ME 285-Heft - Berliner MieterGemeinschaft eV
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Mittelpunkt. Deren Angebote sollen ausgeweitet,<br />
aber auch die mit ihnen verbundenen<br />
Verpflichtungen attraktiver gemacht<br />
werden. Eine Schule in Sunderland konnte<br />
durch NDC das Tragen von Schuluniformen<br />
verwirklichen, weil der lokale Fußballclub als<br />
Sponsor fungiert und nun dessen Logo auf den<br />
Uniformen prangt. Tatsächlich besitzen nun<br />
nahezu alle 400 SchülerInnen die geforderten<br />
Kleidungsstücke.<br />
Wertlose Wohnquartiere<br />
Schließlich gehört zu den zentralen Problemen<br />
die Wohnsituation, der Zustand von Gebäuden<br />
und Wohnungen, für die der Bericht in den<br />
nachfragearmen benachteiligten Quartieren<br />
vor allem „skrupellose private Hausbesitzer“<br />
verantwortlich macht. Diese hätten die Häuser<br />
zu billigsten Konditionen gekauft, an Wohngeldempfänger<br />
vermietet und sich dann nicht<br />
mehr darum gekümmert. Neben den Mieter-<br />
Innen, die unter den skandalösen Wohnverhältnissen<br />
leiden, sind auch die ihr<br />
Wohneigentum selbst nutzenden Besitzer<br />
betroffen: Der Wert ihrer Eigenheime hat sich<br />
in den vergangenen zehn bis 15 Jahren zum<br />
Teil mehr als halbiert. In Hartlepool etwa liegen<br />
4500 Wohneinheiten, von denen 55% von<br />
den Eigentümern selbst bewohnt sind, 21%<br />
werden von privaten Hausbesitzern vermietet,<br />
und der Rest besteht aus sozialem Wohnungsbau.<br />
Während hier die Aufgabe des NDC-Teams im<br />
Wesentlichen darin besteht, den Teilabriss<br />
einiger Straßenzüge möglichst konfliktarm zu<br />
organisieren und Videoüberwachung zu installieren<br />
– eine vollständige Wiederaufwertung<br />
oder auch nur Wiederherstellung aller<br />
Gebäude des Gebiets gilt als unmöglich –, sind<br />
die Herausforderungen in Oldham ungleich<br />
größer. Dies weniger, weil hier der Erneuerungsbedarf<br />
im Wohnungsbereich in den<br />
nächsten zehn Jahren auf 30 Mio. Britische<br />
Pfund (etwa 43 Mio. Euro) geschätzt wird,<br />
sondern vielmehr, weil Rassismus eine<br />
entscheidende Rolle für die NDC-Teams spielt.<br />
Reichhaltiger Rassismus<br />
Das „Sunday Time Magazine“ hatte im Januar<br />
2002 in einer Titelstory über Oldham den<br />
Rassismus gegen den pakistanischen Bevölkerungsteil<br />
aus dem Quartier Glodwick – sie<br />
stellt dort über 10% der Bevölkerung – zu<br />
einem gegen die weißen Briten im Quartier<br />
Fitton Hill umdefiniert. Die Zeitung betitelte die<br />
dort wohnenden Briten als „neue ethnische<br />
Minderheit“ und wusste von einem 75-<br />
Jährigen zu berichten, der „zu Brei“ geschlagen<br />
worden sei, „weil er weiß war.“<br />
Erneut wurden so Auseinandersetzungen angeheizt,<br />
eine neofaschistische Schlägerbande,<br />
„Combat 18“, bildete sich im Quartier. Die<br />
rassistische British National Party (BNP)<br />
agitiert in diesem Gebiet nur zu Wahlkampfzeiten<br />
massiv, und sie schreibt sich die<br />
Etablierung von NDC auf ihre Fahnen,<br />
während die Programmbeteiligten versuchen,<br />
die Nachbarschaften zusammenzuführen.<br />
Tony Hurley, NDC-Direktor des Quartiers, beschreibt<br />
dies folgendermaßen: „Wir betonen<br />
nicht mehr die beiden unterschiedlichen<br />
Quartiere, sondern haben begonnen, für die<br />
102 Straßen in unserem Distrikt Leute zu<br />
mobilisieren, die dort die Meinungen der<br />
BewohnerInnen erfragen. Wir wollen uns auf<br />
spezifische Gruppen, etwa Ältere, konzentrieren<br />
und denken, dass wir so in der Lage<br />
sein werden, sechs oder sieben Gemeinschaften<br />
in unserem Gebiet zu definieren, für<br />
die wir dann entsprechende Kommunikationsformen<br />
entwickeln werden.“ Die Beantwortung<br />
der Frage, ob es sich um ein rassistisches<br />
Quartier handelt, zeigt deutlich erkannte<br />
Herausforderungen, aber auch, dass es Tendenzen<br />
zur Verharmlosung gibt: „Dass die BNP<br />
behauptet, die Etablierung des NDC-Programms<br />
in unserem Quartier sei Verdienst ihrer<br />
Mobilisierung, kotzt uns an. Zwar sagt man,<br />
Rassismus sei der Grund, dass es in Fitton Hill<br />
so wenig Asiaten gibt, aber das ist nicht die<br />
ganze Geschichte. Ihnen behagt die<br />
Wohnform der Großsiedlung einfach weniger.<br />
Wenn Sie Fitton Hill besuchen, werden Sie<br />
sehen, dass Sie dort nur wenig rassistische<br />
Graffitis finden“. Institutionelle Regeln sind<br />
gleichwohl fixiert worden, um die Einflussmöglichkeiten<br />
von organisierten Rechten in<br />
NDC-Gremien auszuschließen. Hurley sagt, es<br />
sei „sichergestellt, dass Mitarbeiter in NDC-<br />
Gremien die Interessen aller im Quartier<br />
vertreten.“ Das allerdings wäre in der Tat ein<br />
„New Deal“.<br />
Nachlese:<br />
- Dahme, H.-J./ Otto, H.-U./ Trube, A./<br />
Wohlfahrt, N. (Hrsg.): Soziale Arbeit für den<br />
sozialen Staat. Opladen, 2003: Leske + Budrich<br />
Verlag<br />
- Dahrendorf, R.: Die globale Klasse und die neue<br />
Ungleichheit. In: Merkur (<strong>Heft</strong> 11) 2000<br />
- Deutsches Institut für Urbanistik (Hrsg.):<br />
Strategien für die Soziale Stadt. Erfahrungen<br />
und Perspektiven. Berlin, 2003: Selbstverlag,<br />
vergriffen (Download unter:<br />
http://www.sozialestadt.de)<br />
- Office of the Deputy of the Prime Minister<br />
(Editor): New Deal for Communities (Annual<br />
Review 2001/02). West Yorkshire, 2003.<br />
(Download unter:<br />
http://www.neighbourhood.gov.uk)<br />
„NDC ist ein<br />
Experiment“<br />
In Großbritannien wird<br />
das Quartiersmanagement<br />
New Deal for<br />
Communities mit<br />
Milliarden gefördert<br />
Interview mit Fred Robinson und Keith Shaw<br />
Das britische Quartierserneuerungs- und<br />
Armutsbekämpfungsprogramm New<br />
Deal for Communities wird mit umgerechnet<br />
287 Mio. Euro pro Jahr gefördert.<br />
Nur wenige jedoch können<br />
davon profitieren. Warum dies so ist<br />
und wie das Programm funktioniert,<br />
fragte das MieterEcho in einem Interview<br />
mit zwei der beteiligten Wissenschaftler.<br />
MieterEcho (<strong>ME</strong>): Was sind Sie von Beruf<br />
und was tun Sie genau bei der Evaluierung des<br />
New Deals for Communities? Werden Sie von<br />
der Regierung bezahlt?<br />
Keith Shaw (KS): Ich bin Dozent und Forscher<br />
an der Universität von Northumbria. Und einer<br />
von ca. 80 MitarbeiterInnen bei der Evaluierung<br />
des NDC. Diese Evaluierung ist eine der<br />
umfangreichsten, die je für die Regierung<br />
durchgeführt wurden. Die Gutachter wurden<br />
von verschiedenen Universitäten und privaten<br />
Beratungsfirmen berufen und führen ihre<br />
Arbeit unter Prof. Paul Lawless (Sheffield<br />
Sallam Universität) durch. Meine besondere<br />
Aufgabe liegt in der Koordination und<br />
Unterstützung der Teams, die die vier NDCs im<br />
Norden Englands evaluieren (Newcastle,<br />
Sunderland, Hartlepool und Middlesbrough).<br />
Darüber hinaus bin ich für eine Fallstudie<br />
zuständig, die Fragen ökologischer Nachhaltigkeit<br />
in einer Gruppe von NDCs untersucht.<br />
Alle diese Studien werden von der Regierung<br />
nach Anzahl der Arbeitstage finanziert. Wir<br />
sprechen hier von bedeutenden Summen, die<br />
sich um 10 Mio. Britische Pfund bewegen.<br />
Fred Robinson (FR): Ich bin Forscher an der<br />
Universität Durham und einer der vielen<br />
MitarbeiterInnen bei der Evaluierung der NDC-<br />
Programme. Da der NDC sehr innovativ ist und<br />
16 <strong>ME</strong> 301/2003