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Beton-Informationen 6 · 2004<br />
G 25190<br />
Beton-Informationen<br />
6 · 2004<br />
■<br />
Die neue<br />
Hauptverwaltung<br />
der Norddeutschen<br />
Landesbank in<br />
Hannover<br />
85
Beton-Info intern – Beton-Info in tern Beton-Informationen<br />
Eine periodisch erscheinende<br />
Informationsschrift für die Verwendung<br />
von hüttensandhaltigen Zementen<br />
Die neue Hauptverwaltung der Norddeutschen Landesbank in Hannover<br />
Der neue Hauptsitz der Norddeutschen Landesbank ist das spektakulärste Gebäude, das<br />
in den letzten Jahren in Hannover entstanden ist. Mit seiner Transparenz, seinem markanten<br />
Hochhaus, mit mutigen Konstruktionen und einem innovativen Energiekonzept<br />
zählt der Neubau auch bundesweit zu den zukunftsweisenden Bürokomplexen.<br />
Als Sieger eines internationalen Wettbewerbs hat das renommierte Architekturbüro<br />
Behnisch, Behnisch & Partner aus Stuttgart für 1500 Bankmitarbeiter ein attraktives<br />
Arbeitsumfeld geschaffen. Mit dem einladenden öffentlichen Innenhof und einer ansprechenden<br />
Gastronomie- und Ladenzeile erhält der Stadtraum zugleich neue Impulse.<br />
Neben den architektonischen Qualitäten des neuen Bankgebäudes, das komplett in<br />
Stahl<strong>beton</strong>-Skelettbauweise entstanden ist, zählt auch die eingesetzte Technik – von<br />
der natürlichen Klimatisierung über die Beleuchtung bis zum Schwingungstilger – zu<br />
den Besonderheiten. Gestalterisch tragen auch zahlreiche Kunstwerke zum interessanten<br />
Erscheinungsbild des Hauses bei.<br />
Hervorzuheben sind auch die für die Gründung erforderlichen 194 Bohrpfähle aus<br />
Beton mit Hochofenzement, die gleichzeitig als Endwärmetauscher zur Kühlung des<br />
Gebäudes im Sommer genutzt werden.<br />
Autorin:<br />
Dipl.-Ing. Architektin Martina Flamme-Jasper, Journalistin, Körtingstraße 8, 30161 Hannover<br />
Beton-Informationen 6 · 2004<br />
86<br />
Wir<br />
wünschen<br />
allen unseren Lesern<br />
frohe Weihnachten und<br />
ein gesundes und erfolgreiches<br />
neues Jahr 2005<br />
Beton-Info intern – Beton-Info in tern<br />
Heft 6 · 2004, 44. Jahrgang<br />
ISSN 0170-9283<br />
Herausgeber:<br />
Holcim (Deutschland) AG, Hamburg<br />
ANNELIESE Zementwerke AG, Ennigerloh<br />
Dyckerhoff AG, Wiesbaden<br />
HeidelbergCement AG, Heidelberg<br />
LAFARGE Zement GmbH, Oberursel<br />
Readymix Hüttenzement GmbH, Dortmund<br />
SCHWENK Zement KG, Ulm<br />
Redaktion:<br />
Dr.-Ing. K. Rendchen (verantw.)<br />
BetonMarketing Nord GmbH<br />
Hannoversche Straße 21<br />
31319 Sehnde<br />
Telefon 0 51 32 / 87 96-0<br />
Telefax 0 51 32 / 87 96-15<br />
E-mail hannover@<strong>beton</strong>marketing.de<br />
Redaktionsbeirat:<br />
Ing. P. Bilgeri,<br />
Readymix Westzement GmbH<br />
Dipl.-Ing. R. Büchel,<br />
Verlag Bau+Technik GmbH<br />
Dr.-Ing. N. Ehrlich,<br />
SCHWENK Zement KG<br />
Dr.-Ing. R. Härdtl,<br />
HeidelbergCement Technology Center GmbH<br />
Dr.-Ing. E. Lang, Forschungsgemeinschaft<br />
Ei sen hüt ten schlac ken<br />
Dr. M. Höppner, Holcim (Deutschland) AG<br />
Dipl.-Ing. W. Möller, Dyckerhoff AG<br />
Dipl.-Ing. J. Plöhn,<br />
LAFARGE Zement GmbH<br />
Nachdruck nur mit Genehmigung<br />
der Redaktion<br />
Schutzgebühr: € 5,00 zzgl. 7 % MwSt.<br />
Jahres-Abo.: € 25,00 zzgl. 7 % MwSt.<br />
Konto: BetonMarketing Nord GmbH<br />
Hallbaum-Bank (BLZ 250 601 80)<br />
Konto-Nr. 82693<br />
Verlag: Verlag Bau+Technik GmbH<br />
Postfach 12 01 10, 40601 Düsseldorf<br />
Tel. 02 11 / 9 24 99-0<br />
Layout/Grafi ken: Ute Müller<br />
Lithos und Druck:<br />
Loose-Durach GmbH, Remscheid<br />
Titelbild: Der Hochhausturm der Nord/LB<br />
Rückbild: Blick in den Innenbereich des<br />
Verwaltungsgebäudes<br />
Photos: Reinecke
Die neue Hauptverwaltung<br />
der Norddeutschen Landesbank<br />
in Hannover<br />
Von Martina Flamme-Jasper, Hannover<br />
1 Baugeschichte<br />
1.1 Einführung und Wettbewerb<br />
Die Norddeutsche Landesbank<br />
(NORD/LB) ist bereits seit Mitte der<br />
50er Jahre in Hannover am Georgsplatz<br />
ansässig, in direkter Nachbarschaft<br />
zum heutigen neuen Verwaltungsgebäude.<br />
Kontinuierliches<br />
Wachstum führte dazu, dass die<br />
Bank schließlich in der Landeshauptstadt<br />
auf 16 unterschiedliche Standorte<br />
verteilt war und die Verantwortlichen<br />
Anfang der 90er Jahre<br />
überlegten, wie man diese Teilbereiche<br />
wieder zusammenführen könnte.<br />
Eine Möglichkeit war, ein großes<br />
Haus außerhalb der Stadt zu bauen,<br />
da es in der Nachbarschaft kein un-<br />
bebautes Grundstück mehr gab. Die<br />
Alternative bestand darin zu versuchen,<br />
einzelne Grundstücksfl ächen<br />
nach und nach von verschiedenen<br />
Eigentümern aufzukaufen, um<br />
sie dann zusammenhängend zu nutzen.<br />
Die Entscheidung für die zweite<br />
Variante hat durchaus auch Symbolcharakter:<br />
Es musste erst Altes<br />
abgerissen werden, damit etwas<br />
Neues entstehen konnte. Das alte<br />
denkmalgeschützte Haus am Georgsplatz<br />
wurde modernisiert und<br />
wird mit zwei weiteren Gebäuden<br />
am Aegidientorplatz weitergenutzt,<br />
so dass sich die NORD/LB heute mit<br />
dem Neubau auf vier Häuser in unmittelbarer<br />
Nachbarschaft konzentriert,<br />
die untereinander fußläufi g zu<br />
erreichen sind.<br />
Bild 1: Luftaufnahme der NORD/LB und der unmittelbaren Umgebung<br />
Die Planung des neuen Verwaltungsgebäudes<br />
für rund 1.500 Mitarbeiter<br />
stellte eine große Herausforderung<br />
dar. Initialzündung für den Erwerb<br />
des knapp 15.000 m 2 großen Grundstücks<br />
war die Aufl ösung eines alten<br />
Siemens-Standorts an der Willy-Brandt-Allee.<br />
In der Folge konnte<br />
die NORD/LB auch die angrenzenden<br />
Flächen aufkaufen, so dass einem<br />
Neubau schließlich nichts mehr<br />
im Wege stand. Bei der Planung galt<br />
es vor allem, auf die städtebaulichen<br />
Bezüge zur unmittelbaren Umgebung<br />
Rücksicht zu nehmen und<br />
der exponierten Lage am Innenstadtkern<br />
in direkter Nachbarschaft<br />
zum Neuen Rathaus gerecht zu werden<br />
(Bild 1). Um eine optimale Lösung<br />
zur Bebauung des riesigen Areals<br />
am Aegi zu bekommen, wurde<br />
1995 ein internationaler Architektenwettbewerb<br />
ausgelobt, dessen<br />
Teilnehmerzahl auf zwölf beschränkt<br />
wurde. Eingeladen wurden renommierte<br />
Architekturbüros, die aufgrund<br />
ihrer unterschiedlichen Entwurfs-<br />
und Gestaltungsansätze eine<br />
große Bandbreite interessanter Arbeiten<br />
erwarten ließen:<br />
– BKSP Bahlo Köhnke Stosberg &<br />
Partner, Hannover<br />
– Behnisch, Behnisch & Partner,<br />
Stuttgart<br />
– Mario Botta, Lugano/Italien<br />
– Walter Brune, Düsseldorf<br />
– gmp von Gerkan, Marg und Partner,<br />
Hamburg<br />
– KSP Engel Kraemer Schmiedecke<br />
Zimmermann, Köln<br />
- Kuhn-Pramann-Steinweg, Braunschweig<br />
- Leonhardt, Schirmer, Meyer,<br />
Hannover<br />
- Murphy/Jahn Inc. Architects,<br />
Chicago/USA<br />
- PSP Pysall, Stahrenberg & Partner,<br />
Braunschweig<br />
- Schweger + Partner, Hannover<br />
- Storch und Ehlers, Hannover<br />
Beton-Informationen 6 · 2004<br />
87
Bild 2: Wettbewerbsmodell 3. Platz,<br />
gmp von Gerkan, Marg & Partner<br />
Mitte Dezember 1995 erhielten diese<br />
Büros die Wettbewerbsunterlagen<br />
mit allen relevanten Angaben zum<br />
Baugrund und zur Topografi e, zu infrastrukturellen<br />
und städtebaulichen<br />
Rahmenbedingungen, zu Denkmalschutz<br />
und Stadtgeschichte und zu<br />
konkreten Zielvorgaben des künftigen<br />
Nutzers, um sich mit der Bauaufgabe<br />
vertraut zu machen und<br />
mögliche Rückfragen zu formulieren,<br />
die dann während eines Kolloquiums<br />
am 24. Januar 1996 beantwortet<br />
wurden. Drei Monate später,<br />
Ende April 1996, mussten die Wett-<br />
Bild 5: Haupteingang der Bank<br />
Beton-Informationen 6 · 2004<br />
88<br />
Bild 3: Wettbewerbsmodell 2. Platz,<br />
KSP Engel Kraemer Schmiedecke Zimmermann<br />
bewerbsarbeiten mit einer Kennzahl<br />
versehen nach Hannover geschickt<br />
werden. Gefordert waren unterschiedliche<br />
zeichnerische Darstellungen,<br />
ein Modell, eine Konzeptionsdarlegung,<br />
Flächenberechnungen<br />
und ein Erläuterungsbericht.<br />
In der Jurysitzung am 21. Juni 1996<br />
hatte das Preisgericht dann die Qual<br />
der Wahl. Sechs Fachpreisrichter und<br />
fünf Sachpreisrichter (= 11 Stimmberechtigte)<br />
fällten nach drei Rundgängen<br />
und intensiven Diskussionen<br />
schließlich ihr Urteil:<br />
Bild 4: Wettbewerbsmodell 1. Platz,<br />
Behnisch, Behnisch & Partner<br />
6. Platz PSP Pysall, Stahrenberg &<br />
Partner (einstimmig)<br />
5. Platz Schweger + Partner<br />
(einstimmig)<br />
4. Platz Storch und Ehlers<br />
(8:3 Stimmen)<br />
3. Platz gmp von Gerkan, Marg und<br />
Partner (8:3 Stimmen) (Bild 2)<br />
2. Platz KSP Engel Kraemer Schmiedecke<br />
Zimmermann (einstimmig)<br />
(Bild 3)<br />
1. Platz Behnisch, Behnisch & Partner<br />
(einstimmig) (Bild 4)<br />
Die Begründung der Jury für die Siegerarbeit<br />
bezog sich unter anderem<br />
auf die Anpassung der Gebäudehöhe<br />
an die angrenzende Wohnbebauung,<br />
auf die klaren Baukanten und<br />
die durch eine Blockrandbebauung<br />
hergestellten städtebaulichen Bezüge.<br />
Auch die gute Lage und die Form<br />
des Haupteingangs am Aegi (Bild 5)<br />
sowie fl exibel nutzbare Hallenfl ächen<br />
und die Öffnung des Grundstücks<br />
als öffentlicher Raum wurden<br />
positiv bewertet. Außerdem überzeugten<br />
die hohe Arbeitsplatzqualität,<br />
die interessanten ökologischen<br />
Ansätze und die hohe Flexibilität des<br />
Gesamtkonzepts.<br />
Die NORD/LB folgte der Empfehlung<br />
der Jury, realisierte den erstplazierten<br />
Entwurf und sieht sich heute<br />
in ihrer Entscheidung bestätigt,<br />
weil ihre Vorgaben durch das Architekturbüro<br />
Behnisch, Behnisch und
Partner mit besonderer Kreativität<br />
umgesetzt worden sind. Die moderne<br />
Architektur hat immer eine Korrespondenz<br />
zur Nachbarbebauung.<br />
Das Bestehende geht nicht unter, es<br />
wurde im Gegenteil sogar aufgewertet,<br />
und der Turm in der Mitte der<br />
Anlage (Bild 6), der noch zusätzlich<br />
nach Abschluss des Wettbewerbsverfahrens<br />
entwickelt wurde, bildet mit<br />
seinen schwebenden Ebenen einen<br />
neuen Blickpunkt. Man hat bei der<br />
Bank Wert darauf gelegt, hier kein<br />
massives, sondern ein leichtes und<br />
transparentes Gebäude zu errichten,<br />
in dem sich die Nachbargebäude<br />
spiegeln (Bild 7) und dessen Fassaden<br />
je nach Wetterlage und Sonneneinstrahlung<br />
immer unterschiedlich<br />
wirken (Bild 8).<br />
1.2 Bauverlauf<br />
Nach dem Abschluss des Wettbewerbsverfahrens<br />
im Juni 1996 wurde<br />
das Büro Behnisch, Behnisch & Partner<br />
mit den Planungen zum Neubau<br />
der NORD/LB und mit der Weiterentwicklung<br />
des Siegerentwurfs<br />
betraut. Als sich der Vorstand der<br />
Bank entgegen ursprünglicher Überlegungen<br />
entschloss, vom bisherigen<br />
Hauptsitz am Georgsplatz auch<br />
in die neue Zentrale umzuziehen,<br />
mussten die Architekten ergänzende<br />
Vorschläge zur Erweiterung des Gebäudes<br />
und zur Schaffung zusätzlicher<br />
Bürofl ächen erarbeiten, wobei<br />
an der Höhe des Blockrands festgehalten<br />
und somit weiter auf die vorhandene<br />
Bebauungsstruktur in der<br />
Nachbarschaft eingegangen wurde.<br />
Es wurden zwei alternative Erweiterungsvorschläge<br />
erarbeitet,<br />
bei denen entweder Pavillons im Innenhof<br />
entstehen sollten oder ein<br />
Turm in der Mitte des Grundstücks.<br />
In Abstimmung mit der Stadt Hannover<br />
fi el die Entscheidung für den<br />
Turm, nicht zuletzt aus städtebaulicher<br />
Sicht, da dieser in der unmittelbaren<br />
Umgebung nicht dominant<br />
Bild 6: Der Hochhausturm in der Mitte der Gesamtanlage<br />
Bild 7: Die Rathauskuppel spiegelt sich in der ersten Glasfront.<br />
Beton-Informationen 6 · 2004<br />
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Bild 8: Der Lichteinfall prägt das Erscheinungsbild und die Raumwirkung.<br />
wirkt, dafür aber eine interessante<br />
Fernwirkung entwickelt (Bild 9).<br />
Der vom Stadtplanungsamt speziell<br />
für dieses Quartier aufgestellte Bebauungsplan<br />
durchlief alle Instanzen<br />
Bild 9: Blick vom Aegidientorplatz auf die NORD/LB<br />
Beton-Informationen 6 · 2004<br />
90<br />
wie den Bauausschuss der Landeshauptstadt<br />
Hannover und die Ratsversammlung,<br />
so dass die notwendigen<br />
Bauanträge gestellt werden<br />
konnten.<br />
Als alle nötigen Vorbereitungen abgeschlossen<br />
waren, begannen Anfang<br />
1998 die Abbrucharbeiten (Bilder<br />
10, 11, 12, 13). Bei dem Abriss<br />
der Gebäude, die ursprünglich auf<br />
dem Baugelände gestanden hatten,<br />
fi elen allein oberhalb der Erde<br />
130.000 m 3 Bauschutt an, eine sehr<br />
große Menge und außerdem kompliziert<br />
zu handhaben, da man es hier<br />
mit Baumaterialien aus unterschiedlichen<br />
Epochen zu tun hatte. So<br />
musste beispielsweise ein 3 m hoher<br />
und 2 m breiter Hauptsammler, eine<br />
alte Leitung für Abwasser und Regenwasser,<br />
gesprengt werden. Er war<br />
Ende des 19. Jahrhunderts aus hartgebrannten<br />
Klinkern gebaut worden,<br />
einem extrem harten Material.<br />
Der Abriss konnte trotzdem planmäßig<br />
innerhalb eines halben Jahres<br />
bewerkstelligt werden. Anschließend<br />
wurde mit der Aushebung der 10 m<br />
tiefen Baugrube begonnen (Bild 14),<br />
die auch wieder zahlreiche Überraschungen<br />
bereithielt. Man stieß beispielsweise<br />
auf zwei Bunker, die einem<br />
ehemaligen Lyzeum und einem<br />
öffentlichen Gebäude, das später als<br />
Sozialamt genutzt wurde, während<br />
des Zweiten Weltkriegs als Schutzräume<br />
gedient hatten. Aus Gründen<br />
der Geheimhaltung waren diese<br />
Bunker in keinem Plan eingezeichnet<br />
und ihr Abriss erforderte einen sehr<br />
großen zusätzlichen Aufwand. Auch<br />
auf Blindgänger musste man achten,<br />
denn die hannoversche Südstadt<br />
ist während des Zweiten Weltkrieges<br />
häufi g bombardiert worden, und<br />
zwar nicht, weil der Stadtteil selbst<br />
direkt angegriffen wurde, sondern<br />
weil viele Bomber nach den Luftangriffen<br />
auf Industrieeinrichtungen<br />
beim Abdrehen hier ihre Restmunition<br />
abgeworfen hatten. Die Bomben<br />
drangen aufgrund des sumpfi -<br />
gen Geländes tief in den Boden ein,<br />
und obwohl nach dem Krieg schon<br />
mehrfach Kampfmittelräumdienste<br />
nach Blindgängern gesucht hatten,<br />
haben Spezialisten die Baugrube im
Bild 10: Anfang Februar 1998. Die alte Bebauung steht noch. Bild 11: Ende Februar 1998. Die Abbrucharbeiten beginnen.<br />
Auftrag der NORD/LB noch einmal<br />
gründlich überprüft. Blindgänger<br />
hatte man in diesem Gebiet bislang<br />
bis zu einer Tiefe von maximal 6 m<br />
gefunden, und so wurde der Boden<br />
auf der Baustelle sicherheitshalber<br />
durch 1.300 Bohrungen bis zu 8 m<br />
Tiefe untersucht. Es wurden keine<br />
alten Bomben mehr entdeckt, dafür<br />
traten aber im Laufe der Ausschach-<br />
Bild 12: März 1998. Die Baustelle gibt bereits den Blick auf<br />
das Rathaus frei.<br />
tungsarbeiten noch interessante<br />
Funde von historischem Wert zutage<br />
wie das tief abgesackte Fundament<br />
eines Gebäudes aus dem 15. Jahrhundert,<br />
zahlreiche Versteinerungen<br />
und als besonderer Höhepunkt<br />
ein fast 1,5 m langer, vollständig erhaltener<br />
Oberschenkelknochen eines<br />
Mammuts, der im benachbarten<br />
Landesmuseum konserviert wurde.<br />
Aber auch der „normale“ Baustellenaushub<br />
hatte es in sich. Er enthielt<br />
so viele Quecksilberrückstände,<br />
dass 80 % des Bodens auf Sonderdeponien<br />
gebracht werden mussten.<br />
Diese Belastung ist auf die Silbererzverhüttung<br />
im Harz während<br />
des 18. Jahrhunderts zurückzuführen.<br />
Dazu verwendete man Quecksilber,<br />
dessen Reste in die Oker gelei-<br />
Bild 13: Auch bei Nacht gingen die Abbrucharbeiten oft<br />
weiter.<br />
Beton-Informationen 6 · 2004<br />
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tet wurden und dann über die Leine<br />
bis nach Hannover und schließlich<br />
über einen unterirdischen Wasserlauf<br />
zum NORD/LB-Grundstück gelangten.<br />
In einem eigens auf der Baustelle<br />
eingerichteten Labor wurde jede<br />
Lastwagenladung analysiert, individuell<br />
bewertet und entsprechend<br />
entsorgt.<br />
Beton-Informationen 6 · 2004<br />
92<br />
Bild 14: In der<br />
Baugrube stand<br />
das Grundwasser<br />
rund 3 m unter<br />
der Oberkante.<br />
Die Baugrube musste gegen das<br />
etwa 3 m unter der Oberfl äche stehende<br />
Grundwasser abgedichtet<br />
werden. In 12 m Tiefe beginnt nach<br />
unterschiedlichen weichen Bodenarten<br />
eine festere Tonschicht. Da dieser<br />
Tonstein wasserundurchlässig ist,<br />
wurden Spundbohlen rund um die<br />
gesamte Baugrube ungefähr 4 m tief<br />
in den Ton gerammt. An den Bereichen,<br />
an denen die Bohlen anein-<br />
ander stoßen, können immer einige<br />
Leckstellen entstehen. Derartige<br />
Undichtigkeiten wurden durch spezielle<br />
Kegelbohrungen erkundet und<br />
mit Zementinjektionen geschlossen.<br />
Nachdem die Baugrube dermaßen<br />
abgedichtet war, wurde das Grundwasser<br />
abgepumpt. Doch so sehr<br />
man auch pumpte, der Wasserspiegel<br />
senkte sich nicht. Als schließlich<br />
stärkere Pumpen benutzt wurden,<br />
senkte sich leider auch der Grundwasserspiegel<br />
außerhalb des Baugeländes,<br />
was für Häuser in der Nachbarschaft,<br />
die, wie beispielsweise das<br />
Rathaus auf Holzpfählen gegründet<br />
sind, bedrohliche Folgen gehabt<br />
hätte. Es musste also eine undichte<br />
Stelle, ein Grundwasserfenster geben,<br />
durch das noch Wasser ungehindert<br />
in die Baugrube strömen<br />
konnte. Nach über 50 Bohrungen,<br />
begleitet von einem vierwöchigen<br />
Baustopp, fand man diese Stelle<br />
schließlich direkt unter dem historischen<br />
Siemensgebäude, das später in<br />
den Neubau integriert werden sollte.<br />
Unterhalb dieses Gebäudes liegt<br />
eine 3 m mächtige Kiesschicht, die<br />
1 m weit in die Baugrube hineinreicht.<br />
Die Steine sind so groß, dass<br />
Bild 15: Grundsteinlegung am 7. September 1998 Bild 16: Erste Arbeiten an der bis zu 3 m dicken Bodenplatte
Bild 17: Mai 2000. Der Rohbau steht. Bild 18: Montage der Hochhausspitze<br />
sich beim Rammen eine Spundbohle<br />
verbogen hatte und deshalb Wasser<br />
eindringen konnte. Unter sehr großem<br />
Druck musste dieser Bereich mit<br />
einer Zementsuspension abgedichtet<br />
werden.<br />
Am 7. September 1998 erfolgte die<br />
Grundsteinlegung (Bild 15) und im<br />
Oktober 1998 wurde mit dem Bau<br />
begonnen (Bild 16).<br />
Bei einem Gebäude dieser Größenordnung<br />
sind die Planungen meist<br />
nie vor Baubeginn vollständig abgeschlossen,<br />
so auch bei diesem Bau-<br />
vorhaben. Man operierte mit der so<br />
genannten baubegleitenden Planung,<br />
d.h. man lag mit der Detailplanung<br />
immer nur rund drei bis vier<br />
Wochen vor dem tatsächlichen Baufortschritt.<br />
Diese Vorgehensweise ist<br />
für alle Beteiligten sehr anstrengend<br />
und belastend, da immer wieder fl exibel<br />
auf neue Situationen reagiert<br />
werden muss. Eine Baukommission<br />
aus Vertretern des Bauherrn und der<br />
Planer, die sich wöchentlich getroffen<br />
hat, begleitete die gesamte Bauphase.<br />
Wegen der zahlreicher Besonderheiten<br />
in Bezug auf Konstruktion<br />
und Tragwerksberechnungen waren<br />
Bild 19: Die Sicherheitsleitstelle der NORD/LB Bild 20: Büro im Blockrand<br />
auch die Baugenehmigungen sehr<br />
kompliziert. Für kaum einen Bereich<br />
gab es Vergleichsberechnungen, so<br />
dass von der Glasfassade im Blockrand<br />
bis zu Windlastprüfungen für<br />
das Hochhaus überall Zustimmungen<br />
im Einzelfall erteilt werden mussten<br />
und rund 50 Prüfi ngenieure und<br />
Gutachter das Bauvorhaben begleitet<br />
haben.<br />
Im Frühjahr 2000 wurden die Rohbauarbeiten<br />
planmäßig beendet<br />
(Bild 17), so dass am 24. Mai das<br />
Richtfest gefeiert werden konnte.<br />
Bei dem denkmalgeschützten<br />
Beton-Informationen 6 · 2004<br />
93
Bild 21: Blick von außen ins Betriebsrestaurant<br />
Siemensgebäude wurden 3 Fassaden<br />
originalgetreu mit dreigeteilten<br />
Sprossenfenstern und in Originalfarben<br />
wieder hergestellt. Innen musste<br />
das Gebäude völlig entkernt und<br />
für moderne Büronutzungen umgestaltet<br />
werden. Ende 2001 war der<br />
gesamte NORD/LB- Komplex schließlich<br />
weitgehend fertig gestellt. Von<br />
diesem Zeitpunkt an bekam das<br />
Haus den letzten Schliff, innen wie<br />
außen. Bis April 2002 wurde beispielsweise<br />
die Hochhausspitze montiert<br />
(Bild 18). Um die 18 m hohe<br />
Stahlkonstruktion und die dazugehörigen<br />
schweren Spezial-Glasscheiben<br />
auf das Gebäude zu heben, war<br />
drei Monate lang ein 100-m-Kran im<br />
Einsatz. An vielen stürmischen Frühjahrstagen<br />
musste der Aufbau der<br />
Hochhausspitze immer wieder ruhen,<br />
da die Montage in rund 80 m Höhe<br />
ab Windstärke 4 nicht mehr möglich<br />
war. Ab April 2002 hielt schließlich<br />
auch die „Kunst am Bau“ Einzug<br />
Beton-Informationen 6 · 2004<br />
94<br />
in die neue NORD/LB-Zentrale. Fünf<br />
namhafte Künstler gestalteten besondere<br />
Bereiche im Haus nach attraktiven,<br />
in einem eigenen Wettbewerb<br />
prämierten Entwürfen.<br />
Vor der Nutzung des Gebäudes waren<br />
natürlich auch zahlreiche technische<br />
Abstimmungsprozesse notwendig.<br />
So mussten beispielsweise<br />
große Spiegel, so genannte Heliostaten,<br />
die Sonnenlicht in dunklere<br />
Gebäudebereiche umlenken, eingerichtet<br />
werden und auch die Außenbeleuchtung<br />
wurde eingestellt. Zur<br />
Steuerung und Überwachung gebäudetechnischer<br />
Anlagen wie beispielsweise<br />
Beleuchtung, Sonnenschutz,<br />
Lüftung und Heizung war<br />
ein Automatisierungssystem LON<br />
(Local Operating Network) installiert<br />
worden, das nach vielen Testläufen<br />
rechtzeitig in Betrieb genommen<br />
wurde. Alle wichtigen Daten,<br />
die Informationen über den Zustand<br />
des Gebäudes liefern, laufen seitdem<br />
in einer Sicherheitszentrale zusammen,<br />
die rund um die Uhr besetzt<br />
ist (Bild 19). Inzwischen war<br />
die im März 2002 begonnene Möblierung<br />
der Büroräume (Bild 20) fast<br />
abgeschlossen und nachdem auch<br />
der Probelauf in der Küche des Betriebsrestaurants<br />
(Bild 21) erfolgreich<br />
verlaufen war, konnten Anfang<br />
Mai 2002 die ersten Mitarbeiter<br />
von ihrem bisherigen Arbeitsplatz in<br />
das neue Domizil umziehen. Mit einer<br />
logistischen Meisterleistung ist<br />
jeweils über die Wochenenden das<br />
Inventar gesamter Abteilungen hinübertransportiert<br />
worden, so dass<br />
die Mitarbeiter an einem Freitagnachmittag<br />
wie gewohnt ihr altes<br />
Büro verlassen haben und am nächsten<br />
Montagmorgen mit ihren Kollegen<br />
schon an den neuen Schreibtischen<br />
sitzen und weiter arbeiten<br />
konnten. Ab Mai lief der Innenausbau<br />
der Läden und Restaurants, die<br />
am Friedrichswall die gesamte Straßenfront<br />
einnehmen, ebenfalls auf<br />
Hochtouren und pünktlich zur Eröffnungsfeier<br />
am 20. Juni 2002 waren<br />
schließlich alle Bereiche der neuen<br />
NORD/LB-Zentrale fertig gestellt.<br />
Bild 22: Blick von Westen
Bild 23: Wasserfl äche im Innenhof<br />
2 Architektur und Kunst<br />
am Bau<br />
2.1 Städtebauliche Einbindung<br />
Das transparente Erscheinungsbild<br />
und die weithin sichtbare ungewöhnliche<br />
Turmkonstruktion des<br />
Gebäudes prägen heute den Standort<br />
am Rande der hannoverschen<br />
City (Bild 22). Die NORD/LB liegt genau<br />
an der Schnittstelle zwischen<br />
der Innenstadt und den angrenzenden<br />
Wohngebieten der Südstadt. Das<br />
Haus fungiert damit aufgrund sei -<br />
ner Lage und Größe als eine Art<br />
Bindeglied zwischen diesen zwei unterschiedlichen<br />
Stadtbereichen und<br />
Bild 24: Die Dächer auf dem Betriebsrestaurant sind intensiv<br />
begrünt.<br />
verknüpft hier zusammentreffende<br />
unterschiedliche stadträumliche<br />
Funktionen wie Einkaufen, Arbeiten,<br />
Wohnen, Kultur, Sport und Freizeit<br />
miteinander. Die Straßenräume<br />
werden durch das Gebäude stabilisiert,<br />
wobei die Höhenentwicklung<br />
der einzelnen Seiten jeweils auf die<br />
angrenzenden Häuser abgestimmt<br />
ist. Am Friedrichswall und zum Aegidientorplatz<br />
hat das Bankgebäude<br />
sechs bzw. sieben Geschosse, um diese<br />
Gebäudeecke entsprechend deutlich<br />
zu akzentuieren. Zur niedrigeren<br />
Wohnbebauung an der Bleichenstraße<br />
sind es vier Geschosse mit einem<br />
zurückgesetzten Dachgeschoss<br />
und an der Willy-Brandt-Allee Rich-<br />
tung Rathaus hat das Haus fünf Etagen.<br />
Mit der Blockrandbebauung<br />
sind die Architekten auf die charakteristische<br />
Baustruktur des Stadtviertels<br />
eingegangen. Dabei haben<br />
sie das teilweise denkmalgeschützte<br />
Siemensgebäude geschickt in den<br />
Neubau integriert. Der öffentliche<br />
Durchgang durch den Innenhof ist<br />
ein Angebot an die Anwohner, eine<br />
attraktive Abkürzung Richtung Innenstadt<br />
zu nutzen, und lädt gleichzeitig<br />
interessierte Passanten ein,<br />
das Haus aus einer ungewöhnlichen<br />
Perspektive zu erleben. Der Innenhof<br />
ist mit großzügigen Wasserfl ächen<br />
(Bild 23), begrünten Dächern<br />
(Bild 24) und Terrassen (Bild 25) ge-<br />
Bild 25: Pfl anzinseln setzen lebendige Akzente auf den<br />
Holzterrassen.<br />
Beton-Informationen 6 · 2004<br />
95
Bild 26: Das Restaurant „Ständige Vertretung“ neben dem<br />
Haupteingang der Bank ist ein beliebter Treffpunkt.<br />
staltet und ohne den Verwaltungsbetrieb<br />
zu beeinträchtigen, wird die<br />
gesamte Erdgeschossfront am Friedrichswall<br />
von Restaurants (Bild 26),<br />
Läden und der Galerie der NORD/LB<br />
belebt. Der Turm in der Mitte der<br />
Anlage entwickelt sich zurückgesetzt<br />
von den Straßenfronten aus<br />
den Strukturen des Blockrands nach<br />
Bild 28: Die Eingangshalle mit dem<br />
„Einbaum“ des Künstlers Fabrizio Plessi<br />
Beton-Informationen 6 · 2004<br />
96<br />
oben. Mit rund 80 m Höhe ist er<br />
auf Fernwirkung hin konzipiert und<br />
setzt einen deutlichen städtebaulichen<br />
Akzent. Der Turm lebt von seiner<br />
freien Geometrie mit den verdrehten<br />
und auskragenden Ebenen,<br />
während das Gebäude zu den Straßenräumen<br />
hin sachlich und zurückhaltend<br />
bleibt (Bild 27).<br />
Bild 27: Der Hochhausturm entwickelt sich mit seiner auffälligen<br />
Form aus der Blockrandstruktur nach oben.<br />
2.2 Erschließung<br />
Die mehrgeschossige Eingangshalle<br />
liegt im ruhigeren Innenhof in der<br />
Mitte der Anlage (Bild 28). Den Eingang<br />
erreicht man über einen großzügigen<br />
Vorplatz (Bild 29), der eine<br />
optische Verbindung zum Aegidientorplatz<br />
herstellt. In unmittelbarer<br />
Bild 29: Blick aus dem Turm auf den Eingangsvorplatz, der eine optische Verbindung<br />
zum „Aegi“ erzeugt.
Bild 30: Das Forum steht für fl exible Nutzungen zur Verfügung<br />
Verbindung zur Halle liegen das Mitarbeiterrestaurant<br />
und das so genannte<br />
Forum (Bild 30), das für<br />
Ausstellungen und Veranstaltungen<br />
genutzt wird. Die Eingangshalle<br />
wurde aus funktionalen Erwägungen<br />
in zwei Ebenen unterteilt,<br />
Im Erdgeschoss liegt der öffentliche<br />
Eingangsbereich und eine repräsentative<br />
Freitreppe (Bild 31) führt<br />
eine Etage höher, wo erst der interne<br />
Arbeitsbereich für die Mitarbeiter<br />
beginnt. Von einer Verteilerebene<br />
im ersten Obergeschoss bestehen<br />
aus dem mittleren Turmbereich Verbindungen<br />
in alle vier Himmelsrichtungen<br />
der Randbebauung: Zwei<br />
Flure führen direkt in den Ost- und<br />
Südtrakt und über zwei wettergeschützte<br />
Glasröhren (Bild 32), die<br />
bei schönem Wetter seitlich geöff-<br />
Bild 31: Die Freitreppe in der Eingangshalle<br />
net werden können, gelangt man an<br />
seinen Arbeitsplatz im Norden und<br />
Westen. Besucher können nur den<br />
Haupteingang benutzen, während<br />
den Mitarbeitern an allen Hausseiten<br />
weitere Eingänge zur Verfügung stehen.<br />
Die Zufahrt zur Tiefgarage mit<br />
rund 500 Stellplätzen liegt in der<br />
Bleichenstraße an der Rückseite des<br />
Gebäudes.<br />
2.3 Fassaden<br />
Der offene und freundliche Gebäudecharakter<br />
entsteht durch die fi -<br />
ligranen Stahlkonstruktionen und<br />
durch großzügige Verglasungen als<br />
augenfälliges Gestaltungsmerkmal.<br />
Die Glasfassaden ermöglichen an allen<br />
Seiten des Gebäudes über seine<br />
volle Höhe interessante Ein- und<br />
Ausblicke. An verkehrsbelasteten<br />
Stellen wie am Friedrichswall schützen<br />
Doppelfassaden vor Lärm und<br />
Abgasen und werden gleichzeitig zur<br />
Klimatisierung genutzt. Aus dem Innern<br />
wirkt die Farbgestaltung der<br />
Räume (Bild 33) und macht so die<br />
Struktur der Arbeitsbereiche auch<br />
von außen erlebbar. Die Innenhoffassaden<br />
wirken gestalterisch leichter<br />
als die nach außen gewandten<br />
Bereiche und auch die Fassaden zur<br />
angrenzenden Wohnbebauung sind<br />
zurückhaltender und haben ein<br />
weniger technisches Erscheinungsbild.<br />
Die Fassaden des 18-stöckigen<br />
Hochhauses erfüllen besondere Anforderungen,<br />
da hier oft mit stärkeren<br />
Windstößen und intensiver Sonneneinstrahlung<br />
gerechnet werden<br />
muss. So wurde hier teilweise mit<br />
Beton-Informationen 6 · 2004<br />
97
Bild 32: Blick in eine der gläsernen Verbindungsröhren<br />
Doppelfassaden, in denen der Sonnenschutz<br />
liegt (Bild 34), und mit<br />
Wärme abweisenden Scheiben gearbeitet.<br />
Je nach Tageszeit und unterschiedlichem<br />
Lichteinfall ändert sich<br />
das Erscheinungsbild beispielsweise<br />
häufi g durch Spiegelungen oder vorbeiziehende<br />
Wolken (Bild 35). Den<br />
Abschluss des Gebäudes bildet die<br />
Hochhausspitze aus Stahl und far -<br />
big beschichtetem Glas (Bild 36),<br />
wobei die unterschiedlich großen<br />
Glasfl ächen die vertikale Betonung<br />
des Turms nach oben fortführen<br />
(Bild 37).<br />
Beton-Informationen 6 · 2004<br />
98<br />
2.4 Innenraumgestaltung<br />
Bild 33: Blick durch eine Glasröhre und die Schrägverglasung<br />
auf die Cafeteria im Erdgeschoss<br />
Die Transparenz des Gebäudes ist<br />
fast mehr als nur ein Gestaltungsmittel,<br />
sie symbolisiert gleichzeitig<br />
auch Offenheit. Durch das moderne<br />
Bürokonzept mit seiner großen optischen<br />
Durchlässigkeit (Bild 38) wird<br />
die Kommunikation unter den Mitarbeitern<br />
gefördert. Der Trend bei<br />
Büroarbeitsplätzen entwickelt sich<br />
von der Einzelarbeit immer stärker<br />
zu kommunikativer Gruppenarbeit<br />
und so wird natürlich von den Mitarbeitern<br />
auch zunehmend mehr<br />
Offenheit erwartet. Das Umfeld<br />
regt an, sich zu öffnen und sich gegenseitig<br />
besser kennen zu lernen.<br />
Das neue Verwaltungsgebäude der<br />
NORD/LB unterstützt dieses „Aufeinander-Zugehen“<br />
nicht nur durch<br />
die offene Bürostruktur, sondern<br />
bietet dazu auch vielfältige Treffpunkte<br />
wie beispielsweise insgesamt<br />
46 Teeküchen und ein ansprechendes,<br />
teilweise künstlerisch gestaltetes<br />
Ambiente an. Das Betriebsrestaurant<br />
mit seinen großen Wandbildern<br />
und einer 16 m langen roten Ledersitzbank,<br />
auf der viele Menschen<br />
Bild 34: Blick in die Doppelfassade zur Hauptstraße
Bild 35: Doppelfassade am Friedrichswall<br />
nebeneinander und nicht isoliert sitzen,<br />
gehört ebenso dazu.<br />
Das Haus wurde so konzipiert, dass<br />
in allen Bereichen sehr wirtschaftliche<br />
Bürogrundrisse umgesetzt werden<br />
konnten. Ein durchgehendes<br />
Ausbauraster von 1,50 m erlaubt<br />
die fl exible Nutzung des Gebäudes<br />
und durch die Verwendung einer<br />
fugenlosen Stahl<strong>beton</strong>konstruktion<br />
konnte auf aussteifende Wände<br />
weitgehend verzichtet werden. Die<br />
einzelnen Gebäudeteile haben unterschiedliche<br />
Bürotiefen, so dass<br />
verschiedene Bürotypen realisiert<br />
werden konnten. In den schallisolierten<br />
Büros und Besprechungsräumen<br />
(Bild 39) wurde eine angenehme,<br />
Bild 36: Die Hochhausspitze aus Stahl<br />
und farbig beschichtetem Glas<br />
helle Arbeitsatmosphäre geschaffen.<br />
Zwischen den einzelnen Arbeitsräumen<br />
sind meist von zwei Seiten<br />
nutzbare Schränke mit Oberlicht angeordnet.<br />
Nach außen und zu den<br />
Fluren gibt es durchgehende Glasfronten.<br />
Die gewünschte Offenheit,<br />
Lichtfl uss und Kommunikation werden<br />
dadurch intensiv unterstützt<br />
und sogar sitzend am Schreibtisch<br />
hat man einen uneingeschränkten<br />
Blick ins Freie. Die Möbel für die Arbeitsbereiche<br />
sind von den Architekten<br />
speziell für dieses Gebäude<br />
entworfen worden. Sie wurden so<br />
geplant, dass sie einerseits funktional<br />
und ergonomisch, andererseits<br />
auch raumgestaltend sind. Alle Büros<br />
sind mit modernster Kommuni-<br />
Bild 38: Bürofl ur im Hochhaus Bild 39: Besprechungsraum<br />
Bild 37: Unterschiedlich große Glasfl ächen<br />
<strong>beton</strong>en die Vertikalität.<br />
kationstechnik ausgerüstet und auch<br />
Flachbildschirme sowie schnurlose<br />
Telefone erleichtern die Arbeit.<br />
In einem Gebäude mit Abmessungen<br />
von rund 150 m x 100 m gibt es natürlich<br />
viele und lange Flure. Um dem<br />
Eindruck langer Gänge entgegenzuwirken,<br />
wurden in sinnvollen Abständen<br />
neben den Treppenhäusern<br />
Sitzbereiche oder kleine Foyers eingerichtet,<br />
die die Flure rhythmisieren.<br />
Für die Gestaltung von Büros und<br />
Fluren ist neben der Transparenz auch<br />
das Farbkonzept mit den Hauptfarben<br />
Gelb und Blau in Kombination<br />
mit Weiß prägend (Bild 40). In den<br />
Büros sind die Farben an den Schränken<br />
zart und hell, in den Fluren kräf-<br />
Beton-Informationen 6 · 2004<br />
99
Bild 40: Bürofl ur im Blockrand<br />
tiger. Die Farbgestaltung folgt einem<br />
Rhythmus, die Farben wechseln von<br />
links nach rechts. So gehen Farbwellen<br />
durch die Flure, durch das ganze<br />
Haus und sind durch die gläsernen<br />
Fassaden auch von außen wahrnehmbar.<br />
Um diese optische Großzügigkeit<br />
zu erhalten, wurden hier nicht<br />
wie üblich alle 30 m Brandabschnitte<br />
eingerichtet. Durch eine fl ächendeckende<br />
Sprinklertechnik mussten<br />
nur Rauchabschnitte gebildet werden,<br />
bei denen spezielle Rauchdichtetüren<br />
ein Übertreten von Rauch verhindern.<br />
Dazu gibt es druckbelüftete<br />
Treppenhäuser, die rauchfrei gehalten<br />
und dadurch im Brandfall weiter benutzt<br />
werden können.<br />
Beton-Informationen 6 · 2004<br />
100<br />
2.5 Lichtplanung<br />
In den Büros gibt es durch<br />
schwenkbare Leuchten überall direktes<br />
Licht auf den Schreibtischen<br />
und indirektes Licht durch Deckenfl<br />
uter und Strahler auf den Schränken.<br />
Davon unabhängig sollen alle<br />
Mitarbeiter möglichst viel bei Tageslicht<br />
arbeiten können. Deshalb<br />
wurde sogar der außen liegende<br />
Sonnenschutz im Blockrand so<br />
konzipiert, dass selbst im geschlossenen<br />
Zustand noch genug Tageslicht<br />
an die Decke refl ektiert wird.<br />
Das Hochhaus ist wesentlich stärker<br />
direkter Sonneneinstrahlung ausgesetzt.<br />
An der Südostseite wurde<br />
daher der Sonnenschutz in den<br />
Zwischenraum der Doppelfassade<br />
integriert. In den anderen Bereichen<br />
wird mit innen liegenden,<br />
hochrefl ektierenden, der Sonne<br />
nachsteuernden und das Tageslicht<br />
umlenkenden Sonnen- und Blendschutzlamellen<br />
gearbeitet. Sie bestehen<br />
aus beschichtetem Reinstaluminum<br />
in konkaver Form und<br />
leiten das Licht in die Raumtiefe.<br />
Es gibt auch Bereiche im Haus, die<br />
das Sonnenlicht nur selten erreicht,<br />
wie beispielsweise der Haupteingangsbereich<br />
unterhalb des Hochhauses.<br />
Die verglaste Halle wird des-<br />
Bild 41: Heliostaten zur Lichtlenkung Bild 42: Die NORD/LB bei Nacht<br />
halb mittels spezieller Spiegel, so<br />
genannter Heliostaten, zusätzlich<br />
belichtet (Bild 41). Vom Dachbereich<br />
des Blockrands aus refl ektieren<br />
sie das Sonnenlicht entlang der Fassade<br />
in den Innenhof, in die Wasserbecken<br />
und in die Halle. Der schmale<br />
und hohe Bereich zwischen dem<br />
historischen Siemensgebäude und<br />
dem Neubau wird in ähnlicher Weise<br />
behandelt, da diese glasüberdachte<br />
Erschließungszone bis zum<br />
Erdgeschoss kaum Sonnenlicht erhält.<br />
Mit Heliostaten und Fixspiegelelementen<br />
wird das Sonnenlicht<br />
aufgespalten und als direkte Sonnenabbildung<br />
eingefangen. Sie richten<br />
sich durch eine eigene Steuereinheit<br />
vollautomatisch nach der<br />
Sonne aus. An schattigen Gebäudeseiten<br />
werden dadurch die Büros<br />
mehr mit Tageslicht versorgt, so dass<br />
die künstliche Beleuchtung reduziert<br />
werden kann.<br />
Wie die Lichtplanung im Innern des<br />
Gebäudes ist auch die Außenbeleuchtung<br />
detailliert von Spezialisten<br />
ausgearbeitet worden. Für die<br />
Fernwirkung besonders wichtig ist<br />
die Hochhausspitze, deren spezialbeschichtete<br />
blau-gelbe Glaselemente<br />
schon am Tag je nach Lichteinfall<br />
und Standpunkt des Betrachters<br />
ihre Farbwirkung ändern. Nachts
Bild 43: Bei Dunkelheit ist der Haupteingang durch Bodenscheinwerfer <strong>beton</strong>t.<br />
wird diese Spitze beleuchtet durch<br />
leistungsstarke, in die Konstruktion<br />
integrierte weiße und blaue LED-<br />
Leuchten (Bild 42). Ergänzt wird die<br />
Hochhausbeleuchtung unter anderem<br />
durch die Illumination eines<br />
Treppenhauses ebenfalls mit blauem<br />
Licht und auch einzelne Wände sind<br />
im Turm nachts beleuchtet. Dieses<br />
Konzept leuchtender Flächen wird<br />
bis in den Erdgeschossbereich des<br />
Blockrandes fortgesetzt, wodurch<br />
beispielsweise auch der Haupteingang<br />
markiert und mit Bodenscheinwerfern<br />
zusätzlich hervorgehoben<br />
wird (Bild 43). Durch die Beleuchtung<br />
der Rückwände im Betriebsrestaurant<br />
und in der Eingangshalle<br />
wird abends auch der Innenhof vom<br />
Friedrichswall aus transparent und<br />
erlebbar.<br />
2.6 Außenanlagen<br />
Die Gestaltung der Außenanlagen<br />
wurde von hannoverschen Landschaftsplanern<br />
entwickelt und trägt<br />
entscheidend zum Erscheinungsbild<br />
des Gebäudes bei. Der Innenhof<br />
wurde als architektonische<br />
Landschaft mit drei nebeneinander<br />
liegenden Seen angelegt. Er bekam<br />
eine einheitliche Pfl asterung<br />
mit freundlichen sandfarbenen Natursteinplatten<br />
aus Travertin. Wenn<br />
im Winter aufgrund der Frostgefahr<br />
das Seewasser abgelassen wird, entsteht<br />
ein großer „steinerner“ Platz<br />
(Bild 44). In Absprache mit der Stadt<br />
Hannover wurden auch die öffentlichen,<br />
an das Gebäude angrenzenden<br />
Flächen wie Bürgersteige und der<br />
Theatervorplatz mit einem von den<br />
Architekten ausgewählten Hartsandstein<br />
gestaltet. In der Maschstraße<br />
wurden Besucherparkplätze geschaffen<br />
und der alte Baumbestand durch<br />
Neupfl anzungen ergänzt.<br />
Bild 44: Die Innenhoffl äche im Winter ohne Wasser<br />
Besonders attraktiv sind zahlreiche<br />
begrünte Flächen, die sich über fast<br />
alle Etagen erstrecken. Durch die<br />
transparenten Glasfassaden sind diese<br />
gestalterischen Elemente auch im<br />
Gebäudeinneren ständig präsent und<br />
erhöhen die Attraktivität der Arbeits-<br />
und Aufenthaltsbereiche. Über<br />
begehbare begrünte Terrassen oder<br />
Holzterrassen (Bild 45) haben die<br />
Mitarbeiter auf den meisten Ebenen<br />
einen direkten Bezug nach draußen.<br />
Auch der Blick auf ein zunächst we-<br />
Beton-Informationen 6 · 2004<br />
101
Bild 45: Holzterrasse am Blockrand Bild 46: Begrüntes Umspannwerk<br />
nig attraktives Umspannwerk ist interessant<br />
gestaltet worden, denn es<br />
wurden sowohl die Dächer der einzelnen<br />
Gebäudeteile komplett übergrünt<br />
als auch rundherum große<br />
Bäume gepfl anzt (Bild 46).<br />
Bei der Dachbepfl anzung sind sowohl<br />
intensiv als auch extensiv begrünte<br />
Flächen angelegt worden.<br />
Auf dem Betriebsrestaurant entstand<br />
eine als Wiese gestaltete, üppige<br />
Staudenpfl anzung, deren rund<br />
Beton-Informationen 6 · 2004<br />
102<br />
30 verschiedene Gattungen zusammen<br />
mit Blumenzwiebeln und Kräuteransaaten<br />
ganzjährig für ein attraktives<br />
Bild sorgen (Bild 47). Je<br />
nach Jahreszeit bestimmen bei dieser<br />
1.500 m 2 großen Intensivbegrünung<br />
eher Frühlingsblumen oder<br />
sommer- und herbstblühende Stauden<br />
die Wirkung. Mohn oder Margeriten<br />
setzen Akzente, säen sich<br />
aus und wandern mit der Zeit durch<br />
die Wiese und auch Dahlien sorgen<br />
für attraktive Farbtupfer. Durch<br />
Bild 47: BlühendeDachbepfl<br />
anzung<br />
im Sommer<br />
eine nicht sichtbare Tropfbewässerung<br />
werden alle Pfl anzen optimal<br />
mit Feuchtigkeit versorgt. Weitere<br />
3.500 m 2 verteilt auf 13 Flächen sowohl<br />
auf dem Blockrand (Bild 48)<br />
als auch am Hochhaus (Bild 49) sind<br />
extensiv begrünt. Hier wurden großfl<br />
ächig unterschiedliche trockenheitsresistente<br />
Sedum-Arten gepfl<br />
anzt, die relativ anspruchslos sind<br />
und nur wenig Pfl ege benötigen,<br />
aber dennoch sehr ansprechend in<br />
verschiedenen Farben blühen.<br />
2.7 Kunst am Bau<br />
Um die attraktive transparente Architektur<br />
mit entsprechender Kunst<br />
zu ergänzen und Mitarbeitern oder<br />
Besuchern zusätzliche optische Anregungen<br />
zu bieten, wurde ein eigener<br />
Wettbewerb zum Thema „Kunst<br />
am Bau“ durchgeführt. Eine im Jahr<br />
2000 ins Leben gerufene Kunstkommission<br />
aus vier Vertretern der<br />
NORD/LB, dem Architekten und drei<br />
ausgewiesenen Kunstexperten wie<br />
z.B. Prof. Jean-Christophe Amman,<br />
damals Leiter des Museums für moderne<br />
Kunst in Frankfurt, wählte<br />
markante Bereiche im Gebäude aus,<br />
die sich besonders für das „Bespielen“<br />
mit dauerhafter Kunst anboten.<br />
Nach Vorschlägen der Fachleute<br />
wurden für jeden dieser Bereiche
Bild 48: Extensive Dachbegrünung auf dem Blockrand Bild 49: Auch bei der extensiven Dachbepfl anzung wurde<br />
auf die Farbwirkung geachtet.<br />
mindestens drei Künstler eingeladen,<br />
um Konzepte für die speziellen<br />
Raumsituationen zu entwerfen.<br />
Fünf renommierte Künstler wurden<br />
schließlich ausgewählt und mit<br />
der Umsetzung ihrer Arbeiten beauftragt.<br />
Heiner Blum, 1959 in Stuttgart<br />
geboren, ist Professor an der Hochschule<br />
für Gestaltung in Offenbach<br />
am Main. Er gestaltete für<br />
den NORD/LB-Neubau ein Treppenhaus<br />
im Südtrakt des Gebäudes. Seine<br />
Arbeit trägt den Titel „In Girum“,<br />
was übersetzt „Im Kreis“ bedeutet.<br />
In dem quadratischen Luftraum<br />
des Treppenhauses sind als<br />
zentrales Lichtelement große farbige<br />
neon-illuminierte Buchstaben<br />
aus Plexiglas installiert worden<br />
(Bild 50). Diese Buchstaben sind<br />
zu Worten und Sätzen übereinander<br />
geordnet, so dass der Betrachter<br />
sie beim Treppensteigen, also beim<br />
Laufen im Kreis lesen kann. Bei allen<br />
Sätzen handelt es sich um Zitate<br />
von Situationisten, einer internationalen<br />
Kulturbewegung der 50er<br />
und 60er Jahre, die versuchte, die<br />
Kunst mit dem Leben zu verbinden.<br />
Zu lesen sind folgende fast philosophische<br />
Zitate: „Wer über die Liebe<br />
spricht zerstört sie“, „Diese blühende<br />
Jugend wird nicht ewig währen“,<br />
„Salzig nicht süß“, „Bernhard Bern-<br />
Bild 50: Treppenhaus von Heiner Blum Bild 51: Pixelwand von Angela Bulloch<br />
hard“ und „Die Zeit erwacht im Bad<br />
der Zeichen“.<br />
Angela Bulloch, 1966 in Ontario/<br />
Kanada geboren, lebt und arbeitet<br />
heute in London und Berlin. Für<br />
die Bank gestaltete die Künstlerin<br />
eine Pixelwand an der Hauptfassade<br />
des Gebäudes am Friedrichswall. Je<br />
5 mal 6 quadratische Monitore sind<br />
dabei in der Doppelfassade 5 mal<br />
so übereinander angeordnet, dass<br />
sie fast die gesamte Höhe nutzen<br />
und einen Gebäudebereich mit Sanitäreinrichtungen<br />
und einem Treppenhaus<br />
verdecken (Bild 51). Jeder<br />
dieser insgesamt 150 Monitore entspricht<br />
einem Farbpixel und der Ge-<br />
Beton-Informationen 6 · 2004<br />
103
Bild 52: Bilderwände von Michael<br />
Craig-Martin<br />
samteindruck entsteht in der Kombination<br />
aller Pixel wie bei einem grob<br />
gerasterten Computerbild. Durch<br />
vielfältige Farbkombinationen kann<br />
eine fast unendliche Fülle von unterschiedlichen<br />
Darstellungen produziert<br />
werden.<br />
Michael Craig-Martin, 1941 in Dublin<br />
geboren und in den USA aufgewachsen,<br />
gehört seit 1989 dem<br />
Kuratorium der Londoner Tate Gallery<br />
an. Er gestaltete zwei Wände<br />
im Betriebsrestaurant der NORD/LB<br />
(Bild 52). Sie sind in kräftigen Farben<br />
bemalt und zeigen einfache Alltagsgegenstände,<br />
die teilweise auch<br />
mit der Nutzung des Raums in Zusammenhang<br />
stehen wie ein Glas,<br />
Beton-Informationen 6 · 2004<br />
104<br />
Besteck oder Obst. Da das Restaurant<br />
zu seinen anderen Seiten großzügig<br />
verglast ist und sich optisch<br />
dem Innenhof öffnet, prägen die<br />
von Michael Craig-Martin in leuchtenden<br />
Pop-Art-Farben gestalteten<br />
Bilderwände das Erscheinungsbild<br />
des Erdgeschosses in besonderer<br />
Weise.<br />
Jeff Koons, 1955 in York im US-<br />
Staat Pennsylvania geboren, lebt<br />
und arbeitet in New York und zählt<br />
als Objektkünstler zu den ganz Großen<br />
der zeitgenössischen Kunst. Sein<br />
Beitrag zur „Kunst am Bau“ ist ein<br />
überdimensionales Blumengebinde,<br />
genannt „Celebration Tulips“, das<br />
inmitten eines der drei Seen im öffentlich<br />
zugänglichen Innenhof liegt<br />
(Bild 53). Dieser Tulpenstrauß mit<br />
sieben Blüten in verschiedenen Farben<br />
besteht aus hochwertigem polierten<br />
Edelstahl, einem Material,<br />
das zusammen mit der glatten Wasserfl<br />
äche für interessante Refl ektionen<br />
sorgt. Die Produktionszeit<br />
für diese Skulptur betrug 18 Monate.<br />
Sie hat eine Gesamtlänge von<br />
rund 7,5 m, eine Breite von 6,5 m<br />
und wiegt ungefähr 4 t. Die einzelnen<br />
Blüten haben einen Durchmesser<br />
von knapp 1 m und wiegen etwa<br />
400 kg. Alle Elemente sind mit einer<br />
aus 11 Schichten bestehenden Speziallackierung<br />
behandelt.<br />
Heimo Zobernig, 1958 im österreichischen<br />
Mauthen geboren, gehört<br />
heute zu den bekanntesten<br />
zeitgenössischen Künstlern Österreichs.<br />
Für die Bank gestaltete Zobernig<br />
einen räumlich besonders interessanten<br />
Bereich, den Übergang<br />
von der neuen Architektur zum historischen<br />
Siemensgebäude (Bild 54).<br />
Der Schriftzug NORD/LB bildet dabei<br />
die Grundlage für eine geometrische<br />
Struktur, die durch Überschneidungen<br />
unterschiedlicher Farbfelder<br />
zu einem abstrakten, farbigen Wandbild<br />
wird. Die einzelnen Buchstaben<br />
sind ineinander geschoben und nehmen<br />
fast die gesamte Höhe der rückwärtigen<br />
Front des alten Siemenshauses<br />
ein. Durch diese Größe ist der<br />
Schriftzug immer nur in Teilbereichen<br />
wahrnehmbar und bietet aus<br />
unterschiedlichen Perspektiven oder<br />
Ebenen ständig neue Eindrücke.<br />
2.8 Auszeichnungen<br />
Seit seiner Fertigstellung Mitte 2002<br />
wurden der neue Verwaltungssitz der<br />
NORD/LB beziehungsweise seine Architekten<br />
bereits acht Mal auf nationaler<br />
und internationaler Ebene<br />
ausgezeichnet. Die Fachjuroren <strong>beton</strong>ten<br />
dabei meist besonders die<br />
Verbindung von ungewöhnlicher architektonischer<br />
Formensprache mit<br />
Transparenz und Funktionalität sowie<br />
Bild 53: Celebration Tulips von Jeff Koons Bild 54: Wandgestaltung von Heimo Zobernig
die gelungene städtebauliche Einbindung<br />
des Hauses in seine Umgebung.<br />
Zu den Auszeichnungen zählen<br />
unter anderem der Niedersächsische<br />
Staatspreis für Architektur 2002, der<br />
BSA-Award 2003 der amerikanischen<br />
Boston Society of Architects, der alle<br />
drei Jahre verliehene BDA-Preis und<br />
ein Sonderpreis bei der „Exhibition<br />
Interarch´ 2003 World Triennial of<br />
Architecture“ in Sofi a. Die jüngste<br />
Auszeichnung ist der RIBA Award for<br />
Architecture des Royal Institute of<br />
British Architects aus dem Jahr 2004.<br />
3 Energie- und Klimakonzept<br />
Für den Neubau der NORD/LB wurden<br />
nicht nur die Werte der damals<br />
neuen Wärmeschutzverordnung unterboten,<br />
sondern gleichzeitig ökologisch<br />
sinnvolle Maßnahmen in<br />
wirtschaftlich vernünftigen Grenzen<br />
umgesetzt. Dabei stand nicht im<br />
Vordergrund, wie beim Passivhaus<br />
einen extrem niedrigen Heizwärmebedarf<br />
zu erzielen, sondern natürliche<br />
Ressourcen wie Sonne, Wind,<br />
Außenluft und Erdreich bestmöglich<br />
zu nutzen. Damit konnte im ganzen<br />
Gebäude ein angenehmes Raumklima<br />
geschaffen und zugleich die Betriebskosten<br />
für Lüftung, Kühlung<br />
und Beleuchtung minimiert werden.<br />
Um dabei zu sinnvollen Lösungen zu<br />
gelangen, wurde schon zu Beginn<br />
der Planungen ein spezialisiertes<br />
Ingenieurbüro in die Entwicklung<br />
einbezogen. So wurden bei der Energie-<br />
und Klimatechnik neue Chancen<br />
wahrgenommen und moderne Technologien<br />
genutzt, die optimal in die<br />
Architektur integriert werden konnten.<br />
Das Ergebnis ist ein gut überlegter<br />
Zwischenweg zwischen „grüner“<br />
ökologischer Architektur und einem<br />
reinen High-Tech-Gebäude.<br />
3.1 Lüftung und Kühlung<br />
Im Gebäude wurde bewusst auf Klimaanlagen<br />
verzichtet; alle Räume<br />
haben die Möglichkeit der normalen<br />
Fensterlüftung. Dadurch wird<br />
auf einfache Weise das große Kühlpotential<br />
der Außenluft erschlossen,<br />
die in Hannover laut Statistik<br />
nur zu knapp 5 % der Jahreszeit über<br />
22 °C liegt. Wird ein Fenster geöffnet,<br />
strömt frische Luft in den Büroraum,<br />
auch nachts wenn nur kleine<br />
„Nachtklappen“ (Bild 55) offen stehen.<br />
Über teilweise abgehängte Decken<br />
oder eine Klappe gelangt die<br />
verbrauchte Luft in die Flure und<br />
wird dort gesammelt. Über Schächte<br />
wird die Abluft mit Hilfe des Kamineffektes<br />
dann zum Dach abgeführt.<br />
In einem großen Temperaturbereich<br />
geschieht dieses Absaugen ohne<br />
Hilfsmittel, bei Bedarf kann ein<br />
Ventilator zugeschaltet werden, der<br />
aber auch nur sehr wenig elektrische<br />
Energie verbraucht. Im Sommer<br />
kann mit Hilfe dieses Abluftsystems<br />
in der Nacht bis zu fünf mal<br />
pro Stunde die gesamte Luft in den<br />
Arbeitsräumen erneuert und das<br />
Gebäude so mit kühler Nachtluft<br />
durchströmt und abgekühlt werden.<br />
In dieses Konzept der passiven Kühlung<br />
sind auch die drei Seefl ächen<br />
eingeplant, die mit einer Größe von<br />
über 3.000 m 2 den gesamten Innenhof<br />
durchziehen. Wenn es draußen<br />
warm ist, verdunstet das Wasser,<br />
kühlt dadurch die Luft ab und befeuchtet<br />
sie gleichzeitig. Durch die<br />
Fenster zum Hof gelangt diese abgekühlte<br />
Luft ins Haus. Damit auch die<br />
Büros am vielbefahrenen Friedrichswall<br />
beim Öffnen der Fenster immer<br />
mit frischer Luft versorgt werden,<br />
wird die „gesunde Seeluft“ aus dem<br />
Innenhof über einen Luftkanal durch<br />
das Gebäude hindurch in die Doppelfassade<br />
geleitet. Bei der Doppelfassade<br />
(Bild 56), die Lärm und Abgase<br />
abhält, ist tagsüber die untere<br />
Fassadenklappe geschlossen und die<br />
obere offen, wodurch aus dem Innenhof<br />
automatisch immer saubere<br />
Luft nachströmt. Die Doppelfas-<br />
Bild 55: Fassadenklappe zur Nutzung<br />
kühler Nachtluft<br />
sade wird außerdem dazu benutzt,<br />
um in der Nacht die dahinter liegenden<br />
Bereiche mit Nachtkühle zu versorgen.<br />
Dazu bleiben hier die Fenster<br />
und/ oder Nachtklappen nachts<br />
ebenfalls geöffnet, dann wird die<br />
Doppelfassade unten geöffnet und<br />
oben geschlossen, und so nutzt man<br />
die Thermik, um die aufsteigende<br />
Kälte in die Büros zu leiten.<br />
An warmen Tagen werden zusätzlich<br />
die Flure zum Durchlüften benutzt,<br />
um Windbewegung zu haben.<br />
Die entsprechenden Fensterklappen<br />
in den Fluren öffnen sich automatisch,<br />
während die kleinen Klappen<br />
in den Büros von Hand geöffnet<br />
werden müssen. Auch in den schräg<br />
verglasten großen Hallen wird größtenteils<br />
mit natürlicher Lüftung gearbeitet.<br />
Wird es im Sommer darin<br />
wärmer als 24 °C, öffnen sich automatisch<br />
Lüftungsklappen im Dachbereich,<br />
was meist ausreicht, zumal<br />
das Betriebsrestaurant auch<br />
eine Sonnenschutzverglasung hat<br />
und die meisten schrägen Glasfl ächen<br />
ohnehin nach Norden ausgerichtet<br />
sind. Bei größeren Veranstaltungen<br />
mit vielen Menschen<br />
bleiben die Klappen geschlossen<br />
und eine Lüftungsanlage wird zugeschaltet.<br />
Im Winter werden die Hallen<br />
im Erdgeschoss über eine Fußbo-<br />
Beton-Informationen 6 · 2004<br />
105
Bild 56: Geöffnete Bürofenster hinter der Doppelfassade Bild 57: Schrägverglasung der Eingangshalle mit beheizbaren<br />
Profi len<br />
denheizung mit Wärme versorgt und<br />
die Schrägverglasungen haben zusätzlich<br />
beheizbare Profi le (Bild 57).<br />
Die Büroräume sind überwiegend<br />
mit Heizkörpern ausgestattet – die<br />
Heizung wird vollständig über kostengünstige<br />
Fernwärme betrieben.<br />
Warmes Wasser für die Küche des<br />
Betriebsrestaurants und alle anderen<br />
Bereiche im Haus wird über Solarkollektoren<br />
auf dem Flachdach des<br />
Blockrands erzeugt.<br />
3.2 Betonkernaktivierung<br />
Neben dem Lüftungssystem gibt es<br />
einen weiteren wichtigen Baustein<br />
Beton-Informationen 6 · 2004<br />
106<br />
für die aktive Kühlung der Büroräume,<br />
die so genannte Bauteilkühlung<br />
bzw. Betonkernaktivierung. Zum<br />
Zeitpunkt der Planung in den Jahren<br />
1997 und 1998 war diese Technologie<br />
bei vielen Beteiligten noch<br />
recht unbekannt und die Energie-<br />
Fachplaner mussten zunächst einige<br />
Überzeugungsarbeit leisten. Besuche<br />
bei bereits ausgeführten Projekten<br />
brachten schließlich die nötige<br />
Akzeptanz beim Projektteam. Für<br />
die Bauteilkühlung wurden bei der<br />
Blockrandbebauung Kunststoff-Rohre<br />
aus Polyethylen in den Betondecken<br />
verlegt (Bilder 58, 59). Die Decken<br />
sind an den Unterseiten in den<br />
Büros, bis auf einen Teilbereich an<br />
der Flurtrennwand, nicht abgehängt,<br />
um im Sommer mit Hilfe dieser Rohre<br />
eine kalte Deckenoberfl äche erzeugen<br />
zu können. Die Bauteilkühlung<br />
hält die Temperatur der Decken<br />
durchschnittlich bei maximal 22 °C.<br />
Die massiven Betondecken speichern<br />
die in der Nacht eingebrachte Kälte<br />
zwischen und geben sie langsam am<br />
Tage an den Raum ab. An extremen<br />
Sommertagen wird die Decke tagsüber<br />
auch aktiv mit kaltem Wasser<br />
gekühlt. Die Kaltwasser-Erzeugung<br />
erfolgt dann über einen Erdwärmetauscher,<br />
der unter dem Hochhaus<br />
in den Gründungspfählen angeord-<br />
Bilder 58 und 59: Einbau der Kühlschläuche
net ist und die Bodenkälte ausnutzt<br />
(Bild 60). Im Winter erwärmt eine<br />
Wärmepumpe das Wasser in diesem<br />
Kreislauf, so dass es auch zu Heizzwecken<br />
genutzt werden kann. Diese<br />
Wärmepumpe schaltet vollautomatisch<br />
zwischen Wärme- und Kältebetrieb<br />
um.<br />
Der Hochhausbereich ist im Sommer<br />
sehr starker Sonneneinstrahlung<br />
ausgesetzt und ist daher schwerer<br />
zu kühlen als der Blockrand. Deshalb<br />
wurden hier spezielle Wärme abweisende<br />
Scheiben eingebaut sowie alle<br />
Etagen mit Kühldecken versehen.<br />
Unterstützend kann eine Quellbelüftung<br />
aus den Konvektorenschächten<br />
zusätzlich kühle Luft in die Räume<br />
leiten.<br />
Im Gegensatz zu den Betondecken<br />
mit Betonkerntemperierung in den<br />
anderen Gebäudebereichen, die mit<br />
kalter Luft aus den Außenbereichen<br />
oder über die Erdwärmetauscher gekühlt<br />
werden, erfolgt die Temperaturabsenkung<br />
in den Kühldecken<br />
durch heruntergekühltes Wasser, das<br />
in zwei Kältemaschinen im Keller erzeugt<br />
wird. Dabei erzeugen sie Wärme,<br />
die wieder abgeführt werden<br />
muss. Dies geschieht über Rückkühlwerke<br />
auf dem alten Siemensgebäude,<br />
indem wie in einem Kühlturm<br />
das warme Kühlwasser versprüht<br />
und Luft dagegen geblasen wird, um<br />
es zu kühlen.<br />
3.3 Sonnenschutz- und<br />
Beleuchtungssteuerung<br />
Eine weitere wichtige Komponente<br />
zur Reduktion des Kühlenergiebedarfs<br />
ist die Bemessung des Sonnenschutzes.<br />
Er ist so gestaltet, dass<br />
bei optimaler Sonnenschutzwirkung<br />
eine zu starke Abdunkelung der<br />
Räume verhindert wird. Im oberen<br />
Viertel sind die Lamellen anders einjustiert<br />
als unten (Bild 61), so dass<br />
immer noch genügend Licht zum<br />
Bild 60: Betonieren<br />
von Bodenplatte<br />
und Gründungspfählen<br />
mit<br />
verlegten Rohren<br />
für die Erdwärmetauscher<br />
Arbeiten an die Decke und von dort<br />
auf den Schreibtisch refl ektiert wird.<br />
Sehr angenehm für die Mitarbeiter<br />
ist, dass sie selbst bei geschlossenem<br />
Sonnenschutz immer noch die<br />
Farben und Konturen der Außenwelt<br />
wahrnehmen, der Bezug nach außen<br />
ist immer gegeben. Jeder Mitarbeiter<br />
kann die Fenster öffnen,<br />
das Licht anschalten oder den Sonnenschutz<br />
einstellen, wann und wie<br />
er möchte. Falls man morgens im<br />
Dunkeln ins Büro kommt und später,<br />
bei ausreichend hellem Tageslicht,<br />
vergisst das Licht auszuschalten,<br />
übernimmt dies eine von der<br />
Außenhelligkeit gesteuerte Überwachungsschaltung.<br />
Auch nach Büroschluss<br />
wird überprüft, wo noch<br />
Licht brennt. Die Beleuchtungssteuerung<br />
außerhalb der Büros erfolgt<br />
generell helligkeitsabhängig und<br />
über Bewegungsmelder.<br />
Zur Festlegung der Qualitäten des<br />
Sonnenschutzes und der Verglasung<br />
wurden computergestützte<br />
Verschattungsstudien durchgeführt.<br />
Dabei zeigte sich beispielsweise,<br />
dass das Dach der Eingangshalle<br />
kaum von direkter Sonne erreicht<br />
wird. Nur zum Sonnenhöchststand<br />
um den 21. Juni herum streift das<br />
Sonnenlicht die Verglasung der Halle<br />
und aufgrund des spitzen Einfallswinkels<br />
ist der Anteil der eintretenden<br />
Strahlung auch nur gering. So<br />
erhält nun dieser Bereich, wie auch<br />
einige andere, ergänzend Sonnenlicht<br />
durch eine spezielle Lichtlenkung,<br />
die so genannte Heliostatentechnologie.<br />
Der Sonnenschutz fährt automatisch<br />
herunter, wenn die Sonne auf einen<br />
Gebäudebereich scheint (Bild 62).<br />
Mehrere Windwächter und eine<br />
Wetterstation auf dem Dach des<br />
7. Obergeschosses liefern unter anderem<br />
Daten zur Steuerung der Jalousien<br />
(Windstärke, Stand und Luxstärke<br />
der Sonne). Ab Windstärke 5<br />
(7,3 m/sec) werden sie automatisch<br />
hochgefahren und ein „Oberbefehl“<br />
verhindert in diesem Fall die normalerweise<br />
mögliche individuelle<br />
Schaltung. Um auch in dieser Situation<br />
bei Sonneneinstrahlung ungestört<br />
am PC arbeiten zu können, gibt<br />
es in jedem Büro verschiebbare Vorhangelemente<br />
als Blendschutz für<br />
Monitore.<br />
Beton-Informationen 6 · 2004<br />
107
Bild 61: Außen liegender Sonnenschutz Bild 62: Sonnenschutz an der Südseite des Gebäudes<br />
3.4 Energieeinsparung<br />
Der Energieverbrauch der neuen<br />
NORD/LB-Verwaltung liegt aufgrund<br />
der beschriebenen Maßnahmen<br />
deutlich unter dem von vergleichbaren<br />
Gebäuden. Nach Berechnungen<br />
der Energie-Planer ergibt sich für die<br />
gesamte Baumaßnahme folgende<br />
Bilanz zur Einsparung der Kohlendioxid-Emissionen:<br />
Durch die Tageslichttechnik, die<br />
regenerative Kälteerzeugung und<br />
kontrollierte Abluft mit thermischem<br />
Auftrieb werden 1.500 t CO 2<br />
pro Jahr eingespart, durch die Anbindung<br />
an Kraftwärmekopplung<br />
(Fernwärme) 400 t CO 2 pro Jahr und<br />
durch die thermischen Solarkollektoren<br />
mit einer Fläche von 180 m 2<br />
weitere 120 t CO 2 pro Jahr, insgesamt<br />
also 1.920 t CO 2 pro Jahr.<br />
Diese Ergebnisse sind aber nur erziel<br />
bar, weil die unterschiedlichen<br />
Anlagen des Hauses wie Lüftung,<br />
Kühlung, Sonnenschutz, Fenster,<br />
Heizung und Kunstlicht exakt aufeinander<br />
abgestimmt betrieben<br />
werden. Dafür wurde ein spezielles<br />
gesamtheitliches Steuer- und<br />
Regelungskon zept entworfen, das<br />
die Interaktion der verschiedenen<br />
Anlagen in Abhängigkeit von den<br />
Wetter- und Raumklimaverhältnissen<br />
genau defi niert.<br />
Beton-Informationen 6 · 2004<br />
108<br />
4 Tragwerksplanung<br />
Zwei Ingenieurbüros aus Hamburg<br />
und Stuttgart haben gemeinsam<br />
die Tragwerksplanung für das neue<br />
NORD/LB-Gebäude übernommen,<br />
wobei ein Team für die Berechnungen<br />
des Blockrands und das zweite<br />
Team vorwiegend für den Hochhausbereich<br />
zuständig war. Um diese besondere<br />
Aufgabe bzw. die komplexen<br />
Anforderungen an die Konstruktion<br />
des Hauses richtig zu verstehen, hilft<br />
ein kurzer Blick auf die entsprechenden<br />
Bedingungen und Vorgaben.<br />
Das Gebäude mit Außenabmessungen<br />
von rund 150 m x 100 m umfasst<br />
beinahe einen ganzen Häuser-<br />
Bild 63: Die<br />
verspringenden<br />
Ebenen des<br />
Hochhauses<br />
block. Der größte Teil des Bauwerks<br />
ist als Blockrandbebauung mit bis zu<br />
sieben Geschossen ausgeführt. Nahezu<br />
mittig wächst daraus ein Hochhaus<br />
mit weiteren elf Ebenen empor.<br />
Dieser Hochhausturm ist gegenüber<br />
den Hauptachsen des Blockrands um<br />
etwa 41° gedreht. Die Geschossdecken<br />
haben unterschiedliche Rücksprünge,<br />
so dass es abgesehen von<br />
den oberen drei Hochhausebenen<br />
keine zwei gleichen Decken im Haus<br />
gibt (Bild 63). Für eine fl exible<br />
Grundrissplanung sollte es möglichst<br />
wenig aussteifende Wände geben<br />
und die Abmessungen der tragenden<br />
Bauteile sollten ebenfalls gering gehalten<br />
werden.
4.1 Gründung<br />
Der Baugrund besteht aus einer oberen,<br />
rund 4 m mächtigen Kiesschicht<br />
mit verschiedenen darunter liegenden<br />
Tonschichten. Der obere „Hannoveraner<br />
Ton“ ist relativ weich und<br />
reagiert deutlich auf Belastungen,<br />
bei großen Lasten gibt er stark nach<br />
und bei geringeren entsprechend<br />
weniger. Außerdem war er geprägt<br />
durch die so genannten Vorbelastungen,<br />
also durch die Lasten,<br />
die bei der ursprünglichen Bebauung<br />
auf ihn gewirkt haben. Während<br />
die alten Gebäude wesentlich weniger<br />
Last auf den Untergrund ausgeübt<br />
haben als das neue Gebäude,<br />
beispielsweise im Bereich des Hochhauses,<br />
und die Belastung im Innenhof<br />
dagegen heute niedriger ist als<br />
vorher, waren also sehr große Unterschiede<br />
zu berücksichtigen. Damit<br />
schied die Möglichkeit aus, das Gebäude<br />
auf eine Bodenplatte zu stellen,<br />
was nur bei gleichmäßigen<br />
Lasten sinnvoll ist. Bei den ersten<br />
Überlegungen wurde dieses Modell<br />
simuliert und festgestellt, dass unverhältnismäßig<br />
große Setzungsunterschiede<br />
aufgetreten wären, das<br />
Hochhaus hätte sich schief gestellt,<br />
der Blockrand hätte sich zum Innen-<br />
Bild 64: Bohrpfahl mit 90 cm Durchmesser<br />
hof geneigt und der Hofbereich hätte<br />
sich aufgrund fehlender Belastung<br />
angehoben. So wurden also mit<br />
komplexen Berechnungen genau die<br />
Stellen bestimmt, die besonders großen<br />
Lasten ausgesetzt sind, um sie<br />
zusätzlich mit Pfählen zu unterstützen<br />
(Bilder 64, 65). Insgesamt wurden<br />
für diese so genannte Bodenverbesserung<br />
194 Bohrpfähle mit<br />
einem Durchmesser von 90 cm unter<br />
der Bodenplatte eingebaut (Bild 60),<br />
um die Lasten aus den oberen weichen<br />
Schichten in die unteren festen<br />
Bodenschichten zu leiten. 114 dieser<br />
Stahl<strong>beton</strong>pfähle mit einer Länge<br />
von 20 m sind allein unter dem<br />
Hochhaus angeordnet, die restlichen<br />
80 Pfähle reichen bis in eine<br />
Tiefe von 12 m und unterstützen an<br />
einigen Stellen den Blockrand. Im<br />
Bereich des Innenhofs wurden zusätzlich<br />
Zugpfähle eingesetzt, damit<br />
das Gebäude nicht auftreibt.<br />
Bei den Setzungsberechnungen für<br />
diese Pfahl-Platten-Gründung mussten<br />
auch mögliche Auswirkungen<br />
auf die angrenzende Bebauung genauestens<br />
analysiert werden, damit<br />
die Wohnhäuser in der Bleichenstraße,<br />
das angrenzende Umspannwerk<br />
oder das Siemenshaus nicht ge-<br />
Bild 65: Betonieren eines Gründungspfahls<br />
schädigt wurden. Die Bodenplatte,<br />
die rund 5.000 t Bewehrungsstahl<br />
enthält, ist in der Regel 1 m<br />
dick (Bild 66), unter dem Hochhaus<br />
verdickt sie sich auf 2 m (Bilder 67,<br />
68) und im Bereich der Aufzugsunterfahrten<br />
sogar auf 3 m (Bild 69).<br />
Aufgrund des großen Achsabstandes<br />
der Pfähle von 4,5 m und mehr wirken<br />
Bodenplatte und Pfähle bei der<br />
Lastbetragung optimal zusammen.<br />
4.2 Fugenloses Bauen<br />
Nicht zuletzt weil die Stuttgarter<br />
Tragwerksplaner über jahrzehntelange<br />
umfangreiche Erfahrungen<br />
mit fugenlosem Bauen verfügen, hat<br />
man sich bei der NORD/LB von den<br />
Vorteilen dieser Bauweise überzeugen<br />
lassen. Bauwerke ohne Fugen<br />
wie zahlreiche Viadukte oder das<br />
Colosseum in Rom gab es schon<br />
früh, viele Baumeister haben meist<br />
intuitiv so gebaut.<br />
Bei der NORD/LB wurde der gesamte<br />
Keller mit den beiden Untergeschossen<br />
fugenlos und aufgrund<br />
des hohen Grundwasserstands wasserundurchlässig<br />
als Weiße Wanne<br />
ausgebildet. Auch bei der aufgehenden<br />
Bebauung wurde die fugenlose<br />
Bauweise zum ersten Mal in dieser<br />
Konsequenz umgesetzt. Alle Decken<br />
liegen nur an wenigen Punkten auf<br />
und die Aussteifungselemente im<br />
Blockrand sind auf ein Minimum reduziert<br />
(Bild 70). Bei Fugenausbildungen<br />
wären sie nicht in der Lage<br />
gewesen, in dieser Form Kräfte zu<br />
übertragen.<br />
4.3 Hochhaus<br />
Bei den überkragenden Eingangsbereichen,<br />
der oben angehängten<br />
Doppelfassade, den besonders<br />
dünnen Stahlverbundstützen oder<br />
der speziellen Ausprägung der Erdgeschosszone<br />
waren auch in der<br />
Beton-Informationen 6 · 2004<br />
109
Bilder 66, 67, 68 und 69: Verlegen der Bewehrung für die bis zu 3 m dicke Bodenplatte<br />
Blockrandbebauung zahlreiche tragwerksplanerische<br />
Meisterleistungen<br />
erforderlich, doch steht die Konstruktion<br />
des verdrehten Hochhauses<br />
meist im Mittelpunkt des Interesses.<br />
Der Turm wird im rückwärtigen Bereich<br />
von einem bis in den Keller<br />
durchgehenden Feuerwehrschacht<br />
stabilisiert und ansonsten hauptsächlich<br />
von nur zwei Stahl<strong>beton</strong>stützen<br />
getragen (Bild 71). Auf<br />
Grund der großen aufzunehmenden<br />
Lasten haben diese Stützen einen<br />
Durchmesser von 1 m. Damit<br />
sich der Schacht und die Stützen<br />
nicht ungleichmäßig zusammendrücken,<br />
war eine diffi zile Abstimmung<br />
zwischen diesen beiden Elementen<br />
notwendig. Da die Stützen teilweise<br />
im Freien liegen, werden sie im Winter<br />
zusätzlich beheizt, um zu verhindern,<br />
dass sie sich bei unterschiedli-<br />
Beton-Informationen 6 · 2004<br />
110<br />
chen Temperaturen ausdehnen oder<br />
verkürzen. Weiteren Halt bekommt<br />
der Hochhausturm mit seinen wenigen<br />
aussteifenden Bauteilen durch<br />
die angrenzende Bebauung. Er ist im<br />
Bereich des 5. und 6. Obergeschosses<br />
in den zusammenhängenden Blockrand<br />
eingespannt.<br />
Zusätzlich schaffen einige Wandscheiben<br />
in Verbindung mit den beschriebenen<br />
Elementen ein komplexes<br />
räumliches Tragwerk. Dabei<br />
bilden jeweils mehrere diagonal beziehungsweise<br />
versetzt übereinander<br />
liegende Wände eine schräge Stütze,<br />
ein inneres räumliches Tragwerk<br />
(Bild 72). Sie wirken scheinbar beliebig<br />
angeordnet, doch sind sie so<br />
zwischen den Decken eingespannt,<br />
dass man dort Lasten aufstellen oder<br />
abhängen kann. Die genaue Platzierung<br />
dieser Wandstützen ist auf<br />
die Raumnutzungen abgestimmt, so<br />
dass keine dieser dickeren Wände<br />
in einem Raum stört. Während des<br />
Baus mussten die auskragenden Ebenen<br />
des Hochhauses durch ein Gerüst<br />
unterstützt werden, denn dieses<br />
Tragwerk aus Stützen, Treppenhauskern,<br />
Decken und Wänden war erst<br />
tragfähig, als der Beton der letzten<br />
Decke eine ausreichende Festigkeit<br />
erreicht hatte und jedes Teil statisch<br />
mitwirken konnte.<br />
Für das Hochhaus mit seinen verspringenden<br />
Ebenen musste auch<br />
der Einfl uss der Windlasten untersucht<br />
werden. Dazu wurden eigens<br />
Versuche in einem Windkanal und<br />
zahlreiche Computersimulationen<br />
durchgeführt, um die Windkräfte zu<br />
bestimmen sowie das Schwingungsverhalten<br />
und die Eigenfrequenzen<br />
zu ermitteln. In Zusammenarbeit mit<br />
einem Gutachter stellten die Tragwerksplaner<br />
schließlich fest, dass das
Hochhaus bei sehr starkem Sturm<br />
Schwingungen erzeugen kann. Man<br />
geht dabei in der obersten Ebene<br />
von einem Ausschlag von maximal<br />
20 cm aus. Für den unwahrscheinlichen<br />
Fall, dass dies in den oberen<br />
Geschossen spürbar sein sollte (was<br />
nach über zwei Jahren Betrieb bislang<br />
noch nicht der Fall war), wird<br />
im 10. Stock vorsorglich ein Raum<br />
vorgehalten, in dem, falls es die Gegebenheiten<br />
erfordern, ein Schwingungstilger<br />
angebracht werden<br />
kann, eine Einrichtung, die mögliche<br />
Schwingungen des Hochhauses<br />
kompensieren soll. Vorgeschlagen<br />
wurde ein 300 Tonnen schweres<br />
Pendel in einem Stahlgestell, das<br />
gegen den Ausschlag des Gebäudes<br />
pendeln und den Turm wieder in<br />
eine Ruhelage bringen würde.<br />
Auch bei der Berechnung der Hochhausspitze<br />
spielte unter anderem der<br />
Einfl uss des Winds eine Rolle, da einzelne<br />
Glasscheiben als Windfänger<br />
und damit als Schwingungsanreger<br />
hätten wirken können. Daher musste<br />
die Steifi gkeit der Konstruktion<br />
in ihrem Frequenzverhalten so abgestimmt<br />
werden, dass sie nicht die<br />
Eigenfrequenz des Hochhauses erreichte.<br />
Bild 70: Berechnungsmodell<br />
für<br />
die fugenlose Bauweise<br />
und Aussteifung<br />
des Gebäudes<br />
5 Schalung<br />
Bild 71: Stahl<strong>beton</strong>stützen als tragende Elemente der<br />
Hochhauskonstruktion<br />
Der NORD/LB-Neubau entstand in<br />
einer vollständigen Stahl<strong>beton</strong>-Skelettbauweise,<br />
wobei acht Aufzugs-<br />
und neun Treppenhauskerne neben<br />
Stützen und tragenden Zwischenwänden<br />
zur Aussteifung beitragen.<br />
Für die Schalung standen, ähnlich<br />
wie bei den andere Gewerken, so gut<br />
wie keine Lagermöglichkeiten und<br />
Montageplätze zur Verfügung. Deshalb<br />
musste die Anlieferung nach<br />
Bedarf erfolgen („just in time“). So<br />
setzte man bei der Schalung auf<br />
technische und kostenrelevante<br />
Vorteile durch die Verwendung eines<br />
einheitlichen Standardtischformats.<br />
Mit einer Standardtischeinheit<br />
auf nur vier Stützen konnten<br />
bei der NORD/LB 10 m 2 Decke bis zu<br />
einer Dicke von 50 cm geschalt werden.<br />
Bei dickeren Deckenteilen wurden<br />
die Tische mit zusätzlichen Stützen<br />
unterstellt. Bei noch dickeren<br />
Deckenabschnitten wurden die Tischoberkonstruktionen<br />
auf ein entsprechend<br />
hohes Traggerüst aufgelegt.<br />
Bei Passfl ächen (nur 10 % der Gesamtfl<br />
ächen) zwischen den Tischen<br />
und Verbundstützen sowie bei den<br />
Übergängen zu den aussteifenden<br />
Bild 72: Die Tragstruktur des Hochhauses mit diagonal<br />
bzw. versetzt übereinander angeordneten Wänden<br />
Beton-Informationen 6 · 2004<br />
111
Kernen wurde mit baugleichen Teilen<br />
aus dem Schalungssystem gearbeitet.<br />
Innerhalb einer Woche wurden<br />
in der Regel zwischen 800 m 2<br />
und 1.000 m 2 Deckentische montiert.<br />
Insgesamt wurden beim Bau<br />
der NORD/LB über 100.000 m 2 Deckenfl<br />
äche mit einem Standardtischformat<br />
geschalt (Bild 73). Auch die<br />
Wandschalung erfolgte nach dem<br />
Baukastenprinzip. Bei den Außenwänden<br />
der zwei Untergeschosse<br />
wurde mit großfl ächigen Elementzusammenstellungen<br />
einer Holzrahmenschalung<br />
gearbeitet. Teilweise<br />
wurde einseitig mit Abstützblöcken<br />
geschalt und bei Sichtfl ächen wie<br />
den Aufzugskernen wurde die Schalung<br />
aufgedoppelt, um die geforderte<br />
Struktur zu erreichen.<br />
6 Betontechnologie, Einbau<br />
und Nachbehandlung<br />
6.1 Betonzusammensetzung<br />
Für die Entscheidung, das Untergeschoss<br />
fugenlos als Weiße Wanne<br />
auszuführen, waren mehrere<br />
Gründen maßgebend. Die fugenlose<br />
Bauweise ermöglichte unter anderem<br />
Terminverkürzungen durch<br />
eine schnellere Bauabwicklung, sie<br />
ist eine einfache und deshalb wenig<br />
fehleranfällige Bauart und bringt<br />
Einsparungen und Vereinfachungen<br />
im Ausbau mit sich. Untersuchungen<br />
Beton-Informationen 6 · 2004<br />
112<br />
Bild 73: Deckenschalung<br />
mit<br />
Standardtischen<br />
belegen, dass abgedichtete Dehnfugen<br />
bis zu einem Alter von fünf Jahren<br />
dicht bleiben, doch danach folgt<br />
ein sprunghafter Anstieg undichter<br />
Fugen. Der Verzicht auf Fugen spart<br />
daher nicht nur Herstellungskosten,<br />
sondern auch die Unterhaltskosten,<br />
was speziell bei der NORD/LB wegen<br />
des hier vorliegenden Wasserdrucks<br />
von großer Bedeutung war. Bei einer<br />
eventuell doch notwendigen Behebung<br />
von Undichtigkeiten bietet<br />
die Weiße Wanne deutliche Vorteile,<br />
da undichte Stellen im Gegensatz zu<br />
„Schwarzen Wannen“ einfacher zu<br />
lokalisieren sind, denn Schadstellen<br />
und Wasseraustrittsstellen sind i.d.R.<br />
identisch. Das Grundwasser steht bei<br />
der NORD/LB maximal 50 cm oberhalb<br />
des Fußbodens des 1. Untergeschosses.<br />
Alle Außenbauteile, die<br />
Bodenplatte und die Wände wurden<br />
daher bis zur Unterkante Decke<br />
über dem 1. Untergeschoss als Weiße<br />
Wanne ausgebildet.<br />
Aufgrund der großen Bedeutung,<br />
die der Betontechnologie bei diesem<br />
Bauvorhaben zukam, wurden die<br />
entsprechenden Anforderungen vor<br />
Baubeginn genau festgelegt, speziell<br />
für die kombinierte Pfahl-Platten-<br />
Gründung als einem der konstruktiv<br />
wichtigsten Bereiche des Gebäudes.<br />
Für den Beton der 194 Gründungspfähle<br />
wurde Hochofenzement verwendet<br />
und für die Bodenplatte<br />
Portlandzement mit Steinkohlenfl<br />
ugasche (Tafel 1). Für die Weiße<br />
Wanne wurde ein Beton B 35 mit<br />
niedriger Wärmeentwicklung vorgeschrieben,<br />
dessen Druckfestigkeit<br />
im Alter von 56 Tagen nachzuweisen<br />
und mit 45 N/mm 2 nach oben<br />
begrenzt war. Durch einen möglichst<br />
geringen Zementleimgehalt konnte<br />
das Schwindmaß um rund 20 %<br />
reduziert werden. Durch die Zugabe<br />
von Steinkohlenfl ugasche wurde die<br />
Wärmeentwicklung und damit die<br />
Reißneigung des jungen Betons verringert.<br />
Eine große Herausforderung und<br />
Schwierigkeit war die obere Begrenzung<br />
der Betondruckfestigkeit. Dies<br />
bedeutete äußerst umfangreiche<br />
Eigenüberwachungsprüfungen mit<br />
Abstimmung von w/z-Wert und<br />
Zementgehalt auf diesen doch sehr<br />
engen Bereich der Zielfestigkeit. Nur<br />
mit erheblichem technologischen<br />
Aufwand, der unter wirtschaftlichen<br />
Aspekten nicht immer vertretbar ist,<br />
und einer entsprechend aufwendigen<br />
Qualitätskontrolle und -steuerung<br />
konnten die Anforderungen<br />
eingehalten werden.<br />
6.2 Betoneinbau<br />
Für den Bau der Nord/LB wurden<br />
insgesamt rd. 62.500 m 3 Beton eingebaut,<br />
davon alleine 2.500 m 3 für<br />
die 194 Pfähle und rd. 19.000 m 3 für<br />
die Sohlplatte.<br />
Eine ganz besondere Herausforderung<br />
stellte die Baustellenlogistik<br />
an die Transport<strong>beton</strong>lieferanten.<br />
Da das Objekt direkt am Aegi nur<br />
sehr begrenzt Raum für Baufahrzeuge<br />
hatte, musste bei allen größeren<br />
Betonierungen auf den nahe gelegenen,<br />
etwa 500 m entfernten Schüt -<br />
zen platz ausgewichen werden. Hier<br />
wurde eine mobile Zentralleitstelle<br />
eingerichtet, von der aus die Fahrmischer<br />
über Funk bzw. Telefon an
Tafel 1: Zusammensetzung von Betonen beim Bau der Nord/LB<br />
Bauteil Bohrpfähle Bodenplatte<br />
Betonfestigkeitsklasse<br />
besondere Eigenschaften<br />
Konsistenz<br />
Zementart und Festigkeitsklasse<br />
Zementgehalt z kg/m 3<br />
Wassergehalt 1)<br />
w/z<br />
(w/z) eq<br />
Gesteinskörnung<br />
Sieblinie<br />
Sand 0/2a Negenborn<br />
Kiessand 2/8 Hemmingen<br />
Kies 8/16 Nordstemmen<br />
Kies 16/32 Nordstemmen<br />
Gesamtgehalt<br />
B35<br />
Wasserundurchlässigkeit<br />
KF<br />
CEM I 32,5 R<br />
280<br />
kg/m 3 163<br />
0,58<br />
0,53<br />
kg/m 3<br />
kg/m 3<br />
kg/m 3<br />
kg/m 3<br />
kg/m 3<br />
((noch nachzutragen!!))<br />
AB 32<br />
666<br />
296<br />
425<br />
462<br />
1.849<br />
CEM I 32,5 R<br />
290<br />
168<br />
0,58<br />
0,53<br />
AB 16<br />
678<br />
392<br />
714<br />
-<br />
1.784<br />
Mehlkorn + Feinstoffgehalt kg/m 3 391 432<br />
Zusatzstoff<br />
Art<br />
Gehalt kg/m 3<br />
Zusatzmittel<br />
Art<br />
Gehalt % von z<br />
1) einschließlich Zusatzmittelgehalt<br />
die einzelnen Entladepositionen an<br />
der Baustelle gelenkt worden sind.<br />
Hierbei kam eine stationäre Fließmittelanlage<br />
zum Einsatz, um durch<br />
zielgerichtete Konsistenzen im Voraus<br />
die Verweildauer auf der Baustelle<br />
bei 250 Entladungen pro Betonierung<br />
auf ein Minimum zu<br />
reduzieren. In Spitzenzeiten konnten<br />
so bis zu 200 m 3 /h (d.h. alle 3 Minuten<br />
wurde ein voller Fahrmischer<br />
entleert) an bis zu vier Betonpumpen<br />
eingebaut werden, ohne den starken<br />
Verkehr sowie weitere, zeitgleich<br />
laufende Baumaßnahmen zu beeinträchtigen.<br />
Die durchschnittlich täglich eingebaute<br />
Betonmenge betrug etwa<br />
1.200 m 3 bis 1.300 m 3 , wobei beim<br />
Betonieren der Sohle Spitzenleistungen<br />
von bis zu 3.000 m 3 in 24 Stunden<br />
erreicht wurden. Bei diesen gro-<br />
ßen Mengen wurde der Beton mit<br />
Pumpen von allen vier Seiten der<br />
Baustelle gefördert.<br />
Sobald die Festigkeitsentwicklung<br />
es erlaubte, wurde – oft noch in der<br />
Nacht – begonnen, die Betonoberfl ächen<br />
mit Flügelglättern mit verstellbaren<br />
Flügeln zu glätten. Dies führte<br />
leider gelegentlich auf Grund der<br />
nächtlichen Ruhestörung auch zu<br />
Schwierigkeiten mit den Anwohnern!<br />
In alle Arbeitsfugen wurden zwei<br />
Verpressschläuche eingelegt, von<br />
denen einer im Verlauf der Rohbauphase<br />
verpresst wurde, während der<br />
zweite als Sicherung bei gegebenenfalls<br />
später auftretenden Leckagen<br />
verblieb. Auch in die Fugen zwischen<br />
Sohle und Wand wurden zusätzlich<br />
zu den eingebauten verschweißten<br />
Fugenblechen Verpressschläu-<br />
Steinkohlenfl ugasche<br />
70<br />
FM; BV<br />
1,20; 0,30<br />
Steinkohlenfl ugasche<br />
100<br />
che eingelegt und verpresst. Bislang<br />
wurden noch in keinem Bereich Undichtigkeiten<br />
festgestellt.<br />
Der Beton wurde grundsätzlich gepumpt<br />
und mit dem Schlauch- bzw.<br />
Rohrende 50 cm oberhalb der Betonebene<br />
eingebaut (Bild 74), um<br />
ein Entmischen des Betons durch<br />
freien Fall aus großer Höhe zu vermeiden.<br />
Zum Verdichten wurden<br />
überwiegend Innenrüttler (Bild 75)<br />
eingesetzt, wobei an einigen Bauteilen<br />
unterstützend auch Außenrüttler<br />
verwendet wurden. Die Stützen<br />
im Gebäude wurden zum Teil in<br />
Sicht<strong>beton</strong> errichtet und zum Teil<br />
als verkleidete Stahlverbundstützen.<br />
So sind teilweise die Stützen in<br />
den Untergeschossen schlanker als<br />
in den Obergeschossen, was im Rohbau<br />
zunächst recht merkwürdig aussah,<br />
heute aber zum ansprechen-<br />
Beton-Informationen 6 · 2004<br />
113
Bild 74: Betoneinbau an der Bodenplatte<br />
den Erscheinungsbild des Gebäudes<br />
beiträgt. Die beiden hochbelasteten<br />
Stützen im Hochhausbereich<br />
sind Stahlverbundstützen, wobei der<br />
Stahlkern mit Beton ummantelt ist<br />
und außen noch eine Stahlhülle hat.<br />
Unter dem äußeren Mantel liegt eine<br />
Heizleitung samt Dämmung, da die<br />
Stützen sowohl durch die Geschosse<br />
als auch im Freien verlaufen. Durch<br />
diese zusätzliche „Technikschicht“<br />
vergrößerte sich der Durchmesser<br />
der Stützen von 100 cm auf 115 cm.<br />
Löcher in der äußeren Hülle sorgen<br />
Beton-Informationen 6 · 2004<br />
114<br />
dafür, dass im Brandfall der durch<br />
die im Beton noch enthaltene Restfeuchte<br />
entstehende Wasserdampf<br />
nach außen entweichen kann.<br />
6.3 Nachbehandlung<br />
Die Nachbehandlung des Betons<br />
wurde beim Bau der NORD/LB sehr<br />
intensiv und konsequent durchgeführt.<br />
Bei den Stützen wurde<br />
als Systemschalung eine fertige<br />
Pappschalung verwendet, die nur<br />
einmal eingesetzt, anschließend<br />
aufgeschnitten und zur Nachbehandlung<br />
um die Stütze belassen<br />
wurde.<br />
Bei Decken, Wänden und bei der<br />
Sohle wurden grundsätzlich Folien<br />
und im Winter zusätzlich Dämmmatten<br />
(5 mm bis 8 mm) vorgesehen.<br />
Die Dämmmatten verblieben<br />
mindestens zwei Wochen auf dem<br />
Beton. Die PVC-Folie als erste Lage<br />
schützte den Beton zu jeder Jahreszeit<br />
gegen Austrocknen und die<br />
großfl ächig verlegten Dämmmat -<br />
ten dienten im Winter als Schutz<br />
gegen ein zu schnelles Abkühlen<br />
der Betonrandzone. Dadurch wurde<br />
sichergestellt, dass die Temperatur-<br />
Bild 75: Innenrüttler<br />
beim<br />
Verdichten des<br />
Betons der Bodenplatte<br />
differenz zwischen Betonkern und<br />
Betonoberfl äche so gering wie möglich<br />
gehalten werden konnte. Rissbildungen<br />
auf Grund von unterschiedlichen<br />
Temperaturdehnungen<br />
konnten so vermieden werden.<br />
Beim Verlegen wurde darauf geachtet,<br />
dass die Wärme dämmenden<br />
Kunststoffmatten „zugluftfrei“, d.h.<br />
fest am Beton an- bzw. aufl iegend,<br />
fi xiert wurden. Bei tiefen Temperaturen<br />
in kalten Nächten wurden teilweise<br />
Mehrfachstrahler aufgestellt.<br />
Die 1000-Watt-Strahler verhinderten,<br />
dass der Beton bei kleineren Flächen<br />
oder Stützen zu stark und zu<br />
schnell auskühlte.<br />
7 Zeiten, Zahlen und Fakten<br />
Von der Auslobung des Wettbewerbs<br />
bis zur offi ziellen Eröffnungsfeier<br />
vergingen 6,5 Jahre, vom Beginn der<br />
Baugrubenerstellung bis zum Richtfest<br />
2 Jahre (Tafel 2).<br />
In Tafel 3 sind einige Daten zusammengestellt,<br />
die einen kleinen Einblick<br />
über das Innenleben des Gebäudes<br />
(1.000 km Datenkabel!) und<br />
seine Ausstattung (17.000 Leuchten!)<br />
geben.<br />
Tafel 2: Zeitplan<br />
Auslobung<br />
Wettbewerb<br />
Entscheidung<br />
Wettbewerb<br />
Beginn<br />
Abbrucharbeiten<br />
Ende 1995<br />
21. Juni 1996<br />
Februar 1998<br />
Beginn Baugrube Frühjahr 1998<br />
Grundsteinlegung 7. September<br />
1998<br />
Beendigung Frühjahr 2000<br />
Rohbauarbeiten<br />
Richtfest 24. Mai 2000<br />
Beginn Umzug Mai 2002<br />
Eröffnungsfeier 20. Juni 2002
Bildnachweis<br />
– Behnisch, Behnisch & Partner:<br />
Bild 27, 40 (Schröder), 52 (Kandzia),<br />
54<br />
– Flamme-Jasper: Bild 5, 28, 41, 53,<br />
57<br />
Tafel 3: Zahlen und Fakten<br />
Grundstücksgröße 14.100 m2 Umbauter Raum 317.000 m3 Bruttogrundfl äche 81.000 m2 Nettogrundfl äche 71.600 m2 Hauptnutzfl äche 35.100 m2 Gebäudehöhe<br />
Blockrand<br />
bis zu 23 m<br />
Höhe des Turms 83,52 m<br />
Büroarbeitsplätze 1.500<br />
PKW-Stellplätze 500<br />
Glasfassaden rd. 40.000 m2 (14.000 Scheiben)<br />
Bürotrennwände 15.000 lfd. m<br />
(4.800 Scheiben)<br />
Datenkabel 1.000 km<br />
Elektrokabel 500 km<br />
Schwachstrom -<br />
kabel<br />
200 km<br />
Leuchten 17.000<br />
Heizkörper 3.000<br />
Automatische<br />
Brandmelder<br />
2.890<br />
Lautsprecher 2.060<br />
Aktoren für<br />
Beleuchtung<br />
und Sonnenschutz<br />
1.950<br />
Antriebe für<br />
Sonnen- und<br />
Blendschutz<br />
1.600<br />
Taster und<br />
Steckdosen<br />
17.000<br />
Kartenleser 147<br />
Zeiterfassungsterminals<br />
25<br />
– Hecht: Bild 9, 19, 22, 23, 24, 26,<br />
30, 31, 32, 33, 35, 42, 43, 45, 50,<br />
51, 56, 61, 62, 71<br />
– Johaentges: Bild 1<br />
– Nagel, Schonhoff & Partner:<br />
Bild 25, 29, 44, 48, 49<br />
– NORD/LB: Bild 2, 3, 4, 70, 72<br />
Bauschild<br />
Auftraggeber NORD/LB Norddeutsche Landesbank, Hannover<br />
Bauherr<br />
Projektsteuerung<br />
Demuro Grundstücks-Verwaltungsgesellschaft mbH & Co.KG,<br />
München<br />
NILEG Norddeutsche Immobiliengesellschaft mbH, Hannover<br />
Architekten Behnisch, Behnisch & Partner, Stuttgart<br />
Tragwerksplanung<br />
Ausführung<br />
Schalungstechnik<br />
Transport<strong>beton</strong><br />
Fassadenplanung<br />
Arbeitsgemeinschaft Tragwerksplanung NORD/LB: Wetzel &<br />
von Seth Ingenieurbüro für Bauwesen, Hamburg<br />
Pfefferkorn + Partner GbR Beratende Bauingenieure VBI,<br />
Stuttgart<br />
Arbeitsgemeinschaft Rohbau:<br />
STRABAG AG, Ronnenberg<br />
Karl Munte GmbH & Co.KG, Hannover<br />
Fritz Schuppert GmbH, Hannover<br />
Deutsche Doka Schalungstechnik GmbH, Maisach<br />
Liefergemeinschaft:<br />
Union Beton Niedersachsen GmbH & Co KG, Werksgruppe<br />
Hannover<br />
Transport<strong>beton</strong> Alex GmbH & Co., Isernhagen<br />
Leine Beton Lüpke GmbH, Pattensen<br />
Germania Beton GmbH & Co. KG, Hannover<br />
Lehrter Nordtrans-Beton GmbH, Lehrte<br />
Planungsbüro Erich Mosbacher, Friedrichshafen<br />
Energiekonzept Transsolar Energietechnik GmbH, Stuttgart<br />
Lichttechnik<br />
Landschaftsarchitekten<br />
Bartenbach Lichtlabor GmbH, München/Innsbruck<br />
Aldrans, Innsbruck<br />
Nagel, Schonhoff & Partner, Hannover<br />
– Rendchen: Bild 37, 46<br />
– Reinecke: Bild 6, 7, 8, 10, 11, 12,<br />
13, 14, 15, 16, 17, 18, 20, 21, 34,<br />
36, 38, 39, 47, 58, 60, 63, 65, 66,<br />
67, 68, 69, 73, 74, 75<br />
– Transsolar: Bild 55, 59, 64<br />
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