Kinder in ihrer Ich- und Bezugsgruppen - Kinderwelten
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KINDER IN IHRER ICH- UND BEZUGSGRUPPEN-IDENTITÄT STÄRKEN<br />
JUNI 2005<br />
„Ja, das b<strong>in</strong> ich, das kann ich <strong>und</strong> das macht mich aus!“ Damit hat es e<strong>in</strong>e gute<br />
Gr<strong>und</strong>lage für se<strong>in</strong>e weitere Identitätsentwicklung.<br />
Zu dieser Gruppe gehöre ich! Identität ist nichts Feststehendes: Immer wieder im<br />
Leben, mitunter krisenhaft <strong>und</strong> sehr belastend, kommt es zu neuen Identifikationen<br />
<strong>und</strong> Abgrenzungen. Damit ändert sich, wie Menschen sich jeweils selbst sehen <strong>und</strong><br />
wie sie gerne gesehen werden wollen. In diesem Prozess verarbeiten sie<br />
gesellschaftliche Normvorstellungen <strong>und</strong> Bewertungen über soziale Gruppen. Denn<br />
zum Wissen um die eigene Unverwechselbarkeit, zu dem, was das „<strong>Ich</strong>“ ausmacht,<br />
gehört auch, welchen sozialen Gruppen man angehört. Es gibt Zugehörigkeiten, die<br />
selbst gewählt s<strong>in</strong>d. Manche macht man nach außen h<strong>in</strong> deutlich, <strong>in</strong>dem man se<strong>in</strong>e<br />
Mitgliedschaft über bestimmte äußere Zeichen markiert (z.B. religiöse Bekleidung,<br />
Sporttrikot, Frisur). Es gibt Gruppen, denen man von anderen zugerechnet wird, etwa<br />
weil man e<strong>in</strong> bestimmtes äußeres Merkmal hat. Oder man ist konfrontiert mit<br />
Stereotypen <strong>und</strong> Vorurteilen, die es über die eigene Bezugsgruppe gibt.<br />
E<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es K<strong>in</strong>d identifiziert sich zunächst mit se<strong>in</strong>en Bezugspersonen: Mit den<br />
Menschen, die zu se<strong>in</strong>er Familie gehören. Sie s<strong>in</strong>d se<strong>in</strong>e erste Bezugsgruppe. Im<br />
<strong>K<strong>in</strong>der</strong>garten erlebt es e<strong>in</strong>e weitere Gruppenzugehörigkeit, als Krippenk<strong>in</strong>d oder als<br />
K<strong>in</strong>d <strong>in</strong> der „Sonnengruppe“ o.ä. Auch diese neue Umgebung wirkt als Spiegel: Sie<br />
sagt dem K<strong>in</strong>d nicht nur etwas über sich selbst, sondern auch über se<strong>in</strong>e Familie.<br />
Wird ihm gespiegelt, dass es willkommen ist mit den Erfahrungen, die es von<br />
zuhause mitbr<strong>in</strong>gt, dass man ihm <strong>und</strong> se<strong>in</strong>er Familie Interesse entgegenbr<strong>in</strong>gt, dass<br />
sie zusammen etwas Wichtiges beitragen können <strong>und</strong> dass se<strong>in</strong>e Gedanken <strong>und</strong><br />
Gefühle zählen, so wird es sich bestätigt <strong>und</strong> gestärkt fühlen: „Ja, ich b<strong>in</strong> richtig, wie<br />
ich b<strong>in</strong>! <strong>Ich</strong> gehöre zu me<strong>in</strong>er Familie <strong>und</strong> ich gehöre hierher, beides ist richtig <strong>und</strong><br />
gut.“<br />
Vorurteilsbewusste Bildung <strong>und</strong> Erziehung stärkt <strong>K<strong>in</strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Ich</strong>-Identität <strong>und</strong><br />
<strong>in</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Bezugsgruppen</strong>identität. Erwachsene s<strong>in</strong>d aufgefordert, jedes K<strong>in</strong>d <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em<br />
Selbstvertrauen zu stärken, <strong>in</strong>dem es als Individuum <strong>und</strong> als Mitglied se<strong>in</strong>er sozialen<br />
Bezugsgruppe geachtet <strong>und</strong> wertgeschätzt wird. (Ziel 1)<br />
Dazu gehört nicht nur e<strong>in</strong>e zugewandte <strong>und</strong> wertschätzende Interaktion mit dem<br />
K<strong>in</strong>d. Es soll ihm auch ermöglicht werden, sich sachlich korrektes Wissen um se<strong>in</strong>e<br />
Besonderheiten <strong>und</strong> um se<strong>in</strong>en H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> anzueignen. Das geschieht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />
Lernumgebung, <strong>in</strong> der Platz ist für se<strong>in</strong>e Besonderheiten – wie auch für die<br />
Besonderheiten jedes anderen K<strong>in</strong>des. Se<strong>in</strong>e äußeren Merkmale, se<strong>in</strong>e Interessen<br />
<strong>und</strong> Fähigkeiten, se<strong>in</strong>e Familie s<strong>in</strong>d sichtbar (Pr<strong>in</strong>zip „Widerspiegelung“). Es geht<br />
Projekt KINDERWELTEN, Institut für den Situationsansatz, Internationale Akademie gGmbH<br />
Projektbüro: Yorckstr.4-11, 10965 Berl<strong>in</strong>, Tel. 030 – 90298 3536/37, koord<strong>in</strong>ation@k<strong>in</strong>derwelten.net, www.k<strong>in</strong>derwelten.net
KINDER IN IHRER ICH- UND BEZUGSGRUPPEN-IDENTITÄT STÄRKEN<br />
JUNI 2005<br />
aber nicht darum, e<strong>in</strong>zelne <strong>K<strong>in</strong>der</strong> „vorzuführen“. Deshalb wird an den<br />
Geme<strong>in</strong>samkeiten angesetzt, die <strong>K<strong>in</strong>der</strong> verb<strong>in</strong>det.<br />
<strong>K<strong>in</strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>ihrer</strong> Identität stärken heißt Bildungsprozesse ermöglichen. Bildungs-<br />
Benachteiligung beg<strong>in</strong>nt früh: Wenn <strong>K<strong>in</strong>der</strong> im <strong>K<strong>in</strong>der</strong>garten nichts f<strong>in</strong>den, woran sie<br />
mit ihren Vorerfahrungen anknüpfen können, bleiben sie passiv. Bekommen sie die<br />
Botschaft, ihre häusliche Kultur sei „unnormal“ oder nicht wichtig, so s<strong>in</strong>d sie<br />
verunsichert <strong>und</strong> gehemmt <strong>und</strong> können ihre Fähigkeiten kaum zeigen. Sie können<br />
vom Bildungsangebot des <strong>K<strong>in</strong>der</strong>gartens kaum profitieren. Und bleiben h<strong>in</strong>ter ihren<br />
Möglichkeiten, was das Lernen angeht.<br />
Werden <strong>K<strong>in</strong>der</strong> bestärkt <strong>in</strong> dem, wer sie s<strong>in</strong>d <strong>und</strong> was sie mitbr<strong>in</strong>gen, so werden sie<br />
eher aktiv. Erleben sie Respekt <strong>und</strong> Zustimmung auch für ihre Familie <strong>und</strong> für ihre<br />
Familienkultur, so können sie e<strong>in</strong>e Verb<strong>in</strong>dung zwischen sich <strong>und</strong> der Lernumgebung<br />
<strong>K<strong>in</strong>der</strong>garten herstellen <strong>und</strong> beteiligen sich selbstsicher am Geschehen. Werden<br />
<strong>K<strong>in</strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>ihrer</strong> <strong>Ich</strong>- <strong>und</strong> <strong>Bezugsgruppen</strong>-Identität gestärkt, so können sie besser<br />
lernen!<br />
Literatur:<br />
Louise Derman-Sparks & ABC Task Force: Anti-Bias Curriculum. Tools for<br />
Empower<strong>in</strong>g Young Children. Kap. 1: Children´s Identity and Attitudes (S.1-9),<br />
NAEYC: Wash<strong>in</strong>gton D.C. 1989<br />
Barbara Diepold: <strong>Ich</strong>-Identität bei <strong>K<strong>in</strong>der</strong>n <strong>und</strong> Jugendlichen. In: Praxis der<br />
<strong>K<strong>in</strong>der</strong>psychologie <strong>und</strong> <strong>K<strong>in</strong>der</strong>psychiatrie 39, 1990, Heft 6, S. 214-221<br />
Ulrich Janßen/ Ulla Steuernagel: Warum b<strong>in</strong> ich ich? In: Die <strong>K<strong>in</strong>der</strong>-Uni. Forscher<br />
erklären die Rätsel der Welt. 2. Sem. DVA: München 2004<br />
Jutta Sechtig/ Susanne Viernickel: Identität – das Bewusstse<strong>in</strong> der eigenen<br />
Persönlichkeit. Krippenk<strong>in</strong>der aufnehmen - Teil 3. In: <strong>K<strong>in</strong>der</strong>garten heute, 4/2003<br />
Vecchi, Vea: Die Geburt zweier Pferdchen. Die subjektiven Variablen. In: Reggio<br />
Children (Hrsg.): H<strong>und</strong>ert Sprachen hat das K<strong>in</strong>d. Neuwied 2002, S. 156 – 160.<br />
Text: Petra Wagner<br />
Projekt KINDERWELTEN, Institut für den Situationsansatz, Internationale Akademie gGmbH<br />
Projektbüro: Yorckstr.4-11, 10965 Berl<strong>in</strong>, Tel. 030 – 90298 3536/37, koord<strong>in</strong>ation@k<strong>in</strong>derwelten.net, www.k<strong>in</strong>derwelten.net