Preisbildung im Gastgewerbe - Gastro Affoltern
Preisbildung im Gastgewerbe - Gastro Affoltern
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SONDERAUSGABE<br />
Preise <strong>im</strong> <strong>Gastgewerbe</strong><br />
Das Zeitalter der Richtpreise<br />
ist vorbei<br />
Erklärungsbedarf über die<br />
<strong>Preisbildung</strong> <strong>im</strong> <strong>Gastgewerbe</strong><br />
Preiserhöhungen –<br />
wie und wann?<br />
Kriterien der Preisgestaltung<br />
Kalkulationsmethoden<br />
Warum kostet ein Kaffee<br />
vier Franken?<br />
Sturm <strong>im</strong> Wasserglas<br />
Teure Schweiz?<br />
Herbst 2004<br />
UNSERE THEMEN<br />
Wünschen Sie mehr Exemplare?<br />
Wenden Sie sich an Maurus Ebneter:<br />
Telefon 061 421 34 93, ebneter@baizer.ch<br />
Impressum<br />
Unser Mitgliedermagazin erscheint viermal jährlich.<br />
Auflage dieser Sonderausgabe: 5000<br />
Herausgeber<br />
Wirteverband Basel-Stadt<br />
info@baizer.ch<br />
Basler Hotelier-Verein<br />
kontakt@basler-hoteliers.ch<br />
Redaktion<br />
Maurus Ebneter<br />
ebneter@baizer.ch<br />
Gestaltung<br />
Grafik Alex Walder<br />
info@g-a-w.ch<br />
Quellen<br />
Ein grosser Teil unserer Artikel basiert auf Angaben<br />
unseres Dachverbands. Wir danken dem<br />
Wirschaftspolitischen Dienst, dem Rechtsdienst<br />
und der Marketingabteilung von <strong>Gastro</strong>Suisse.<br />
www.gastrosuisse.ch<br />
Informationen der Basler Wirte und Hoteliers<br />
Wirteverband Basel-Stadt, Freie Strasse 82, CH-4010 Basel<br />
Telefon 061 271 30 10 Fax 061 278 94 90 info@baizer.ch<br />
Etwa 7 von 10 Gastbetrieben erzielen einen<br />
Umsatz von weniger als einer Million<br />
Franken. Wer also mehr als 12’000 Franken<br />
pro Jahr verdient, gehört bereits zu den Klassenbesten.<br />
Gemäss einer Statistik von <strong>Gastro</strong>consult<br />
schreiben 14.3% der Betriebe selbst dann rote<br />
Zahlen, wenn Sie auf einen Unternehmerlohn<br />
und auf die Verzinsung des Eigenkapitals<br />
verzichten. Wird für das <strong>im</strong> Betrieb inves-<br />
tierte Kapital ein marktgerechter Zins und<br />
für die Arbeitsleistung der Unternehmerfamilie<br />
ein angemessener Eigenlohn bezahlt,<br />
schreiben 61.6% aller Betriebe rote Zahlen!<br />
Gibt ein Gast in einem Lokal 100 Franken aus,<br />
bleibt dem Wirt ein Netto-Umsatz von CHF<br />
92.94. Davon braucht er rund 42 Franken für<br />
die Personalkosten, 26 Franken für den Wareneinkauf,<br />
elf Franken für die allgemeinen<br />
Betriebskosten und gut 13 Franken für die Finanz-<br />
und Anlagekosten. Gerade einmal CHF<br />
1.12 bleibt durchschnittlich als Gewinn übrig!<br />
Basler Hotelier-Verein, Elisabethenstrasse 23, Postfach 332, 4010 Basel<br />
Telefon 061 227 50 50 Fax 061 227 50 51 kontakt@basler-hoteliers.ch<br />
Die Mär’ vom<br />
reichen Baizer<br />
Verdienen sich Wirte auf dem Buckel ihrer Gäste dumm und dämlich? Das ist<br />
eine Legende, beträgt doch der durchschnittliche Gewinn eines Restaurants<br />
nur noch mickrige 1.2 Prozent des Nettoertrags exklusive Mehrwertsteuer.<br />
«Der durchschnittliche Gewinn<br />
beträgt noch 1.2%<br />
des Netto-Umsatzes.»<br />
Kostenstruktur<br />
<strong>im</strong> schweizerischen<br />
<strong>Gastgewerbe</strong><br />
Personalkosten<br />
inkl. Unternehmerlohn<br />
45.0%<br />
Warenkosten 27.8%<br />
Finanz- und<br />
Anlagekosten 14.2%<br />
Allgemeine<br />
Betriebskosten 11.8%<br />
Gewinn 1.2%<br />
Quelle: <strong>Gastro</strong>Suisse<br />
Von einem Umsatzfranken des Gastes bleiben nach Abzug der<br />
Mehrwertsteuer 92.94 Rappen. Der durchschnittliche Gewinn<br />
beträgt noch mickrige 1.12 Rappen. Sechs von zehn Wirten<br />
schreiben gar rote Zahlen, wenn sie ihr Eigenkapital verzinsen<br />
und sich einen bescheidenen Lohn auszahlen.
«Erklärungsbedarf<br />
über die <strong>Preisbildung</strong><br />
<strong>im</strong> <strong>Gastgewerbe</strong>» Jahrzehntelang best<strong>im</strong>mten<br />
Als Wirte-Ombudsmann vermittle und<br />
schlichte ich bei Fragen, Kritiken und<br />
Reklamationen von Gästen gegenüber einzelnen<br />
Gastwirten. Wie ich an der letzten<br />
Generalversammlung des Wirteverbandes<br />
Basel-Stadt ausgeführt habe, ist ein die Preispolitik<br />
ein stetig wiederkehrendes Thema bei<br />
meiner Tätigkeit. Es ist offenbar bis anhin dem<br />
<strong>Gastgewerbe</strong> nicht gelungen, den Gästen die<br />
massgebenden Faktoren, die die Preispolitik<br />
einer Dienstleistung entscheidend beeinflussen,<br />
transparent und verständlich darzu-<br />
Alex Stürchler, Ombudsmann Wirteverband Basel-Stadt<br />
stellen. Die vorliegende Initiative des Basler<br />
Hotelier-Vereins und des Wirteverbands<br />
Basel-Stadt, mit entsprechender Öffentlichkeitsarbeit<br />
das Verstehen der Mechanismen<br />
und der Kriterien der <strong>Preisbildung</strong> <strong>im</strong> <strong>Gastgewerbe</strong><br />
zu verbessern, begrüsse ich sehr.<br />
Probleme mit Ihrem Wirt?<br />
Der Ombudsmann vermittelt!<br />
Was können Sie tun, wenn Sie negative<br />
Erlebnisse <strong>im</strong> Restaurant haben? Reklamieren<br />
Sie! Konstruktive Kritik ist für den<br />
Wirte eine Chance, Fehler gutzumachen<br />
und Schwachstellen auszumerzen. Sollte<br />
Ihre Reklamation wider Erwarten nicht zu<br />
einer befriedigenden Lösung führen, wenden<br />
Sie sich bitte schriftlich an:<br />
Alex Stürchler (c/o Gnehm Schäfer)<br />
Wallstrasse 8, 4051 Basel,<br />
Fax 061 279 95 89<br />
ombudsstelle@baizer.ch<br />
Beschwerden über Gastbetriebe<br />
ausserhalb von Basel-Stadt<br />
<strong>Gastro</strong>Suisse, Gästebeschwerden,<br />
Blumenfeldstrasse 20, CH-8046 Zürich<br />
Telefon 044 377 53 53, Fax 044 377 51 60,<br />
gaesteforum@gastrosuisse.ch<br />
Essen <strong>im</strong> Restaurant<br />
wurde um 40% günstiger!<br />
Auch wenn viele es anders wahrnehmen: Die Preise <strong>im</strong> <strong>Gastgewerbe</strong> sind<br />
gemessen an der Kaufkraft deutlich gesunken. In realen Werten wird das<br />
Auswärts-Essen <strong>im</strong>mer billiger.<br />
So muss heute für ein Mittagessen <strong>im</strong> Restaurant<br />
deutlich weniger lang gearbeitet<br />
werden als früher. Vor rund 50 Jahren entsprach<br />
der Preis für ein Mittagsmenu ungefähr<br />
dem Stundenlohn eines Arbeiters. Heute muss<br />
er dafür nur noch eine halbe Stunde arbeiten.<br />
Ein konkretes Beispiel aus einem Berner<br />
Betrieb bestätigt diese Aussage. 1961 kostete<br />
ein Tagesteller CHF 6 und eine Flasche Aigle<br />
CHF 13.50. Gemäss Auskunft des Bundes-<br />
amts für Statistik belief sich 1961 der mittlere<br />
Lohn in unserem Land auf CHF 1091. Heute<br />
beträgt dieser etwa das Fünffache. Wären<br />
die Preise <strong>im</strong> <strong>Gastgewerbe</strong> <strong>im</strong> gleichen Ausmass<br />
angestiegen, so müsste der Tagesteller<br />
heute 30 Franken und die Flasche Aigle fast<br />
70 Franken kosten. Der aktuelle Durchschnittspreis<br />
für die entsprechenden Produkte<br />
beträgt aber – trotz Mehrwertsteuer – nur<br />
rund 60% des rechnerischen Wertes. Das Angebot<br />
ist real also 40% billiger geworden!<br />
Das Zeitalter<br />
der Richtpreise ist<br />
vorbei!<br />
die lokalen Wirteverbände das<br />
Preisniveau in den Restaurants.<br />
Das ist schon seit langem nicht<br />
mehr so!<br />
Heute weiss jeder Restaurateur, dass<br />
er für die Preisgestaltung in seinem<br />
Betrieb selber zuständig ist. Das ist auch<br />
sinnvoll, weil jeder Betrieb seine eigene<br />
Kostenstruktur und andere Wettbewerbsverhältnisse<br />
hat.<br />
Ausserdem verbietet es das Kartellgesetz,<br />
Preisempfehlungen oder auch nur<br />
Orientierungshilfen zu veröffentlichen.<br />
Erlaubt ist hingegen das Erstellen und<br />
Publizieren von Statistiken, so wie es<br />
verschiedene Verbände von Zeit zu Zeit<br />
tun. Die <strong>Gastro</strong>nomie ist kein Fall für<br />
den Preisüberwacher, weil dieser nur<br />
Kartelle und kartellähnliche Organisationen<br />
erfasst. Unsere Branche ist aber<br />
mit Best<strong>im</strong>mtheit nicht kartellisiert: Die<br />
grossen regionalen Preisunterschiede,<br />
aber auch jene zwischen den einzelnen<br />
Lokalen, zeigen deutlich, dass der Wettbewerb<br />
spielt.<br />
Es ist deshalb auch nicht der Sinn unserer<br />
Sonderausgabe, konkrete Preise<br />
zu empfehlen oder gar Mindestpreise<br />
durchzusetzen. Dies wäre angesichts<br />
der Branchenheterogenität und des<br />
hohen Konkurrenzdrucks sowieso nicht<br />
möglich. Es ist uns aber ein Anliegen, detailliert<br />
über die Hintergründe der Preisfestsetzung<br />
zu informieren. Noch <strong>im</strong>mer<br />
verstehen die meisten Gäste nicht, dass<br />
wir nicht in erster Linie Speisen und<br />
Getränke verkaufen, sondern Dienstleistungen<br />
und das Drumherum.<br />
Josef Schüpfer, Präsident Wirteverband Basel-Stadt
Kriterien der Preisgestaltung<br />
Wie werden Preise berechnet?<br />
Wie alle anderen Geschäftsleute muss auch der Gastwirt seine Preise nach kaufmännischen Gesichtspunkten berechnen.<br />
Die Preispolitik ist eines der wirksamsten Mittel, um den Absatz zu beeinflussen. Dieses Instrument kann<br />
jedoch nur dann wirksam werden, wenn die Preise an die individuellen Kostenstrukturen angepasst werden.<br />
Wichtigste Überlegung in der Preisberechnung<br />
muss <strong>im</strong>mer die Frage sein,<br />
was eine best<strong>im</strong>mte Leistung den Restaurateur<br />
selber kostet, und was der Gast bereit<br />
ist, dafür zu bezahlen. Auch die Preise der<br />
vergleichbaren Konkurrenz haben Einfluss<br />
auf die Preisgestaltung.<br />
Die Berechnung des Preises für eine einzelne<br />
Leistung erfolgt <strong>im</strong> <strong>Gastgewerbe</strong> in zwei<br />
Schritten: Zuerst werden die Warenkosten<br />
best<strong>im</strong>mt und anschliessend werden alle Betriebskosten<br />
und ein angemessener Gewinn<br />
berücksichtigt, indem ein entsprechender<br />
Zuschlag zu den Warenkosten berechnet<br />
wird. Dieser Bruttogewinn-Zuschlag erfolgt in<br />
Prozent oder in Franken. Er ist nicht einheitlich<br />
für den ganzen Betrieb, sondern pro Sparte<br />
und Leistung unterschiedlich, wobei vor allem<br />
der jeweilige Arbeitsaufwand berücksichtigt<br />
werden muss. Die abweichenden Zuschlagssätze<br />
sind auch aus Verkaufsüberlegungen<br />
notwendig, würden doch bei einem einheitlichen<br />
Zuschlag einzelne Leistungen so teuer,<br />
dass sie nicht mehr verkauft werden könnten.<br />
Wichtig: Der Unternehmerlohn und der Eigenkapitalzins<br />
müssen in die Berechnung einbezogen<br />
werden – und zwar selbst dann, wenn<br />
sie nicht effektiv ausbezahlt werden.<br />
Kalkulation von Flaschenweinen: Stures Faktorenrechnen hat<br />
ausgedient, fixe Zuschläge sind aber auch nicht unbedingt das<br />
Gelbe vom Ei!<br />
Wollen Sie sich intensiver mit dem<br />
Thema <strong>Preisbildung</strong> beschäftigen?<br />
Dann empfehlen wir Ihnen den «Leitfaden<br />
zur Budgetierung und Preisberechnung <strong>im</strong><br />
<strong>Gastgewerbe</strong>». Das Buch umfasst 144 Seiten,<br />
kostet 34 Franken und kann be<strong>im</strong> Fachbuch-<br />
Buchtipp<br />
Warenkosten<br />
Die Warenkosten ergeben sich aus den<br />
Einkaufsrechnungen, wobei allfällige Transport-<br />
und Bezugsspesen zuzuschlagen sind.<br />
Für die Preisberechnung sind auf jeden Fall<br />
die tatsächlichen Warenkosten zu berücksichtigen,<br />
inklusive aller Zutaten und allfälliger<br />
Gewichtsverluste durch Lagerung und<br />
Verarbeitung.<br />
Bruttoerfolg<br />
Der Bruttogewinn ist die Differenz zwischen<br />
dem Netto-Verkaufspreis (exklusive Mehrwertsteuer)<br />
und dem Wareneinstand. Er setzt<br />
sich zusammen aus den Personalkosten, den<br />
übrigen Betriebskosten, den Finanz- und Anlagekosten<br />
und dem Reingewinn.<br />
Unter anderem sind folgende Aufwände<br />
abzudecken: Löhne inklusive 13. Monatslöhne,<br />
Bonuszahlungen und Gratifikationen,<br />
Sozialleistungen, Personalbeschaffung,<br />
Berufskleidung, Schulungen, Unternehmerlohn,<br />
Sachversicherungen, Abgaben, Strom,<br />
Gas, Wasser, Entsorgung, Heizung, Reinigung,<br />
Wäsche, Betriebsmaterial, Transporte,<br />
Telefon, Büromaterial, Porti, Beratungshonorare,<br />
Buchhaltungskosten, Bankspesen,<br />
Werbung, Musik und Dekoration, Zeitungen,<br />
Beiträge, Fremd- und Eigenkapitalzinsen,<br />
Miete, Ersatzinvestitionen, Unterhaltskosten,<br />
Abschreibungen, Debitorenverluste,<br />
Kreditkartenkommissionen und vieles mehr.<br />
Der Reingewinn entschädigt für das Unternehmerrisiko,<br />
erhält das eingesetzte Kapital,<br />
bildet Reserven und ermöglichst Neuinvestitionen. <br />
verlag von <strong>Gastro</strong>Suisse bestellt werden<br />
(Telefon 044 377 52 25 oder Online-Shop auf<br />
www.gastrosuisse.ch). Es wurde kürzlich total<br />
überarbeitet und ist auf Deutsch und Französisch<br />
erhältlich.<br />
Preisberechnungen hören nie auf<br />
Der Vorgang der Preisberechnung ist nie abgeschlossen,<br />
besteht doch eine der wesentlichen<br />
Aufgaben des Unternehmers darin,<br />
die Entwicklung auf allen Gebieten laufend<br />
zu überwachen. Falls das Controlling Abweichungen<br />
zwischen den erwarteten und den<br />
tatsächlichen Ergebnissen ergibt, müssen die<br />
Preise neu überdacht werden.<br />
Die richtige Kalkulationsmethode?<br />
Früher war es einfach: Der Wirt rechnete<br />
einfach mal drei oder vier – und schon<br />
hatte er den ungefähren Verkaufspreis.<br />
Das sogenannte «Faktorenrechnen» gerät<br />
aber zunehmend unter Beschuss. Und dies<br />
zurecht! Ein billiger Kernobstbranntwein<br />
kann halt einfach nicht mit dem selben<br />
Faktor kalkuliert werden wie ein teurer<br />
Malt Whisky. Entweder würde der Trester<br />
zu billig oder die Edel-Spirituose zu teuer.<br />
Fixe Kostendeckungszuschläge in Franken<br />
gelten als moderne Kalkulationsmethode.<br />
Viele Betriebe schlagen beispielsweise bei<br />
Flaschenweinen 30 Franken auf den Einstandspreis<br />
und addieren am Schluss noch<br />
die Mehrwertsteuer. Diese Methode ist nicht<br />
ganz ungefährlich, wenn sie stur angewendet<br />
wird. Hohe Umsätze täuschen dann<br />
eine gute Ertragskraft vor, obwohl sie gar<br />
nicht vorliegt. Bei Flaschenweinen ist eine<br />
Mischmethode (steigender Deckungsbeitrag<br />
bei grösserem Warenwert) empfehlenswert.<br />
Wenn <strong>im</strong> Betrieb direkt umsatzabhängige<br />
Kosten entstehen (z.B. Umsatzmiete oder<br />
Umsatzbeteiligungen von Mitarbeitern), ist<br />
das sogar zwingend.
Warum kostet ein Kaffee vier Franken?<br />
Über kaum einen Preis wird so häufig diskutiert wie über denjenigen des Kaffees. Aufschläge auf breiter Front<br />
schaffen es sogar auf die Titelseiten der Boulevardpresse. Viele Leute verstehen nicht, wieso ein Café crème vielerorts<br />
vier Franken und mehr kostet.<br />
Ein Grund dafür ist die Tatsache, dass unsere<br />
Gäste zu wenig Kenntnis von der Kostenstruktur<br />
<strong>im</strong> <strong>Gastgewerbe</strong> haben. Sie gehen<br />
fälschlicherweise davon aus, dass der Wareneinkauf<br />
die entscheidende Kostenkomponente<br />
ist. Schuld daran sind nicht zuletzt die Wirte<br />
selbst, weil sie früher Preisaufschläge oft mit<br />
steigenden Rohstoffpreisen begründeten.<br />
Die Personalkosten sind mit einem Anteil von<br />
45% viel massgebender als die Warenkosten,<br />
welche bei einem Kaffee ja nur etwa 20 bis<br />
40 Rappen betragen. Ein Kaffee kostet <strong>im</strong><br />
«Ein Kaffe verursacht<br />
Personalkosten von mindestens<br />
zwei Franken.»<br />
Restaurant einige Franken mehr, weil andere<br />
Aufwände, insbesondere die Dienstleistung,<br />
ebenfalls gedeckt sein müssen. Konkret fallen<br />
folgende Arbeiten an: Wir nehmen die Bestellung<br />
auf. Am Buffet werden die georderten<br />
Leistungen bereit gestellt. Wir servieren den<br />
Die Schweiz gilt als teuer, ist es aber nicht<br />
<strong>im</strong>mer. So sind beispielsweise Skiferien<br />
in einem französischen Mittelklassehotel in<br />
der Regel kostspieliger als bei uns. Selbstverständlich<br />
fällt es uns manchmal schwer,<br />
Sturm <strong>im</strong> Wasserglas<br />
Einzelne Konsumenten erwarten, dass ein Glas Wasser <strong>im</strong> Restaurant gratis ist. Es besteht aber kein rechtlicher<br />
Anspruch auf Gratis-Wasser, sei es mit oder ohne zusätzliche Konsumation. Der Restaurateur kann deshalb auch<br />
für Leitungswasser einen Preis festsetzen.<br />
Andererseits ist eine gewisse Kulanz angebracht<br />
und deshalb muss von Fall zu Fall<br />
entschieden werden. Vor allem bei Stammgästen<br />
empfehlen wir Grosszügigkeit. Und<br />
ein Glas Wasser zum Espresso ist ein schönes<br />
Stück Servicekultur.<br />
Wirte müssen nach betriebswirtschaftlichen<br />
Kriterien arbeiten und können deshalb Leistungen<br />
nicht kostenlos abgeben. Offerierte<br />
Produkte werden in der Preisberechnung<br />
Kaffee, später kassieren wir ihn ein. Wir<br />
räumen den Tisch ab und reinigen ihn. Das<br />
Geschirr geht zurück ans Buffet, wo es abgewaschen,<br />
gereinigt und wieder verstaut wird.<br />
Zusätzlich muss die Kaffeemaschine gereinigt,<br />
gepflegt und entkalkt werden. Der Kaffee<br />
muss be<strong>im</strong> Lieferanten bestellt werden.<br />
Würden wir wie in der Industrie eine Prozesskostenrechnung<br />
anstellen, wäre der Kaffee<br />
wohl wesentlich teurer. Objektiv betrachtet,<br />
verursachen die oben genannten Arbeiten<br />
nämlich mehrere Minuten Arbeitsaufwand.<br />
Bei einem Stundenansatz von dreissig Franken<br />
verursacht ein Kaffee also Personalkosten<br />
von mindestens zwei bis drei Franken. Dabei<br />
ist noch nicht einmal berücksichtigt, dass die<br />
Mitarbeiter manchmal auch einfach herum<br />
stehen und auf Gäste warten. Und dass der<br />
Gast unsere Toilette benutzt und unsere Zeitungen<br />
liest…<br />
Eine gute Kaffeemaschine kostet weit über<br />
10’000 Franken und manchmal sogar das<br />
berücksichtigt: Somit zahlen alle Gäste für<br />
die «Gratisbezüge» einzelner Restaurantbesucher!<br />
Für die <strong>Preisbildung</strong> <strong>im</strong> <strong>Gastgewerbe</strong><br />
sind pr<strong>im</strong>är die Dienstleistungskosten entscheidend.<br />
Diese sind gerade bei Kleinkonsumationen<br />
beachtlich. Die Abgabe von Wasser<br />
verursacht zwar nur einen geringen Warenaufwand,<br />
es entsteht jedoch der gleiche<br />
Personalaufwand wie bei einem «verkauftem<br />
Getränk». Bei hohen Konsumationen wirkt es kleinlich, ein Glas Wasser<br />
extra zu kassieren.<br />
Teure Schweiz?<br />
mit dem benachbarten Ausland mitzuhalten.<br />
Die Differenzen haben verschiedene Ursachen:<br />
Landwirtschaftsprodukte sind auf dem<br />
Weltmarkt 30 bis 50% günstiger. Auch die<br />
Personalkosten sind in der EU fast 50% tiefer.<br />
Mehrfache davon. Sie muss amortisiert<br />
werden. Das Serviceabonnement kostet über<br />
tausend Franken pro Jahr! Die Miete, die Energiekosten,<br />
die Kapitalzinsen, die Mehrwertsteuer<br />
und anderes mehr sind noch gar nicht<br />
berücksichtigt. Und last but not least muss der<br />
Wirt auch einen Gewinn erzielen, wenn er<br />
langfristig überleben will.<br />
Der Kaffeepreis ist ein regelrechtes Politikum.<br />
Das gleiche gilt für Baukosten, Mieten und Betriebsaufwände.<br />
Der starke Franken trägt sein<br />
Übriges dazu bei. So gesehen ist es eigentlich<br />
erstaunlich, dass die Preisunterschiede so<br />
gering sind!