität des<br />

teilkristallinen <strong>Polymer</strong>s aus Gleichung 2-8 nach einem „3-Phasen Modell“.<br />

Bei einer quantitativen Betrachtung der Exzesswärmekapazitäten während der<br />

TMDSC Scan-Kühlexperimente im Kristallisationsbereich (hier: 376 K-363 K) ist zu<br />

beachten, <strong>das</strong>s die Kristallisation zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen ist<br />

und somit die aktuelle Morphologie nicht bekannt und nicht identisch mit der der<br />

auskristallisierten Probe ist. Die Bestimmung der hier angegebenen Basislinienwärmekapazität<br />

für <strong>das</strong> teilkristalline Material erfolgt allerdings immer aus der Höhe<br />

der Wärmekapazitätsstufe am Glasübergang bzw. der Fläche des Schmelzpeaks der<br />

auskristallisierten Probe.<br />

Mit dem weiteren Abkühlen sinkt die Exzesswärmekapazität in Abhängigkeit <strong>von</strong> der<br />

Temperatur langsam ab und verschwindet erst 30 K oberhalb des Glasübergangs bei<br />

310 K. Unterhalb des Glasübergangs verlaufen sowohl die Kühl- als auch die<br />

Heizkurve ähnlich der erwarteten Basislinienwärmekapazität der starren Phase.<br />

Oberhalb des Glasübergangs verläuft die gemessene dynamische Wärmekapazität<br />

des Heizexperimentes bis zur Kristallisationstemperatur identisch zur dynamischen<br />

Wärmekapazität des Kühlexperimentes. Dieser Fakt zeigt, <strong>das</strong>s mit der gemessenen<br />

dynamischen Wärmekapazität bzw. der daraus ermittelten Exzesswärmekapazität<br />

der aktuelle Zustand der Probe in Abhängigkeit <strong>von</strong> der Temperatur erfasst wird. Die<br />

Ab- bzw. Zunahme der Exzesswärmekapazität ist also verbunden mit temperaturabhängigen<br />

Probeneigenschaften. Diesen Probeneigenschaften muss ein reversibler<br />

Prozess zugrunde liegen, da in diesem Bereich keine latenten Wärmen <strong>von</strong><br />

irreversiblen Schmelz- und Kristallisationsprozessen Beiträge zur dynamischen<br />

Wärmekapazität liefern können. Im Schmelzbereich steigt die dynamische Wärmekapazität<br />

im Maximum auf 3 J/gK an, was einer Exzesswärmekapazität <strong>von</strong> 0.6 J/gK<br />

entspricht. Die im direkten Schmelzbereich gemessenen dynamischen Wärmekapazitäten<br />

sind unter den gegebenen Messbedingungen wesentlich durch latente<br />

Wärmen irreversibler Prozesse, wie partielles Schmelzen der Probe mit möglicher<br />

nachfolgender Reorganisation, bestimmt. Aus diesem Grunde ist es nicht ohne<br />

weiteres möglich, aus TMDSC Scanexperimenten zwischen der Exzesswärmekapazität<br />

hervorgerufen durch <strong>das</strong> reversible Schmelzen oder der durch irreversible<br />

Schmelz- und Rekristallisationsprozesse zu unterscheiden. Der Einfluss des<br />

irreversiblen Schmelzens auf die gemessene dynamische Wärmekapazität ist im<br />

folgenden Abschnitt durch Modellrechnungen quantifiziert. Eine Möglichkeit der<br />

Trennung reversibler und irreversibler Prozesse bietet <strong>das</strong> schrittweise quasiisotherme<br />

Aufheizen der Probe. Hierbei wird in entsprechenden Temperaturinter-


40 Kapitel 4<br />

vallen <strong>das</strong> Aufheizen unterbrochen und quasi-isotherm die Entwicklung der<br />

Exzesswärmekapazität verfolgt. Der aus irreversiblen Prozessen herrührende Anteil<br />

an der Exzesswärmekapazität verschwindet mit der Zeit. Was übrig bleibt ist die <strong>das</strong><br />

reversible Schmelzen charakterisierende Wärmekapazität. Allerdings ist bei diesen<br />

Experimenten der Vergleich mit den entsprechenden TMDSC Scanexperimenten<br />

<strong>of</strong>tmals schwer möglich, da durch <strong>das</strong> Tempern bei den verschiedenen Temperaturen<br />

die Morphologie der Probe entscheidend geändert werden kann. Der Einfluss<br />

der Temperzeit und -temperatur ist dabei vom <strong>Polymer</strong> abhängig. So zeigt z.B. PET<br />

starke Morphologieveränderungen durch Tempern in einem weiten Temperaturbereich<br />

zwischen dem Glasübergangs- und dem Schmelzbereich [10, 130],<br />

währenddessen die Morphologie <strong>von</strong> teilkristallinem PCL außerhalb des Schmelzbereiches<br />

weniger <strong>von</strong> der thermischen Vorgeschichte abhängt. In Abbildung 4.3<br />

sind für PCL neben den dynamischen Wärmekapazitäten aus den TMDSC Scan-<br />

Kühl- und Heizexperimenten auch die dynamischen Wärmekapazitäten aus quasiisothermen<br />

Experimenten nach 8 Stunden Wartezeit bei der entsprechenden<br />

Temperatur dargestellt.<br />

|c p *| in J g -1 K -1<br />

2.1<br />

2.0<br />

1.9<br />

1.8<br />

HF total in W g -1<br />

0.02<br />

0.00<br />

-0.02<br />

-0.04<br />

-0.06<br />

-0.08<br />

cooling<br />

heating<br />

exotherm<br />

320 325 330 335<br />

T in K<br />

c p melt<br />

cooling<br />

c pb (χ crystal (T))<br />

heating<br />

c pb (χ crystal (T))<br />

c pb (χ crystal = 0.43)<br />

1.7<br />

290 300 310 320<br />

T in K<br />

330 340<br />

Abb. 4.3: Gemessene spezifische dynamische Wärmekapazität <strong>von</strong> ε-Polycaprolacton<br />

(PCL) während einer TMDSC-Scan-Kühlmessung und darauffolgender<br />

Heizmessung. Die Geraden geben den Verlauf der Wärmekapazitäten der flüssigen<br />

und teilkristallinen Substanz an. Die gestrichelten Linien im Kristallisations- bzw.<br />

Schmelzbereich zeigen den Verlauf der Basislinienwärmekapazität entsprechend der<br />

Änderung des Kristallinitätsgrades erhalten aus dem totalen Wärmestrom. Die<br />

Quadrate zeigen die gemessene dynamische Wärmekapazität aus schrittweise<br />

quasi-isothermen Heizmessungen nach 8 Stunden Wartezeit. TA Instruments DSC<br />

2920CE, q0=0.05 K/min, AT=0.2 K, tp=100 s.


Experimentelle Ergebnisse 41<br />

Betrachtet man zunächst die dynamische Wärmekapazität aus den TMDSC<br />

Scanexperimenten, zeigt sich wiederum auch außerhalb der direkten Phasenübergangsbereiche<br />

(entsprechend der Peaks des totalen Wärmestroms für die Kühlmessung<br />

unterhalb 320 K, für die Heizmessung unterhalb 330 K) eine Exzesswärmekapazität.<br />

Die Basislinienwärmekapazität <strong>von</strong> PCL wurde mit dem<br />

2-Phasen-Modell bestimmt (Gleichung 2-2), da der Glasübergang bei 207 K mit der<br />

vorhandenen Kühlung außerhalb des Messbereichs lag. Die Exzesswärmekapazität<br />

beträgt bei der Temperatur <strong>von</strong> 320 K für die Heiz- und Kühlmessung 0.15 J/gK.<br />

Wartet man im Heizexperiment bei dieser Temperatur 8 Stunden und ermittelt<br />

danach die dynamische Wärmekapazität quasi-isotherm, erhält man mit 0.12 J/gK<br />

eine um 0.03 J/gK geringere Exzesswärmekapazität. Diese Exzesswärmekapazität<br />

entspricht nunmehr nur noch der durch <strong>das</strong> reversible Schmelzen hervorgerufenen<br />

Wärmekapazität. Im Schmelzbereich wird dieser Unterschied noch größer, da hier<br />

größere latente Wärmen <strong>von</strong> irreversiblen Schmelz- und Reorganisationsprozessen<br />

in der dynamischen Wärmekapazität der TMDSC Scanmessung enthalten sind.<br />

Allerdings steigt im Schmelzbereich auch die nicht <strong>von</strong> irreversiblen Prozessen<br />

beeinflusste Exzesswärmekapazität aus den quasi-isothermen Messungen an. Für<br />

die Temperatur <strong>von</strong> 332 K wurde mit 1.97 J/gK eine Wärmekapazität ermittelt, die<br />

höher als die der Flüssigkeit ist und einer Exzesswärmekapazität <strong>von</strong> 0.17 J/gK<br />

entspricht. Da sich diese Temperatur bereits - entsprechend dem endothermen Peak<br />

im totalen Wärmestrom - im direkten Schmelzbereich befindet, konnte für die<br />

Basislinienwärmekapazität nicht die Gerade, die die Wärmekapazität des zu 43 %<br />

kristallinen Materials repräsentiert, herangezogen werden. Vielmehr wurde aus dem<br />

totalen Wärmestrom die Veränderung des Kristallinitätsgrades bestimmt und in der<br />

Basislinienwärmekapazität berücksichtigt. In Abb. 4.3 sind die so ermittelten<br />

Basislinienwärmekapazitäten im Kristallisations- bzw. Schmelzenbereich gestrichelt<br />

dargestellt.<br />

Die gemessene dynamische Wärmekapazität des Polycarbonats zeigt einen anderen<br />

Verlauf bezüglich der Basislinienwärmekapazität als die bisher aufgeführten<br />

Beispiele. Wie in der Abbildung 4.4 zu erkennen ist, findet man bei der TMDSC<br />

Scan-Heizmessung außerhalb des direkten Schmelzbereiches, beginnend mit dem<br />

endothermen Peak in der totalen Wärmekapazität bei 465 K, keine Exzesswärmekapazität.<br />

Dies bedeutet, <strong>das</strong>s unter den gegebenen Messbedingungen weder<br />

irreversible Schmelz- und Kristallisationsprozesse noch reversible Schmelzprozesse<br />

Beiträge zur gemessenen dynamischen Wärmekapazität liefern. Es erfolgt eine<br />

direkte Messung der Basislinienwärmekapazität. Wie später im Abschnitt 5.2 gezeigt<br />

wird, lässt <strong>das</strong> Nichtauftreten <strong>von</strong> Exzesswärmekapazitäten bei Temperaturen<br />

unterhalb des Schmelzbereichs gezielte Untersuchungen der Basislinienwärmekapazität<br />

bezüglich des Übergangs des starr amorphen Anteils zur Flüssigkeit und<br />

umgekehrt zu.


42 Kapitel 4<br />

Aufgrund der in Kapitel 4.3 gezeigten langsamen Kristallisationskinetik kristallisiert<br />

Polycarbonat während der TMDSC Scan-Kühlmessung mit einer unterliegenden<br />

Kühlrate <strong>von</strong> 0.5 K/min nicht. Die Kristallisation der Probe für die Bestimmung der in<br />

Abbildung 4.4 dargestellten dynamische Wärmekapazität des TMDSC Scan-<br />

Heizexperimentes erfolgte isotherm bei 458 K für 202 Stunden.<br />

|c p *| in J g -1 K -1<br />

2,2<br />

2,1<br />

2,0<br />

1,9<br />

1,8<br />

1,7<br />

1,6<br />

1,5<br />

c pb (χ crystal = 0.23)<br />

d<br />

c pb (χ solid (T g ) = 0.49)<br />

e<br />

g<br />

c - c p liquid<br />

a<br />

b - c p solid<br />

380 400 420 440 460 480 500<br />

T in K<br />

f - c p total<br />

Abb. 4.4: Gemessene spezifische dynamische Wärmekapazität <strong>von</strong> teilkristallinem<br />

und amorphem Bisphenol-A Polycarbonat (PC) aus TMDSC-Scan-Heizmessungen<br />

und die dazugehörige totale Wärmekapazität aus dem totalen Wärmestrom im<br />

Schmelzbereich des teilkristallinen Materials. Die Geraden geben den Verlauf der<br />

Wärmekapazitäten der flüssigen, kristallinen und teilkristallinen Substanz an. TA<br />

Instruments DSC 2920CE, q0=0.5 K/min, AT=0.5 K, tp=100 s.<br />

Auch während der TMDSC Scan-Heizmessung mit einer unterliegenden Heizrate<br />

<strong>von</strong> 0.5 K/min erfolgt aufgrund der langsamen Kristallisationskinetik keine Kaltkristallisation.<br />

Somit konnte die dynamische Wärmekapazität einer vollständig amorphen<br />

Polycarbonatprobe im gesamten Temperaturbereich experimentell bestimmt werden.<br />

Die hierbei ermittelte Wärmekapazität stimmt mit den ATHAS Datenbankwerten für<br />

die amorphe Substanz überein. [131]<br />

Für ursprünglich amorphe Polyhydroxybuttersäure (PHB) kann, wie in Abbildung 4.5<br />

gezeigt, in einem Scan-Heizexperiment mit unterliegender Heizrate <strong>von</strong> 0.5 K/min<br />

der Verlauf der dynamischen Wärmekapazität während des Glasübergangs,<br />

nachfolgender Kaltkristallisation und späterem Schmelzen verfolgt werden. In der<br />

gemessenen dynamischen Wärmekapazität findet man dabei unterhalb des<br />

Glasübergangs (T < 265 K) die Wärmekapazität des Glases, daran anschließend die<br />

den Glasübergang repräsentierende Stufe (265 K < T < 280 K) und danach die<br />

Wärmekapazität der unterkühlten Flüssigkeit (280 K < T < 300 K). Während der<br />

4cp in<br />

3<br />

J g<br />

2<br />

-1 K -1


Experimentelle Ergebnisse 43<br />

Kaltkristallisation (300 K < T < 310 K) sinkt die Wärmekapazität und zeigt beim<br />

weiteren Aufheizen weit vor dem eigentlichen Schmelzbereich (430 K < T < 450 K)<br />

eine große Exzesswärmekapazität.<br />

|c p *| in J g -1 K -1<br />

2,2<br />

2,0<br />

1,8<br />

1,6<br />

1,4<br />

1,2<br />

1,0<br />

a<br />

c - c p liquid<br />

b - c p solid<br />

f - c p total<br />

250 300 350<br />

T in K<br />

400 450<br />

Abb. 4.5: Gemessene spezifische dynamische Wärmekapazität <strong>von</strong> teilkristalliner<br />

und amorpher Polyhydroxybuttersäure (PHB) aus TMDSC-Scan-Heizmessungen und<br />

die dazugehörige totale Wärmekapazität aus dem totalen Wärmestrom im Schmelzbereich<br />

des teilkristallinen Materials. Die Geraden geben den Verlauf der Wärmekapazitäten<br />

der flüssigen und kristallinen Substanz an. PerkinElmer Instruments<br />

DSC2, q0=1 K/min, AT=0.4 K, tp=60 s.<br />

Leider stehen für PHB keine Datenbankwerte für die Wärmekapazitäten der<br />

amorphen und kristallinen Substanzen zur Verfügung. Somit erfolgte die Bestimmung<br />

der Temperaturabhängigkeiten der Wärmekapazitäten der Flüssigkeit und des<br />

kristallinen Festkörpers anhand der gemessenen dynamischen Wärmekapazität. Die<br />

Wärmekapazität der Flüssigkeit wurde dabei aus der Verbindung der gemessenen<br />

dynamischen Wärmekapazitäten der unterkühlten Flüssigkeit (280 K bis 300 K) und<br />

der Schmelze (453 K bis 473 K) erhalten. Die Gerade<br />

cp liquid (T) = 1.1 J/gK + 0.00208 J/gK 2 *T beschreibt dabei beide Regionen sehr gut,<br />

was eine lineare Abhängigkeit <strong>von</strong> cp liquid im gegebenen Temperaturbereich<br />

unterstützt. Die Wärmekapazität der festen Anteile wurde aus einem linearen Fit der<br />

gemessenen Wärmekapazität unterhalb des Glasübergangs mit<br />

cp solid (T) = 0.22 J/gK + 0.0035 J/gK 2 *T und Extrapolation zu höheren Temperaturen<br />

unter Annahme gleicher Wärmekapazitäten <strong>von</strong> Glas und Kristall bestimmt.<br />

Unterhalb der Glasübergangstemperatur wurde für teilkristallines Material die gleiche<br />

Temperaturabhängigkeit ermittelt [132].<br />

Eine Besonderheit des PHB ist, <strong>das</strong>s es sich zu sehr hohen Kristallinitätsgraden (bis<br />

0.8) kristallisieren lässt [133]. Wie im Abschnitt 4.3 gezeigt wird, findet man trotz der<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

-5<br />

c p in J g -1 K -1


44 Kapitel 4<br />

extremen Unterschiede <strong>von</strong> Polycarbonat und Polyhydroxybuttersäure bezüglich der<br />

Kristallisationskinetik und der erreichten Kristallinitätsgrade (bei PC üblicherweise<br />

kleiner 0.25 [24, 134, 135]) für beide <strong>Polymer</strong>e in TMDSC Experimenten keine<br />

Exzesswärmekapazität im Bereich der Kristallisationstemperatur und darunter. Alle<br />

anderen bisher untersuchten <strong>Polymer</strong>e zeigen auch in diesem Bereich eine<br />

Exzesswärmekapazität. Dies lässt für PC und PHB in diesem Bereich eine direkte<br />

Messung der Basislinienwärmekapazität zu, womit eine Untersuchung der Immobilisierung<br />

der starr amorphen Bereiche und ihrer Mobilisierung beim Heizen möglich<br />

wird (siehe Abschnitt 5.2).<br />

Eine Gemeinsamkeit bei allen untersuchten <strong>Polymer</strong>en ist die - wenn auch<br />

unterschiedlich große - Exzesswärmekapazität im Schmelzbereich. In Abbildung 4.6<br />

sind die Exzesswärmekapazitäten aus Scan-Heizexperimenten für eine Vielzahl <strong>von</strong><br />

<strong>Polymer</strong>en zusammengestellt. Zur besseren Vergleichbarkeit wurde die Temperatur<br />

auf die Differenz zwischen Glas- und Schmelztemperatur normiert. Somit entspricht<br />

der Ordinatenwert 0 der Glasübergangstemperatur und der Wert 1 der Schmelztemperatur.<br />

c p excess in J g -1 K -1<br />

3.0<br />

2.5<br />

2.0<br />

1.5<br />

1.0<br />

0.5<br />

0.0<br />

PET<br />

sPP<br />

PA 6<br />

sPS<br />

PBT<br />

LDPE<br />

HDPE<br />

PC<br />

0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0<br />

T-T g /T m -T g<br />

Abb. 4.6: Exzesswärmekapazitäten verschiedener <strong>Polymer</strong>e aus TMDSC-Scan-<br />

Heizexperimenten. TA Instruments DSC 2920CE, q0=0.5 K/min, AT=0.5 K, tp=100 s.<br />

In den Scan-Heizexperimenten wird die Exzesswärmekapazität einerseits immer <strong>von</strong><br />

latenten irreversiblen Schmelz- und Rekristallisationsprozessen hervorgerufen,<br />

andererseits findet man, wie quasi-isotherme Experimente zeigen, immer einen<br />

reversiblen Prozess, der ebenfalls einen Beitrag zur gemessenen Wärmekapazität<br />

und damit zu cp excess liefert. Die Untersuchung der Exzesswärmekapazität im<br />

Schmelzbereich und die Zuordnung der Einzelbestandteile zu irreversiblen bzw.<br />

reversiblen Prozessen steht im Mittelpunkt des folgenden Abschnitts.


Experimentelle Ergebnisse 45<br />

4.2. TMDSC UND TMDMA IM SCHMELZBEREICH<br />

Zunächst soll im Abschnitt 4.2.1 anhand <strong>von</strong> Modellrechnungen gezeigt werden, wie<br />

irreversible latente Wärmen die dynamische Wärmekapazität beeinflussen. Im<br />

Abschnitt 4.2.2 erfolgt dann der Vergleich der berechneten mit experimentell<br />

ermittelten dynamischen Wärmekapazitäten. Basierend auf den Ergebnissen dieses<br />

Vergleichs werden für die qualitativen Betrachtungen der dynamischen Wärmekapazität<br />

im Schmelzbereich nur quasi-isotherme TMDSC und TMDMA Experimente<br />

herangezogen. Die Ergebnisse hierzu sind in Abschnitt 4.2.3 dargestellt.<br />

4.2.1. Der Einfluss irreversibler latenter Wärmen auf die dynamische<br />

Wärmekapazität<br />

Ausgangspunkt der Überlegungen war es, anhand <strong>von</strong> Beispielberechnungen zu<br />

klären, welchen Verlauf die dynamische Wärmekapazität aus TMDSC-Scan- und<br />

quasi-isothermen Experimenten zeigt, wenn man annimmt, <strong>das</strong>s die Exzesswärmekapazität<br />

in der totalen Wärmekapazität nur durch reversible beziehungsweise nur<br />

durch irreversible Prozesse hervorgerufen wird.<br />

Hierzu wurden am Beispiel <strong>von</strong> PET die entsprechenden Wärmeströme im<br />

Schmelzbereich für verschiedene Temperaturprogramme berechnet 2 . Dazu erfolgte<br />

zunächst die Unterteilung der totalen Wärmekapazität in Basislinienwärmekapazität<br />

und Exzesswärmekapazität. Die die Basislinienwärmekapazität bestimmenden<br />

Wärmen gehen in allen Modellrechnungen immer als vollständig reversibel ein. Die<br />

die Exzesswärmekapazität bestimmenden latenten Wärmen können in den<br />

Modellrechnungen als vollständig reversibel bzw. als vollständig irreversibel aber<br />

auch als teilweise reversibel und irreversibel angesetzt werden.<br />

In den hier vorgestellten Modellrechnungen wird die Kinetik der irreversiblen<br />

Prozesse vollständig vernachlässigt. Der Einfachheit halber erfolgt <strong>das</strong> irreversible<br />

Schmelzen s<strong>of</strong>ort mit dem Temperaturschritt zur höheren Temperatur. Andere<br />

Autoren berücksichtigen in Modellrechnungen zur Kristallisation und zum Schmelzen<br />

die Kinetik dieser Prozesse [136-140]. Eine Beschreibung der Messkurven gelingt<br />

allerdings nur unter Annahme verschiedener Kinetiken mehrerer parallel ablaufender<br />

Prozesse [141] oder unter der Voraussetzung einer linearen Änderung der<br />

Schmelzrate mit dem Abweichen der Temperatur <strong>von</strong> der mittleren Temperatur, was<br />

nur für sehr enge Temperaturbereiche gilt [137]. In Abschnitt 3.2.2 wird an drei<br />

Beispielen gezeigt, <strong>das</strong>s auch der Vergleich der berechneten Wärmekapazitäten<br />

ohne Berücksichtigung <strong>von</strong> Schmelzkinetiken mit experimentell ermittelten<br />

Wärmekapazitäten zusätzliche Erkenntnisse liefern kann.<br />

Der Ausschnitt eines für TMDSC Scanmessungen typischen Temperaturprogramms<br />

mit einer unterliegenden Heizrate <strong>von</strong> q0 = 0.5 K/min, einer Periodendauer <strong>von</strong><br />

2 Das unter Microcal Origin LabTalk (Version 5) lauffähige Programm ist im Anhang A3 aufgelistet.


46 Kapitel 4<br />

tp = 100 s und einer Temperaturamplitude <strong>von</strong> AT = 0.5 K ist in Abbildung 4.7a<br />

dargestellt. Um die Antwort des Wärmestroms auf die periodische Temperaturänderung<br />

besser zu veranschaulichen, erfolgte die Darstellung für ein sägezahnförmiges<br />

Temperaturprogramm, <strong>das</strong>s aus einer Reihenentwicklung berechnet wurde (siehe<br />

Anhang 3). Durch die daraus erforderliche Glättung der Wärmestromkurven in<br />

Abb. 4.7 ergibt sich die nicht ideale Rechteckform der Wärmestromantwort. Die<br />

später gezeigten Wärmekapazitäten, die zum Vergleich mit den gemessenen<br />

Wärmekapazitäten herangezogen werden, basieren auf einem sinusförmigen<br />

Temperaturprogramm, wo diese Probleme nicht auftreten. Abb. 4.7b zeigt den aus<br />

der totalen Wärmekapazität berechneten, Wärmestrom unter Annahme vollständiger<br />

Reversibilität der die Exzesswärmekapazität bestimmenden latenten Wärmen. Damit<br />

tragen zum Verlauf des periodischen Wärmestroms sowohl beim Heizen als auch<br />

beim Kühlen immer die die Basislinienwärmekapazität bestimmenden Wärmen und<br />

die latenten Wärmen bei. Die unter diesen Voraussetzungen berechnete dynamische<br />

Wärmekapazität ist immer gleich der totalen Wärmekapazität.<br />

T in K<br />

HF in mW<br />

529 a<br />

528<br />

527<br />

2<br />

b reversible<br />

1<br />

0<br />

2 c 50% reversible<br />

1<br />

0<br />

2 d irreversible<br />

1<br />

0<br />

HF[c pb ]<br />

HF[c pb ]<br />

HF[c pb ]<br />

850 900 950 1000<br />

t in s<br />

Abb. 4.7: Ausschnitt des berechneten Wärmestroms unter Berücksichtigung <strong>von</strong><br />

Basislinienwärmekapazität und Exzesswärmekapazität im Schmelzbereich <strong>von</strong> PET,<br />

Teil b: unter Voraussetzung vollständiger Reversibilität der latenten Wärmen, Teil c:<br />

unter Voraussetzung <strong>von</strong> 50%iger Reversibilität der latenten Wärmen, Teil d: unter<br />

Voraussetzung vollständiger Irreversibilität der latenten Wärmen, Teil a: zugrundeliegendes<br />

Temperaturprogramm.<br />

In Abbildung 4.7d ist der berechnete Wärmestrom unter Annahme vollständiger<br />

Irreversibilität aller latenter Wärmen dargestellt. Die latenten Wärmen sind in den hier<br />

vorgestellten Modellrechnungen nur als Funktion der Temperatur angesetzt.<br />

Kinetische Effekte werden nicht berücksichtigt. Somit tragen zum berechneten


Experimentelle Ergebnisse 47<br />

periodische Wärmestrom nur dann latente Wärmen bei, wenn die Temperatur über<br />

die höchste zuvor im Experiment erreichte Temperatur steigt. In Abb. 4.7 wird z.B.,<br />

gekennzeichnet durch die Hilfslinien, nach 996 s bei 528.3 K die Maximaltemperatur<br />

der vorherigen Periode überschritten. Zusätzlich zu den die Basislinienwärmekapazität<br />

bestimmenden Wärmen beinhaltet der Wärmestrom ab hier, bis zum Beginn der<br />

nächsten Kühlphase latente Wärmen. Im Wärmestrom gibt es damit einen Sprung.<br />

Während der Kühlphasen der Temperaturmodulation repräsentiert der Wärmestrom<br />

wieder nur die die Basislinienwärmekapazität bestimmenden Wärmen.<br />

Der Fall, <strong>das</strong>s sowohl irreversible als auch reversible latente Wärmen auftreten ist im<br />

Wärmestrom in Abb. 4.7c berücksichtigt. Hier tragen jederzeit neben den die<br />

Basislinienwärmekapazität bestimmenden Wärmen auch latente Wärmen zum<br />

Wärmestrom bei. Der Anteil der reversiblen latenten Wärmen ist in Abb. 4.7c mit 50%<br />

festgelegt, lässt sich aber in den Modellrechnungen variieren. Analog zum Beispiel<br />

der vollständigen Irreversibilität der latenten Wärmen kommt es mit dem Überschreiten<br />

der zuvor im Experiment erreichten Maximaltemperatur zum Auftreten der<br />

irreversiblen latenten Wärmen und damit zu einem Sprung im Wärmestrom.<br />

Es ist leicht einzusehen, <strong>das</strong>s die aus solchen Wärmestromkurven (Abb. 4.7c und d)<br />

bestimmten Amplituden des Wärmestroms AHF und die Phasenwinkel <strong>von</strong> den<br />

irreversiblen latenten Wärmen beeinflusst werden. Damit ergibt sich auch ein Einfluss<br />

der irreversiblen latenten Wärmen auf die entsprechend Gleichung 3-1 berechnete<br />

dynamische Wärmekapazität. Dieser ist <strong>von</strong> den Modulationsparametern abhängig<br />

und Gegenstand der nachfolgenden Betrachtungen.<br />

In Abbildung 4.8 sind die berechneten dynamischen Wärmekapazitäten für<br />

verschiedene Modulationsbedingungen, sowie die dazugehörigen Phasenwinkel<br />

unter der Voraussetzung vollständiger Irreversibilität der die Exzesswärmekapazität<br />

bestimmenden latenten Wärmen dargestellt. Die den Berechnungen zugrunde<br />

liegende totale Wärmekapazität und Basislinienwärmekapazität wurden aus<br />

Darstellungsgründen nur punktuell angedeutet. Zunächst wurden die Parameter<br />

Heizrate, Periodendauer und Temperaturamplitude anhand des Vorschlags <strong>von</strong><br />

TA Instruments für die Durchführung <strong>von</strong> TMDSC Experimenten gewählt [142].<br />

Dieser Vorschlag beinhaltet im wesentlichen <strong>das</strong> Verhältnis <strong>von</strong> unterliegender<br />

Heizrate zur Modulationsperiodendauer so zu wählen, <strong>das</strong>s während des zu<br />

untersuchenden Ereignisses mindestens 4 bis 5 Perioden der Temperaturmodulation<br />

ablaufen. Außerdem soll aus „psychologischen Gründen“ die Amplitude so gewählt<br />

werden, <strong>das</strong>s die Probe zu jeder Zeit des Scan-Heizexperimentes geheizt wird<br />

(“heat-only“ conditions). Unter den so gegebenen Parametern (AT = 0.75 K, tp = 60 s,<br />

q0 = 3.2 K/min) tragen jederzeit irreversible latente Wärmen zum Wärmestrom bei.<br />

Die berechnete dynamische Wärmekapazität (grüne Kurve in Abb. 4.8a) entspricht<br />

dann der totalen Wärmekapazität. Die Annahme vollständiger Reversibilität und<br />

vollständiger Irreversibilität führt unter "heat-only" Bedingungen in der dynamischen<br />

Wärmekapazität zum gleichen Verlauf. Eine Trennung reversibler und irreversibler


48 Kapitel 4<br />

Prozesse ist demnach unter "heat-only" Bedingungen prinzipiell nicht möglich.<br />

Beobachtete Unterschiede zwischen totaler und dynamischer Wärmekapazität sind<br />

also auf Prozesse zurückzuführen, die in den hier diskutierten Modellrechnungen<br />

nicht berücksichtigt sind. Das können u.a. Zeitabhängigkeiten beim Schmelzen oder<br />

Rekristallisationsvorgänge sein.<br />

c p in J g -1 K -1<br />

6.0<br />

5.5<br />

5.0<br />

4.5<br />

4.0<br />

3.5<br />

3.0<br />

2.5<br />

2.0<br />

q 0 =3.2Kmin -1 , A T =0.75K<br />

q 0 =1.2Kmin -1 , A T =0.5K<br />

q 0 =1.0Kmin -1 , A T =0.5K<br />

q 0 =0.5Kmin -1 , A T =0.5K<br />

q 0 =0.1Kmin -1 , A T =0.5K<br />

q =0.01Kmin 0 -1 , A =0.5K<br />

T<br />

cpb cp total<br />

460 480 500<br />

T in K<br />

520 540 560<br />

a<br />

δ in rad<br />

0.5 q 0 =3.2Kmin -1 , A T =0.75K<br />

0.4<br />

0.3<br />

0.2<br />

0.1<br />

0.0<br />

q 0 =1.2Kmin -1 , A T =0.5K<br />

q 0 =1.0Kmin -1 , A T =0.5K<br />

q 0 =0.5Kmin -1 , A T =0.5K<br />

q 0 =0.1Kmin -1 , A T =0.5K<br />

q 0 =0.01Kmin -1 , A T =0.5K<br />

-0.1<br />

460 480 500<br />

T in K<br />

520 540 560<br />

Abb. 4.8: Berechnete spezifische dynamische Wärmekapazitäten (Teil a) und<br />

Phasenwinkel (Teil b) unter Annahme vollständiger Irreversibilität der latenten<br />

Wärmen bei verschiedenen Modulationsbedingungen ohne Berücksichtigung<br />

kinetischer Aspekte.<br />

Die Wahl der weiteren Modulationsparameter orientierte sich an den im Rahmen der<br />

vorliegenden Arbeit verwendeten Messparametern. Hierbei sind sowohl die<br />

Temperaturamplitude mit 0.5 K als auch die Periodendauer mit 100 s fest vorgegeben.<br />

Lediglich die unterliegende Heizrate wurde im Bereich <strong>von</strong> 1.2 K/min bis<br />

0.01 K/min variiert. Größere unterliegende Heizraten resultieren in “heat-only“<br />

Temperaturprogrammen, was wiederum identische Verläufe <strong>von</strong> totaler und<br />

dynamischer Wärmekapazität ergibt. Mit der Heizrate <strong>von</strong> 1.2 K/min wird ein aus<br />

Heizabschnitten und Isothermen bestehendes Temperaturprogramm realisiert („scaniso“).<br />

Dies ist der Übergang <strong>von</strong> „heat-only“ zu sich abwechselnden Heiz- und<br />

Kühlsegmenten. Auch hier stimmt die berechnete dynamische Wärmekapazität<br />

(blaue Kurve in Abb. 4.8a) noch mit der totalen Wärmekapazität überein.<br />

Bei sich abwechselnden Heiz- und Kühlsegmenten wird der Beitrag der latenten<br />

Wärmen des irreversiblen Schmelzens mit der Verringerung des Verhältnisses der<br />

unterliegenden Heizrate zur Periodendauer kleiner. Für die unterliegende Heizrate<br />

<strong>von</strong> 0.01 K/min stimmen berechnete dynamische Wärmekapazität und Basislinienwärmekapazität<br />

weitestgehend überein. Dieses Temperaturprogramm ist dicht an der<br />

Realisierung quasi-isothermer Bedingungen, bei denen es ohne Berücksichtigung<br />

b


Experimentelle Ergebnisse 49<br />

kinetischer Aspekte keinen Einfluss latenter Wärmen irreversibler Prozesse auf die<br />

dynamische Wärmekapazität gibt. Erwähnenswert ist auch <strong>das</strong> Auftreten eines<br />

Phasenwinkels. Obwohl im Modell keinerlei Zeitabhängigkeiten berücksichtigt<br />

werden, ist ein großer Phasenwinkel, der stark <strong>von</strong> den Modulationsbedingungen<br />

abhängt, zu beobachten.<br />

4.2.2. Vergleich berechneter und gemessener dynamischer Wärmekapazitäten<br />

Das erste Beispiel ist ein statistisches Ethylen-Octen-Copolymer. Bei diesem<br />

<strong>Polymer</strong> beginnt der Schmelzbereich s<strong>of</strong>ort oberhalb des Glasübergangs bei 240 K<br />

und endet bei etwa 355 K. Die Morphologie dieses <strong>Polymer</strong>s wird entscheidend <strong>von</strong><br />

der Ethylen-Sequenzlängenverteilung und der Temperatur bestimmt. Neben den<br />

Kristalllamellen, die <strong>von</strong> langen Ethylen-Sequenzen gebildet werden und erst in der<br />

Endphase des Schmelzprozesses verschwinden (irreversibles Schmelzen),<br />

existieren granulare Strukturen [143]. Diese schmelzen weitestgehend reversibel<br />

[144-146]. Der Vergleich verschiedener TMDSC Scanexperimente mit quasiisothermen<br />

Experimenten in Abbildung 4.9 zeigt, <strong>das</strong>s bis zu einer Temperatur <strong>von</strong><br />

ca. 290 K nahezu die gesamte gemessene dynamische Wärmekapazität <strong>von</strong><br />

reversiblen Effekten bestimmt wird. Erst danach weicht die dynamische Wärmekapazität<br />

aus den Scanexperimenten entsprechend der Modulationsbedingungen <strong>von</strong> den<br />

quasi-isotherm ermittelten Wärmekapazitäten ab. Dies zeigt, in Analogie zu<br />

Abbildung 4.8a, <strong>das</strong>s nun auch irreversible latente Wärmen die dynamische<br />

Wärmekapazität beeinflussen und die Reversibilität abnimmt.<br />

|c p *| in Jg -1 K -1<br />

3.4<br />

3.2<br />

3.0<br />

2.8<br />

2.6<br />

2.4<br />

2.2<br />

2.0<br />

A T =0.2K<br />

A T =0.5K<br />

A T =1K<br />

A T =2K<br />

A T =5K<br />

quasi-isotherm<br />

c pb<br />

260 280 300 320 340 360<br />

T in K<br />

Abb. 4.9: Gemessene spezifische dynamische Wärmekapazität eines Ethylen-<br />

Octen-Copolymers aus TMDSC Scanexperimenten unter Verwendung verschiedener<br />

Temperaturamplituden [147]. PerkinElmer Instruments DSC2, q0=0.5 K, tp=240 s. Die<br />

Quadrate zeigen quasi-isotherm ermittelte spezifische dynamische Wärmekapazitäten.


50 Kapitel 4<br />

In die Modellrechnungen sollte diese Veränderung der Reversibilität <strong>von</strong> zunächst<br />

1 (vollständig reversibel) bis zu 0 (vollständig irreversibel) am Ende des Schmelzens<br />

einfließen. Dazu wurde die dynamische Wärmekapazität für verschiedene Anteile<br />

des reversiblen und des irreversiblen Schmelzens an der Exzesswärmekapazität<br />

berechnet. In Abbildung 4.10a sind die für verschiedene Reversibilitäten berechneten<br />

dynamischen Wärmekapazitäten bei einer Modulationsamplitude <strong>von</strong> 2 K und die mit<br />

gleichen Modulationsbedingungen gemessene dynamische Wärmekapazität<br />

dargestellt. Der Vergleich zeigt, <strong>das</strong>s bis zur Temperatur <strong>von</strong> 290 K alle ablaufenden<br />

Prozesse reversibel sind. Ab hier weicht die gemessene Kurve <strong>von</strong> der unter<br />

Annahme vollständiger Reversibilität berechneten ab. Bei 325 K stimmt die<br />

gemessene Wärmekapazität mit der berechneten Wärmekapazität unter der<br />

Annahme überein, <strong>das</strong>s die Exzesswärmekapazität zu 80% <strong>von</strong> reversiblen latenten<br />

Wärmen und zu 20% <strong>von</strong> irreversiblen latenten Wärmen hervorgerufen wird. Bei<br />

338 K muss da<strong>von</strong> ausgegangen werden, <strong>das</strong>s nur noch ein Anteil <strong>von</strong> 60% der<br />

Exzesswärmekapazität reversiblen Ursprungs ist.<br />

Die so ermittelten Paare <strong>von</strong> Reversibilität und Temperatur sind in Abbildung 4.10b<br />

für verschiedene Temperaturamplituden dargestellt. Es zeigt sich für alle Temperaturamplituden<br />

eine Abnahme der Reversibilität mit steigender Temperatur.<br />

c p in J g -1 K -1<br />

3.2<br />

3.0<br />

2.8<br />

2.6<br />

2.4<br />

2.2<br />

2.0<br />

reversibility:<br />

0 measured c p<br />

0.2 c p total<br />

0.4 c pb<br />

0.6<br />

0.8<br />

1<br />

260 280 300 320 340 360<br />

T in K<br />

a<br />

reversibility<br />

1.0<br />

0.8<br />

0.6<br />

0.4<br />

0.2<br />

0.0<br />

A T =5K<br />

A T =2K<br />

A T =1K<br />

260 280 300 320 340 360<br />

T in K<br />

Abb. 4.10: Teil a: Berechnete spezifische dynamische Wärmekapazitäten unter<br />

Annahme verschiedener Reversibilitäten und gemessene spezifische dynamische<br />

Wärmekapazität. AT = 2 K, tp = 240 s, q0 = 0.5 K/min. Teil b: Abhängigkeit der<br />

Reversibilität <strong>von</strong> der Temperatur für verschiedene Temperaturamplituden aus dem<br />

Vergleich der berechneten und gemessenen spezifischen dynamischen Wärmekapazitäten.<br />

Die Ursache für den unterschiedlichen Verlauf der Kurven für die verschiedenen<br />

Temperaturamplituden ist nicht geklärt. Während bei der Temperaturamplitude <strong>von</strong><br />

b


Experimentelle Ergebnisse 51<br />

1 K bei 315 K <strong>das</strong> gesamte Material noch reversibel schmilzt, gibt es bei einer<br />

Temperaturamplitude <strong>von</strong> 5 K schon einen Anteil <strong>von</strong> 20% durch irreversible latente<br />

Wärmen an der Exzesswärmekapazität. Es ist vorstellbar, <strong>das</strong>s bei den großen<br />

Temperaturamplituden <strong>das</strong> zu Beginn eines Heizsegments der Temperaturmodulation<br />

geschmolzene Material am Ende des Kühlsegments nicht wieder rekristallisiert.<br />

Ursache hierfür kann die Verweildauer bei den hohen Temperaturen und damit ein<br />

schnelleres Verschlaufen und Verhaken der Ketten sein. Während der Kühlphase der<br />

Modulation reicht dann die Zeit nicht mehr aus, um diese Verhakungen und<br />

Verschlaufungen zu lösen, so <strong>das</strong>s als Konsequenz keine Kristallisation der<br />

betreffenden Kettenteile erfolgt und die Reversibilität abnimmt.<br />

Während für <strong>das</strong> gerade betrachtete Beispiel des Ethylen-Octen-Copolymers große<br />

Teile der Exzesswärmekapazität durch reversible latente Wärmen bestimmt werden,<br />

ist für Polycarbonat bei einer Modulationsperiode <strong>von</strong> 100 s in TMDSC Scanexperimenten<br />

aufgrund der niedrigen Kristallisationsgeschwindigkeit da<strong>von</strong> auszugehen,<br />

<strong>das</strong>s die Exzesswärmekapazität im wesentlichen <strong>von</strong> irreversiblen Schmelzprozessen<br />

bestimmt wird. Die berechnete dynamische Wärmekapazität unter Annahme<br />

vollständiger Irreversibilität der die Exzesswärmekapazität bestimmenden latenten<br />

Wärmen ist in Abbildung 4.11a dargestellt.<br />

c p in J g -1 K -1<br />

4.0<br />

3.5<br />

3.0<br />

2.5<br />

2.0<br />

measured |c p *|<br />

total c p<br />

calculated |c p *|<br />

460 470 480<br />

T in K<br />

490 500 510<br />

a<br />

c p in J g -1 K -1<br />

5.5 measured |c p *|<br />

5.0<br />

4.5<br />

4.0<br />

3.5<br />

3.0<br />

2.5<br />

2.0<br />

total c p<br />

calculated |c p *|<br />

460 480 500 520 540 560<br />

T in K<br />

Abb. 4.11: Vergleich <strong>von</strong> berechneter und gemessener dynamischer Wärmekapazität<br />

für den Fall totaler Irreversibilität der latenten Wärmen für Polycarbonat (Teil a)<br />

und Polyethylenterephthalat (Teil b).<br />

Berechnete und gemessene dynamische Wärmekapazitäten haben deutlich<br />

unterschiedliche Kurvenverläufe. Die vergleichsweise kleine gemessene dynamische<br />

Wärmekapazität zeigt, <strong>das</strong>s die latenten Wärmen des irreversiblen Schmelzens bei<br />

den verwendeten Modulationsbedingungen (AT = 0.5 K, tp = 100 s, q0 = 0.5K/min)<br />

keinen periodischen Beitrag zum Wärmestrom liefern. Das irreversible Schmelzen ist<br />

b


52 Kapitel 4<br />

für die Modulation zu langsam und die Schmelzkinetik spielt hier eine entscheidende<br />

Rolle. Um die aus den Modellrechnungen bestimmten und die gemessenen<br />

Wärmekapazitäten in Übereinstimmung zu bringen und somit Erkenntnisse über die<br />

Schmelzkinetik zu bekommen, sind zwei verschiedene Ansätze möglich. Der erste<br />

besteht darin, die Kinetik des irreversiblen Schmelzens in die Berechnungen<br />

einfließen zu lassen. Der zweite ist, die Bestimmung der dynamischen Wärmekapazität<br />

mit so großen Periodendauern durchzuführen, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> irreversible Schmelzen<br />

wieder einen Beitrag zur periodischen Wärmekapazität liefert. Beiden Ansätzen soll<br />

in Zukunft nachgegangen werden.<br />

Für Polyethylenterephthalat als 3. Beispiel zeigt der Vergleich <strong>von</strong> berechneter<br />

dynamischer Wärmekapazität, unter Annahme vollständiger Irreversibilität der<br />

latenten Wärmen, mit der gemessenen Wärmekapazität ebenfalls keine Übereinstimmung.<br />

Dies ist auch nicht verwunderlich, da aus den vorangegangenen<br />

Betrachtungen für EOM und PC schnell klar wird, <strong>das</strong>s bei PET sowohl <strong>das</strong><br />

reversible Schmelzen die gemessene Wärmekapazität beeinflusst (wie beim EOM),<br />

als auch die Kinetik des irreversiblen Schmelzens eine Rolle spielt (wie beim PC).<br />

Zusätzlich muss für PET der irreversible Prozess der Rekristallisation im Schmelzbereich<br />

berücksichtigt werden.<br />

Für detaillierte Berechnungen sollten neben allen Kinetiken auch alle Wärmeleitungsprozesse<br />

im Kalorimeter-Probe-System berücksichtigt werden. Dies zeigt die<br />

Komplexität der notwendigen Modellrechnungen, um eine gute Übereinstimmung<br />

zwischen experimentell bestimmter und berechneter dynamischer Wärmekapazität<br />

zu erreichen. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurden solche Rechnungen nicht<br />

weiter vorangetrieben, da die Anwendung der Methode im Mittelpunkt stand.<br />

4.2.3. Quasi-isotherme TMDSC und TMDMA im Schmelzbereich<br />

Am Beispiel des Polyetheretherketons (PEEK) wird im folgenden eine mögliche<br />

Bestimmung der unterschiedlichen Kinetiken <strong>von</strong> irreversiblen und reversiblen<br />

Prozessen mittels stufenweise quasi-isothermen TMDSC und TMDMA Heizexperimenten<br />

betrachtet.<br />

In Abbildung 4.12 sind die gemessenen dynamischen Wärmekapazitäten <strong>von</strong> PEEK<br />

im Schmelzbereich aus einem standard DSC Experiment (Kurve a), einem TMDSCscan-Experiment<br />

(Kurve b) sowie einem schrittweise quasi-isothermen Aufheizexperiment<br />

(Kurven c und d) dargestellt.


Experimentelle Ergebnisse 53<br />

|c p *| in J g -1 K -1<br />

5.0<br />

4.5<br />

4.0<br />

3.5<br />

3.0<br />

2.5<br />

2.0<br />

1.5<br />

c p liquid<br />

a<br />

b<br />

c<br />

d<br />

c p solid<br />

450 500 550<br />

T in K<br />

600 650<br />

Abb. 4.12: Gemessene spezifische Wärmekapazität bzw. spezifische dynamische<br />

Wärmekapazität <strong>von</strong> PEEK aus einem standard DSC Experiment (q0 = 1 K/min),<br />

Kurve a, einem TMDSC Scanexperiment (q0 = 1 K/min), Kurve b, und aus einem<br />

schrittweise quasi-isothermen Heizexperiment nach 100 s bzw. 3600 s, Kurven c<br />

bzw. d. Die Geraden geben den Verlauf der Wärmekapazitäten der flüssigen und<br />

kristallinen Substanz an. PerkinElmer Instruments DSC7, AT=0.2 K, tp=50 s.<br />

Die gemessenen dynamischen Wärmekapazitäten im Schmelzbereich sind bei allen<br />

Experimenten deutlich höher als die Wärmekapazität der Flüssigkeit. Für die quasiisothermen<br />

Experimente, insbesondere nach der Wartezeit <strong>von</strong> 3600 s, zeugt dies<br />

vom Auftreten reversibler latenter Wärmen. Die Kurven c und d entsprechen den<br />

quasi-isotherm ermittelten Wärmekapazitäten 100 s bzw. 3600 s nach Vollendung<br />

des Temperaturschritts zur aktuellen Messtemperatur. Betrachtet man die Entwicklung<br />

der dynamischen Wärmekapazität während der quasi-isothermen Messungen,<br />

findet man eine Abnahme mit der Zeit. Wie in [148] anhand <strong>von</strong> Experimenten mit<br />

unterschiedlichen Kalorimetern gezeigt wurde, ist diese Abnahme nicht auf mögliche<br />

Zeitkonstanten des Wärmetransportes im Kalorimeter-Probe-System zurückzuführen.<br />

In [148] wurde durch verschiedene isotherme Wartezeiten vor Beginn des modulierten<br />

Experiments ebenfalls gezeigt, <strong>das</strong>s die Abnahme der Wärmekapazität<br />

unabhängig vom Aufprägen einer Temperaturmodulation erfolgt. Somit ist klar, <strong>das</strong>s<br />

die zeitliche Abnahme der quasi-isotherm ermittelten Wärmekapazität im Schmelzbereich<br />

auf eine tatsächlich Änderung der in der Probe ablaufenden reversiblen<br />

Prozesse zurückzuführen ist. Gleiches wurde in [56] für Polyethylen, in [51, 148] für<br />

PET und in [149] für PCL beobachtet.<br />

In Abbildung 4.13 sind die gemessene Temperatur (Kurve a) sowie der periodischer<br />

Wärmestrom HFp(t) (Kurve b) bei einer quasi-isothermen Temperatur dargestellt.


54 Kapitel 4<br />

T in K<br />

HF p in mW<br />

A HF in mW<br />

604<br />

603<br />

1.0<br />

0.5<br />

0.0<br />

-0.5<br />

-1.0<br />

0.25<br />

0.20<br />

Endo<br />

f in mW<br />

0.2<br />

0.0<br />

-0.2<br />

e<br />

0.15<br />

0 2000 4000 6000 8000 10000<br />

Abb. 4.13: Periodischer Anteil der gemessenen Wärmeströme (Kurven b bzw. c) als<br />

Antwort auf die periodische, quasi-isotherme Temperaturstörung (Kurve a) bei einer<br />

mittleren Temperatur <strong>von</strong> 603 K im Schmelzbereich <strong>von</strong> PEEK bzw. bei einer<br />

mittleren Temperatur <strong>von</strong> 640 K in der Schmelze. Kurve d zeigt die Differenz<br />

zwischen den Kurven b und c und Kurve e die Amplitude dieser Differenz. Kurve f ist<br />

( t / τ r )<br />

ein exponentieller Fit an die Kurve e mit f = A + B * e . Setaram DSC141,<br />

AT<br />

= 0.5 K, tp = 1200 s.<br />

Der Vergleich der periodischen Wärmeströme im Schmelzbereich bei 603 K (Kurve<br />

b) und in der Schmelze bei 640 K (Kurve c) zeigt, <strong>das</strong>s auch nach langer Wartezeit<br />

<strong>von</strong> 3 Stunden der gemessene Wärmestrom im Schmelzbereich größer als der in der<br />

Schmelze ist. Die Differenz HFd(t) der periodischen Wärmeströme im Schmelzbereich<br />

und in der Schmelze ist als Kurve d im Bereich zwischen 4000 s und 10000 s<br />

gezeigt. Der Vergleich der Kühl- und Heizsegmente in dieser Kurve verdeutlicht,<br />

<strong>das</strong>s Kristallisation und Schmelzen den Wärmestrom verschiedenartig beeinflussen.<br />

Während des Heizsegments bzw. des Schmelzens wird der Wärmestrom schneller<br />

quasi-stationär als während des Kühlsegmentes bzw. der Kristallisation. Diese<br />

Folgerungen aus der Kurvenform lassen sich nur bei der Wahl sägezahnförmiger<br />

Temperaturmodulation und durch <strong>das</strong> direkte Betrachten der Wärmeströme und nicht<br />

aus den daraus berechneten dynamischen Wärmekapazitäten ziehen. Aus der<br />

Differenz HFd(t) lässt sich näherungsweise die reversible Enthalpieänderung ∆h<br />

während einer Modulationsperiode berechnen:<br />

t in s<br />

t<br />

AHF<br />

t<br />

d p<br />

∆h = ∫ HFd<br />

t dt ≈<br />

π<br />

2<br />

( )<br />

(4-1)<br />

t<br />

1<br />

d<br />

f<br />

b<br />

c<br />

a


Experimentelle Ergebnisse 55<br />

wobei t1 und t2 die Zeiten zweier aufeinanderfolgender Nulldurchläufe <strong>von</strong> HFd , AHFd<br />

die Amplitude <strong>von</strong> HFd und tp die Periodendauer sind. Das Verhältnis <strong>von</strong> ∆h und der<br />

Schmelzenthalpie einer vollständig kristallinen Probe (∆H0m = 130J/g) stellt nunmehr<br />

die reversible Änderung des Kristallinitätsgrades während einer Periode dar. Im<br />

vorliegenden Beispiel wurde sie bei 600 K mit 0.0035 zu Beginn bzw. 0.0025 am<br />

Ende des quasi-isothermen Experiments bestimmt [123]. Dass die Amplitude <strong>von</strong><br />

HFd mit der quasi-isothermen Verweilzeit gegen eine <strong>von</strong> Null verschiedene<br />

Asymptote geht, ist nur mit der Präsenz eines reversiblen Prozesses zu erklären. Für<br />

andere <strong>Polymer</strong>e werden die reversibel schmelzenden Anteile je Kelvin z.B. für PET<br />

bei 522 K mit 0.0003 [51, 150], für Poly(ethylen-co-1-octen) bei 299 K mit 0.001 [145]<br />

und für PCL bei 328 K mit 0.001 [127] angegeben.<br />

Da für PEEK bekannt ist, <strong>das</strong>s ein Tempern im Schmelzbereich zur Rekristallisation<br />

(Morphologieveränderung) führt, was mit einem Anstieg des Kristallinitätsgrades<br />

verbunden ist [151, 152], stellt sich die Frage, ob die Verringerung des reversibel<br />

schmelzenden Anteils mit der Zunahme des Kristallinitätsgrades einhergeht, oder ob<br />

beide Prozesse unabhängig <strong>von</strong>einander ablaufen. Während der bisher betrachtete<br />

periodische Wärmestrom im quasi-isothermen Experiment weitesgehend reversible<br />

Prozesse repräsentiert, beschreibt der Verlauf des totalen Wärmestroms die<br />

irreversiblen Prozesse bei einer quasi-isothermen Messung. Der totale Wärmestrom<br />

wird dabei bei jeder Heizphase zur nächsten quasi-isothermen Temperatur durch die<br />

latenten Schmelzwärmen des irreversibel schmelzenden Materials bestimmt. Diese<br />

latenten Wärmen beeinflussen, wie aus den TMDSC Scanexperimenten bekannt ist,<br />

auch den periodischen Wärmestrom (erste halbe Periode in Abbildung 4.13). Die<br />

Betrachtung der Entwicklung des totalen Wärmestroms mit der Zeit lässt die<br />

Bestimmung der irreversiblen Kristallininitätsgradsänderungen während einer Quasiisothermen<br />

zu. Allerdings liegen die Änderungen im totalen Wärmestrom mit<br />

0.05 mW in der gleichen Größenordnung, wie die Wärmestromdrift des verwendeten<br />

Gerätes (Setaram DSC141) während der langen Messung. Dadurch wird eine<br />

quantitative Angabe zum Anstieg des Kristallinitätsgrades aus TMDSC Experimenten<br />

unmöglich. Dies ist jedoch, wie im Folgenden gezeigt, aus der Betrachtung der<br />

zeitlichen Entwicklung des Schermoduls möglich. Ausgenutzt wird hierfür die in<br />

Abschnitt 3.2.2 diskutierte und in Abbildung 3.3 dargestellte nahezu lineare<br />

Korrelation zwischen Kristallinitätsgrad und dem Logarithmus des Schermoduls im<br />

Schmelzbereich <strong>von</strong> PEEK zwischen 580 K und 610 K. In Abbildung 4.14 ist die<br />

Entwicklung des Schermoduls für den Temperaturschritt bei 599 K einer quasiisothermen<br />

TMDMA Messung dargestellt.


56 Kapitel 4<br />

log(G'/Pa)<br />

T in K<br />

7.40<br />

7.35<br />

7.30<br />

7.25<br />

7.20<br />

7.15<br />

7.10<br />

600<br />

599<br />

598<br />

log(G'/Pa)<br />

8<br />

7<br />

6<br />

c<br />

0 50000<br />

t in s<br />

100000<br />

50000 55000<br />

Abb. 4.14: Entwicklung des Logarithmus des Schermoduls (Kurve b) während einer<br />

quasi-isothermen Messung im Schmelzbereich <strong>von</strong> PEEK als Antwort auf <strong>das</strong><br />

periodische Temperaturprogramm (Kurve a). Im Bereich zwischen 50000 s und<br />

52000 s ist nur der geglättete Schermodul (grün) gezeigt. Im Einschub sind der<br />

Logarithmus des Schermoduls (Kurve d) und <strong>das</strong> schrittweise quasi-isotherme<br />

Temperaturprogramm des gesamten TMDMA Experiments dargestellt (Kurve c).<br />

Rheometric Scientific ARES, T0=599K, tp=1200s, AT=0.5K.<br />

Sowohl der Anstieg des Schermoduls mit der Zeit aufgrund der Zunahme des<br />

Kristallinitätsgrades, als auch die Antwort auf die periodische Temperaturstörung<br />

sind zu erkennen. Im Einschub sind Temperatur und Schermodul des gesamten<br />

schrittweise quasi-isothermen TMDMA Experiments dargestellt. Hier wird deutlich,<br />

<strong>das</strong>s der Schermodul bei jedem Schritt zur nächst höheren Temperatur zunächst<br />

abnimmt, was durch die Abnahme des Kristallinitätsgrades zu erklären ist. Während<br />

jeder Quasi-isothermen kommt es dann durch Rekristallisation zu einer erneuten<br />

Zunahme des Kristallinitätsgrades und des Schermoduls.<br />

Unterteilt man den Schermodul analog zum Wärmestrom in einen periodischen<br />

Schermodul und einen totalen Schermodul, gibt letzterer die irreversiblen Kristallinitätsgradsänderungen<br />

wieder, währenddessen im periodische Anteil die reversiblen<br />

Kristallinitätsgradsänderungen erfasst werden. Bei der Temperatur <strong>von</strong> 599 K<br />

wurden die irreversiblen Änderungen während der dreistündigen Messzeit mit einem<br />

Anstieg des Kristallinitätsgrades um 0.03 <strong>von</strong> 0.29 auf 0.32 und die reversiblen<br />

Änderungen mit 0.003 bestimmt. Letzteres erfolgte aus der Amplitude des Schermoduls<br />

und ist in guter Übereinstimmung mit den Ergebnissen aus TMDSC-<br />

Experimenten (siehe oben). Bei der Ermittlung der reversiblen Änderung des<br />

d<br />

t in s<br />

600<br />

550<br />

500<br />

450<br />

T in K<br />

b<br />

a


Experimentelle Ergebnisse 57<br />

Kristallinitätsgrades wurde vorausgesetzt, <strong>das</strong>s die gesamte reversible Änderung des<br />

Schermoduls durch <strong>das</strong> reversible Schmelzen bestimmt wird und keine Temperaturabhängigkeit<br />

des Schermoduls vorliegt.<br />

Will man die eingangs gestellte Frage nach einem direkten Zusammenhang<br />

zwischen der irreversiblen Änderung des Kristallinitätsgrades und der Änderung der<br />

Stärke der reversiblen Prozesse beantworten, kann man die Kinetik beider<br />

Änderungen verfolgen. Die Kinetik der reversiblen Kristallinitätsgradsänderung ist<br />

durch die Zeitkonstante der exponentiellen Anpassung an die zeitliche Abnahme <strong>von</strong><br />

AHFd (Kurve f in Abb. 4.13) gegeben, während die Kinetik der irreversiblen Änderungen<br />

durch die Angabe der Zeitkonstante aus einem exponentiellen Fit an die<br />

zeitliche Änderung des totalen Schermoduls erhalten wird. Für quasi-isotherme<br />

TMDSC Experimente erfolgt <strong>of</strong>tmals eine exponentielle Anpassung mit mindestens 2<br />

Zeitkonstanten, um auch die Kinetik des irreversiblen Schmelzens zu Beginn der<br />

Quasi-isothermen zu erfassen [51, 148]. Darauf wurde im vorliegenden Fall<br />

verzichtet und die im wesentlichen vom irreversiblen Schmelzen beeinflusste erste<br />

Periode (hier 1200 s) bei der Ermittlung der Zeitkonstante außer acht gelassen. Die<br />

Ergebnisse <strong>von</strong> TMDSC und TMDMA ergänzen sich ausgezeichnet, da mit jeder<br />

Methode jeweils nur eine Kinetik beschrieben werden kann. Die Zeitkonstanten der<br />

exponentiellen Anpassungen bei verschiedenen Temperaturen sind in Abbildung<br />

4.15 dargestellt.<br />

Time Constant in s<br />

17500<br />

15000<br />

12500<br />

10000<br />

7500<br />

5000<br />

2500<br />

590 600 610 620 630<br />

T in K<br />

Abb. 4.15: Zeitkonstanten für reversible (τr) und irreversible (τi) Änderungen des<br />

Kristallinitätsgrades bei verschiedenen quasi-isothermen Temperaturen. Die Linien<br />

sind willkürlich zur Verdeutlichung des unterschiedlichen Verlaufs eingezeichnet.<br />

Aus den unterschiedlichen Verläufen der Zeitkonstanten in Abhängigkeit <strong>von</strong> der<br />

Temperatur wird klar, <strong>das</strong>s die Verringerung der reversiblen Änderung des<br />

Kristallinitätsgrades (reversibles Schmelzen) und der irreversible Anstieg des<br />

Kristallinitätsgrades während der Quasi-isothermen unabhängige Prozesse sind. Mit<br />

Zunahme der Temperatur wird die Rate der irreversiblen Erhöhung des Kristallini-<br />

τ i<br />

τ r


58 Kapitel 4<br />

tätsgrades kleiner, während der Abfall der reversiblen Änderung des Kristallinitätsgrades<br />

schneller wird. Daraus lässt sich schlussfolgern, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> reversible<br />

Schmelzen als lokaler Prozess im Hintergrund der irreversiblen Änderungen des<br />

Kristallinitätsgrades abläuft. Diese Behauptung wird durch im Abschnitt 4.3. gezeigte<br />

quasi-isotherme TMDSC und TMDMA Kristallisationsexperimente unterstützt, wo<br />

man während der Sekundärkristallisation keine Änderung des reversiblen Schmelzens<br />

beobachtet, obwohl der Kristallinitätsgrad noch deutlich ansteigt (siehe<br />

Abbildungen 4.23 und 4.26).<br />

Zunächst soll jedoch der Frage nach der Dynamik des reversiblen Prozesses<br />

nachgegangen werden, wenn sich die Probe in einem stationären Zustand befindet<br />

und keine Kristallinitätsgradsänderungen durch irreversibles Schmelzen oder<br />

Rekristallisation stattfinden. Dies scheint im Schmelzbereich am günstigsten, da hier<br />

die größten Exzesswärmekapazitäten auch im stationären Zustand auftreten und<br />

dadurch eine quantitative Diskussion möglich ist. Allerdings ist für alle Betrachtungen<br />

der unterschiedlichen Dynamik des Prozesses bei verschiedenen Temperaturen, vor<br />

allem im Schmelzbereich, immer die Möglichkeit einer Morphologieänderung durch<br />

irreversible Schmelz- oder Kristallisationsprozesse und die daraus resultierende<br />

Veränderungen der Dynamik in Erwägung zu ziehen.<br />

Oftmals wird der lokale reversible Schmelzprozess am Ende der Kristallisation mit<br />

der An- bzw. Ablagerung <strong>von</strong> Kettensegmenten am Kristall aufgrund der Temperaturvariation<br />

beschrieben. Ist die Kinetik des Anlagerns und Ablösens langsamer als<br />

die Temperaturmodulationsfrequenz, können nur wenige Kettensegmente der<br />

Temperaturmodulation folgen, während bei langsamerer Modulation (niedrige<br />

Frequenzen, lange Perioden) deutlich mehr Kettensegmente am reversiblen Prozess<br />

teilnehmen. Damit würde sich für niedrige Frequenzen eine deutlich höhere<br />

Exzesswärmekapazität ergeben. In Abbildung 4.16 ist die quasi-isotherm ermittelte<br />

Exzesswärmekapazität bei verschiedenen Temperaturen im Schmelzbereich eines<br />

Ethylen-Octen-Copolymers in Abhängigkeit <strong>von</strong> der Frequenz dargestellt.


Experimentelle Ergebnisse 59<br />

c p excess in J g -1 K -1<br />

0.6<br />

0.5<br />

0.4<br />

0.3<br />

0.2<br />

0.1<br />

0.0<br />

283 K<br />

293 K<br />

303 K<br />

313 K<br />

323 K<br />

333 K<br />

343 K<br />

353 K<br />

363 K<br />

1E-4 1E-3 0.01 0.1 1 10 100<br />

f in Hz<br />

Abb. 4.16: Exzesswärmekapazität eines Ethylen-Octen-Copolymers bei verschiedenen<br />

Temperaturen in Abhängigkeit <strong>von</strong> der Modulationsfrequenz. Offene Symbole:<br />

Setaram DSC 121, geschlossene Symbole PerkinElmer Instruments Pyris1 DSC,<br />

AT=0.5K.<br />

Wie erwartet, findet man für tiefere Frequenzen höhere Exzesswärmekapazitäten.<br />

Die Temperaturabhängigkeit <strong>von</strong> cp excess soll hier nicht weiter diskutiert werden, da<br />

bei diesem <strong>Polymer</strong> große Morphologieänderungen mit jeder Temperaturänderung<br />

verbunden sind [143, 146].<br />

Einen ähnlichen Verlauf - mit einer hohen Exzesswärmekapazität bei niedrigen<br />

Frequenzen und einer geringen bei höheren Frequenzen - findet man auch für die<br />

Exzesswärmekapazität <strong>von</strong> PCL im Schmelzbereich, die durch die Abweichung der<br />

gemessenen <strong>von</strong> der Basislinienwärmekapazität in Abbildung 4.17 gegeben ist. Es<br />

ist aber auch zu erkennen, <strong>das</strong>s die Dynamik des reversiblen Prozesses in beiden<br />

<strong>Polymer</strong>en unterschiedlich ist.


60 Kapitel 4<br />

|c p *| in J g -1 K -1<br />

2.1<br />

2.0<br />

1.9<br />

1.8<br />

1.7<br />

c pb (χ=0.5, T=335K)<br />

332 K<br />

333 K<br />

334 K<br />

335 K<br />

1E-4 1E-3 0.01 0.1<br />

f in Hz<br />

1 10 100<br />

Abb. 4.17: Frequenzabhängige spezifische dynamische Wärmekapazität im<br />

Schmelzbereich <strong>von</strong> PCL bei verschiedenen Temperaturen zwischen 332 K und<br />

335 K und frequenzabhängiger Imaginärteil des Schermoduls <strong>von</strong> PCL bei 328 K.<br />

Offene Symbole: Setaram DSC 121, geschlossene Symbole PerkinElmer Instruments<br />

Pyris1 DSC, AT=0.5K.<br />

Während beim EOM, angedeutet durch die gestrichelte Linie in Abbildung 4.16, die<br />

direkte experimentelle Bestimmung der Basislinienwärmekapazität ab ca. 100 Hz<br />

möglich scheint, reicht für PCL in diesem Temperaturbereich schon eine Frequenz<br />

ab ca. 1 Hz aus (gestrichelte Linie in Abb. 4.17). Diese Frequenzen sind im DSC<br />

nicht zu erreichen. Experimente mittels AC-Kalorimetrie an einer ähnlich präparierten<br />

Probe im Frequenzbereich zwischen 0.1 Hz und 1 Hz zeigen, <strong>das</strong>s hier nur eine<br />

unwesentliche Exzesswärmekapazität auftritt [153].<br />

Die direkte experimentelle Bestimmung der Basislinienwärmekapazität kann die<br />

Diskussionen bisher <strong>of</strong>fener Fragen der die Basislinienwärmekapazität selbst<br />

bestimmenden Prozesse vorantreiben. Als Beispiel sei wiederum auf den Abschnitt<br />

5.2 und die Frage des Immobilisierens und Mobilisierens der starr amorphen<br />

Bereiche verwiesen.<br />

328 K<br />

4.2.4. DMA Experimente ohne Temperaturmodulation<br />

Bei der Betrachtung der Dynamik <strong>von</strong> Prozessen stellt sich immer die Frage, mit<br />

welchen Aktivitäten diese Prozesse verbunden ist. So findet man z.B. im Glasübergangsbereich<br />

neben der Aktivität in der Wärmekapazität auch viele andere, wie<br />

dielektrische und mechanische Aktivitäten, wohingegen sekundäre Relaxationsprozesse<br />

nicht wärmekapazitätsaktiv, sehr wohl aber aktiv bezüglich mechanischer<br />

und dielektrischer Anregungen sind. Der breite Peak im der Verlustkomponente des<br />

Schermoduls in Abhängigkeit <strong>von</strong> der mechanischen Anregungsfrequenz in<br />

Abbildung 4.17 bei konstanter Temperatur <strong>von</strong> 328 K zeugt <strong>von</strong> der mechanischen<br />

Aktivität des mittels frequenzabhängiger TMDSC im gleichen Temperatur- und<br />

15<br />

10<br />

5<br />

G'' in MPa


Experimentelle Ergebnisse 61<br />

Frequenzbereich gefundenen Prozesses. In Abbildung 4.17 wird die selbe Frequenzachse<br />

sowohl für die mechanische Anregungsfrequenz der DMA als auch für<br />

die Frequenz der Temperaturmodulation der TMDSC genutzt. Die Position des<br />

Maximum in G’’ ist temperaturabhängig. Das Maximum selbst ist nur bei den hohen<br />

Temperaturen, weit weg vom Glasübergang zu detektieren. Bei tiefen Temperaturen<br />

ist es zu kleineren Frequenzen als den Messfrequenzen verschoben. Außerdem<br />

überlagern sich hier Glasübergang und reversibler Schmelzprozess in der G’’ Kurve.<br />

Die Charakteristik der Temperaturabhängigkeit lässt sich besser am ausgeprägteren<br />

Maximum in tan δ bestimmen. Dazu wurde tan δ in dem zwischen Kristallisationstemperatur<br />

(328 K) und Glasübergangstemperatur (208 K) zugänglichen Bereich<br />

frequenzabhängig in Temperaturschritten <strong>von</strong> 10 K bestimmt. Die Variation der<br />

Frequenz der mechanischen Anregung erfolgte <strong>von</strong> 5*10 -4 Hz bis 70 Hz. In Abbildung<br />

4.18 a sind die gemessenen Spektren bei fünf ausgewählten, charakteristischen<br />

Temperaturen dargestellt. In den Spektren der beiden hohen Temperaturen <strong>von</strong><br />

313 K und 293 K sind die Maxima in tan δ aufgrund des zu untersuchenden<br />

Prozesses deutlich ausgeprägt und der Glasübergang befindet sich noch nicht im<br />

Messfenster. Für diese Temperaturen kann die Frequenz des Maximums in tan δ<br />

direkt aus der Kurve abgelesen werden. Bei 253 K findet man bei tiefen Frequenzen<br />

nur noch die Hochfrequenzflanke des zu untersuchenden Prozesses, während man<br />

bei hohen Frequenzen die Tieffrequenzflanke des Glasübergangs findet. Das<br />

Spektrum bei der Temperatur <strong>von</strong> 228 K wird im wesentlichen <strong>von</strong> dem nun komplett<br />

im Messfenster befindlichen Glasübergang bestimmt, lediglich bei tiefen Frequenzen<br />

beeinflusst die Hochfrequenzflanke des reversiblen Schmelzprozesses <strong>das</strong><br />

Spektrum. Bei noch tieferen Temperaturen, wie z.B. bei 218 K, überlagern sich die<br />

Hochfrequenzflanken beider Prozesse. Aus Abbildung 4.18a wird schon die<br />

langsame Dynamik des reversiblen Schmelzprozesses im Vergleich zum Glasübergang<br />

deutlich. Eine detaillierte Diskussion der Dynamik des reversiblen Schmelzens<br />

lässt erst die Abtrennung vom Glasübergang zu.


62 Kapitel 4<br />

tan δ<br />

tan δ<br />

0.08<br />

0.07<br />

0.06<br />

0.05<br />

0.04<br />

0.03<br />

0.02<br />

10 -3<br />

0.05<br />

0.04<br />

0.03<br />

0.02<br />

0.01<br />

0.00<br />

10 -3<br />

10 -2<br />

10 -2<br />

10 -1<br />

10 -1<br />

10 0<br />

ω in rads -1<br />

10 0<br />

ω in rads -1<br />

10 1<br />

10 1<br />

10 2<br />

208 K<br />

223 K<br />

243 K<br />

253 K<br />

263 K<br />

283 K<br />

10 2<br />

313 K<br />

293 K<br />

253 K<br />

228 K<br />

218 K<br />

10 3<br />

10 3<br />

c<br />

a<br />

tan δ<br />

tan δ<br />

0.08<br />

0.07<br />

0.06<br />

0.05<br />

0.04<br />

0.03<br />

0.02<br />

0.01<br />

0.00<br />

0.05<br />

0.04<br />

0.03<br />

0.02<br />

0.01<br />

0.00<br />

-0.01<br />

10 -8<br />

10 -5<br />

HN-function<br />

10 -4<br />

10 -3<br />

10 -3<br />

10 -2<br />

10 2<br />

10 7<br />

a T GT ω in rad s -1<br />

10 -1<br />

10 0<br />

10 1<br />

a T RM ω in rads -1<br />

10 2<br />

10 3<br />

10 12<br />

208 K<br />

223 K<br />

243 K<br />

253 K<br />

263 K<br />

283 K<br />

Abb. 4.18: Ein Weg zur Trennung <strong>von</strong> Glasübergang und reversiblem Schmelzen zur<br />

Untersuchung der Dynamik des reversiblen Schmelzens, siehe Text.<br />

Hierzu wurden die Kurven, bei denen <strong>das</strong> dem Glasübergang zuzuordnende<br />

Maximum <strong>von</strong> tan δ nicht direkt aus dem Spektrum ablesbar war, entsprechend dem<br />

Zeit-Temperatur-Superpositionsprinzip [siehe 52, 106] relativ zur Temperatur <strong>von</strong><br />

253 K auf den Glasübergang verschoben (Abbildung 4.18b, Verschiebungsfaktor<br />

aT GT). Danach erfolgte eine Anpassung der Masterkurve mit der für Relaxationsprozesse<br />

üblicherweise genutzten Havriliak-Negami-Funktion (HN-Funktion) [154].<br />

Nun gestattet die Subtraktion der HN-Funktion <strong>von</strong> jeder einzelnen geschobenen<br />

Kurve, wie in Abb. 4.18b für ein einzelnes Spektrum farbig hervorgehoben gezeigt,<br />

die Abtrennung des Glasübergangs. Zurückgeschoben in den gemessenen<br />

Frequenzbereich zeigt sich in Abbildung 4.18c <strong>das</strong> vom Glasübergang separierte,<br />

frequenzabhängige tan δ bei verschiedenen Temperaturen, <strong>das</strong> nur noch durch den<br />

zu untersuchenden reversiblen Schmelzprozess bestimmt wird. Auch für diesen<br />

Prozess lässt sich wieder, wie in Abbildung 4.18d gezeigt, eine Masterkurve nach<br />

10 4<br />

10 5<br />

d<br />

b


Experimentelle Ergebnisse 63<br />

dem Zeit-Temperatur-Superpositionsprinzip konstruieren (Verschiebungsfaktor<br />

aT RM). Allerdings ist zu beachten, <strong>das</strong>s nicht <strong>das</strong> gesamte Maximum sondern nur<br />

eine Flanke des Maximums in tan δ zur Masterkurvenkonstruktion zur Verfügung<br />

stand und die Werte für die Verschiebungsfaktoren somit stark fehlerbehaftet sind.<br />

In Abbildung 4.19 sind in einem Aktivierungsdiagramm sowohl <strong>das</strong> reversible<br />

Schmelzen (Kreise) als auch der Glasübergang (Quadrate) eingetragen. Für den<br />

Glasübergang sind die Maxima <strong>von</strong> tan δ entsprechend der Verschiebungsfaktoren<br />

der Masterkurvenkonstruktion angegeben. Diese Punkte konnten mit einer<br />

üblicherweise die Dynamik des Glasübergangs beschreibenden Vogel-Fulcher-<br />

Tammann Gleichung (VFT) [155-157] angepasst werden.<br />

log(f tan δ max /Hz)<br />

12<br />

10<br />

8<br />

6<br />

4<br />

2<br />

0<br />

-2<br />

-4<br />

-6<br />

-8<br />

T in K<br />

320 300 280 260 240 220 200<br />

3.0 3.5 4.0<br />

1000/T in K<br />

4.5 5.0<br />

-1<br />

Abb. 4.19: Aktivierungsdiagramm für PCL für <strong>das</strong> Maximum <strong>von</strong> tan δ aus DMA-<br />

Experimenten. Die Quadrate repräsentieren den Glasübergang. Der VFT-Fit ergibt<br />

folgende Parameter: f0 = 10 18 Hz, EA = 24 kJ/mol, TV = 160 K. Die Kreise repräsentieren<br />

<strong>das</strong> reversible Schmelzen. Für die Bestimmung der Fitparameter nach dem<br />

„Arrhenius-Gesetz“ mit EA = 79 kJ/mol und f0 = 2*10 11 Hz wurden nur die direkt<br />

abgelesenen Maximumlagen in tan δ berücksichtigt (geschlossen Kreise).<br />

Für <strong>das</strong> reversible Schmelzen sind sowohl die direkt aus den Spektren abgelesenen<br />

Maximumlagen (gefüllte Kreise) als auch die aus den Verschiebungsfaktoren der<br />

Masterkurvenkonstruktion bestimmten Maximumlagen (<strong>of</strong>fene Kreise) nach<br />

Abtrennung des Glasübergangs eingezeichnet. Wie für thermisch aktivierte<br />

Sekundärrelaxationsprozesse findet man einen linearen Zusammenhang –Arrhenius-<br />

Gesetz- zwischen dem Logarithmus der Maximumfrequenz und der reziproken<br />

Temperatur. Dies spricht dafür, <strong>das</strong>s es sich beim reversiblen Schmelzen um einen<br />

thermisch aktivierten Prozess handelt. Für die lineare Anpassung im<br />

Aktivierungsdiagramm wurden nur die direkt im Spektrum abgelesenen Punkte


64 Kapitel 4<br />

herangezogen, da hier die Genauigkeit nicht durch die notwendige Abtrennung vom<br />

Glasübergang beeinflusst wird. Als Parameter ergeben sich für die Aktivierungsenergie<br />

der Wert EA = 79 kJ/mol und für die charakteristische Frequenz der Wert<br />

f0 = 2*10 11 Hz. Dieser Parametersatz charakterisiert die Dynamik des reversiblen<br />

Schmelzens.<br />

Auch für die Kalorimetrie ist es möglich, Aktivierungsdiagramme zu erstellen. Für den<br />

dynamischen Glasübergang lassen sich so die Dynamik aus einem in der Frequenz<br />

9 Dekaden überstreichenden Bereich bestimmen [95, 158, 159]. Unter alleiniger<br />

Nutzung der TMDSC ist dies nur in einem Frequenzbereich <strong>von</strong> 4 Dekaden möglich.<br />

Einen Ausweg bietet die oben beschriebene Konstruktion einer Masterkurve. Dabei<br />

muss da<strong>von</strong> ausgegangen werden, <strong>das</strong>s sich die Wärmekapazitäts-Frequenzkurve<br />

ohne Formänderung mit der Temperatur verschiebt. Im Schmelzbereich <strong>von</strong><br />

<strong>Polymer</strong>en tritt als weiteres Problem die sich mit der Temperatur verändernde<br />

Morphologie der Probe auf, was zu deutlichen Veränderungen in der Exzesswärmekapazität<br />

führen kann. Daher ist es für TMDSC Untersuchungen im Schmelzbereich<br />

weitaus schwieriger die Dynamik der Prozesse aus spektroskopischen Untersuchungen<br />

zu bestimmen. Dieser Ansatz wurde im Rahmen der vorliegenden Arbeit<br />

nicht weiter verfolgt. Im Weiteren wurde die isotherme Kristallisation untersucht.<br />

Aufgrund der konstanten Temperatur scheinen die Verhältnisse hier einfacher zu<br />

sein.<br />

4.3. QUASI-ISOTHERME TMDSC UND TMDMA WÄHREND DER<br />

KRISTALLISATION<br />

Die Temperaturmodulierte DSC ermöglicht die quasi-isotherme Bestimmung der<br />

Wärmekapazität auch während der Kristallisation. Dafür wird die Probe aus der<br />

Schmelze oberhalb der Schmelztemperatur Tm so schnell wie möglich (im DSC<br />

üblicherweise mit 100 K/min) auf die Kristallisationstemperatur Tc abgekühlt und<br />

s<strong>of</strong>ort mit dem temperaturmodulierten Experiment begonnen. Die gewählte<br />

Kristallisationstemperatur zwischen der Glasübergangs- und Schmelztemperatur<br />

bestimmt die Zeitdauer der Kristallisation und die entstehende Morphologie.<br />

Abbildung 4.20 verdeutlicht schematisch den Ablauf des Experimentes und den<br />

erwarteten Verlauf der Basislinienwärmekapazität während der Kristallisation.<br />

Ausgehend <strong>von</strong> der Wärmekapazität der Schmelze (cp liquid) erwartet man mit<br />

Zunahme des Kristallinitätsgrades eine Abnahme der Wärmekapazität in Abhängigkeit<br />

<strong>von</strong> den amorphen und kristallinen Anteilen (Gleichungen 2-2 bzw. 2-8). Bei<br />

einer vollständig kristallisierten Probe misst man demnach nach Beendigung der<br />

Kristallisation die Wärmekapazität der rein kristallinen Substanz (cp solid).


Experimentelle Ergebnisse 65<br />

C p<br />

T g<br />

c p liquid<br />

T C<br />

T<br />

T m<br />

c psolid<br />

Abb. 4.20: Schematische Darstellung des Verlaufs der Basislinienwärmekapazitäten<br />

zur Verdeutlichung der Situation beim quasi-isothermen Experiment.<br />

In Abb. 3.1 auf Seite 19 sind am Beispiel der niedermolekularen Substanz 2,5-bis-(2-<br />

Propyloxycarbonylphenylsulfanyl) <strong>das</strong> aufgeprägte quasi-isotherme, periodische<br />

Temperaturprogramm, der daraus resultierende periodische Wärmestrom in die<br />

Probe, der totale Wärmestrom und die errechnete Amplitude des periodischen<br />

Wärmestroms dargestellt.<br />

Schon im periodischen Wärmestrom ist die Verringerung der Amplitude während der<br />

Kristallisation zu erkennen. Nach Anwendung des Auswertealgorithmus und<br />

Bestimmung der dynamischen Wärmekapazität aus Gleichung 3-1 ergibt sich der in<br />

Abbildung 4.21 dargestellte Verlauf für die dynamische Wärmekapazität. Die aus<br />

dem Experiment bestimmte dynamische Wärmekapazität stimmt während des<br />

Kristallisationsprozesses mit dem erwarteten Abfall der Basislinienwärmekapazität<br />

durch die Zunahme des Kristallinitätsgrades überein und erreicht nach vollständiger<br />

Kristallisation den Wert für kristallines Material.<br />

|c P *| in J g -1 K -1<br />

1.8<br />

1.7<br />

1.6<br />

expected c pb<br />

c p crystal<br />

c p liquid<br />

measured c p<br />

100 1000 10000<br />

Abb. 4.21: Vergleich der erwarteten Basislinienwärmekapazität mit der gemessenen<br />

spezifischen dynamischen Wärmekapazität aus Abbildung 3.1.<br />

Dies ist für niedermolekulare Substanzen auch nicht verwunderlich, denn <strong>das</strong><br />

Molekül wird bei der Kristallisation als Ganzes an den Kristall angelagert. Da es für<br />

t in s


66 Kapitel 4<br />

niedermolekulare Substanzen im Gegensatz zu <strong>Polymer</strong>en nicht denkbar ist, <strong>das</strong>s<br />

Moleküle teilweise in den Kristall eingebaut werden, ist ein Molekül also entweder in<br />

den Kristall eingebaut oder gehört der Schmelze an. Für die hier vorliegenden<br />

Unterkühlung <strong>von</strong> 60 K ist der Kristall der thermodynamische Gleichgewichtszustand.<br />

Somit muss eine hohe Energiebarriere überschritten werden, um ein einmal an den<br />

Kristall gebundenes Molekül daraus zu lösen. Die kleinen Temperaturerhöhungen<br />

<strong>von</strong> weniger als einem Kelvin während der Temperaturmodulation reichen nicht aus,<br />

um Moleküle aus dem Kristall herauszulösen. Es treten auch keine Fluktuationen<br />

einzelner Moleküle zwischen den Zuständen auf. Reversible Schmelzprozesse sind<br />

bei diesen Unterkühlungen und Temperaturamplituden demnach für niedermolekulare<br />

Substanzen nicht möglich. Die im temperaturmodulierten Experiment für<br />

niedermolekulare Substanzen ermittelte dynamische Wärmekapazität gibt die<br />

Einschränkung der Freiheitsgrade des Moleküls durch den Übergang <strong>von</strong> der<br />

Flüssigkeit zum Kristall direkt wider.<br />

Betrachtet man dagegen während der Kristallisation den zeitlichen Verlauf der<br />

dynamischen Wärmekapazität <strong>von</strong> <strong>Polymer</strong>en, so findet man <strong>of</strong>t, entgegen dem<br />

erwarteten Abfall, einen Anstieg. Als Beispiel seien hier zunächst wieder Polyethylen<br />

und Polyethylenoxid genannt [56, 160, 161]. Bei diesen <strong>Polymer</strong>en tritt <strong>das</strong><br />

Oberflächenschmelzen an den Faltenflächen auf. Dieses reversible Oberflächenschmelzen<br />

ist streng mit dem kristallinen α-Prozess, der die gleitende Bewegung <strong>von</strong><br />

gestreckten Ketten durch den Kristall beschreibt, verbunden [56, 57, 162] und liefert<br />

einen beträchtlichen Beitrag zur gemessenen dynamischen Wärmekapazität.<br />

Betrachtet man jedoch die Entwicklung der dynamischen Wärmekapazitäten<br />

während der quasi-isothermen Kristallisation <strong>von</strong> PEEK, PET, PCL, PEN, EOM, PP,<br />

bei denen kein kristalliner α-Prozess und damit kein Oberflächenschmelzen an den<br />

Faltenoberflächen der Kristalllamellen auftritt, findet man ebenfalls eine höhere<br />

Wärmekapazität als die erwartete Basislinienwärmekapazität und damit eine<br />

Exzesswärmekapazität [124, 127, 163]. Für diese <strong>Polymer</strong>e muss es demnach auch<br />

während der Kristallisation andere reversible Prozesse - als <strong>das</strong> reversible<br />

Schmelzen an der Faltenoberfläche - mit anderen Mechanismen geben, deren Folge<br />

latente Wärmen und damit Exzesswärmekapazitäten im quasi-isothermen TMDSC<br />

Experiment sind.<br />

Besonders deutlich wird der Einfluss der Exzesswärmekapazität beim PEEK, wo, wie<br />

in Abbildung 4.22 dargestellt, während der Kristallisation bei 606.5 K ein Anstieg der<br />

Wärmekapazität zu beobachten ist. Die Abnahme der Basislinienwärmekapazität<br />

entspricht der Zunahme des Kristallinitätsgrades auf 0.21 am Ende der Kristallisation.


Experimentelle Ergebnisse 67<br />

|c p *| in J g -1 K -1<br />

2.40<br />

2.35<br />

2.30<br />

2.25<br />

2.20<br />

2.15<br />

2.10<br />

2.05<br />

2.00<br />

1.95<br />

1.90<br />

expected c pb<br />

measured c p<br />

c p excess<br />

c p liquid<br />

c pb (χ crystal =0.21)<br />

c p solid<br />

10000 100000<br />

t in s<br />

Abb. 4.22: Entwicklung der gemessenen spezifischen dynamischen Wärmekapazität<br />

bzw. der Basislinienwärmekapazität während der quasi-isothermen Kristallisation <strong>von</strong><br />

Polyetheretherketon bei 606.5 K. Die Geraden geben die Wärmekapazitäten der<br />

flüssigen, kristallinen und teilkristallinen Substanz an. Setaram DSC 141, tp=2400 s,<br />

AT=0.5 K.<br />

Betrachtet man nun, wie in Abbildung 4.23 dargestellt, den zeitlichen Verlauf der<br />

Exzesswärmekapazität im obigen Experiment, erkennt man 3 charakteristische<br />

Kurvenabschnitte. Zunächst findet man bis ca. 8000 s keine Exzesswärmekapazität.<br />

Danach steigt die Exzesswärmekapazität an und bleibt nach etwa 40000 s auf einen<br />

Wert <strong>von</strong> ca. 0.28 J/gK konstant. Aus dem Vergleich mit der ebenfalls in Abbildung<br />

4.23 gezeigten Entwicklung des Kristallinitätsgrades während des quasi-isothermen<br />

Experiments kann man die Kurvenabschnitte zuordnen. Die zeitabhängige<br />

Bestimmung des Kristallinitätsgrades erfolgte aus dem exothermen Peak im totalen<br />

Wärmestrom.


68 Kapitel 4<br />

χ<br />

0.20<br />

0.15<br />

0.10<br />

0.05<br />

0.00<br />

0.30<br />

0.25<br />

0.20<br />

0.15<br />

0.10<br />

0.05<br />

0.00<br />

10000 100000<br />

t in s<br />

Abb. 4.23: Entwicklung des Kristallinitätsgrades bzw. der Exzesswärmekapazität<br />

während der quasi-isothermen Kristallisation <strong>von</strong> Polyetheretherketon.<br />

Zu Beginn der Messung ist die gesamte Probe in der Schmelze (χ = 0), wo keine<br />

Exzesswärmekapazität auftritt. Während des zweiten Kurvenabschnitts, in dem die<br />

Exzesswärmekapazität stark ansteigt, steigt auch der Kristallinitätsgrad stark an.<br />

Dieser Abschnitt repräsentiert die Hauptkristallisation, dem sich ein langsamerer<br />

Anstieg des Kristallinitätsgrades ab ca. 40000 s anschließt. Dieser langsamere<br />

Anstieg ist die Folge des Endes der Hauptkristallisation und alleiniger Präsenz der<br />

Sekundärkristallisation, bei der es zu einer Perfektion der bestehenden kristallinen<br />

Strukturen kommt. Während der Sekundärkristallisation bleibt die Exzesswärmekapazität<br />

konstant. Der reversible Prozess, der dem Auftreten der Exzesswärmekapazität<br />

zugrunde liegt, setzt also mit Beginn der Kristallisation ein, steigt in seiner<br />

Stärke während der Hauptkristallisation mit der Zunahme der Zahl der Kristallite und<br />

des Kristallinitätsgrades an und bleibt während der sekundären Kristallisation trotz<br />

weiterem Anstieg des Kristallinitätsgrades in seiner Stärke gleich.<br />

Die Höhe der ermittelten Exzesswärmekapazität <strong>von</strong> über 10 % der Basislinienwärmekapazität<br />

am Ende der Kristallisation wird <strong>von</strong> einem beträchtlichen Anteil<br />

reversibler latenter Wärmen während des quasi-isothermen Experiments verursacht,<br />

die nur mit einer merklichen Änderung der Morphologie (Kristallinitätsgradsänderung)<br />

einhergehen können. Berechnet man aus der Exzesswärmekapazität am Ende der<br />

Kristallisation <strong>von</strong> 0.29 J/gK den reversibel schmelzenden Anteil, ergibt sich für die<br />

vorliegende Temperaturamplitude <strong>von</strong> 0.5 K bei 606.5 K ein Wert <strong>von</strong> 0.0024, was<br />

bei einem Kristallinitätsgrad <strong>von</strong> 0.21 etwa 1 % des kristallinen Materials entspricht.<br />

Eine andere Möglichkeit zur Bestimmung der reversibel schmelzenden Anteile kann,<br />

wie im Schmelzbereich, aus dynamisch mechanischen Kristallisationsexperimenten<br />

mit dem gleichen quasi-isothermen Temperaturprogramm wie im DSC erfolgen. Das<br />

c p excess in J g -1 K -1


Experimentelle Ergebnisse 69<br />

Ergebnis eines dieser quasi-isothermen TMDMA Experimente für PEEK bei 605 K ist<br />

in Abbildung 4.24 gezeigt.<br />

G' in Pa<br />

2x10 7<br />

1x10 7<br />

G' in Pa<br />

1x10 7<br />

1x10 7<br />

9x10 6<br />

8x10 4<br />

6x10 4<br />

4x10 4<br />

0<br />

8x10<br />

30000 40000<br />

0<br />

0 100000 200000 300000<br />

t in s<br />

6<br />

t in s<br />

604<br />

Abb. 4.24: Entwicklung des Schermoduls bzw. der Amplitude der Schermoduloszillationen<br />

während der quasi-isothermen Kristallisation <strong>von</strong> Polyetheretherketon.<br />

Rheometric Scientific ARES, T0=604.5 K, AT=0.5 K, tp=1200 s.<br />

Da die Entwicklung des Schermoduls streng mit der Entwicklung des Kristallinitätsgrades<br />

verbunden ist, findet man einen ähnlichen Verlauf beider (siehe für<br />

χ Abbildung 4.23). Zunächst wird in der Schmelze der Wert für flüssiges PEEK<br />

gemessen. Während der Kristallisation ab ca. 10000 s steigt der Schermodul stark<br />

an. Dieser Anstieg verlangsamt sich mit dem Beginn der Verringerung des Anstiegs<br />

des Kristallinitätsgrades nach dem Ende der Hauptkristallisation.<br />

Wird dagegen die Amplitude der Schermoduloszillationen betrachtet, findet man<br />

nach dem Anstieg während der Hauptkristallisation einen Übergang zu einem<br />

konstanten Wert während der Sekundärkristallisation. Dieser konstante Verlauf <strong>von</strong><br />

AG’, einhergehend mit einem weiteren Anstieg <strong>von</strong> G’ mit Zunahme des Kristallinitätsgrades<br />

während der Sekundärkristallisation ist ähnlich dem Verlauf der<br />

Exzesswärmekapazität. Dies deutet darauf hin, <strong>das</strong>s hier mit beiden Messmethoden<br />

TMDSC und TMDMA der selbe reversible Prozess getestet wird, der einerseits zum<br />

Auftreten der Exzesswärmekapazität und andererseits zum ähnlichen Verlauf der<br />

Amplitude des Schermoduls führt. Diese Frage ist jedoch nicht abschließend geklärt,<br />

da in die Überlegungen hierzu die Temperaturabhängigkeit <strong>von</strong> G’ bei verschiedenen<br />

Kristallinitätsgraden einfließen muss. Die Beziehungen zwischen den Größen sind<br />

jedoch sehr komplex und es gibt keine allgemeingültige Theorie. Unter Vernachlässigung<br />

der Temperaturabhängigkeit <strong>von</strong> G’ lässt sich aus dem in Abschnitt 3.2.2,<br />

Abbildung 3.3 experimentell ermittelten Zusammenhang <strong>von</strong> G’ und dem Kristallinitätsgrad<br />

<strong>von</strong> PEEK und aus der Amplitude <strong>von</strong> G’ nach 100000 s eine reversible<br />

Änderung des Kristallinitätsgrades <strong>von</strong> 0.003 bestimmen. Diese ist etwas höher als<br />

der aus der Exzesswärmekapazität bestimmte Wert <strong>von</strong> 0.0024.<br />

606<br />

T in K<br />

2<br />

x10 4<br />

A G' in Pa


70 Kapitel 4<br />

Im Gegensatz zu PEEK findet man bei den meisten <strong>Polymer</strong>en, die kein reversibles<br />

Oberflächenschmelzen an den Faltenflächen der Lamelle zeigen, keine Zunahme der<br />

dynamischen Wärmekapazität während der Kristallisation über den Wert der<br />

Flüssigkeit. Die meist beobachtete Abnahme ist allerdings geringer als die für die<br />

Basislinienkapazität erwartete Abnahme der Wärmekapazität. Dies ist am Beispiel<br />

<strong>von</strong> PCL in Abbildung 4.25 gezeigt.<br />

|c p *| in J g -1 K -1<br />

2.0<br />

1.9<br />

1.8<br />

1.7<br />

1.6<br />

c pb (χ crystal = 0.5)<br />

c p solid<br />

c p excess<br />

measured c p<br />

0 100000<br />

t in s<br />

200000<br />

c p liquid<br />

expected c pb<br />

Abb. 4.25: Entwicklung der gemessenen spezifischen dynamischen Wärmekapazität<br />

bzw. der Basislinienwärmekapazität während der quasi-isothermen Kristallisation <strong>von</strong><br />

Polycaprolacton bei 328 K. Die Geraden geben die Wärmekapazitäten der flüssigen,<br />

kristallinen und teilkristallinen Substanz an. PerkinElmer Instruments Pyris1 DSC,<br />

T0=328 K, AT=0.5 K, tp=1200 s.<br />

Die Differenz zwischen der gemessenen dynamischen Wärmekapazität und der<br />

Basislinienwärmekapazität ergibt wieder eine Exzesswärmekapazität (analog zu<br />

Abbildung 4.22 für PEEK), deren zeitliche Entwicklung während der Kristallisation<br />

zusammen mit der Entwicklung des Kristallinitätsgrades in Abbildung 4.26 dargestellt<br />

ist. Da im vorliegenden Beispiel der exotherme Effekt im totalen Wärmestrom mit<br />

0.05 mW während der Kristallisation die gleiche Größenordnung wie die Drift des<br />

Messgerätes während der Messzeit <strong>von</strong> 3 Tagen hat, lässt sich die Entwicklung des<br />

Kristallinitätsgrades nicht aus der Integration des totalen Wärmestrom bestimmen,<br />

sondern wurde aus dem Phasenwinkel ermittelt [164].


Experimentelle Ergebnisse 71<br />

χ<br />

0.5<br />

0.4<br />

0.3<br />

0.2<br />

0.1<br />

0.0<br />

10000 100000<br />

t in s<br />

Abb. 4.26: Entwicklung des Kristallinitätsgrades bzw. der Exzesswärmekapazität<br />

während der quasi-isothermen Kristallisation <strong>von</strong> Polycaprolacton.<br />

Die Kristallisation startet nach einer Keimbildungszeit <strong>von</strong> ca. 30000s. S<strong>of</strong>ort mit dem<br />

Ausbilden <strong>von</strong> kristallinen Strukturen gibt es auch eine Exzesswärmekapazität, die<br />

während der Hauptkristallisation mit Zunahme der Zahl der Kristallite und des<br />

Kristallinitätsgrades stark ansteigt und ab dem Ende der Hauptkristallisation konstant<br />

bleibt. Aus der Exzesswärmekapazität am Ende der Kristallisation <strong>von</strong> 0.17 J/gK<br />

lässt sich wiederum die Änderung des Kristallinitätsgrades während der Temperaturmodulation<br />

mit 0.001 angeben, was bei einem Kristallinitätsgrad <strong>von</strong> 0.5 einer<br />

Änderung des kristallinen Anteils <strong>von</strong> 0.2 % entspricht.<br />

Auch für PCL wurde mit Hilfe der TMDMA getestet, ob die Exzesswärmekapazität<br />

und die Amplitude der Schermoduloszillationen gleiche Kurvenverläufe haben.<br />

Zunächst zeigt sich in Abbildung 4.27 für den Schermodul wiederum der starke<br />

Anstieg während der Hauptkristallisation bis ca. 200000 s und ein schwächerer<br />

Anstieg bei alleiniger Präsenz der Sekundärkristallisation bis zum Ende der mehr als<br />

6 Tage dauernden Messung.<br />

0.15<br />

0.10<br />

0.05<br />

0.00<br />

c p excess in J g -1 K -1


72 Kapitel 4<br />

G' in Pa<br />

1x10 7<br />

8x10 6<br />

6x10 6<br />

4x10 6<br />

2x10 6<br />

0<br />

7x10 6<br />

G' in Pa<br />

6x10 6<br />

330<br />

150000<br />

t in s<br />

175000<br />

6x10 4<br />

5x10 4<br />

4x10 4<br />

3x10 4<br />

2x10 4<br />

0 200000 400000 600000<br />

t in s<br />

Abb. 4.27: Entwicklung des Schermoduls bzw. der Amplitude der Schermoduloszillationen<br />

während der quasi-isothermen Kristallisation <strong>von</strong> Polycaprolacton.<br />

Rheometric Scientific ARES, T0=331 K, AT=0.5 K, tp=1200 s.<br />

Betrachtet man die Amplitude des Schermoduls, bleibt sie wiederum analog zum<br />

PEEK und analog zur Exzesswärmekapazität ab dem Ende der Hauptkristallisation<br />

konstant. Wie in Abschnitt 3.2.2, Gleichung 3-7 und Abbildung 3.4 gezeigt wurde,<br />

lässt sich für PCL durch die lineare Beziehung <strong>von</strong> Schermodul und Dickenänderung<br />

der Probe während der Kristallisation die reversible Änderung des kristallinen Anteils<br />

in einer Modulationsperiode bestimmen. Am Ende der Kristallisation wurde die<br />

Änderung des kristallinen Anteils mit 0.5 % bestimmt, was etwa doppelt so hoch ist,<br />

wie der aus der TMDSC ermittelte Anteil. Ein Grund hierfür könnte sein, <strong>das</strong>s die<br />

gesamte Amplitude des Schermoduls als Folge des reversiblen Prozesses betrachtet<br />

wurde und dabei vernachlässigt wird, <strong>das</strong>s AG’ auch einen Anteil allein aufgrund der<br />

Temperaturabhängigkeit des Schermoduls hat.<br />

Bei quasi-isothermen Experimenten während der Kristallisation hat man die<br />

Frequenz der Temperaturmodulation als zusätzlichen Parameter. Durch die<br />

Betrachtung der Änderung der dynamischen Wärmekapazität bzw. der Exzesswärmekapazität<br />

in Abhängigkeit <strong>von</strong> der Frequenz können Aussagen zur Dynamik des<br />

reversiblen Schmelzens gemacht werden. In Abbildung 4.28 ist die Entwicklung der<br />

dynamischen Wärmekapazität während der quasi-isothermen Kristallisation <strong>von</strong> PCL<br />

bei Frequenzen <strong>von</strong> 1 Hz bis 8.3*10 -4 Hz dargestellt. Wie bei der frequenzabhängigen<br />

Betrachtung der dynamischen Wärmekapazität bzw. Exzesswärmekapazität<br />

im Schmelzbereich, findet man auch während der Kristallisation eine Abnahme<br />

der Exzesswärmekapazität mit höheren Frequenzen. Die dynamische Wärmekapazität<br />

für die in Abbildung 4.28 dargestellte höchste Frequenz <strong>von</strong> 1 Hz wurde mit<br />

einem AC-Kalorimeter bestimmt [72, 153, 165].<br />

332<br />

T in K<br />

1<br />

0<br />

x10 4<br />

A G' in Pa


Experimentelle Ergebnisse 73<br />

|c p *| in J g -1 K -1<br />

2.00<br />

1.95<br />

1.90<br />

1.85<br />

1.80<br />

1.75<br />

1.70<br />

c pb (χ crystal (T))<br />

c p liquid<br />

c p excess<br />

c pb (χ crystal = 0.5)<br />

1000 2000 3000 4000 5000<br />

t in min<br />

Frequency<br />

8.3*10 -4 Hz<br />

1.6*10 -3 Hz<br />

6.2*10 -3 Hz<br />

2.5*10 -2 Hz<br />

5.0*10 -2 Hz<br />

1.0 Hz AC<br />

Abb. 4.28: Entwicklung der gemessenen spezifischen dynamischen Wärmekapazität<br />

bzw. der Basislinienwärmekapazität bei der quasi-isothermen Kristallisation <strong>von</strong><br />

Polycaprolacton bei verschiedenen Temperaturmodulationsfrequenzen. Die Geraden<br />

geben die Wärmekapazitäten der flüssigen und teilkristallinen Substanz an.<br />

PerkinElmer Instruments Pyris1 DSC, T0 = 328 K, tp = 20 s…..1200 s, AT = 0.5 K;<br />

AC-Calorimeter, T0 = 327.5 K, tp = 1 s, AT = 0.02 K.<br />

Eine detaillierte Diskussion dieser frequenzabhängigen Experimente erfolgt in<br />

Abschnitt 5.1.<br />

Wie in Abbildung 4.28 gezeigt, ist es für PCL bei einer Kristallisationstemperatur <strong>von</strong><br />

328 K mit einer Modulationsfrequenz <strong>von</strong> 1 Hz noch nicht möglich, die Basislinienwärmekapazität<br />

direkt zu messen. Jedoch sollte eine noch höhere Frequenz dies<br />

erlauben. Andere <strong>Polymer</strong>e zeigen andere Dynamiken. Es ist zu erwarten, <strong>das</strong>s für<br />

bestimmte <strong>Polymer</strong>e sogar im Frequenzbereich <strong>von</strong> TMDSC Messungen die<br />

Möglichkeit besteht, die Entwicklung der Basislinienwärmekapazität während der<br />

Kristallisation experimentell zu verfolgen. So misst man z.B. nach der quasiisothermen<br />

Kristallisation <strong>von</strong> Polycarbonat für die Wärmekapazität exakt den aus<br />

einem „3-Phasen-Modell“ (siehe Gleichung 2-8 in 2.3) berechneten Wert der<br />

Basislinienwärmekapazität. Die während der Kristallisation gemessene dynamische<br />

Wärmekapazität ist in Abbildung 4.29 zusammen mit den Wärmekapazitäten der<br />

Flüssigkeit und des Kristalls sowie der Basislinienwärmekapazitäten am Ende der<br />

Kristallisation aus dem „2-Phasen Modell“ bzw. „3-Phasen Modell“ dargestellt.


74 Kapitel 4<br />

|c p *| in J g -1 K -1<br />

2.00<br />

1.95<br />

1.90<br />

1.85<br />

d - c pb (χ crystal = 0.22)<br />

e - c pb (χ solid (T g ) = 0.49)<br />

1.80<br />

10000 100000 1000000<br />

a<br />

t in s<br />

c - c p liquid<br />

t p 30s - 12 ks<br />

b - c p solid<br />

Abb.4.29: Entwicklung der gemessenen spezifischen dynamischen Wärmekapazität<br />

während der quasi-isothermen Kristallisation <strong>von</strong> Polycarbonat (Kurve a). Die<br />

Quadrate zeigen frequenzabhängige Messungen der dynamischen Wärmekapazität<br />

im Anschluss an die Kristallisation. Die Geraden geben die Wärmekapazitäten der<br />

flüssigen und kristallinen Substanz bzw. die aus einem „2- bzw. 3-Phasen Modell“<br />

berechneten Basislinienwärmekapazitäten am Ende der Kristallisation an. TA<br />

Instruments DSC 2920CE, T0 = 456.8 K, tp = 100 s, AT = 0.5 K; Frequenzabhängigkeit:<br />

PerkinElmer Instruments DSC Pyris1 tp = 30 s....1000 s, Setaram DSC 121<br />

tp = 600 s....12000 s.<br />

Dieses quasi-isotherme Experiment erfolgte bei einer mittleren Temperatur <strong>von</strong><br />

456.8 K, was etwa dem Maximum der Kristallisationsgeschwindigkeit entspricht.<br />

Trotzdem dauerte die Kristallisation etwa 10 Tage, was die langsame Kristallisationskinetik<br />

<strong>von</strong> Polycarbonat verdeutlicht. Zunächst wurde angenommen, <strong>das</strong>s dies auch<br />

der Grund für <strong>das</strong> Nichtauftreten einer Exzesswärmekapazität ist, da <strong>das</strong> An- bzw.<br />

Ablagern einzelner Molekülbestandteile länger dauert als eine Modulationsperiode<br />

<strong>von</strong> 100 s [166]. Doch auch bei längeren Modulationsperioden <strong>von</strong> bis zu 12000 s<br />

wurde nach der Kristallisation keine Exzesswärmekapazität beobachtet (Quadrate in<br />

Abb. 4.29). Dass die langsame Kristallisationskinetik nicht <strong>das</strong> Kriterium für <strong>das</strong> nicht<br />

Beobachten einer Exzesswärmekapazität ist, zeigt sich am Beispiel <strong>von</strong> Polyhydroxybuttersäure<br />

(PHB). Dieses sehr schnell und zu hohen Kristallinitätsgraden<br />

(bis zu 0.8) kristallisierende <strong>Polymer</strong> [133] zeigt am Ende der Kristallisation, wie in<br />

Abbildung 4.30 dargestellt, ebenfalls keine Exzesswärmekapazität. Die gemessene<br />

dynamische Wärmekapazität stimmt wiederum mit der berechneten Basislinienwärmekapazität<br />

aus einem „3-Phasen-Modell“ überein.


Experimentelle Ergebnisse 75<br />

|c p *| in J g -1 K -1<br />

HF in µW<br />

1.7<br />

1.6<br />

1.5<br />

1.4<br />

1.3<br />

1.2<br />

0<br />

-20<br />

-40<br />

d - c pb (χ crystal = 0.64)<br />

e - c pb (χ solid (T g ) = 0.88)<br />

b - c p solid<br />

a<br />

f - HF total<br />

c - c p liquid<br />

t p 240s - 1.2ks<br />

1000 10000 100000<br />

t in s<br />

Abb. 4.30: Entwicklung der gemessenen spezifischen dynamischen Wärmekapazität<br />

während der quasi-isothermen Kristallisation <strong>von</strong> Polyhydroxybuttersäure. Die<br />

Geraden geben die Wärmekapazitäten der flüssigen und kristallinen Substanz bzw.<br />

die aus einem „2- und 3-Phasen Modell“ berechneten Basislinienwärmekapazitäten<br />

am Ende der Kristallisation an. PerkinElmer Instruments Pyris1 DSC, T0 = 296 K,<br />

AT = 0.4 K, tp = 100 s; Frequenzabhängigkeit bei tp = 240 s....1200 s.<br />

Auch für PHB findet man bei längeren Periodendauern nach der Kristallisation keine<br />

Exzesswärmekapazität (Quadrate in Abb. 4.30). Dieser Fakt des Nichtauftretens <strong>von</strong><br />

Exzesswärmekapazitäten während der Kristallisation <strong>von</strong> PC und PHB im TMDSC<br />

Messbereich und der somit direkten Messung der Basislinienwärmekapazität<br />

ermöglicht eine detaillierte Betrachtung der die Basislinienwärmekapazität mitbestimmenden<br />

Prozesse. Einer da<strong>von</strong> ist die Mobilisierung und Immobilisierung der<br />

starr amorphen Anteile. Überlegungen und Schlussfolgerungen hierzu sind im<br />

Abschnitt 5.2 dargestellt.


KAPITEL 5: DISKUSSION<br />

In diesem Kapitel wird basierend auf den experimentellen Ergebnissen die<br />

Diskussion zu zwei Hauptresultaten der vorliegenden Arbeit geführt.<br />

In Abschnitt 5.1 erfolgt die Erörterung der Frage nach der Natur des reversiblen<br />

Schmelzens. Hierbei wird besonderer Augenmerk auf die experimentell gefundene<br />

Frequenzabhängigkeit der Exzesswärmekapazität gelegt. Basierend auf diesen<br />

Ergebnissen in Kombination mit denen der Dynamisch Mechanischen Analyse im<br />

selben Frequenz- und Temperaturbereich wird als Mechanismus des reversiblen<br />

Schmelzens ein fluktuativer Prozess <strong>von</strong> Kettensegmenten an der Wachstumsgrenzfläche<br />

zwischen Kristall und Flüssigkeit vorgeschlagen.<br />

Daran anschließend erfolgt in Abschnitt 5.2 für zwei <strong>Polymer</strong>e, bei denen unter<br />

bestimmten Messbedingungen die direkte Messung der Basislinienwärmekapazität<br />

möglich ist, die Diskussion des Immobilisierens der starr amorphen Bereiche als<br />

Konsequenz des isothermen Kristallisationsprozesses. Die Mobilisierung dieser<br />

Bereiche wird während des Schmelzens mit dem Auftreten des niedrigsten<br />

endothermen Peaks verbunden.<br />

5.1. REVERSIBLES SCHMELZEN ALS RELAXATIONSPROZESS<br />

Temperaturmodulierte Experimente zeigen für <strong>Polymer</strong>e in einem weiten Bereich<br />

zwischen Glasübergangs- und Schmelztemperatur <strong>das</strong> Auftreten einer Exzesswärmekapazität.<br />

Diese Exzesswärmekapazität kann nur durch eine reversible latente<br />

Wärme erklärt werden. Die reversible latente Wärme ist Konsequenz eines<br />

reversiblen Prozesses, der auch nach langer Wartezeit, wenn sich <strong>das</strong> <strong>Polymer</strong> in<br />

einem quasi-stationären Zustand befindet, auftritt. Es ergibt sich die Frage nach den<br />

molekularen Prozessen, die für <strong>das</strong> reversible Schmelzen verantwortlich sind.<br />

Für <strong>Polymer</strong>e, bei denen es einen kristallinen α-Prozess gibt, wurde am Beispiel <strong>von</strong><br />

Polyethylen und Polyethylenoxid gezeigt, <strong>das</strong>s der reversible Prozess ein Oberflächenschmelzen<br />

an den Faltengrenzflächen zwischen Kristalllamelle und amorphen<br />

Bereichen ist [56-59]. Dabei wird da<strong>von</strong> ausgegangen, <strong>das</strong>s es sich beim reversiblen<br />

Oberflächenschmelzen um einen kooperativen Prozess <strong>von</strong> amorphen und<br />

kristallinen Bereichen handelt. Die notwendige Beweglichkeit der Ketten in den<br />

kristallinen Bereichen wird durch den kristallinen α-Prozess realisiert. Dieser<br />

bestimmt demnach auch die Dynamik des Oberflächenschmelzens [57].<br />

Für <strong>Polymer</strong>e, die wegen fehlender Kettenbeweglichkeit im Kristall (α-Prozess)<br />

dieses Oberflächenschmelzen nicht zeigen, stellt sich zunächst die Frage, wo der


78 Kapitel 5<br />

reversible Prozess stattfindet. Es scheint aufgrund der in TMDSC Experimenten<br />

gefundenen latenten Wärmen klar, <strong>das</strong>s der reversible Prozess mit der Zu- bzw.<br />

Abnahme des Kristallinitätsgrades verbunden ist. Dieser Prozess hat die gemessene<br />

Exzesswärmekapazität zur Folge. Daraus lassen sich die Änderungen der kristallinen<br />

Bereiche bei einer Temperaturmodulationsamplitude <strong>von</strong> 0.5 K z.B. für PCL bei<br />

328 K mit 0.2 % und für PEEK bei 606.5 K mit 1 % angeben. Die unterschiedlichen<br />

zeitlichen Entwicklungen der Exzesswärmekapazität und des Kristallinitätsgrades<br />

während der quasi-isothermen Kristallisation in den Abbildungen 4.23 und 4.26<br />

zeigen, <strong>das</strong>s dieser Prozess nicht allein mit der Zunahme des kristallinen Anteils zu<br />

erklären ist. Vielmehr deutet die konstante Exzesswärmekapazität während der<br />

Nachkristallisation auf einen Prozess an den Oberflächen der Kristalle hin. Diese<br />

Oberflächen werden während der Hauptkristallisation mit der Entstehung der Kristalle<br />

gebildet. Hier steigt auch die Exzesswärmekapazität mit dem Anstieg des Kristallinitätsgrades<br />

an. Während der Nachkristallisation entstehen trotz Zunahme des<br />

Kristallinitätsgrades nur wenige neue Oberflächen. Es kommt zu einer Perfektionierung<br />

bereits vorhandener kristalliner Strukturen. Die Exzesswärmekapazität bleibt,<br />

wie erwartet, konstant.<br />

Geht man vom Lamellenstapelmodell [10-12, 45] für teilkristalline <strong>Polymer</strong>e aus,<br />

existieren zwei ausgezeichnete Oberflächen der Kristalle. Dies sind die Falten- bzw.<br />

die Wachstumsflächen der Kristalllamellen. Es sind jeweils die Grenzflächen<br />

zwischen kristallinen und amorphen Bereichen im <strong>Polymer</strong>.<br />

Die Frage, ob <strong>das</strong> reversible Schmelzen an den Falten- oder den Wachstumsflächen<br />

stattfindet, ist nicht endgültig geklärt. Auch simultane Prozesse an beiden Grenzflächen<br />

sind denkbar. Aufschluss hierüber können Untersuchungen der Exzesswärmekapazität<br />

in Abhängigkeit <strong>von</strong> der Kristallitgröße geben. Diese kann durch<br />

unterschiedliche Kristallisationsbedingungen eingestellt werden. Erste Ergebnisse<br />

solcher Untersuchungen sind <strong>von</strong> Androsch [167] vorgestellt worden. Die beobachteten<br />

Unterschiede aufgrund verschiedener Morphologien in der durch <strong>das</strong> reversible<br />

Schmelzen hervorgerufenen Exzesswärmekapazität lassen sich durch einen Prozess<br />

an der Wachstumsfront, aber nur schwer mit einem Prozess an der Faltenfläche<br />

erklären.<br />

Im Folgenden wird daher <strong>das</strong> reversible Schmelzen als Prozess an den Wachstumsflächen<br />

einzelner Kristallite diskutiert. Es werden dabei auch innere Grenzflächen<br />

(Blöckchenstruktur) der Lammellen einbezogen. Außerdem ist es notwendig nicht nur<br />

Eigenschaften der Kristalllamellen, wie die Lamellendicke und sich daraus ergebenden<br />

Stabilitätsbedingungen, sondern auch die Prozesse in der Schmelze, wie<br />

mögliche Vorordnungen [23] bzw. molekulare Keimbildungsprozesse [1] und<br />

Verschlaufungen zu berücksichtigen.<br />

In Abbildung 5.1 sind zwei Kristalllamellen mit ihren Wachstumsfronten und der sie<br />

umgebenden Schmelze skizziert. Diese Situation kann nach unendlich langer<br />

isothermer Kristallisation angenommen werden. Bei der Betrachtung werden damit


Diskussion 79<br />

zunächst keine primären und sekundären Kristallisationsprozesse und auch keine<br />

Alterungseffekte berücksichtigt. Für <strong>das</strong> Ende des Lamellenwachstums an einer<br />

bestimmten Stelle gibt es verschiedene Erklärungen. Im Gegensatz zu niedermolekularen<br />

Substanzen, wo während der Kristallisation <strong>das</strong> gesamte Molekül in den<br />

Kristall eingebaut wird, sind es bei <strong>Polymer</strong>en aufgrund der Kettenstruktur immer nur<br />

Segmente der Kette. Die Beweglichkeit des sich gerade an der Wachstumsfront<br />

befindlichen Kettensegments wird dabei stark <strong>von</strong> anderen Kettensegmenten der<br />

selben Kette und benachbarter Ketten beeinflusst. Somit ist es aufgrund geometrischer<br />

Restriktionen möglich, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> Kettensegment nicht passgerecht in den<br />

Kristall eingebaut werden kann und <strong>das</strong> Lamellenwachstum zum Erliegen kommt.<br />

Eine mögliche Hinderung der Beweglichkeit ist, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> Molekül mit anderen<br />

Kettensegmenten bereits Teil eines anderen Kristalls ist. Diese Situation ist in<br />

Abbildung 5.1 für <strong>das</strong> Molekülsegment a gezeigt.<br />

Abb. 5.1: Skizze <strong>von</strong> <strong>Polymer</strong>molekülen an Wachstumsflächen <strong>von</strong> <strong>Polymer</strong>kristallen<br />

[168].<br />

Eine weitere Möglichkeit besteht darin, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> Molekül bereits Teil des selben<br />

Kristalls ist, eine reguläre Rückfaltung jedoch nicht möglich ist. Weiterhin kann <strong>das</strong><br />

Molekül in der Schmelze so verankert sein, <strong>das</strong>s es nicht gelingt diese Verhakungen<br />

und Verschlaufungen zu lösen. Dies ist in Abbildung 5.1 für <strong>das</strong> Molekülsegment b<br />

angedeutet. Alle Fälle, die zu einem Stoppen des Lamellenwachstums führen, haben<br />

zwei Gesichtspunkte gemeinsam: 1. der aufgrund der Temperatur (hohe Unterkühlung)<br />

gegebene thermodynamisch günstigere Zustand für <strong>das</strong> <strong>Polymer</strong> ist der Kristall<br />

und 2. dieser Zustand kann aufgrund der großen Kettenlänge und daraus resultierender<br />

Restriktionen nicht realisiert werden. Die sich gerade an der Wachstumsfläche<br />

befindlichen Molekülsegmente sind dann in einem lokalen Gleichgewicht zwischen


80 Kapitel 5<br />

dem thermodynamisch günstigeren kristallinen und dem flüssigen Zustand, der durch<br />

die geometrischen Restriktionen erzwungen wird.<br />

Aus klassischer Sicht lässt sich nun argumentieren, <strong>das</strong>s dieses lokale Gleichgewicht<br />

mit Temperaturerhöhung und Temperaturerniedrigung in Richtung Schmelze oder<br />

Kristall verschoben wird. Im temperaturmodulierten Experiment würden demnach<br />

während des Heizens einige Segmente vom Kristall gelöst und während des Kühlens<br />

würden sich diese wieder anlagern. Im Ergebnis erhält man reversible latente<br />

Wärmen, die den gemessenen Wärmestrom beeinflussen und eine Exzesswärmekapazität<br />

hervorrufen.<br />

Für Ketten, die bereits an anderer Stelle in einem Kristall eingebaut sind, ließe sich<br />

dies mit der Theorie der molekularen Keimbildung [1] vereinbaren, deren Grundaussage<br />

ist, <strong>das</strong>s jedes Molekül vor der möglichen Anlagerung an den Kristall einen<br />

Keimbildungsprozess durchlaufen muss. Diese molekulare Keimbildung ist aufgrund<br />

der Zugehörigkeit des selben Moleküls zum Kristall bereits gegeben.<br />

Auch im Bild des Vorordnens der Schmelze und der Ausbildung granularer<br />

Strukturen, die dann zur Kristalllamelle zusammenwachsen [23], ließe sich ein<br />

solches lokales Gleichgewicht an Grenzflächen der Blöcke erklären, da hier in den<br />

Frühstadien der Kristallisation <strong>von</strong> einem Gleichgewicht der Schmelze und den<br />

entstandenen Kristallen ausgegangen wird [23]. Einige der Kristalle verbleiben auch<br />

nach langer Alterungszeit in ihren granularen Strukturen und bilden keine zusammenhängenden<br />

Lamellen aus. Eine kleine Temperaturerhöhung bzw. -erniedrigung<br />

während der Temperaturmodulation könnte die Struktur dieser Kristalle reversibel<br />

ändern.<br />

Betrachtet man nun die Situation während der isothermen Kristallisation an einer<br />

Wachstumsfront. Auch hier ist durch die Temperatur die treibende Kraft gegeben,<br />

den thermodynamisch günstigeren kristallinen Zustand einzustellen. Dem entgegen<br />

stehen wiederum die geometrischen Restriktionen durch bereits kristallisierte<br />

Kettensegmente und Verschlaufungen oder Verhakungen in der Schmelze. Während<br />

der Kristallisation ist die treibende Kraft, gegeben durch die Unterkühlung, größer als<br />

die geometrischen Restriktionen und die Kristalllamelle wächst. Im quasi-isothermen<br />

Experiment wurden Kristallisationstemperatur und Modulationsperiodendauer jedoch<br />

so gewählt, <strong>das</strong>s auch während der Kristallisation die Antwort des Systems quasistationär<br />

bleibt. Der Gesamtkristallinitätsgrad darf sich während einer Modulationsperiode<br />

also nur unwesentlich ändern. Dann ist, im Zeitintervall einer Modulationsperiode,<br />

die lokale Gleichgewichtssituation an der Wachstumsfläche analog zu der<br />

oben diskutierten. Auch hier kann es innerhalb einer Modulationsamplitude während<br />

des Heizens zu reversiblen Übergängen einzelner Kettensegmente in die Schmelze<br />

und während des Kühlens in den Kristall kommen. Die Ab- bzw. Zunahme des<br />

Schermoduls während einer Modulationsperiode (siehe Einschub in Abb. 4.24 bzw.<br />

4.27) unterstützt diese Vorstellungen.


Diskussion 81<br />

In Abbildung 5.2 ist die gemessene Wärmekapazität im Schmelzbereich <strong>von</strong> PCL als<br />

Funktion der Amplitude der Temperaturmodulation dargestellt.<br />

|c p *| in J g -1 K -1<br />

2.4<br />

2.3<br />

2.2<br />

2.1<br />

2.0<br />

1.9<br />

c p liquid<br />

c pb<br />

c p eccess<br />

1.8<br />

1E-3 0.01 0.1<br />

A in K T<br />

1 10<br />

Abb. 5.2: Spezifische dynamische Wärmekapazität <strong>von</strong> PCL als Funktion der<br />

Amplitude der Temperaturmodulation [149]. Setaram DSC 121, tp = 1200 s,<br />

T0 = 334 K.<br />

Die dynamische Wärmekapazität und damit auch, wie durch die Pfeile angedeutet,<br />

die Exzesswärmekapazität ist im Temperaturamplitudenbereich <strong>von</strong> 5 mK bis 2 K<br />

weitestgehend konstant. Dies bedeutet, <strong>das</strong>s die Antwort des reversiblen Schmelzens<br />

in diesem weiten Amplitudenbereich <strong>von</strong> fast 3 Dekaden linear ist. Im Modell<br />

des oben beschriebenen An- und Ablagerns <strong>von</strong> Kettensegmenten als Folge der<br />

Temperaturänderung nimmt demnach die Anzahl der sich ablösenden und<br />

anlagernden Kettensegmente mit der Heizratenamplitude linear zu.<br />

Betrachtet man die dynamische Wärmekapazität in Abb. 5.2 bei großen Temperaturamplituden,<br />

erkennt man <strong>das</strong> Verschwinden <strong>von</strong> cp excess ab einer Temperaturamplitude<br />

<strong>von</strong> ca. 3 K. Der Grund hierfür ist, <strong>das</strong>s mit der höchsten Temperatur im<br />

Modulationszyklus bereits während der ersten Heizphase des quasi-isothermen<br />

Experiments die Schmelztemperatur überschritten wird. Damit ist die gesamte Probe<br />

geschmolzen und eine Rekristallisation während der Kühlphase findet nicht statt.<br />

Folglich gibt es kein reversibles Schmelzen mehr und die Exzesswärmekapazität<br />

verschwindet. Die gemessene dynamische Wärmekapazität entspricht nunmehr der<br />

Wärmekapazität der Flüssigkeit. Dies zeigt, <strong>das</strong>s die Kristallisation ohne nennenswerte<br />

Unterkühlung nur möglich ist, wenn genügend Keime im Sinne der molekularen<br />

Keimbildung vorhanden sind.<br />

Das Auftreten einer Exzesswärmekapazität bei Temperaturamplituden <strong>von</strong> nur 5 mK<br />

zeigt, <strong>das</strong>s der Prozess des reversiblen Schmelzens wahrscheinlich ohne oder mit


82 Kapitel 5<br />

sehr kleiner Unterkühlung abläuft. Dies lässt sich nur unter der Annahme lokaler<br />

Gleichgewichte zwischen Kristall und Schmelze erklären.<br />

Neben der Linearität des reversiblen Schmelzens und dem Fehlen einer Unterkühlung<br />

ist die in Kapitel 4 gezeigte Frequenzabhängigkeit eine weitere Eigenschaft des<br />

reversiblen Schmelzens. Für die in Abbildung 4.28 gezeigte quasi-isotherme<br />

Kristallisation <strong>von</strong> PCL bei verschiedenen Temperaturmodulationsfrequenzen lässt<br />

sich durch einen isochronen Schnitt bei 2000 min (senkrechte Linie in Abb. 4.28) der<br />

in Abbildung 5.3 dargestellte frequenzabhängige Verlauf der Exzesswärmekapazität<br />

für die Temperatur <strong>von</strong> 328 K angeben. Die Quadrate in Abb. 5.3 entsprechen den<br />

Exzesswärmekapazitäten der Schnittpunkte der Linie nach 2000 s mit den Wärmekapazitätskurven<br />

bei der entsprechenden Frequenz in Abb. 4.28. Die durchgezogene<br />

Linie soll trotz des begrenzten Frequenzbereiches den angenommenen stufenförmigen<br />

Verlauf der Exzesswärmekapazität in Abhängigkeit <strong>von</strong> der Frequenz verdeutlichen.<br />

Für den mit dem reversiblen Schmelzen verbundenen molekularen Prozess<br />

ergibt sich in diesem Beispiel eine charakteristische Zeit <strong>von</strong> einigen Sekunden.<br />

Diese entspricht der häufigsten Relaxationszeit der Relaxationszeitenverteilung und<br />

kann über die Beziehung ωτ = 1 aus der Frequenz der halben Stufenhöhe in Abb. 5.3<br />

abgeschätzt werden. Interessant ist die Beobachtung eines Verlustpeaks in<br />

isothermen scherspektroskopischen Untersuchungen (DMA) bei 328 K (siehe Abb.<br />

4.17), der die gleiche charakteristische Zeit ergibt.<br />

c p excess in J g -1 K -1<br />

0.20<br />

0.15<br />

0.10<br />

0.05<br />

0.00<br />

1E-5 1E-4 1E-3 0.01 0.1 1 10 100<br />

f in Hz<br />

Abb. 5.3: Exzesswärmekapazität <strong>von</strong> PCL nach 2000 min Kristallisationszeit bei<br />

328 K als Funktion der Temperaturmodulationsfrequenz (siehe Abb. 4.28).<br />

Die beobachtete Frequenzabhängigkeit der Exzesswärmekapazität kann nicht mit<br />

einfachen Annahmen zur Schmelzkinetik erklärt werden. Ein solcher stufenförmiger<br />

Verlauf im Realteil einer Nachgiebigkeit ist typisch für Relaxationsprozesse. Auch die<br />

neben der Frequenzabhängigkeit gefunden anderen Eigenschaften des reversiblen


Diskussion 83<br />

Schmelzens, wie Linearität und Ablaufen des Prozesses ohne Unterkühlung bzw. die<br />

Kopplung an einen isothermen mechanisch aktiven Prozess sind Eigenschaften, die<br />

Relaxationsprozessen zugeschrieben werden können.<br />

Wie <strong>von</strong> Donth [169, 170] für den Glasübergang gezeigt wurde, lassen sich solche<br />

Relaxationsprozesse durch Fluktuationen um ein lokales Gleichgewicht beschreiben.<br />

Ausgangspunkt dieser Betrachtung sind thermische Fluktuationen in kleinen<br />

Subsystemen, die noch eine Beschreibung mittels der Thermodynamik zulassen. Die<br />

Fluktuationen beschreiben dann die spontan ablaufenden Zufallsbewegungen der<br />

Teilchen aufgrund chaotischer Wärmebewegung. Solche Fluktuationen sind z.B. die<br />

des Volumens, der Dichte oder der Temperatur. Die Verbindung zwischen internen<br />

Bewegungsmechanismen (Fluktuationen) und der Antwort der Probe auf eine äußere<br />

Störung stellt <strong>das</strong> Fluktuations-Dissipationstheorem [171, 172] her. Im dynamischen<br />

Experiment werden die Fluktuationen in Abhängigkeit <strong>von</strong> der Messfrequenz über die<br />

Reaktion abgefragt. Dabei fragt jede äußere Störung eine spezifische Fluktuation ab,<br />

d.h. die Temperaturstörung fragt Entropiefluktuationen ab, während eine mechanische<br />

Spannung die Scherwinkelfluktuationen detektiert. Sind die Frequenzen der<br />

äußeren Störung klein gegenüber denen der Fluktuationen wird in der entsprechenden<br />

Messung über alle Fluktuationen gemittelt. Sind die Frequenzen der äußeren<br />

Störung jedoch größer als die der Fluktuationen, werden die Fluktuationen nicht im<br />

Messsignal erfasst. Dies hat für die Nachgiebigkeiten die charakteristische Stufe zur<br />

Folge. Für den Glasübergang wird die Wärmekapazität als Entropienachgiebigkeit<br />

angesehen [169, 170]. Mit der Messung der Wärmekapazität erhält man damit<br />

Zugang zu den Entropiefluktuationen. Für die Wärmekapazität kann folgende<br />

Relation angegeben werden:<br />

wobei<br />

C p<br />

2<br />

∆S<br />

= (5-1)<br />

k<br />

2<br />

∆ S die mittlere Entropiefluktuation und k die Boltzmannkonstante ist.<br />

Ein zentrales Ergebnis des Donth’schen Fluktuationszugangs zum Glasübergang ist<br />

die Abschätzung des Volumens eines kooperativen Umlagerungsbereiches (CRR)<br />

[169, 170] nach Adam-Gibbs [173] mit:<br />

V<br />

a<br />

=<br />

kT<br />

2<br />

⎛ 1 ⎞<br />

( ) ⎟ g<br />

∆<br />

⎜<br />

2 α<br />

δT<br />

ρ c<br />

⎝<br />

v<br />

⎠<br />

(5-2)<br />

wobei δT die mittlere Temperaturfluktuation, Tg die Glasübergangstemperatur, k die<br />

⎛ 1 ⎞<br />

Boltzmannkonstante, ρ die Dichte und ∆<br />

⎜<br />

⎟ α die Stufenhöhe der reziproken<br />

⎝ cv<br />

⎠<br />

Wärmekapazität bei konstantem Volumen ist.<br />

Betrachtet man <strong>das</strong> reversible Schmelzen analog zum Glasübergang als fluktuativen<br />

Prozess, stellt sich zunächst die Frage nach dem molekularen Prozess. Dieser kann,<br />

unter Annahme des in Abbildung 5.1 dargestellten lokalen Gleichgewichts zwischen


84 Kapitel 5<br />

Kristall und Flüssigkeit, als Zufallsbewegung der betrachteten Segmente zwischen<br />

Kristall und Schmelze angesehen werden. Ein Kettensegment ist also manchmal Teil<br />

der Schmelze und manchmal Teil des Kristalls, auch unabhängig <strong>von</strong> äußeren<br />

Temperaturänderungen durch die Temperaturmodulation. Solche An- und Ablagerungsfluktuationen<br />

ergeben große Entropiefluktuationen und damit bei entsprechenden<br />

Frequenzen einen Beitrag zur gemessenen Wärmekapazität. Für PCL bei 328 K<br />

liegen die Frequenzen dieser Fluktuationen im Bereich der Frequenzen der<br />

wärmekapazitätsspektroskopischen Messungen, so <strong>das</strong>s die Stufe im frequenzabhängigen<br />

Verlauf der Exzesswärmekapazität beobachtet wird (Abb. 5.3).<br />

Will man die oben angegebene Formel zur Berechnung des Volumens eines<br />

kooperativen Umlagerungsbereiches auf den Fall der Fluktuationen <strong>von</strong> Kettensegmenten<br />

an der Wachstumsfläche anwenden, benötigt man neben der Dichte ρ<br />

auch den Wert für die charakteristische Temperatur Trm 3 (entsprechend Tg am<br />

Glasübergang), die mittlere Temperaturfluktuation δT und die Stufenhöhe der<br />

⎛ 1 ⎞<br />

reziproken Wärmekapazität bei konstantem Volumen ∆<br />

⎜<br />

⎟ rs .<br />

⎝ cv<br />

⎠<br />

Die Bestimmung dieser Größen kann, wie beim Glasübergang, aus der Temperaturabhängigkeit<br />

der Exzesswärmekapazität erfolgen. Die direkte Messung der<br />

Temperaturabhängigkeit ist im Schmelzbereich <strong>von</strong> <strong>Polymer</strong>en im Gegensatz zum<br />

Glasübergang nicht möglich, da irreversible Prozesse den Kurvenverlauf mitbestimmen.<br />

Allerdings lässt sich unter Kenntnis des Temperatur-Zeit (Frequenz)-Superpositionsgesetzes<br />

für <strong>das</strong> reversible Schmelzen die frequenzdispersive Darstellung in<br />

eine temperaturdispersive überführen. Setzt man nun voraus, <strong>das</strong>s der experimentell<br />

im selben Frequenz- und Temperaturbereich gefundene mechanische Relaxationsprozess<br />

(siehe Abschnitt 4.2, Abbildungen 4.17 bis 4.19) den gleichen molekularen<br />

Prozessen zuzuordnen ist, lässt sich <strong>das</strong> dort gefundene Temperatur-Zeit<br />

(Frequenz)-Gesetz auf die Wärmekapazität übertragen. Aus der Stufe in<br />

Abbildung 5.3 erhält man dann über den im Aktivierungsdiagramm (Abb. 4.19)<br />

gefundenen Zusammenhang zwischen Frequenz und Temperatur den in Abbildung<br />

5.4 dargestellten stufenförmigen Verlauf der Exzesswärmekapazität in Abhängigkeit<br />

<strong>von</strong> der Temperatur bei konstanter Frequenz <strong>von</strong> 0.05 Hz.<br />

3 Der Index rm steht hier für <strong>das</strong> reversible Schmelzen (reversible melting).


Diskussion 85<br />

c p excess in J g -1 K -1<br />

0.20<br />

0.15<br />

0.10<br />

0.05<br />

0.00<br />

f 0 =0.05Hz<br />

240 260 280 300 320 340 360 380 400<br />

T in K<br />

Abb. 5.4: Exzesswärmekapazität als Funktion der Temperatur erhalten aus der<br />

Frequenzabhängigkeit der Exzesswärmekapazität in Abb. 5.3 und dem Temperatur-<br />

Zeit-Gesetz aus der DMA für <strong>das</strong> reversible Schmelzen in Abb. 4.19.<br />

Die für die Berechnung der Größe der kooperativen Umlagerungsbereiche<br />

notwendige charakteristische Temperatur lässt sich aus der halben Stufenhöhe der<br />

Exzesswärmekapazität in Abb. 4.5 mit T = 328 K ermitteln. Die mittlere Temperaturfluktuation<br />

entspricht etwa der halben Stufenbreite, hier δT = 35 K. Die Stufenhöhe<br />

⎛ 1 ⎞<br />

der reziproken Wärmekapazität bei konstantem Volumen ∆<br />

⎜<br />

⎟ rs lässt sich aus der<br />

⎝ cv<br />

⎠<br />

Stufenhöhe der Wärmekapazität bei konstantem Druck ∆cp und der Wärmekapazität<br />

bei der charakteristischen Temperatur cp näherungsweise aus:<br />

⎛ 1 ⎞ ∆c<br />

p<br />

∆ ⎜ ≈ 2<br />

c ⎟<br />

(5-3)<br />

⎝ v ⎠ c p<br />

bestimmen. Im vorliegenden Fall wurde<br />

⎛ 1 ⎞<br />

∆<br />

⎜<br />

⎟ rs mit 0.055 gK/J aus ∆cp = 0.19 J/gK<br />

⎝ cv<br />

⎠<br />

und cp = 1.86 J/gK bestimmt. Setzt man die Dichte <strong>von</strong> PCL als 1.146 g/cm 3 [174]<br />

erhält man für <strong>das</strong> Volumen des Umlagerungsbereiches Vrm ≈ 5.8*10 -29 m 3 . Eine<br />

charakteristische Länge kann näherungsweise aus der Kubikwurzel des Volumens<br />

mit ζrm = 0.4 nm bestimmt werden. Dies ist etwas kleiner als die Kuhn’sche<br />

statistische Segmentlänge, die für <strong>Polymer</strong>e im Bereich <strong>von</strong> 1 nm bis 2 nm liegt. Es<br />

handelt sich also um einen sehr lokalen Prozess.


86 Kapitel 5<br />

5.2. IMMOBILISIERUNG UND MOBILISIERUNG DER STARR AMORPHEN<br />

BEREICHE IN POLYCARBONAT UND POLYHYDROXYBUTTERSÄURE<br />

In diesem Abschnitt steht die Diskussion der Basislinienwärmekapazität im<br />

Vordergrund. Dazu ist es notwendig diese experimentell zu bestimmen. Wie im<br />

Kapitel 4 an vielen Beispielen gezeigt wurde, ist eine direkte experimentelle<br />

Bestimmung der Basislinienwärmekapazität nur selten möglich. Frequenzabhängige<br />

Untersuchungen bei hohen Messfrequenzen könnten eine Lösung für dieses<br />

Problem sein. Beim Betrachten der Abbildung 5.3 wird klar, <strong>das</strong>s dafür unter den<br />

gegebenen Bedingungen für PCL eine Frequenz <strong>von</strong> mindestens 10 Hz nötig ist.<br />

Noch höhere Frequenzen, <strong>von</strong> über 100 Hz, sind für ein Ethylen-Octen-Copolymer<br />

notwendig (siehe Abb. 4.16). Die exakte Bestimmung der Wärmekapazität in diesem<br />

Frequenzbereich ist aufgrund des Einflusses der Wärmeleitfähigkeit bisher weder mit<br />

TMDSC-Experimenten noch mit anderen wärmekapazitätsspektroskopischen<br />

Methoden möglich. Allerdings gibt es <strong>Polymer</strong>e, bei denen die Dynamik des<br />

reversiblen Schmelzens bedeutend langsamer ist. Für diese <strong>Polymer</strong>e ist die in<br />

Abbildung 5.3 gezeigte Kurve für die Exzesswärmekapazität während der Kristallisation<br />

deutlich zu tieferen Frequenzen verschoben. Im Bereich des TMDSC Messfensters<br />

ist es dann möglich, Basislinienwärmekapazitäten direkt zu messen.<br />

Beispiele hierfür sind die Kristallisationen <strong>von</strong> Polycarbonat (Abb. 4.29 und 5.5) und<br />

<strong>von</strong> Polyhydroxybuttersäure (Abb. 4.30) bei der Frequenz <strong>von</strong> 0.01 Hz.<br />

Dass wirklich Basislinienwärmekapazitäten gemessen werden, zeigt die Unabhängigkeit<br />

der gemessenen dynamischen Wärmekapazität <strong>von</strong> der Temperaturmodulationsfrequenz<br />

am Ende der Kristallisation (Quadrate in Abb. 4.29 bzw. 5.5<br />

und 4.30). Warum bei diesen <strong>Polymer</strong>en keine Exzesswärmekapazität im TMDSC-<br />

Messbereich auftritt, ist nicht bekannt. Auch zeigen sie keinerlei Gemeinsamkeiten<br />

bezüglich der Kristallisationskinetik. Im Gegensatz zu Polycarbonat, <strong>das</strong> nur sehr<br />

langsam kristallisiert und damit auch die Dynamik des reversiblen Schmelzens als<br />

langsam angenommen werden kann, ist PHB ein sehr schnell kristallisierendes<br />

Material. Auch die am Ende der Kristallisation erhaltenen Kristallinitätsgrade sind<br />

deutlich verschieden. Während Polycarbonat nur bis zu 25 % kristallisiert [24, 135],<br />

können bei PHB Kristallinitätsgrade <strong>von</strong> bis zu 80 % erreicht werden [133].


Diskussion 87<br />

|c p *| in J g -1 K -1<br />

2.00<br />

1.95<br />

1.90<br />

1.85<br />

d - c pb (χ crystal = 0.22)<br />

e - c pb (χ solid (T g ) = 0.49)<br />

1.80<br />

10000 100000 1000000<br />

a<br />

t in s<br />

c - c p liquid<br />

t p 30s - 12 ks<br />

b - c p solid<br />

Abb. 5.5: Entwicklung der spezifischen dynamischen Wärmekapazität während der<br />

quasi-isothermen Kristallisation <strong>von</strong> Polycarbonat (Wiederholung der Abb. 4.29)<br />

Die direkte experimentelle Ermittlung der Basislinienwärmekapazität ermöglicht den<br />

Vergleich mit erwarteten Werten verschiedener Modelle. Dieser Vergleich zeigt am<br />

Ende der Kristallisation, <strong>das</strong>s die gemessene dynamische Wärmekapazität (Kurve a)<br />

deutlich unter der aus dem „2-Phasen-Modell“ (Gleichung 2-2) ermittelten Wärmekapazität<br />

(Kurve d) liegt. Berücksichtigt man, wie im „3-Phasen Modell“ (Gleichung 2-8),<br />

die Unterteilung der amorphen Bereiche in beweglich und starr, stimmen die<br />

erwartete Wärmekapazität (Kurve e) und gemessene Basislinienwärmekapazität<br />

überein. Die Ermittlung des festen Anteils erfolgte hier nach Gleichung 2-5 in dem<br />

dem Kristallisationsexperiment folgenden Kühlexperiment am Glasübergang. Die<br />

gute Übereinstimmung der gemessenen mit der so berechneten Wärmekapazität<br />

zeigt, <strong>das</strong>s die am Glasübergang gefundenen starr amorphen Bereiche schon nach<br />

der Kristallisation bei der Kristallisationstemperatur vorlagen. Offensichtlich erfolgt die<br />

Immobilisierung dieser Bereiche für PC und PHB, während der Kristallisation und<br />

nicht während des Kühlens <strong>von</strong> der Kristallisations- zur Glasübergangstemperatur.<br />

Für PC und PHB gibt es demnach keinen breiten Glasübergang der starr amorphen<br />

Bereiche zwischen Kristallisationstemperatur und Glasübergang. Die Entstehung der<br />

starr amorphen Bereiche ist also für diese <strong>Polymer</strong>e Folge <strong>von</strong> Morphologieänderungen<br />

während der Kristallisation und nicht, wie manchmal angenommen [175], die<br />

Folge der Temperaturerniedrigung nach der Kristallisation. Es sei darauf hingewiesen,<br />

<strong>das</strong>s für andere <strong>Polymer</strong>e, wie z.B. syndiotaktisches Polypropylen [176], <strong>das</strong><br />

Verhalten anders sein kann.<br />

Für die Kristallisation <strong>von</strong> Polycarbonat gibt es ein spezielles Modell <strong>von</strong> Marand<br />

[24]. Er geht <strong>von</strong> zwei wesentlichen Schritten aus. Zuerst entstehen die Kristalllamellen,<br />

diese sind in Lamellenstapeln angeordnet, welche letztendlich sphäroliti-


88 Kapitel 5<br />

sche Strukturen bilden. Danach entstehen hinter den Wachstumsfronten in den<br />

zwischen den Kristalllamellen liegenden amorphen Bereichen kleine mizellenartige<br />

Kristalle mit entsprechend großen spezifischen Oberflächen. Die Voraussetzung zur<br />

Bildung dieser kleinen Kristalle ist die Beweglichkeit der amorphen Bereiche<br />

zwischen den Kristalllamellen. Würden diese Bereiche schon während des<br />

Wachstums der Kristalllamellen immobilisiert, könnten keine kleinen Kristalle<br />

entstehen. Somit scheint die Bildung dieser Kristalle zwischen den Lamellen die<br />

entscheidende morphologische Veränderung zu sein, die zur Immobilisierung eines<br />

Teils der amorphen Bereiche führt. Diese starr amorphen Bereiche befinden sich<br />

dann um die Kristalle herum. Als Gründe für die Immobilisierung kommen sowohl der<br />

teilweise Einbau der Kette in die Kristalle als auch die Abnahme des Volumens der<br />

verbleibenden amorphen Bereiche unter ein kritisches Volumen für die notwendige<br />

Kooperativität der Bewegungen in Frage [170]. Ein weiteres Wachstum dieser<br />

Kristalle zwischen den Lamellen ist dann nicht möglich, da <strong>das</strong> starr amorphe<br />

Material um die Kristalle herum die notwendige weitreichende Molekularbewegung<br />

für die Anlagerung <strong>von</strong> Kettensegmenten an die Wachstumsfront der Kristalle<br />

verhindert.<br />

In Marand's Modell schmelzen diese kleinen Kristalle kurz oberhalb der Kristallisationstemperatur<br />

während des niedrigsten endothermen Peaks in der totalen<br />

Wärmekapazität [24, 25, 134, 177]. Damit sollte auch die Mobilisierung der starr<br />

amorphen Bereiche einhergehen. Für die Basislinienwärmekapazität hätte dies<br />

einerseits einen Anstieg aufgrund des Schmelzens eines Teils des kristallinen<br />

Materials und andererseits einen Anstieg aufgrund der Mobilisierung der amorphen<br />

Bereiche zur Folge. Betrachtet man in Abbildung 5.6 die dynamische Wärmekapazität<br />

aus dem TMDSC-Scan Heizexperiment (Kurve a), findet man einen deutlichen<br />

Anstieg im Bereich des niedrigsten endothermen Peaks der totalen Wärmekapazität<br />

(Kurve f). Dieses TMDSC-Scan Experiment ist jedoch aufgrund des Einflusses der<br />

irreversiblen latenten Wärmen auf die dynamische Wärmekapazität (siehe Abschnitt<br />

4.2) nicht geeignet, Basislinienwärmekapazitäten zu messen. Außerdem tritt im<br />

Schmelzbereich auch für Polycarbonat reversibles Schmelzen auf (siehe unten).<br />

Besser geeignet ist wieder die schrittweise quasi-isotherme Bestimmung der<br />

Wärmekapazität. Zunächst wird die gemessene dynamische Wärmekapazität nach<br />

15 min quasi-isothermer Messung (�) betrachtet. Während des niedrigsten<br />

endothermen Peaks in der totalen Wärmekapazität kommt es zu einer Stufe in der<br />

dynamischen Wärmekapazität und zwar ausgehend <strong>von</strong> der Wärmekapazität unter<br />

Berücksichtigung der starr amorphen Bereiche („3-Phasen-Modell“, Kurve e) bis zur<br />

Wärmekapazität, die nur Kristall und Flüssigkeit berücksichtigt („2-Phasen-Modell“,<br />

Kurve d). Bei höheren Temperaturen (T > 485 K) wird auch im quasi-isothermen<br />

Experiment eine höhere Wärmekapazität als die erwartete gemessen. Dies zeugt<br />

<strong>von</strong> Exzesswärmekapazitäten, die hier die direkte Messung der Basislinienwärmekapazität<br />

unmöglich machen.


Diskussion 89<br />

|c p *| in J g -1 K -1<br />

2,15<br />

2,10<br />

2,05<br />

2,00<br />

1,95<br />

1,90<br />

1,85<br />

c pb (χ crystal = 0.23)<br />

c pb (χ solid (T g ) = 0.49)<br />

d<br />

e<br />

c - c p liquid<br />

g - c pb (χ crystal (T))<br />

440 450 460 470 480 490 500 510 520<br />

T in K<br />

a<br />

b - c p solid<br />

f - c p total<br />

Abb. 5.6: Spezifische dynamische Wärmekapazitäten aus TMDSC-Scan (Kurve a)<br />

und quasi-isothermen Experimenten im Schmelzbereich <strong>von</strong> Polycarbonat. Die<br />

Geraden geben den Verlauf der spezifischen Wärmekapazitäten der flüssigen<br />

(Kurve c), kristallinen (Kurve b) und teilkristallinen Substanz nach einem „2-Phasen-<br />

Modell“ (Kurve d) bzw. „3-Phasen-Modell“ (Kurve e) an. Kurve g entspricht der<br />

Basislinienwärmekapazität nach dem „2-Phasen-Modell“ unter Berücksichtigung der<br />

Kristallinitätsgradsänderung während des Schmelzens. Kurve f zeigt die totale<br />

Wärmekapazität aus dem TMDSC-Scan Experiment. Die quasi-isotherme Bestimmung<br />

der Wärmekapazität erfolgte nach 15 min (�) bzw. 10 Stunden (�) bei<br />

f = 0.01 Hz und nach 10 Stunden bei f = 0.001 Hz (�). Scan Experiment: TA<br />

Instruments DSC 2920CE, q0=0.5 K/min, AT=0.5 K, tp=100 s. Quasi-isotherme<br />

Experimente: PerkinElmer Instruments DSC2, AT=0.5 K, tp=100 s bzw. 1000 s.<br />

Diese Stufe in der gemessenen dynamischen Wärmekapazität ausgehend <strong>von</strong> der<br />

Wärmekapazität nach dem „3-Phasen-Modell“ hin zur Wärmekapazität nach dem „2-<br />

Phasen-Modell“ zeigt, <strong>das</strong>s mit dem Schmelzen der kleinen Kristalle zwischen den<br />

Kristalllamellen auch die Mobilisierung der starr amorphen Bereiche einhergeht. Der<br />

erwartete Anstieg der Basislinienwärmekapazität aufgrund des Phasenübergangs<br />

vom Kristall zur Flüssigkeit ist in Kurve g dargestellt. Die kleine Stufe dieser Kurve g<br />

im Bereich des niedrigsten endothermen Peaks der totalen Wärmekapazität zeugt<br />

<strong>von</strong> der geringen Änderung des Gesamtkristallinitätsgrades während des Schmelzens<br />

der kleinen Kristalle. Diese Ergebnisse sind im Einklang mit der <strong>von</strong> Lu und<br />

Cebe gefundenen Mobilisierung <strong>von</strong> amorphen Bereichen in PET beim Heizen durch<br />

den niedrigsten endothermen Peak [178].<br />

Betrachtet man nun die zeitliche Entwicklung der gemessenen dynamischen<br />

Wärmekapazität während eines quasi-isothermen Experiments, so findet man<br />

oberhalb des niedrigsten endothermen Peaks ab ca. 475 K einen starken Abfall. In<br />

4<br />

3<br />

2<br />

c p in J g -1 K -1


90 Kapitel 5<br />

Abbildung 5.5 ist dies durch den Vergleich der gemessenen dynamischen Wärmekapazitäten<br />

nach 15 min (�) bzw. 10 Stunden (�) quasi-isothermer Messzeit zu<br />

erkennen. Erst nach etwa 10 Stunden hat die Wärmekapazität im Bereich oberhalb<br />

des niedrigsten endothermen Peaks einen konstanten Wert erreicht. Die nach<br />

10 Stunden gemessenen Wärmekapazitäten liegen weit unter der aus dem „2-<br />

Phasen-Modell“ erwarteten Wärmekapazität (Kurve d), aber wieder in der Nähe der<br />

aus dem „3-Phasen-Modell“ erwarteten Wärmekapazität. Als Erklärung hierfür wird<br />

die neuerliche Kristallisation kleiner mizellenartiger Kristalle angesehen. Dies ist<br />

nunmehr wiederum möglich, da mit dem Schmelzen der vorherigen Kristallpopulation<br />

<strong>das</strong> amorphe Material mobilisiert wird und die für die Entstehung der kleinen<br />

mizellenartigen Kristalle notwendigen molekularen Bewegungen stattfinden können.<br />

Als Konsequenz dieses Wachstums wird wiederum <strong>das</strong> amorphe Material um die<br />

Kristalle immobilisiert. Die gemessene dynamische Wärmekapazität entspricht dann<br />

annähernd der aus dem „3-Phasen-Modell“ erwarteten. Diese Prozesse wiederholen<br />

sich beim Heizen zur nächsten mittleren Temperatur und dortiger quasi-isothermer<br />

Alterung. Die Wärmekapazität ist bis zu einer Temperatur <strong>von</strong> 490 K nicht frequenzabhängig.<br />

Somit entspricht die gemessene dynamische Wärmekapazität tatsächlich<br />

der Basislinienwärmekapazität. Erst bei höheren Temperaturen im Bereich des<br />

Schmelzens der Kristalllamellen findet man im Frequenzbereich <strong>von</strong> 0.01 Hz bis<br />

0.001 Hz eine Frequenzabhängigkeit der Wärmekapazität. Dies zeigt, <strong>das</strong>s hier nicht<br />

die Messung der Basislinienwärmekapazität erfolgt, sondern zusätzlich eine<br />

Exzesswärmekapazität aufgrund des reversiblen Schmelzens erhalten wird.<br />

Wie bei Polycarbonat findet man auch für Polyhydroxybuttersäure keine Exzesswärmekapazität<br />

nach der isothermen Kristallisation (Abb. 4.30). Die Ergebnisse des<br />

schrittweise quasi-isothermen Heizexperiments für PHB sind in Abbildung 5.7<br />

gezeigt.


Diskussion 91<br />

|c p *| in J g -1 K -1<br />

2,2<br />

2,0<br />

1,8<br />

1,6<br />

1,4<br />

1,2<br />

1,0<br />

c pb (χ crystal = 0.64)<br />

d<br />

c pb (χ solid (T g ) = 0.88)<br />

e<br />

c - c p liquid<br />

b - c p solid<br />

250 300 350<br />

T in K<br />

400 450<br />

a<br />

f - c p total<br />

Abb. 5.7: Spezifische dynamische Wärmekapazitäten aus TMDSC-Scan (Kurve a)<br />

und quasi-isothermen Experimenten im Schmelzbereich <strong>von</strong> Polyhydroxybuttersäure.<br />

Die Geraden geben den Verlauf der spezifischen Wärmekapazitäten der flüssigen<br />

(Kurve c), kristallinen (Kurve b) und teilkristallinen Substanz nach einem „2-Phasen-<br />

Modell“ (Kurve d) bzw. „3-Phasen-Modell“ (Kurve e) an. Kurve f zeigt die totale<br />

Wärmekapazität aus dem TMDSC-Scan Experiment. Die quasi-isotherme Bestimmung<br />

der Wärmekapazität erfolgte nach 30 min (�). PerkinElmer Instruments DSC2,<br />

q0=1 K/min, AT=0.4 K, tp=60 s.<br />

Prinzipiell ist der gleiche Verlauf der Wärmekapazität, wie im vorherigen Beispiel bei<br />

Polycarbonat zu beobachten. Es zeigt sich wiederum im Bereich des niedrigsten<br />

endothermen Peaks der totalen Wärmekapazität bei ca. 320 K eine Stufe in der<br />

gemessenen dynamischen Wärmekapazität (Kurve a und �) <strong>von</strong> der dem „3-<br />

Phasen-Modell“ entsprechenden Gerade (Kurve e) hin zur Gerade, die dem „2-<br />

Phasen-Modell“ entspricht (Kurve d). Da PHB sehr schnell kristallisiert aber die<br />

zeitliche Entwicklung der Wärmekapazität während der Kristallisation verfolgt werden<br />

sollte (siehe Abschnitt 4.3, Abb. 4.30), musste die Temperatur für die quasiisotherme<br />

Kristallisation (Tc = 296 K) dicht oberhalb des Glasübergangs (Tg = 275 K)<br />

gewählt werden. Die Glasübergangstemperatur im teilkristallinen Material liegt ca.<br />

15 K höher als die des amorphen PHB. Der niedrigste endotherme Peak in der<br />

totalen Wärmekapazität ist somit nicht gut vom Glasübergang separiert. Trotzdem<br />

sind die 2 getrennten Stufen in der gemessenen dynamischen Wärmekapazität im<br />

TMDSC-Scan Experiment (Kurve a) zu erkennen. Ab einer Temperatur <strong>von</strong> 350 K<br />

findet man sowohl bei Scan- als auch bei den schrittweise quasi-isothermen<br />

Experimenten eine Exzesswärmekapazität. Ob in PHB die in Marand's Modell für<br />

Polycarbonat angenommenen kleinen mizellenartigen Kristalle zwischen den<br />

Lamellen existieren, ist nicht bekannt.<br />

6<br />

5<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

c p in J g -1 K -1


92 Kapitel 5<br />

Betrachtet man die Ergebnisse im Rahmen <strong>von</strong> Strobl's Modell zur Kristallisation, wo<br />

die Kristalllamellen aus lamellaren, granularen, kristallinen Bereichen (Blöckchen)<br />

zusammenwachsen, die sich nach Dickenwachstum und Perfektionierung mesomorpher<br />

Schichten bilden, ist <strong>das</strong> Immobilisieren der amorphen Bereiche zwischen<br />

den Blöckchen denkbar. Während des Kristallisationsprozesses können bei<br />

ausreichender Beweglichkeit der Schmelze Blöckchen entstehen und sich zu<br />

Lamellen arrangieren. Dabei ist vorstellbar, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> amorphe Material um die<br />

Blöckchen und Lamellen herum immobilisiert wird. Die für <strong>das</strong> Entstehen neuer<br />

Blöckchen und <strong>das</strong> Stabilisieren bereits bestehender granularer, lamellarer<br />

Strukturen zu Kristalllamellen notwendige molekulare Beweglichkeit ist dann nicht<br />

mehr gegeben und die unperfekte granulare, kristalline Struktur bleibt bestehen.<br />

Diese unperfektionierten Kristalle schmelzen durch die fehlende Stabilisierung kurz<br />

oberhalb der Kristallisationstemperatur während des niedrigsten endothermen Peaks<br />

in der totalen Wärmekapazität. Mit dieser Morphologieänderung geht auch <strong>das</strong><br />

Mobilisieren der starr amorphen Bereiche einher und es kann, wie bei der Diskussion<br />

<strong>von</strong> Marand's Modell, durch die gewonnene Beweglichkeit in den amorphen<br />

Bereichen zur neuerlichen Bildung solcher granularen kristallinen Strukturen<br />

kommen.<br />

Die Verläufe der gemessenen dynamischen Wärmekapazitäten können mit beiden<br />

Modellen erklärt werden. In Marand's und Strobl's Modell entstehen während der<br />

isothermen Kristallisation im Vergleich zu den Kristalllamellen unperfekte kristalline<br />

Strukturen. Diese kleinen Kristalle bzw. Blöckchen existieren auch nach langer<br />

Wartezeit. Die TMDSC Untersuchungen zeigen, <strong>das</strong>s mit der Morphologieänderung<br />

durch <strong>das</strong> Schmelzen dieser Kristalle auch die Mobilisierung der starr amorphen<br />

Bereiche einhergeht. Dabei verschwinden die Zwänge für die amorphen Bereiche<br />

und eine neuerliche Kristallisation kann aufgrund der Möglichkeit großräumiger<br />

kooperativer Molekularbewegungen erfolgen. Die Immobilisierung dieser Bereiche ist<br />

damit Folge der morphologischen Veränderungen während der Kristallisation. Dies<br />

bestätigen die quasi-isothermen TMDSC- Kristallisationsexperimente. Das weitere<br />

Voranschreiten der Kristallisation der kleinen Kristalle zwischen den Lamellen als<br />

sekundärer Kristallisationsprozess (Marand) bzw. <strong>das</strong> Zusammenwachsen der<br />

Blöckchen zu stabilen Kristalllamellen (Strobl) wird durch die starr amorphen<br />

Bereiche in deren direkten Umgebung verhindert. Dieser Aspekt der molekularen<br />

Beweglichkeit in der Schmelze als Notwendigkeit für <strong>das</strong> Voranschreiten der<br />

Kristallisation sollte bei Theorien zur Kristallisation berücksichtigt werden.


KAPITEL6: ZUSAMMENFASSUNG<br />

Die physikalischen Eigenschaften teilkristalliner <strong>Polymer</strong>e werden neben dem Molekülaufbau<br />

entscheidend durch die Morphologie bestimmt. Für die Entstehung der<br />

teilkristallinen Strukturen während der Kristallisation und darauf folgender Alterungsprozesse<br />

und ihr Schmelzen gibt es keine generell akzeptierte und allgemein gültige<br />

Theorie.<br />

Bei den traditionellen Theorien zur Kristallisation wird <strong>von</strong> einem Zwei-Stufen-<br />

Prozess aus Keimbildung und nachfolgendem Wachstum ausgegangen. Hiermit<br />

können viele Aspekte der <strong>Polymer</strong>kristallisation erklärt werden, einige jedoch nicht,<br />

wie z.B. <strong>das</strong> reversible Schmelzen. Dieses ist verbunden mit reversiblen<br />

Kristallinitätsgradsänderungen durch An- und Ablagerungsprozesse <strong>von</strong><br />

Kettensegmenten am Kristall. Die damit einhergehenden latenten Schmelz- und<br />

Kristallisationswärmen bewirken in der mittels temperaturmodulierter Kalorimetrie<br />

bestimmten dynamischen Wärmekapazität einen Exzessanteil.<br />

Der Bestimmung der Exzesswärmekapazität als Differenz zwischen gemessener<br />

dynamischer Wärmekapazität und Basislinienwärmekapazität liegt ein „3-Phasen-<br />

Modell“ für die Basislinienwärmekapazität zugrunde, in dem <strong>das</strong> Auftreten <strong>von</strong> starr<br />

amorphen Bereichen oberhalb der Glasübergangstemperatur berücksichtigt ist.<br />

Beispielrechnungen zeigen, <strong>das</strong>s die im Bereich <strong>von</strong> Phasenübergängen aus<br />

TMDSC Scanexperimenten bestimmten Exzesswärmekapazitäten entscheidend <strong>von</strong><br />

den latenten Wärmen der Phasenübergänge und <strong>von</strong> den Parametern der Temperaturmodulation<br />

abhängen. Die Unterdrückung der Einflüsse irreversibler Prozesse<br />

und die Diskussion der zur Exzesswärmekapazität beitragenden reversiblen latenten<br />

Wärmen ist nur bei quasi-isothermen Experimenten möglich.<br />

Aus den in quasi-isothermen TMDSC-Experimenten ermittelten Exzesswärmekapazitäten<br />

können die reversiblen Kristallinitätsgradsänderungen aufgrund des modulierten<br />

Temperaturprogramms quantitativ bestimmt werden. Diese sind abhängig vom<br />

untersuchten <strong>Polymer</strong>, dessen Morphologie, der gewählten quasi-isothermen<br />

Temperatur, der Temperaturamplitude und der Messfrequenz und liegen für<br />

verschiedene <strong>Polymer</strong>e bei Temperaturamplituden <strong>von</strong> 0.5 K in der Größenordnung<br />

<strong>von</strong> 1 % des kristallinen Anteils.


94 Kapitel 6<br />

Mit der temperaturmodulierten DMA wurde eine Methode neu entwickelt, die ebenfalls<br />

die reversiblen Kristallinitätsgradsänderungen während quasi-isothermer<br />

Temperaturmodulation quantifizieren kann. Voraussetzung hierfür sind die experimentell<br />

bestimmten Beziehungen zwischen der Messgröße, Realteil des<br />

Schermoduls, und der Kristallinität. Die Ergebnisse liegen für TMDSC und TMDMA in<br />

der selben Größenordnung.<br />

Mittels TMDMA kann zusätzlich auch die irreversible Änderung des Gesamtkristallinitätsgrades<br />

während quasi-isothermer Experimente bestimmt werden. Dies ist<br />

mittels TMDSC aufgrund der Messung differentieller Größen bezüglich der Morphologieänderungen<br />

nur begrenzt möglich.<br />

Im Schmelzbereich <strong>von</strong> PEEK führt die Kombination <strong>von</strong> TMDSC und TMDMA mit<br />

der Analyse der Zeitkonstanten für <strong>das</strong> Abklingen des reversiblen Schmelzens bzw.<br />

der Zunahme des Gesamtkristallinitätsgrades zu der Aussage, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> reversible<br />

Schmelzen als lokaler Prozess im Hintergrund der irreversiblen Änderungen der<br />

Kristallinität abläuft.<br />

Es wurde gezeigt, <strong>das</strong>s man einen Zugang zur charakteristischen Dynamik des<br />

reversiblen Schmelzens über die frequenzabhängige Bestimmung der dynamischen<br />

Wärmekapazität erhält. Die charakteristische Zeit liegt für PCL in der Größenordnung<br />

<strong>von</strong> Sekunden, während sie für ein Ethylen-Octen-Copolymer unterhalb einer<br />

Sekunde beträgt. Für Polycarbonat ist die Zeit deutlich größer.<br />

Die Stufe in der frequenzabhängigen Exzesswärmekapazität während der Kristallisation<br />

<strong>von</strong> PCL und die durch Temperaturamplitudenvariation experimentell gefundene<br />

Linearität des reversiblen Schmelzens lassen sich mit einem Relaxationsprozess<br />

erklären.<br />

Isotherme Scherspektroskopie im Schmelzbereich <strong>von</strong> PCL zeigt, <strong>das</strong>s der Prozess<br />

des reversiblen Schmelzens auch mechanisch aktiv ist. Die hier tatsächlich isotherm<br />

durchgeführten Untersuchungen unterstützen die Annahme eines thermisch<br />

aktivierten Relaxationsprozesses unabhängig <strong>von</strong> der aufgeprägten Temperaturmodulation<br />

im TMDSC Experiment.<br />

Legt man in Analogie zum Glasübergang einen Fluktuationsansatz zur Beschreibung<br />

dieses Relaxationsprozesses zugrunde, lässt sich eine charakteristische Länge für<br />

die an den Wachstumsflächen zwischen Kristall und Schmelze fluktuierenden Bereiche<br />

<strong>von</strong> 0.4 nm abschätzen. Beim reversiblen Schmelzen handelt es sich demnach<br />

um einen sehr lokalen Prozess.<br />

Wird die Frequenz der Temperaturmodulation so hoch gewählt, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> reversible<br />

Schmelzen die gemessene dynamische Wärmekapazität nicht beeinflusst, erhält<br />

man einen Zugang zur direkten experimentellen Bestimmung der Basislinienwärmekapazität.<br />

Für Polycarbonat und Polyhydroxybuttersäure fällt die gemessene dynamische<br />

Wärmekapazität während der Kristallisation unter den Wert für die aus einem


Zusammenfassung 95<br />

„2-Phasen Modell“ bestimmte Basislinienwärmekapazität. Am Ende der Kristallisation<br />

wird genau der Wert der Basislinienwärmekapazität gemessen, der sich unter<br />

Berücksichtigung des am Glasübergang ermittelten starr amorphen Anteils ergibt.<br />

Diese Übereinstimmung zeigt, <strong>das</strong>s während des Abkühlens <strong>von</strong> der Kristallisationstemperatur<br />

zur Glastemperatur (∆T = 30K) keine Zunahme des starr amorphen<br />

Anteils erfolgt. Damit konnte erstmals direkt experimentell nachgewiesen werden,<br />

<strong>das</strong>s <strong>das</strong> Immobilisieren der starr amorphen Bereiche eine direkte Folge der<br />

Morphologieänderungen während der Kristallisation und nicht eine Folge des<br />

Abkühlens ist.<br />

Das Mobilisieren der starr amorphen Bereiche erfolgt im Temperaturbereich des<br />

niedrigsten endothermen Peaks. Dies folgt aus der dort beobachteten Stufe in der<br />

dynamischen Wärmekapazität beim schrittweisen Aufheizen. Dieser Peak ist mit dem<br />

Schmelzen <strong>von</strong> wenig perfekten Kristallen verbunden.<br />

Die gefundenen Ergebnisse für <strong>das</strong> Immobilisieren bzw. Mobilisieren der starr amorphen<br />

Bereiche lassen sich sowohl mit Strobl's Vorstellungen zur <strong>Polymer</strong>kristallisation<br />

als auch mit Marand's Vorstellungen über die Kristallisation <strong>von</strong> Polycarbonat<br />

erklären. Die Experimente zeigen, <strong>das</strong>s die Perfektionierung der in beiden Modellen<br />

angenommenen unperfekten Kristalle durch die Abnahme der molekularen Beweglichkeit<br />

der die Kristalle umgebenden Schmelze verhindert wird.<br />

Durch die frequenzabhängige Bestimmung der Wärmekapazität können quantitative<br />

Informationen zur molekularen Beweglichkeit an der Grenzschicht zwischen Kristall<br />

und Schmelze erhalten werden. Bei Theorien zur <strong>Polymer</strong>kristallisation sollte durch<br />

Einbeziehung der komplexen Strukturen und Eigenschaften dieser Grenzschicht der<br />

Zusammenhang zwischen der molekularen Beweglichkeit der Schmelze und dem<br />

Kristallisationsprozess berücksichtigt werden. Die Fortführung der hier vorgestellten<br />

Untersuchungen kann deshalb einen weiteren Beitrag zum Verständnis der <strong>Polymer</strong>kristallisation<br />

leisten.


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[167] R. Androsch; B. Wunderlich, Macromolecules 369 (2001) 67.<br />

[168] C. Schick; M. Merzlyakov; A. Minakov; A. Wurm, J. Therm. Anal. Cal. - Phys. 59 (2000) 279.<br />

[169] E. Donth, Glasübergang (Akademieverlag, Berlin, 1981).<br />

[170] E. Donth, Relaxation and Thermodynamics in <strong>Polymer</strong>s, Glass Transition (Akademie Verlag,<br />

Berlin, 1993).<br />

[171] L. D. Landau; E. M. Lifshitz, Statistical <strong>Physics</strong> (Pergamon Press, Oxford, 1980).<br />

[172] R. Kubo, Rep. Progr. Phys. 29 (1966) 255.<br />

[173] G. Adam; J. H. Gibbs, J. Chem. Phys. 43 (1965) 139.<br />

[174] Sigma-Aldrich, WWW URL: http://www.sigma-aldrich.com (2001).<br />

[175] M. Song; D. J. Hourston, J. Therm. Anal. 54 (1998 ) 651.<br />

[176] C. Schick; A. Wurm; A. Mohamed, Proc. NATAS conf. (2000).<br />

[177] A. Alizadeh; L. Richardson; J. Xu; S. McCartney; H. Marand; Y. W. Cheung; S. Chum,<br />

Macromolecules 32 (1999) 6221.<br />

[178] S. X. Lu; P. Cebe, <strong>Polymer</strong> 37 (1996) 4857.


Anhang 1 A1


Anhang 2 A2<br />

ANHANG 2<br />

Programm zur Erzeugung einer Temperaturmodulation für <strong>das</strong> ARES<br />

ProgName Temperature Ramp with Modulation<br />

BeginProgram<br />

FloatVar Temp, TempFreq, TempAmp, TempStart, TempRamp<br />

IntVar UpdateTime, Count<br />

; Display form and get modulation frequency and amplitude<br />

QueryForm ModulateForm<br />

If ( FormRtnCode = 0 )<br />

AbortMsg( " " )<br />

EndIf<br />

; Get the form values<br />

TempStart = ModulateForm::GetFldFloat(1)<br />

TempRamp = ModulateForm::GetFldFloat(2)<br />

TempRamp = TempRamp / 60 ; deg/min to deg/sec<br />

TempAmp = ModulateForm::GetFldFloat(3)<br />

TempFreq = ModulateForm::GetFldFloat(4)<br />

TempFreq = TempFreq * 6.28 ; Hz to rad/s<br />

UpdateTime = 5 ; How <strong>of</strong>ten to update command<br />

Count = 0<br />

StartTest TimeSweepTest<br />

While( TestState = 1 ) ; ...While the test is running<br />

WaitPacket<br />

Count = Count + 1<br />

If( Count = UpdateTime ) ; .. time to update temp cmd<br />

Count = 0<br />

Temp = TempStart + CurrentTime * TempRamp + TempAmp * sin(<br />

TempFreq * CurrentTime )


A2 Anhang 2<br />

ChangeTemp( Temp )<br />

bprint("Temp Cmd: %.2f", Temp )<br />

EndIf<br />

Wend<br />

EndProgram<br />

; Modulation Form ------------------------------------------------------<br />

BeginForm ModulateForm<br />

WindowTitle Temperature Ramp with Modulation<br />

BeginWindow = 1<br />

BeginColumn<br />

DefFldFloat = 1 | "Starting Temperature$@$[°C]"<br />

DefFldFloat = 1 | "Linear Ramp Rate$@$[°C/min]"<br />

DefFldFloat = 1 | "Modulation Amplitude$@$[°C]"<br />

DefFldFloat = 1 | "Modulation Frequency$@$[Hz]"<br />

EndColumn<br />

EndWindow<br />

Button &Ok 1<br />

Button &Cancel 0<br />

EndForm<br />

; Time Sweep test setup --------------------------------------------------<br />

BeginTest TimeSweepTest<br />

TestMode = 6<br />

Temperature = 185<br />

Units = 0<br />

EndTest


Anhang 3 A3<br />

ANHANG 3<br />

Programm zur Berechnung des Wärmestroms aus vorgegebener Basislinien-<br />

und Exzesswärmekapazität und variablen Modulationsbedingungen<br />

window -t data parameter.otw para;<br />

window -a para;<br />

getnumber (HR in Kmin) HR Eingabe der Parameter<br />

(AT in K) AT<br />

(T0 in K) T0<br />

(tp in s) tp<br />

(m in mg) m<br />

(ppp) ppp;<br />

col(para)[1]=HR; Speichern des Parametersatzes<br />

col(para)[2]=AT;<br />

col(para)[3]=T0;<br />

col(para)[4]=tp;<br />

col(para)[5]=m;<br />

HR1=HR/60+4*AT/TP; Berechnung und Speicherung<br />

HR2=HR/60-4*AT/TP; weiterer Parameter<br />

col(para)[6]=HR1;<br />

col(para)[7]=HR2;<br />

totaltime=100/HR*60;<br />

col(para)[9]=totaltime;<br />

numberperiods=totaltime/tp;<br />

col(para)[10]=numberperiods;<br />

np=ppp*numberperiods;<br />

col(para)[11]=np;<br />

step=tp/ppp;<br />

o=2*pi/tp;<br />

window -t data modell.otw [Calc]; Öffnen vorbereiteter Tamplates<br />

window -a ACalc;<br />

col(tins)=data(0,totaltime,step); Erzeugung der Zeitspalte<br />

Berechnung der Temperatur


A3 Anhang 3<br />

col(TK)=T0+HR/60*col(tins)+AT*8/pi/pi*(sin(o*col(tins))-<br />

(sin(3*o*col(tins))/9)+(sin(5*o*col(tins))/25)-<br />

(sin(7*o*col(tins))/49)+(sin(9*o*col(tins))/81)-<br />

(sin(11*o*col(tins))/121)+(sin(13*o*col(tins))/169)-<br />

(sin(15*o*col(tins))/225)+(sin(17*o*col(tins))/289)-<br />

(sin(19*o*col(tins))/361)+(sin(21*o*col(tins))/441));<br />

Berechnung Heizrate und<br />

Entscheidung über<br />

loop (i,1,np) Maximumtemperatur<br />

{ %(Acalc,5,i)=(%(Acalc,2,i)-%(Acalc,2,i-1))/step;<br />

%(Acalc,7,1)=%(Acalc,2,1);<br />

if(%(Acalc,2,i)>%(Acalc,7,i-1)) {%(Acalc,7,i)=%(Acalc,2,i);}<br />

else {%(Acalc,7,i)=%(Acalc,7,i-1);};<br />

};<br />

loop (j,2,np)<br />

{ %(Acalc,8,j)=%(Acalc,7,j)-%(Acalc,7,j-1);<br />

if(%(Acalc,8,j)>0) {%(Acalc,9,j)=1;}<br />

else {%(Acalc,9,j)=0;};<br />

};<br />

Berechnung cp excess<br />

col(cpex)=(32.282/(9.28*sqrt(PI/2)))*exp(-2*((col(TK)-<br />

532.14)/9.69)^2)+(23.19/(18.62*sqrt(PI/2)))*exp(-2*((col(TK)-<br />

523.51)/18.62)^2)+(16.83/(46.04*sqrt(PI/2)))*exp(-2*((col(TK)-501.16)/46.04)^2);<br />

Berechnung cpb<br />

col(cpb)=(0.7867+0.00219*col(TK))+((1.234+0.00147*col(TK))-<br />

(0.7867+0.00219*col(TK)))*((240+ (124-240)/(1 + exp((col(TK)-509)/12.21))+108+ (-<br />

123-108)/(1 + exp((col(TK)-530.3)/3.72)))/346.77);<br />

Berechnung Wärmestrom<br />

col(HF)=(col(cpb)*col(horc)+col(cpex)*col(horc)*col(heat))*m;<br />

%(Acalc,10,1)=%(Acalc,10,2);<br />

%(Acalc,10,np+1)=%(Acalc,10,np);


DANKSAGUNG<br />

An dieser Stelle möchte ich allen Dank sagen, die mir bei der Anfertigung der Arbeit<br />

hilfreich zur Seite standen. Dabei sind auch all jene eingeschlossen, die hier keine<br />

namentliche Erwähnung finden.<br />

Ganz besonderer Dank gilt meinem Betreuer Pr<strong>of</strong>. Dr. Christoph Schick für sein<br />

Interesse und sein Engagement am Vorankommen der Arbeit. Ich bedanke mich bei<br />

ihm für die Schaffung hervorragender Voraussetzungen, insbesondere die eröffnete<br />

Möglichkeit der Teilnahme an zahlreichen nationalen und internationalen<br />

Konferenzen. Der kontinuierliche Kontakt zu anderen Wissenschaftlern war<br />

mitentscheidend bei der Bearbeitung des aktuellen Themas.<br />

Recht herzlich bedanken möchte ich mich bei Dr. Mikhail Merzliakov für unsere<br />

zahlreichen Diskussionen; seine Anregungen, Hinweise und Ideen.<br />

Den jetzigen und ehemaligen Mitarbeitern der Arbeitsgruppe <strong>Polymer</strong>physik danke<br />

ich für die gute Zusammenarbeit, <strong>das</strong> hervorragende, freundschaftliche Klima in der<br />

Gruppe und die Hilfe bei vielen alltäglichen und nicht alltäglichen Problemen.


Eidesstattliche Erklärung<br />

Hiermit erkläre ich, <strong>das</strong>s ich die vorliegende Arbeit selbständig und ohne fremde Hilfe<br />

angefertigt, andere als die <strong>von</strong> mir angegebenen Hilfsmittel und Quellen nicht benutzt<br />

und die den benutzten Werken wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als<br />

solche kenntlich gemacht habe.<br />

Ferner erkläre ich, <strong>das</strong>s die Arbeit weder im Inland noch im Ausland in gleicher oder<br />

ähnlicher Form einer anderen Prüfungsbehörde vorgelegt wurde.<br />

Güstrow, den 2. März 2001


LEBENSLAUF<br />

Persönliche Daten:<br />

Name: Andreas Wurm<br />

geboren: am 12.12.1969 in Borna (Sachsen)<br />

Staatsangehörigkeit: BRD<br />

Familienstand: ledig, 2 Kinder mit meiner Lebensgefährtin<br />

Karina Gröschel (Lehrerin)<br />

Schulbildung: 1976-1986 Polytechnische Oberschule in Schwerin<br />

1986-1988 Spezialabitur mit erweitertem Mathematik-<br />

und Physikunterricht an der TU Magdeburg<br />

Wehrdienst: 1988-1989 in Stahnsdorf bei Potsdam<br />

Studium: 1989-1991 Grundstudium Physik an der<br />

TU Magdeburg (Vordiplom)<br />

1991-1994 Hauptstudium Physik an der Universität<br />

<strong>Rostock</strong> (Diplomprüfungen)<br />

1994-1995 Diplomarbeit auf dem Gebiet der<br />

Röntgenstrukturanalyse (Diplom)<br />

1992 zweimonatiges Praktikum bei der<br />

Fa. SPARTEC-Energietechnik Güstrow<br />

Berufstätigkeit: 1995-1997 wissenschaftliche Hilfskraft<br />

1997-jetzt wissenschaftlicher Mitarbeiter am<br />

FB Physik der Universität <strong>Rostock</strong>,<br />

AG <strong>Polymer</strong>physik<br />

Güstrow, den 02. März 2001 Andreas Wurm

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