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Gesamtausgabe als PDF - Schweizerische Ärztezeitung

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7<br />

15. 2. 2012<br />

Editores Medicorum Helveticorum<br />

S chweizerische <strong>Ärztezeitung</strong><br />

Bollettino dei medici svizzeri<br />

Bulletin des médecins suisses<br />

Spitalmanagement 252<br />

Interdisziplinäre Führungsstrukturen zur Lösung<br />

von Koordinationsproblemen<br />

Horizonte 260<br />

Ethique et morale<br />

Filmkritik 262<br />

Angst und Ansteckung zwischen Epidemien<br />

und Finanzkrise<br />

Buchbesprechung 265<br />

Mit Kindern über Brustkrebs reden<br />

«Zu guter Letzt» von Erhard Taverna 266<br />

Niemandsland<br />

Offizielles Organ der FMH und der FMH Services www.saez.ch<br />

Organe officiel de la FMH et de FMH Services www.bullmed.ch<br />

Bollettino ufficiale della FMH e del FMH Services


FMH<br />

Editorial<br />

229 Datenschutz und Arztgeheimnis: Der<br />

gesunde Menschenverstand hat gewonnen!<br />

Jacques de Haller<br />

231 Personalien<br />

Organisationen der Ärzteschaft<br />

ASA<br />

233 Ganzheitlich, erfahrungsorientiert<br />

und zunehmend wissenschaftlich fundiert<br />

Joerg Fritschi, Winfried Suske<br />

Im Dezember 2011 wurde zum fünften Mal der Jahreskongress<br />

der «Assoziation Schweizer Ärztegesellschaften<br />

für Akupunktur und Chinesische Medizin» (ASA) abgehalten.<br />

Über 450 ärztliche und nicht­ärztliche TCM­Fachleute<br />

waren unter einem Dach vereint.<br />

Weitere Organisationen und Institutionen<br />

SAMW<br />

236 Verzicht auf Marketing<br />

<strong>Schweizerische</strong> Akademie der Medizinischen<br />

Wissenschaften<br />

Briefe / Mitteilungen<br />

237 Briefe an die SÄZ<br />

238 F acharztprüfungen /Mitteilungen<br />

FMH Services<br />

239 Attraktive Personalversicherungen<br />

FMH Insurance Services<br />

241 Stellen und Praxen<br />

Tribüne<br />

INHALT<br />

Management<br />

252 Interdisziplinäre Führungsstrukturen<br />

zur Lösung von Koordinationsproblemen<br />

Germaine Eze, Jürg Leuppi, Claude Rosselet<br />

Das Problem: Ein Rotationsprinzip beim ärztlichen Einsatz<br />

führte bei der Pflege zum Eindruck, die Ärzte kümmerten<br />

sich zu wenig um den reibungslosen Ablauf auf der Station.<br />

Die hier beschriebene Organisationsentwicklung konnte<br />

das Zusammenspiel zwischen den unterschiedlichen Funktionsbereichen<br />

und Hierarchieebenen verbessern.<br />

256 Spectrum<br />

Horizonte<br />

Streiflicht<br />

257 «Wir wissen nie, was kommt»<br />

Helga Kessler<br />

Familie Weber hat drei Kinder, zwei von ihnen leiden an<br />

Muskeldystrophie. Eltern wie Kinder leben stets mit der<br />

Angst, dass etwas Unvorhergesehenes passieren könnte.<br />

Ein berührender Bericht aus dem Leben einer Familie, die<br />

sich auf bewundernswerte Weise ihrem Schicksal stellt.<br />

260 Ethique et morale<br />

Françoise Verrey Bass<br />

Eine Fabel: Zwei Federn im Himmel verkörpern die Seelen<br />

zweier Wesen; das eine gestorben, weil es sich wegen e iner<br />

schweren Krankheit selbst das Leben genommen hat, das<br />

andere wurde gar nie geboren.<br />

262 Angst und Ansteckung zwischen<br />

Epidemien und Finanzkrise<br />

Mark Honigsbaum<br />

Einige aktuelle Kinofilme malen Horror­Szenarien an die<br />

(Lein­)Wand, ausgelöst durch die ungebremste Verbreitung<br />

gefährlicher Viren. Der Autor zeigt, dass es dabei nicht nur<br />

um Angst vor körperlicher Ansteckung geht, sondern auch<br />

davor, wie sich Panik und Chaos in unserer vernetzten Welt<br />

immer schneller und ungefiltert verbreiten.<br />

Schaffner&Conzelmann, Basel


IMPRESSUM<br />

Horizonte<br />

Redaktion<br />

Dr. med. et lic. phil. Bruno Kesseli<br />

(Chefredaktor)<br />

Dr. med. Werner Bauer<br />

Dr. med. Jacques de Haller (FMH)<br />

PD Dr. med. Jean Martin<br />

Anna Sax, lic. oec. publ., MHA<br />

Prof. Dr. med. Hans Stalder<br />

Dr. med. Erhard Taverna<br />

lic. phil. Jacqueline Wettstein (FMH)<br />

Redaktion Ethik<br />

PD Dr. theol. Christina Aus der Au<br />

Prof. Dr. med. Lazare Benaroyo<br />

Dr. phil., dipl. biol. Rouven Porz<br />

Redaktion Medizingeschichte<br />

PD Dr. med. et lic. phil. Iris Ritzmann<br />

PD Dr. rer. soc. Eberhard Wolff<br />

Redaktion Ökonomie<br />

Anna Sax, lic. oec. publ., MHA<br />

Redaktion Recht<br />

Fürsprecher Hanspeter Kuhn (FMH)<br />

Managing Editor<br />

Annette Eichholtz M.A.<br />

Delegierte der Fachgesellschaften<br />

Allergologie und Immunologie:<br />

Prof. Dr. A. Bircher<br />

Allgemeinmedizin: Dr. B. Kissling<br />

Anästhesiologie und Reanimation:<br />

Prof. P. Ravussin<br />

Angiologie: Prof. B. Amann­Vesti<br />

Arbeitsmedizin: Dr. C. Pletscher<br />

Chirurgie: Prof. Dr. M. Decurtins<br />

Dermatologie und Venerologie:<br />

PD Dr. S. Lautenschlager<br />

Endokrinologie und Diabetologie:<br />

Prof. Dr. G.A. Spinas<br />

Gastroenterologie: Prof. Dr. W. Inauen<br />

Geriatrie: Dr. M. Conzelmann<br />

Gynäkologie und Geburtshilfe:<br />

Prof. Dr. Dr. h. c. mult. W. Holzgreve<br />

Buchbesprechung<br />

265 Mit Kindern über Brustkrebs reden<br />

Anna Sax<br />

Was geht in Kindern vor, wenn ihre Eltern schwer erkranken?<br />

Wie soll man ihnen etwa erklären, warum der an<br />

Brustkrebs erkrankten Mutter plötzlich die Kraft fehlt, sich<br />

so wie früher um sie zu kümmern? Das Buch «Manchmal ist<br />

Mama müde» unterstützt Eltern dabei, mit ihren Kindern<br />

über das Unfassbare zu reden.<br />

Redaktionssekretariat<br />

Elisa Jaun<br />

Redaktion und Verlag<br />

EMH <strong>Schweizerische</strong>r Ärzteverlag AG<br />

Farnsburgerstrasse 8, 4132 Muttenz<br />

Tel. 061 467 85 55, Fax 061 467 85 56<br />

E-Mail: redaktion.saez@emh.ch<br />

Internet: www.saez.ch, www.emh.ch<br />

Herausgeber<br />

FMH, Verbindung der Schweizer<br />

Ärztinnen und Ärzte, Elfenstrasse 18,<br />

Postfach 170, 3000 Bern 15<br />

Tel. 031 359 11 11, Fax 031 359 11 12<br />

E-Mail: info@fmh.ch<br />

Internet: www.fmh.ch<br />

Herstellung<br />

Schwabe AG, Muttenz<br />

Marketing EMH<br />

Thomas Gierl M.A.<br />

Leiter Marketing und Kommunikation<br />

Tel. 061 467 85 49, Fax 061 467 85 56<br />

E-Mail: tgierl@emh.ch<br />

Hämatologie: Dr. M. Zoppi<br />

Handchirurgie: PD Dr. L. Nagy<br />

Infektologie: Prof. Dr. W. Zimmerli<br />

Innere Medizin: Dr. W. Bauer<br />

Intensivmedizin: Dr. C. Jenni<br />

Kardiologie: Prof. Dr. C. Seiler<br />

Kiefer­ und Gesichtschirurgie:<br />

Dr. C. Schotland<br />

Kinder­ und Jugendpsychiatrie: Dr. R. Hotz<br />

Kinderchirurgie: Dr. M. Bittel<br />

Medizinische Genetik: Dr. D. Niedrist<br />

Neonatologie: Prof. Dr. H.­U. Bucher<br />

Nephrologie: Prof. Dr. J.­P. Guignard<br />

Neurochirurgie: Prof. Dr. H. Landolt<br />

Neurologie: Prof. Dr. H. Mattle<br />

Neuropädiatrie: Prof. Dr. J. Lütschg<br />

Neuroradiologie: Prof. Dr. W. Wichmann<br />

Zu guter Letzt<br />

INHALT<br />

266 Niemandsland<br />

Erhard Taverna<br />

Auf unseren Karten ertragen wir keine weissen Flecken,<br />

u nsere Phantasie füllt sie aus, so wie es schon mittelalterliche<br />

Mönche mit noch unbekannten Weltregionen taten.<br />

Die neuen Niemandsländer liegen eher im Weltraum und<br />

auch – das zeigt dieser Beitrag – in der Medizin.<br />

Anna<br />

Inserate<br />

Werbung<br />

Sabine Landleiter,<br />

Leiterin Anzeigenverkauf<br />

Tel. 061 467 85 05, Fax 061 467 85 56<br />

E-Mail: slandleiter@emh.ch<br />

«Stellenmarkt/Immobilien/Diverses»<br />

Matteo Domeniconi, Inserateannahme<br />

Stellenmarkt<br />

Tel. 061 467 86 08, Fax 061 467 85 56<br />

E-Mail: stellenmarkt@emh.ch<br />

«Stellenvermittlung»<br />

FMH Consulting Services<br />

Stellenvermittlung<br />

Postfach 246, 6208 Oberkirch<br />

Tel. 041 925 00 77, Fax 041 921 05 86<br />

E-Mail: mail@fmhjob.ch<br />

Internet: www.fmhjob.ch<br />

Abonnemente<br />

FMH-Mitglieder<br />

FMH Verbindung der Schweizer<br />

Ärztinnen und Ärzte<br />

Elfenstrasse 18, 3000 Bern 15<br />

Tel. 031 359 11 11, Fax 031 359 11 12<br />

Nuklearmedizin: Prof. Dr. J. Müller<br />

Onkologie: Prof. Dr. B. Pestalozzi<br />

Ophthalmologie: Dr. A. Franceschetti<br />

ORL, H<strong>als</strong>­ und Gesichtschirurgie:<br />

Prof. Dr. J.­P. Guyot<br />

Orthopädie: Dr. T. Böni<br />

Pädiatrie: Dr. R. Tabin<br />

Pathologie: Prof. Dr. G. Cathomas<br />

Pharmakologie und Toxikologie:<br />

Dr. M. Kondo­Oestreicher<br />

Pharmazeutische Medizin: Dr. P. Kleist<br />

Physikalische Medizin und Rehabilitation:<br />

Dr. M. Weber<br />

Plast.­Rekonstrukt. u. Ästhetische Chirurgie:<br />

Prof. Dr. P. Giovanoli<br />

Pneumologie: Prof. Dr. T. Geiser<br />

EMH Abonnemente<br />

EMH <strong>Schweizerische</strong>r Ärzteverlag AG<br />

Abonnemente, Postfach, 4010 Basel<br />

Tel. 061 467 85 75, Fax 061 467 85 76<br />

E-Mail: abo@emh.ch<br />

Jahresabonnement: CHF 320.–,<br />

zuzüglich Porto<br />

© 2012 by EMH <strong>Schweizerische</strong>r<br />

Ärzteverlag AG, Basel. Alle Rechte vorbehalten.<br />

Nachdruck, elektronische<br />

Wiedergabe und Übersetzung, auch<br />

auszugsweise, nur mit schriftlicher<br />

Genehmigung des Verlages gestattet.<br />

Erscheint jeden Mittwoch<br />

ISSN 0036-7486<br />

ISSN 1424-4004 (Elektronische Ausg.)<br />

Prävention und Gesundheitswesen:<br />

Dr. C. Junker<br />

Psychiatrie und Psychotherapie:<br />

Dr. G. Ebner<br />

Radiologie: Prof. Dr. B. Marincek<br />

Radioonkologie: Prof. Dr. D. M. Aebersold<br />

Rechtsmedizin: Prof. T. Krompecher<br />

Rheumatologie: Prof. Dr. M. Seitz<br />

Thorax­, Herz­ und Gefässchirurgie:<br />

Prof. Dr. T. Carrel<br />

Tropen­ und Reisemedizin: PD Dr. C. Hatz<br />

Urologie: PD Dr. T. Zellweger


Editorial FMH<br />

Datenschutz und Arztgeheimnis:<br />

Der gesunde Menschenverstand hat gewonnen!<br />

Editores Medicorum Helveticorum<br />

Der Datenschutz und die<br />

Wahrung des Patientengeheimnisses<br />

sind zunehmend<br />

ein besonders brisantes<br />

Thema. Dies hängt zweifellos<br />

mit den Möglichkeiten der<br />

elektronischen Verarbeitung<br />

und Speicherung von Daten<br />

zusammen, die bei vielen<br />

Verwaltungen, welche von<br />

einer schönen neuen Welt<br />

à la Huxley träumen, Begehrlichkeiten<br />

und Fantastereien wecken.<br />

Ein gutes Beispiel für solche möglichen Auswüchse ist<br />

der neue Artikel 42 Absatz 3bis KVG [1], der vom Parlament<br />

im vergangenen Dezember verabschiedet wurde. Dieser<br />

Artikel sieht die Verpflichtung der Leistungserbringer vor,<br />

auf der Rechnung die Diagnosen und Prozeduren aller<br />

Patientinnen und Patienten aufzuführen.<br />

Es wurde ein Konsens gefunden, was<br />

uns sehr freut.<br />

Wir hatten die Parlamentarierinnen und Parlamentarier<br />

in den letzten Monaten wiederholt brieflich und persönlich<br />

kontaktiert, um sie auf die erheblichen Probleme im<br />

Zusammenhang mit diesem untragbaren Gesetzesartikel<br />

aufmerksam zu machen – leider wurden unsere Einwände<br />

nicht ausreichend berücksichtigt.<br />

Bundesrat Didier Burkhalter hatte zwar im Ständerat<br />

erklärt, dieser Artikel betreffe die ambulante Medizin nicht,<br />

doch unverständlicherweise hat er dies im Gesetzestext<br />

nicht festgehalten. Damit lässt der verabschiedete Artikel<br />

alle Optionen offen und somit auch die schlimmsten.<br />

Diese Situation konnte nicht akzeptiert werden, so dass<br />

die Delegiertenversammlung der FMH am 2. Februar<br />

empfohlen hat, das Referendum gegen diese neue<br />

Bestimmung zu ergreifen.<br />

In der Folge kam es zu einem typisch schweizerischen<br />

politischen Spiel: Es wurde eine Lösung gesucht, mit der<br />

sowohl den Anliegen der Ärzteschaft <strong>als</strong> auch den Interessen<br />

des Eidgenössischen Departements des Innern Rechnung<br />

getragen würde. Schliesslich fand man einen Konsens, was<br />

uns sehr freut.<br />

Diesbezüglich ist die Arbeit der Konferenz der kantonalen<br />

Ärztegesellschaften (KKA), insbesondere ihres neuen Co-<br />

Präsidenten Peter Wiedersheim und des Past-Präsidenten<br />

Urs Stoffel zu würdigen, welche entscheidend zu einer<br />

Lösungsfindung beigetragen haben. Ein Lob geht auch an<br />

den neuen Gesundheitsminister Alain Berset, dessen<br />

Offenheit und Reaktionsfähigkeit viel Gutes für die Zukunft<br />

versprechen.<br />

Hinsichtlich der gängigen Praxis<br />

im ambulanten Bereich wird es keine<br />

Änderung geben.<br />

Die Lösung besteht in einem Schreiben des Bundesrats,<br />

in dem seine Absichten überzeugend dargelegt sind und<br />

dank dem vertrauensvoll die Vollzugsverordnung zu diesem<br />

Gesetzesartikel abgewartet werden kann: Wie der Bundesrat<br />

festhält, wird es in Bezug auf die gängige Praxis im<br />

ambulanten Bereich keine Änderung, keine neue<br />

Verpflichtung und keinen detaillierteren Code <strong>als</strong> den<br />

derzeit verwendeten Tessiner Code geben.<br />

Was die stationäre Medizin anbelangt, hat sich Bundesrat<br />

Berset vor der Gesundheitskommission des Nationalrats<br />

verpflichtet, dafür zu sorgen, dass die Diagnosen nicht an<br />

die Verwaltung der Krankenkassen, sondern an die<br />

Vertrauensärzte der Versicherer gehen.<br />

Die Ärzteschaft wird respektiert und<br />

kann sich Gehör verschaffen.<br />

Diese Episode der Gesundheitspolitik auf Bundesebene<br />

zeigt, dass mit den aktuell amtierenden Verantwortlichen<br />

der Bundesbehörden ein Dialog geführt werden kann; sie<br />

zeigt auch, dass die Ärzteschaft respektiert wird und sich<br />

Gehör verschaffen kann, was uns natürlich freut.<br />

Mit anderen Worten war die Ankündigung eines<br />

Referendums zwar notwendig, um die Sache ins Rollen zu<br />

bringen. Schliesslich hat sich etwas getan, was ja der<br />

entscheidende Punkt ist: Die Ärzteschaft ist eine glaubwürdige,<br />

konstruktive politische Kraft. Wir werden uns zugunsten<br />

unserer Patientinnen und Patienten weiterhin für die<br />

bestmögliche Medizin einsetzen!<br />

Dr. med. Jacques de Haller, Präsident der FMH<br />

<strong>Schweizerische</strong> <strong>Ärztezeitung</strong> | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2012;93: 7<br />

229


Personalien<br />

Todesfälle / Décès / Decessi<br />

Reto à Porta (1941), † 30.1.2012,<br />

Facharzt für Allgemeine Innere Medizin,<br />

7250 Klosters<br />

Trajan Hancou (1942), † 31.1.2012,<br />

1209 Genève<br />

Editores Medicorum Helveticorum<br />

Praxiseröffnung /<br />

Nouveaux cabinets médicaux /<br />

Nuovi studi medici<br />

AG<br />

Valerio Gozzoli, Facharzt für Allgemeine<br />

Innere Medizin,<br />

Bahnhofstrasse 76, 4313 Möhlin<br />

BE<br />

Vreni Kaufmann-Walther, Fachärztin für<br />

Allgemeine Innere Medizin,<br />

Hessstrasse 47, 3097 Liebefeld<br />

Chantal Ruffieux, Fachärztin für Kinder- und<br />

Jugendpsychiatrie und -psychotherapie,<br />

Kramgasse 17, 3011 Bern<br />

Patricia Hirt Minkowski, Fachärztin für<br />

Nephrologie und Fachärztin für Allgemeine<br />

Innere Medizin,<br />

Bubenbergplatz 5, 3011 Bern<br />

Reto Stüdeli, Facharzt für Allgemeine<br />

Innere Medizin,<br />

Harzer 36, 3436 Zollbrück<br />

Annabarbara Pirker, Fachärztin für<br />

Kinder- und Jugendmedizin,<br />

Aarmühlestrasse 4, 3800 Interlaken<br />

Matthias Pirker, Facharzt für Kinder- und<br />

Jugendmedizin,<br />

Aarmühlestrasse 4, 3800 Interlaken<br />

<strong>Schweizerische</strong> <strong>Ärztezeitung</strong> | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2012;93: 7<br />

BS<br />

Lyudmyla Meteleshko, Fachärztin für<br />

Psychiatrie und Psychotherapie,<br />

Praxis am Claraplatz,<br />

Claragraben 78, 4058 Basel<br />

GE<br />

FMH<br />

Nouchine Kramer, Spécialiste en gynécologie<br />

et obstétrique,<br />

39, avenue de Miremont, 1206 Genève<br />

TG<br />

Günter Lohrke, Praktischer Arzt,<br />

Wilerstrasse 17, 8370 Sirnach<br />

TI<br />

Fiorenzo Acquati, Spécialiste en cardiologie,<br />

Via Giuseppe Motta 35, 6850 Mendrisio<br />

VD<br />

Jean-Marc Vuissoz, Spécialiste en pédiatrie,<br />

34, rue du Midi, 1800 Vevey<br />

Leïla Sekkat, Spécialiste en ophtalmologie,<br />

16, pl. de la Gare, 1020 Renens<br />

ZH<br />

Christina Weber-Chrysochoou, Fachärztin für<br />

Kinder- und Jugendmedizin und Fachärztin<br />

für Allergologie und klinische Immunologie,<br />

Seefeldstrasse 225, 8008 Zürich<br />

231


Personalien FMH<br />

Aargauischer Ärzteverband<br />

Zur Aufnahme in den Aargauischen Ärzteverband<br />

<strong>als</strong> ordentlich praktizierendes Mitglied<br />

hat sich angemeldet:<br />

Karin Wiedmer Lupfig, Fachärztin für Kinder-<br />

und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie<br />

FMH, Praxis in Wohlen per 1. Mai 2012<br />

Diese Kandidatur wird in Anwendung von<br />

Art. 5 der Statuten des Aargauischen Ärzteverbandes<br />

veröffentlicht. Einsprachen müssen<br />

innert 14 Tagen seit der Bekanntmachung<br />

schriftlich und begründet der Geschäftsleitung<br />

des Aargauischen Ärzteverbandes eingereicht<br />

werden. Nach Ablauf der Einsprachefrist<br />

entscheidet die Geschäftsleitung über<br />

Gesuch und allfällige Einsprachen.<br />

Ärztegesellschaft<br />

des Kantons Luzern<br />

Zur Aufnahme in unsere Gesellschaft Sektion<br />

Entlebuch hat sich gemeldet:<br />

Adam Krol, Praktischer Arzt, Praxis ab<br />

1.2.2012: Schmittenrain 1, 6162 Entlebuch<br />

Einsprachen sind innert 20 Tagen zu richten<br />

an das Sekretariat, Schwanenplatz 7, 6004 Luzern<br />

(Fax 041 410 80 60).<br />

Ärztegesellschaft<br />

des Kantons Schwyz<br />

Zur Aufnahme in die Ärztegesellschaft des<br />

Kantons Schwyz haben sich angemeldet:<br />

Stephan Himmelberger, Facharzt für Allgemeine<br />

Innere Medizin FMH, Meierhofstrasse 24,<br />

8820 Wädenswil. Übernahme der Praxis von<br />

Dr. med. Donat Blum in 8834 Schindellegi<br />

per Mai 2012<br />

Christoph Sternberg, Facharzt für Orthopädie<br />

und Unfallchirurgie, Etzelclinic AG, 8808 Pfäffikon,<br />

Belegarzt Spital Lachen.<br />

Einsprache gegen diese Aufnahmen richten<br />

Sie schriftlich innert 20 Tagen an Dr. med.<br />

Hugo Brunner, Dorfstrasse 14, 6417 Sattel.<br />

Editores Medicorum Helveticorum<br />

Ärztegesellschaft Thurgau<br />

Zum Eintritt in die Ärztegesellschaft Thurgau<br />

haben sich gemeldet:<br />

Gudrun Missler, Fachärztin für Psychiatrie und<br />

Psychotherapie, Salenstein<br />

Daryoush Piltan, Facharzt für Psychiatrie und<br />

Psychotherapie FMH, Kreuzlingen<br />

Einsprachen gegen die Aufnahmen sind innerhalb<br />

von 10 Tagen seit der Publikation beim<br />

unterzeichneten Sekretariat schriftlich zu erheben.<br />

Ernennungen / Nominations<br />

Universität Basel<br />

Prof. Viola Heinzelmann ist zur neuen Professorin<br />

für Gynäkologie an der Universität Basel<br />

und zudem zur Leitenden Ärztin an der<br />

Frauenklinik am Universitätsspital Basel ernannt<br />

worden. Sie wird damit zur Assistenzprofessorin<br />

für Gynäkologie (mit Tenure<br />

Track) an der Medizinischen Fakultät gewählt;<br />

sie wird ihre neue Tätigkeit auf den<br />

1. Juli 2012 antreten.<br />

Preise / Prix<br />

Groupe de travail «Cardiologie interventionnelle<br />

et syndrome coronarien aigu»<br />

Dans le cadre de la réunion d’hiver (Wintermeeting)<br />

du groupe de travail «Cardiologie<br />

interventionnelle et syndrome coronarien<br />

aigu» à Montreux, les orateurs suivants ont<br />

été primés pour leur présentation et résolution<br />

de complications lors d’interventions<br />

cardiaques: le Dr Olivier Müller du CHUV<br />

(Lausanne), p.-d., et le Dr Lukas Altwegg, p.-d.,<br />

de l’Hôpital universitaire de Zurich reçoivent<br />

le «StarWars Award»; le Dr Daniel S ürder du<br />

CardioCentro (Lugano) reçoit le «From Stars<br />

to Dust Award»; le Dr Raban Jeger, p.-d., de<br />

l’Hôpital universitaire de Bâle, le «From Dust<br />

to Hell Award» et le Prof. Marco Roffi des HUG<br />

(Genève), le «Fire From Hell Award». Ces prix<br />

exceptionnels décernés lors du 20 e anniversaire<br />

de ce congrès sont assortis d’un cadeau<br />

symbolique.<br />

<strong>Schweizerische</strong> Gesellschaft<br />

für Thoraxchirurgie<br />

Preis der SGT 2011 für die beste publizierte<br />

Arbeit:<br />

Der Preis der <strong>Schweizerische</strong>n Gesellschaft für<br />

Thoraxchirurgie 2011 wurde aufgeteilt an<br />

2 Gewinner. Wir gratulieren folgenden Gewinnern:<br />

Cai Cheng et al. (CHUV Lausanne). Photodynamic<br />

therapy selectively enhances liposomal<br />

doxorubicin uptake in sarcoma tumors<br />

to rodent lungs. Lasers Surg Med. 2010.<br />

(2500 CHF)<br />

Wolfgang Jungraithmayr et al. (USZ Zürich).<br />

A model of chronic lung allograft rejection in<br />

the rat. Eur Resp J. 2010.<br />

(2500 CHF)<br />

Die SGT dankt der Firma Johnson & Johnson<br />

für die Stiftung des Preisgeldes.<br />

<strong>Schweizerische</strong> <strong>Ärztezeitung</strong> | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2012;93: 7 232


ASA ORGANISATIONEN DER ÄRZTESCHAFT<br />

ASA TCM-Kongress 2011 zur Traditionellen Chinesischen Medizin in der Schweiz<br />

Ganzheitlich, erfahrungsorientiert<br />

und zunehmend wissenschaftlich fundiert<br />

Joerg Fritschi, Winfried Suske<br />

Editores Medicorum Helveticorum<br />

Am 1. und 2. Dezember 2011 wurde im Congress Center Basel zum fünften Mal der<br />

Jahreskongress der «Assoziation Schweizer Ärztegesellschaften für Akupunktur und<br />

Chinesische Medizin» (ASA) abgehalten. An der Tagung bildeten sich über 450 Ärztinnen<br />

und Ärzte sowie TCM-Therapeutinnen und -Therapeuten fort.<br />

Die Traditionelle Chinesische Medizin in der Schweiz<br />

«boomt». Immer mehr Patienten verlangen nach<br />

fernöstlichen Heilmethoden wie Akupunktur, Moxibustion<br />

und Heilmitteln, um auf komplementärem<br />

Weg Linderung bei Schmerzen, Allergien, Asthma<br />

und anderen (chronischen) oder zunehmend auch<br />

akuten Krankheiten zu finden. Seit dem 1. Januar<br />

2012 werden ärztliche Leistungen auf dem Gebiet der<br />

Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) und vier<br />

weiteren komplementärmedizinischen Methoden<br />

wieder von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung<br />

übernommen; unter bestimmten Voraussetzungen<br />

und vorläufig bis 2017. Bis dahin sollen Wirk-<br />

Dem Kongress ist es gelungen, ärztliche<br />

und nicht-ärztliche TCM-Fachleute unter einem Dach<br />

zu vereinen.<br />

Korrespondenz:<br />

Dr. med. Joerg Fritschi<br />

Im Noll 38<br />

CH-4148 Pfeffingen<br />

Tel. 061 756 98 88<br />

dr.fritschi[at]hin.ch<br />

samkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit der<br />

komplementären Verfahren evaluiert werden.<br />

Zur Erinnerung: Seit 2006 wurde von den ärztlichen<br />

Behandlungsmethoden der TCM nur noch die<br />

Akupunktur über die Grundversicherung durch die<br />

Krankenkassen übernommen. Andere ärztliche TCM-<br />

Verfahren bzw. die Behandlungskosten von nichtärztlichen<br />

TCM-Therapeuten mit EMR-Anerkennung<br />

(Erfahrungsmedizinisches Register, EMR) wurden und<br />

werden auch künftig grösstenteils durch Zusatzversicherungen<br />

getragen.<br />

Reichhaltiges Angebot an Behandlungs- und<br />

Ausbildungsstätten<br />

Mit der Nachfrage an Traditioneller Chinesischer<br />

M edizin in der Bevölkerung steigt auch das Angebot<br />

auf der medizinisch-therapeutischen Seite: In der<br />

Schweiz gibt es mehrere Dutzend Behandlungszentren<br />

und Ausbildungsstätten bzw. Schulen für Chine-<br />

sische Medizin. Diese bieten sowohl mehrjährige<br />

Vollzeit- <strong>als</strong> auch Teilzeitausbildungen an. Die Assoziation<br />

Schweizer Ärztegesellschaften für Akupunktur<br />

und Chinesische Medizin (ASA) ist die Dachorganisation<br />

der in der TCM tätigen Ärztinnen und Ärzte in<br />

der Schweiz. Sie führt den ASA TCM-Kongress in<br />

e igener Regie durch und ist mit ihren Mitgliedsorganisationen<br />

die grösste Anbieterin von Ausbildungs-<br />

und Weiterbildungskursen in der Chinesischen Medizin<br />

in der Schweiz. Die ASA gibt auch die Standards<br />

für ärztliche Fähigkeitsausweise für TCM heraus. Präsidiert<br />

wird die ASA durch Albert Naterop-Perroud,<br />

Zürich.<br />

Bei der Zulassung für TCM-Therapeuten gelten<br />

die Anforderungen der <strong>Schweizerische</strong>n Berufsorganisation<br />

für TCM, der SBO-TCM. Die SBO-TCM ist <strong>als</strong><br />

ständige Gastgesellschaft jedes Jahr am ASA TCM-<br />

Kongress vertreten und stellt jeweils ein Viertel der<br />

Teilnehmer. Sowohl Hauptredner <strong>als</strong> auch Leiter von<br />

Seminaren und Workshops stammen zum Teil aus ihren<br />

Reihen. Somit ist es dem ASA TCM-Kongress beispielhaft<br />

gelungen, ärztliche und nicht-ärztliche<br />

«TCM-Profession<strong>als</strong>» unter einem Dach zu vereinen.<br />

Leiter des wissenschaftlichen Komitees des seit 2007<br />

bestehenden und von der Healthworld (Schweiz) AG<br />

organisierten ASA TCM-Kongresses ist Joerg Fritschi<br />

(Pfeffingen). Das Leitmotiv lautete in diesem Jahr<br />

«Lunge – Wandlungsphase Metall». Als Gastgesellschaft<br />

des 5. ASA TCM-Kongresses war in Basel die<br />

Österreichische Gesellschaft für Kontrollierte Akupunktur<br />

und TCM dabei, die mit verschiedenen Vorträgen<br />

und Seminaren zum wissenschaftlichen Programm<br />

beitrug.<br />

Traditionelle Chinesische Medizin:<br />

eine Ultrakurzfassung<br />

Im Vergleich zur naturwissenschaftlich orientierten<br />

westlichen Schulmedizin geht die Traditionelle<br />

Chine sische Medizin von anderen Voraussetzungen<br />

aus. Von zentraler Bedeutung ist neben der Theorie<br />

des relativen Gleichgewichts (Yin und Yang) das Qi,<br />

<strong>Schweizerische</strong> <strong>Ärztezeitung</strong> | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2012;93: 7<br />

233


ASA ORGANISATIONEN DER ÄRZTESCHAFT<br />

Editores Medicorum Helveticorum<br />

Brigitte Ausfeld-Hafter (Kollegiale Instanz für Komplemen<br />

tär medizin – KIKOM) mit Klaus von Ammon, dem<br />

Gewinner des 1. Preises des Förderpreises [foif] × [eis].<br />

Das Thema seiner Arbeit: «Bildgebung bei Kindern mit<br />

ADS und ADHS. Studienprotokoll einer Fall-Kontroll- und<br />

Kohortenstudie 2012−2015.»<br />

die Wurzel aller Energie des menschlichen Körpers.<br />

Harmonie und Gleichgewicht, sprich die körperliche<br />

und geistige Gesundheit, hängen vom ununterbrochenen<br />

und gleichmässigen Fluss des Qi ab. Störungen<br />

können zum Beispiel mit einer Qi-Schwäche oder<br />

einem starken aufsteigenden Qi, einem beeinträchtigten<br />

Leber- oder Herz-Qi, zusammenhängen. Die TCM<br />

will nicht nur Krankheiten heilen, sondern legt grosses<br />

Gewicht auf die geistige Regeneration und die Pflege<br />

der Gesundheit. Dabei kommen seit Jahrhunderten<br />

überlieferte Verfahren der Differentialdiagnose und<br />

Therapieprinzipien zum Einsatz, welche die Anamnese,<br />

Inspektion (u. a. durch Zungendiagnostik),<br />

Palpation sowie fünf verschiedene Therapiemodalitäten<br />

(Arzneimittel, Akupunktur, medizinisches Qi<br />

Gong, Tuina und Diätetik) umfassen.<br />

Schwerpunkt Aurikulomedizin<br />

Der ASA TCM-Kongress 2011 präsentierte sich erneut<br />

mit einem attraktiven und vielseitigen wissenschaftlichen<br />

Programm, bestehend aus Hauptreferaten,<br />

Seminaren, Kursen und weiteren Lernformaten<br />

wie Journal Review und dem Preisträger-Seminar<br />

zum Forschungspreis [foif] x [eis]. Die Veranstaltungen<br />

umfassten sowohl anwenderorientierte<br />

Themen <strong>als</strong> auch wissenschaftliche Ergebnisse der<br />

zunehmend breiter abgestützten Forschung, in der<br />

Akupunktur wie in der Arzneimitteltherapie. Referenten,<br />

Kursleiter und/oder Chairmen stammten<br />

aus der Schweiz (18 Personen), Österreich (5), Frankreich<br />

(3), USA (2), Deutschland (1) und Grossbritannien<br />

(1). Auch zahlreiche Kongressteilnehmer<br />

waren aus dem nahen Ausland angereist.<br />

Einen besonderen Schwerpunkt bildete der Bereich<br />

Aurikulomedizin (Ohrakupunktur). Präsentiert und<br />

diskutiert wurde der Einsatz der von Dr. med. Paul<br />

Nogier aus Nyon und Dr. med. Frank Bahr aus München<br />

entwickelten Aurikulomedizin bei der Behand-<br />

lung des Immunsystems bei viraler Belastung, bei<br />

Lungenerkrankungen oder bei Hauterkrankungen<br />

wie Neurodermitis. Ausserdem erfuhren die Teilnehmer,<br />

wie sich mit Hilfe der aurikulomedizinischen<br />

RAC-Diagnostik (RAC für Reflex auriculo-cardiale<br />

bzw. Nogier-Reflex) chronische Infekte wie eine therapieresistente<br />

Borreliose diagnostizieren lassen, um<br />

sie anschliessend mit Dauerstimulation der aktiven<br />

Punkte, mittels repetitiver ASP-Nadel-Applikation<br />

oder einmalig mittels resorbierbarer Templax-Implantate<br />

schnell und nachhaltig ausheilen zu lassen.<br />

Stark frequentierte Hauptreferate und Kurse<br />

Die Mehrheit der sechs Hauptreferate befasste sich<br />

mit dem Funktionskreis Lunge, dem Leitmotiv des<br />

Kongresses; so zum Beispiel mit der Rolle der Wandlungsphase<br />

Metall in der Psychosomatik, den Metallorganen<br />

Dickdarm und Lunge und den kosmologischen<br />

und energetischen Aspekten der Wandlungsphase<br />

Metall in der chinesischen Physiologie. In<br />

ihrem Hauptreferat «Tempora mutantur» gab Dr.<br />

med. Brigitte Ausfeld-Hafter, Dozentin für TCM/Akupunktur<br />

an der Kollegialen Instanz für Komplementärmedizin<br />

(KIKOM) der Universität Bern einen Überblick<br />

über die Entstehungsgeschichte und wichtigsten<br />

Forschungsprojekte des 1995 ins Leben gerufenen<br />

und schweizweit bislang einzigartigen universitären<br />

TCM-Instituts. Brigitte Ausfeld-Hafter ist eine von<br />

4 Dozentinnen und Dozenten an der KIKOM und<br />

wird am 31. Juli 2012 emeritiert. Dem wissenschaftli-<br />

Das wissenschaftliche Komitee des<br />

ASA TCM-Kongresses 2011<br />

Dr. Joerg Fritschi, FMH Innere Medizin, FACP (Leitung), FA<br />

Akupunktur TCM ASA, MAS Psychotraumatology<br />

Dr. Brigitte Ausfeld-Hafter, Dozentin für TCM/Akupunktur,<br />

KIKOM, Inselspital, Universität Bern, FA Akupunktur TCM<br />

ASA<br />

Simon Becker, Dipl. Akupunkteur und Herbalist SBO-TCM,<br />

Delegierter SBO-TCM, Past-Präsident SBO-TCM<br />

Dr. Dai Nam Dietliker, Fachärztin Allgemeinmedizin, FA<br />

Akupunktur TCM ASA<br />

Dr. Albert Egg, Naturwissenschaftler, FA Akupunktur TCM<br />

ASA, Vorstand ATMA<br />

Dr. Cordula Gubler, FMH Innere Medizin, FA Akupunktur<br />

TCM ASA, Vorstand SACAM<br />

Dr Maxime Mancini, FMH en médecine générale, AFC en<br />

acupuncture-MTC (ASA)<br />

Dr. Anita Meyer, FMH Innere Medizin, FA Akupunktur TCM<br />

ASA, Vorstand SACAM<br />

Dr. Adrian Renfer, FMH Allgemeinmedizin, FA Akupunktur<br />

TCM ASA, Delegierter der SACAM<br />

Dr. Lothar U. Roth, FMH Allgemeinmedizin, Leiter TCM-<br />

Abteilung Privatklinik Reichenbach (Burnout) und Spital<br />

Belp, FA Akupunktur TCM ASA, Co-Präsident SACAM,<br />

ASA-Vorstand<br />

Dr. Sandi Suwanda, FMH Gynäkologie und Geburtshilfe,<br />

Chefarzt TCM Spital Zollikerberg, Past-Präsident ASA<br />

Dr Michel Vouilloz, FMH en médecine interne, FMH en médecine<br />

préventive et santé publique, AFC en acupuncture<br />

MTC (ASA)<br />

<strong>Schweizerische</strong> <strong>Ärztezeitung</strong> | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2012;93: 7 234


ASA ORGANISATIONEN DER ÄRZTESCHAFT<br />

Editores Medicorum Helveticorum<br />

chen Komitee des ASA TCM-Kongresses bleibt die in<br />

verschiedenen BAG-Kommissionen tätige und international<br />

geschätzte Gutachterin jedoch bis auf weiteres<br />

erhalten.<br />

Ebenfalls gut besucht waren auch die sechs je<br />

über zwei Stunden dauernden Spezialkurse, bei denen<br />

Methoden erlernt bzw. erfahren werden konnten.<br />

Diese befassten sich mit den sechs Temperamenten<br />

der Chinesischen Psychologie, mit kälte- (Shang han)<br />

bzw. wärmebedingten Erkrankungen (Wen bing), mit<br />

Zungendiagnostik, «Flying Needle»-Akupunkturtechnik,<br />

Phytotherapie bei chronischen und resistenten<br />

Krankheiten sowie klassischen chinesischen Rezepturen<br />

zur Behandlung von hartnäckigem Husten.<br />

Forschungspreis <strong>als</strong> Anreiz<br />

für evidenzbasierte Projekte<br />

Zum vierten Mal nach 2008 wurde am ASA TCM-<br />

Kongress 2011 der <strong>Schweizerische</strong> Förderpreis für<br />

Komplementärmedizin, [foif] × [eis], verliehen. Mit<br />

der Preissumme von insgesamt 11 111 Franken zeichnete<br />

die Kollegiale Instanz für Komplementärmedizin<br />

(KIKOM) in diesem Jahr drei herausragende Arbeiten<br />

aus den Bereichen der Traditionellen Chinesischen<br />

Medizin, Aurikulomedizin und Klassischen Homöopathie<br />

aus. Den dritten Preis (555 Franken) erhielt in<br />

diesem Jahr Dr. med. Fritz Bieri für eine Arbeit zur Anwendung<br />

der Ohrakupunktur in der Augenheilkunde.<br />

Der zweite Preis (2222 Franken) ging an Dr. med. Barbara<br />

Marschollek und ihre Mitautoren für eine Forschungsarbeit,<br />

die sich der spektroskopischen Analyse<br />

homöopathischer Präparationen widmet.<br />

Mit dem Hauptpreis von 8333 Franken wurden<br />

2011 Dr. med. Klaus von Ammon, Oberarzt für Homöopathie<br />

am Inselspital Bern, für die Arbeit «Bildgebung<br />

bei Kindern mit ADS und ADHS. Studienprotokoll<br />

einer Fall-Kontroll- und Kohortenstudie<br />

2012−2015» ausgezeichnet. Die Studie zielt auf die<br />

funktionelle Darstellung der Wirkung homöopathischer<br />

Arzneimittel bei hyper- und hypoaktiven Kindern<br />

mittels Magnetresonanz ab. Dem interdisziplinären<br />

Team gehören Mitglieder der <strong>Schweizerische</strong>n<br />

Ärztegesellschaft für Homöopathie (SAHP), der Abteilung<br />

für Neurologie und Neuropsychologie der Medizinischen<br />

Universitäts-Kinderklinik Bern, der Neuroradiologie<br />

des Inselspit<strong>als</strong> und des Instituts für Mathematische<br />

Statistik und Versicherungslehre (IMSV)<br />

der Universität Bern an.<br />

Journal Review: Handlungsbedarf<br />

bei randomisierten klinischen Studien<br />

Gemäss lic. phil. Marko Nedeljkovic, wissenschaftlicher<br />

Mitarbeiter an der KIKOM, ist die Zahl der in der<br />

Pubmed-Datenbank registrierten TCM-Forschungsarbeiten<br />

in letzter Zeit stark gestiegen. Was randomisierte<br />

klinische Studien (RCT) auf dem Gebiet der<br />

TCM betrifft, wurden im Jahr 2011 zum Thema Akupunktur<br />

bis Ende November 148 Artikel in Pubmedgelisteten<br />

Zeitschriften veröffentlicht, zehn zur chinesischen<br />

Arzneitherapie. Marko Nedeljkovic präsentierte<br />

in der Journal Review-Session am Kongress<br />

unter anderem eine Übersichtsarbeit der Sichuan<br />

University in Chengdu, welche 3159 RCT kritisch<br />

u nter die Lupe nahm [1]. Die zu 82 % in chinesischer<br />

Sprache verfassten Arbeiten wurden in 260 systematischen<br />

Reviews zitiert, die aus der Chinese Biomedical<br />

Database (CBM, 1978–2009) und der Cochrane<br />

Library (bis 2009) extrahiert wurden.<br />

Die Autoren kommen zum Schluss, dass vor allem<br />

in China durchgeführte Studien häufig gravierende<br />

methodische Fehler aufwiesen und sich nicht an<br />

den internationalen Standards für RCT, den CON-<br />

SORT-Richtlinien (Consolidated Standards of Reporting<br />

Tri<strong>als</strong>), orientieren würden. Um die Qualität<br />

von A kupunkturstudien zu erhöhen, wurden die<br />

CONSORT-Richtlinien vor kurzem um die sogenannten<br />

STRICTA-Standards (Standards for Reporting<br />

I nterventions in Clinical Tri<strong>als</strong> of Acupuncture) erweitert.<br />

Begeisterung und Staunen<br />

für «Flinke Hand Südchinas»<br />

Für authentisches fernöstliches Flair sorgte die Tai-<br />

Chi-Vorführung im ursprünglichen Chen-Stil<br />

durch eine Koryphäe auf dem Gebiet des chinesischen<br />

Tai-Chi. Fu Nenbin ist Instruktor und Beirat<br />

des Chenjiagou Tai Ji Training Centers in der Provinz<br />

Henan. Er gilt <strong>als</strong> Überlieferer des Chen-Stils<br />

und trägt unter anderem den Ehrentitel «Flinke<br />

Hand Südchinas».<br />

ASA TCM-Kongress 2012<br />

Am 6. und 7. Dezember 2012 findet in Solothurn<br />

unter dem Motto «Die Lebensphasen: Die ersten<br />

40 Jahre» der 6. ASA TCM-Kongress statt. Die Tagung<br />

ist allen Freunden der chinesischen Medizin<br />

und solchen, die es werden wollen, wärmstens zu<br />

empfehlen.<br />

Literatur<br />

1 He J, Du L, Liu G, Fu J, He X, Yu J, Shang L.<br />

Quality assessment of reporting of randomization,<br />

allocation concealment, and blinding in traditional<br />

Chinese medicine RCTs: a review of 3159 RCTs<br />

identified from 260 systematic reviews. Tri<strong>als</strong>.<br />

2011;13(12):122.<br />

<strong>Schweizerische</strong> <strong>Ärztezeitung</strong> | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2012;93: 7 235


SAMW WEITERE ORGANISATIONEN UND INSTITUTIONEN<br />

Ich verzichte auf das Marketing<br />

von Produkten – erst recht, wenn<br />

ich an deren klinischer Prüfung<br />

beteiligt war.<br />

Korrespondenz:<br />

Beratende<br />

Kommission<br />

c/o SAMW<br />

Petersplatz 13<br />

4051 Basel<br />

mail@samw.ch<br />

Zusammenarbeit<br />

Ärzteschaft – Industrie<br />

Richtlinien der <strong>Schweizerische</strong>n Akademie<br />

der Medizinischen Wissenschaften<br />

Neufassung ’06<br />

SAMW<br />

<strong>Schweizerische</strong> Akademie<br />

der Medizinischen<br />

Wissenschaften<br />

ASSM<br />

Académie Suisse<br />

des Sciences Médicales<br />

ASSM<br />

Accademia Svizzera delle<br />

Scienze Mediche<br />

SAMS<br />

Swiss Academy<br />

of Medical Sciences<br />

Editores Medicorum Helveticorum<br />

Die Zusammenarbeit von Ärztinnen und Ärzten mit<br />

der Industrie ist seit langem etabliert, liegt grundsätzlich<br />

im Interesse einer guten Gesundheitsversorgung und<br />

trägt vielfach zu einer Mehrung des Wissens bei. Diese<br />

Zusammenarbeit kann jedoch Interessenkonfl ikte<br />

und Abhängigkeiten mit sich bringen oder in Ausnahmefällen<br />

sogar zu Konfl ikten mit dem Gesetz führen.<br />

Für die Ärzte in Forschung, Klinik und Praxis geht es<br />

bei der Zusammenarbeit mit der Industrie nicht nur um<br />

eine Frage des Rechts, sondern auch um eine zentrale<br />

Frage der Berufsethik.<br />

Indem die Ärzteschaft für sich selber Leitplanken formuliert,<br />

welche die bestehenden Vorschriften präzisieren<br />

und ergänzen, unterstreicht sie ihren Willen zur Unabhängigkeit<br />

und Glaubwürdigkeit.<br />

Die Richtlinien sind abrufbar unter www.samw.ch/Ethik.<br />

Ein Folienset mit einem Musterreferat sowie weitere Unterlagen<br />

sind dort ebenfalls erhältlich. Bei Fragen oder Unklarheiten kann<br />

man sich gerne an die Beratende Kommission zur Umsetzung<br />

der Richtlinien «Zusammenarbeit Ärzteschaft-Industrie» wenden.<br />

Wie sehen Sie das?<br />

Die <strong>Schweizerische</strong> Akademie der Medizinischen<br />

Wissenschaften (SAMW) hat 2006 die Richtlinien<br />

«Zu sam menarbeit Ärzteschaft-Industrie» veröffentlicht.<br />

Diese halten unter anderem fest:<br />

I. 10.<br />

Forscher wirken nicht mit beim Marketing von<br />

Produkten, an deren Prüfung sie beteiligt waren.<br />

Für einen Versuch verantwortliche oder daran beteiligte<br />

Prüfer dürfen ihre Glaubwürdigkeit nicht in<br />

Frage stellen, indem sie sich an Marketingaktionen<br />

für das geprüfte Produkt oder Verfahren beteiligen.<br />

<strong>Schweizerische</strong> <strong>Ärztezeitung</strong> | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2012;93: 7 236


edaktion.saez@emh.ch BRIEFE<br />

Briefe an die SÄZ<br />

eHealth – ein Gadget für Technokraten?<br />

Der Artikel unseres Kollegen Bhend [1] hinterlässt<br />

einen zwiespältigen Eindruck über<br />

das elektronische Patientendossier und den<br />

entsprechenden Gesetzesentwurf [2]. Der Beitrag<br />

zeigt aber in verdienstvoller Weise einige<br />

Probleme auf, über die sich nachzudenken<br />

lohnt. Obwohl niemand bestreitet, dass die<br />

Kommunikation zwischen dem stationären<br />

und ambulanten Bereich verbessert werden<br />

muss – und darum geht es bei der elektronischen<br />

Krankengeschichte –, sollte vertieft darüber<br />

reflektiert werden, welche Daten wir<br />

austauschen wollen. Aus einer Studie unter<br />

den Spital- und Hausärzten im Wallis [3] geht<br />

der Wunsch hervor, im Wesentlichen auf Fakten<br />

wie Berichte von funktionellen Untersuchungen,<br />

Laborresultate, Berichte über bildgebende<br />

Verfahren, Austrittsberichte und Untersuchungsberichte<br />

zugreifen zu können.<br />

Ebenfalls erwähnenswert ist, dass die Erwartungen<br />

der Spitalärzte mit denjenigen der<br />

Hausärzte übereinstimmen, mit der Ausnahme,<br />

dass sich die Spitalärzte zusätzlich<br />

eine Visualisierung der Röntgenbilder wünschen.<br />

Aber das erfreulichste Ergebnis dieser<br />

Studie ist: 81 % der befragten Ärzte befürworten<br />

einen elektronischen Austausch medizinischer<br />

Daten zwischen Leistungserbringern.<br />

Wie Bhend betont, ist die Aktualisierung der<br />

Daten, das heisst die Verfügbarkeit der aktuellen<br />

Daten im elektronischen Patientendossier,<br />

besonders wichtig, und dies speziell im<br />

Zusammenhang mit den Laborresultaten und<br />

der Liste der vom Patienten eingenommenen<br />

Medikamente. Hierbei sollte man auf eine<br />

mögliche Zusammenarbeit mit den Apotheken<br />

zählen können. Die meisten verfügen bereits<br />

über ein elektronisches Medikamentendossier,<br />

in welchem die Medikamente ohne<br />

Rezept erfasst sind, aber auch die von verschiedenen<br />

Ärzten verordneten Medikamente.<br />

Denn obwohl Patienten häufig mehrere<br />

Ärzte konsultieren (Hausarzt und Spezialisten),<br />

ist es üblich, Medikamente in einer<br />

einzigen Apotheke zu beziehen. Parallel dazu<br />

wird es wichtig sein, möglichst in Echtzeit<br />

alle Laboruntersuchungen zu erhalten, damit<br />

so die aktuellsten Resultate zur Verfügung stehen.<br />

Die Umsetzung des elektronischen Patientendossiers<br />

ist eine grosse Herausforderung für<br />

Editores Medicorum Helveticorum<br />

unser Land. Sie wird zwar durch die föderalistische<br />

Struktur nicht gefördert, und es wird<br />

schwierig sein, eine gemeinsame Lösung zu<br />

finden, die alle befriedigt. Wie die Erfahrung<br />

mit dem elektronischen Patientendossier gezeigt<br />

hat, muss der Widerstand gegen Neuerungen<br />

überwunden werden, und es gilt, die<br />

Kliniker davon zu überzeugen, dass die in die<br />

Erfassung investierte Zeit durch den Zugriff<br />

auf die Information bei weitem kompensiert<br />

werden wird [4]. Aber der Einsatz lohnt sich!<br />

Dr. med. Alex Gnaegi, Projektleiter Infomed,<br />

Sitten<br />

1 Bhend H. Zehn Killerkriterien für eHealth.<br />

Schweiz <strong>Ärztezeitung</strong>. 2011;92(49):1925–8.<br />

2 Loi fédérale sur le dossier électronique du<br />

patient (LDEP) [Internet]. [sans date].[cité 2012<br />

janv 24] Available from: www.admin.ch/ch/f/<br />

gg/pc/documents/2058/LDEP_Projet_fr.pdf<br />

3 Gnaegi A, Fragnière F. Analyse des besoins<br />

d’échanges de données médicales électroniques<br />

avec la médecine ambulatoire, premiers<br />

résultats du projet Infomed.<br />

Swiss Medical Informatics. 2010;(69):50–2.<br />

4 Gnaegi A, Cohen P, Marey D, Rivron M,<br />

Wieser P. Satisfaction des utilisateurs du dossier<br />

patient informatisé valaisan.<br />

Swiss Medical Informatics. 2006;(59):6–8.<br />

Lettre à notre président<br />

Dans son dernier éditorial [1], notre président<br />

faisait état de l’absence de divergences, de<br />

d ésunion au sein de la FMH au sujet des<br />

r éseaux de soins. Je ferais remarquer que<br />

c’était aussi le cas apparemment à la fin de<br />

négociation sur les réseaux de soins, et qu’une<br />

fraction agissante des médecins a renversé la<br />

vapeur, ET la position officielle de la FMH.<br />

Malheureusement, les votations internes ont<br />

montré que c’est joliment du fifty-fifty en ce<br />

qui concerne les médecins qui se sont exprimés,<br />

et même l’association des médecins de<br />

famille est d’un avis opposé. M. de Haller me<br />

faisait remarquer les usages démocratiques<br />

qui donnent en votation populaire l’avantage<br />

à la majorité. Mais nous ne sommes pas dans<br />

ce cas de figure, et plutôt dans celui d’une<br />

commission parlementaire, qui permet à une<br />

minorité importante, comme c’est le cas ici,<br />

de faire valoir son avis, alors qu’on voudrait<br />

la museler, en lui concédant de donner quelque<br />

«coloration locale». C’est clairement inacceptable.<br />

Je ne doute pas que l’argument du «libre<br />

choix du médecin», sur lequel cette campagne<br />

va bien sûr s’appuyer de nouveau, est de<br />

nature à rassembler médecins et patients, en<br />

fonction des désirs idéaux des uns et des autres.<br />

Mais comme le dit M. de Haller, c’est un<br />

«système», qui a son histoire, avec ses a cquis<br />

et aussi ses pesanteurs, et je ne suis pas du<br />

tout convaincu que c’est la «pierre angulaire».<br />

La question, vraiment taboue, est de<br />

savoir si le malade sera moins bien soigné s’il<br />

va chez un médecin qu’il n’y pas spontanément<br />

choisi. Corollairement, le médecin se<br />

sentira-t-il moins lié, professionnellement et<br />

éthiquement parlant, de faire le maximum?<br />

Mon expérience, ma carrière, ne me permets<br />

pas d’appuyer ce point de vue, au contraire:<br />

c’est une question de représentation de notre<br />

devoir, à condition d’avoir une représentation<br />

claire d’un métier certes prestigieux,<br />

mais aussi humble, malgré le pouvoir et les<br />

responsabilités qu’il confère. C’est tout de<br />

même le malade le premier critère! «Mais que<br />

chacun regarde dans son slip, si j’ose dire!»<br />

<strong>Schweizerische</strong> <strong>Ärztezeitung</strong> | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2012;93: 7<br />

Dr Virgile Woringer, Lausanne<br />

1 De Haller J. Le référendum contre le projet<br />

de loi sur le Managed care aura lieu.<br />

Bull Méd Suisses. 2012;93(4):93.<br />

Qualitätssicherung:<br />

Resultate statt Prozesse<br />

Die Aussage dieses ausgezeichneten Artikels<br />

[1] kann man mühelos und muss man von<br />

der Weiterbildung auf die ganze medizinische<br />

und pflegerische Tätigkeit ausdehnen.<br />

Alle, die wir uns seit unserem Medizinstudium<br />

um Qualität bemüht haben, wissen, dass sich<br />

Prozesse viel leichter überprüfen und zertifizieren<br />

lassen <strong>als</strong> die Resultate unserer Bemühungen.<br />

Grund dafür ist, dass Resultate zu<br />

50% subjektiv gefärbt sind, dass sie auch bei<br />

bester Behandlung und Pflege schlecht herauskommen<br />

können und dass gerade in der<br />

Chirurgie neben vielen anderen Faktoren auch<br />

das Glück eine Rolle spielt ( Rudolf Nissen in<br />

seiner Aufzählung der Faktoren, die einen gu-<br />

237


edaktion.saez@emh.ch BRIEFE / MITTEILUNGEN<br />

ten Chirurgen ausmachen). Deshalb weichen<br />

alle Qualitätsexperten auf die Kontrolle der<br />

Prozesse und der Struktur aus, weil diese<br />

quantifizierbar sind. Diese Entwicklung kann<br />

man in den Spitälern bei Behandlung und<br />

Pflege, in den Arztpraxen, sicher immer mehr<br />

bei den Ärztenetzwerken beziehungsweise<br />

Allgemeinpraxen und auch bei der Spitex beobachten.<br />

Da ist es sehr wichtig, dass Stim-<br />

Mitteilungen<br />

Facharztprüfungen<br />

Facharztprüfung zur Erlangung<br />

des Schwerpunktes Neonatologie zum<br />

Facharzttitel Kinder- und Jugendmedizin<br />

Ort: Klinik für Neonatologie, UKBB,<br />

Basel (Dr. med. René Glanzmann)<br />

Datum: Donnerstag, 20., und<br />

Freitag, 21. September 2012<br />

Reservedatum*: Donnerstag, 15., und<br />

Freitag, 16. November 2012<br />

* f alls die Anzahl Kandidaten die Kapazität<br />

überschreitet<br />

Anmeldefrist: 25. Juni 2012<br />

Weitere Informationen finden Sie auf der<br />

Website des SIWF unter www.siwf.ch → Weiterbildung<br />

AssistenzärztInnen → Facharztprüfungen<br />

Facharztprüfung zur Erlangung<br />

des Facharzttitels Rheumatologie<br />

Ort: Rheumaklinik, UniversitätsSpital Zürich<br />

Datum: Donnerstag, 16. August 2012<br />

Anmeldefrist: 30. Juni 2012<br />

Weitere Informationen finden Sie auf der<br />

Website des SIWF unter www.siwf.ch → Weiterbildung<br />

AssistenzärztInnen → Facharztprüfungen<br />

Editores Medicorum Helveticorum<br />

men, wie die von Kollege Binswanger und<br />

auch im gleichen Heft die nüchterne Analyse<br />

des CSS Institutes zur Effizienz von Ärztenetzwerken<br />

[2] zur Vorsicht mahnen. Wir alle<br />

sollten versuchen, Prozess- und Strukturballast<br />

zu sichten und teilweise über Bord zu<br />

werfen.<br />

Dr. med. Wolf Zimmerli, Oberdiessbach<br />

Facharztprüfung zur Erlangung des<br />

Facharzttitels für Medizinische Onkologie<br />

Schriftlich-theoretische Prüfung:<br />

– Ort: Kantonsspital Luzern<br />

– Datum: Samstag, 29. Sept. 2012<br />

Die schriftlich-theoretische Prüfung kann<br />

auch in Wien während des ESMO-Kongresses<br />

abgelegt werden (siehe ESMO-Informationen).<br />

Mündlich-praktische Prüfung:<br />

– O rt: Luzerner Kantonsspital Sursee, 6210 Sur-<br />

see, 3. Stock, www.luks.ch/standorte/sursee/<br />

metanavigation/lageplan.html<br />

– D atum: Samstag, 27. Oktober 2012,<br />

ab 09.00 Uhr<br />

Anmeldefrist: 25. August 2012<br />

Weitere Informationen finden Sie auf der<br />

Website des SIWF unter www.siwf.ch → Weiterbildung<br />

AssistenzärztInnen → Facharztprüfungen<br />

oder unter www.esmo.ch oder www.<br />

sgmo.ch<br />

vetsuisse-fakultät<br />

Untersuchung zu Missbildungen<br />

des Tränennasenkan<strong>als</strong><br />

Das Institut für Genetik der Universität Bern<br />

und das Departement für Nutztiere der Universität<br />

Zürich untersuchen in einer Studie<br />

die Ursache von Missbildungen des Tränennasenkan<strong>als</strong><br />

beim Menschen und beim Tier.<br />

Ärztinnen und Ärzte, die Patienten mit solchen<br />

Krankheitsbildern sehen, werden um<br />

Kontaktnahme gebeten.<br />

Beim Rind werden in der jüngeren Vergangenheit<br />

gehäuft Missbildungen des Tränennasenkan<strong>als</strong><br />

festgestellt. Diese sind klinisch<br />

durch Fistelöffnungen medial des inneren<br />

1 Binswanger R. Outcome- statt Prozessorientierung<br />

in der ärztlichen Weiterbildung.<br />

Schweiz <strong>Ärztezeitung</strong>. 2012;93(4):132.<br />

2 Trottmann M, Beck K, Kunze U. Steigern<br />

Schweizer Ärztenetzwerke die Effizienz im<br />

Gesundheitswesen? Schweiz <strong>Ärztezeitung</strong>.<br />

2012;93(4):125–7.<br />

Abbildung 1<br />

Tränenfistel bei einem 3-jährigen Braunviehstier<br />

medial des inneren linken Augenwinkels.<br />

Der Stier wies beidseits identische Veränderungen<br />

auf. (Foto: Ueli Braun)<br />

Augenwinkels charakterisiert (Abb. 1) und<br />

vermutlich genetisch bedingt, da nur Nachkommen<br />

von bestimmten Stieren beim<br />

Schweizer Braunvieh betroffen sind. Die genannten<br />

Institutionen führen umfangreiche<br />

Untersuchungen durch, um der Ursache auf<br />

den Grund zu kommen. Es besteht die Hypothese,<br />

dass es sich um einen monogen rezessiv<br />

vererbten Gendefekt handelt, und das Ziel<br />

der Untersuchungen ist es, diesen zu identifizieren<br />

und zu beschreiben.<br />

Da beim Menschen phänotypisch ähnliche<br />

Veränderungen bekannt sind, welche ebenfalls<br />

familiär gehäuft auftreten, ist es ein<br />

w eiteres Ziel, abzuklären, ob bei Mensch und<br />

Tier die gleichen Gene für die Missbildung<br />

verantwortlich sind. Die involvierten Forscher<br />

sind deshalb daran interessiert, EDTA-<br />

Blutproben von Menschen mit dem Krankheitsbild<br />

zu untersuchen, und bitten alle<br />

Ä rztinnen und Ärzte, die das Krankheits-<br />

bild bei Patienten sehen, um Kontaktnahme.<br />

Ansprechpartner sind Prof. Dr. Ueli Braun,<br />

Departement für Nutztiere der Universität<br />

Zürich (ubraun[at]vetclinics.uzh.ch) und Prof.<br />

Dr. Cord Drögemüller, Institut für Genetik<br />

der Universität Bern (cord.droegemueller[at]<br />

vetsuisse.unibe.ch).<br />

<strong>Schweizerische</strong> <strong>Ärztezeitung</strong> | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2012;93: 7 238


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Management TRIBÜNE<br />

Interdisziplinäre Führungsstrukturen<br />

zur Lösung von Koordinationsproblemen<br />

Germaine Eze a ,<br />

Jürg Leuppi b , Claude Rosselet c<br />

a E hem. Fachbereichsleiterin<br />

Pflege und MTT Innere<br />

Medizin am Universitätsspital<br />

Basel<br />

b P rof. Dr., Stellvertretender<br />

Chefarzt Innere Medizin am<br />

Universitätsspital Basel<br />

c l ic. oec. HSG, Inscena<br />

Systemische Beratung GmbH,<br />

Männedorf<br />

Korrespondenz:<br />

lic. oec. Claude Rosselet<br />

Inscena Systemische<br />

Beratung GmbH<br />

Alte Landstrasse 161B<br />

CH-8708 Männedorf<br />

Tel. 044 920 60 10<br />

c.rosselet[at]inscena.ch<br />

Editores Medicorum Helveticorum<br />

Eine Organisationsentwicklung sollte in der Klinik für Innere Medizin des Universitätsspit<strong>als</strong><br />

Basel das Zusammenspiel zwischen den unterschiedlichen Funktionsbereichen<br />

und Hierarchieebenen verbessern. Aufgaben, Verantwortung und Kompetenzen<br />

von Ärzten und Pflegenden wurden in einer interdisziplinären Führungsstruktur<br />

geregelt.<br />

Der prüfende Blick auf die Leistungserbringung von<br />

Institutionen des Gesundheitswesens bringt zwangsläufig<br />

die Forderung nach Rationalisierung mit sich.<br />

Oft genug wird bei der Suche nach entsprechendem<br />

Potential allerdings vergessen, dass es sich bei diesen<br />

Institutionen nicht um Betriebe klassischen Zuschnitts<br />

handelt, sondern um sogenannte «Professional<br />

Organizations». Bereits 1989 wies der kanadische<br />

Professor Henry Mintzberg auf die Besonderheiten<br />

dieses Organisationstypus hin [1]: Die Erfüllung der<br />

Primäraufgabe erfordert den Einsatz gründlich ausgebildeter<br />

Spezialisten, die sich vorab an den Patienten<br />

bzw. Klienten orientieren. Die Leistung kann zudem<br />

nicht mit den üblichen betriebswirtschaftlichen Verfahren<br />

gemessen und standardisiert werden, denn sie<br />

beruht auf einem ausgeklügelten, sich am Einzelfall<br />

orientierenden (Kunst-)Handwerk. Neben Spitälern<br />

werden diesem Organisationstyp zugerechnet: Universitäten,<br />

Gerichte, Treuhand- und Beratungsfirmen.<br />

Dieser Organisationstyp hat neben klaren Vorzügen<br />

– wie z. B. ein hohes Arbeitsethos und eine ausgeprägte<br />

intrinsische Motivation der Mitarbeitenden –<br />

eine Reihe von Mängeln: die schwierige Koordination<br />

zwischen den Profession<strong>als</strong> und zwischen Profession<strong>als</strong><br />

und den Mitarbeitenden der unterstützenden<br />

Organisationseinheiten, die beinahe ausschliessliche<br />

Loyalität der Profession<strong>als</strong> gegenüber ihrem Beruf<br />

und weitgehend fehlende, auf induktivem bzw. divergentem<br />

Denken beruhende grundlegende Innovationskraft.<br />

Es wäre kurzsichtig, diesen Problemen mit Managementpraktiken<br />

zu Leibe rücken zu wollen, wie sie in<br />

der Industrie oder bei Banken und Versicherungen<br />

üblich sind. Die operationellen Funktionen von Institutionen<br />

des Gesundheitswesens lassen sich nicht<br />

einfach «industrialisieren», denn die Logik der hier<br />

geltenden Routinen entspringt dem Geist eines professionellen<br />

State of the Art. Somit sind die Arbeitsprozesse<br />

gegenüber der Standardisierung eines Taylorschen<br />

Zuschnitts einigermassen immun.<br />

Erfolg hat eher, wer flexible und interdisziplinäre<br />

Teams zur Lösung gemeinsamer Probleme einsetzt,<br />

Les structures de direction interdisciplinaires<br />

aident à résoudre les<br />

problèmes de coordination<br />

Si l’on jette un regard critique sur les institutions du<br />

domaine de la santé, on en vient immanquablement<br />

à la rationalisation. Pourtant, lorsqu’on recherche<br />

des solutions, on oublie fréquemment que ces institutions<br />

n’ont pas le profil d’entreprises classiques<br />

mais celui d’«organisations professionnelles». Tout le<br />

pan opérationnel des institutions du domaine de la<br />

santé ne se laisse pas simplement «industrialiser».<br />

Œuvrer de manière flexible et interdisciplinaire à la<br />

recherche de solutions communes, instaurer une<br />

structure de direction concertée autour de réunions<br />

sur des sujets clairement définis et développer une<br />

culture collective basée sur des normes et des valeurs<br />

contraignantes sont en revanche source de succès.<br />

Dans le présent article, vous apprendrez comment le<br />

service de médecine interne de l’hôpital universitaire<br />

de Bâle a pu, en introduisant un système de direction<br />

interdisciplinaire, aplanir les paradoxes et améliorer<br />

la coordination entre les différents protagonistes.<br />

L’hôpital a en effet mis sur pied une équipe d irigeante<br />

interdisciplinaire pour son unité de lits, dans laquelle<br />

le médecin­chef, son suppléant, la responsable de<br />

l’unité de soins et les représentants de l’administration<br />

organisent régulièrement des réunions sur des sujets<br />

concernant l’unité de lits.<br />

eine Führungsstruktur mit aufeinander abgestimmten<br />

Besprechungen zu klar definierten Themen implementiert<br />

und auf die Entwicklung einer gemein-<br />

<strong>Schweizerische</strong> <strong>Ärztezeitung</strong> | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2012;93: 7<br />

252


Management TRIBÜNE<br />

Editores Medicorum Helveticorum<br />

samen Kultur auf der Basis verbindlicher Normen<br />

und Werte baut.<br />

Dieser Beitrag beschreibt, wie in der «Inneren<br />

M edizin» des Universitätsspit<strong>als</strong> Basel (USB) durch<br />

die Einführung einer interdisziplinären Führungsstruktur<br />

grundlegende Paradoxien entschärft und die<br />

Koordination zwischen den Akteuren verbessert werden<br />

konnte.<br />

OE-Prozess zur Entwicklung<br />

einer interdisziplinären Führungsstruktur<br />

Eine Organisationsentwicklung (OE) sollte in der<br />

K linik für Innere Medizin des Universitätsspit<strong>als</strong> Basel<br />

das Zusammenspiel zwischen den unterschiedlichen<br />

Funktionsbereichen und Hierarchieebenen verbessern.<br />

Dabei waren insbesondere die Aufgaben, Verantwortung<br />

und Kompetenzen der beteiligten Funktionsträger<br />

im Rahmen einer interdisziplinären Führungsstruktur<br />

zu regeln.<br />

Grundlegende Paradoxien <strong>als</strong><br />

implizite Spannungsmomente<br />

Nicht der mangelnde gute Wille der einzelnen Akteure<br />

macht gelingende Zusammenarbeit bisweilen<br />

zu einer schier unlösbaren Sache. Es sind eher die von<br />

unterschiedlichen und sich gelegentlich sprunghaft<br />

ändernden Erwartungen aus dem organisationalen<br />

Kontext – Patienten, Angehörige, Berufsgruppen,<br />

P olitiker, Universität u. a. m. – hervorgerufenen und<br />

am Leben gehaltenen Paradoxien.<br />

Diese Paradoxien bilden einen permanenten<br />

U nruheherd. Häufig treten sie nicht deutlich ins<br />

B ewusstsein und finden in Form von Unmut, Frustration<br />

und Resignation ihren Ausdruck. Die durch Paradoxien<br />

ausgelösten Spannungen können nicht vom<br />

einzelnen Mitarbeiter allein, sondern nur gemeinsam<br />

durch zweckmässige und sachorientierte Kommunikation<br />

im Rahmen einer robusten Führungsstruktur<br />

«gemanagt» (aber nie «endgültig» gelöst) werden.<br />

Im Verlaufe von Interviews, die mit leitenden Ärzten<br />

und Pflegenden durchgeführt wurden, konnten<br />

drei zentrale Paradoxien ausgemacht werden:<br />

– Funktionale Ausdifferenzierung des Bereichs Innere<br />

Medizin in Ärzte, Pflege und Administration<br />

versus interdisziplinäres Zusammenwirken in den<br />

Bettenstationen;<br />

– Ausbildungsstätte versus nach betriebswirtschaftlichen<br />

Gesichtspunkten durchrationalisierter Betrieb<br />

mit hohem Qualitätsanspruch und geringer<br />

Fehlertoleranz;<br />

– Hierarchiedenken versus Orientierung an betrieblichen<br />

Notwendigkeiten und Sachthemen.<br />

Funktionale Ausdifferenzierung versus<br />

Zusammenspiel auf den Bettenstationen<br />

Die primäre Organisationsstruktur der «Inneren Medizin»<br />

basiert auf der Ausdifferenzierung in die Professionswelten<br />

der Ärzteschaft, Pflege und Administration.<br />

Jede dieser Welten folgt ihrer eigenen Logik.<br />

Hinter ihren ganz spezifischen Routinen und Praktiken<br />

bildet die Professionswelt einen eigenen Horizont,<br />

bestehend aus identitätstiftenden Erklärungen,<br />

aus. Vor diesem Horizont macht die Handlung der<br />

einzelnen Akteure jeweils ihren Sinn – und erfährt<br />

d adurch ihre Legitimation.<br />

Das sukzessiv erfolgte Auseinanderdriften der Professionswelten<br />

fand in Folgendem seinen Niederschlag:<br />

– Rückzug auf die «eigene» Position bei schwierigen<br />

Abstimmungsprozessen und – in der Folge –<br />

Durchsetzung von suboptimalen Lösungen aus<br />

der je ganz spezifischen Interessenlage heraus;<br />

– Negative Zuschreibungen nach dem Schema: «Bei<br />

uns funktioniert alles gut, die Probleme entstehen,<br />

weil die anderen es f<strong>als</strong>ch machen.»<br />

– Gegenseitige Abschottung auf kollektiver und<br />

R esignation auf individueller Ebene infolge ungelöster<br />

Konflikte.<br />

Dies behinderte das Zusammenspiel zum Wohle des<br />

Patienten. Und dies sowohl an seinem Bett <strong>als</strong> auch<br />

im Umfeld seines Bettes. Denn dazu bedarf es ver-<br />

Das Rotationsprinzip im ärztlichen Einsatz führte bei der Pflege zum<br />

Eindruck, die Ärzte kümmerten sich zu wenig um das Funktionieren<br />

des Betriebes auf der Station.<br />

bindlicher Absprachen zwischen den Mitgliedern der<br />

verschiedenen Professionswelten zu folgenden Aspekten:<br />

– Was braucht ein Patient an Behandlung und an<br />

Pflege (fachlicher Aspekt)?<br />

– Wie sollen Behandlung und Pflege im Einzelfall<br />

aufeinander abgestimmt und organisatorisch geregelt<br />

werden (organisationaler Aspekt)?<br />

Ausbildungsstätte versus robuster Betrieb<br />

Die Aus- und Weiterbildung hat in der «Inneren Medizin»<br />

einen hohen Stellenwert. Allerdings liegt der<br />

A kzent eher auf der Qualifizierung von Assistenz- und<br />

Oberärzten. Ärzte verweilen relativ kurze Zeit auf<br />

e iner Station, was unter dem Aspekt der Personenqualifizierung<br />

Sinn macht: Unterschiedliche Kontexte<br />

ermöglichen vielerlei Erfahrungen und entsprechend<br />

Vermehrung des Wissens. Deshalb wird das<br />

<strong>Schweizerische</strong> <strong>Ärztezeitung</strong> | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2012;93: 7 253


Management TRIBÜNE<br />

© Schaffner&Conzelmann, Basel<br />

Erfolg hat, wer flexible und interdisziplinäre Teams zur Lösung gemeinsamer Probleme<br />

einsetzt.<br />

Editores Medicorum Helveticorum<br />

Rotationsprinzip im ärztlichen Einsatz hochgehalten;<br />

es ermöglicht raschen fachlichen Kompetenzzuwachs.<br />

Das führte allerdings dazu, dass sich die Pflege in<br />

die Pflicht der Aufrechterhaltung eines robusten Betriebes<br />

auf der Station – und die Gewährleistung einer<br />

konstant hohen organisationalen Qualität – genommen<br />

fühlte. Es schien ausschliesslich ihr die Aufgabe<br />

der Systemqualifizierung, d. h. der kontinuierlichen<br />

Verbesserung der betrieblichen Abläufe zu obliegen.<br />

Auch entstand der Eindruck, dass sich die Ärzte wenig<br />

um das Funktionieren des Betriebes kümmern. – Und<br />

so standen sich Rotationsprinzip und betriebliches<br />

Qualitätsmanagement unversöhnlich gegenüber.<br />

Dass das eine ausschliesslich der einen Professionswelt<br />

und das andere ausschliesslich der anderen<br />

P rofessionswelt zugerechnet wurden verschärfte die<br />

Problematik zusätzlich.<br />

Hierarchiedenken versus Aufgabenorientierung<br />

Mit Begeisterung erzählte ein Arzt von seinen Erfahrungen<br />

in einer amerikanischen Klinik, in der sich<br />

alle Mitarbeitenden mit der gemeinsamen Aufgabe<br />

identifizierten und auf das gemeinsam Geleistete<br />

auch sichtbar stolz waren. Genau dies vermisse er in<br />

der «Inneren Medizin».<br />

Die Leitdifferenz «Oben/Unten» schien im Bewusstsein<br />

sämtlicher Mitarbeitenden tief verankert zu<br />

sein. Allerdings sei an dieser Stelle gleich angemerkt,<br />

dass «Unten» nicht gleichbedeutend mit machtlos<br />

und «Oben» mit mächtig war. Tatsächlich widerspiegelte<br />

sich die Machtfrage in vielen Sachthemen. Diese<br />

Tendenz wurde durch die primäre Organisationsstruktur<br />

noch unterstützt: Diese differenziert, wie<br />

b ereits erwähnt, Berufsgruppen aus. Letztere geniessen<br />

unterschiedliches Prestige. Die Identifikation mit<br />

der gemeinsam erbrachten Leistung rückte dabei gelegentlich<br />

etwas in den Hintergrund.<br />

Fazit<br />

Dass Organisation nicht ein für allemal geregelt und<br />

dann «vergessen» werden kann, hat seinen Grund<br />

in Paradoxien. Diese generieren einen permanen-<br />

ten Abstimmungsbedarf, der in unterschiedlichsten<br />

Kommunikationsräumen (Workshops, Sitzungen, Korridor-<br />

und Kantinengesprächen) zwischen den beteiligten<br />

Akteuren abgearbeitet werden muss. Der funktionale<br />

Ort, an dem dies geschehen kann, sind Besprechungen.<br />

Doch: Welche Besprechungen bringen<br />

tatsächlich einen Nutzen? Welche Themen gibt es<br />

dort? Und wer wird dazu eingeladen?<br />

Lösungsansatz: Führungsstruktur basierend<br />

auf Durchsprachen zwischen<br />

den Funktionsbereichen<br />

Der Grossteil der auf Behandlung und Pflege fokussierten<br />

Prozesse findet innerhalb der einzelnen Bettenstationen<br />

der Klinik für Innere Medizin statt.<br />

Dort haben die Akteure zusammenzuspielen, die<br />

k li nikweit in drei Disziplinen ausdifferenziert sind.<br />

Besprechungen zwischen Ärzten und Pflegenden<br />

gab es zwar immer schon zu Fragen der Behand-<br />

lung und B etreuung einzelner Patienten. In diesem<br />

anlassbezogenen Rahmen konnten auch organisatorische<br />

Fragen thematisiert werden. Im Hinblick auf<br />

Fragen der übergreifenden, interdisziplinären Steuerung<br />

der O rganisationseinheit «Bettenstation» gab<br />

es h ingegen keine strukturell verankerten Möglichkeit<br />

von Besprechungen zwischen Ärzten und Pflegenden.<br />

Ausser auf der Ebene der Klinikleitung waren<br />

S itzungen denn auch nur innerhalb der einzelnen<br />

Professionswelten strukturell verankert: In der Regel<br />

zu intradisziplinären Sachfragen, seltener zu Fragen<br />

der Betriebsführung und -organisation. Für die Bearbeitung<br />

solcher Fragen wurden bei Bedarf Arbeitsgruppen<br />

eingesetzt. Sie entwickelten in Bezug auf gerade<br />

anstehende Probleme Lösungen, deren Umsetzung<br />

allerdings nicht durch eine auf die einzelne<br />

Bettenstation durchgreifende und alle Disziplinen<br />

i ntegrierende Führungsstruktur sichergestellt wurde.<br />

Dieses pragmatische Vorgehen führte dazu, dass<br />

L ösungen an zufällig sich bietenden Gelegenheiten<br />

und nicht an strategischen Notwendigkeiten festgemacht<br />

wurden.<br />

<strong>Schweizerische</strong> <strong>Ärztezeitung</strong> | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2012;93: 7 254


Management TRIBÜNE<br />

Editores Medicorum Helveticorum<br />

Die im Grunde einfache Lösung beinhaltete die<br />

Etablierung eines «Interdisziplinären Leitungsteams<br />

Bettenstation», in dem ein Chefarzt sowie dessen<br />

Stellvertreter, die Stationsleitung «Pflege» und die<br />

Vertreter(innen) der Administration gemeinsam in<br />

regelmässigen Besprechungen über Themen beschliessen,<br />

welche die Bettenstation betreffen [2]:<br />

– Implementierung der übergeordneten Standards<br />

und Realisierung von konzeptbasierten Massnahmen;<br />

– Sicherstellen einer hochstehenden Qualität in<br />

B ehandlung und Pflege;<br />

– Optimierung der gemeinsamen Ressourcen;<br />

– Kontinuierliche Verbesserung der Prozesse und<br />

Klärung von wichtigen Schnittstellen;<br />

– Fragen im Zusammenhang der Aus- und Weiterbildung<br />

von Ärzten und Pflegenden;<br />

– Laufende Problem- und Konfliktbewältigung bei<br />

Eskalationen aus der ausführenden Ebene heraus.<br />

Ergänzend dazu wird auf der Ebene der Klinikleitung<br />

in regelmässig abgehaltenen Klausuren die strategische<br />

Ausrichtung überprüft und ein allfälliger Umsteuerungsbedarf<br />

ermittelt. Die Agenda beinhaltet<br />

folgende Themen:<br />

– Positionierung der Klinik im Universitätsspital<br />

bzw. im erweiterten Kontext des Gesundheitswesens<br />

und Ableitung der passenden Konzepte;<br />

– Entwicklung von Standards und Sicherstellen der<br />

Umsetzung der Massnahmen, die aus übergeordneten<br />

Konzepten abgeleitet sind;<br />

– Durchsetzung von effizienten Ablauf- und Aufbaustrukturen<br />

sowie von Führungssystemen zur<br />

Sicherung einer konstanten Qualität;<br />

– Auswahl und Förderung von Schlüsselpersonen.<br />

Das Leitungsgremium überwacht zudem die Umsetzung<br />

der gefassten Massnahmen und trifft in regelmässigen<br />

Besprechungen Dispositionen zur Koordination<br />

von übergreifenden Themen.<br />

Damit wurde, in Ergänzung zur primären Struktur,<br />

eine sekundäre Struktur über die Organisation der<br />

«Inneren Medizin» gelegt, welche die Gestaltung, Entwicklung<br />

und Lenkung der operativen Einheiten –<br />

den Bettenstationen – sowie des gesamten Bereichs<br />

im Hinblick auf eine gemeinsame Ausrichtung und<br />

auf eine optimale interdisziplinäre Bereitstellung der<br />

Ressourcen gewährleisten soll. Sie leistet einen wesentlichen<br />

Beitrag zur Behebung der in «Professional Organizations»<br />

bestehenden Koordinationsprobleme.<br />

Der Leistungsausweis nach zwei Jahren ist denn<br />

auch beeindruckend. Dank koordiniertem interdisziplinärem<br />

Vorgehen wurden folgende Vorhaben –<br />

zum Teil unter Miteinbezug von Ressourcen aus Forschung<br />

und Lehre – bearbeitet und die Lösungen sukzessive<br />

implementiert und teilweise evaluiert:<br />

– Gemeinsame Patientenvisite auf der Basis eines<br />

verbindlichen Standards;<br />

Welche Besprechungen bringen tatsächlich einen Nutzen?<br />

Welche Themen gibt es dort? Wer wird dazu eingeladen?<br />

– Interprofessionelle und interdisziplinäre Patientenprozesse<br />

(spitalintern und extern), koordinierte<br />

Wahleintritte, patientenfokussierte Ziele und<br />

Massnahmen, gemeinsame Durchführung von<br />

Untersuchungen, Austrittsplanung;<br />

– Koordination von Anamnese und Eintritts-Screening<br />

zwischen Medizin und Pflege (ausgelegt auf<br />

den Fokus von chronisch kranken Patienten);<br />

– Konsiliarvisitenregelung zwischen Spezialisten<br />

und Generalisten in Medizin und Pflege;<br />

– Implementierung eines Case-Managements;<br />

– Planungsrapport Pflegende;<br />

– Bettenkoordination;<br />

– Einführung eines Critical Incidents Reporting<br />

Systems und interprofessioneller Auswertungen;<br />

– Teilweise computerunterstützte Einführungsprogramme<br />

für Assistenzärzte und Pflegende.<br />

Alle diese Massnahmen führten letztlich zu einer<br />

deutlich gesteigerten Qualität im Kontakt mit dem<br />

Patienten. Das fand am deutlichsten bei den Visiten<br />

seinen Niederschlag: Durch die durchgehende interprofessionelle<br />

Partnerschaft zwischen Ärzten und<br />

Pflegenden entwickelte sich sukzessive Exzellenz:<br />

zum Wohl des Patienten.<br />

Literatur<br />

1 Mintzberg H. Mintzberg. On Management – Inside<br />

Our Strange World of Organizations. New York:<br />

Free Press; 1989.<br />

2 Weber H, Langewitz W. Basler Visitenstandard –<br />

Chance für eine gelingende Interaktionstriade<br />

Patient-Arzt-Pflegefachperson.<br />

Psychother Psych Med. 2011;(61):193–5.<br />

<strong>Schweizerische</strong> <strong>Ärztezeitung</strong> | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2012;93: 7 255


Spectrum TRIBÜNE<br />

CRS entend améliorer la<br />

compétence transculturelle<br />

Le département Santé et intégration<br />

(GI) de la Croix-Rouge suisse (CRS)<br />

s’est lancé dans la nouvelle année<br />

avec la nouvelle publication «Transkulturelle<br />

Public Health – ein Weg<br />

zur Chancengleichheit» (en allemand,<br />

avec quelques contributions<br />

en français) et un outil d’apprentissage<br />

en ligne. L’ouvrage transmet<br />

par des articles tirés de la théorie et<br />

de la pratique des connaissances<br />

utiles sur l’approche transculturelle<br />

et l’égalité des chances en santé<br />

p ublique. Quant à l’outil d’apprentissage<br />

en ligne «Compétence transculturelle»,<br />

il s’adresse avant tout<br />

aux infirmiers; il leur permet d’assimiler<br />

de manière ludique les connaissances<br />

de base en la matière.<br />

(CRS)<br />

Assistenzbeitrag seit<br />

1. Januar in Kraft<br />

Der Bundesrat hat den ersten Teil<br />

der 6. IV-Revision auf den 1. Januar<br />

2012 in Kraft gesetzt und die Ausführungsbestimmungenverabschiedet.<br />

Mit dem Assistenzbeitrag erhalten<br />

Menschen mit Behinderung<br />

eine wichtige neue Leistung. Erwachsene,<br />

die Anspruch auf eine<br />

Hilflosenentschädigung haben und<br />

über das nötige Mass an Selbständigkeit<br />

verfügen, können in Eigenregie<br />

individuell eine Hilfe engagieren,<br />

um zu Hause zu leben. Der<br />

Assistenzbeitrag ermöglicht ihnen<br />

so ein eigenständigeres Leben, entlastet<br />

die Angehörigen und macht<br />

einen Heimaufenthalt überflüssig.<br />

Editores Medicorum Helveticorum<br />

(MS)<br />

Forschungsthemen unterhaltsam und verständlich<br />

erklären, so lautete der Auftrag beim Wettbewerb<br />

«FameLab». Der Sieger setzte Papierflieger ein.<br />

La Suisse en fait-elle assez pour la relève scientifique?<br />

Pour son 60 e anniversaire, le Fonds National Suisse<br />

(FNS) a invité en janvier 250 personnalités de la<br />

r echerche, de l’enseignement supérieur et de la<br />

p olitique à se pencher sur la question d’avenir<br />

«Qu’est-ce qui coince dans l’encouragement de la<br />

recherche?». De jeunes chercheurs ont formulé<br />

leurs attentes: les politiques devraient revoir à la<br />

hausse les subventions universitaires de base proportionnellement<br />

à l’augmentation du nombre<br />

d’étudiants et exercer une pression accrue sur les<br />

REHAB Basel und UKBB rücken näher zusammen<br />

REHAB Basel und das Universitäts-Kinderspital beider<br />

Basel UKBB betreuen zahlreiche Patienten gemeinsam.<br />

Seit Januar 2012 intensivieren die beiden<br />

Institutionen die Partnerschaft, um Kindern,<br />

Jugendlichen und ins Erwachsenenalter eintretenden<br />

Patienten mit Gangstörungen und komplexen<br />

körperlichen Behinderungen eine noch bessere Behandlung<br />

und Rehabilitation bieten zu können.<br />

Das UKBB behandelt Kinder und Jugendliche mit<br />

cerebralen Bewegungsstörungen bis zum 18. Lebensjahr.<br />

Meistens werden diese anschliessend von<br />

Hausärzten oder in Wohneinrichtungen betreut.<br />

Bei schweren Fällen sind jedoch eine regelmässige<br />

Nachsorge beim Neurologen und auch ein therapeutisches<br />

Angebot notwendig. Deshalb übernimmt<br />

das REHAB seit 2001 die erwachsen werdenden<br />

Patientinnen und Patienten des UKBB in<br />

die ambulante Nachsorge.<br />

(REHAB Basel, UKBB)<br />

Vorhang auf für die Forschung<br />

Eine Bühne für drei Minuten, und los geht’s: Das<br />

erste «FameLab» in der Schweiz fand an der Universität<br />

Zürich statt. FameLab ist die etwas andere<br />

Art, Forschung an den Laien zu bringen.<br />

Akademiker sind nicht zwingend Showtalente.<br />

Doch genau das zählt beim FameLab: Die Rednerinnen<br />

und Redner sollen ein Forschungsthema<br />

originell, unterhaltsam und verständlich<br />

erklären, und das in drei Minuten. Insgesamt<br />

waren es neun junge Forschende, die sich auf<br />

die Bühne wagten. Die Jury achtete darauf, ob<br />

der Vortrag wissenschaftlich korrekt war und<br />

auch ein Laienpublikum mitreissen konnte. Am<br />

Ende kürte sie Fabian H. Jenny zum Gewinner<br />

des Tages, der in bestem Englisch und Libellen-<br />

T-Shirt von Fliegen, Flügeln und dem Zusammenhang<br />

mit der Krebsforschung sprach. Und<br />

zwischendurch liess er Papierflieger ins Publikum<br />

segeln.<br />

universités pour assurer une meilleure conciliation<br />

de la vie professionnelle et familiale. Ils souhaitent<br />

des meilleures structures d’encadrement pour les<br />

doctorant-e-s et des perspectives plus attrayantes<br />

pour le corps intermédiaire supérieur. Du FNS, ils<br />

exigent plus de possibilités pour les jeunes chercheurs<br />

de niveau doctorat et post-doctorat de déposer<br />

eux-mêmes des demandes de projet avec une<br />

contribution à l’entretien personnel.<br />

(FNS)<br />

Dank Operation am UKBB und darauf abgestimmten<br />

Therapien im REHAB Basel kann dieser Patient mit<br />

cerebraler Behinderung rund einen Kilometer<br />

selbständig an Stöcken gehen.<br />

<strong>Schweizerische</strong> <strong>Ärztezeitung</strong> | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2012;93: 7<br />

Kurt Müller Klusman<br />

(Universität Zürich)<br />

256


Streiflicht Horizonte<br />

Leben mit Muskeldystrophie<br />

«Wir wissen nie, was kommt»<br />

Helga Kessler<br />

Editores Medicorum Helveticorum<br />

Wenn zwei Kinder schwer krank sind, stellt dies das Leben einer Familie vollständig<br />

auf den Kopf. Für die Mutter bedeutet das, dass sie fast rund um die Uhr gefordert<br />

ist. eltern wie Kinder leben mit der Angst, dass stets etwas Unvorhergesehenes<br />

passieren kann.<br />

Mütter hören alles, wenn es um ihre Kinder geht. Sie<br />

wachen auf, wenn die Kleinen mitten in der Nacht<br />

schreien. Und sie verstehen ihre Kinder auch dann,<br />

wenn diese Mühe mit dem Sprechen haben. Silvan ist<br />

doppelt gehandicapt. Der Achtjährige muss gegen die<br />

Geräusche eines Atemgeräts ankämpfen, ein regelmässiges<br />

Blasen und Saugen. Zusätzlich eingeschränkt<br />

ist er durch die Atemmaske, die in einen Helm integriert<br />

ist und das meiste von dem verschluckt, was<br />

S ilvan sagt.<br />

«Mama, ich habe heute schon fünf Kordeln gemacht»,<br />

sagt er stolz. Seine Mutter strahlt und lobt<br />

ihn für die schönen Farben, die er ausgewählt hat.<br />

«Ich mach noch mal drei, auch eine für Nadja», kündigt<br />

Silvan an. Für den zarten Jungen bedeutet das<br />

Drehen von Kordeln aus Wollschnüren Schwerstarbeit.<br />

Silvan ist muskelkrank. Die Muskeln in Fingern<br />

und Armen sind so schwach, dass er nicht mehr<br />

selbständig essen kann. Laufen kann er seit zwei<br />

J ahren nicht mehr – seither benötigt er einen Rollstuhl.<br />

Plötzlich wollte er gar<br />

nicht mehr laufen und klagte<br />

über schmerzende Beine.<br />

Auch seine kleine Schwester Nadja kann nur<br />

noch laufen, wenn sie festgehalten wird. Die meiste<br />

Zeit sitzt die Fünfjährige ebenfalls im Rollstuhl. Das<br />

dritte Kind von Judith und Christian Weber, der<br />

zehnjährige Roman, ist gesund. «Er wünscht sich<br />

nichts mehr, <strong>als</strong> dass seine Geschwister auch gesund<br />

wären», sagt der Vater. Die Chancen auf Heilung<br />

stehen schlecht. Beide Kinder leiden unter einer<br />

bislang unbekannten Variante von Muskeldystrophie<br />

(siehe Kasten), bei der die Muskeln in den Beinen und<br />

Armen schwinden, während sich die Brustmuskulatur<br />

versteift, was die Atmung erschwert. Auch Nadja ist<br />

auf eine Atemmaske angewiesen; derzeit aber nur in<br />

«nous ne savons jamais<br />

ce qui nous attend»<br />

Lorsque deux enfants sont gravement malades, c’est<br />

toute la vie de famille qui s’en trouve bouleversée.<br />

Chez la famille Weber, tout tourne autour de Silvan,<br />

huit ans, et nadja, cinq ans, tous deux atteints de<br />

dystrophie musculaire, une maladie qui les empêche<br />

de marcher. ils ont besoin d’aide pour s’habiller,<br />

pour manger, et ne peuvent pas aller tous seuls à<br />

l’école ou au jardin d’enfants comme n’importe quel<br />

enfant en bonne santé. Le troisième enfant de Judith<br />

et Christian Weber, roman, dix ans, est lui en bonne<br />

santé. «il ne souhaite rien de plus que de voir son<br />

frère et sa sœur en bonne santé comme lui», déclare<br />

le père. Mais les chances de guérison sont minimes.<br />

Parents et enfants vivent constamment dans la peur<br />

que quelque chose d’imprévu survienne. «nous ne<br />

savons jamais ce qui nous attend», explique la mère.<br />

Silvan attrape sans arrêt de graves infections et a de<br />

plus en plus de peine à respirer. nadja doit elle aussi<br />

porter un masque respiratoire pendant la nuit.<br />

C hristian accepte mal l’impuissance de la médecine<br />

face à la maladie qui touche ses enfants: «Aujourd’hui,<br />

on peut aller sur la Lune mais personne ne<br />

peut aider mes enfants.»<br />

der Nacht. Silvan benötigt auch am Tag immer wieder<br />

stundenweise Atemunterstützung.<br />

«Es muss ja irgendwie weitergehen», sagt die Mutter<br />

und streicht sich Tränen von der Wange. Der Alltag<br />

ist für die ganze Familie äusserst beschwerlich. Die<br />

beiden kranken Kinder erfordern extrem viel Aufmerksamkeit.<br />

Silvan benötigt Betreuung fast rund um<br />

die Uhr. Am Morgen muss er gewaschen und bewegt<br />

und über eine Magensonde ernährt werden. Er<br />

braucht Hilfe beim Inhalieren und beim Abhusten<br />

<strong>Schweizerische</strong> <strong>Ärztezeitung</strong> | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2012;93: 7<br />

257


Streiflicht Horizonte<br />

Editores Medicorum Helveticorum<br />

von Schleim und muss schliesslich für die Schule<br />

p arat gemacht werden. Nadja braucht ebenfalls Hilfe<br />

beim Waschen, Anziehen und Frühstücken – um 8.00<br />

Uhr wird sie für den Kindergarten abgeholt. Wenn die<br />

Kinder um 12.00 Uhr nach Hause kommen, gibt es<br />

Mittagessen. Weil Silvan so gerne isst, füttert ihn die<br />

Mutter am Mittag und am Abend. «Eine Stunde brauchen<br />

wir mindestens dafür», sagt sie. Am Nachmittag<br />

steht für beide Kinder Physiotherapie auf dem Programm.<br />

Findet die Behandlung ausser Haus statt,<br />

müssen die Kinder jeweils hingebracht und wieder<br />

abgeholt werden.<br />

Das ehepaar kämpft seit Jahren,<br />

seinen Bauernhof rollstuhlgerecht<br />

umbauen zu dürfen.<br />

Bis vor kurzem haben die Eltern, beide 40 Jahre<br />

alt und im eigenen landwirtschaftlichen Betrieb tätig,<br />

fast alle Betreuungsarbeiten alleine übernommen.<br />

Nun kümmert sich die Spitex während 30 Stunden<br />

pro Woche um Silvan, für Nadja müssen 1 1 ⁄2 Wochenstunden<br />

genügen. Die Invalidenversicherung bezahlt<br />

für beide Kinder Hilflosenentschädigung, für Silvan<br />

den höchsten, für Nadja den mittleren Satz sowie<br />

e inen Intensivpflegezuschlag für Silvan. Zwei bis drei<br />

Mal pro Woche kommt für wenige Stunden eine<br />

Haushaltshilfe, um die dringendsten Arbeiten zu erledigen.<br />

Weitere Unterstützung bekommen die Webers<br />

kaum – die Angehörigen wohnen entweder zu weit<br />

weg oder finden keine Zeit dafür. Im Gegenteil hört<br />

die Familie häufig Kommentare wie «die Spitex<br />

kümmert sich ja, Silvan ist doch mit seinem Rollstuhl<br />

ganz mobil …». Als wären das nicht genug<br />

Hindernisse, kämpft das Ehepaar seit Jahren mit den<br />

Behörden darum, seinen Bauernhof rollstuhlgerecht<br />

umbauen zu dürfen. «Das Schreiben von Briefen an<br />

Behörden kostet am meisten Energie», sagt Christian<br />

Weber. Auch hier fehlt es der Familie an Hilfe, die sie<br />

dringend benötigen würde.<br />

Muskeldystrophie<br />

Diese Gruppe von Muskelerkrankungen hat eine genetische Ursache. Meist werden<br />

sie vererbt, selten sind es spontane Mutationen. Diese führen dazu, dass die<br />

Muskelzellen allmählich beschädigt werden, was zur vollständigen Zerstörung der<br />

betroffenen Muskeln führen kann. Die Krankheitsbilder, welche die Skelettmuskulatur<br />

betreffen, sind sehr unterschiedlich. Muskeldystrophien sind äusserst seltene<br />

Erkrankungen, mit einer Häufigkeit von 10 Erkrankten auf 100 000 Personen. Die<br />

häufigste Muskelerkrankung im Kindesalter ist Duchenne Muskeldystrophie, von der<br />

fast ausschliesslich Jungen betroffen sind. Eine ursächliche Behandlung gibt es<br />

bislang nicht; aktuell werden verschiedene Therapieansätze erforscht. Mit<br />

Physiotherapie, Schienenbehandlung, Operationen und Medikamenten gelingt es,<br />

die Symptome zu lindern und den Verlauf zu verzögern.<br />

Aus kleinen Dingen Kraft schöpfen: Der achtjährige<br />

Silvan leidet an einer Muskeldystrophie und braucht<br />

durchgehend Betreuung.<br />

Doch ihre grösste Sorge gilt den beiden kranken<br />

Kindern. Silvan war 2 1 ⁄2 Jahre alt, <strong>als</strong> seine Schwester<br />

Nadja geboren wurde, und die Mutter merkte, dass etwas<br />

nicht stimmte. Dass er erst spät mit dem Laufen<br />

anfing, hat Judith Weber zunächst nicht beunruhigt:<br />

«Ich dachte, er braucht einfach ein bisschen länger.»<br />

Doch dann wollte er plötzlich gar nicht mehr laufen<br />

und klagte über schmerzende Beine. Eine Blutuntersuchung<br />

zeigte hohe Kreatinkinase­Werte, ein klares<br />

Indiz für eine Schädigung der Muskelzellen. Der Arzt<br />

sprach von Muskelentzündung und verabreichte<br />

Schmerzmittel. Eine Biopsie brachte schliesslich Gewissheit,<br />

dass Silvan an einer Muskelerkrankung litt.<br />

Als Nadja vier Monate alt war, wurde auch bei ihr<br />

Muskelschwund diagnostiziert. Für die Familie war<br />

das ein «Riesenschock», zumal Muskelerkrankungen<br />

bei Mädchen eher selten sind und ähnliche Erkrankungen<br />

weder aus der Familie der Mutter noch aus<br />

der des Vaters bekannt waren.<br />

Nadja ist ein aufgewecktes, kleines Mädchen, das<br />

«gerne und viel redet», so der Vater, und sich jeden<br />

Tag auf den Kindergarten freut. Später soll sie eine<br />

R egelschule besuchen können, hoffen die Eltern.<br />

S ilvan besucht eine Klasse im Zentrum für Körperbehinderte.<br />

Auch er ist gerne mit anderen Kindern<br />

zusammen, aber er hat zunehmend Angst, dass ihm<br />

dort nicht geholfen werden kann, wenn er in Atemnot<br />

gerät. Die Mutter quält sich jeden Morgen mit<br />

<strong>Schweizerische</strong> <strong>Ärztezeitung</strong> | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2012;93: 7 258


Streiflicht Horizonte<br />

Editores Medicorum Helveticorum<br />

dem Entscheid, ob es ihm heute so gut geht, dass sie<br />

ihn gehen lassen kann. Immer wieder erreicht sie<br />

dann trotzdem ein Anruf, dass sie sofort kommen<br />

muss. Wenn Silvan nicht zu Hause ist, ist Judith Weber<br />

unruhig. «Ich bin nie ohne Handy unterwegs»,<br />

sagt sie. Und stets muss sie darauf gefasst sein, von einem<br />

Moment auf den anderen alles stehen und liegen<br />

zu lassen. Angst treibt die ganze Familie um: «Wir<br />

wissen nie, was kommt», sagt die Mutter.<br />

Im letzten halben Jahr ist Silvan sehr häufig krank<br />

gewesen. Wegen verschiedener Infekte hat er Monate<br />

im Kinderspital Zürich verbracht, viele Wochen davon<br />

auf der Intensivstation. Nun hoffen die Eltern,<br />

dass er sich stabilisiert hat und regelmässig in die<br />

Schule kann. «Er lernt so gerne und bräuchte mehr<br />

Förderung», findet die Mutter. Neu hat er das Schachspielen<br />

entdeckt; sein Vater spielt mit ihm, so oft er<br />

kann. Mehr <strong>als</strong> für ihre Kinder da zu sein, können die<br />

Eltern kaum tun. Dass die Medizin machtlos, ist,<br />

kann der Vater nur schwer verstehen: «Man kann<br />

heute auf den Mond fliegen, aber meinen Kindern<br />

kann man nicht helfen.»<br />

Die Familie hat sich in ihr Schicksal gefügt. «Wir<br />

sind schon zufrieden, wenn wir’s daheim gut bewerkstelligen<br />

können», sagt Christian Weber. Grössere<br />

Ausflüge oder gar ein Urlaub sind kaum möglich. Einmal<br />

sind sie für drei Tage ins Tessin gefahren, das<br />

Auto vollgepackt mit Rollstühlen und Pflegeutensilien<br />

für die Kinder. «Das war ein Riesenstress», sagt<br />

die Mutter. Trotzdem hätten sie es genossen, zu fünft<br />

einen Ausflug machen zu können. Es sind kleine Ereignisse,<br />

aus denen die Familie Kraft schöpft. Im Sommer<br />

durften Nadja und Silvan beim Zirkus «Wunderplunder»<br />

mitmachen – Bilder zeigen vor Glück strahlende<br />

Kinder.<br />

Christian Weber findet seine Ruhe, wenn er auf<br />

den Feldern unterwegs ist. Seine Frau muss ihre<br />

O asen der Ruhe bewusst suchen. Morgens steht sie<br />

extra früh auf, um alleine frühstücken zu können.<br />

«Ich geniesse das», sagt sie. Gelegentlich geht sie mit<br />

raus aufs Feld, sie organisiert den Hofladen und deko­<br />

riert den Hof mit wechselnden Ausstellungen von<br />

dem, was die Felder hergeben: Kürbisse im Herbst,<br />

Melonen im Sommer. Zeit für sich selbst findet sie<br />

kaum. Geht sie abends mal weg, kann sie’s kaum geniessen,<br />

weil sie weiss, dass Silvan nervös ist, wenn sie<br />

nicht im Haus ist.<br />

Die Nächte sind häufig unruhig; beide Kinder<br />

sind mit einer Klingel ausgestattet. Silvan betätigt<br />

seine jede Nacht, meist mehrm<strong>als</strong>. Dann steht die<br />

Die Mutter quält sich jeden Morgen mit dem entscheid,<br />

ob es ihm heute so gut geht, dass sie ihn zur Schule schicken kann.<br />

Mutter auf, gibt ihm zu trinken oder hilft ihm beim<br />

Abhusten von Schleim. Vor allem tröstet sie ihn.<br />

Manchmal ist Judith Weber so müde, dass sie die<br />

Klingel nicht hört. Dann steht der Vater auf. Meist<br />

muss er seine Frau dann doch wecken. Sie ist die Einzige,<br />

die ihren Sohn beruhigen kann, wenn er nicht<br />

mehr schlafen kann.<br />

Zürcher Ärzteball am 12. Mai 2012 im Dolder<br />

Grand zugunsten des Neuromuskulären<br />

Zentrums Zürich<br />

Die zürcher Ärztegesellschaft lädt alle Ärztinnen<br />

und Ärzte und deren Freunde zu einer exklusiven<br />

Ballnacht ins Dolder Grand ein. Der 2. zürcher<br />

Ärzteball ist der glamouröse gesellschaftliche<br />

Höhepunkt des Jahres und findet am 12. Mai<br />

2012 statt. ein Feuerwerk mit der Dani Felber<br />

Band, «Helga is Bag» (ehem<strong>als</strong> Acapickels) und<br />

einer schwindelerregenden Mitternachtsshow<br />

erwartet Sie. Die tombola hat Preise im Wert von<br />

über 60 000 Franken. Der gesamte erlös dieses<br />

Benefizballs kommt dem neuromuskulären<br />

zentrum zürich zugute. Bereits vor zwei Jahren<br />

konnten über 220 000 Franken überwiesen<br />

werden.<br />

Verpassen Sie nicht, sich bald anzumelden. Die<br />

Plätze sind limitiert und werden nach eingang<br />

der Anmeldung vergeben. Weitere informationen<br />

und Anmeldung unter www.aerzteball.ch oder<br />

info[at]aerzteball.ch<br />

<strong>Schweizerische</strong> <strong>Ärztezeitung</strong> | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2012;93: 7 259


Streiflicht Horizonte<br />

Fable<br />

ethique et morale<br />

Françoise Verrey Bass<br />

Correspondance:<br />

Dr Françoise Verrey Bass<br />

Présidente ASEM<br />

Plänkestrasse 12<br />

CH-2502 Bienne<br />

fraverrey[at]gmx.ch<br />

Editores Medicorum Helveticorum<br />

Une plume, comme une plume d’oiseau, monte<br />

lentement en vacillant un peu vers le ciel. Ce n’est<br />

pas une belle plume lisse et brillante. Son aspect fait<br />

penser à une vieille plume qui a de la peine à rester<br />

droite. En cours de montée, elle est rattrapée par une<br />

plume d’oie, toute blanche, petite et fine, bien que<br />

touffue, qui tourbillonne sur elle-même en évoluant<br />

rapidement. Arrivée à la hauteur de la plume grise,<br />

elle lui demande d’une petite voix claire qui elle est,<br />

d’où elle vient. D’une voix cassée, fragile, la plume<br />

grise lui répond qu’elle est l’âme d’un homme de<br />

60 ans, atteint d’une maladie neurologique le paralysant<br />

de plus en plus depuis un an et demi, et qui a<br />

choisi de quitter le monde des êtres humains tant<br />

qu’il pouvait encore boire lui-même la «potion magique»<br />

d’Exit, donc qu’il était suisse et venait de<br />

mourir par suicide assisté. La plumette freine son<br />

ascension pour rester à sa hauteur et l’écouter avec<br />

attention. «Et ta vie, elle a été comment?» «Oh! Belle<br />

et pas belle, heureuse et triste, avec des hauts et des<br />

bas, une vie normale, quoi!» Plumette pousse un<br />

gros soupir et constate: «Dans le fond, tu as eu beaucoup<br />

de chance, car tu as eu l’expérience d’une vie,<br />

même si la maladie l’a raccourci. Et… en fait! Tu as eu<br />

la possibilité de décider de ta mort à l’heure qui t’a<br />

convenu, quand tu as réalisé que tu ne pouvais plus<br />

supporter la maladie! Moi, je n’ai pas eu cette opportunité,<br />

je n’ai même rien eu. Car quoique déjà parfaitement<br />

formé et avec un génome tout ce qu’il y a de<br />

plus normal, on a décidé pour moi. Je comprends les<br />

arguments de ma mère et de son entourage, mais<br />

c’est dur d’avoir été bien en route pour l’expérience<br />

unique qu’est la vie et d’avoir été avortée à 11 semaines<br />

de la grossesse. Est-ce un meurtre? De l’euthanasie<br />

active?» L’âme de l’homme en est toute secouée. La<br />

loi suisse autorise les interruptions de grossesses<br />

volontaires jusqu’à la fin du troisième mois «pour<br />

des raisons de santé de la mère». Pendant sa vie<br />

l’homme a été plus d’une fois confronté à l’avortement<br />

d’un fœtus, il y a même eu un cas dans sa famille.<br />

Mais jamais il n’aurait imaginé que l’on puisse<br />

parler de meurtre! Un fœtus si jeune, a-t-il déjà une<br />

âme? Il en est tout perplexe. Alors le Pape aurait-il<br />

tout de même raison avec ses argumentations? Et<br />

aussi tous ces gens qui sont contre l’avortement en<br />

Amérique et ailleurs? Mais de là à devenir soi-même<br />

un criminel en incendiant des cliniques où en s’attaquant<br />

aux médecins, il y a quand même une frontière<br />

à ne pas franchir.<br />

Les sciences de la vie ont fait d’immenses progrès<br />

ces dernières décennies, et l’imagerie médicale aussi.<br />

Dès qu’il y a la première division de cellules, la vie est<br />

en route, c’est à ce moment-là que le nouvel être<br />

humain «naît». Pas question d’éthique ou de morale,<br />

une interruption de grossesse est une interruption<br />

de vie, on ôte la vie à un être humain en devenir.<br />

L’âme de l’homme est songeuse: «Je t’entends<br />

bien, petite plume, et ce que tu m’expliques me rend<br />

très triste. Je n’ai bien sûr jamais réfléchi à ce problème.<br />

Mais dis-moi, que faire quand, à l’examen du<br />

fœtus avant la fin du troisième mois, on décèle une<br />

anomalie grave, un handicap sévère, comme la trisomie?<br />

Que faire quand la femme se retrouve enceinte<br />

après un viol, surtout un viol collectif, la barbarie des<br />

vainqueurs dans un pays conquis?» Les deux plumes<br />

continuent leur ascension en silence, perdues dans<br />

leurs pensées.<br />

«En cas de viol, donner l’enfant à l’adoption?»,<br />

chuchote Plumette. «Comme si en pleine guerre, on<br />

pouvait penser à l’adoption!», tonne Vieille Plume.<br />

«Non, là c’est tout à fait moral de se faire avorter,<br />

même si l’éthique n’y est pas du tout.» «Mouais!», ac-<br />

<strong>Schweizerische</strong> <strong>Ärztezeitung</strong> | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2012;93: 7<br />

260


Streiflicht Horizonte<br />

Editores Medicorum Helveticorum<br />

quiesce Plumette après un nouveau temps de réflexion,<br />

«dans ce cas je peux comprendre l’interruption<br />

de grossesse. Pardon, je préfère ce terme à avortement<br />

qui est un mot si laid, totalement dénué<br />

d’éthique.»<br />

Brusquement Plumette freine et provoque:<br />

«Dans le cas d’une interruption de grossesse pour<br />

handicap grave, ne pourrait-on pas supposer par<br />

exemple que Dieu ait voulu mettre le couple à<br />

l’épreuve, et qu’alors, il faille accepter cet enfant<br />

comme il est et s’en occuper?» Vieille Plume secoue<br />

la tête irritée: «Pas d’accord du tout! Qu’est-ce que<br />

Dieu vient faire là où il y a hasard ou même hérédité<br />

calculable. Et moi, je veux bien croire en une entité<br />

suprême qui est partout, mais je me refuse de croire<br />

qu’elle veuille faire souffrir les uns plus particulièrement<br />

que les autres. Quant aux forces du mal qui<br />

nous en voudraient, c’est bon comme sujets de<br />

films!» Songeuse, elle ajoute: «Du reste, on ne sait<br />

même pas si cette entité existe! On ne fait que supposer…<br />

on verra bien… quand on arrivera où? Certainement<br />

pas dans un paradis... Où m’attendraient<br />

72 vierges comme le disent les musulmans! Et pourquoi<br />

pas 72 puceaux pour les femmes? Un Dieu qui<br />

ferait aussi dans ce domaine de telles différences<br />

entre l’homme et la femme? A rire. En quoi sontelles<br />

moins que nous? Nous sommes parfaitement<br />

égaux en tout. Pour preuve, elles sont aussi intelligentes<br />

que nous, accèdent aux mêmes études. Elles<br />

ont juste un détail extérieur différent de nous, permettant<br />

la copulation – un mot bien laid, celui-là<br />

aussi. Les deux détails se complétant, la fécondation<br />

est ainsi rendue possible, et au lieu d’être moins, elles<br />

seraient plutôt plus que nous, parce qu’elles peuvent<br />

porter nos enfants et les mettre au monde…» «Ou interrompre<br />

la grossesse, si elles n’en veulent pas»,<br />

jette Plumette pour stopper ce fleuve soudain de<br />

paroles.<br />

«Bon! Une chose me paraît très claire», ajoute<br />

Vieille Plume pour terminer ce sujet qui ne pourra<br />

jamais être clos. «La prévention est toujours et en<br />

toutes choses la meilleure solution, même si souvent<br />

elle n’est que fille de la morale: avoir une pro tection<br />

anticonceptionnelle, n’importe quoi, mais pourvu<br />

que cela soit vraiment efficace, ou alors s’abstenir, si<br />

on n’est pas prêt pour accueillir une descendance!<br />

Quant au plaisir de l’amour physique, on l’observe<br />

chez tous les êtres vivants, donc c’est une bonne<br />

chose, voulue. J’irais jusqu’à dire que le plaisir que<br />

donne la copulation, ou si tu préfères la relation<br />

amoureuse, est la garantie que la species de l’être va<br />

continuer sur terre. C’est se protéger de la disparition<br />

de cet être spécifique, escargot, chat ou être humain!»<br />

Elles reprennent leur ascension un moment.<br />

«Mais, Petite Plume, que penses-tu de la façon dont<br />

j’ai quitté ma vie?» «Tu me poses une vraie colle»,<br />

répond Plumette en s’arrêtant de nouveau pour<br />

mieux réfléchir. «J’essaie de m’imaginer tes souffrances<br />

et tes douleurs des derniers mois et la paralysie<br />

qui augmente, qui allait te priver de l’usage de<br />

tes mains, t’empêcher complètement de te nourrir,<br />

parce que déglutir serait devenu impossible, qu’il<br />

aurait fallu te mettre une sonde directement dans<br />

l’estomac pour rallonger un chouia ta vie, et que<br />

finalement tu serais mort en étouffant, avec ou sans<br />

pneumonie… sans oublier l’angoisse qui accompagne<br />

l’évolution de la maladie… et ta persuasion<br />

que l’entité qui est partout est Clarté, Amour et Compréhension…»<br />

«Je n’ai pas dit ça!» «Tu ne l’as pas dit, mais j’en<br />

suis toute imprégnée par le rayonnement de ton âme<br />

quand tu penses ‹Dieu›!» «C’est juste, parfaitement<br />

juste!›» «Donc, à ce moment-là, pourquoi me poser<br />

une question d’éthique ou de morale, à laquelle aucun<br />

être, même un philosophe vraiment honnête,<br />

ne peut répondre, car il n’est pas dans la situation<br />

donnée. C’est un choix! Tu n’as jamais vraiment<br />

pensé, pendant ta vie, à cette sortie délibérée. Mais<br />

dans la situation si difficile, dans laquelle tu te trouvais,<br />

tu as choisi. Et personne ne peut t’en blâmer.<br />

Au contraire, après beaucoup de réticences, ta famille,<br />

voyant ta souffrance et souffrant avec toi parce<br />

que t’aimant, ta femme et tes enfants ont accepté<br />

ton choix sans retenue. C’est un choix personnel<br />

que tu as fait, en possession de toutes tes facultés<br />

mentales. Personne n’a le droit de juger. Dans ton<br />

cas – et celui de toutes les autres personnes dans ta<br />

situation – ce choix est loin au-dessus, dela morale<br />

de toute façon, et aussi de l’éthique.»<br />

Plumette s’arrête, à bout de souffle. Vieille Plume<br />

est bouche bée devant son éloquence: «Mais d’où<br />

sors-tu tout cela, toi qui n’a qu’à peine vécu?» Alors<br />

Plumette: «Pense si tu veux que l’âme est immortelle,<br />

crois si tu veux à la réincarnation. Ce qui est vrai,<br />

c’est qu’une forme de savoir et de connaissances<br />

profondes est ancrée depuis toujours dans l’âme des<br />

êtres humains. Non! Des êtres vivants tout court,<br />

avec une communication mentale entre nous, qui<br />

n’est malheureusement pas comprise par tous, mais<br />

des animaux oui. As-tu essayé une fois de parler<br />

mentalement à un chien et observé sa réaction? Car<br />

il en a une, je t’assure. Bref, je n’ai pas eu le temps de<br />

vivre au-delà de 11 semaines, d’accord, mais j’avais<br />

déjà en moi toute l’expérience passée et future du<br />

monde, sinon l’expérience de ma propre vie.»<br />

Elles continuent en silence et tranquillement<br />

leur ascension. Entre elles, l’essentiel a été dit, le reste<br />

ne serait que discussion philosophique bien sûre fort<br />

intéressante et de ce fait nécessaire. Mais ne correspondant<br />

pas vraiment à la vie et à la mort des<br />

humains.<br />

D’autres plumes de toutes les grandeurs, formes<br />

et couleurs se joignent à elles et ainsi, toutes ensembles,<br />

elles arrivent… dans un endroit… de l’univers…<br />

inconnu.<br />

<strong>Schweizerische</strong> <strong>Ärztezeitung</strong> | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2012;93: 7 261


Streiflicht Horizonte<br />

Angst und Ansteckung zwischen<br />

epidemien und Finanzkrise<br />

Mark Honigsbaum<br />

Journalist und Wissenschaftlicher<br />

Mitarbeiter am<br />

Medizinhistorischen Institut<br />

der Universität Zürich<br />

Der Text wurde aus dem<br />

Englischen übersetzt.<br />

Korrespondenz:<br />

Mark Honigsbaum, PH.D<br />

Medizinhistorisches<br />

Institut und Museum<br />

der Universität Zürich<br />

Hirschengraben 82<br />

CH­8001 Zürich<br />

Tel. 044 634 21 96<br />

m.honigsbaum[at]mhiz.uzh.ch<br />

Editores Medicorum Helveticorum<br />

Der Film «Planet der Affen: Prevolution», der letztes<br />

Jahr in die Kinos kam, hat ein ganz spezielles Ende.<br />

Während bereits der Abspann läuft, sieht man ein<br />

Flugzeug und seinen mit einem tödlichen Gehirnvirus<br />

infizierten Piloten. Beim Abflug in San Francisco<br />

hatte man schon sein blutiges Husten beobachten<br />

können. Man erahnt, dass auf die Menschheit etwas<br />

Unheilvolles zukommt, denn der Weg des Flugzeugs –<br />

zunächst nach New York und anschliessend nach<br />

Frankfurt – spinnt schon bald ein Netzgewebe aus<br />

kreuz und quer sich überschneidenden Linien um<br />

den Erdball.<br />

Rechnet man die Zahl der Linien, die allein auf<br />

e iner Karte des Lufthansa­Flugplans eingezeichnet<br />

sind, hoch zehn, sind die Verbreitungsmöglichkeiten<br />

des Virus symbolisch schnell erkennbar – und gleichzeitig<br />

auch das technologische Netzwerk, das die Verbreitung<br />

von materiellen und immateriellen Dingen<br />

in Prevolution ermöglicht. Und nebenbei ist so der<br />

Fortsetzungsfilm mit dem kurz bevorstehenden Weltuntergang<br />

geschickt angekündigt.<br />

Seitdem in den frühen Achtzigerjahren behauptet<br />

wurde, dass der Air­Canada­Flugbegleiter Gaetan<br />

D ugas – auch Patient Zero genannt – angeblich Aids<br />

nach Nordamerika eingeschleppt hat, sind neuartige<br />

Ansteckungsängste schwer einzudämmen. Dank des<br />

internationalen Flugverkehrs und der permanenten<br />

Anforderungen der globalen Märkte sind aus dem<br />

R egenwald stammende tödliche Krankheitserreger<br />

nur so weit von einer Metropole entfernt wie eine<br />

A nfahrt per LKW, Bahn oder Flug. In unserer Zeit bedeutet<br />

dies, dass sie nahezu augenblicklich dort sein<br />

können.<br />

In neueren Kinofilmen wie Prevolution oder Contagion<br />

(über das Verbreiten eines neuartigen grippeähnlichen<br />

Virus) geht es allerdings nicht so sehr um<br />

den feindlichen Einfall einer nicht sofort erkennbaren<br />

Erkrankung in unsere <strong>als</strong> keimfrei betrachtete<br />

Umwelt. Dem Contagion­Regisseur Steven Soderbergh<br />

etwa geht es vielmehr um das verheerende<br />

Chaos, das durch das besagte technologische Netzwerk<br />

im 21. Jahrhundert angerichtet werden kann.<br />

Es geht um Angst<br />

Natürlich findet sich das Warnschild für biologische<br />

Gefahr auch auf den Werbeplakaten von Contagion,<br />

aber es geht eher um die Gefährdung durch die Infektiosität<br />

der Panik. Man könnte dies auch <strong>als</strong> eine<br />

m oralische oder emotionale Angst vor dem «Contagion»<br />

beschreiben, und genau dies hat Soderberghs<br />

kreative Ader angeregt, denn der englische Untertitel<br />

des Films lautet nothing spreads like fear.<br />

Die Angst oder wenigstens das Geld, das durch<br />

Angst verdient werden kann, bildet auch das Kernstück<br />

des neuen Buchthrillers von Robert Harris The<br />

Fear Index, der gerade auf Deutsch unter dem schlichten<br />

Titel «Angst» erschienen ist [1]. Der Autor nimmt<br />

eine Anleihe bei Charles Darwins The Expression of<br />

Emotions in Man and Anim<strong>als</strong> (1872), um den Leser in<br />

einem nicht gerade subtilen Handlungsablauf auf<br />

den bevorstehenden Nervenkitzel vorzubereiten:<br />

«Das Herz zieht sich schnell und heftig zusammen, so<br />

dass es gegen die Rippen schlägt oder anstösst …»,<br />

schreibt Harris, Darwin zitierend, kurz bevor ein Eindringling<br />

in das Haus seiner Hauptfigur, Dr. Alexander<br />

Hoffmann, hereinplatzt. «Wenn die Furcht auf<br />

den höchsten Gipfel steigt, dann wird der fürchterliche<br />

Schrei des Entsetzens gehört. Grosse Schweisstropfen<br />

stehen auf der Haut.»<br />

es gibt keine Garantie, dass<br />

Viren sich so verhalten, wie<br />

die Mathematik es voraussagt.<br />

Dennoch ist es nicht die Physiologie der Angst,<br />

die Harris interessiert, sondern vielmehr die Angst<br />

aus der Perspektive der Psychologie und der Epidemiologie.<br />

Harris’ Romanfigur Hoffmann, ein brillanter<br />

Physiker, hat den Dienst im CERN quittiert und<br />

in Genf einen Hedge Fonds gegründet. Dafür entwickelte<br />

er einen Algorithmus unter dem Decknamen<br />

VIXAL­4, um die Finanzmärkte zu beobachten.<br />

Von einem Schriftsteller, der wie Harris ständig<br />

am Puls des Zeitgeistes schreibt, ist wohl nichts anderes<br />

zu erwarten, <strong>als</strong> dass er in seinen Roman Begriffe<br />

wie Bogeys, Quants und Swaps einfliessen lässt. Lässt<br />

man diesen Finanzjargon jedoch ausser Acht, ist das<br />

Prinzip von VIXAL­4 klar: Es ist eine Finanztechnik,<br />

die Aktienleerverkäufe gerade dann empfiehlt, wenn<br />

Aufregung in den Märkten herrscht. Sozusagen <strong>als</strong><br />

Anlagetipp beschreibt er, wie die Furcht das globale<br />

Marktgeschehen stärker bestimmt <strong>als</strong> je zuvor. VIXAL­4<br />

wird in seinem Roman so zu einer Art Lizenz, Geld zu<br />

drucken.<br />

Warum aber sollte gerade heutzutage grössere<br />

Furcht herrschen <strong>als</strong> zum Beispiel während des Kalten<br />

<strong>Schweizerische</strong> <strong>Ärztezeitung</strong> | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2012;93: 7<br />

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Streiflicht Horizonte<br />

Im Film «Contagion» geht es nicht nur um ein extrem ansteckendes Virus, sondern auch um<br />

die Gefährdung durch die Infektiosität der Panik. © 2011 Warner Bros. Entertainment Inc.<br />

Editores Medicorum Helveticorum<br />

Krieges, <strong>als</strong> die Welt noch unter der ständigen Bedrohung<br />

einer nuklearen Verwüstung leben musste? Verblüffend<br />

stellt Hoffmann (respektive Harris) fest: «Die<br />

zunehmende Marktvolatilität ist eine Funktion der<br />

Digitalisierung, was heisst: überspitzte menschliche<br />

Stimmungsschwankungen durch beispiellose Informationsverbreitung<br />

per Internet.» Für Harris ist es<br />

<strong>als</strong>o die Digitalisierung selbst, die eine epidemische<br />

Ausbreitung der Angst fördert.<br />

Auch Soderberghs Contagion­Film greift den<br />

G edanken auf, dass unser digitalisiertes Leben dazu<br />

tendiert, die Ausbreitung von Angst und anderen ansteckenden<br />

Emotionen zu unterstützen. Indem sich<br />

im Film ein Blogger (gespielt von Jude Law) in eine<br />

Konspirationstheorie hereinsteigert, um die Wahrheit<br />

über das Virus aufzudecken, und sich die Fachleute<br />

im Center for Disease Control (CDC) in Atlanta die<br />

Köpfe zerbrechen, inwieweit sie die Öffentlichkeit<br />

über die Epidemie unterrichten müssen, legt Soderbergh<br />

nahe, dass es in unserer technologisch­vernetzten<br />

Umwelt mittlerweile fast unmöglich ist, eine Hysterie<br />

in Grenzen zu halten. Stattdessen verselbständigen<br />

sich die von Bloggern und in Facebook & Co.<br />

verbreiteten Gerüchte und Halbwahrheiten in immer<br />

neuer Aufmachung. Mit dem Effekt, dass die Angst<br />

zu einer Art Virus wird und sich, ähnlich einer DNA­<br />

Replikation im menschlichen Körper, immer wieder<br />

replizieren wird und Zweifel und Misstrauen verbreitet,<br />

wo immer sie auftritt.<br />

Biomedizinische Metaphern und Informatik<br />

Aber ist es richtig, wenn wir biomedizinische Metaphern<br />

im Zusammenhang mit Informatik und Sozial­<br />

Epidemiologie anwenden? Denn Ansteckung ist<br />

nicht das Gleiche wie Übertragung. Darüber hinaus<br />

ist eine Kontamination durch ein lebendes Virus<br />

nicht mit einer «virtuellen» Infektion eines verselbständigten<br />

Computer­Codes zu vergleichen. Und das<br />

tun wir, wenn wir Angst auf Algorithmen reduzieren,<br />

die Finanzmärkte «infizieren».<br />

Wenn man sich, wie bisher, jedoch auf den Ansteckungseffekt<br />

im epidemiologischen Sinn bezieht, der<br />

sich dann <strong>als</strong> Metamorphose im nichtbiologischen<br />

Kontext entwickelt, kann sich eine solche Vorstellung<br />

eher <strong>als</strong> zu abstrakt herausstellen und das ganze Gerede<br />

von Computerviren und «digitaler Epidemie»<br />

lässt dann das übersehen, was sich eigentlich in Informatik­Netzwerken<br />

abspielt.<br />

Es gibt auch noch einen weiteren Zusammenhang;<br />

ähnlich wie im Umkreis der Informationssicherheit<br />

werden biologische Bilder angewandt, um<br />

Computerviren zu verstehen und um somit Computer­Immunsysteme<br />

entwickeln zu können. Und in<br />

auf mathematischen Formeln basierenden epidemiologischen<br />

Studien werden Statistik und Wahrscheinlichkeitsrechnungen<br />

dazu genutzt, die Entwicklung<br />

von Epidemien zu untersuchen.<br />

Die biologische Ansteckung kann<br />

nicht mit derjenigen der virtuellen<br />

Welt des internets gleichgesetzt<br />

werden.<br />

Dank des World Health Organization’s Global Outbreak<br />

Alert and Response Network (GOARN) und einem<br />

elektronisch gesteuerten Berichtsystem über Erkrankungen,<br />

wie zum Beispiel von ProMED, werden derzeit<br />

Suchmaschinen routinemässig eingesetzt, um das<br />

Internet auf ungewöhnliche Krankheitsausbrüche zu<br />

durchforsten, während gleichzeitig andere Computer<br />

eingesetzt werden, um Epidemieausbrüche zu simulieren.<br />

Daraus ergibt sich, was der Medientheoretiker<br />

E ugene Thacker einen «Wettstreit» nennt, der in<br />

R ealzeit zwischen Netzwerken ausgeführt wird: auf<br />

der einen Seite ein biologisches Netzwerk, das Infektionen<br />

erkennt, die darüber hinaus durch moderne<br />

Transporttechnologien begünstigt werden; auf der<br />

anderen Seite ein Informationsnetzwerk, das einen<br />

raschen Datenaustausch zwischen Instituten ermöglicht<br />

[2].<br />

Dahinter steht demnach der Gedanke, dass bestimmte<br />

Verhaltensweisen von Computern mit der<br />

Biologie verstehbar gemacht werden können, während<br />

Ansteckungsgefährdungen durch Mathematik<br />

und Informatik verständlich werden. Obwohl solche<br />

Beobachtungssysteme von Krankheiten wirkungsvoll<br />

funktionieren – bestätigt durch das Beispiel der ge­<br />

<strong>Schweizerische</strong> <strong>Ärztezeitung</strong> | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2012;93: 7 263


Buchbesprechung HORIZONTE<br />

Mit Kindern über Brustkrebs<br />

reden<br />

Manchmal finde ich, Mama hat sich verändert.<br />

mal finde ich, Mama hat sich verändert.<br />

Mamas Haare fehlen, und ihre Brust ist auch weg.<br />

as Haare fehlen, und ihre Brust ist auch weg.<br />

«Mama», sage ich, «du siehst jetzt schon etwas anders aus,<br />

a», sage ich, «du siehst jetzt schon etwas anders aus,<br />

so ohne Haare und ohne Brust.»<br />

ne Haare und ohne Brust.»<br />

«Ja», sagt Mama, «das stimmt. Ich sehe jetzt etwas anders aus.<br />

, sagt Mama, «das stimmt. Ich sehe jetzt etwas anders aus.<br />

Aber ich habe dich noch immer genauso lieb wie vorher,<br />

r ich habe dich noch immer genauso lieb wie vorher,<br />

und nichts in der Welt wird daran etwas ändern.<br />

nichts in der Welt wird daran etwas ändern.<br />

Und wie schon immer, liebt deine Mama Schokoladeneis über alles.<br />

d wie schon immer, liebt deine Mama Schokoladeneis über alles.<br />

Wollen wir uns eins kaufen gehen?»<br />

llen wir uns eins kaufen gehen?»<br />

«Ja», sage ich, «gute Idee, Mama.»<br />

», sage ich, «gute Idee, Mama.»<br />

Anna Sax<br />

anna.sax[at]saez.ch<br />

Editores Medicorum Helveticorum<br />

Was geht in Kindern vor, wenn ihre Eltern schwer<br />

erkranken? Wie soll man ihnen erklären, weshalb<br />

der Mutter plötzlich die Kraft fehlt, sich so wie früher<br />

um sie zu kümmern? Wie ihnen verständlich<br />

machen, dass sie keinen Lärm machen dürfen, weil<br />

Mama mitten am Tag schlafen muss? Wo bleiben<br />

die Bedürfnisse des Kindes, wenn sich alles nur<br />

noch um die kranke Mutter dreht? Ein liebevoll<br />

i llustriertes Bilderbuch erzählt über den Alltag und<br />

die Sorgen der kleinen Lulu, die lernen muss, mit<br />

der Krankheit ihrer Mutter zu leben und diese zu<br />

verstehen.<br />

Das Buch richtet sich an Kinder zwischen zwei und<br />

acht Jahren und erklärt auf altersgerechte Weise, was<br />

Brustkrebs ist und wie sich die Krankheit und ihre Behandlung<br />

auswirken kann. Und es unterstützt Eltern<br />

darin, mit ihren Kindern über das Unfassbare zu reden.<br />

Lulu backt am liebsten zusammen mit Mama Kuchen,<br />

die besten weit und breit. Und sie spielt gerne<br />

P iratin, und Piratinnen sind bekanntlich nicht besonders<br />

leise. Doch Mama ist manchmal einfach zu müde,<br />

um mit Lulu zu backen oder zu spielen. Sie muss sich<br />

oft ausruhen und verträgt dann keinen Lärm. Mama<br />

hat Brustkrebs. «Weisst du, Lulu», erklärt sie, «mir gefällt<br />

die Chemotherapie nicht. Manchmal wird mir<br />

richtig schlecht davon, und sie macht mich kribbelig<br />

und manchmal schlecht gelaunt. Aber sie ist nötig, damit<br />

wir den Krebs vertreiben können.» Das ist nicht<br />

immer einfach für Lulu, es macht sie traurig und<br />

manchmal richtig wütend. Dann muss sie herumtoben<br />

und brüllt sogar ihren Stoffhasen Hoppel an,<br />

dem sie sonst alle Geheimnisse anvertraut.<br />

Und doch kann das kleine Mädchen der Krankheit<br />

ihrer Mutter auch positive Seiten abgewinnen: So hat<br />

sie manchmal ihren Papa ganz für sich allein, oder sie<br />

schlägt bei der Oma die Trommeln, so laut, dass die<br />

Katze fauchend die Flucht ergreift. Und ihre Mama, die<br />

so anders aussieht ohne Haare und ohne Brust, die hat<br />

sie genau so lieb wie vorher, daran besteht kein Zweifel.<br />

Und so setzen sich Mutter und Tochter zusammen<br />

ins Gras und schauen die Sterne an. «Weisst du was»,<br />

sagt Mama, «manchmal bin ich müde, manchmal<br />

muss ich ins Spital, manchmal bin ich traurig und<br />

manchmal bin ich wütend. Aber immer, Lulu, immer,<br />

immer bist du mir das Allerliebste auf der Welt.»<br />

<strong>Schweizerische</strong> <strong>Ärztezeitung</strong> | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2012;93: 7<br />

Anne-Christine<br />

Loschnigg-Barmann,<br />

Judith Alder<br />

Manchmal ist Mama<br />

müde<br />

Ein Kinderbuch zum<br />

Thema Brustkrebs<br />

Basel: EMH <strong>Schweizerische</strong>r<br />

Ärzteverlag; 2011.<br />

36 Seiten, 14.50 CHF<br />

ISBN 978-03754-061-9<br />

265


Streiflicht Horizonte<br />

Editores Medicorum Helveticorum<br />

rade noch rechtzeitigen Reaktion auf SARS im Jahre<br />

2003 –, könnten sie sich auch <strong>als</strong> Eigentore erweisen.<br />

Interessanterweise ist dies nicht nur eine Frage<br />

e xakter Daten. Durch die Epidemiologie lassen sich<br />

zwar Statistiken erarbeiten, weil sie auf tatsächlichen<br />

Gegebenheiten basieren, wirkliche Viren verhalten<br />

sich allerdings eher auf ungeregelte Weise. Unabhängig<br />

davon, wie genau vorhandene Daten sein mögen,<br />

gibt es keine Garantie darauf, dass Viren sich so verhalten,<br />

wie die Mathematik es voraussagt – daher die<br />

ungenauen Prognosen über Sterblichkeitsraten anlässlich<br />

der Schweinegrippe im Jahr 2009.<br />

Gerade solche oft fehlerhaften Voraussagen haben<br />

die öffentliche Meinung zunehmend misstrauisch<br />

g egenüber der Wissenschaft gemacht. Dies erklärt<br />

auch, weshalb Konspirationstheorien, wie sie der erwähnte<br />

Blogger Alan Krunwiede in Contagion repräsentiert,<br />

grossen Zuspruch finden. Als obsessiver<br />

Blogger verbringt er einen Grossteil des Films damit,<br />

dass er das CDC bezichtigt, mit den grossen<br />

Pharmaunternehmen unter einer Decke zu stecken,<br />

und verteilt gleichzeitig Flugblätter über homöopathische<br />

Mittel gegen das Virus. Natürlich ist hier<br />

eine gewisse Ironie zu erkennen, denn unter Gesichtspunkten<br />

der Sozialepidemiologie ist Misstrauen<br />

ansteckend. Mit Hilfe von Twitter, Facebook und<br />

a nderen sozialen Medien verbreiten sich Konspirationstheorien<br />

so rasch wie alle anderen Viren und<br />

entfachen Skepsis, Angst und manchmal auch Hass<br />

auf Autoritäten, ganz gleich, ob damit nun ein WHO­<br />

Repräsentant in Genf oder ein Banker in Zürich gemeint<br />

ist.<br />

Genauso wie die biologische Ansteckung nicht<br />

mit derjenigen der virtuellen Welt des Internets<br />

gleichgesetzt werden kann, sollte man Computerviren<br />

nicht mit ihrem biologischen Pendant in einen<br />

Topf werfen. Das nämlich ist die Falle, in die Epidemiologen<br />

geraten, wenn sie mit Modellen der Mathematik<br />

Ansteckungsgefahren von Mensch zu Mensch<br />

erklären wollen.<br />

Nur deshalb, weil das CDC den Sexualkontakt<br />

von Gaetan Dugas und an HIV infizierten Männern<br />

in San Francisco, Los Angeles und anderen Städten in<br />

Amerika in den frühen Achtzigerjahren rückverfolgen<br />

konnte, war Dugas nicht unbedingt Patient Zero.<br />

So viel man weiss, gibt es noch weitere Patients Zero.<br />

Sie sind lediglich Knotenpunkte in einem grossen<br />

Netz.<br />

Der Rückgriff auf Metaphern eines Contagions<br />

auf den Finanzmärkten erklärt auch nicht die derzei­<br />

tigen Volatilitäten dort. Und wenn es noch so nahe<br />

liegt, diese Volatilität der Digitalisierung zuzuschreiben,<br />

ist die Ansicht von Harris doch sicherlich f<strong>als</strong>ch,<br />

wenn er meint, das Internet trage dazu bei, «menschliche<br />

Stimmungsschwankungen» zu verschärfen. Vielmehr<br />

sei solche Volatilität, so heisst es in einem kürzlich<br />

erschienenen Bericht über Contagion in Financial<br />

Networks der Bank of England, auf zunehmend komplexere<br />

Netzwerke und eine Vernetzung unter den<br />

F inanzinstituten zurückzuführen [3].<br />

Wenn Defaults, <strong>als</strong>o Zahlungsausfälle, sich über<br />

das gesamte Finanzsystem verbreiten, so argumentie­<br />

Das enge Vernetztsein macht uns für Ansteckungsprozesse emotionaler<br />

natur empfänglich und damit verletzbar.<br />

ren die Autoren des Berichts, dann verringert ein dichtes<br />

finanzielles Netz von Abhängigkeiten, dass immense<br />

Verluste, wie sie im Fall der Lehman Brothers<br />

vorkamen, andere Banken und Investmentgesellschaften<br />

mitreissen. Gleichzeitig machen diese Abhängigkeiten<br />

es aber wahrscheinlicher, dass die Ausbreitung<br />

von Zahlungsproblemen über den Ansteckungseffekt<br />

weiter gestreut ist. Das sich daraus e rgebende Resultat<br />

nennen die Autoren eine robust-yet-fragile tendency: Die<br />

Wahrscheinlichkeit einer epidemischen Ausbreitung<br />

solcher Finanzprobleme ist gering. Sollte der Fall aber<br />

eintreten, würden sie sich sehr weit verbreiten. In dieser<br />

epidemischen Situation der Finanzmärkte befinden<br />

wir uns gerade. Dies erklärt auch, warum FTSE, Dow<br />

und Nikkei immer weiter fielen, <strong>als</strong> die europäischen<br />

Regierungen den Bail­Out Griechenlands im letzten<br />

Herbst so zögerlich angingen.<br />

Aus diesem Grund ist es heute eine viel grös­<br />

sere Herausforderung, das Vertrauen in den Finanzmarkt<br />

wiederherzustellen, <strong>als</strong> dies 1932 der Fall war,<br />

<strong>als</strong> Franklin D. Roosevelt seine berühmte Rede an die<br />

amerikanische Bevölkerung hielt, sie hätte nothing to<br />

fear, but fear itself. Heutzutage ist es das enge Vernetztsein<br />

untereinander, das uns für solche Ansteckungsprozesse<br />

emotionaler Natur empfänglich und damit<br />

verletzbar macht. In diesem Sinne sind die Netzwerke<br />

die eigentlichen Quellen von Unbeständigkeit und<br />

Angst.<br />

Literatur<br />

1 Harris R. Angst. München: Heyne; 2011.<br />

2 Thacker E. Living Dead Networks. Fibreculture<br />

(Onlinezeitschrift). 4; 2005. http://four.fibreculturejournal.org/fcj­018­living­dead­networks/<br />

3 Gai P, Kapadia S. Contagion in Financial Networks.<br />

Bank of England Working Paper No. 383. www.<br />

bankofengland.co.uk/publications/workingpapers/<br />

wp383.pdf<br />

<strong>Schweizerische</strong> <strong>Ärztezeitung</strong> | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2012;93: 7 264


Niemandsland<br />

Schimären aus zusammengesetzten<br />

Tierleibern<br />

bevölkern in der Vorstellung<br />

mittelalterlicher Denker<br />

die Randzonen der Erde.<br />

erhard.taverna[at]saez.ch<br />

Editores Medicorum Helveticorum<br />

Auf unseren Karten ertragen wir keine weissen<br />

F lecken. Am augenfälligsten zeigen das die bilderreichen,<br />

geographischen Darstellungen mittelalterlicher<br />

Klöster. Der Erdkreis, den aussen das schmale<br />

Band des Weltmeeres zusammenhält, wird von der<br />

Gestalt Christi zusammengehalten, Kopf, Hände<br />

und Füsse begrenzen oder überragen den nach<br />

Osten ausgerichteten Rand. Wissenschaft, Weltanschauung<br />

und Kunst gestalten die auf den Glauben<br />

gegründete Topografie der radförmigen Scheibe,<br />

mit dem goldenen Jerusalem im Mittelpunkt. Im<br />

christlichen Schöpfungsplan haben die antiken<br />

Vermessungen keinen Platz. Die Werke folgen einem<br />

sakralen Muster, sie sollen deuten und nicht im<br />

modernen Sinne erklären. Die frommen Zeichner<br />

haben die bewohnten Landschaften fantasievoll<br />

mit biblischen und mythischen Motiven ausgeschmückt,<br />

mit Pilgern und Kreuzfahrern, Argonauten<br />

und Tieren. Die Randzonen bevölkern mit<br />

z unehmendem Radius immer mehr Fabelwesen.<br />

Schimären aus zusammengesetzten Tierleibern,<br />

halb Fisch, halb Vogel, fellbehaart, mit schuppig<br />

geschwänztem Unterleib, fiedelspielende Nereiden,<br />

geflügelte Drachen, heidnische Figuren. Im Bannkreis<br />

des Guten sind Adam und Eva, das goldene<br />

Vlies und die Arche Noah, weit von der Mitte spuken<br />

Geister und Dämonen im Niemandsland.<br />

Selbst innerhalb eines geschlossenen Weltbildes erträgt<br />

die Fantasie keine Leerstellen, wo die konkrete<br />

Anschauung fehlt, beginnt das Reich der<br />

Imagination. Seefahrt und Handel brauchen Kartographen,<br />

Meridiane und Koordinaten, Kompass<br />

und Sextant.<br />

Geologie und Evolutionslehre haben eine neue<br />

Geographie begründet. Diese versetzt Berge und Kontinente<br />

in Bewegung, denn nichts bleibt für immer.<br />

Seither reisen wir durch die Farnwälder und Sümpfe<br />

von Pangäa und Gondwana und navigieren durch die<br />

Thetys, <strong>als</strong> wären wir dort heimisch gewesen. Wieder<br />

begegnen wir Wesen, die kein fleissiger Mönch sich<br />

hätte ausdenken können. Dieser Zoo der Spezialisten<br />

ist längst aus dem wissenschaftlichen Käfig ausgebrochen.<br />

Er führt in Spielfilmen und Träumen ein Eigenleben<br />

und materialisiert sich im Kinderzimmer,<br />

f riedlich vereint mit den Spukgestalten der alten<br />

S agen- und Märchenwelt. Die neuen Erdkarten sind<br />

grenzenlos, wie das neue Denken, alles ist möglich,<br />

reale Horizonte mischen sich mit erdachten Grenzen,<br />

mit Niemandsländern wie Narnia, Avalon und Mittelerde.<br />

Nur wo der Hunger herrscht, bleibt das Schlaraffenland<br />

im leeren Magen verortet. Die Satten orientieren<br />

sich am Imaginären, zum Beispiel an Atlantis.<br />

<strong>Schweizerische</strong> <strong>Ärztezeitung</strong> | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2012;93: 7<br />

ZU GUTER LETZT<br />

Seit Platon erhitzt der versunkene Kontinent die Gemüter<br />

aller Suchenden. Nicht wenige träumen über<br />

ihren Karten von einer ursprünglichen Heimat blauäugiger<br />

und weisser Megalithiker, deren Sternkonstellationen<br />

und steinzeitliche Gitternetze die arische<br />

Richtung vorgeben.<br />

Jeder Gedanke lässt sich in eine Karte übertragen.<br />

Wo die glücklichsten Menschen wohnen, wo die Armut<br />

zu Hause ist, wo Rohstoffe sind und Niederschläge,<br />

wo Krebs vorkommt und Suizide, jeder Massangabe<br />

entspricht eine Farbschattierung innerhalb<br />

der vertrauten Ländergrenzen. Die Statistik kennt<br />

keine weissen Flecken. Die Ränder weiten sich immer<br />

mehr aus, bis zu den Sternen. Die neuen Niemandsländer<br />

liegen im Weltraum. Roboter und Satelliten<br />

kartieren die Planeten und Monde des Sonnensystems.<br />

Wir nehmen sie mit unseren Namen aus Mythologie<br />

und Gegenwart in Besitz. Wo keine Menschen<br />

wohnen, ist Niemandsland. Schon rammt die Fantasie<br />

ihre Fahnen in den Boden. Noch sind die Krater<br />

besitzlos, niemand hat die zweiundsechzig Monde<br />

des Saturns betreten, keiner die Eiskruste des Jupitermondes<br />

Europa durchstossen, um in dessen unterirdischen<br />

Ozean einzutauchen. Doch die neuen Daten<br />

beflügeln die Visionen der Macher und der Geschichtenerzähler.<br />

Die Gedanken kolonisieren die extremsten<br />

Orte, das öde Grenzland, wo die Schimären und<br />

Nereiden zu Hause sind. Es sind Territorien, die es zu erobern<br />

gilt, zukünftige Reiche technischer Macht und<br />

vorweggenommener Heldentaten. Kein Niemandsland<br />

bleibt auf die Dauer unbesiedelt. Ob Sindbads<br />

Magnetberg oder das Eldorado des Konquistadors,<br />

ihre Vorstellungen provozieren die Fantasie und den<br />

Verstand. Die Neugier setzt die Segel, und die Habgier<br />

sorgt für einen kräftigen Wind.<br />

Natürlich ist die Medizin ein Werkzeug dieser<br />

Wünsche. Ihre Forschung kartiert Gene und Hirnareale<br />

und verheisst uns eine prädiktive Zukunft. Noch<br />

weiss kein Mensch, wie dieses erhoffte Neuland<br />

a ussehen wird. Doch schon hat die Literatur sich<br />

dort niedergelassen und adressiert das ganze Spektrum<br />

schlimmster Befürchtungen und transhumaner<br />

Träume. Die einen fürchten den totalitären Gesundheitsstaat,<br />

die anderen beschäftigen die gesellschaftlichen<br />

Auswirkungen einer mindestens 200-jährigen<br />

Lebenszeit. Utopien sind das Niemandsland für langfristige<br />

Projekte, für Sehnsuchtsorte und Katastrophenszenarien.<br />

Das Vakuum der Möglichkeiten füllt<br />

sich augenblicklich mit unseren Illusionen. Darin<br />

u nterscheidet uns nichts von mittelalterlichen<br />

M önchen. Wir können nicht anders.<br />

Erhard Taverna<br />

266


Editores Medicorum Helveticorum<br />

Die letzte Seite der SÄZ wird von Anna frei gestaltet, unabhängig von der Redaktion.<br />

<strong>Schweizerische</strong> <strong>Ärztezeitung</strong> | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2012;93: 7<br />

ANNA<br />

www.annahartmann.net

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