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Top-Kälber bei weniger Arbeit

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4 KÄLBERAUFZUCHT<br />

Aus der Praxis für die Praxis<br />

<strong>Top</strong>-<strong>Kälber</strong> <strong>bei</strong> <strong>weniger</strong> Ar<strong>bei</strong>t<br />

Andrea Praml, Rinderzucht-Service Grub GmbH<br />

Der Fleckviehzuchtbetrieb Kraus GbR in Deubach <strong>bei</strong> Augsburg/ZV Wertingen melkt mittlerweile 150 Kühe.<br />

Nicht nur wegen der aktuellen Durchschnittsleistung seiner Herde von 10.700 kg, sondern auch aufgrund<br />

der „gelebten Doppelnutzungsphilosophie“ kann man hier von einem absoluten Fleckvieh-Spitzenbetrieb<br />

sprechen. Neben dem Verkauf von Milch und Fleisch (Bullenkälber, Schlachtkühe) werden pro Jahr ca. 20<br />

Jungkühe und 10 - 12 Zuchtbullen (davon 2 - 3 an Besamungsstationen) vermarktet.<br />

Um den innerbetrieblichen Ablauf<br />

zu optimieren und „Zeit zu sparen“<br />

werden innerhalb der Familie immer<br />

wieder sämtliche technischen<br />

Neuerungen oder Innovationen diskutiert.<br />

Der Erfahrungsbericht basiert<br />

nicht auf wissenschaftlichen<br />

Auswertungen, sondern der praktischen<br />

Erkenntnis eines Landwirtes.<br />

Milchtaxi<br />

Beweggrund für die Suche nach einer<br />

Verbesserung <strong>bei</strong> der Fütterung<br />

der <strong>Kälber</strong> war der hohe Zeitaufwand<br />

und die immer wiederkehrenden<br />

Probleme mit <strong>Kälber</strong>durchfall.<br />

Die Erfahrungen vom Betriebsleiter<br />

mit angesäuertem<br />

Milchaustauscher waren in seinen<br />

Augen nicht sehr erfolgreich, so<br />

dass er nach etwas anderem gesucht<br />

hat. Bei 200 Geburten im<br />

Jahr sind manchmal bis zu 40 Käl-<br />

Per Knopfdruck wird die gewünschte Menge<br />

Milch eingestellt und mittels Zapfhahn in den<br />

Tränkeeimer gefüllt<br />

ber gleichzeitig zu versorgen, wodurch<br />

natürlich ein enormer Keimdruck<br />

entsteht. Verantwortliche<br />

<strong>Kälber</strong>managerin ist Helga Kraus,<br />

die Gattin des Betriebsleiters. Alle<br />

neugeborenen <strong>Kälber</strong> werden in<br />

Einzeliglus untergebracht, nach<br />

2 Wochen in 5er Gruppeniglus umgestallt<br />

und später kommen die<br />

<strong>Kälber</strong> in die Gruppenhaltung. Die<br />

Tränkear<strong>bei</strong>t nahm bis März 2010<br />

jeweils 1 Stunde in Anspruch, dieser<br />

Aufwand konnte mit der Anschaffung<br />

eines Milchtaxis (Holm<br />

& Laue) mittlerweile halbiert werden.<br />

Vor Einsatz des Milchtaxis fand Georg<br />

Kraus <strong>bei</strong> verschiedenen Recherchen<br />

heraus, dass in den USA<br />

seit vielen Jahren ein Großteil der<br />

Milchviehbetriebe und mit zunehmender<br />

Tendenz auch die Betriebe<br />

in Ostdeutschland die Vollmilch<br />

vor der Verfütterung pasteurisieren.<br />

Da<strong>bei</strong> verspricht man sich zum<br />

einen bessere tägliche Zunahmen<br />

und was noch bedeutender ist, eine<br />

bessere Tiergesundheit. Bisher<br />

nicht verwendbare Milch mit hohem<br />

Zellgehalt kann so ohne Bedenken<br />

verfüttert werden. Durch<br />

das Pasteurisieren werden 99,5 %<br />

der Keime in der Milch abgetötet,<br />

besonders die <strong>bei</strong> der Milcherzeugung<br />

gefürchteten Erreger wie<br />

E.coli, Staphylokokken, Enterokokken<br />

etc., die teilweise zu schweren<br />

Durchfallerkrankungen <strong>bei</strong> <strong>Kälber</strong>n<br />

führen können.<br />

<strong>Kälber</strong>fütterung<br />

Die ersten drei Mahlzeiten bekommt<br />

jedes Kalb Biestmilch von<br />

der Mutter. Ab dann erhalten sie<br />

pasteurisierte Milch, die sehr gut<br />

getrunken wird.<br />

Nichtmarktfähige Milch (mit Ausnahme<br />

von Antibiotikamilch), wird<br />

im Doppel-12er-Fischgrätenmelkstand<br />

separat in Kübel gemolken,<br />

vom Melkstand direkt per Luftdruck<br />

in die Milchkammer gepumpt<br />

und in einem separaten<br />

Tank gesammelt. Aus diesem Tank<br />

wird dann das Milchtaxi befüllt. Die<br />

Milch wird mit einem Wasserkühler<br />

auf 15° C heruntergefahren und<br />

verbleibt bis zur nächsten Fütterung<br />

im Milchtaxi. Die Erhitzung<br />

und Pasteurisierung erfolgt automatisch<br />

2 Stunden vor der Verfütterung,<br />

die Milch wird auf 64° C erhitzt<br />

und anschließend auf die Gebrauchstemperatur<br />

von 42° C heruntergekühlt<br />

und da<strong>bei</strong> gehalten.<br />

Gerade hier sieht Familie Kraus einen<br />

Vorteil gegenüber dem bisherigen<br />

Fütterungsregime, denn <strong>bei</strong><br />

der großen Anzahl der <strong>Kälber</strong><br />

konnte im bisherigen System nur<br />

für die ersten Tiere eine Tränketemperatur<br />

von ca. 42° C garantiert<br />

werden.<br />

Das Milchtaxi kann insgesamt 200 l<br />

Vollmilch fassen und ist von Frau<br />

Kraus durch den Batteriebetrieb<br />

per Knopfdruck leicht zu bedienen.<br />

Für jedes Kalb wird die individuelle<br />

Milchmenge eingegeben und<br />

mittels Zapfhahn in den <strong>Kälber</strong>eimer<br />

gefüllt.<br />

Weibliche <strong>Kälber</strong> erhalten 8 Wochen<br />

lang Vollmilch, in den ersten<br />

8 - 10 Tagen jeweils 5 l/Tag, danach<br />

7 l maximal, ab der 4. Woche wird<br />

die Milchmenge reduziert. Männliche<br />

Mastkälber erhalten 9 l/Tag bis<br />

zur Vermarktung in Wertingen.<br />

Weitere Managementdetails sind<br />

<strong>Kälber</strong>decken im Winter in den ersten<br />

2 Lebenswochen sowie das<br />

FLECKVIEHWelt 3/2010


konsequente 14-tägige Auswechseln<br />

der <strong>Kälber</strong>nuckel.<br />

Neben der Vollmilch bekommen die<br />

<strong>Kälber</strong> bereits im Iglu eine <strong>Kälber</strong>-<br />

TMR, deren Zusammensetzung sich<br />

seit 5 Jahren sehr gut bewährt hat.<br />

Angaben pro Tonne<br />

250 kg gutes Heu (1. Schnitt)<br />

oder Luzerneheu<br />

150 kg geschrotete Melasseschnitzel<br />

300 kg Wintergerste<br />

127,5 kg Eiweißkomponente<br />

(35/4)<br />

22,5 kg Mineralfutter + Hefe<br />

Die <strong>Kälber</strong>-TMR wird in den ersten<br />

8 Lebenswochen ad libitum verabreicht,<br />

nach dem Absetzen der<br />

Milch erhalten die <strong>Kälber</strong> die Kuh-<br />

TMR, anfangs noch mit <strong>Kälber</strong>-<br />

TMR vermischt.<br />

Nach 6-monatiger Erfahrung sprechen<br />

die Ergebnisse für sich. Die<br />

Mastkälber können 2 Wochen früher<br />

über den <strong>Kälber</strong>markt verkauft<br />

werden, selbst Berufskollegen bemerken<br />

den Unterschied und reden<br />

Herrn Kraus schon mal auf die <strong>Kälber</strong>qualität<br />

an. Mein persönlicher<br />

Eindruck <strong>bei</strong> der Begutachtung der<br />

<strong>Kälber</strong> – die <strong>Kälber</strong> sind ungemein<br />

vital, haben ein glänzendes Haarkleid,<br />

Durchfallprobleme sind nicht<br />

erkennbar, obwohl mit dem zeitlichen<br />

Beginn des Pasteurisierens<br />

die Rota-Corona-Impfung der Kühe<br />

beendet wurde.<br />

Die Investition von 5.000 z ist natürlich<br />

eine erhebliche Größe, die<br />

sich laut Familie Kraus aber sehr<br />

schnell amortisiert.<br />

Wissenschaftliche<br />

Untersuchungen<br />

Versuch an der Fachhochschule Kiel<br />

An der Fachhochschule Kiel wurden<br />

in einer praktischen Diplomar<strong>bei</strong>t<br />

die Auswirkungen der Pasteurisierung<br />

auf die Gesundheit und<br />

die Entwicklung der <strong>Kälber</strong> untersucht.<br />

Der Versuch verlief in drei <strong>Kälber</strong>gruppen,<br />

die mit unterschiedlich<br />

behandelter <strong>Kälber</strong>milch gefüttert<br />

worden sind. Die Kontrollgruppe<br />

(K) erhielt unbehandelte Vollmilch,<br />

eine Gruppe (S) wurde mit ange-<br />

FLECKVIEHWelt 3/2010<br />

säuerter Milch und eine weitere<br />

Gruppe (P) mit pasteurisierter<br />

Milch (65 Grad Celsius über 35 Minuten)<br />

getränkt.<br />

Während des Versuchs gab es zwei<br />

Untersuchungen zur Bestimmung<br />

der Keimart und -menge in der<br />

Milch. Untersucht wurden verschiedene<br />

Keime, die <strong>bei</strong> der Aufnahme<br />

über die Nahrung krankmachende<br />

Wirkungen entfalten können.<br />

Bei der ersten Untersuchung<br />

sank der Gesamtkeimgehalt nach<br />

dem Pasteurisieren auf einen Wert<br />

von 0,4 %. Alle pathogenen Keime<br />

wie E-Coli, Staphylokokken und Enterokokken<br />

waren abgetötet (siehe<br />

Grafik).<br />

Bei einer weiteren Untersuchung<br />

wurde festgestellt, dass es sich <strong>bei</strong><br />

den Keimen, die die Pasteurisierung<br />

überlebten, um Sporenbildner<br />

handelte, die keine Krankheiten<br />

auslösen. Daraus lässt sich schließen,<br />

dass die Pasteurisierung die<br />

Gefahr der oralen Infektion durch<br />

Krankheitserreger aus der Milch<br />

stark einschränken, vielleicht sogar<br />

gänzlich verhindern kann.<br />

Der Anteil an Durchfall erkrankter<br />

<strong>Kälber</strong> war in Gruppe K nahezu<br />

doppelt so hoch wie in Gruppe P.<br />

Die täglichen Zunahmen der <strong>Kälber</strong><br />

betrugen in Gruppe K 678 g/Tag, in<br />

Gruppe S 705 g/Tag und in Gruppe<br />

P 728 g/Tag. Weiterhin wurden in<br />

Gruppe P 29 g höhere tägliche<br />

Kraftfutteraufnahmen registriert als<br />

in Gruppe K.<br />

KÄLBERAUFZUCHT 5<br />

Unterbrechung<br />

der Infektionskette<br />

Die Abtötung der Keime durch das<br />

Pasteurisieren ist auch von Bedeutung<br />

durch die Unterbrechung der<br />

Übertragung von Erregern auf die<br />

weibliche Nachzucht.<br />

Es ist ja bekannt, dass verschiedene<br />

Mastitiserreger (z.B. Staphylokokkus<br />

Aureus) nach Übertragung<br />

durch die Muttermilch im Kalb eingekapselt<br />

und später in der ersten<br />

Laktation wieder freigesetzt werden.<br />

Wird dieser Infektionsweg<br />

unterbrochen, kann das in Problembetrieben<br />

zu einer Verbesserung<br />

der Eutergesundheit in der<br />

Herde führen.<br />

Prozessablauf <strong>bei</strong>m automatischen Pasteurisieren<br />

Grafik: Holm & Laue<br />

Das Milchtaxi macht ein zügiges Füttern der <strong>Kälber</strong> möglich

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