Dirk von Borstel - Molitor
Dirk von Borstel - Molitor
Dirk von Borstel - Molitor
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Im Vergleich:<br />
Gehen - Walken - Laufen<br />
<strong>Dirk</strong> <strong>von</strong> Borste l: Im Rahmen einer Diplomarbeit an der Universität Osnabrück<br />
wurde der Fragestellung nachgegangen, ob Walker ein spezifisches Bewegungs- und<br />
Belastungsmuster aufweisen und ob dies Konsequenzen für eine schuhtechnische<br />
Versorgung haben kann. Dazu wurden biomechanische Parameter des Walkens, des<br />
Gehens und des Laufens erhoben und miteinander verglichen. Die Arbeit entstand in<br />
Zusammenarbeit mit der Orthopädieschuhtechnik <strong>Molitor</strong> in Osnabrück,<br />
Ende der 90er-Jahre konnte sich Trend in<br />
Deutschland etablieren, der eine der<br />
natürlichsten Bewegungen des Menschen<br />
zum Lifestylepro-dukt verwandelt hat: Das<br />
Gehen wurde zum Walking. Walking ist<br />
eine Sportart für diejenigen, denen ein<br />
sanftes Bindeglied zwischen dem<br />
Nichtstun und dem Sport gefehlt hat.<br />
Basisfunktionen des Gehens<br />
Für das Erreichen einer Stabilität des<br />
Bewegungsapparates in der aufrechten<br />
Position ist es notwendig, stets eine<br />
funktionelle Balance zwischen der<br />
Ausrichtung der Körpersegmente und der<br />
Muskelaktivität herzustellen. Man spricht<br />
<strong>von</strong> einer dynamischen Stabilität (Götz-<br />
Neumann, 2003). Ausschlaggebend ist<br />
die Positionierung des<br />
Körperschwerpunktes (KSP). Verlagert sich<br />
dieser über die Unterstützungsfläche am<br />
Boden hinaus, so kommt der Körper aus<br />
dem Gleichgewicht, da der in Richtung<br />
Boden wirkenden Kraft kein Widerlager<br />
entgegengerichtet ist. Paradoxerweise<br />
nutzt der Mensch diesen Mechanismus<br />
für die Fortbewegung, indem das (unbela-<br />
stete) Bein nach vorn gesetzt wird. Die<br />
Unterstützungsfläche vergrößert sich<br />
daraufhin und verlagert sich in Richtung<br />
des anvisierten Ziels. Die in Richtung<br />
Boden wirkende Kraft wird aufgefangen<br />
und nach vorne oben umgelenkt.<br />
Das Gehen ist so als ein „kontrolliertes<br />
Fallen" zu betrachten. Trifft der Fuß auf<br />
den Boden, resultiert daraus eine plötzlich<br />
erhöhte Belastung des Fußes und der<br />
darüber liegenden Strukturen. Um diesen<br />
Belastungen gerecht zu werden, stehen dem<br />
Menschen drei Bewegungsmuster zur Verfügung:<br />
Der erste Stoßdämpfungsmechanismus<br />
erfolgt direkt nach dem<br />
initialen Bodenkontakt. Der Fersenkontakt<br />
bewirkt unmittelbar eine Plantarflexion im<br />
OSG, die durch eine exzentrische Aktivität<br />
der vorderen Schienbeinmuskulatur<br />
kontrolliert wird. Der zweite<br />
Dämpfungsmechanismus, die Flexion des<br />
Kniegelenks, schließt sich unmittelbar<br />
an und ist die effektivste Methode zum<br />
Abfangen der vertikal gerichteten Kräfte.<br />
Die Flexion wird durch die exzentrische<br />
Aktivität des M. quadriceps kontrolliert.<br />
Ei-<br />
l Der Gangzyklus in<br />
seinen 8 Phasen. Zu sehen<br />
sind die Mus-<br />
kelreaktionskräfte und<br />
der Bodenreak-<br />
tionskraftvektor. (IC und<br />
LR sind modelliert;<br />
Einzelabbildungen aus:<br />
Götz-Neumannf 2003.)<br />
nen dritten Mechanismus leistet die<br />
Hüfte. Die unbelastete Beckenseite senkt<br />
sich ab und wird dabei durch exzentrische<br />
Muskelarbeit der Hüftge-lenksabduktoren<br />
(der Standbeinseite) abgebremst (Perry,<br />
2003).<br />
Die Phasen des Gangzyklus<br />
Während des Gehens fängt ein Bein den<br />
„fallenden" Körper auf und dient so als<br />
Stütze (Standbein), während das andere<br />
Bein in die gewünschte Fortbewegungsrichtung<br />
schwingt (Schwungbein/Spielbein).<br />
Standbein und Spielbein<br />
tauschen stets ihre Funktion. Eine Sequenz<br />
wird als Gangzyklus oder auch als<br />
Doppelschritt bezeichnet. Der Gangzyklus<br />
lässt sich entsprechend in eine Standphase<br />
und in eine Schwungphase unterteilen. Die<br />
Standphase umschreibt den gesamten<br />
Zeitraum, in dem der Fuß den Boden<br />
berührt. Sie beginnt mit dem initialen<br />
Bodenkontakt. Die Schwungphase<br />
bezeichnet den Abschnitt, währenddessen<br />
sich der Fuß in der Luft befindet und<br />
beginnt, wenn die Zehen vom Boden<br />
abgelöst werden (Perry, 2003). Die Stand-<br />
und Schwungphase wird zum besseren Verständnis<br />
des Gangzyklus in acht Unterphasen<br />
unterteilt (siehe Abb. 1).<br />
Walking<br />
Der Begriff „Walking" heißt nichts anderes<br />
als „Gehen". Im Deutschen steht der<br />
Begriff Walking jedoch nicht für<br />
normales Gehen, sondern für eine Sportart<br />
mit einer speziellen Technik (Mommert-<br />
Jauch, 2004; Steffny, 2003; Strunz, 2003).<br />
Laufen<br />
Ab einer individuellen Geschwindigkeit<br />
schaltet der Körper vom Gehen auf das<br />
Laufen um, da bei entsprechendem Tempo<br />
das Bewegungsmuster des Laufens<br />
ökonomischer ist. Im Gegensatz zum<br />
Gehen und Walking fehlt beim Laufen<br />
die bipedale Belastung. Es kommt zu<br />
einer Flugphase, in der kurzzeitig kein<br />
Bodenkontakt stattfindet. Sie ist das<br />
Hauptkriterium, das das Laufen<br />
charakterisiert. Die Flugphase ist auch<br />
Ursache für erhöhte<br />
Stoßdämpfungsbelastungen, die auf-
grund der Massenträgheit bei der Landung<br />
auftreten. Der allgemeine Bewegungszyklus<br />
ist ansonsten vergleichbar.<br />
Untersuchung<br />
Für diese Studie wurden 26 Frauen aus<br />
Walkinggruppen aus dem Raum Osnabrück<br />
ausgewählt. Es wurden be-wusst erfahrene<br />
Walkerinnen eingeladen, da diese die<br />
Walkingtechnik richtig umsetzen können.<br />
Das Durchschnittsalter lag bei 37 Jahren<br />
(±8), der BMI bei 23 (±2,3). Die Daten<br />
<strong>von</strong> 19 Probandinnen konnten ausgewertet<br />
werden, 7 mussten als Dropouts registriert<br />
werden. Die Messungen fanden barfuß<br />
statt, um eine Bewegungsbeeinflussung<br />
durch die Schuhe zu vermeiden. Im<br />
Ganganalyselabor stand ein Lamellen-<br />
Hochleistungs-Laufband (Typ Callis,<br />
Firma Sprintex) zur Verfügung. Die<br />
Geschwindigkeiten betrugen 4,6 km/h<br />
beim Gehen, 6 km/h beim Walking und 8<br />
km/h beim Laufen. Für die Auswertung der<br />
mithilfe <strong>von</strong> Kameras (50 Hz)<br />
gewonnenen kinematischen Daten wurde<br />
das Programm Co-vilas® der Firma letec,<br />
Fulda, verwendet. Die für die Erkennung der<br />
Gelenk-und Knochenpunkte benötigten<br />
Marker wurden vor den Messungen mit<br />
Kleber an den Probandinnen fixiert.<br />
Zur Erhebung der kinetischen Daten<br />
wurden Druckmesssohlen des Systems<br />
Fastscan® der Firma Savecomp Mega-scan<br />
GmbH verwendet. Die Sohlen erlauben eine<br />
dynamische Messung und<br />
3 Kniebewegungsmuster<br />
frontal Links.<br />
Darstellung der örtlichen plantaren Reaktionskräfte<br />
des Fußes sowie die Bestimmung<br />
der Kraftangriffslinie, die<br />
die Abrollbewegung des Fußes darstellt.<br />
Die Probandinnen trugen Neutralschuhe<br />
(Gymnastikschuhe), in denen die Sohlen<br />
fixiert wurden.<br />
Ergebnisse<br />
Zur Auswertung des frontalen Kniebewegungsmusters<br />
und des sagittalen<br />
Kniewinkels wurden nur Daten jeweils<br />
einer Standphase herangezogen, die zuvor<br />
aus fünf gemessenen Doppel-schritten nach<br />
visueller Kontrolle ausgewählt wurden.<br />
Für die Bearbeitung der Pedographie<br />
wurde ebenfalls nach einer visuellen<br />
Auswertung der etwa 7 bis 11<br />
gemessenen Schritte eine Standphase mit<br />
einer durchschnittlichen plantaren<br />
Belastung ausgewählt. Alle<br />
Auswertungsergebnisse geben den<br />
Mittelwert der 19 Probandinnen wieder.<br />
Der Kniebeugewinkel<br />
In dieser Untersuchung konnten die<br />
Angaben aus der Literatur (Perry,<br />
2003) bestätigt werden. Das in Abb. 2<br />
dargestellte Diagramm zeigt den Kniebeugewinkel<br />
vom initialen Bodenkontakt<br />
bis zur Zehenablösung. Auffallend ist, dass<br />
sich der Kniebeugewinkel in Abhängigkeit<br />
<strong>von</strong> der Geschwindigkeit ändert; er wird<br />
mit zunehmender Geschwindigkeit größer.<br />
Dies spricht gegen die Auffassung, dass die<br />
unterschiedlichen Gelenkswinkel beim<br />
in-<br />
4 Kniebewegungsmuster frontal rechts.<br />
itialen Bodenkontakt nicht im Zusammenhang<br />
mit der Ganggeschwindigkeit<br />
stehen. Perry, 2003, S. 53: „Die beobachteten<br />
unterschiedlichen Kniegelenksstellungen<br />
beim initialen Bodenkontakt<br />
stehen nicht im Zusammenhang<br />
mit der Ganggeschwindigkeit/'<br />
Während der Belastungsantwort beeinflusst<br />
die Geschwindigkeit das Kniebewegungsausmaß<br />
dann deutlicher. Dies<br />
stimmt mit Perry (2003, S. 53) überein:<br />
„[Die Geschwindigkeit] beein-flusst jedoch<br />
das Ausmaß der Kniegelenksflexion<br />
während der Belastungsantwort deutlich/'<br />
Frontales Kniebewegungsmuster<br />
Die Abb. 3 zeigt das Bewegungsmuster <strong>von</strong><br />
frontal der linken Seite, Abb. 4 zeigt den<br />
rechten Knieverlauf. Beim Gehen und<br />
Walken unterscheidet sich das<br />
Kniebewegungsmuster kaum. Beim Walking<br />
verläuft die Kniebewegung etwas stärker<br />
medial, als beim Gehen. Beim Laufen<br />
zeigen sich aber signifikante<br />
Unterschiede. Auffällig ist die fehlende<br />
mediale Bewegung nach dem initialen<br />
Bodenkontakt, die sich beim Gehen und<br />
Walken als Zacke abzeichnet. Ebenfalls<br />
kommt es beim Laufen kurz vor der<br />
Zehenablösung zu einem nach medial<br />
ausgerichteten Bewegungsmusters des<br />
Knies.<br />
Vertikale Bodenreaktionskräfte<br />
Mit Hilfe der Pedographie wurden die<br />
Druckbelastungen unter dem Fuß ermittelt.<br />
Zusätzlich wurde der Fuß in
zwei Areale unterteilt: In einen Fersenbereich<br />
und einen Vorfußbereich. In<br />
Abb. 5 sind die Gesamtbelastungen unter<br />
dem Fuß dargestellt. Die erste<br />
Belastungszacke, unterhalb <strong>von</strong> Fl,<br />
entsteht beim initialen Bodenkontakt<br />
aufgrund des nach unten beschleunigten<br />
Körpers. Die auftretenden Kräfte liegen<br />
dementsprechend über dem des<br />
Körpergewichtes. Nach der Belastungsübernahme<br />
in der mittleren Standphase<br />
entsteht ein Kräftetal F2. Da die KSP-<br />
Bahn während der Standphase in der<br />
sagittalen Ansicht bogenförmig verläuft,<br />
entsteht am Scheitelpunkt, bedingt durch<br />
die Fliehkraft, eine Entlastung. In der<br />
terminalen Standphase kehrt sich das<br />
Verhältnis wieder um, da durch das<br />
Abrollen über den Vorfuß eine bodenwärts<br />
gerichtete Kraft eine Beschleunigung des<br />
Körpers nach vorne oben bewirkt (F3).<br />
Das Ausmaß der vertikalen Kräfte steht<br />
in Abhängigkeit zur Geschwindigkeit (v).<br />
Je schneller die Fortbewegung, desto<br />
größer die Kräfte. Ist v sehr gering,<br />
zeichnet sich nur ein Belastungsgipfel ab,<br />
steigt v, zeichnet sich dann eine<br />
zweigipflige Kurve ab. Der Druck unter<br />
dem Fuß ist also beim initialen<br />
Bodenkontakt und in der terminalen<br />
Standphase erhöht und der mittlere Teil<br />
der Standphase trägt bei zunehmender<br />
Geschwindigkeit immer weniger zum<br />
Gesamtintegral bei (Hegewald, 2000).<br />
Die plantare Gesamtbelastung (siehe<br />
Abb. 6) zeigt beim Laufen den größten<br />
Wert. Die Belastung in dieser Studie ist<br />
um den Faktor 1,73 größer<br />
als beim Gehen und um den Faktor 1,43<br />
größer als beim Walking.<br />
Die Fersenbelastung (Abb. 7) ist beim<br />
Gehen am geringsten und beim Walking<br />
am stärksten. Beim Walking ist die<br />
Fersenbelastung um den Faktor 1,2 größer<br />
als beim Gehen und um den Faktor 1,16<br />
größer als beim Laufen.<br />
Die Vorfußbeiastung (Abb.8) zeigt<br />
beim Laufen den größten Wert, beim<br />
Walking den geringsten. Beim Laufen<br />
wurden 1,38-mal höhere Belastungen<br />
gemessen als beim Walking und 1,2-mal<br />
höhere Belastungen als beim Gehen.<br />
Ganglinie<br />
Der Verlauf des Bodenreaktionskraftvektors<br />
veranschaulicht das Gleichgewichts-<br />
und Abrollverhalten des Probanden<br />
und wird üblicherweise als Ganglinie<br />
bezeichnet.<br />
Die Charakteristika der Ganglinie<br />
(Götz-Neumann, 2003; Perry, 2003)<br />
konnten bestätigt werden. Beim ersten<br />
Bodenkontakt, bei dem nur die Ferse<br />
belastet ist, befindet sich beim Gehen das<br />
Belastungszentrum in der Mitte der Ferse.<br />
Nach dem initialen Bodenkontakt verläuft<br />
die Ganglinie in einem lateralen Bogen<br />
über den Fußaußenrand. In der terminalen<br />
Standphase wandert die Ganglinie wieder<br />
nach innen, um in der Pre-Swing-Phase die<br />
maximale Medialisierung zu erreichen.<br />
Die Ganglinien beim Gehen, Walking<br />
und Laufen unterscheiden sich nicht<br />
signifikant, beim Laufen verläuft das<br />
Abrollen jedoch verstärkt mediali-<br />
siert (siehe Abb. 9). Beim Fersenauftritt<br />
konnte keine verstärkte Laterali-sierung<br />
oder Medialisierung bei den<br />
unterschiedlichen Fortbewegungen<br />
festgestellt werden. Deshalb wurden für<br />
eine bessere Vergleichbarkeit die<br />
Anfangspositionen (initialer Kontakt)<br />
rechnerisch auf Null gesetzt.<br />
Bewertung der Ergebnisse<br />
In dieser Untersuchung wird bestätigt, dass<br />
sich Gehen, Walken und Laufen sowohl in<br />
den Bewegungsabläufen als auch in den<br />
daraus resultierenden Belastungssituationen<br />
und Kraftverläufen<br />
deutlich <strong>von</strong>einander unterscheiden. Die<br />
Flexion des Kniegelenkes ist in der<br />
Belastungsantwort beim Laufen auffallend<br />
größer als beim Gehen und Walken. Das<br />
bestätigt die Erkenntnis, dass die Flexion ein<br />
Mechanismus der Stoßdämpfung ist. Den<br />
erhöhten Kräften, die beim Laufen<br />
auftreten, muss entsprechend mit einer<br />
erhöhten Dämpfung entgegengewirkt<br />
werden.<br />
Die Unterschiede des frontalen<br />
Kniebewegungsmusters beim Gehen und<br />
Walken sind nicht signifikant. Beim<br />
Laufen ist allerdings am Ende der<br />
Standphase ein nach medial ausgerichtetes<br />
Bewegungsmuster zu erkennen.<br />
Die Ganglinie zeigt beim Gehen und<br />
Walken keine auffälligen Differenzen.<br />
Beim Laufen verläuft die Ganglinie<br />
während des Abrollens weniger über den<br />
Fußaußenrand, sondern verstärkt<br />
medialisiert in Richtung Ballen. Eine<br />
verstärkte laterale Positionierung des<br />
Auftreffpunktes beim initialen Bodenkontakt<br />
konnte beim Laufen nicht bestätigt<br />
werden.<br />
Die Auswertungen der Messungen <strong>von</strong><br />
den vertikalen Bodenreaktionskräften<br />
ergaben aufschlussreiche Erkenntnisse. Die<br />
hier gemessenen Werte beim Laufen waren<br />
signifikant größer als beim Gehen und<br />
Walken, aber nicht ganz so hoch wie in der<br />
Literatur beschrieben. Ein Grund dafür<br />
kann die relativ geringe<br />
Laufgeschwindigkeit sein. Die<br />
Belastungen in der Abstoßphase sind<br />
dagegen nicht signifikant unterschiedlich.<br />
Dies ist erstaunlich, da normalerweise für<br />
die erhöhte Geschwindigkeit der Abstoß<br />
vom Boden stärker sein müsste, als beim<br />
langsameren Gehen (Studie <strong>von</strong> Hegewald,<br />
2000).<br />
Die an der Ferse auftretenden vertikalen<br />
Bodenreaktionskräfte sind beim Walken<br />
höher als beim Gehen und sogar höher als<br />
beim Laufen. Die Vorfuß-
elastung ist wiederum beim Laufen am<br />
größten. Dass besonders die Ferse erhöhte<br />
Druckbelastungen bei steigender<br />
Geschwindigkeit erfährt, hat Hegewald<br />
(2000) in seinen Messungen aufgezeigt.<br />
Einen Vergleich mit Belastungsgrößen<br />
beim Laufen stellte Hegewald allerdings<br />
nicht dar. Bei einer Aussage über<br />
geeignete Schuhkonstruktionen ist die<br />
Betrachtung der Gesamtbelastung nicht<br />
aussagekräftig. Erst wenn die<br />
Vertikalbelastung der unterschiedlichen<br />
Fußbereiche bei verschiedenen<br />
Geschwindigkeiten gegenübergestellt<br />
wird, tritt die Belastungssituation unter<br />
den Füßen deutlicher hervor.<br />
Der Ort der maximalen Duckbelastung<br />
verlagert sich <strong>von</strong> der Ferse (beim<br />
Walken) zum Vorfuß (beim Laufen).<br />
Aufgrund der erhöhten Gesamtbelastung<br />
beim Laufen und dem daraus<br />
resultierenden verstärkten Stoßdämpfungsmechanismus<br />
ist eine bessere<br />
Verteilung des Gewichtes auf den<br />
gesamten Fuß nötig. Nach dem initialen<br />
Bodenkontakt der Ferse senkt sich der<br />
Vorfuß schnell und der gesamte Fuß hat<br />
Bodenkontakt, so dass das Gewicht auch<br />
auf den Vorfuß verlagert werden kann. So<br />
ist dieser bereit, den erhöhten<br />
Krafteinwirkungen standzuhalten. Stünde<br />
der Fuß zu lange in Plantarflexion, könnte<br />
eine angemessene Stoßdämpfung nicht<br />
gewährleistet werden, und der Vortrieb<br />
der Abstoßphase wäre zu gering. Die<br />
beim Laufen erhöhte Knieflexion<br />
entlastet durch Stoßdämpfung die Ferse<br />
und dämpft auch den Kraftanstieg des<br />
sehr<br />
viel schneller einsetzenden Fußvollkontaktes.<br />
An den hohen Vertikalkräften ist zu<br />
erkennen, dass sich beim Walken die<br />
Stoßdämpfung schon ein wenig in die<br />
Phase des initialen Bodenkontaktes<br />
hineinverlagert und damit teilweise <strong>von</strong><br />
der Ferse mit übernommen wird. Die<br />
exzentrische Muskelkontraktion der<br />
vorderen Schienbeinmuskulatur bremst die<br />
Plantarflexion und der Vorfuß bekommt<br />
später Bodenkontakt. In der<br />
Walkingtechnik wird ein zu steiles<br />
Aufsetzen mit der Ferse als Fehler deklariert.<br />
Als Grund werden Schmerzen am<br />
Schienbein aufgeführt. Dennoch erfolgt<br />
beim Walken ein steilerer Aufsetzwinkel<br />
als beim Laufen. Dabei sind die natürlichen<br />
Dämpfungseigenschaften der Ferse im<br />
Vergleich zum Vorfuß alles andere als gut.<br />
Der Vorfuß ist dafür besser geeignet.<br />
In der Literatur (Gering, 2002;<br />
Steffny, 2003; Strunz, 2003; Mom-mert-<br />
Jauch, 2004; Schwarz, 2001) wird stets<br />
nur <strong>von</strong> geringeren Belastungen beim<br />
Walken gesprochen, da im Vergleich zum<br />
Laufen auf Grund der fehlenden Flugphase<br />
geringere vertikale Stoßbelastungen<br />
auftreten. Es wird aber stets <strong>von</strong> der<br />
Gesamtbelastung gesprochen. Werden<br />
Belastungsmerkmale verglichen, so kommt<br />
es außerdem vor, dass das Gehen nicht<br />
ausreichend vom Walking unterschieden<br />
wird ( Schwarz, 2003). Daraus resultieren<br />
dann vermeintlich noch größere<br />
Unterschiede zwischen dem Walken und<br />
dem Laufen. Dass aber tatsächlich die<br />
Fersenbelastung beim Walken höher ist als<br />
beim Laufen, wird nicht beschrieben. Die<br />
Übernahme der Stoßdämpfung <strong>von</strong> der<br />
Ferse und die damit verlagerte und erhöhte<br />
vertikale Kraft beim initialen Kontakt muss<br />
beim Thema Walking Berücksichtigung<br />
finden. Gerade diese Information kann<br />
wichtig sein, wenn individuelle Beschwerden<br />
oder Verletzungen auftreten und<br />
Symptome behoben werden sollen.<br />
Fazit<br />
Gehen, Walken und Laufen unterscheiden<br />
sich nicht nur anhand ihrer Geschwindigkeiten,<br />
sondern auch in der<br />
Biomechanik. Die aufgezeigten Differenzen<br />
der unterschiedlichen Parameter<br />
bestätigen die spezifischen Bewegungsmuster<br />
der Fortbewegungsarten und<br />
die daraus resultierenden unterschiedlichen<br />
vertikalen Gewichtsbelastungen.<br />
Walking grenzt sich vom Gehen und<br />
Laufen ab. Deshalb werden an die Ausrüstungsgegenstände<br />
des Walkens, wie etwa<br />
das Schuhwerk, genauso hohe Ansprüche<br />
gestellt, wie zum Beispiel an Laufschuhe.<br />
Sie sollen auch noch nach längeren<br />
Belastungen bequem sitzen und<br />
dämpfende, stützende und führende<br />
Aufgaben erfüllen. Ähnlich sieht es auch<br />
in der Orthopädieschuhtechnik,<br />
beispielsweise bei der Einlagenversorgung<br />
aus. Sporteinlagen unterscheiden sich im<br />
technischen Aufbau <strong>von</strong> den<br />
Alltagseinlagen.<br />
Walker weisen ein spezifisches Bewegungs-<br />
und Belastungsmuster auf. Es<br />
wäre deshalb optimal, eine auf das Walken<br />
angepasste schuhtechnische Versorgung<br />
vorzunehmen.<br />
Die aufgezeigten unterschiedlichen<br />
biomechanischen Gegebenheiten müssen<br />
weiterhin im Mittelpunkt der Entwicklung<br />
<strong>von</strong> sportartenspezifischem<br />
Material stehen. Deshalb wäre es aufschlussreich<br />
zu untersuchen, welche<br />
spezifischen Eigenschaften die vorhandenen<br />
Walking- und Laufschuhe<br />
besitzen und ob diese Merkmale den<br />
Anforderungen entsprechen. ]<br />
• • Anschrift des Verfassers:<br />
<strong>Dirk</strong> <strong>von</strong> <strong>Borstel</strong> OM und Dipl.<br />
Gesundheitslehrer Gewerbeschule 15<br />
Brekelbaums Park 10 20537<br />
Hamburg<br />
Danksagung<br />
Ich danke <strong>Dirk</strong> <strong>Molitor</strong> (OSM) und Lutz <strong>Molitor</strong>,<br />
Fa. <strong>Molitor</strong>: Schuh und Sport Orthopädieschuhtechnik,<br />
Osnabrück, für die technische und beratende<br />
Unterstützung und Herrn Michael Jahn der<br />
Firma IETEC für konstruktive Anregungen.<br />
Literatur:<br />
Baumgartner, R.; Stinus, H. (2001): Die orthopädietechnische<br />
Versorgung des Fußes. Thieme Verlag,<br />
Stuttgart.<br />
Gering, U. (2002): Richtig Walking. BLV, München.<br />
Götz-Neumann, K. (2003): Gehen verstehen. Ganganalyse<br />
in der Physiotherapie. Thieme Verlag,<br />
Stuttgart-New York.<br />
Hegewald, G. (2000): Gang analytische Bestimmung<br />
und Bewertung der Druckverteilung unterm Fuß<br />
und <strong>von</strong> Gelenkwinkelverläufen. Dissertation,<br />
Humboldt Universität zu Berlin. Mommert-Jauch,<br />
R; Regelin, P. (2004): Nordic Walking. Aber richtig.<br />
BLV Verlagsgesellschaft, München. S. 40-47.<br />
Perry, J. (2003): Ganganalyse. Norm und Pathologie<br />
des Gehens. Urban/Fischer. Schwarz, M.<br />
(2002): Walking. Deutsche Zeitschrift für<br />
Sportmedizin, 53, S.292-293. Steffny, H. (2003):<br />
Walking. Der sanfte Ausdauersport für optimale<br />
Fitness. Südwest Verlag, München.<br />
Strunz, U. (2003): Nordic Fitness. Heyne, München.