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Prof. Dr. Rolf Monheim Abteilung Angewandte Stadtgeographie ...

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BEDEUTUNG VON KOOPERENZ BEI PLACE-MAKING<br />

UND DESTINATIONSMANAGEMENT FÜR DIE<br />

INTEGRATION INNERSTÄDTISCHER EINKAUFSZENTREN<br />

<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>Rolf</strong> <strong>Monheim</strong><br />

<strong>Abteilung</strong> <strong>Angewandte</strong> <strong>Stadtgeographie</strong>, Universität Bayreuth<br />

Vortrag von 15:00 bis 15:30<br />

27


<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>Rolf</strong> <strong>Monheim</strong><br />

Referentenportrait<br />

<strong>Abteilung</strong> <strong>Angewandte</strong> <strong>Stadtgeographie</strong>, Universität Bayreuth<br />

Studium der Geographie, Geschichte und Soziologie<br />

Geboren 1941 in Bochum, verheiratet, 3 Kinder<br />

Vita:<br />

1961 – 1968 Studium der Geographie, Geschichte und Soziologie in Bonn,<br />

München und Aachen<br />

1968 Promotion an der Universität Bonn: „Die Agrostadt im Siedlungsgefüge<br />

Mittelsiziliens“<br />

1976 Habilitation an der Universität Bonn: („Fußgängerbereiche und Fuß-<br />

gängerverkehr in Innenstädten in der Bundesrepublik Deutschland“<br />

1978 – 2007 <strong>Prof</strong>essur für <strong>Angewandte</strong> <strong>Stadtgeographie</strong>, Universität Bayreuth<br />

Schwerpunkte in Forschung, Lehre und Beratung<br />

Innenstädte in Deutschland und Italien (Nutzung, Erschließung, Bewertung, historische<br />

Entwicklung)<br />

Einzelhandel/Einkaufszentren<br />

Verkehr/Mobilität<br />

Freizeit/Tourismus<br />

Wohnen/Wohnortmobilität<br />

Stadtplanung/Stadtgestaltung, Stadtmarketing<br />

Kontakt:<br />

<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>Rolf</strong> <strong>Monheim</strong><br />

<strong>Abteilung</strong> <strong>Angewandte</strong> <strong>Stadtgeographie</strong> Privatadresse:<br />

Universität Bayreuth<br />

Universitätsstraße 30 Schlosshof Birken 19<br />

95447 Bayreuth 95447 Bayreuth<br />

Tel.: 0921-552273 Tel.: 0921-69767<br />

E-Mail: rolf.monheim@uni-bayreuth.de<br />

28


Vortrag BCSD Frühjahrstagung am 23.4.2007<br />

Die Bedeutung von Kooperenz bei place-making<br />

und Destinationsmanagement für die Integration<br />

innerstädtischer Einkaufszentren<br />

<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>Rolf</strong> <strong>Monheim</strong>, <strong>Abteilung</strong> <strong>Angewandte</strong> <strong>Stadtgeographie</strong>, Universität Bayreuth<br />

Die beschleunigte Ausbreitung innerstädtischer Einkaufszentren verursacht in jüngerer Zeit erhebliche<br />

Kontroversen, da sich der Innenstadt-Einzelhandel offensichtlich unmittelbarer beeinträchtigt fühlt als durch<br />

Center am Stadtrand. Diese betreffen sowohl die Auswirkungen als auch deren Bewertung. Meist besteht<br />

die Reaktion in Abwehr des als übermächtig empfundenen Konkurrenten und in der Sorge um die Identität<br />

und Vielfalt der historisch gewachsenen Innenstadt; die Befürworter sehen dagegen in den neuen<br />

Großprojekten Impulsgeber für die dauerhafte Sicherung der Innenstadt als führender Einkaufsstandort.<br />

Ob die Chancen oder Risiken überwiegen, hängt einerseits wesentlich von der spezifischen örtlichen<br />

Situation ab, andererseits aber auch davon, wie anpassungsfähig das System der für den Auftritt der<br />

Innenstadt relevanten Aktoren ist. Die Fixierung der Diskussion wie auch der Gutachten auf die Größe der<br />

Einkaufszentren verdeckt nämlich, dass die Herausforderung der gewachsenen Innenstadt nicht nur in dem<br />

Flächenzuwachs besteht, sondern vor allem in der professionellen Optimierung moderner Einkaufszentren,<br />

die in starkem Kontrast zu den häufig anzutreffenden Defiziten der örtlichen Anbieter steht. Dies verschafft<br />

den geschlossen und entschlossen agierenden Centern einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil.<br />

Es fragt sich also, wie man die Impulse eines neuen Einkaufscenters zur Stabilisierung der gewachsenen<br />

Rolle der Innenstadt nutzen kann. Dazu ist eine grundsätzliche Neubesinnung hinsichtlich der<br />

Erfolgsbedingungen eines Standortes erforderlich, die über die Berechnung von Marktpotentialen<br />

hinausgeht.<br />

Im Vortrag sollen einige Überlegungen zu Chancen und Risiken der Innenstadtentwicklung sowie<br />

strategische Folgerungen zur Diskussion gestellt werden. Ziel ist die Überwindung von Handlungsblockaden,<br />

wie sie ganz allgemein beim Innenstadt-Einzelhandel anzutreffen sind, nach der Ansiedlung eines<br />

Einkaufscenters aber besonders deutlich werden. Innenstädte können nur gedeihen, wenn die Akteure in der<br />

Erweiterung nicht in erster Linie die Konkurrenz sehen, sondern nach Wegen zur Kooperation suchen – ein<br />

Verhältnis, das im Marketing auch als „Kooperenz“ bezeichnet wird (Woratschek 2003). Dazu muss der<br />

etablierte Handel seine traditionelle „Eigenbrötelei“ („Einzelhändler handeln einzeln“) überwinden und das<br />

„Wir-Gefühl“ einer Standortgemeinschaft entwickeln.<br />

In diese Bemühungen müssen auch die Hauseigentümer einbezogen werden, was sich allerdings meist als<br />

äußerst schwierig erweist. Die im Ausland (besonders in Nordamerika) bereits sehr erfolgreichen „Business<br />

Improvement Districts“ (BID) können hierzu eine wertvolle Hilfe bilden. Sie werden deshalb seit einigen<br />

Jahren auch in Deutschland zunehmend positiv diskutiert ((bcsd 2003, Landesbüro Stadtmarketing 2004,<br />

Wiezorek 2005). Die bisherigen Erfahrungen in Hamburg und Hessen (z.B. Gießen) zeigen, dass deren<br />

Einführung eine intensive soziale Mobilisierung in Gang setzt.<br />

Die Schaffung eines gesetzlichen Rahmens für die Eigeninitiative und Selbsthilfe der einen Standort<br />

bildenden Unternehmen ist allerdings keine hinreichende Voraussetzung dafür, historisch gewachsene<br />

Einzelhandelsstandorte wettbewerbsfähig zu machen. Darüber hinaus müssen die Entwicklungsstrategien<br />

für Innenstädte konzeptionell erweitert werden. Dabei kann es nicht darum gehen, entsprechend dem<br />

Center-Manager in einem „top-down“ Verfahren einen „allmächtigen“ City-Manager zu installieren.<br />

Stattdessen müssen partizipative Modelle entwickelt werden, die „bottom-up“ verankert sind. Dafür gibt es<br />

zwei sich ergänzende Ansätze: ein in Local Governance erfolgendes „place-making“ und ein auf<br />

„Kooperenz“ basierendes Destinationsmanagement.<br />

29


Place-making zur Schaffung von Identifikationsräumen<br />

Als place-making bezeichnet die englische Planungswisssenschaftlerin Healey „die Qualifizierung von<br />

Räumen im komplexen Zusammenspiel materieller Gegebenheiten, symbolischer Konstruktionen und<br />

sozialräumlicher Milieus“ (Healey 2001, zit. nach Cools, Fürst, Zimmermann 2004: 73). Es erfolgt im<br />

Zusammenwirken öffentlicher Institutionen (Verwaltung, Politik) und raumbezogener Akteure aus Wirtschaft<br />

und Zivilgesellschaft, wobei sich „Government“ und „Governance“ komplementär ergänzen. Dies erfordert<br />

„nicht nur korrespondierende institutionelle Rahmenbedingungen und Verfahren, sondern sozio-emotionale<br />

Bindungen zwischen den Akteuren“ (Cools et al. 2004: 81). Ein ausreichend entwickeltes Sozialkapital bildet<br />

demnach eine wesentliche Grundlage für die kollektive Raumprägung. Place-making umfasst damit mehr als<br />

das aus der Warenwirtschaft entlehnte „Place-branding“, d. h. die Markenentwicklung für ein (Einzelhandels-<br />

) Quartier.<br />

Deutsche Planer beziehen place-making vor allem auf stadtteilbezogene Entwicklungsvorhaben wie z.B. das<br />

Bund-Länder-Programm Soziale Stadt (s. Fürst, Lahner, Zimmermann 2005). Speziell auf die Aufwertung<br />

öffentlicher (Frei-) Räume bezogen wird das Konzept des place-making bereits seit 1976 durch die New<br />

Yorker Non-<strong>Prof</strong>it-Organisation „Project for Public Spaces“ (www.pps.org) mit zahlreichen Projekten, die<br />

zunächst vor allem in Nordamerika – in jüngerer Zeit aber auch zunehmend global durchgeführt werden.<br />

Es liegt nahe, gerade die Positionierung von Innenstädten, die in besonders ausgeprägter Weise ein<br />

öffentliches Gut darstellen, unter diesem Blickwinkel zu sehen. Dabei treten allerdings auch in Innenstädten<br />

die von Cools, Fürst und Zimmermann festgestellten Schwierigkeiten auf, eine selbstorganisatorische<br />

gesellschaftliche Dynamik zu etablieren. Dies scheitert leicht „an Interessengegensätzen (…), an ungleichen<br />

Kommunikationsvoraussetzungen, an ungleicher Relevanz für das Vorhaben (wer hat Veto- oder<br />

Störmacht? Wer ist politisch wichtig?)“ (Cools et al. 2004: 88). So werden die Bemühungen um ein<br />

gemeinschaftliches Agieren, das über die Organisation der Weihnachtsbeleuchtung hinausgeht, häufig durch<br />

im Hintergrund agierende Verhinderungsallianzen alteingesessener Einzelhändler untergraben. Diese<br />

verstärken die Abstinenz bzw., noch schlimmer, die negative Stimmung des Handels, wie sie sich in dessen<br />

veröffentlichten Äußerungen, aber auch in Umfragen zeigt, und greifen bevorzugt die Verwaltung und<br />

politische Führung der Stadt an.<br />

Gemeinwohlorientierte Promotoren und Multiplikatoren können zwar als „social enterpreneurs“ wichtige<br />

Impulse geben. Im Vergleich zum angelsächsischen Raum erscheint aber der deutsche institutionelle<br />

Kontext eher ungünstig, da die Auffassung vorherrscht, für die Lösung kollektiver Probleme seien öffentliche<br />

Institutionen zuständig (Cools et al. 2004: 90). Auch Wiezorek (2005) sieht in den Einstellungsunterschieden<br />

zwischen den stärker auf Initiativen des Einzelnen setzenden Amerikanern und den nach obrigkeitlichem<br />

Handeln rufenden Deutschen ein wesentliches Hemmnis bei der Übertragung von Business Improvement<br />

Districts. Die Grundhaltung vieler Gewerbetreibender bildet also ein entscheidendes Hindernis für die<br />

Entwicklung eines gesellschaftlichen Grundkonsenses, ohne den ein gemeinschaftliches Eintreten für die<br />

Innenstadt nicht dauerhaft zu erreichen ist.<br />

Auf der anderen Seite fehlt allerdings auch bei den städtischen Dienststellen und der Politik teilweise<br />

unternehmerisches Denken und werden Innenstädte nur „verwaltet“. Dies kann z.B. hinsichtlich der<br />

(mangelnden) Unterstützung von Sonderaktionen bzw. restriktiver Genehmigungspraxis zur Frustration<br />

führen. Nicht zuletzt bei den Bemühungen um die Nachnutzung leer stehender Immobilien gibt es jedoch<br />

zunehmend positive Beispiele.<br />

Die Einrichtung von Business Improvement Districts soll es ermöglichen, dass Wirtschaft, Zivilgesellschaft<br />

und öffentliche Hand zusammenarbeiten. Dabei sollte angestrebt werden, dass nicht nur unmittelbar<br />

anstehende Aufgaben gelöst werden, sondern sich daraus eine partnerschaftliche Governance entwickelt.<br />

Das Verfahren des Business Improvement Districts könnte allerdings zu Problemen führen, da in ihm nur die<br />

unmittelbar betroffenen Grundstückseigentümer bzw. Geschäftsinhaber entscheiden, in Innenstädten aber<br />

weitaus mehr Interessen berührt sind. Obwohl der Erfolg von Innenstädten wesentlich davon abhängt, wie<br />

die Bürger zu ihr stehen, ist ihre Chance auf Beteiligung bisher meist sehr gering. Aus diesem Grunde<br />

30


sollten über repräsentative Erhebungen Verhaltensweisen, Einstellungen und Wünsche der<br />

Innenstadtbesucher erfasst werden (s. dazu als Beispiele <strong>Monheim</strong> 1998 und 2007).<br />

Das Herausarbeiten eines auch emotional verankerten standortspezifischen <strong>Prof</strong>ils ist für den Einzelhandel<br />

zunehmend wichtig, weil sich „in jüngerer Zeit ein weniger auf das Kaufverhalten, als auf die Kaufumgebung<br />

bezogenes Bild“ entwickelt (Moczala, Kopperschmidt 2004: 236). Der Kunde sucht je nach Einkaufsmotiven<br />

spezifische „Einkaufsreviere“ auf, „deren unterschiedliche Atmosphären für ihn Teil des Einkaufserlebnisses<br />

sind“ (ebenda). Schröder (1999) spricht von kulturspezifischen „Einzelhandelslandschaften“. Diese können in<br />

Abhängigkeit von der Entwicklungsgeschichte einer Einkaufsstraße erhebliche Unterschiede aufweisen –<br />

vergleichen Sie zum Beispiel eine funktionalistische Konsumrennstrecke wie die Hohe Straße in Köln mit der<br />

Kaufinger-/Neuhauser Straße in München (s. <strong>Monheim</strong> 1997)!<br />

Für den Handel muss deshalb insbesondere in den „urbanen Bummelzonen für den kultivierten<br />

Freizeiteinkauf“ neben dem Storedesign auch das Umfeld zu einem stimmigen Gesamtmilieu entwickelt<br />

werden. „Stadtraum wird zum ökonomischen Faktor für den Erfolg von Einzelhandelseinrichtungen“<br />

(Moczala, Kopperschmidt: 237). Dabei kann die Gestaltung der „Einkaufsreviere“ angesichts leerer<br />

öffentlicher Kassen nicht ausschließlich Aufgabe der Städte sein, sondern erfordert die Übernahme von<br />

Verantwortung durch die am Standort tätigen Unternehmen. Sie müssen ihren Standort als „servicescape“,<br />

als „Dienstleistungslandschaft“ profilieren, so wie dies für ein Shopping Center selbstverständlich ist (vgl. für<br />

Dienstleistungen Zeithaml, Bitner 2000: 20). Die von „Kulturträgern“ immer wieder vorgebrachte Kritik, die<br />

Städte würden inszeniert, greift insofern zu kurz, als Stadt seit ihren Anfängen immer Inszenierung bedeutet<br />

hat und im Zweifelsfall eher deren Fehlen (z. B. in der „Zwischenstadt“) zum Problem wird.<br />

Das Nebeneinander von gewachsenen Hauptgeschäftslagen und integrierten Einkaufszentren sollte im<br />

Sinne einer „Kultivierung der vielfältigen Angebote des Einkaufens wie auch der unterschiedlichen<br />

städtischen Atmosphären“ (Moczala, Kopperschmidt 2004: 238) als Stärke vermittelt werden. Bei<br />

Befragungen von Innenstadtbesuchern zur vergleichenden Wahrnehmung der Anmutungsqualitäten von<br />

Innenstadt und Einkaufszentrum zeigt sich anschaulich eine Ergänzung der beiden Standorttypen (Popp<br />

2002, <strong>Monheim</strong> 2007). Darüber hinaus sollten auch die diversifizierten Nebengeschäftslagen in diese<br />

Strategie einbezogen werden. Deß (2005) zeigt deren Potential im Hinblick auf die Lebensstilorientierung<br />

der Innenstadt am Beispiel der Regensburger Altstadt. Die heute verbreitete Resignation hinsichtlich der<br />

Zukunft der Nebengeschäftslagen verkennt deren Bedeutung und Potentiale für die Positionierung der<br />

gesamten Innenstadt.<br />

Dienstleistungsnetzwerke zur Kooperation konkurrierender Unternehmen im<br />

Destinationsmanagement als Antwort auf die Herausforderung durch Shopping Centers<br />

Kooperenz und Destinationsmanagement bilden wichtige Ansätze für die Stärkung von Innenstädten und die<br />

Integration dort errichteter Shopping Centers bzw. für die Abfederung der Auswirkungen verstärkter externer<br />

Konkurrenz (z. B. durch nicht integrierten Handel oder erstarkende Oberzentren). Dabei bedeutet<br />

Kooperenz, dass Unternehmen miteinander konkurrieren, aber gleichzeitig miteinander kooperieren, weil sie<br />

so erfolgreicher sind bzw. sich überhaupt nur am Markt behaupten können. Dies ist besonders wichtig für<br />

Dienstleistungsnetzwerke, die gemeinsam ein Leistungsbündel anbieten, so z.B. im touristischen<br />

Destinationsmanagement (ausführlich s. Woratschek et al. 2003). Dies betrifft aber auch ganz allgemein die<br />

zunehmend bewusst werdende Notwendigkeit zur Bildung strategischer Allianzen unter Einbeziehung<br />

öffentlicher Handlungsträger bzw. Planungsbeteiligter (Hatzfeld 2006).<br />

Die für Fremdenverkehrsorte unumgängliche Kooperation der jeweils untereinander konkurrierenden<br />

Beherbergungsbetriebe, Gastronomen, Einzelhändler, Verkehrsunternehmen und sonstigen Dienstleister<br />

sowie der kommunalen Einrichtungen ist weitgehend auf Innenstädte übertragbar. Diese müssen sich als<br />

Destination begreifen, die sich nur durch das Zusammenwirken aller Anbieter ungeachtet eventueller<br />

interner Konkurrenz erfolgreich gegen externe Konkurrenz am Stadtrand und in anderen Kommunen<br />

behaupten kann. Dies gilt für den gemeinsamen Auftritt der Einzelhändler verschiedener Branchen und<br />

Betriebsgrößen, wie er für Einkaufszentren selbstverständlich ist und wesentlich zu deren Stärke beiträgt.<br />

31


Dies sollte aber auch für das Management und Marketing der Erreichbarkeit zutreffen, bei denen sich die<br />

verschiedenen Verkehrsarten ergänzen und die untereinander konkurrierenden Parkhausbetreiber darauf<br />

angewiesen sind, dass Autofahrer zunächst einmal die Innenstadt für gut erreichbar halten (einschließlich<br />

der Bereitschaft, für die Serviceleistung Parken zu zahlen) und nicht gleich zu angeblich besser erreichbaren<br />

Standorten abwandern. Gerade beim Parken zeigt sich vielfach eine Unfähigkeit des örtlichen<br />

Einzelhandels, die Chancen komplexer Strategien zu begreifen. Er ist oft auf den Parkplatz vor seiner<br />

Ladentüre fixiert, während Einzelhandelsgroßprojekte ihre Besucher möglichst weite Wege innerhalb des<br />

Centers zurücklegen lassen, damit diese an möglichst vielen Anbietern vorbeikommen und zu Impulskäufen<br />

animiert werden. Die Chancen des Cross-sellings sollte auch von Innenstädten systematisch optimiert<br />

werden! Dazu gehört auch die Herausbildung profilierter Angebotsreviere.<br />

Zur Attraktivität tragen auch die Freizeitangebote bei, insbesondere die stark nachgefragte Gastronomie.<br />

Das ebenfalls wichtige besucherfreundliche Auftreten des Personals betrifft nicht nur Bedienungen; auch die<br />

„Politessen“, beliebtes Angriffsziel erzürnter Leserbriefschreiber, sollten als Helfer auftreten, die für ein „fair<br />

play“ der Autofahrer und damit die größtmögliche Aussicht auf einen freien Parkplatz sorgen und zugleich<br />

als Botschafter der Stadt den Besuchern behilflich sind. Schließlich haben viele Kommunen mit dem Ausbau<br />

von Fußgängerbereichen darauf reagiert, dass der gestalterische Auftritt nicht nur innerhalb der Betriebe,<br />

sondern auch in deren Umfeld, also den öffentlichen Räumen, hohen Ansprüchen genügen muss (s.<br />

<strong>Monheim</strong> 1997, 2005).<br />

Hier kann nicht auf alle Gesichtspunkte des durch Dienstleistungsnetzwerke zu erbringenden<br />

Destinationsmanagements eingegangen werden (näher s. Woratschek 2003). Gerade die Ansiedlung<br />

innerstädtischer Einkaufszentren könnte jedoch bei ausgewogenen Größenverhältnissen und einer Lern-<br />

und Kompromissbereitschaft auf beiden Seiten einen wichtigen Beitrag zur <strong>Prof</strong>essionalisierung des<br />

Standortes Innenstadt leisten. Dies erfordert allerdings, durch ein kontinuierliches Monitoring die bisher<br />

meist die Diskussionen und Entscheidungen dominierenden vermeintlichen „Gewissheiten“ zu hinterfragen<br />

und sich der Kritik zu stellen, wie sie heute von vielen Seiten an den Innenstädten geübt wird. Die Chancen<br />

eines derartigen Monitorings werden von den Einkaufszentren systematisch, von den gewachsenen<br />

Standorten dagegen bisher kaum genützt.<br />

Wichtige Ausnahme sind die von der Bundesarbeitsgemeinschaft der Mittel- und Großbetriebe des<br />

Einzelhandels (BAG) seit 1965 regelmäßig organisierten Besucherbefragungen ihrer Mitgliedsbetriebe,<br />

deren Potential für ein Monitoring allerdings bisher nur begrenzt genutzt wird, auch wenn in einzelnen<br />

Städten Ergebnispräsentationen erfolgten und das mit den Ausarbeitungen betraute Institut für<br />

Handelsforschung (IfH) mehrfach aggregierte Zeitreihen veröffentlichte (Schuckel, Sondermann 1998,<br />

Schuckel, Sondermann, Pangels 2005). Ein Benchmarking im Sinne direkter Städtevergleiche unterbleibt<br />

bisher. Mit diesem Ziel hat die Bundesvereinigung City- und Stadtmarketing e.V. (bcsd) gemeinsam mit der<br />

BAG erstmals 2004 Passantenbefragungen organisiert, die ergänzend zu den Besucherbefragungen der<br />

BAG zeitgleich von 25 Pilotstädten durchgeführt und vom Institut für Handelsforschung ausgewertet wurden<br />

(s. stadt.info 2005). Auch hier unterblieb allerdings ein systematischer Städtevergleich sowie eine für 2006<br />

geplante Wiederholung. Der Referent konnte in mehreren Fallstudien den Nutzen von Städtevergleichen für<br />

ein Benchmarking aufzeigen, durch das man Stärken und Schwächen einer Innenstadt besser erkennen<br />

kann (s. z. B. <strong>Monheim</strong> 1998, Heller, <strong>Monheim</strong> 2007).<br />

Trotz engagierter Ansätze des Stadtmarketing und Citymanagement fehlt oft die zur Umsetzung<br />

erforderliche breite Unterstützung. Dies liegt unter anderem an der schwachen Tradition kooperativer<br />

Führung und partnerschaftlichen Miteinanders. Gelegentlich wird versucht, dies durch externe Moderation<br />

und Mediation zu überwinden, doch ist sowohl den lokalen Milieus, als auch den übergeordneten<br />

Institutionen zu wenig bewusst, dass es sich um eine Daueraufgabe handelt, für die auch eine<br />

entsprechende personelle bzw. finanzielle Ausstattung unabdingbar ist. Dies bedeutet für die „gewachsenen“<br />

Einzelhandelsstandorte einen erheblichen Wettbewerbsnachteil gegenüber zentral gemanagten<br />

Einkaufszentren.<br />

Angesichts der Bedeutung von Innenstädten als ein für die Tradition und Identität der Städte wichtiges<br />

Kulturgut besteht dringender Handlungsbedarf. Zur Herstellung einer Chancengleichheit zwischen den<br />

erfolgreichen Einkaufszentren, die als „Benchmark“ das heute von Standorten zu erfüllende Qualitätsniveau<br />

zeigen, und den gewachsenen Innenstädten sollten die rechtlichen Voraussetzungen für die Einrichtung von<br />

32


Business Improvement Districts von allen Bundesländern geschaffen werden, damit die Innenstadtstandorte<br />

als eigenständige Destinationen durch gemeinschaftliches Handeln konkurrenzfähig werden können.<br />

Zusätzlich wären weitere Formen des Geschäftsstraßenmanagements hilfreich, z.B. Generalmieter aller<br />

Betriebe eines Standortes oder kontinuierliche professionelle Begleitung der Standortentwicklung durch<br />

spezialisierte Immobilienbüros (ein Beispiel dafür ist die Fasanenstraße in Berlin, s. Boether, Heerde 2005,<br />

Neuhauser 2006).<br />

Hatzfeld zeigt in einem Beitrag über „Strategische Allianzen in der Stadtplanung“ die großen Potentiale<br />

aufgabenbezogener Netzwerke, bei denen „die Kooperationspartner zunächst auf eigene Vorteile verzichten,<br />

um dann zusammen gemeinschaftliche (und größere) Vorteile zu erzielen“ (Hatzfeld 2006: 241). Dazu<br />

gehören die Beschleunigung von Planungsabläufen und Investitionen, die Bündelung von finanziellen und<br />

sonstigen Handlungsmöglichkeiten sowie die fachliche Qualifizierung der öffentlichen wie der privaten Seite,<br />

die mehr Verständnis für die Handlungssysteme und –logiken der Projektpartner entwickeln. Die „Pflege“<br />

von Zusammenarbeit gehört zu den Grundtechniken der Ökonomie: „Egoismus und Hilfe, ein anderes Wort<br />

für Kooperation, sind die Seiten ein und derselben Medaille. Sie sind allein nicht vorstellbar, sondern<br />

aufeinander angewiesen. Kein Ding kommt ohne das andere zurande“ (Hatzfeld 2006: 246, nach Lotter<br />

2005: 73). Die Ausschöpfung dieser Innovationspotentiale erfordert allerdings vielfach noch ein<br />

grundsätzliches Umdenken.<br />

Die historisch gewachsenen europäischen Innenstädte haben als Einzelhandelsstandorte durchaus eine<br />

Zukunft, wie der Erfolg vieler integrierter Einkaufszentren zeigt. Voraussetzung ist jedoch ein professioneller<br />

Auftritt entsprechend den Bedürfnissen der Besucher. Dazu gehören ein optimierter Mix von Branchen,<br />

Betriebsformen und Betriebsgrößen, eine strikte Serviceorientierung, eine kontinuierliche Imagepflege und<br />

positive emotionale Verankerung (Jammern macht nicht attraktiv) sowie eine gute Vernetzung mit der „Local<br />

Community“ (Verwaltung, Politik, Medien, Vereine, Meinungsführer usw.). Die Innenstadt kann sich nicht auf<br />

ihrer traditionellen Wertschätzung ausruhen, kann auch nicht länger den Zufällen der Nutzenmaximierung<br />

oder des Desinteresses einzelner Geschäftsleute und Immobilienbesitzer überlassen bleiben, sondern muss<br />

koordiniert ihre Stärken weiter entwickeln und ihre Schwächen abbauen. Einkaufszentren können dabei<br />

helfen, wenn sie integrationsfähig und –willig sind und Innenstädte eine adäquate <strong>Prof</strong>essionalisierung<br />

erreichen.<br />

Literatur<br />

bcsd (Bundesvereinigung City- und Stadtmarketing Deutschland e. V.)(Hrsg.)(2003):<br />

Business Improvement Districts (BID). Ein Modell (auch) für Deutschland?! O. O. (= Schriftenreihe Nr. 2).<br />

Boether, A., Heerde, St. (2005): Fondslösungen zur Attraktivitätssteigerung von Geschäftslagen. In: GCR Herbst/Winter<br />

2005, S. 58-61.<br />

Cools, M., Fürst, D., Zimmermann, K. (2004): Place-making und Local Governance. Kollektive Raumgestaltung im<br />

Spannungsfeld alltäglicher Konstruktionen, administrativer Steuerung und politischer Machtspiele. In: Scholich, D.<br />

(Hrsg.): Integrative und sektorale Aspekte der Stadtregion als System. Frankfurt, S. 73-95 (= Stadt und Region als<br />

Handlungsfeld. Bd. 3).<br />

Deß, Th. (2005): Einzelhandel in Nebengeschäftslagen historischer Innenstädte – Das Beispiel der Regensburger<br />

Altstadt. Arbeitsmaterialien zur Raumordnung und Raumplanung H. 239, Bayreuth.<br />

Fürst, D., Lahner, M., Zimmermann, K. (2005): Neue Ansätze integrierter Stadtentwicklung: Placemaking und Local<br />

Governance. Erkner.<br />

Handelskammer Hamburg (Hrsg.) (2004): Business Improvement District. Quartiersentwicklung durch<br />

Eigen(tümer)initiative. Hamburg.<br />

Hatzfeld, U. (2006): Strategische Allianzen in der Stadtplanung. Neue Handlungsfelder liegen nicht an bekannten<br />

Wegen. In: Deutsches Institut für Urbanistik (Hrsg.): Brennpunkt Stadt. Berlin, S. 237-249.<br />

33


Heller, J., <strong>Monheim</strong>, R. (2007): Die Augsburger Innenstadt im Bild von Verhalten und Einstellungen der Besucher und<br />

der Bevölkerung. Bayreuth (= Arbeitsmaterialien zur Raumordnung und Raumplanung H. 255) (in Vorbereitung).<br />

Landesbüro Stadtmarketing i. A. des Ministeriums für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-<br />

Westfalen (Hrsg.) (2004): Immobilien- und Standortgemeinschaften. Ein Modellprojekt des Ministeriums für Städtebau<br />

und Wohnen, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen zur Revitalisierung der Innenstädte. Münster.<br />

Moczala, Ch., Kopperschmidt, J. (2004): Mall, Markt und Discounter – Mit dem Handel urbane Räume schaffen. In: Stadt<br />

und Raum 25, S. 236-241.<br />

<strong>Monheim</strong>, R. (1997): Einflüsse von Leitbildern und Lebensstilen auf die Entwicklung der Innenstadt als Einkaufs- und<br />

Erlebnisraum. In: Jb. der Geographischen Gesellschaft Bern. Bd. 60, S. 171-197.<br />

<strong>Monheim</strong>, R. (1998): Struktur, Verhalten und Einstellungen der Besucher der Münchner City unter besonderer<br />

Berücksichtigung der Auswirkungen der neuen Ladenöffnungszeiten. Bayreuth (= Arbeitsmaterialien zur Raumordnung<br />

und Raumplanung H. 177).<br />

<strong>Monheim</strong>, R. (2005): Fußgängerbereiche – in die Jahre gekommen? In: Stadt und Raum 26, H. 2, S. 86-89.<br />

<strong>Monheim</strong>, R. (2007): Der Einzelhandel in der Bayreuther Innenstadt unter dem Einfluss eines integrierten Shopping<br />

Centers. In: Maier, J. (Hrsg.): Wirtschaftsgeographie von Bayreuth. Bayreuth (= Arbeitsmaterialien zur Raumordnung und<br />

Raumplanung H. 257). (Im <strong>Dr</strong>uck)<br />

Neuhauser, V. (2006): Dynamik einer hochwertigen Geschäftsstraße: Das Beispiel Fasanenstraße in Berlin. Bayreuth (=<br />

Arbeitsmaterialien zu Raumordnung und Raumplanung H. 251).<br />

Schröder, F. (1999): Einzelhandelslandschaften in Zeiten der Internationalisierung. Birmingham, Mailand, München.<br />

Passau (= Geographische Handelsforschung 3).<br />

Schuckel, M., Sondermann, N. (1998): Besucherstruktur und Besucherverhalten in der Innenstadt – eine<br />

Längsschnittanalyse der BAG-Untersuchungen Kundenverkehr 1976 bis 1996. In: Mitteilungen des Instituts für<br />

Handelsforschung an der Universität zu Köln 50, Nr. 2, S. 25–37.<br />

Schuckel, M., Sondermann, N., Pangels, R. (2005): Zur Entwicklung des innerstädtischen Einzelhandels – Zukunft ohne<br />

PKW-Kunden? Ergebnisse der BAG-Untersuchung Kundenverkehr 2004. In: Handel im Fokus. Mitteilungen des Instituts<br />

für Handelsforschung an der Universität zu Köln 57, H. II, S. 79-94.<br />

Stadt.info (Hrsg.)(2005): BAG/bcsd Ergebnis aus 40.000 Kundenbefragungen: “In den Innenstädten sind Kunden<br />

glücklich“. In: stadt.info Nr. 21, S. 18-19.<br />

Wiezorek, E. (2005): Business Improvement Districts. Revitalisierung von Geschäftszentren durch Anwendung des<br />

Nordamerikanischen Modells in Deutschland? Berlin (= Arbeitshefte des Instituts für Stadt- und Regionalplanung, TU<br />

Berlin H. 65).<br />

Woratschek, H., Roth, St., Pastowski, S. (2003): Kooperation und Konkurrenz in Dienstleistungsnetzwerken – Eine<br />

Analyse am Beispiel des Destinationsmanagements. In: M. Bruhn, B. Strauss (Hrsg.): Dienstleistungsnetzwerke.<br />

Jahrbuch Dienstleistungsmanagement, Wiesbaden, S. 253-284.<br />

Zeithaml, V. A., Bitner, M. J. (2000): Services Marketing. Integrating Customer Focus Across the Firm. Boston usw., 2.<br />

Auflage.<br />

34

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