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Global Die Temperaturkurve zeigt nach oben Europa Im Norden ...

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<strong>Global</strong><br />

<strong>Die</strong> <strong>Temperaturkurve</strong> <strong>zeigt</strong> <strong>nach</strong> <strong>oben</strong><br />

Durch die anthropogene Verstärkung des natürlichen Treibhauseffekts, wird sich die globale Mitteltemperatur in<br />

diesem Jahrhundert um 2,9° C (1,8-4,0° C) erhöhen. <strong>Die</strong>se als abgesichert geltende Einschätzung stützt sich auf<br />

ein breites Fundament wissenschaftlicher Arbeiten und wird von einem breiten Konsens in der wissenschaftlichen<br />

Gemeinschaft getragen. Mit welchen Änderungen ist noch zu rechnen? Für den im Jahr 2007 erschienenen<br />

Bericht des IPCC wurden die Simulationsergebnisse einer Vielzahl an globalen<br />

Zirkulationsmodellenverwendet, um die Entwicklung des Klimas bis zum Ende des 21. Jahrhunderts<br />

abzuschätzen. <strong>Die</strong> Mittelwerte über alle verwendeten Modelle (sog. Multi-Model Ensemble) bilden die Basis für<br />

die Temperatur- und Niederschlagsabschätzung. Durch diesen Ansatz wird versucht die Übereinstimmung der<br />

Modelle aufzuzeigen und einzelne Modellausreißer zu eliminieren.<br />

Temperatur<br />

Basierend auf den Simulationen der globalen Klimamodelle wird für die globale, bodennahe Lufttemperatur ein<br />

Anstieg von 1,8-4,0° C bis zum Ende des 21.Jahrhunderts ge<strong>zeigt</strong>. <strong>Die</strong> Stärke der Änderung hängt dabei ganz<br />

wesentlich vom verwendeten Emissionsszenario ab. Abbildung 1 <strong>zeigt</strong> die projizierten Temperaturänderungen<br />

im globalen Vergleich für den Beginn und das Ende dieses Jahrhunderts. <strong>Die</strong> stärksten Änderungen sind im<br />

Szenario A2 zu erwarten. Als besonderes Merkmal ist die ungleiche räumliche Verteilung der Erwärmung hervor<br />

zu heben. Dem<strong>nach</strong> werden über den Landflächen höhere Werte erwartet als über den Ozeanen. In absoluten<br />

Zahlen gemessen sind dabei die höchsten Werte über den nördlichen Breiten zu finden. <strong>Die</strong>s wird durch die Eis-<br />

Albedo Rückkopplung bewirkt. <strong>Global</strong> betrachtet wird von einer Erwärmung von über 0,2° C pro Dekade für die<br />

nächsten zwei Jahrzehnte ausgegangen. Selbst wenn die Treibhausgaskonzentrationen auf den Werten aus dem<br />

Jahr 2000 konstant gehalten würden, wäre mit einem Temperaturanstieg von 0,1° C pro Dekade zu rechnen. <strong>Die</strong>s<br />

ist aufgrund der verzögerten Reaktion der Ozeane auf veränderte atmosphärische Bedingungen zu erklären.<br />

<strong>Europa</strong><br />

<strong>Im</strong> <strong>Norden</strong> feuchter, im Süden<br />

trockener<br />

<strong>Im</strong>mer wieder spricht man von „globaler Erwärmung“, jedoch heißt das nicht, dass sich die Erde an jedem Ort<br />

gleich erwärmen wird. <strong>Die</strong> Auswirkungen dieser Erwärmung sind regional sehr unterschiedlich. Dabei kann es in<br />

einzelnen Regionen zu einer starken Erwärmung im Vergleich zu heute kommen, in anderen Regionen dagegen<br />

gleich bleiben. Um die zukünftigen Änderungen auf kontinentaler und subkontinentaler Ebene abzuschätzen,<br />

werden regionale Klimamodelle oder statistische Verfahren genutzt. <strong>Die</strong>se Modelle stellen eine vereinfachte<br />

Welt dar und kennen nicht alle der in der Natur auftretenden physikalischen Prozesse. <strong>Die</strong> Ergebnisse der<br />

verschiedenen Klimamodelle zur Abschätzung des zukünftigen Klimas unterscheiden sich deshalb stark. Man<br />

spricht von einer Unsicherheit des berechneten Klimasignals. Simulationen für die Vergangenheit haben ge<strong>zeigt</strong>,<br />

dass das Mittel aus möglichst vielen Klimamodellen die Realität am besten abbildet (Ensemble-Simulation).<br />

Betrachtet man nun beispielsweise für <strong>Europa</strong> Ergebnisse verschiedener regionaler Klimamodelle für ein<br />

wahrscheinliches Zukunftszenario A1B (global und umweltorientiertes Agieren) und dabei genau die<br />

Änderungen für den Zeitraum 2030-2050 im Vergleich zu heute (1961-2000) <strong>zeigt</strong> sich für die Temperatur und<br />

den Niederschlag folgendes Bild:<br />

Temperatur<br />

In <strong>Europa</strong> nimmt die Temperatur im Mittel um 1 bis 3° C zu. Bis zum Ende des Jahrhunderts (2070-2100) ist<br />

sogar mit einem Temperaturplus von bis zu 5° C zu rechnen. Damit ist die Erwärmung in <strong>Europa</strong> höher als im<br />

globalen Mittel.<br />

<strong>Die</strong> Temperaturerhöhung in <strong>Europa</strong> ist jedoch nicht überall gleich. Hier gibt es regionale Unterschiede aber auch<br />

Unterschiede in den verschiedenen Jahreszeiten. In den Herbst- und Wintermonaten (Sep-Nov, Dez-Feb) sind<br />

beispielsweise stärkere Zunahmen in Nord- und Osteuropa als in Südeuropa zu beobachten. Während in<br />

Nordeuropa mit Temperaturzunahmen von bis zu 3° C zu rechnen ist, gilt für Südeuropa ca. 1-1.5° C. In den


Sommermonaten dagegen ist die Zunahme der Temperatur über Süd- und Südosteuropa mit ca. 2.5° C höher als<br />

im <strong>Norden</strong> unseres Kontinents, wo die Zunahme etwa bei weniger als 2° C liegt.<br />

Abb. 1: Mögliche zukünftige Änderung der Temperatur 2030-2050 im Vergleich zu heute (1961-2000) in °C für<br />

Winter (DJF), Frühling (MAM), Sommer (JJA) und Herbst (SON).(ENSEMBLES 2010)<br />

Abb. 2: Mögliche zukünftige Änderung des Niederschlages 2030-2050 im Vergleich zu heute (1961-2000) in<br />

mm/Tag für Winter (DJF), Frühling (MAM), Sommer (JJA) und Herbst (SON). (ENSEMBLES 2010)<br />

Fehlender Niederschlag im Frühjahr kann die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Hitzewellen, wie in <strong>Europa</strong><br />

im Jahr 2003, erhöhen.<br />

Vor allem bei den Zukunftserwartungen des Niederschlages liegt Österreich jeweils im Übergangsgebiet<br />

zwischen Zu- und Abnahme. <strong>Die</strong>s bedeute eine größere Unsicherheit für die Änderung in Österreich verglichen<br />

mit beispielsweise jener von Skandinavien (klare Zunahme) oder jener im Mittelmeerraum (klare Abnahme).<br />

Alpenraum<br />

Wärmer, feuchter und trockener,<br />

weniger Schnee<br />

Um das zukünftige Klima im Alpenraum abschätzen zu können ist man auf die Simulationsergebnisse globaler<br />

und regionaler Klimamodelle angewiesen. <strong>Die</strong> Modellergebnisse zeigen dabei eine Fortsetzung des<br />

gegenwärtigen Trends zu höheren Temperaturen, die Niederschläge hingegen nehmen generell ab, obwohl hier<br />

teilweise gegensätzliche Trends zwischen Beobachtungen und Simulationen in bestimmten Gebieten<br />

festzustellen sind. Der Alpenraum ist stärker vom globalen Klimawandel betroffen als andere Gebiete der Erde.<br />

<strong>Im</strong> Mittel ist seit Mitte des 19. Jahrhunderts die globale Temperatur um ca. 0,8° C gestiegen, die Temperaturen im<br />

österreichischen Alpenraum jedoch um das Doppelte, um knapp 1,6° C (Abbildung 1). Basis für die<br />

Temperaturdaten aus dem Alpenraum bildet dieHISTALP-Datenbank, welche homogenisierte Datenreihen von<br />

Temperatur, Niederschlag und anderen Klimaelementen auf Monatsbasis bereitstellt, wobei die Region von 4-19°<br />

östlicher Länge und 43-49° nördlicher Breite abgedeckt wird (Abbildung 2). Als Terminus für dieses Gebiet hat<br />

sich die Abkürzung GAR (Greater Alpine Region) etabliert.<br />

Niederschlag<br />

Auch die Änderungen im Niederschlag sind regional und auch über die verschiedenen Jahreszeiten<br />

unterschiedlich. In den Übergangsjahreszeiten Frühling und Herbst kommt es zu einer Abnahme in den<br />

Niederschlagsmengen im Süden und Südosten <strong>Europa</strong>s. <strong>Im</strong> <strong>Norden</strong> und Nordosten dagegen nehmen die<br />

Niederschlagssummen zu. In den Wintermonaten kommt es in Mittel- und Südeuropa nur zu sehr geringen<br />

Änderungen in den Niederschlagsmengen. <strong>Im</strong> <strong>Norden</strong> <strong>Europa</strong>s dagegen nimmt der Niederschlag zu. In den<br />

Sommermonaten ist besonders südlich des 55. Breitengrades mit starken Abnahmen in den<br />

Niederschlagsmengen zu rechnen. In Nordeuropa kommt es auch im Sommer zu Niederschlagszunahmen.


Abb. 1: Änderung der Lufttemperatur in Österreich und auf globaler Ebene, bezogen auf das Mittel von 1961-<br />

1990 (Böhm 2010, bearbeitet).<br />

Abb. 2: Greater Alpine Region und HISTALP -Stationsnetz.<br />

Für eine grobe Abschätzung über die Klimazukunft im Alpenraum können Simulationsergebnisse aus globalen<br />

Klimamodellen verwendet werden. In Abbildung 3 ist nun die weitere Temperaturentwicklung in der GAR für<br />

das Szenario A1B dargestellt. Basis für diese Abbildung bilden Daten aus über 15 globalen gekoppelten Ozean-<br />

Atmosphären Modellen (sog. Multi-Model Ensemble), mit denen Klimaszenarien für den 4. Sachstandsbericht des<br />

IPCC aus dem Jahr 2007 berechnet wurden. Aus diesen großräumigen Datenfeldern wurde die<br />

Temperaturänderung in der GAR relativ zum Referenzzeitraum 1961-1990 extrahiert. In der Abbildung sind die<br />

Zeitreihen gefiltert (geglättet) dargestellt um die Übersichtlichkeit zu gewährleisten. <strong>Die</strong> Schwankungsbreite des<br />

Modell-Ensembles ist in Graustufen dargestellt und der Median als rote Linie. <strong>Die</strong> Messdaten aus der HISTALP-<br />

Datenbank entsprechen der grünen Linie.<br />

Abb. 3: Änderung des Jahresmittels der Lufttemperatur (30-jährig gefiltert) in der GAR bezogen auf das Mittel von<br />

1961-1990 aus Klimamodellierungsdaten (IPCC 2007) und Messdaten. Rot: Median aus 15 globalen<br />

Klimamodellen, grün: HISTALP-Messdaten, grau: Streuung der Modelle (aus einer laufenden Untersuchung an<br />

der Abteilung für Klimaforschung,


Abb. 4: Änderung der Jahressumme des Niederschlages (30-jährig gefiltert) in der GAR bezogen auf das Mittel<br />

von 1961-1990 aus Klimamodellierungsdaten (IPCC 2007) und Messdaten. Rot: Median aus 15 globalen<br />

Klimamodellen, grün: HISTALP-Messdaten, blau: HISTALP-Messdaten für die Region Nordwest, gelb: HISTALP-<br />

Messdaten für die Region Südost, grau: Streuung der Modelle (aus einer laufenden Untersuchung an der<br />

Abteilung für Klimaforschung<br />

<strong>Die</strong> globalen Zirkulationsmodelle zeigen für die Region eine Fortsetzung des beobachteten Trends hin zu<br />

höheren Temperaturen. Bis zum Ende des Jahrhunderts steigt die Jahresmitteltemperatur in den Simulationen<br />

um ca. +3,5° C verglichen mit der von der WMO festgelegten {Klimanormalperiode 1961-1990}, mit einer<br />

Schwankungsbreite innerhalb der Modelle von +2 bis +5,5° C. Gegenwärtig liegen die gemessenen HISTALP-<br />

Temperaturen über den Modellergebnissen, jedoch sind die AOGCMs in diesem relativ kleinen räumlichen<br />

Ausschnitt nicht in der Lage dekadische Variabilitäten des Klimas wiederzugeben. Das „kalte Ende“ des 19.<br />

Jahrhunderts und die warmen 1940er Jahre werden nicht aufgelöst.<br />

Abbildung 4 für den Niederschlag ist ähnlich zu jener für die Temperaturen, mit dem Unterschied, dass die<br />

Niederschlagsänderung in Prozent bezogen auf den Referenzzeitraum 1961-1990 angegeben wird. Zusätzlich zu<br />

den Messwerten aus der gesamten GAR in grün sind die gegenläufigen Teilregionen Nord-West (blau) und Süd-<br />

Ost (gelb) dargestellt.<br />

<strong>Die</strong> gemessenen Niederschlagstrends in der GAR sind sehr unterschiedlich in den verschiedenen Regionen.<br />

Der Nord-Westen des Alpenraums <strong>zeigt</strong> eine Zunahme, der Süd-Osten eher eine Abnahme. <strong>Im</strong> Mittel über alle<br />

Messdaten der HISTALP-Datenbank ist, abgesehen von dekadischen Schwankungen, kein Trend im<br />

gemessenen Niederschlag zu erkennen. <strong>Die</strong>s steht im Gegensatz zu den Ergebnissen der Klimasimulationen aus<br />

den AOGCMs. Sie zeigen eine stetige Abnahme in der Niederschlagssumme seit Mitte des 19. Jahrhunderts,<br />

wobei bis 2100 mit einer Abnahme von etwas mehr als 5% zu rechnen ist, bei einer Schwankungsbreite innerhalb<br />

der Modelle von -25 bis +12%.<br />

<strong>Global</strong>e Zirkulationsmodelle können aufgrund ihrer sehr gr<strong>oben</strong> räumlichen Auflösung nur eine erste Abschätzung<br />

über die Klimaentwicklung im Alpenraum liefern. Für umfangreichere Untersuchungen nützt man<br />

Modellergebnisse aus regionalen Klimamodellen. Es gibt eine Vielzahl dieser Regionalmodelle, im Folgenden<br />

werden Modellierungsergebnisse aus dem Modell COSMO-CLM (CCLM) für die Klimaelemente<br />

Temperatur<br />

Niederschlag<br />

Dauer der Schneebedeckung<br />

wiederum für das Szenario A1B vorgestellt.<br />

Temperatur<br />

Bis etwa zur Mitte des 21. Jahrhunderts ist mit einem Temperaturanstieg im Alpenraum von knapp 2°C zu<br />

rechnen, bezogen auf die WMO-Normalperiode 1961-1990 (Abbildung 5). <strong>Die</strong> Modellprojektionen zeigen im<br />

Jahresmittel eine stärkere Erwärmung in Gebieten wie Südtirol, oder in den südlichen Ausläufern des<br />

Alpenbogens, ansonsten ist die Temperaturerhöhung relativ homogen über die gesamte Region. Betrachtet man<br />

die Änderungen saisonal, treten größere Unterschiede zu Tage. Eine geringere Erwärmung als im Jahresmittel<br />

wird für die Wintermonate (Dezember, Jänner, Februar) simuliert, hierbei vor allem Gebiete der Südosten<br />

Frankreichs, oder Italien südlich der Alpen. <strong>Im</strong> Gegensatz dazu berechnet CCLM eine deutlich höhere<br />

Erwärmung im Sommer (Juni, Juli, August) für diese Regionen und auch für Teile Kroatiens und Bosnien<br />

Herzegowinas.


Abb. 5: Änderung der Lufttemperatur sowohl im Jahresmittel, als auch im Sommer und Winter von 2041-2070<br />

bezogen auf das Mittel von 1961-1990 aus regionalen Klimamodellierungsdaten des Modells CCLM ( DKRZ ,<br />

Lautenschlager, u.a. 2005 & Lautenschlager, u.a. 2009); Abbildungen aus einer laufenden Untersuchung an der<br />

ZAMG, Abteilung für Klimaforschung.<br />

Niederschlag<br />

Über das gesamte Jahr gesehen ergibt sich nur eine geringe Änderung der Niederschlagsmenge nördlich und<br />

östlich der Alpen (Abbildung 6). In Gebieten im Süden und Westen der GAR sind stärkere Abnahmen des<br />

Niederschlags um ca. 10-15% zu erkennen. Ähnlich wie bei der Temperatur sind auch beim Niederschlag die<br />

saisonalen Unterschiede der Veränderung sehr groß. In den Wintermonaten kommt es fast ausschließlich zu<br />

einer Zunahme der Regenmenge, vor allem wiederum in Gebieten südlich des Alpenhauptkamms, ganz<br />

besonders im äußersten Nordwesten Italiens. Der Sommer ist geprägt von einer markanten<br />

Niederschlagsabnahme fast über die gesamte GAR, wobei auch hier der Süden und Westen stärker betroffen ist.<br />

Lediglich im Wald- und Mühlviertel wird eine leichte Zunahme der Regenmenge simuliert.<br />

Abb. 6: Änderung des Niederschlags sowohl im Jahresmittel, als auch im Sommer und Winter von 2041-2070<br />

bezogen auf das Mittel von 1961-1990 aus regionalen Klimamodellierungsdaten des Modells CCLM ( DKRZ ,<br />

Lautenschlager, u.a. 2005 & Lautenschlager, u.a. 2009); Abbildungen aus einer laufenden Untersuchung an der<br />

ZAMG, Abteilung für Klimaforschung.<br />

Dauer der Schneebedeckung<br />

<strong>Im</strong> Zuge einer Temperaturzunahme und Niederschlagsänderung kommt es auch zu einer Veränderung der<br />

Schneebedeckung (Abbildung 7). Aus der Abbildung wird ersichtlich, dass eine kürzere Schneedeckendauer über<br />

das gesamte Gebiet zu erwarten sein wird.<br />

In einigen Bereichen wird es in Zukunft keine Schneedecke mehr geben, wie die westliche Poebene und das<br />

Gebiet der Còte d’Azur im Südosten Frankreichs. In den Zentralen Alpen fällt der Rückgang geringer aus, da bei<br />

der langen Schneedeckendauer im Jahresverlauf eine Abnahme von einigen Tagen eine geringe relative<br />

Änderung erzeugt als in Flachlandgebieten, wo die Schneedeckendauer grundsätzlich kürzer ist.


Abb. 7: Prozentuelle Änderung der Schneedeckendauer im Jahresmittel von 2041-2070 bezogen auf das Mittel<br />

von 1961-1990 aus regionalen Klimamodellierungsdaten des Modells CCLM; die graue Signatur <strong>zeigt</strong> Gebiete in<br />

denen keine Schneebedeckung mehr zu erwarten ist ( DKRZ , Lautenschlager, u.a. 2005 & Lautenschlager, u.a.<br />

2009); Abbildungen aus einer laufenden Untersuchung an der ZAMG, Abteilung für Klimaforschung.<br />

Extremwerte<br />

Wird das Klima immer verrückter?<br />

Meteorologische Extremereignisse sind in der Welt der Klimawissenschaft von großem Interesse, da diese einen<br />

starken Einfluss auf unser Leben und unsere Umwelt ausüben können. Ob und inwieweit sich die Häufigkeit von<br />

seltenen bzw. exzessiven Ereignissen geändert hat (und noch ändern wird) ist daher auf der gesamten Welt<br />

Gegenstand laufender Untersuchungen. Ein Teil der noch vorhandenen Unsicherheiten im Hinblick auf die<br />

Zukunftserwartungen extremer Ereignisse geht auf die auch in Großrechenanlagen (noch) zu geringe Kapazität<br />

und Rechengeschwindigkeit zurück, das Klimasystem wirklichkeitsnah simulieren zu können. Hier ist jedoch<br />

Optimismus angebracht, und mit Verbesserungen ist mit jedem neuen Modelllauf zu rechnen – das gilt ganz<br />

besonders für regionale Modelle im komplizierten Alpenraum<br />

Ereignisse werden als extrem bezeichnet wenn diese mit besonders hohen oder niedrigen Intensitäten<br />

einhergehen. Oft führt aber auch die extreme Wirkung auf Mensch und Natur zur Klassifizierung als<br />

Extremereignis wie im Fall von Gewittern, Sturmtiefs und Überflutungen. Extremereignisse hinsichtlich der<br />

Temperatur sind Hitzetage (maximale Temperatur >30°C), tropische Nächte (minimale Temperatur >20°C) oder<br />

aber auch Hitze- und Kältewellen. Beispiele für extreme Niederschlagsereignisse sind einzelne<br />

Starkniederschlagsereignisse, intensive Niederschlagsepisoden über mehrere Tage oder Dürreperioden. <strong>Im</strong><br />

statistischen Sinne sind Extremereignisse solche die niedrige Wiederkehrwahrscheinlichkeiten aufweisen, d.h.<br />

selten vorkommen. Meist definiert man Schwellenwerte und untersucht dann die Über- bzw.<br />

Unterschreitungswahrscheinlichkeiten sowie auch die Änderung der Intensitäten solcher Ereignisse.<br />

Hitze<br />

<strong>Die</strong> jährliche Mitteltemperatur in <strong>Europa</strong> ist von 1850 bis 2008 um 1,3°C gestiegen. <strong>Die</strong> 9 wärmsten Jahre dieses<br />

Zeitraums waren innerhalb der letzten 12 Jahre zu beobachten. Parallel dazu nahm die Zahl der warmen Nächte<br />

und heißen Tage deutlich zu. Auch die Vegetationsperiode weist einen positiven Trend von 3.6 Tagen pro<br />

Dekade auf.<br />

Nach Einschätzung des IPCC wird die Zunahme der Lufttemperatur mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einer<br />

Zunahme von Hitzewellen einhergehen. <strong>Die</strong>s betrifft sowohl die Häufigkeit, als auch die Andauer dieser<br />

Ereignisse.<br />

Ein Beispiel für die Änderung von Temperaturextremen ist in Abbildung 1 gegeben. <strong>Die</strong>se <strong>zeigt</strong> die Anzahl der<br />

Tage über 40,7°Celcius in verschiedenen Klimazeitscheiben aus dem Forschungsprojekt ENSEMBLES.<br />

Dem<strong>nach</strong> werden die extremen Hitzetage im warmen Osten Österreichs von 3 aus dem Zeitraum 1961-1990 auf<br />

17 bis Ende des Jahrhunderts (2071-2100) steigen. <strong>Die</strong> gerade im Bereich der Extremwerte noch existierenden<br />

Unzulänglichkeiten <strong>zeigt</strong> gerade dieser spezifische Fall. Tatsächlich sind in Österreich noch nie Temperaturen<br />

von 40° und mehr gemessen worden.


Abb. 1: Hitzeindex Sommer (JJA 1961-2100): Tage > 40.7 °C. Mittelwert aus fünf regionalen<br />

Klimamodellsimulationen (MPI, KNMI, HC, ETH, C4I) im Rahmen des Projektes ENSEMBLES<br />

http://eca.knmi.nl/ensembles. (Haylock et al. 2008, Bildquelle: European Environment Agency)<br />

Bei der Anzahl der Tropennächte in Österreich ist in den Niederungen des Ostens mit einer Verdreifachung im<br />

extremen {Emissionsszenario A2} zu rechnen (Abbildung 2).<br />

Abb. 2: Tropische Nächte Sommer (JJA 1961-2100): Nächte mit Tmin>20°C. Simulationen des Dänischen<br />

Meteorologischen Instituts (DMI) mit dem HIRHAM4 Regionalmodell – Emissionsszenario A2.<br />

(Dankers R., Hiederer R. 2008, Bildquelle: European Environment Agency)<br />

Aus verschiedenen Klimaszenarien lässt sich ableiten, dass in Zukunft die Temperaturschwankungen von Tag zu<br />

Tag im Winter abnehmen und im Sommer zunehmen werden und sich damit die Extremwerte der Temperatur<br />

signifikant verändern. Bisher ist jedoch auch die damit angesprochene Verbreiterung des Schwankungsbereichs<br />

in den Messdaten nicht zu beobachten.<br />

Starkniederschlag<br />

Bei Untersuchungen der globalen Niederschlagsänderung der letzten 50-100 Jahre wurde festgestellt, dass die<br />

Niederschlagssummen in diesem Zeitraum durchschnittlich um 5% zugenommen haben. <strong>Die</strong> Gesamtanzahl der<br />

Niederschlagstage ist dabei etwa gleich geblieben. In den globalen Klimasimulationen <strong>zeigt</strong> sich somit eine<br />

Intensivierung von starken Niederschlagsereignissen. <strong>Die</strong>se Änderungen der Extreme sind im Allgemeinen<br />

deutlicher ausgeprägt als die Änderungen der Mittelwerte – allerdings mit ausgeprägten regionalen<br />

Unterschieden.<br />

Der Ursache der größeren Niederschlagsmengen in einem wärmeren Klima bei Einzelereignissen ist im höheren<br />

Wasserdampfgehalt zu suchen, wodurch auch das verfügbare Niederschlagswasser in der Atmosphäre ansteigt.<br />

Aber auf eine veränderte Vertikalstruktur der Atmosphäre (vertikale Stabilität) kann zu einer Veränderung im<br />

Niederschlagsverhalten führen.<br />

Eine aktuelle Studie der Abteilung Klimaforschung der ZAMG (Priskchange) <strong>zeigt</strong> eine Zunahme der Intensitäten<br />

30-jähriger täglicher Niederschlagsmengen in Österreich um mehr als 17-26% im Sommerhalbjahr 2007-2051<br />

verglichen mit dem Zeitraum 1963-2006. Des Weiteren fanden wir eine besonders ausgeprägte Zunahme im<br />

Südosten und Osten Österreichs während der Herbstmonate (25-40%). Zweites könnte auf eine Veränderung der<br />

atmosphärischen Strömung – und damit der Wetterlagen im östlichen Alpenraum – hinweisen.<br />

Stürme<br />

Untersuchungen über das Sturmklima der letzten 100 Jahre über Nordwesteuropa zeigen keine Zunahme der<br />

Stürmigkeit, jedoch aber eine hohe Variabilität auf jährlichen und dekadischen (10-50-jährigen) Zeitskala. <strong>Die</strong><br />

Zugbahnen der Tiefdruckgebiete über <strong>Europa</strong> haben sich weiter <strong>nach</strong> <strong>Norden</strong> bzw. Nordosten hin verlagert.<br />

<strong>Global</strong>e Klimamodelle zeigen für die nächsten Jahrzehnte eine weitere Verlagerung der Zugbahnen der<br />

atlantischen Tiefdruckgebiete <strong>nach</strong> <strong>Norden</strong> hin (55-60° Breitengrad). Auch wird eine Zunahme der Häufigkeit von<br />

Sturmtiefs über Nordwesteuropa in einem wärmeren Klima erwartet. <strong>Die</strong> Zunahme wird hauptsächlich durch den


höheren Wasserdampfgehalt der Atmosphäre und der damit verbundenen Zunahme verfügbarer Energie<br />

begründet.<br />

Wird das Wetter immer extremer?<br />

Viele Menschen nehmen den Wetterablauf immer öfter als extrem wahr. So hat es z.B. den Anschein, dass<br />

intensive kalte und warme Phasen sehr rasch wechseln oder dass die Jahreszeiten fließend vom Winter in den<br />

Sommer bzw. umgekehrt übergehen. Laufende Studien der Klimaabteilung der ZAMG die die Variabilität von<br />

Temperatur, Niederschlag und Luftdruck in den letzten 150 Jahren untersuchen, können diese subjektive<br />

Beobachtung jedoch bis jetzt nicht unterstützen. Ganz im Gegenteil zeichnet sich z.B. bei der Änderung der<br />

Temperatur von Monat zu Monat im Alpenraum eine Abschwächung der Wechselhaftigkeit des Klimas ab<br />

(laufende Arbeit).<br />

Klimafolgen<br />

Auswirkungen des Klimas –<br />

Auswirkungen auf das Klima<br />

Studien zu den Auswirkungen des Klimawandels sind ein wesentlicher Teil der Klimaforschung. <strong>Die</strong> Ergebnisse<br />

der Klimafolgenforschung bilden die Grundlage für Vermeidungs- und Minderungsstrategien beziehungsweise<br />

notwendige Anpassungsmaßnahmen.<br />

Das Klima der Erde als der mittlere Zustand der Atmosphäre (Abb. 1) steht mit den anderen Erdsphären<br />

Hydrosphäre, Lithosphäre, Pedosphäre,,Biosphäre und Kryosphäre in enger Wechselwirkung. Deutlich sichtbar<br />

manifestiert sich die enge Beziehung zwischen Klima und Kryosphäre. Da unsere Gruppe gerade hier einen<br />

Schwerpunkt ihrer Expertise besitzt, stehen die Auswirkungen des Klimawandels auf Schnee und Eis im<br />

Vordergrund dieses Abschnitts.<br />

Schwerpunkt Kryosphäre<br />

<strong>Die</strong> größten Ansammlungen an Schnee und vor allem Eis auf der Erde findet man in Form vonkontinentalen<br />

Eisschilden. <strong>Die</strong>se reagieren auf Veränderungen des Erdklimas, haben aber aufgrund ihrer Größe selbst einen<br />

unmittelbaren Einfluss auf das globale Klima (Eis-Albedo-Rückkopplung, Süßwassereintrag in den Ozean<br />

usw.). Rückkopplungsprozesse wie der Eis-Albedo-Effekt kommen auch bei der Beziehung zwischen Meereis<br />

und Klima zum Tragen. <strong>Die</strong> einzelnen im Klimasystem der Erde sind oft sehr komplex und werden momentan<br />

noch teilweise unzureichend verstanden.<br />

Neben den polaren Eismassen sind besonders Gebirgsgletscher in den mittleren Breiten unmittelbar von<br />

Klimaänderungen betroffen. Aufgrund ihrer Größe ist aber das Einwirken derGebirgsgletscher auf das globale<br />

Klima ver<strong>nach</strong>lässigbar. Das Verhalten der gesamten globalen Eismassen steht im unmittelbaren<br />

Zusammenhang mit den Variationen desMeeresspiegels, dessen zukünftige Entwicklung eine der zentralen<br />

Fragen der internationalen Klimaforschung darstellt.<br />

<strong>Die</strong> Auswirkungen von Klimaänderungen auf die Schneedecke sind für Österreich von besonders großer<br />

Bedeutung. <strong>Die</strong> winterliche Schneedecke ist ein wichtiger Faktor für den alpinen Tourismus. Aber auch der<br />

Einfluss des Schnees auf das Verhalten der Gletscher und des Permafrosts, die das eindrucksvolle<br />

Landschaftsbild der Alpen prägen und formen, ist entscheidend. <strong>Die</strong> Wasserführung von Fließgewässern wird<br />

von der saisonalen Schneedecke mitbestimmt, was wiederum unmittelbare Konsequenzen für<br />

die Wasserwirtschaft hat.<br />

Bildergalerie der verschiedenen Sphären des Klimasystems der Erde<br />

Das dynamische Klima der Erde hat auf alle Erdsphären Einfluss. <strong>Die</strong> einzelnen Sphären (Abb. 1–8) stehen<br />

untereinander im ständigen Austausch (Abb. 9–14). Da die komplizierte Vernetzung eine der herausragenden<br />

Eigenschaften des Klimasystems selbst ist, mögen die Fotos der Bildergalerie dazu dienen, diese Komplexität<br />

zumindest teilweise visuell zu erfassen (alle Fotos: Reinhard Böhm).


Abb. 1: ATMOSPHÄRE – Cirruswolken im klaren Himmel über Schottland.<br />

Abb. 2: HYDROSPHÄRE – Sturmgepeitschte Nordsee bei Norderney.<br />

Abb. 3: LITHOSPHÄRE – Lavaschichten der Cumbre dorsal, Teneriffa.<br />

Abb. 4: PEDOSPÄHRE – Selten ist die Bodenhülle der Erde wirklich unvermischt und rein sichtbar. Auch hier, im<br />

norddeutschen Wattenmeer, ist ein Schuss Hydrosphäre dabei.


Abb. 5: BIOSPHÄRE (natürlich) – Der Lorbeerurwald der Kanarischen Inseln.<br />

Abb. 6: BIOSPHÄRE (anthropogen) – Getreidefeld in der Wiener Lobau.<br />

Abb. 7: KRYOSPHÄRE – Eis und Schnee des Goldbergkeeses in den Hohen Tauern.<br />

Abb. 8: KRYOSPHÄRE – die gefrorene Donau in Wien im Februar 2006. Auch die dunklen Flecken sind kein<br />

flüssiges Wasser, sondern dünnes, klares Eis, das sich in den Zwischenräumen der einzelnen Schollen gebildet<br />

hat.


Abb. 9: BIOSPHÄRE, HYDROSPHÄRE und ATMOSPHÄRE – Typisch für die enge Vernetzung der<br />

verschiedenen Erdsphären ist diese Aufnahme aus dem Pietzmoor in der Lüneburger Heide.<br />

Abb. 10: PEDOSPHÄRE, BIOSPHÄRE und ATMOSPHÄRE – An diesem Strandabschnitt der Nordseeinsel<br />

Baltrum ist viel Pedosphäre und wenig Biosphäre zu erkennen. Das liegt hauptsächlich an dem stürmischen<br />

Einfluss der Atmosphäre.<br />

Abb. 11: LITHOSPHÄRE und ATMOSPHÄRE – Beinahe ganz ohne die Puffer von Pedo- oder Biosphäre schafft<br />

hier, in den Lavafeldern der Canadas del Teide (Teneriffa), das Aufeinandertreffen von Lithosphäre und<br />

Atmosphäre die bizarren Formen der Roques de Garcia.<br />

Abb. 12: BIOSPHÄRE und KRYOSPHÄRE – Ein sehr kurzlebiger Teil der Kryosphäre bedeckt hier <strong>nach</strong> einem<br />

Eisregen am 16. Jänner 2010 im Wienerwald einen kleinen Teil der Biosphäre.


Abb. 13: BIOSPHÄRE, PEDOSPHÄRE, HYDROSPHÄRE und ATMOSPHÄRE – Nur die in dieser Gegend, dem<br />

Ostfriesischen Wattenmeer, kaum zutage tretende Lithosphäre fehlt, um alle Sphären in einem Bild zu<br />

versammeln.<br />

Abb. 14: ATMOSPHÄRE, LITHOSPHÄRE, PEDOSPHÄRE, BIOSPHÄRE, KRYOSPHÄRE und HYDROSPHÄRE:<br />

Alle sechs Erdsphären in einem Bild. Viel Litho- und Pedosphäre treffen hier im Gletschervorfeld des<br />

Goldbergkeeses auf die im Herbst noch spärlich sichtbare Biosphäre. <strong>Die</strong> Kryosphäre ist bereits stark auf dieser<br />

Aufnahme aus dem Jahr 2008 zurückgewichen. <strong>Im</strong> 19. Jahrhundert hätte sie noch den gesamten Vordergrund<br />

des Bildes bedeckt.<br />

Eisschilde<br />

<strong>Die</strong> trägen Giganten<br />

Zum Typ der dem Relief übergeordneten Vergletscherung gehören die mächtigsten Eismassen der Erde. Als<br />

(kontinentaler) Eisschild oder Inlandvereisung werden die gigantischen Gletscher der Antarktis und Grönlands<br />

bezeichnet. Aufgrund ihrer enormen Größe bestimmen die Eisschilde der Erde den Zustand des globalen Klimas<br />

mit.<br />

<strong>Die</strong>se mächtigen Eisdecken bewegen sich im zentralen Akkumulationsgebiet extrem langsam (einige Zentimeter<br />

bis wenige Meter im Jahr) und sind nicht auf Gebirgstäler beschränkt. Sie nehmen praktisch die gesamte<br />

Landoberfläche ein und werden nur von einzelnen Gebirgsgipfeln, so genannten Nunatakern, überragt. <strong>Die</strong><br />

Maximaltiefen findet man im zentralen Akkumulationsgebiet der Eismasse. An den Randzonen bilden sich<br />

schmale Zungen (Eisströme, Ausflussgletscher), ähnlich denen der Talgletscher, die ins Meer kalben, in ein<br />

Eisschelf münden oder am Festland enden.<br />

<strong>Die</strong> enormen Eispanzer der Antarktis und Grönlands<br />

<strong>Im</strong> Erdzeitalter des Pleistozäns gab es vier große Eisschilde auf der Erde. Neben den heute noch existenten,<br />

konnte man weitere großflächige Vereisungen in Nordamerika und Nordeurasien <strong>nach</strong>weisen. <strong>Die</strong> noch<br />

verbliebenen Eismassen der Antarktis und Grönlands können potenziell den Meeresspiegel um 60 bis 70 m (Tab.<br />

1) erhöhen. Dabei liefern nur die Eismassen auf dem Festland über Meeresniveau einen Beitrag<br />

zum eustatischen Meeresspiegelanstieg. Nach Abzug der gesamten Eisdecke würde das Minimum der<br />

Seehöhe etwa -2500 m für die Antarktis und etwa -200 m für Grönland betragen. Dabei ist kein isostatischer


Ausgleich der Landmassen berücksichtigt, welcher eine vertikale Hebung der Landmassen beim Verschwinden<br />

der Auflast der Eismassen zur Folge hat.<br />

Eisschilde der Erde<br />

Antarktis Grönland<br />

AE [km²] ~12,8×10 6 ~1,7×10 6<br />

AE / AÖ 158.6 20.4<br />

AE / AD 36 5<br />

AE / AEU 3 0,4<br />

Maximale Eisdicke [m] >4000 >3000<br />

Eisvolumen [km³] 30×10 6 2,9×10 6<br />

potentieller Meeresspiegelanstieg [m] ~56 ~7<br />

Tabelle 1: Eckdaten zu den Eisschilden der Antarktis und Grönlands. (AE…Fläche Eisschild, AÖ…Fläche<br />

Österreichs, AD…Fläche Deutschlands, AEU…Fläche der EU<br />

Forschungsbedarf bei der Bestimmung der Massenbilanzen<br />

<strong>Die</strong> gegenwärtige und vor allem zukünftige Massenbilanz der Eisschilde birgt große Unsicherheiten. Neben den<br />

Unsicherheiten aufgrund der unterschiedlichenEmissionsszenarien selbst, sind die geringe Datendichte und ein<br />

teilweise noch unvollständiges Prozessverständnis entscheidender Vorgänge dafür verantwortlich. <strong>Die</strong><br />

gegenwärtigen Massenbilanzen der Antarktis und Grönlands sind <strong>nach</strong> den wissenschaftlichen<br />

Untersuchungen der letzten Jahre negativ und weisen einen Anstieg der Massenverluste<br />

Antarktis<br />

Dynamischer als angenommen<br />

<strong>Die</strong> Bestimmung des Massenhaushalts der Antarktis ist mit großen Unsicherheiten verbunden. Das ist vor<br />

allem auf die Größe und die lebensfeindlichen Bedingungen zurückzuführen. <strong>Die</strong> Folge dieser Eigenschaften sind<br />

räumlich relativ spärliche Daten für nur kurze Zeiträume, die das Treffen von verlässlichen Aussagen erschweren.<br />

Trotz der relativ großen Unsicherheiten geben unabhängige, wissenschaftliche Untersuchungen der letzten Jahre<br />

ein konsistentes Bild des Massenverlusts der Antarktis.<br />

<strong>Die</strong> weltweit größte Ansammlung an Eis findet man auf dem antarktischen Kontinent. <strong>Die</strong> Antarktis ist mit einer<br />

mittleren Seehöhe von mehr als 2200 m der höchstgelegenste und trockenste Kontinent der Erde. Das<br />

antarktische Eisschild weist eine mittlere Eisdicke von 1856 m mit Maximaltiefen von über 4000 m auf (Abb. 1).<br />

Unter der antarktischen Eisdecke hat man in den letzten Jahren über Fernerkundungs- und geophysikalische<br />

Erkundungsmethodenhunderte subglaziale Seen entdeckt (mehr als 145 allein im Jahr 2005), die teilweise<br />

miteinander verbunden sind. <strong>Die</strong>ses subglaziale Wasser und dessen Dynamik hat großen Einfluss auf die<br />

Eisdynamik und somit auch auf den Massenhaushalt des antarktischen Eisschilds. Das Verständnis dieses<br />

Einflusses ist momentan noch sehr lückenhaft und kann noch in keine Modelle gefasst werden. Aufgrund den<br />

möglichen folgenschweren globalen Konsequenzen des eustatischen Meeresspiegelanstiegs handelt es sich<br />

hierbei um ein topaktuelles Forschungsthema.


Abb. 1: Links: Topografie der Antarktis. <strong>Die</strong> weißen Bereiche stellen die höchsten Gebiete dar und bilden die<br />

Grenzen der einzelnen glaziologischen Einzugsgebiete (Bamber u.a. 2008). Rechts: <strong>Die</strong> Eisdicken der Antarktis.<br />

<strong>Die</strong> maximalen Eisdicken von über 4000 m findet man im zentralen Akkumulationsgebiet (Lythe u.a. 2001).<br />

Der Massenhaushalt des antarktischen Eisschilds wird vor allem von eisdynamischen Vorgängen dominiert.<br />

Betrachtet man die Karte der mittleren Jahrestemperaturen der Antarktis (Abb. 2), so ist ersichtlich, dass<br />

oberflächliche Schmelzvorgänge eine untergeordnete Rolle spielen. Lediglich in den küstennahen, wärmeren<br />

Gebieten ist dieser Prozess nicht ver<strong>nach</strong>lässigbar.<br />

Abb. 2: Eine interpolierte Karte der mittleren Jahrestemperatur der Antarktis für die Periode 1957-2003. <strong>Die</strong><br />

gelben Punkte stellen Messwerte von einzelnen wissenschaftlichen Expeditionen dar. <strong>Die</strong> Temperaturdaten sind<br />

in Grad Celsius angegeben (Dixon 2008).<br />

Massenverlust über Eisströme<br />

Der eisdynamische Massenverlust wird vorwiegend über einzelne, räumlich klar begrenzte Eisströme<br />

bewerkstelligt (Abb. 3), die sich in subglazialen Talstrukturen bilden. Bei Eisströmen kann man aktive und<br />

ruhigere Phasen beobachten. <strong>Die</strong>se Variabilität der Fließgeschwindigkeit spielt sich innerhalb unterschiedlichster<br />

Perioden (Stunden bis Jahrhunderte) ab und kann mit verschiedenen Ursachen in Zusammenhang gebracht<br />

werden (Variation der Akkumulation, Gezeiten, Gletscherbetteigenschaften usw.). Der Einfluss der derzeitigen<br />

Klimaerwärmung auf die Fließgeschwindigkeit der Eisströme zählt momentan zu den großen Fragen der<br />

Glaziologie.<br />

Abb. 3: Links: <strong>Die</strong> bisher vollständigste Karte von oberflächlichen Fließgeschwindigkeiten des antarktischen<br />

Inlandeises aus Satellitenbeobachtungen und Modelldaten. <strong>Die</strong> Farbcodierung beruht auf einer logarithmischen<br />

Skalierung der Fließgeschwindigkeit. Dunkelblau veranschaulicht Fließgeschwindigkeiten von 0 m pro Jahr, rot<br />

von 1000 m pro Jahr (Jezek 2008). Rechts: Ein vergrößerter Bereich (schattierter Bereich links) <strong>zeigt</strong> die<br />

oberflächlichen Fließgeschwindigkeiten für den Whillans-Eisstrom (WES), den stagnierenden Kamb-Eisstrom<br />

(KES), den Bindschadler-Eisstrom (BES) und den MacAyeal-Eisstrom (MES), die alle in das Ross-Eisschelf<br />

(RES) münden, im Detail (Turner u.a. 2009).<br />

Komplexe Eisdynamik<br />

Viele Eisströme der Antarktis münden in ein Eisschelf. Bei einem Eisschelf handelt es sich um ein einige hundert<br />

Meter bis wenige Kilometer dickes, schwimmendes Eis, das fix mit dem Festlandeis verbunden ist. Das Ende<br />

eines Eisschelfs bildet eine nahezu vertikale Eiswand, die über den Prozess des Kalbens an Masse verliert. Das<br />

Kalben unterliegt Perioden unterschiedlich hoher Kalbungsraten. Sehr hohe Kalbungsraten, die bis zu einem<br />

völligen Kollaps des gesamten Eisschelfs führten, konnte man in den letzten Jahrzehnten vor allem auf der<br />

antarktischen Halbinsel beobachten (Abb. 4).


Abb. 4: Beim Kollaps des Larsen-B-Eisschelfs im Jahr 2002 ging eine Eisschelffläche von 3200 km² verloren. In<br />

der Satellitenaufnahme vom 31.01.2002 (links) kann man bereits eine Vielzahl an oberflächlichen<br />

Schmelzwasserseen erkennen, die sehr wahrscheinlich eine wesentlichen Rolle bei der völligen Disintegration<br />

des Eisschelfs spielten. Das rechte Satellitenbild <strong>zeigt</strong> das Eisschelf einen Monat später (Turner u.a. 2009).<br />

Das Abschmelzen bzw. Kollabieren eines Eisschelfs hat keinen direkten Einfluss auf deneustatischen<br />

Meeresspiegelanstieg. Eine indirekte Folge ist aber eine zwei- bis achtfache Beschleunigung der unmittelbar<br />

angrenzenden Eisströme. <strong>Die</strong>s führt wiederum zu einem erhöhten Massenverlust des Inlandeises und einem<br />

Meeresspiegelanstieg. <strong>Die</strong> Prozesse die zur Disintegration eines Eisschelfs führen sowie dessen Folgen werden<br />

momentan in mehreren Forschungsprojekten untersucht. Der globale Anstieg der Luft- und infolgedessen der<br />

Meerestemperatur sowie die Meeresströmungen sind jedenfalls wesentliche Einflussfaktoren. Für die Schmelze<br />

an der Eisschelf-Ozeanwasser-Grenze aufgrund des Zustroms von wärmerem Meerwasser, konnte man Beträge<br />

von mehreren Metern pro Jahr beobachten.<br />

<strong>Die</strong> gesamte Antarktis bilanziert laut einer aktuellen Studie von Rignot u.a. (2008) negativ, mit einem Verlust von<br />

–196 (± 92) Gigatonnen pro Jahr. Chen u.a. (2009) veröffentlichen für die Antarktis einen Massenverlust von –<br />

190 (±77) Gigatonnen pro Jahr. Unterdessen stellten Wu u.a. (2010) mit dem selbem methodischen Ansatz<br />

(GRACE-Daten) etwa die Hälfte an Massenverlust für die Antarktis fest. Generell ist die Frage <strong>nach</strong> der<br />

Massenbilanz der Antarktis noch nicht mit einer genauen Zahl zu beantworten, was auf die großen<br />

Unsicherheiten, die sich in den Fehlerangaben widerspiegeln, zurückzuführen ist.<br />

<strong>Die</strong> Antarktis verliert immer schneller Eis<br />

Zusammenfassend <strong>zeigt</strong> sich kein einheitliches Verhalten der Antarktis (siehe „Regionen der Antarktis“).<br />

Bedenkt man die große räumliche Ausdehnung, ist das nicht überraschend. <strong>Die</strong> Beobachtungen der letzten Jahre<br />

liefern allerdings ein dynamisches Bild der Antarktis, das noch vor einem Jahrzehnt undenkbar gewesen wäre.<br />

Beobachtete regionale Prozesse sind nicht eindeutig der derzeitigen Klimaänderung, vergangenen<br />

Klimafluktuationen oder interner Variabilität zuzuordnen. <strong>Die</strong> verbesserte Methodik zum Erfassen der Eisschilde<br />

der Erde und die damit wachsende Datenmenge lässt aber ein immer konsistenter werdendes Bild über den<br />

Zustand der Antarktis zu. <strong>Die</strong>ses Bild <strong>zeigt</strong> einen aktuellen Massenverlust des antarktischen Inlandeises, der sich<br />

über die letzten Jahre verstärkt hat.<br />

Westantarktis ist nicht Ostantarktis<br />

<strong>Die</strong> Antarktis kann man grob in drei Regionen einteilen, welche sich grundlegend unterscheiden. <strong>Die</strong>se<br />

Unterschiede spiegeln sich auch im Verhalten des Eisschilds in den einzelnen Regionen wider. Um realistische<br />

Zukunftsszenarien zu entwickeln, ist das Verständnis der wichtigsten Prozesse, die das Verhalten der einzelnen<br />

Regionen prägen, essenziell.<br />

<strong>Die</strong> Ergebnisse verschiedener Massenhaushaltsstudien der letzten Jahre ergeben für dasgesamte Eisschild<br />

der Antarktis einen Massenverlust mit einem negativen Trend. <strong>Die</strong> einzelnen Regionen der Antarktis zeigen aber<br />

teilweise ein sehr unterschiedliches Verhalten. Alle folgenden Zahlen zu den Massenbilanzen der einzelnen<br />

Regionen beziehen sich auf die Studie von Rignot u.a. (2008). <strong>Die</strong>se Studie ist als ein Ergebnis unter mehreren<br />

zu sehen, die tendenziell in die gleiche Richtung weisen, sich aber in ihren Absolutwerten unterscheiden.<br />

Das kontinentale Eisschild der Antarktis kann grob in drei morphologische Zonen unterteilt werden (Abb. 1, siehe<br />

Abb. 1 im Abschnitt „Antarktis“):<br />

Antarktische Halbinsel: Fläche…0,52×106 km²<br />

Westantarktis: Fläche…1,97×106 km²<br />

Ostantarktis: Fläche…10,35×106 km²


Abb. 1: Fließgeschwindigkeiten wichtiger Ausflussgletscher. <strong>Die</strong> schwarzen Linien skizzieren die einzelnen<br />

Regionen. Skalierte rote bzw. blaue Symbole veranschaulichen die Höhe des Massenverlustes bzw. -gewinns in<br />

Gigatonnen pro Jahr (Rignot u.a. 2008).<br />

<strong>Die</strong> antarktische Halbinsel<br />

<strong>Die</strong> antarktische Halbinsel nördlich von 70°S stellt lediglich 1 % des auf dem Festland gelagerten antarktischen<br />

Eisschildes dar, erhält aber aufgrund der klimatischen Bedingungen rund 10 % des gesamten Schneefalls.<br />

Insgesamt hat die antarktische Halbinsel ein Eisvolumen von 95.200 km³, was einem potenziellen eustatischen<br />

Meeresspiegelanstieg von 24 cm entspricht. Aufgrund der Küstenlage und der geringen Seehöhe (ein Drittel<br />

unter 200 m) steigen die Sommertemperaturen regelmäßig über 0°C. Daher muss man oberflächliche<br />

Schmelzvorgänge unbedingt in die Berechnung der Massenbilanz einbeziehen. In den letzten 50 Jahren konnte<br />

man eine Erwärmung von 3°C feststellen, was sich in einer stärkeren oberflächlichen Schmelze geäußert hat. Vor<br />

allem die antarktische Halbinsel ist vom Kollaps von Eisschelfen und der folglichen Beschleunigung von<br />

Eisströmen betroffen. <strong>Die</strong> räumliche Verteilung der in der Vergangenheit kollabierten Eisschelfe korreliert sehr gut<br />

mit der sich ändernden Temperaturverteilung. <strong>Die</strong> Massenbilanz der antarktischen Halbinsel beträgt rund –60<br />

(±46) Gigatonnen pro Jahr.<br />

<strong>Die</strong> Westantarktis<br />

Der Großteil der Westantarktis liegt unter dem Meeresniveau und wird daher als marines Eisschild bezeichnet.<br />

Marine Eisschilde werden als instabil betrachtet. Bamber u.a. (2009) berechneten für einen katastrophalen<br />

Kollaps des marinen Bereichs der Westantarktis einen maximalen Anstieg des Meeresspiegels von 3,3 m. In<br />

Summe bilanziert die Westantarktis mit –132 (±60) Gigatonnen pro Jahr negativ. Abb. 2 <strong>zeigt</strong> die Ergebnisse für<br />

zwei Satelliten-Altimetrie-Studien, die für zwei unterschiedliche Zeiträume gemacht wurden. Vor allem in den<br />

auffälligen Regionen der antarktischen Halbinsel und der Westantarktis ist eine Beschleunigung des dynamischen<br />

Ausdünnens festzustellen. Das Gesamteisvolumen der Westantarktis und der antarktischen Halbinsel besitzt ein<br />

Potenzial für einen eustatischen Meeresspiegelanstieg von 4,8 m.<br />

<strong>Die</strong> westantarktischen Eisströme rund um das Amundsen-Meer verzeichnen den größten Massenverlust der<br />

Antarktis (Abb. 1): <strong>Die</strong> Ausdünnungsraten des Pine-Island-Gletschers (PIG) ergeben gemittelt über ein Gebiet<br />

von der doppelten Größe Großbritanniens 10 cm pro Jahr, im Küstenbereich sogar von mehreren Metern pro<br />

Jahr. Seine Fließgeschwindigkeit hat sich seit 1970 verdoppelt. Oberflächliche Schmelzprozesse spielen hier eine<br />

untergeordnete Rolle, ein beträchtlicher Einfluss wird aber dem sich erwärmenden Ozean zugesprochen. Andere<br />

Gebiete der Westantarktis zeigen kein vergleichbares Verhalten. Das Gebiet rund um das Ross-Meer (siehe Abb.<br />

3 rechts im Abschnitt „Antarktis“) bilanziert mit +34 (±8) Gigatonnen pro Jahr positiv. Das Gebiet um das<br />

Weddell-Meer <strong>zeigt</strong> für die letzten Jahrtausende ein stabiles Verhalten.


Abb. 2: Links: Höhendifferenz der Oberfläche des antarktischen Eisschildes zwischen<br />

1992 und 2003 (Sheperd und Wingham 2007). Rechts: Höhendifferenz der<br />

Oberfläche des antarktischen Eisschildes für das Jahr 2007 bezogen auf 2003.<br />

Seehöhen von mehr als 2500 m sind nicht dargestellt (Pritchard u.a. 2009). Man<br />

beachte die unterschiedlichen farblichen Skalierungen der zwei Abbildungen.<br />

<strong>Die</strong> Ostantarktis<br />

<strong>Die</strong> Ostantarktis ist das höchstgelegene, kälteste und trockenste (rund 50 mm Niederschlag pro Jahr) Gebiet der<br />

Antarktis. Der theoretische, eustatische Meeresspiegelanstieg der Ostantarktis beträgt 51 m. <strong>Die</strong><br />

Veränderungen der Ostantarktis sind weniger dramatisch als jene der antarktischen Halbinsel und der<br />

Westantarktis. Der innere Bereich <strong>zeigt</strong>e über die letzten Jahre ein Ansteigen der Oberfläche. <strong>Die</strong> möglichen<br />

Ursachen reichen von einem eventuellen Ansteigen des Niederschlags bis hin zu einer verspäteten Reaktion auf<br />

Klimaänderungen der Vergangenheit. <strong>Die</strong> einzigen zwei Gebiete mit eklatanten Veränderungen sind marine<br />

Eisschilde wie das Cook-Eisschelf und der Totten-Gletscher, die zuletzt Ausdünnungsraten von 25 cm pro Jahr<br />

<strong>zeigt</strong>en. Aufgrund des Datenmangels ist unklar, ob diese Entwicklung erst in den letzten Jahren begann. Da es<br />

sich um großteils marine Eisschilde handelt, ist ein Einfluss des Ozeans ähnlich wie beim Amundsen-Gebiet<br />

denkbar. <strong>Die</strong> aktuelle Massenbilanz der Ostantarktis wird zwischen –4 und +61 Gigatonnen pro Jahr<br />

angenommen<br />

Grönland<br />

Wird Grönland grün?<br />

Wie stark nimmt die Eismasse Grönlands ab? Ist mit einem raschen und vollständigen Abschmelzen des<br />

Grönländischen Eisschildes durch den Klimawandel zu rechnen? Was bedeutet „rasch“ für eine so große<br />

Eismasse? Das sind derzeit zentrale Fragen der weltweiten Klimaforschung, nicht nur weil diese Fragestellungen<br />

wissenschaftlich höchst spannend sind, sondern auch, weil ein Abschmelzen dieses zweitgrößten Eisschildes der<br />

Erde weitreichende Folgen für das globale Klima und für den Meeresspiegel hätte. <strong>Im</strong> Gegensatz<br />

zur Antarktis ist das Klima Grönlands um 10-15 °C wärmer und teilweise auch durch deutlich höhere<br />

Niederschläge geprägt. Jedoch sind die räumlichen Unterschiede des grönländischen Klimas sehr groß, die durch<br />

die große Nord-Süd Erstreckung und durch die verschiedenen Einflussfaktoren wie etwa der Westwindzone,<br />

polaren Ostwindzone und der dazwischenliegenden Polarfront sowie dem Grönlandstrom und dem<br />

Nordatlantikstrom zu verstehen ist. <strong>Die</strong> räumlichen Variationen des Klimas prägen die Massenbilanz Grönlands.<br />

Schließlich muss auch angeführt werden, dass Grönland nicht nur das Eisschild besitzt sondern auch eine sehr<br />

große Anzahl kleinerer Gletscher und Eiskappen. Mehrere Prozesse können eine Massenänderung eines<br />

Eisschildes bewirken. Für Grönland sind derzeit Veränderungen der Niederschlagsmengen im Winter<br />

(Akkumulation), der Schnee- und Eisschmelze im Sommer (Ablation) sowie Massenverluste durch eisdynamische<br />

Prozesse (Kalben) wesentlich. Während Änderungen der Akkumulation und Ablation recht gut abgeschätzt<br />

werden können, sind Veränderungen des Massenverlustes durch Kalben zwar gut messbar, werden aber derzeit<br />

noch nicht ausreichend gut verstanden. Durch das fehlende Wissen ob den Wirkungsmechanismus beim Kalben<br />

können zukünftige Veränderungen nur unzureichend modelliert werden. Allgemein muss auch erwähnt werden,<br />

dass die Zeitreihen der Massenänderung des Grönländischen Eisschildes sehr kurz sind (maximal bis in die<br />

1950er Jahre zurück, wobei genauere Daten erst ab ca. 1970 existieren) und die Unsicherheiten im Vergleich<br />

zum Änderungssignal recht groß sind.


Abb. 1: Zeitliche Entwicklung der schmelzenden Flächen des Grönlandischen Eisschildes. Man kann seit den<br />

80er Jahren einen eindeutigen Trend in Richtung Zunahme der räumlichen Ausdehnung von Flächen des<br />

Grönländischen Eisschildes erkennen, die oberflächliche Schmelzvorgänge zeigen. (Steffen et al., 2008)<br />

Messergebnisse und Auswertungen von Satellitendaten zeigen eine Zunahme der im Sommer schmelzenden<br />

Schneeflächen (Abbildung 1). Das deckt sich mit Ergebnissen von Modellläufen mit Regionalen<br />

Klimamodellen die ebenfalls eine Zunahme der sommerlichen Schmelze seit den 1980er Jahren als<br />

Konsequenz einer Temperaturzunahme berechnen. <strong>Die</strong> Temperaturzunahme selbst ist jedoch schlecht durch<br />

Messungen belegt, da die Wetterstationen meist in Küstennähe und nicht auf dem Eisschild liegen. Neben der<br />

Zunahme der Schmelze wurde etwa zur Millenniumswende recht eindeutig ein generelles Beschleunigen<br />

mehrerer kalbender Gletscher (in Abbildung 2 für den Illulisatgletscher) beobachtet, die Eis des Eisschildes direkt<br />

ins Meer transportieren. Da die Gletscher in Grönland teilweise sehr hohe Geschwindigkeiten erreichen, ist diese<br />

Art des Massenverlustes wesentlich und macht einem Anteil von ca. 30-40% des Gesamtmassenverlustes aus.<br />

Als Ursache für das Beschleunigen werden zurzeit unterschiedliche Faktoren diskutiert: eine Abnahme der<br />

basalen (Grenze Gletscher/Gletscherbett) Reibung durch verstärkte Schmelzwasserführung; Veränderungen am<br />

Gletscherbett, die sich durch den Rückzug der Kalbungsfront ergeben; sowie Veränderungen der<br />

Eiseigenschaften durch den steigenden Energieeintrag des sich erwärmenden Meerwassers. Mittlerweile belegen<br />

Messungen für einzelne dieser „schnellen“ Gletscher wieder einen Rückgang der Fließgeschwindigkeiten. <strong>Die</strong><br />

Anzahl der Studien zur Massenänderung des Grönländischen Eisschildes ist mittlerweile sehr groß und laufend<br />

kommen neue Studien hinzu. Der Großteil bezieht sich auf Auswertungen von Satellitenmessungen oder auf<br />

Ergebnisse von Modellierungen. Der generelle Trend der meisten Studien ist ähnlich und wird durch Abbildung 3<br />

beschrieben. <strong>Die</strong> Masse des Grönländischen Eisschildes nimmt derzeit ab.<br />

Abb. 3: Massenbilanz des Grönländischen Eisschildes aus Beobachtungen und Rekonstruktionen. Besonders im<br />

letzten Jahrzehnt hat man negative Massenbilanzen beobachtet, des weiteren lässt sich ein negativer Trend im<br />

letzten Jahrzehnt erkennen. <strong>Die</strong> Symbole veranschaulichen unterschiedliche methodische Ansätze der<br />

Bestimmung der Massenbilanz. Der blaue Punkt steht für Ergebnisse aus Satelliten-Altimetrie Studien, das<br />

grüne Dreieck für GRACE Studien und das rote Quadrat für die dritte Methode der Massenbilanzierung von<br />

Eisschilden, die unter “Massenbilanz von Eisschilden” kurz zusammengefasst sind. (Jiang et al. 2010)<br />

<strong>Die</strong> Massenänderung des Grönländischen Eisschildes ist aus zwei Gründen sehr wichtig. Einerseits hat die<br />

Größe der Eisfläche einen Einfluss auf den Energieeintrag an der Erdoberfläche (Albedoeffekt) und andererseits<br />

wird durch Veränderungen der Eismasse derMeeresspiegel beeinflusst. Insgesamt hat das Grönlandische<br />

Eisschild ein Potential, denMeeresspiegel im globalen Mittel um ca. 7 m ansteigen zu lassen. Sehr schnell<br />

kommt man dabei zu der Frage, unter welchen Bedingungen das Eisschild zur Gänze abschmilzt und wie lange<br />

das brauchen würde. Dazu gibt es mittlerweile mehrere Studien. Interessant ist eine Analogie mit der<br />

Vergangenheit herzustellen. So weiß man aus den Eisbohrungen im Grönlandischen Eisschild, wo und zu<br />

welchem Zeitpunkt Eis vorhanden war und welche Temperatur zu diesem Zeitpunkt vorgeherrscht hat. Abbildung<br />

4 <strong>zeigt</strong>, dass vor etwa 125.000 Jahren (Eem-Interglazial vor der letzten Eiszeit) die Temperatur um ca. 2-4 °C


wärmer war als heute und dass zu diesem Zeitpunkt noch ein Teil des Eisschildes vorhanden war. Betreffend den<br />

gr<strong>oben</strong> Zeitrahmen für ein vollständiges Verschwinden des Eisschildes zeigen Modellüberlegungen, unter<br />

Annahme verschiedener Szenarien eines zukünftigen globalen Temperaturanstiegs, dass dafür zumindest<br />

mehrere Jahrhunderte bis Jahrtausende notwendig sind. Sollte das Grönländische Eisschild zur Gänze<br />

verschwinden, dann würde es sich unter heutigen Klimabedingungen nicht mehr aufbauen können.<br />

Abb. 4: Lufttemperatur (links) und die Eisdicken zur Zeit des Eem-Interglazials (vor ca. 125.000 Jahre) in<br />

Grönland. (IPCC 2007)<br />

Gebirgsgletscher<br />

Pasterze und Co im Rückzug<br />

Gebirgsgletscher gibt es auf allen Kontinenten der Welt, sie sind einer der besten Indikatoren des Klimawandels.<br />

<strong>Global</strong> ist vor allem ihr Beitrag zum Meeresspiegelanstieg wichtig, der im 21. Jahrhundert den Beitrag<br />

von Grönland und der Antarktis überwiegen wird.<br />

Nach den kontinentalen Eisschilden (Fläche > 50 000 km²) und den großen Eiskappen (< 50 000 km²) bilden<br />

Gebirgsgletscher die nächst kleinere Kategorie sich bewegender Eismassen. Gebirgsgletscher kommen weltweit<br />

aufgrund von Topographie und Klima in den unterschiedlichsten Größen und Formen vor (eine anschauliche<br />

Übersicht findet sich aufSwissEduc ): Von wenigen hundert Metern großen Kar- und Hängegletschern (z.B.<br />

Mieminger Schneeferner in Tirol, Eiskar in Kärnten (Abb. 1) oder Teile des Bisgletschers am Schweizer<br />

Weisshorn) über mehrere Kilometer lange alpine Talgletscher (z.B. Pasterze in Österreich (15 km) (Abb. 2),<br />

Aletschgletscher in der Schweiz (23 km)) bis hin zu Auslassgletschern der Antarktis und Grönlands (Abb. 3)<br />

(größter weltweit: Lambert Gletscher (Ostantarktis) 400 km lang, 100 km breit). <strong>Die</strong> Beiträge Gebirgsgletscher<br />

besprechen die Rolle dieser Gletscher im Klimasystem und die Auswirkungen der<br />

aktuellen Klimavergangenheit auf die Eismassen, mit Schwerpunkt auf die Alpengletscher.


Abb. 1: Das schuttbedeckte Eiskar in den karnischen Alpen, als Beispiel für einen kleinen Kargletscher. Es ist<br />

ca.600 m breit und 300 m lang. (Foto: Gerhard Hohenwarter, ZAMG).<br />

Abb. 2: Österreichs größter Gletscher, die Pasterze als typischer alpiner Talgletscher mit einer Länge von 8 km<br />

und einer Breite von ca. 500 m. (Foto: Gernot Weyss, ZAMG).<br />

Abb. 3: Auslassgletscher der AP-Olsen Eiskappe in NO Grönland (74°N). An dieser Stelle hat der Gletscher eine<br />

Breite von 1.25 km, insgesamt ist er 10.5 km lang (von rechter bis linker Bildseite). (Foto: Gernot Weyss, ZAMG).<br />

Gebirgsgletscher reagieren empfindlich auf die äußeren Antriebe (z.B. mehr Schmelze durch stärkere<br />

Sonnenstrahlung und höhere Lufttemperatur oder mehr Akkumulation durch mehr Schneefall) als auch auf<br />

die internen Umsetzungen des Klimasystems (Wärmetransporte in den Ozeanen unterliegen Zyklen, welche<br />

die Zirkulationsmuster der Atmosphäre und somit die Verteilung von Hochs und Tiefs verändern) und interagieren<br />

mit ihm in Form diverserRückkopplungen (Schnee an der Gletscheroberfläche reflektiert bis zu 90% der<br />

einkommenden Sonnenstrahlung zurück in die Atmosphäre, aperes Gletschereis hingegen nur 20-40%). <strong>Die</strong>s<br />

macht Gebirgsgletscher zu den sichtbarsten Indikatoren einer Klimaveränderung. <strong>Die</strong> Grundlagen zur Erfassung<br />

und Interpretation vonGletscherveränderungen liefern die Messmethoden und physikalischen<br />

Gesetzmäßigkeiten der Gletscherforschung.<br />

<strong>Im</strong> Gegensatz zu den großen kontinentalen Eisschilden (98.5% des globalen Eisvolumens bzw. 3.4%<br />

Bedeckung der Erdoberfläche) und dem Meereis (0.3% des Eisvolumens bzw. 5% der Erdoberfläche), hat die


Existenz von Gebirgsgletschern mit einer weltweiten, räumlichen Ausdehnung von 760 000 km² (0.2% des<br />

Eisvolumens bzw. 0.1% der Erdoberfläche) deutlich schwächere Auswirkungen auf das globale<br />

Klima. Rückkopplungen (z.B. Eis-Albedo) mit dem Klimasystem sind global zu ver<strong>nach</strong>lässigen, ihr Beitrag<br />

zum Meeresspiegelanstieg hingegen (geschätzte 2.5 cm in der Periode 1961-2005) wird voraussichtlich in der<br />

nahen Klimazukunft mit bis zu ca. 16 cm bis zum Jahr 2100 über den Beitrag der großen Inlandeismassen<br />

Grönland und Antarktis überwiegen.<br />

In den folgenden fünf Beiträgen erfahren Sie mehr zur Reaktion der Gebirgsgletscher auf ein sich änderndes<br />

Klima, zu ihrer regionalen Bedeutung im Alpenraum und zu ihrenVeränderungen seit der kleinen Eiszeit in<br />

Österreich. Aktuelle Zahlen zeigen wie viel heimisches Eis es noch gibt, das letzte Kapitel erläutert<br />

einige mögliche Zukunftszenarien der Alpengletscher.<br />

Aktuell<br />

Der Ist-Zustand der Gletscher in<br />

Österreich<br />

Der Massenverlust der heute ca. 900 Gletscher Österreichs, die im Mittel eine Eisdicke von etwa 38 m aufweisen,<br />

hat sich in der Periode 1997-2006 im Vergleich zu 1969-1997 erneut beschleunigt. Da für ca. 40% der<br />

Gletscherfläche auch die Eisdicke gemessen wurde, kann das Gesamtvolumen aller Gletscher Österreichs aber<br />

gut abgeschätzt werden.<br />

<strong>Die</strong> weltweiten Daten zu Gletscheränderungen werden beim World Glacier Monitoring Servicein Zürich<br />

gesammelt und publiziert. Der Zustand aller Österreichischen Gletscher (Flächen, Volumina und Änderungen)<br />

wird im sogenannten Österreichischen Gletscherinventar in Innsbruck quantitativ erfasst, dass es für die Jahre<br />

1969, 1997 und teilweise schon für 2006 gibt. Der Gletschermessdienst des Österreichischen<br />

Alpenvereins bietet in jährlicher Auflösung Daten zu Längenänderungen von derzeit 96 Österreichischen<br />

Gletschern (Stand 2010), derHydrographische <strong>Die</strong>nst (HD) veröffentlicht Massenbilanzdaten von einigen<br />

ausgewählten Gletschern in Österreich in seinen Jahrbüchern, die es mittlerweile auch digital im Internet gibt.<br />

Für das Jahr 2006 wird derzeit auf Grundlage von sehr genauen Laserscandaten das neueste Inventar erstellt.<br />

Erste Ergebnisse für die Ötztaler Alpen zeigen, dass sich sowohl der Flächen- als auch der Volumensverlust in<br />

der Periode 1997-2006 im Vergleich zu 1969-1997 beschleunigt haben. <strong>Die</strong>se Beschleunigung spiegelt den seit<br />

1980 besonders starkenTemperaturanstieg und Eintritt ins Treibhauszeitalter verzögert wieder, indem der<br />

Klimawandel vorherrschend anthropogen bedingt ist. <strong>Die</strong> neuesten Daten spiegeln auch die typischeGletscher-<br />

Klima Reaktion wieder: Besonders kleine Gletscher haben sich weniger stark verändert als große. Sie konnten<br />

sich also einerseits bereits an das geänderte Klima anpassen, andererseits liegen sie im Mittel meist höher und<br />

haben geringere Abschmelzraten zu verzeichnen. Große Gletscher haben meist lange, niedrig gelegene Zungen<br />

mit noch sehr dickem Eis, was zu hohen Abschmelzraten und Volumensverlusten aber nur zu geringen<br />

Flächenverlusten führt. Aus diesem Grund sind in der Periode 1997-2006 die Volumensverluste deutlich stärker<br />

angestiegen als die Flächenverluste.<br />

Über die absolut in Österreich vorhandenen Eisvolumina weiß man weit weniger gut Bescheid als über die <strong>oben</strong><br />

beschriebenen relativen Volumenänderungen zwischen zwei Zeitpunkten, die aus digitalisiertem Kartenmaterial<br />

bzw. Luftaufnahmen berechnet werden können. Das liegt am hohen Aufwand von Eisdickenmessungen, die in<br />

mühevoller Kleinarbeit für jeden Gletscher z.B. mit Radargeräten einzeln durchgeführt werden müssen um das<br />

Eisvolumen zu bestimmen. Für nur 60 der ca. 900 österreichischen Gletscher gibt es derartige Messungen. Da<br />

die meisten großen Gletscher erfasst wurden, ist das Volumen von immerhin 40% der Gesamtfläche aller<br />

Gletscher in Österreich bekannt.<br />

Österreichisches Gletscher-Inventar 1998<br />

Anzahl Mittlere Eisdicke Fläche Volumen<br />

Ca. 900 Ca. 38 m 471 km² (1998) Ca. 17.7 km³ (1998)<br />

Tabelle 1: Kennzahlen zum Ist-Zustand der Österreichischen Gletscher (Österreichisches Gletscherinventar,<br />

Institut für Meteorologie und Geophysik, Univ. Innsbruck).


TOP 3 der Österreichischen Gletscher (Stand 1998)<br />

Name Gebirgsgruppe Fläche (km²) Dickstes Eis (m)<br />

Pasterzenkees Glocknergruppe 18.4 275<br />

Gepatschferner Ötztaler Alpen 17.7 (21.6)* 235<br />

Obersulzbachkees Venedigergruppe 11 184<br />

Tabelle 2: Kennzahlen der 3 größten Österreichischen Gletscher (*<strong>Die</strong> Grenze zu Italien verläuft auf dem<br />

Gepatschferner, der Österreichische Teil hat somit nur 17.7 km², der Gepatschferner ist daher die größte<br />

zusammenhängende Gletscherfläche mit Teil in Österreich (21.6 km²). (Österreichisches Gletscherinventar,<br />

Institut für Meteorologie und Geophysik, Univ. Innsbruck)<br />

Zukunft<br />

Wie lange gibt es noch Alpengletscher?<br />

<strong>Die</strong> kleinen und mittleren Gletscher werden bis zum Ende des 21. Jahrhunderts verschwunden sein, die großen,<br />

in stark verkleinerter Form, das 22. Jahrhundert noch erleben. <strong>Die</strong> österreichischen Gletscher werden aufgrund<br />

der geringeren Gipfelhöhen früher abschmelzen als die im Mittel höhergelegenen Gletscher der Westalpen.<br />

Wie sich die Alpengletscher in Zukunft verhalten werden, hängt einerseits davon ab, wie dick ihr Eis ist, wie stark<br />

der jeweilige Gletscher mit dem momentanen Klima im Ungleichgewichtist und davon, wie sich die treibenden<br />

meteorologischen Faktoren wie Strahlung,Lufttemperatur , Wind und Niederschlag über längere Zeit verändern<br />

werden. <strong>Im</strong> jetzigenTreibhauszeitalter ist das vor allem eine Funktion der Entwicklung der Menschheit, ihrer<br />

Wirschaftstätigkeit und ihrer Lebensweise.<br />

Detaillierte Gletschermodelle , die das gesamte Gletschersystem und seine Wechselwirkungen erfassen<br />

können, also sowohl die Fließdynamik des Eises, die Gestaltung des Eisuntergrundes und andere Faktoren wie<br />

die Schuttbedeckung und Strahlungsexposition der Eisoberfläche, sind sehr rechenaufwendig und können daher<br />

momentan nur für einzelne Gletscher angewendet werden. Daher muss man sich für Zukunftsszenarien von<br />

Gletschern oft mit einfacheren, aber gut durchdachten, zumeist statistischen Methoden behelfen. Eine davon<br />

wurde vom World Glacier Monitoring Service (WGMS) in Zürich erarbeitet. Sie koppelt Änderungen von<br />

Temperatur und Niederschlag aus IPCC Szenarien an der Gleichgewichtslinie(GGL) der untersuchten<br />

Alpengletscher mit der noch aktiven Gletscherfläche, ausgehend von Massenbilanzdaten der Periode 1971-90.<br />

Alle oberhalb der neuen GGL verbleibenden Gletscherflächen stellen das neue Nähr- oder Akkumulationsgebiet<br />

des Gletschers dar. Steigt die GGL über das Gipfelniveau des Gletschers an, verliert er sein Nährgebiet und<br />

besteht bald nur noch aus blankem Eis ohne Nachschub und Neubildung von Eis. Es ist nur noch eine Frage der<br />

Zeit, bis diese Eisreste wegschmelzen. Je <strong>nach</strong>dem wie dick das Eis ist, können noch Jahre vergehen, oder bei<br />

großen Gletschern noch Jahrzehnte. Zu den Ergebnissen dieser Studie (Abb. 1): Wenn wir die durchaus plausible<br />

Modellwelt des IPCC Szenarios A1B als Grundlage nehmen, landen wir in der Mitte des 21. Jahrhunderts bei<br />

noch 37% bis 56% verbleibender, aktiver Gletscherfläche in den Alpen, je <strong>nach</strong>dem ob der Niederschlag ab- oder<br />

zunimmt. Gegen Ende des 21. Jahrhunderts ist dann noch 13% – 20% der Fläche gegenüber dem Ende des 20.<br />

Jahrhunderts vorhanden.


Abb. 1: Diagramm zur Abschätzung der künftigen Entwicklung der Alpengletscher. <strong>Die</strong> erwartete<br />

Temperaturänderung kann entlang der horizontalen Achse verändert werden, die 6 verschiedenfarbigen<br />

Ganglinien stehen für unterschiedliche Niederschlagsentwicklungen. An der vertikalen Achse kann die<br />

resultierende verbleibende Fläche mit aktiven Gletscher-Nährgebieten abgelesen werden (in % des Basiswertes<br />

1971-1990, für den Gletscherhöhenmodelle aller Alpengletscher existieren). Zwei plausible Zustände für die<br />

Alpen in der Mitte und gegen Ende des 21. Jahrhunderts wurden hervorgeh<strong>oben</strong> (IPCC-Modellwelt A1B, mit gut<br />

1.5° C Temperaturerhöhung bis 2050 und 3.5° C bis 2100), wobei die sicherere Temperaturerwartung als Fixwert<br />

angenommen, die unsicherere Niederschlagserwartung zwischen -10% und +10% variiert wurde. (Zemp 2006)<br />

Vergleicht man die einzelnen Alpenländer, so erweisen sich die Schweizer Gletscher als am stabilsten, gefolgt<br />

von den italienischen, französischen, österreichischen und den deutschen. Österreich steigt durch die im Schnitt<br />

geringeren Gipfelhöhen gegenüber den Westalpen wesentlich ungünstiger aus, mit nur mehr 20% bzw. 7%<br />

aktiver Gletscherfläche zur Mitte bzw. Ende des 21. Jahrhunderts. Alpine Eisriesen wie der Aletschgletscher, der<br />

Rhonegletscher, die beiden Grindelwaldgletscher, Mer de Glace, Glacier des Bossons, Gepatsch- und<br />

Hintereisferner, die Sulzbachkeese und die Pasterze werden allesamt im 22. Jahrhundert auch noch da sein,<br />

wenn auch in stark verkleinerter Form.<br />

Abb. 2: Links: Karte der potentiell verbleibenden aktiven Nährgebiete der Pasterze <strong>nach</strong> unterschiedlich starken<br />

Temperaturzunahmen. Von +1° C bis +5° C gegenüber dem Mittel 1971-1990. (Quelle: Zemp, 2006, angepasst<br />

und umgezeichnet). Rechts: Der Rückgang der vergletscherten Fläche des Goldbergkeeses von 2003 bis 2020<br />

bzw. 2050. Abschätzung auf der Basis der Massenbilanzen 1992-1998, der Eisdickenkarte 2003 und unter der<br />

Annahme einer ver<strong>nach</strong>lässigbaren Fließgeschwindigkeit. Das Szenario beinhaltet einen weiteren linearen<br />

Temperaturanstieg bis zu Verhältnissen, die um das Jahr 2100 denen des Sommers 2003 entsprechen, für den<br />

es eine gemessene Massenbilanz gibt. Der Niederschlag wurde im Modell nicht verändert. (Böhm et al. 2007).<br />

Für Österreich bedeutet das ein vergleichsweise langes Leben für die großen Talgletscher im Vergleich zu den<br />

mittelgroßen bis kleinen Gebirgsgletschern. Mögliche Zukunftszenarien berechnet mit unterschiedlichen<br />

Methoden für einzelne große und kleine Gletscher <strong>zeigt</strong> Abbildung 2 für Pasterze und Goldbergkees und<br />

Abbildung 3 für Fernauferner und Gepatschferner.


Abb. 3: Ursprüngliche Gletscherfläche für das Jahr 2006 und Abschätzung zukünftiger Gletscherausdehnungen<br />

auf Basis der Eisdickenkarte 2006, der Höhenänderung 1997-2006 und einer Empfindlichkeit der Massenbilanz in<br />

Abhängigkeit der Temperatur für a) Gepatschferner (Fläche 2006: 16.6 km²) und b) Fernauferner (Fläche 2006:<br />

1.5 km²). Der Niederschlag wurde nicht verändert. Das Jahr 2050 entspricht ungefähr den Szenarien 2006 +1° C<br />

bis +2° C, das Jahr 2100 den Szenarien 2006 +3° C bis +4° C. (Olefs et al., 2009)<br />

Das Schmelzwasser der Gletscher wird in den kommenden Jahren aufgrund stärkerer Schmelze (höhere<br />

Temperaturen) weiter zunehmen, dann aber einem gewissen Zeitpunkt aufgrund der steten Verkleinerung der<br />

noch vorhandenen Eisfläche wieder abnehmen. Berechnungen zeigen, dass dieser Zeitpunkt für die kleinen bis<br />

mittelgroßen Gletscher in ca. 40-60 Jahren, für die großen in ca. 70-90 Jahren erreicht sein könnte.<br />

Meeresspiegel<br />

Zu ernst für vereinfachte Antworten<br />

Zu den ernsthaftesten und langfristigsten globalen Auswirkungen des anthropogenen Klimawandels gehört der<br />

Anstieg des Meeresspiegels. Anscheinend ist das Problem so klar wie einfach: Es wird wärmer und der<br />

Meeresspiegel steigt. Es gibt jedoch eine Fülle von Details, die berücksichtigen werden müssen, wenn man die<br />

globalen und überraschenderweise auch regional unterschiedlichen relativen Meeresspiegelanstiege für<br />

die Vergangenheit rekonstruieren, für die Gegenwart messen und für die Zukunft abschätzen will.<br />

<strong>Die</strong> Wissenschaft ist somit gerade auf diesen Forschungsfeldern in höchstem Maß gefordert, um nicht den<br />

„Kassandras“ auf der einen und den „Abwieglern“ auf der anderen Seite das Feld überlassen zu müssen. Sie sind<br />

in der öffentlichen Debatte gerade dann immer dominant, wenn die rationale Wissenschaft noch keine fundierten<br />

Antworten auf entscheidende Zukunftsfragen anbieten kann. Einen fiktiven, besonders alarmistischen Roman hat<br />

etwa Risto Isomäki geschrieben (2005, deutsch 2008), in dem große Teile des grönländischen Inlandeises von<br />

einem Tag auf den anderen ins Meer stürzen und der darauf folgende Megatsunami die halbe Menschheit<br />

vernichtet.<br />

Forschungsbedarf als Nahrung für Unseriosität<br />

Seriöser aber leicht sarkastisch ist Böhm (2010) mit dem Thema umgegangen. Fantastische und sehr suggestive<br />

Bild- und Filmbeiträge liefert auf seiner Website „ Extreme Ice Survey “ James Balog. Gewarnt wird jedenfalls<br />

vor den simplifizierten, oft auch falschen und meistens völlig unbelegbaren Aussagen, die zu diesem noch<br />

ungelösten Thema bereits angeboten werden. Als anregende Worte zu diesem diffizilen Thema, in dem die<br />

Problematik der öffentlichen Wahrnehmung – meist geprägt durch Medien und Politik – von wissenschaftlichen<br />

Ergebnissen zu Tage tritt, ist der Rat von André Gide sicher passend: „Glaube denen, die die Wahrheit suchen –<br />

und zweifle an denen, die sie gefunden haben.“ Gerade auf einem Gebiet, an dem die Wissenschaft derzeit<br />

intensiv arbeitet, gibt es noch wenig Populärwissenschaftliches. Um sich selbst ein unabhängiges Bild zu<br />

machen, ist der mühevolle Weg durch die Fachliteratur unumgänglich. <strong>Die</strong> folgenden drei Abschnitte erleichtern<br />

diesen Weg durch Vergangenheit, Gegenwart und möglicher Zukunft der Höhe des Meeresspiegels.<br />

Gegenwart<br />

<strong>Die</strong> Ursachen des aktuellen Anstiegs<br />

im Detail


Über die Veränderungen des Meeresspiegels in den letzten beiden Jahrhunderten liegen Messungen in höherer<br />

zeitlicher und räumlicher Auflösung vor. Sie sind eine Notwendigkeit, wenn man die lebhaften regionalen<br />

Unterschiede in Rechnung stellt, die den Begriff „globaler Meeresspiegelanstieg“ stark<br />

relativieren. <strong>Die</strong> isostatische Ausgleichshebung übertrifft momentan stellenweise den aktuellen<br />

Meeresspiegelanstieg. In Helsinki etwa zeigen langjährige Messreihen ein Absinken des Meeresspiegels um 25<br />

cm relativ zum Festland während des 20. Jahrhunderts. In Schottland betrug die relative isostatische Landhebung<br />

im 20. Jahrhundert regional bis zu 60 cm, während in Teilen Südenglands und der französischen Kanalküste das<br />

Land in einer Gegenbewegung um 40 bis 60 cm absank. <strong>Die</strong> absinkenden Bereiche <strong>zeigt</strong>en keine Eisbedeckung<br />

während der letzten Kaltzeit. <strong>Die</strong>se gegenläufigen dynamischen Prozesse in unmittelbarer Nachbarschaft kann<br />

als Wippeneffekt der kontinentalen Lithosphäre verstanden werden.<br />

Skandinavien steigt, Südengland sinkt<br />

<strong>Im</strong> 19. Jahrhundert wurde das Pegelnetz in den Seehäfen allmählich global und gegen Ende des Jahrhunderts<br />

dicht genug, um die regionalen Unterschiede durch die Dynamik des Festlands festzustellen. Erst seit den frühen<br />

1990er-Jahren erlauben Präzisionsmessungen von Satelliten (1993–2002 TOPEX, seither Jason) flächig die<br />

tatsächliche Höhe des Meeresspiegels zu bestimmen („Ocean Surface Topography“). Es bestätigte sich dadurch<br />

endgültig, dass der Meeresspiegel selbst alles andere als „eben“ ist. Räumlich und zeitlich variable Phänomene<br />

wie das Gravitationsfeld der Erde und Meeresströmungen formen die Topografie der Ozeanoberfläche, die<br />

Höhendifferenzen im Meterbereich aufweist. <strong>Die</strong>se Höhendifferenzen spielen sich somit in etwa der gleichen<br />

Größenordnung ab wie der erwartete klimabedingte Meeresspiegelanstieg in der Zukunft.<br />

<strong>Die</strong> Meeresoberfläche ist nicht flach<br />

<strong>Die</strong> aktuellsten Rekonstruktionen aus Pegel- und Satellitenmessungen des Verlaufs des globalen, mittleren<br />

Meeresspiegelanstieges seit 1870 <strong>zeigt</strong> die linke Zeitreihe von Abbildung 1. Insgesamt ist in den letzten 140<br />

Jahren der Meeresspiegel also um etwa 22,5 (±2,5) cm angestiegen. Der Anstieg war nicht regelmäßig, sondern<br />

es gab zwei Zeitspannen mit Anstiegsraten von nur rund 1 mm pro Jahr und zwei mit 2,5 bis 3 mm pro Jahr.<br />

Ursachen des aktuellen Meeresspiegelanstiegs entschlüsselt<br />

Der zweistufige Verlauf des Meeresspiegelanstieges erinnert an das, was vom globalen Verlauf<br />

der Lufttemperatur in der instrumentellen Periode her bekannt ist. Insgesamt verliefen jedoch bis in die jüngste<br />

Vergangenheit alle Erklärungsversuche des Zusammenhangs erfolglos. Der Meeresspiegelanstieg war zu stark<br />

im Vergleich zu der Summe seiner bis dato quantifizierten Ursachen (Komponenten). Eine erste geschlossene,<br />

plausible Erklärung für die letzten 50 Jahre gaben erst im Jahr 2008 Domingues u.a. <strong>Die</strong> Basis ihres Ansatzes<br />

war die Zerlegung des integralen Meeresspiegelanstieges in fünf Komponenten (Abb. 2). <strong>Die</strong> Summe der<br />

einzelnen Komponenten ergab den gesamten, beobachteten Meeresspiegelanstieg und stellt somit eine<br />

geschlossene Wasserbilanz dar. Nicht rekonstruiert werden konnten jedoch die dekadischen Variationen des<br />

Meeresspiegels. Der Grund dafür wird in den noch vorhandenen Unsicherheiten zu den quantitativen Anteilen<br />

und Variationen der globalen Eismassen und der tiefen Ozeanschichten vermutet.<br />

Abb. 2: <strong>Die</strong> fünf Komponenten, anhand deren der rezente Meeresspiegelanstieg plausibel erklärt werden kann.<br />

<strong>Im</strong> Einzelnen handelt es sich dabei um die thermische Ausdehnung seichter (0–700 m, rot) und tiefer (unter 700<br />

m, orange) Ozeanschichten, den Zufluss der schmelzenden Eisschilder (Grönland und Antarktis, blau), den<br />

Zufluss der der schmelzendenGletscher und Eiskappen (grau) und schließlich die Wassermengen, die kurz- bis<br />

mittelfristig auf dem Festland gespeichert bzw. freigegeben werden (Schneedecke, Permafrost, Stauseen,<br />

Trockenlegung von Feuchtgebieten, Förderung von fossilen Wasserquellen usw., dunkelgrün) (Domingues u.a.<br />

2008).<br />

In ihrer Arbeit bezifferten Domingues u.a. für die untersuchte Zeitspanne 1961–2003 den Anteil der thermischen<br />

Expansion der seichten Ozeanschichten sowie der schmelzenden Gletscher und Eiskappen am


Meeresspiegelanstieg mit jeweils etwa 20 mm. <strong>Die</strong> genaue Daten-Analyse lieferte dabei einen etwa 50 %<br />

höheren Trend für die thermische Expansion der seichten Ozeanschichten als berechnete Trends aus früheren<br />

Arbeiten. <strong>Die</strong> thermische Expansion der seichten Ozeanschichten und das Schmelzwasser der Gletscher und<br />

Eiskappen sind somit für das Gros des rezenten Meeresspiegelanstiegs verantwortlich. <strong>Die</strong> berechneten<br />

Anstiegsraten dieser zwei Hauptkomponenten sind 0,5 (±0,1) mm pro Jahr für die thermische Expansion der<br />

seichten Ozeanschichten und 0,5 (±0,2) mm pro Jahr für die schmelzenden Gletscher und Eiskappen. Für die<br />

Anstiegsrate der schmelzenden Gletscher und Eiskappen in den letzten zehn Jahren (1993–2003) des<br />

Beobachtungszeitraums konnten sie eine beschleunigte Rate von 0,8 (± 0,2) mm pro Jahr feststellen.<br />

Unterschätze temperaturbedingte Ausdehnung des Ozeanwassers<br />

<strong>Die</strong> Anstiegsrate für die tiefen Ozeanschichten wurde für den untersuchten Zeitraum (1961–2003) mit 0,2 (±0,1)<br />

mm pro Jahr angenommen, wobei dieser Wert aufgrund der nur spärlich vorhandenen Daten zumindest mit<br />

einem Fragezeichen zu versehen ist. Für das grönländische bzw. antarktische Eisschild geben Domingues u.a.<br />

eine Rate von 0,1 (±0,1) bzw. 0,2 (±0,4) mm pro Jahr an, wobei wieder auf die Unsicherheiten bezüglich dieser<br />

Zahlenwerte hinzuweisen ist. <strong>Die</strong> Beiträge des auf dem Festland gespeicherten oder freigegebenen Wassers sind<br />

in Summe null. Nur kurzfristigere Einflüsse wie das lokale Minimum von etwa –5 mm in den kühlen 1970er-Jahren<br />

sind zu erkennen. Der Grund war die Speicherung von Wasser in Form von Schnee am Festland, der den<br />

Sommer überdauerte. Aber auch eine rege Bautätigkeit von Stauseen in den 70er-Jahren war mitverantwortlich.<br />

<strong>Die</strong> Summe aller Einzelkomponenten dieser Analyse ergibt somit für den Zeitraum 1963–2003 eine Anstiegsrate<br />

des Meeresspiegels von 1,5 (±0,4) mm pro Jahr. Vergleicht man dazu die tatsächlich in dem Zeitraum<br />

beobachtete Anstiegsrate des Meeresspiegels von 1,6 (±0,2) mm pro Jahr, so lässt sich die relativ hohe Qualität<br />

dieser Analyse erkennen. Aufbauend auf Analysen dieser Qualität ist erst ein naturwissenschaftlich begründeter<br />

Blick in die Zukunftmöglich und zulässig.<br />

Zukunft<br />

<strong>Die</strong> Höhe des Anstiegs ist nicht<br />

ausgemacht<br />

Zur Abschätzung des zu erwartenden, global gemittelten Meeresspiegelanstieges im 21. Jahrhundert, wird auf<br />

berechnete Zukunftsszenarien von Klimamodellen zurückgegriffen, die auf die<br />

standardisierten Emissionsszenarien aufbauen. Dabei kommen gekoppelte Atmosphäre-Ozean<br />

Klimamodelle sowie regionale Klimamodelle zum Einsatz. Letztere bieten die Möglichkeit, den nicht zu<br />

ver<strong>nach</strong>lässigenden, regionalen Variationen der verschiedenen Küstengebiete gerecht zu werden.<br />

<strong>Die</strong> Erwartungen für den global gemittelten Meeresspiegelanstieg des 21. Jahrhunderts stellen sich zurzeit so<br />

dar, wie sie der 4. Sachstandsbericht des IPCC formuliert hat und wie es detaillierter in Church u.a. (2010)<br />

beschrieben ist:<br />

Von den Komponenten des globalen Meeresspiegelanstieges ist für den weiteren Verlauf des 21. Jahrhunderts<br />

zunächst eine weitere Dominanz der thermischen Expansion der seichten Ozeanschichten und der Gletscher-<br />

und Eiskappenschmelze zu erwarten. Der große Beitrag der Gletscher- und Eiskappenschmelze wird jedoch<br />

gegen Ende des Jahrhunderts aufgrund der Abnahme der vergletscherten Flächen verloren gehen. <strong>Die</strong><br />

thermische Ausdehnung der seichten Ozeanschichten wird zur alleinigen Hauptkomponente des<br />

Meeresspiegelanstieges werden. Aber auch die tieferen Ozeanschichten werden weiterhin einen geringen,<br />

kontinuierlichen Beitrag liefern. <strong>Die</strong> genaue Quantifizierung des Beitrags der tieferen Ozeanschichten ist noch mit<br />

Unsicherheiten verbunden, die nur durch vermehrte hochqualitative Messungen verringert werden können. Der<br />

Prozess der in die tieferen Ozeanschichten vordringenden Wärmewelle würde sich auch bei einem Abklingen der<br />

globalen Erwärmung fortsetzen.<br />

Unsicherheitsfaktor Kalbungsrate<br />

Große Unsicherheiten in den Meeresspiegel-Zukunftsszenarien liegen noch im Verhalten der Inlandvereisungen<br />

Grönlands und der Antarktis. Grundlegende Ursache dieser Unsicherheiten ist das noch unvollständige Wissen<br />

über die für den Meeresspiegelanstieg entscheidenden Prozesse wie das Kalben der Ausflussgletscher der<br />

Eischilde in die Ozeane (Abb. 1 und 2). <strong>Die</strong> Massenbilanzen der Eisschilde der Antarktis und Grönlands) sind<br />

momentan noch mit großen Fehlerbalken versehen. Erst durch ein detailliertes Prozessverständnis kann man<br />

diese Prozesse in Modelle packen und somit wissenschaftlich legitime Zukunftsszenarien berechnen.


Abb. 1: Links: Ein ins Meer kalbender Gletscher in Ostgrönland zwischen Scoresbysund und Zackenberg (Foto:<br />

B. Hynek). Rechts: Der Prozess des Kalbens selbst, festgehalten beim Kronebreen im Nordwesten Spitzbergens<br />

(Fotos: A. Buras, pers. Mitteilung von A. Chapuis).<br />

<strong>Im</strong> Bewusstsein dieser Probleme wurde im letzten IPCC-Bericht aus dem Jahre 2007 eine 95 %-ige<br />

Wahrscheinlichkeit eines mittleren Meeresspiegelanstiegs zwischen 18 und 59 cm im 21. Jahrhundert<br />

angegeben. <strong>Die</strong>ser weite Unsicherheitsbereich liegt nicht nur an den beschriebenen Unsicherheiten sondern auch<br />

an den unterschiedlichen Emissionsszenariensowie der Unsicherheit der Klimamodelle selbst. Für den noch in<br />

den Modellen überhaupt nicht vertretenen Prozess eines Ansteigens der Kalbungsraten aufgrund einer<br />

verstärkten Eisdynamik der Eisschilde wurde vom letzten IPCC-Bericht ein möglicher zusätzlicher<br />

Meeresspiegelanstieg von 10 bis 20 cm <strong>nach</strong> besten Wissen und Gewissen abgeschätzt. Vergleicht man die<br />

Zahlen des letzten IPCC-Berichts mit den Zahlen jüngerer Arbeiten, so bewegen sich die IPCC Ergebnisse im<br />

unteren Bereich. Pfeffer u.a. (2008) berechneten unter der Annahme einer zukünftigen, beschleunigten<br />

Eisdynamik einen maximal möglichen Meeresspiegelanstieg zwischen 0,8 und 2 m bis zum Jahr 2100. <strong>Die</strong><br />

Berechnungen von Jevrejeva u.a. (2010) liefern einen Meeresspiegelanstieg bis 2100 zwischen 0,6 und 1,6 m.<br />

Ganz aktuelle Zahlen aus dem laufenden EU-Projekt ice2sea bewegen sich zwischen 0,5 und 1,4 m<br />

Meeresspiegelanstieg bis 2100.<br />

18 cm oder 2 m?<br />

Bedenkt man, dass weltweit etwa 160 Millionen Menschen in Regionen leben, die sich weniger als 1 m über dem<br />

Meeresspiegel befinden, so lassen sich die globalen Konsequenzen in etwa erahnen. Das Auftreten von etwa<br />

100-jährigen oder 1.000-jährigen Flutwellenereignissen wird sich dem Meeresspiegelanstieg entsprechend<br />

häufen. Für die Adaptierung von Küstenschutzbauten ist es daher etwa eine entscheidende finanzielle Frage, die<br />

weltweit über Milliarden an Geldern entscheidet, ob sie um 0,2, 0,6 oder sogar 1 m erhöht werden müssen.<br />

Abb. 2: Zwei der gigantischen Eisberge, die vom Sermeq Kujalleq (früher Jakobshavn Isbrae) bei Ilulissat in<br />

Westgrönland ins Meer gekalbt sind. <strong>Die</strong>ser größte aller grönländischen Eisbergproduzenten hat in Jahren 2004<br />

und 2005 seine Fließgeschwindigkeit fast verdoppelt und dadurch dazu beigetragen, dass man auf die Probleme<br />

der Eisdynamik der Eisschilde aufmerksam wurde. <strong>Die</strong> Frage, ob die Ursache dieser Beschleunigung die<br />

derzeitige Klimaerwärmung ist, kann nicht vollständig beantwortet werden (Fotos: R. Böhm). Insgesamt ist der<br />

breite Unsicherheitsbereich für diese vielleicht bedeutungsvollste aller Folgeerscheinungen des Klimawandels im<br />

Hinblick auf die notwendigen Anpassungsmaßnahmen sicher unbefriedigend. Auf Seiten der Wissenschaft wird<br />

daher zurzeit mit Nachdruck an den offenen Fragen wie der Eisdynamik Grönlands und der Antarktis gearbeitet.<br />

Jüngste Veröffentlichungen von Messdaten und dazugehörigen Modellrechnungen geben bezüglich der Gefahr<br />

von katastrophalen „Eisausbrüchen“ auf Grönland oder eines plötzlichen „Aufschwimmens“ des unterhalb der<br />

Meeresoberfläche aufsitzenden westantarktischen Eisschildes eine vorsichtige Entwarnung. Auf die Fachliteratur<br />

zu diesem spannenden Stück Wissenschaftsgeschichte wird besonders hingewiesen.


Schnee<br />

Abnahme der Schneedecke mit Folgen<br />

<strong>Die</strong> saisonale Schneedecke bedeckt zur Zeit des Wintermaximums durchschnittlich 47 Millionen km², wovon 98%<br />

auf der Nordhalbkugel liegen. <strong>Die</strong> Schneedecke reagiert sehr empfindlich auf Klimaänderungen, wobei sie durch<br />

die Fähigkeit Sonnenenergie zu reflektieren und Wasser zu speichern auch in Wechselwirkung mit dem Klima<br />

steht.<br />

Aufgrund des Einflusses der Schneedecke auf den globalen Energie- und Wasserhaushalt, spielt ihre räumliche<br />

Ausdehnung eine wichtige Rolle für das Klima. Frischer, weißer Schnee reflektiert 80% – 90% der<br />

Sonneneinstrahlung, im Vergleich dazu reflektieren Vegetation oder Boden nur 10% bis 20%. Nimmt die<br />

räumliche Ausdehnung der winterlichen Schneedecke ab, wird weniger Energie ins Weltall reflektiert und anstatt<br />

dessen von der schneefreien Erdoberfläche absorbiert. <strong>Die</strong>ser zusätzliche Energieeintrag trägt zu einer<br />

Erwärmung der Erde und somit des Klimas bei. Ein wärmeres Klima hat wiederum weniger Niederschlag in fester<br />

Form und eine geringere Schneedeckendauer zur Folge.<strong>Die</strong>ser sich selbst verstärkende Prozess wird<br />

mit Albedo-Rückkopplung bezeichnet und gehört zur Gruppe der positiven Rückkopplungen des Klimas. Am<br />

wirksamsten ist die Albedo-Rückkopplung in den polaren Gebieten. Bedenkt man jedoch, dass momentan im<br />

Winter immerhin 30% der Nordhalbkugel von Schnee bedeckt ist (Abbildung 1), erhält man eine Idee des noch<br />

vorhandenen Potentials dieses sich selbst aufschaukelnden Effekts.<br />

Abb. 1: durchschnittliche mittlere Schneebedeckung in mm Wasseräquivalent auf der Nordhalbkugel im Jänner<br />

(1988-2003) (links) und Juli (1988-2002) (rechts); (Quelle: NSIDC)<br />

Eine weitere wichtige Eigenschaft des Schnees ist die des Wasserspeichers:<br />

Über den Winter wird Wasser in der Schneedecke zurückgehalten, welches bei der Schneeschmelze langsam<br />

über Tage und Wochen wieder freigegeben wird. Das Schmelzwasser kann damit gut in den Untergrund<br />

eindringen, füllt die Grundwasserspeicher und versorgt den Boden, der damit für die kommende<br />

Wachstumsperiode gerüstet ist. Ein Winter mit wenig Schnee zieht oft Probleme in der Landwirtschaft und<br />

Wasserversorgung durch die Trockenheit von Böden und tiefe Grundwasserstände <strong>nach</strong> sich. Eine Schneedecke<br />

verhindert im Winter zusätzlich ein Abstrahlen der gespeicherten Bodenwärme in die vergleichsweise kühlere<br />

Atmosphäre. Sie fungiert somit als guter Isolator und schützt die Pflanzen vor Frost.<br />

Der Schnee befindet sich bei den in den Alpenländern üblichen Wintertemperaturen häufig nahe seinem<br />

Schmelzpunkt und ist dadurch sehr klimasensitiv. Auch zum Leidwesen desWintertourismus in Österreich ist in<br />

Lagen unter 1000 m ein Ansteigen des flüssigen Anteils am winterlichen Gesamtniederschlag deutlich messbar.<br />

Seit den 90er Jahren fällt zum Beispiel in Kitzbühel im Tal (790 m) in der Wintersaison ungefähr gleich viel Regen<br />

wie Schnee (Abbildung 2).


Abb. 2: langjährige Niederschlagszeitreihen für (790m, rechts). Dünn: Einzeljahre, Dick: 20jährig geglättet, (Böhm<br />

2008)<br />

Südlich des Alpenhauptkammes wurde in Österreich die größte Abnahme sowohl an Tagen mit einer<br />

Schneedecke als auch in der Schneemächtigkeit gefunden (siehe Abbildung 3). Eine Erklärung bieten die<br />

Langzeittrends der Temperatur und des Niederschlags für Österreich von 1900 – 2009. Generell wurde seit 1900<br />

eine Zunahme der Temperatur um ca. 1,5°C für ganz Österreich festgestellt. Zusätzlich wurde südlich des<br />

Alpenhauptkammes auch eine deutliche Niederschlagsabnahme im Winterhalbjahr um ca. 20% beobachtet.<br />

<strong>Die</strong>se beobachtete Niederschlagsabnahme ist wahrscheinlich auf eine Änderung der winterlichen Wetterlagen,<br />

genauer gesagt auf eine Abnahme der Südanströmungen (z.B.: Genua-Tief), zurückzuführen. <strong>Die</strong>ser Trend in<br />

Richtung einer Niederschlagsabnahme im Winter ist für die Gebiete nördlich des Alpenhauptkammes nicht zu<br />

erkennen.<br />

Abb. 3: Differenz der Schneedeckendauer und Differenz der Schneehöhe zwischen den 20järigen Perioden 1896-<br />

1916 und 1980-2000, (Jurkovich 2008)<br />

Fließgewässer<br />

Wie reagieren die Flüsse?<br />

Das Klimasystem ist sehr stark mit den Vorgängen im Wasserkreislauf verw<strong>oben</strong>. <strong>Die</strong> Flüsse als Teil dieses<br />

Systems sind in ihrem Abflussverhalten im Wesentlichen geprägt durch die Klimakomponenten Niederschlag und<br />

Temperatur. <strong>Die</strong> starke Verknüpfung zwischen dem Wasserkreislauf und dem Klima lässt sich am deutlichsten<br />

mit der Wasserbilanzgleichung ausdrücken:<br />

A = N – V ± ∆S<br />

A … Abfluss<br />

N … Niederschlag<br />

V … Verdunstung<br />

∆S … Änderungen im Speicher<br />

Der Abfluss an der Oberfläche wird im Wesentlichen durch die klimatologischen Größen Niederschlag und<br />

Verdunstung sowie durch Änderungen in den Speichern (Grundwasserkörper) bestimmt. In Abbildung 1 sind die<br />

aktuellen Trends (1976–2007) der jährlichen und jahreszeitlichen Niederschlagssumme auf Basis


von homogenisierten HISTALP-Datenreihen dargestellt. <strong>Die</strong> etwas ungewöhnliche Trendperiode resultiert zum<br />

einen aus pragmatischen Gründen der Datenverfügbarkeit, zum anderen aus der Tatsache, dass ab den späten<br />

1970er-Jahren der anthropogene Treibhauseffekt voll zum Tragen kommt (siehe Artikel „Klimaantriebe im<br />

Vergleich“).<br />

<strong>Im</strong> <strong>Norden</strong> mehr, im Süden weniger Niederschlag<br />

Ein leicht steigender Trend der Jahresniederschlagssumme lässt sich dabei nördlich des Alpenhauptkamms<br />

feststellen, abnehmende Niederschläge in den südlichen Regionen und in Vorarlberg, wobei diese nicht<br />

signifikant sind. <strong>Im</strong> Frühjahr ist das Muster ähnlich, wobei die abnehmenden Trends im Süden nicht stark<br />

ausgeprägt sind. <strong>Die</strong> Sommermonate sind von generell zunehmenden Niederschlägen geprägt, mit wenigen<br />

Ausnahmen im Land Salzburg und in Vorarlberg. Der Herbst präsentiert sich ähnlich, allerdings sind die Trends<br />

eher schwach und statistisch nicht signifikant. Das deutlichste Trendsignal des Niederschlags <strong>zeigt</strong> sich in den<br />

Wintermonaten. Hier ist ein stark negativer Trend in Kärnten und in Teilen Salzburgs erkennbar, bundesweit<br />

nehmen die Winterniederschläge bis auf wenige Ausnahmen ebenso ab.<br />

Abb. 1: Trends der jährlichen (groß) und jahreszeitlichen (klein, in Schreibrichtung Frühjahr, Sommer, Herbst und<br />

Winter) Niederschlagssumme für die Periode 1976–2007 in Prozent. Steigende Trends sind blau, fallende Trends<br />

rot und statistisch signifikante Trends mit einem + gekennzeichnet (Schöner u.a. 2010).<br />

In Abbildung 2 sind die Trends in den jährlichen und jahreszeitlichen Abflüssen dargestellt, wobei nur<br />

Flussabschnitte ohne bauliche Maßnahmen im Untersuchungszeitraum in die Darstellung einfließen. Der<br />

Jahresabfluss im Zeitraum von 1976 bis 2007 <strong>zeigt</strong> für 81 % der Pegelmessstellen keinen statistisch signifikanten<br />

Trend. Für bestimmte Gebiete lassen sich jedoch Trends ablesen. So <strong>zeigt</strong> sich beispielsweise im Süden ein<br />

fallender Trend, ebenso wie in Vorarlberg. <strong>Im</strong> östlichen Alpenraum sind positive Trends zu verzeichnen.<br />

Schwache Trends zu geänderten Abflüssen<br />

<strong>Die</strong> saisonalen Trends zeigen wieder deutliche Unterschiede zum Jährlichen. <strong>Im</strong> Frühjahr nehmen die Abflüsse<br />

im Süden signifikant ab, in allen anderen Landesteilen kommt es zu einer leichten – vor allem in den alpinen<br />

Gebieten signifikanten – Zunahme der Abflüsse. <strong>Im</strong> Sommer <strong>zeigt</strong> sich ein deutliches Ost-West-Gefälle mit<br />

positiven Trends östlich und negtiven Trends westlich einer Achse Linz-Graz. Eine Ausnahme bilden Pegel in<br />

großen Höhen wie beispielsweise in Tirol. <strong>Die</strong> Herbstmonate sind durch zunehmende Abflusstrends in alpinen<br />

Gebieten gekennzeichnet, in den niedriger gelegenen Gebieten sind keine eindeutigen Trends erkennbar. <strong>Die</strong>ses<br />

heterogene Muster ist im Winter über das gesamte Bundesgebiet erkennbar, lediglich im Bereich der Hohen<br />

Tauern <strong>zeigt</strong> sich ein positiver Trend im Abfluss.


Abb. 2: Trends der jährlichen (groß) und jahreszeitlichen (klein, in Schreibrichtung Frühjahr, Sommer, Herbst und<br />

Winter) Abflüsse für die Periode 1976–2007 in Prozent. Steigende Trends sind blau, fallende Trends rot,<br />

statistisch signifikante Trends durch große und insignifikante Trends durch kleine Kreise gekennzeichnet (Blöschl<br />

u.a. 2010).<br />

Der Niederschlag ist zweifelsfrei der Hauptfaktor für die Bildung von Oberflächenabfluss. Vergleicht man<br />

allerdings Abbildungen 1 und 2, so ergeben sich in einigen Gebieten gegensätzliche Trends. Ziemlich groß sind<br />

die räumlichen Unterschiede in den Sommermonaten, hier <strong>zeigt</strong> der Abfluss in weiten Teilen Österreichs einen<br />

negativen Trend. <strong>Die</strong>ser ist nicht allein durch den Niederschlag zu erklären, da dieser weitgehend positiv ist.<br />

Demgegenüber steht der Winter mit signifikant abnehmenden Niederschlägen, welche sich nicht im<br />

Abflussverhalten widerspiegeln. <strong>Die</strong> Trends in den Übergangsjahreszeiten präsentieren sich wesentlich<br />

homogener.<br />

Mehr Niederschlag – weniger Abfluss?<br />

<strong>Die</strong> beiden fehlenden Terme der Wasserbilanzgleichung, nämlich die Verdunstung und der Speicher, sind<br />

offenbar nicht zu ver<strong>nach</strong>lässigen. So kann sich ein steigender Trend in der Verdunstung, verursacht durch<br />

höhere Temperaturen, negativ auf das Abflussverhalten auswirken.<br />

Will man einen vorsichtigen Blick in die Zukunft des Wasserkreislaufes auf Einzugsgebietsebene werfen, so ist<br />

man auf die Simulationsergebnisse aus regionalen Klimamodellen angewiesen. Eine Abschätzung über die<br />

Entwicklung von Temperatur, Niederschlag und Schneebedeckung findet sich im Artikel „Klimazukunft im<br />

Alpenraum“. <strong>Die</strong>se Daten gehen in Niederschlag-Abfluss-Modelle ein, welche zukünftige Abflussmengen an<br />

Pegelmessstellen berechnen. <strong>Die</strong> Zuverlässigkeit der Ergebnisse erhöht sich, wenn man mehrere Methoden, die<br />

sich im Hinblick auf Daten und Annahmen unterscheiden, verwendet. Eine Zusammenschau der<br />

unterschiedlichen Ansätze hat zu folgenden Ergebnissen geführt:<br />

Zukünftige Änderungen des Abflusses<br />

<strong>Im</strong> Zeitraum 2021–2050 wird sich verglichen mit dem Zeitraum 1976–2007 der mittlere Jahresabfluss um weniger<br />

als ±5 % verändern. <strong>Die</strong> Niederschläge werden in Zukunft zwar leicht zunehmen. <strong>Die</strong> höheren Temperaturen<br />

sorgen aber für eine höhere Verdunstung, was sich negativ auf die Abflussmengen auswirkt. <strong>Im</strong> Südosten kann<br />

die Abnahme der jährlichen Abflüsse größer als 5 % werden, da in diesem Gebiet der Abfluss sensibler auf<br />

Änderungen der Lufttemperatur und des Niederschlags reagiert (Abb. 3). Grundsätzlich ist die natürliche<br />

Variabilität des mittleren jährlichen Abflusses zwischen den Jahren größer ist als die zufolge einer Klimaänderung<br />

im Zeitraum 2021–2050 zu erwartenden Änderungen.


Abb. 3: Änderung des Jahresabflusses zwischen den Zeiträumen 1976–2007 und 2021–2050 in Prozent auf<br />

Basis dreier unterschiedlicher Modellierungsmethoden. Zunehmende Aflüsse sind blau, abnehmende Abflüsse rot<br />

dargestellt (Blöschl u.a. 2010, bearbeitet).<br />

Abflussmaxima verschieben sind<br />

Für ganz Österreich mit Ausnahme des Südens ist eine Erhöhung der Winterabflüsse um etwa 20 % zu erwarten.<br />

<strong>Im</strong> Osten ist möglicherweise eine Abnahme des Frühjahrsabflusses und im Westen eine Abnahme des<br />

Sommerabflusses um jeweils 10 bis 20 % zu erwarten. Das Abflussmaximum in den alpinen Regionen könnte<br />

sich etwas <strong>nach</strong> vor verschieben, von Mitte auf Anfang Juni. <strong>Im</strong> Süden ist mitunter ein späteres Abflussmaximum<br />

zu erwarten. <strong>Im</strong> nördlichen Alpenvorland verschieben sich die Abflussminima möglicherweise vom Winter in den<br />

Sommer. In Abbildung 4 ist die Veränderung des Abflussregimes an der Donau am Pegel Wien abgebildet. <strong>Im</strong><br />

Szenario für den Zeitraum 2021-2050 sind im Winter höhere Abflüsse zu erwarten, im Gegensatz zum Frühjahr.<br />

Abb. 4: Verschiebung des Abflussregimes vom Zeitraum 1976–2006 (beobachtet grün, simuliert blau) zum<br />

Zeitraum 2021–2050 (rot) an der Donau am Pegel Wien (Blöschl u.a. 2010).<br />

Pflanzen und Tierwelt<br />

<strong>Die</strong> Vegetationsperiode verlängert sich<br />

Der Anstieg der globalen Mitteltemperatur macht sich in mittleren und höheren Breiten durch eine Verschiebung<br />

des jahreszeitlichen Zyklus von Pflanzen und Tieren zu früheren Beginnzeiten im Frühling und zu einem späteren<br />

Ende der aktiven Zeit im Herbst bemerkbar.<br />

Der globale Temperaturanstieg schlägt sich neben nicht-biologischen Systemen<br />

wieKryosphäre und Hydrosphäre auch in (natürlichen und bewirtschafteten) biologischen Systemen nieder. Gut<br />

belegt ist die Wirkung der Temperaturzunahme auf die Biosphäre auf den Kontinenten der nördlichen<br />

Hemisphäre. Pflanzen und Tiere können auf Veränderungen des Klimas mit einer entsprechenden Änderung<br />

ihres saisonalen Zyklus, mit einer Änderung des Verbreitungsgebietes oder der Bestandsdichte, mit einer<br />

Veränderung ihrer Gestalt (z.B. Körpergröße) oder mit dem Aussterben reagieren.<br />

Blühbeginn, Insektenflug, Vogelzug<br />

Eine Reihe von Arbeiten zur Wirkung der Klimavariabilität auf die Biosphäre greift auf „phänologische“<br />

Beobachtungen zurück, die sich mit dem jahreszeitlich bedingten saisonalen Zyklus von Pflanzen und Tieren<br />

beschäftigen. Dazu gehören gut erkennbare Erscheinungen wie Blattentfaltung, Blüte, Fruchtreife,<br />

Blattverfärbung, Blattfall, der Vogelzug oder das erste Erscheinen von Insekten im Frühjahr (Abb. 1).


Abb. 1: Schneeglöckchen als Zeichen des Frühlingsbeginns (H. Scheifinger, ZAMG).<br />

Phänologische Beobachtungen weisen eine jahrhundertealte Tradition auf. Oft waren es Naturliebhaber, die den<br />

saisonalen Zyklus von Pflanzen und Tieren ihrer näheren Umgebung systematisch beobachteten und<br />

aufzeichneten. In Österreich begann die systematische Beobachtung 1851, als Carl Frisch an der neu<br />

gegründeten ZAMG ein phänologisches Beobachtungsnetz in der ganzen Monarchie ins Leben rief. <strong>Die</strong><br />

Problematik des vom Menschen verstärkten Treibhauseffektes rückte die Phänologie als Klimaindikator ins<br />

Zentrum der Klimawirkungsforschung.<br />

Früher Frühling, später Herbst<br />

Langen phänologischen Beobachtungsreihen folgend hat sich in <strong>Europa</strong> und Nordamerika seit der Mitte des 20.<br />

Jahrhunderts der Blühbeginn und die Blattentfaltung um etwa 2,3 bis 5,2 Tage pro Jahrzehnt zu früheren<br />

Eintrittszeiten hin versch<strong>oben</strong>. Laubverfärbung und Laubfall traten hingegen immer später im Jahr ein (Abb. 2).<br />

Dadurch verlängerte sich die Vegetationsperiode um bis zu zwei Wochen.<br />

Abb. 2: Zeitreihen der Abweichungen diverser phänologischer Phasen in Deutschland in Verbindung mit<br />

Abweichungen der mittleren Frühlingstemperatur und des Nordatlantischen Oszillationsindex (NAO-Index)<br />

(Rosenzweig u.a. 2007).<br />

Mehrjährige globale Satellitenbeobachtungen von Vegetationsindizes und Analysen von Zeitreihen der CO2-<br />

Konzentration in der Atmosphäre bestätigen die Verlängerung der Vegetationsperiode. Auch in der Land- und<br />

Forstwirtschaft und im Obstbau machen sich die Auswirkungen des jüngsten Klimawandels bemerkbar,<br />

beispielsweise durch frühere Aussaat- und Erntetermine oder früheres Blühen von Obstgehölzen. In Westeuropa<br />

konnte beobachtet werden, dass das erste Auftreten und die Hauptflugzeit von Schmetterlingen früher eintritt.<br />

Ebenso verlängerte sich die Flugzeit von Insekten, die mehrere Generationen in einer Saison hervorbringen<br />

können. <strong>Die</strong> Ankunftszeiten von Zugvögeln und der Brutbeginn von Vögeln reagiert bereits auf den<br />

Temperaturanstieg, meist mit einer Verschiebung zu früheren Eintrittszeitpunkten.<br />

Frühere Ernte möglich<br />

Bei zahlreichen in Österreich beobachteten phänologischen Zeitreihen lässt sich eine gute Übereinstimmung des<br />

langfristigen Trends mit dem langfristigen Trend der Temperatur beobachten. Vor allem Fruchtreifephasen<br />

reagieren auf das erhöhte Temperaturangebot während der warmen Jahreszeit (Abb. 3; vgl. Artikel „Historische<br />

Archive“).


Abb. 3: Vergleich zwischen einer Messreihe der Lufttemperatur (schwarz) und einer phänologischer Zeitreihe<br />

(rot). Bei der Messreihe handelt es sich um die mittlere Temperatur des Sommerhalbjahres in der<br />

nordöstlichen HISTALP -Region, relativ zum Mittel des Zeitraumes 1901–2000. Als phänologische Zeitreihe ist<br />

der Beginn der Fruchtreife des schwarzen Holunders ausgewählt. <strong>Die</strong> dicken Linien stellen die über 21 Jahre<br />

gleitenden Mittel dar (Auer u. a. 2007; phänologische Datensammlung der ZAMG).<br />

Wasserwirtschaft<br />

Mehr oder weniger Strom aus<br />

Wasserkraft?<br />

Der Mensch und seine Bedürfnisse sind in vielfacher Weise mit dem Wasserkreislauf verflochten. Er treibt<br />

Kraftwerke an, gewährleistet die Trinkwasserversorgung und das Gewerbe mit Brauchwasser. <strong>Die</strong>ser Kreislauf<br />

als integrativer Bestandteil des Klimasystems reagiert daher auf Veränderung des Klimas, was wiederum den<br />

Menschen als Nutzer des Wassers betrifft. Für Österreich als Land mit einem sehr hohen Anteil der<br />

Stromproduktion aus Wasserkraft ist die zukünftige Entwicklung der Wasserführung an den heimischen Flüssen<br />

von großem Interesse. <strong>Im</strong> Moment geht man von einem gesamten Wasserkraftpotenzial von etwa 118.000 GWh<br />

pro Jahr aus. Das Wasserkraftpotenzial wird dabei im Wesentlichen von den Faktoren Durchflussmenge und<br />

Höhendifferenz entlang der Flussstrecke bestimmt.<br />

Österreich ist von der Wasserkraft abhängig<br />

In Abbildung 1 ist die räumliche Verteilung des Wasserkraftpotenzials dargestellt. Es zeigen sich dabei große<br />

räumliche Unterschiede mit hohem Potenzial entlang der Donau und in alpinen Gebieten. In flacheren Gebieten<br />

Österreichs ist aufgrund der geringeren Höhendifferenz entlang der Gewässerläufe das Wasserkraftpotenzial<br />

kleiner.<br />

Abb. 1: Räumliche Verteilung des mittleren jährlichen Wasserkraftpotenzials in GWh pro Jahr und Flusskilometer<br />

für den Zeitraum 1976–2006 (Blöschl u.a. 2010a).<br />

Das Wasserkraftpotenzial ist nicht nur räumlich äußerst variabel, sondern auch zeitlich. Etwa 38 % des Potenzials<br />

sind im Sommer verfügbar, im Gegensatz dazu nur 14 % im Winter. Regionale Unterschiede in der saisonalen<br />

Verteilung sind zwar vorhanden, jedoch sind alle für die Wasserkraftnutzung wichtigen Gewässer in Österreich


durch den Abfluss aus alpinen Einzugsgebieten dominiert, mit einem deutlichen Niederwasser im Winter und<br />

Abflussspitzen im Sommer. Dem entgegengesetzt steht die saisonale Verteilung des Inlandsstromverbrauchs,<br />

welcher aufgrund des Heizaufwandes im Winter seine Maximalwerte erreicht.<br />

Potenzial bleibt großteils unverändert<br />

Um die Änderung des Wasserkraftpotenzials in Zukunft abschätzen zu können, wurde auf die szenarienbasierte<br />

Simulation der zukünftigen Abflüsse zurückgegriffen. <strong>Die</strong> Änderungen des Wasserkraftpotenzials für den<br />

Zeitraum 2021–2050 im Vergleich zum Zeitraum 1976–2006 sind aufgrund der geringen Änderung der Abflüsse<br />

klein. Insgesamt wurde für Österreich eine Zunahme des Wasserkraftpotenzials von weniger als 1 % ermittelt. <strong>Die</strong><br />

saisonalen Änderungen sind größer als die räumlichen. <strong>Im</strong> Sommer ist im Westen mit einer Abnahme des<br />

Potenzials um mehr als 10% zu rechnen, während im Winter eine Erhöhung des Wasserkraftpotenzials um etwa<br />

15–20 % erwartet wird (Abb. 2).<br />

Abb. 2: Änderungen der jahreszeitlichen Verteilung des Wasserkraftpotenzials zwischen den Zeiträumen 1976–<br />

2007 und 2021–2050 (Blöschl u.a. 2010a).<br />

Bessere Anpassung an Verbrauchsspitzen möglich<br />

In Abbildung 3 werden die saisonale Verschiebung und die Erhöhung des Winteranteils besonders deutlich,<br />

welche sich für alle Kraftwerke Österreichs abzeichnet. <strong>Die</strong>s könnte in Zukunft zu einer besseren Anpassung der<br />

Stromproduktion an die Verbrauchsspitzen im Winter führen und damit die Flexibilität der Kraftwerksbetreiber<br />

erhöhen.<br />

Abb. 3: Jährlicher Verlauf des Abflusses (links) und des ausgebauten Potenzials (rechts) für die Zeiträume 1976–<br />

2006 (blau) und 2021–2050 (rot) für das Donaukraftwerk Altenwörth (Blöschl u.a. 2010a).<br />

<strong>Die</strong> Klimaszenarien zeigen, dass die Änderungen des Niederschlags in Zukunft eher gering ausfallen werden, mit<br />

regionalen Unterschieden. Aufgrund der hohen Wasserverfügbarkeit in Österreich ist daher auch kein<br />

nennenswerter Mangel an Wasser zu erwarten, abgesehen von Gebieten die heute schon mit Wasserknappheit<br />

zu kämpfen haben.<br />

Gesicherte Wasserversorgung für Haushalt und Industrie<br />

Der größte Teil des mit 60 % angegebenen Anteils der Industrie am Gesamtwasserbedarf in Österreich geht zu<br />

Lasten der Kühlwasserthematik und der Prozesswässer. Der Wasserverbauch durch Prozesswasser wurde in<br />

den letzten Jahren maßgeblich durch Kreislaufführung in den industriellen Anlagen verringert. Es ist auch nicht zu<br />

erwarten, dass sich in Folge des Klimawandels die Entnahme von Prozesswasser erhöht.<br />

In thermischen Kraftwerken und anderen industriellen Anlagen ist der Abtransport von Wärme erforderlich. <strong>Die</strong>ser<br />

geschieht am effizientesten über Kühlwasser, solange keine unzulässige Erwärmung des kühlenden Gewässers


eobachtet wird. Da in den nächsten Jahrzehnten mit einem Anstieg der Lufttemperatur gerechnet werden muss,<br />

kann es in langen sommerlichen Trockenperioden zu Überschreitungen der zulässigen Wassertemperatur<br />

kommen, was eine Reduktion des Wärmefrachteintrags <strong>nach</strong> sich ziehen muss. <strong>Die</strong>ses Problem wird vor allem<br />

die Regionen nördliches und östliches Weinviertel, Burgenland, südliche und östliche Steiermark, Kärnten und<br />

Osttirol betreffen.<br />

Tourismus<br />

Bedrohung für den Winter, Chance für<br />

den Sommer<br />

Direkte Auswirkungen auf den österreichischen Tourismus durch den Klimawandel sind durch weniger Schnee in<br />

den Schigebieten, höhere Wassertemperaturen der Badeseen, Gefährdungen durch Auftauen des Permafrostes<br />

zu erwarten.<br />

<strong>Die</strong> österreichische Wirtschaft ist stark tourismusabhängig. Hochsaison für den Tourismus sind der Kernwinter<br />

(Jänner und Februar) sowie der Hochsommer (Juli und August). Studien, die die Auswirkung des Klimawandels<br />

auf den Tourismus untersuchen, müssen Klimafolgen in den Zielgebieten (das sind die Gebiete wo Touristen<br />

hinfahren) aber auch die Klimaänderung in den Quellgebieten (das sind die Regionen, aus denen die Touristen<br />

kommen) berücksichtigen. Der Temperaturanstieg ist für alle Jahreszeiten zu erwarten. Direkte Auswirkungen auf<br />

die Tourismusbranche in den Zielgebieten Österreichs wären beispielsweise weniger Schnee in den<br />

Schigebieten, höhere Wassertemperaturen der österreichischen Badeseen, Gefährdung alpiner Wanderwege<br />

durch Auftauen des Permafrostes und oder auch Hangrutschungen. In den Quellgebieten könnten veränderte<br />

klimatische Voraussetzungen zur Wahl neuer Zielgebiete führen. So ist es vorstellbar, dass vermehrte<br />

sommerliche Hitze in südlichen Ballungszentren den Wusch für einen Urlaub in einem erfrischend „kühlen“<br />

Alpental aufkommen lässt. Ebenso könnte die zunehmende Wärme in Österreich, das Verlangen <strong>nach</strong> noch mehr<br />

Sonne und Hitze im Süden <strong>Europa</strong>s versiegen lassen. Entscheidend ist aber, inwieweit die Klimafolgen von<br />

anderen Größen wie wirtschaftlicher oder politischer Situation in den Hintergrund gedrängt werden. Unabhängig<br />

von allen gesellschaftspolitischen Problemen ist und bleibt es Aufgabe der Klimatologie touristisch relevante<br />

Klimakenngrößen für die Zukunft zu bestimmen. <strong>Die</strong>se müssen, bedingt durch die vertikale Gliederung<br />

Österreichs und Einflüsse von atlantischen, mediterranen und kontinentalen Luftmassen auf regionaler/lokaler<br />

Ebene und entsprechender zeitlicher Auflösung betrachtet werden. Es ist auch zu prüfen, ob die<br />

Zusammenhänge zwischen einzelnen Elementen linearer Natur sind, oder nicht. Der wohl wichtigste Parameter<br />

für den Winterfremdenverkehr ist der Schnee, der in engem Zusammenhang mit der Lufttemperatur steht. Der<br />

Temperaturanstieg hat allerdings in den verschiedenen Höhenstufen eine unterschiedliche Reaktion ausgelöst.<br />

Noch gibt es in der Dreitausenderregion ausreichend Schnee – nahezu 100% des Gesamtniederschlages fallen<br />

als Schnee, im Tal hingegen sind schon drastische Rückgänge zu beobachten, und die Variabilität von Jahr zu<br />

Jahr ist beträchtlich, – auf den schneereichen Winter 2005/2006 folgte der extrem schneearme Winter 2006/2007.<br />

Bei weiterem Temperaturanstieg wird sich der Schneeanteil am Gesamtniederschlag weiter verringern.<br />

Gletscherschigebiete sind unter dem Aspekt „Ganzjahresschilauf“ zu betrachten. Sie reagieren besonders im<br />

Sommer sensibel auf höhere Temperaturen. Das Ausbleiben sommerlicher Schneefälle schränkt nicht nur den<br />

Schibetrieb ein, es schadet den Gletschern insgesamt. Schneefälle schützen die Gletscher vor der Einwirkung<br />

der Sonnenstrahlung, da eine weiße Schneedecke bis zu 90% der Sonnenstrahlung reflektiert, das apere Eis nur<br />

20 bis 30%. Wie die Abbildung 1 <strong>zeigt</strong>, ist bis gegen Ende des 21. Jahrhunderts mit weiterem drastischen<br />

Rückgang der sommerlichen Schneefälle in der Dreitausenderregion zu rechnen.


Abb. 1: Prozentanteil des Schnees am Gesamtniederschlag in drei Seehöhenstufen der Region Hohe Tauern für<br />

das Mittel des 20. Jahrhunderts (blau), für die Zeit um 2000 (rosa) sowie für die Zeit um das Jahr 2100 (rot),<br />

(berechnet aus dem regionalen Temperatur-Szenario A1B und aus dem Zusammenhang zwischen dem<br />

Schneeanteil und dem Monatsmittel der Temperatur). (Auer et al. 2010)<br />

Auch ohne Schibetrieb (oder eben, weil sie keinen Schibetrieb gestatten) zählen die Gletscher zu den<br />

touristischen Attraktionen Österreichs. Auch um sie ist es im Klimawandel nicht gut bestellt: gegen Ende des 21.<br />

Jahrhunderts wird nur noch wenig vom einstigen „ewigen Eis“ zu sehen sein. Über die Reaktion der Gletscher im<br />

Klimawandel ist sehr viel im BeitragGebirgsgletscher zu lesen.<br />

Positive Chancen sehen die Studien für den alpinen Sommertourismus mit klimatischen Vorteilen gegenüber den<br />

Ebenen und städtischen Regionen <strong>Europa</strong>s. Lagen über 1200 m bleiben in Österreich frei von Hitzestress.<br />

Abbildung 2 <strong>zeigt</strong> die mittlere Häufigkeit von Sommertagen (mittlere Zahl der Tage mit einem<br />

Temperaturmaximum von mindestens 25°C für die Periode 1961-1990) und im Vergleich dazu<br />

Zukunftsprojektionen für die Situation 2050 für drei ausgewählte Szenarien von Temperaturzunahmen. Man<br />

erkennt wie sich die Zahl der Sommertage ausgehend von den Flachlandregionen in Richtung größere Seehöhen<br />

ausbreitet. Selbst im Worst Case-Szenario bleiben die zentralalpinen Höhenlagen als „kühle Refugien“ bestehen.<br />

Badeurlauber werden sich zukünftig an höheren Wassertemperaturen und einer verlängerten Badesaison<br />

erfreuen können, da die Wassertemperaturen eng an den Verlauf der Lufttemperatur gekoppelt sind.<br />

Abb. 2: Mittlere Häufigkeit von Sommertagen (mittlere Zahl der Tage mit einem Temperaturmaximum von<br />

mindestens 25°C für die Periode 1961 – 1990) und vergleichend Zukunftsprojektionen für die Situation 2050 für<br />

Temperaturzunahmen von +1.4°C, 2.7°C und 4.8°C. (Krajasits et al. 2007)<br />

Das mögliche Auftauen von Permafrost im Hochgebirge und die damit verbundenen Gefahren für Mensch und<br />

Infrastruktur (Wege, Steige und Kletterrouten, Schutzhütten, Seilbahnstationen) sind für den Sommertourismus<br />

relevant. <strong>Die</strong> Zusammenhänge zwischen Lufttemperatur und Permafrost sind detailliert im<br />

Beitrag Permafrost beschrieben. Kaum beschäftigen sich die Studien mit den Auswirkungen eines geänderten<br />

Niederschlagsverhaltens auf den Tourismus. <strong>Die</strong> Abschätzung der zukünftigen Niederschlagsregime weist noch<br />

große Unsicherheiten auf, speziell was die räumliche und zeitliche Auflösung betrifft. Eine Zunahme von<br />

Starkregenereignissen in einem wärmeren Klima basiert auf der physikalischen Tatsache, dass eine wärmere<br />

Atmosphäre mehr verfügbares Niederschlagswasser enthalten kann. Auf welche Art und Weise dieses globale<br />

Mehr an Wasser in der Atmosphäre allerdings regional und lokal als Niederschlag fällt, ist durch regionale<br />

Klimamodelle zurzeit noch schlecht simulierbar. Wie schon eingangs erwähnt, sind aber für erfolgreiche<br />

Tourismusstrategien regionale und lokale Betrachtungsweisen in entsprechender zeitlicher Auflösung erforderlich.<br />

Wetterrekorde<br />

Der österreichische Hitzerekord: +39.7 Grad C


<strong>Im</strong> Zuge einer zweiwöchigen Hitzewelle wurde am 27. Juli 1983 in Dellach im Drautal die österreichische<br />

Rekordtemperatur von 39.7 Grad C gemessen.<br />

Dass der österreichische Hitzerekord in Kärnten verzeichnet wurde, ist keine Überraschung. <strong>Im</strong> südlichsten<br />

Bundesland ist es zwar im Winter grimmig kalt, die Sommer jedoch gehören auch im Mittel zu den wärmsten<br />

Österreichs.<br />

Zur Enttäuschung der Klimastatistiker wurde auch damals nicht die anscheinend magische Grenze von +40 Grad<br />

überschritten. Zusammen mit dem Kälterekord vom Sonnblick von -37.4 Grad beträgt der gesamte<br />

Variationsbereich der Lufttemperatur in Österreich somit knapp 80 Grad.<br />

Der österreichische Kälterekord: -37.4 Grad<br />

Am 1. Jänner 1905 wurden auf dem Sonnblick die tiefsten Temperaturen Österreichs gemessen.<br />

Stürmischer Nordostwind brachte polare Kaltluft zum Alpenhauptkamm, und auf dem Sonnblick fiel die<br />

Quecksilbersäule 24 Stunden lang unter -30 Grad C. Der damalige Wetterbeobachter Alois Sepperer schrieb<br />

<strong>nach</strong> seinen Neujahrsgrüßen an die Kollegen in Wien:<br />

“…Bei uns war´s nicht gar rar; das Telephon kaputt, ausrücken auch nicht gut: die Kälte zu groß, die<br />

Thermometer zu kurz. Hygrometer und dreitägiger Hygrograph sind erkrankt vor Kälte, in unserem Zimmer<br />

fangen die Kirschen an den Wänden zu blühen an…”<br />

Mit seinen Sorgen wegen der “zu kurzen” Thermometer hatte Alois nicht unrecht, nur 2 Grad weniger, und das<br />

Quecksilber wäre in der Thermometersäule erstarrt.<br />

Der Extremwinter 1928/29<br />

<strong>Die</strong> extremste Kältewelle des 20.Jahrhunderts in den besiedelten Gebieten Österreichs ereignete sich im Winter<br />

1928/29, der Schwerpunkt war im Februar 1929.<br />

<strong>Die</strong> Temperaturregistrierung Wiens <strong>zeigt</strong> den Verlauf eines kontinentalen Kaltlufteinbruchs von Anfang Jänner bis<br />

Anfang März 1929. Mehr als 2 Monate hindurch lagen die Tagesminima der Lufttemperatur in Wien unter Null<br />

Grad, das Mittel des Februars war -10 Grad C. Auf dem Höhepunkt der Kältewelle, vom 10. bis 13. Februar<br />

wurden vier Tage hindurch jeweils -20 Grad C unterschritten, am 11. Februar wurden sogar -26.3 Grad C erreicht.<br />

An der meteorologischen Station in Stift Zwettl wurden an diesem Tag -36,6 Grad C gemessen.<br />

<strong>Die</strong> Folgen waren in Zeiten wirtschaftlicher Krise und Arbeitslosigkeit sehr ernst. Durch einen Eisstoß auf der<br />

Donau von Mohacs bis Melk war die Schifffahrt unmöglich, Kohle und Wasser waren knapp und die Kälte forderte<br />

zahlreiche Todesopfer.<br />

Der extreme Kälteeinbruch zu Neujahr 1979<br />

Am 1. Jänner 1979 erlebten die Österreicher eine herbe Neujahrsüberraschung. <strong>Die</strong> gesamte Silvester<strong>nach</strong>t<br />

hindurch war es in den meisten Gegenden nördlich des Alpenhauptkamms mit rund +10 Grad C außergewöhnlich<br />

warm gewesen. Erst <strong>nach</strong>dem auch die letzte Silvesterfeier ihr Ende gefunden hatte, überschwemmte arktische<br />

Kaltluft das Land, und als <strong>nach</strong> Neujahrskonzert und Schispringen ein Blick auf das Thermometer riskiert wurde,<br />

traute so mancher seinen Augen nicht und glaubte wohl an Nachwirkungen des Alkohols der Silvester<strong>nach</strong>t, denn<br />

die Temperatur war um bis zu 25 Grad gefallen und bremste sich gerade bei -10 bis -15 Grad C ein. Nur die<br />

Oststeirer und Kärntner hatten noch etwas Zeit für einen Neujahrsspaziergang, hier schlug die arktische Kaltluft<br />

erst gegen Abend des 1. Jänner zu. In weiterer Folge floss die Kaltluft bis weit <strong>nach</strong> Italien hinein und sorgte dort<br />

für große Schäden an den nicht kälteresistenten Pinien und Olivenbäumen.<br />

<strong>Die</strong> 1990er Jahre – Änderung der Lufttemperatur gegenüber 1961-1990<br />

Wird es wärmer, wird es kälter? Eine derzeit wohl häufig gestellte Frage. Dazu ein Vergleich des letzten<br />

Jahrzehnts (1991-2000) mit den Klimanormalwerten (1961-1990). <strong>Die</strong> Antwort fällt in Österreich sehr leicht, es ist<br />

sowohl auf den Bergen als auch in den Tälern wärmer geworden, im Tiefland leicht zu Gunsten des Minimums,<br />

auf den Bergen umgekehrt. Das Ausmaß der Erwärmung bewegt sich für die Halbjahresmittel zwischen 0.4 bis<br />

0.8 Grad C, im Jahresmittel 0.6 bis 0.7 Grad C.<br />

Inwieweit sind nun die “menschlichen Aktivitäten” daran schuld, oder befinden wir uns noch im Rahmen der<br />

natürlichen Klimavariabilität, oder ist die Erwärmung auf beide Ursachen zurückzuführen? An der Beantwortung<br />

dieser Fragen arbeitet derzeit ein “Heer” der besten Wissenschaftler weltweit.


Aenderung der Lufttemperatur 1991-2000 im Vergleich zu<br />

1961-1990<br />

APR- OKT- JAN-<br />

SEP MÄR DEZ<br />

Österreichmittel, Tiefland<br />

mittleres<br />

+0.7°C +0.4°C<br />

Temperaturmaximum<br />

+0.6°C<br />

mittleres<br />

Temperaturminimum<br />

Österreichmittel,<br />

hochalpin<br />

+0.8°C +0.6°C +0.7°C<br />

mittleres<br />

Temperaturmaximum<br />

+0.8°C +0.7°C +0.7°C<br />

mittleres<br />

Temperaturminimum<br />

+0.7°C +0.6°C +0.7°C<br />

Markante Änderungen gewährt der Blick ins Detail, anhand des Beispiels der höchstgelegen Station Österreichs.<br />

Fast 2 Grad C wärmer als der Normalwert (1961-1990) war es am Sonnblick im Jänner, im August wurde der<br />

Normalwert um 1.5 Grad C übertroffen. Ein gegenteiliger Effekt <strong>zeigt</strong> sich hingegen im Herbst. Bei gleichzeitig<br />

übernormaler Bewölkung waren in den Monaten September bis November die Lufttemperaturen unternormal.<br />

Quelle: Zentralanstalt für Meteorologie und Klimaschutz, Abteilung Klimaforschung, Dr. Ingeborg Auer ist<br />

gebürtige Pörtschacherin und Abteilungsleiterin für Klimaforschung.

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