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Academia 4/2002 - oecv@mursoft.at

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Dezember <strong>2002</strong><br />

Erosion<br />

der Religion<br />

Preis: Euro 3,00 . 53. Jahrgang . P.b.b.<br />

Erscheinungsort Wien . Verlagspostamt 1080 Wien<br />

Zulassungsnummer: 02Z030510 M<br />

Karl Korinek<br />

im Interview


VOR MIR EIN „JA“.<br />

www.uniqa.<strong>at</strong>


Titel | Erosion der Religion<br />

7<br />

10<br />

12<br />

14<br />

16<br />

17<br />

20<br />

21<br />

22<br />

36<br />

Regina Polak/Paul M. Zulehner<br />

Religiöser Wandel in Österreich<br />

Georg Kastner<br />

Es braucht Mut und Anstrengung<br />

Maximilian Liebmann<br />

Freie Kirche im freien Sta<strong>at</strong><br />

Franz Trimmel<br />

Zwei Paar Schuhe<br />

Erhard Mayerhofer<br />

Thesen zu Religions- und Ethikunterricht<br />

Stefan Lorger-Rauwolf<br />

Der Teufel ist los<br />

Peter A. Ulram<br />

Religionsbekenntnis und Wahlverhalten<br />

Andreas Kresbach<br />

Hauptmissionsgebiet Europa<br />

Europa<br />

Johannes Michael Schnarrer<br />

Das ungelöste Problem<br />

Wirtschaft<br />

Rainer Wolfbauer<br />

Eine Altern<strong>at</strong>ive für die Zukunft<br />

25<br />

28<br />

32<br />

39<br />

42<br />

Politik<br />

Hans-Peter Bischof<br />

Modellprojekt Gesundheitsfonds<br />

Interview mit Karl Korinek<br />

„Unglaublich unüberschaubar“<br />

Fritz Kofler<br />

Die Hoffnung für Graz<br />

Kultur<br />

Fritz Kofler<br />

Foto-Kunst als Berufung und<br />

Lebenserfüllung<br />

Georg Kastner<br />

Geschüttelt, nicht gerührt<br />

Kommentar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30, 31<br />

Kurz notiert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40<br />

Porträt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34<br />

Rückspiegel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33<br />

Rezensionen . . . . . . . . . 38, 44, 45, 46, 47<br />

Leserbriefe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47<br />

3<br />

Inhalt<br />

Dezember <strong>2002</strong>/Nr. 5<br />

<strong>Academia</strong><br />

Herausgeber, Medieninhaber:<br />

ÖCV und ÖAHB<br />

Mit der Herausgabe beauftragt:<br />

Dr. Herbert Kaspar<br />

Chefredakteur: Mag. Paul Hefelle<br />

Redaktion: Berthold Föger,<br />

Walter Gröblinger, Norbert Hartl,<br />

Gerhard Hartmann, Peter<br />

Hofbauer, Ernst Kallinger, Georg<br />

Kastner, Fritz Kofler, Andreas<br />

Kresbach, Bernhard Marckhgott,<br />

Harald Pfannhauser, Johannes<br />

Michael Schnarrer, Helmut<br />

T<strong>at</strong>zreiter, Gerhard Tschugguel,<br />

Norbert Tschulik, Hubert Weber,<br />

Helmut Weintögl<br />

Layout: Tanja Pichler<br />

Verlagsleitung: Hildegunde Metz,<br />

Herbert Kaspar<br />

Inser<strong>at</strong>akquisition: Media<br />

Contacta, Hans Dieter Roider,<br />

Tel.: (01) 523 29 01<br />

Redaktionsmanagement:<br />

Hildegunde Metz<br />

Anschrift: Lerchenfelder Str. 14,<br />

1080 Wien, Telefon: (01) 405<br />

16 22 DW 30, 31. Fax DW 44,<br />

E-Mail: wt.academia@oecv.or.<strong>at</strong><br />

Repro/Druck: AV-Druck plus GmbH<br />

Faradaygasse 6<br />

A-1030 Wien<br />

Tel. 01/797-85-0<br />

Hinweis: Beiträge in der<br />

ACADEMIA, die die offizielle<br />

Meinung des Österreichischen<br />

Cartellverbandes wiedergeben,<br />

sind als solche ausdrücklich<br />

gekennzeichnet. Alle anderen<br />

Veröffentlichungen stellen die<br />

persönliche Meinung des Autors<br />

dar.<br />

Fotos: AG MEDIA, Aragon Verlag,<br />

Gerhard B. Benesch, Böhlau<br />

Verlag, Burgstaller, Gürer,<br />

Renault, Christopher Kaspar,<br />

Die Presse, Paul Hefelle,<br />

Ironimus, Ibera Verlag,<br />

Ueberreuther, Prinz Poidl,<br />

Tramin, Ursus, Verlagsanstalt<br />

Athesia, ÖCV-Bildarchiv<br />

Verkaufspreis:<br />

öS 41,30,– | 3 Euro, Abo:<br />

öS 137,60,– | 10 Euro/Jahr für<br />

Studenten, Normalabo<br />

öS 206,40,– | 15 Euro/Jahr.<br />

Für unverlangt eingesandte<br />

Manuskripte kann keine Gewähr<br />

übernommen werden.<br />

Dezember <strong>2002</strong>


Cartoon<br />

4<br />

Danke. ÖVP<br />

1/4 4c<br />

Liebe Freunde im Cartellverband!<br />

Ich danke allen sehr herzlich, die sich in der Initi<strong>at</strong>ive<br />

"p<strong>at</strong>ria 2411" für diesen historischen Wahlerfolg der<br />

ÖVP engagiert haben. Großartig, wie kompetent Sie<br />

sich als Gesinnungsgemeinschaft in unsere Wahlbewegung<br />

eingebracht haben. Ich darf Ihnen versichern:<br />

Die ÖVP und Österreich braucht Sie!<br />

Ein fröhliches Weihnachtsfest und ein erfolgreiches<br />

Jahr 2003 wünscht Ihnen<br />

www.oevp.<strong>at</strong> Danke.<br />

Politiker als Ladenhüter<br />

Bibliophilen Wahlbürgern war schon vor dem 24.<br />

November klar, wessen Wahlaktien am besten standen,<br />

denn ein großer Wiener Restauflagen-Buchhändler<br />

brachte aktuelle, wahlkampfbezogene Sonderangebote:<br />

Haider, Gusenbauer und Van der Bellen<br />

wurden um jeweils Euro 4,99 (st<strong>at</strong>t Euro 23,80) angepriesen.<br />

Nur von Wolfgang Schüssel fand sich keine<br />

Billigauflage – zu recht, wie man inzwischen weiß.<br />

Ob die drei anderen Ladenhüter vor Weihnachten<br />

nochmals verbilligt werden bleibt abzuwarten.<br />

H. K.<br />

Anmerkung: Zur besseren Lesbarkeit verzichten<br />

wir in der ACADEMIA auf Schreibweisen wie<br />

zum Beispiel Österreicher/Innen. Selbstverständlich<br />

sind bei allen derartigen Erwähnungen Frauen<br />

und Männer gleichwertig gemeint.<br />

Leider ist in der letzten Ausgabe der bekannte<br />

Künstler Prof. Ernst Degasperi zu einem „Degaspari“<br />

mutiert, was wir sehr bedauern und hiermit<br />

richtig stellen.<br />

Zeichnung: M.Szyszkowitz;


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Editorial<br />

Liebe Leser!<br />

6<br />

Er ist also wahr geworden. Der Traum von der wirklichen politischen<br />

Wende, die viele Mitglieder der k<strong>at</strong>holischen couleurstudentischen<br />

Verbände lange herbeigesehnt haben. In<br />

einem fulminanten Wahlkampf h<strong>at</strong> die ÖVP unter Wolfgang<br />

Schüssel einen Erdrutschsieg bei den N<strong>at</strong>ionalr<strong>at</strong>swahlen am<br />

24. November gelandet. Dabei h<strong>at</strong> sie sich intensiv wie schon<br />

lange nicht um die Mitglieder der k<strong>at</strong>holischen Studentenverbindungen<br />

bemüht. Mitglieder der Korpor<strong>at</strong>ionen – nicht<br />

der Verband als solches, er bleibt parteipolitisch ungebunden<br />

– können sich denn auch einen nicht zu geringen Teil<br />

dieses Erfolges der ÖVP auf Ihre Fahnen heften. Die von Klubobmann<br />

Andreas Khol, R-B, ins Leben gerufene Aktion „p<strong>at</strong>ria<br />

2411“ h<strong>at</strong> vor allem in der Bundeshauptstadt Anteil an<br />

einem beeindruckenden Ergebnis.<br />

Die ACADEMIA h<strong>at</strong> in der letzten Ausgabe des heurigen Jahres<br />

trotz der N<strong>at</strong>ionalr<strong>at</strong>swahl ein anderes Titelthema, das<br />

uns gerade in Hinblick auf das Weihnachtsfest wichtig erscheint.<br />

Die Erosion der Religionsgemeinschaften h<strong>at</strong> in<br />

Österreich Ausmaße angenommen, die bisher unvorstellbar<br />

waren. Am deutlichsten sind die Zahlen in Wien, wo<br />

sich der Anteil der K<strong>at</strong>holiken nur mehr um die 50 Prozent<br />

der Gesamtbevölkerung bewegt. Gesamtösterreichisch gesehen<br />

sind nur mehr 74 Prozent k<strong>at</strong>holisch, die zweitgrößte<br />

Gruppe sind mit 12 Prozent bereits die Menschen ohne<br />

religiöses Bekenntnis. Glaubt also unsere Gesellschaft nicht<br />

mehr? Univ. Prof. Paul M. Zulehner und Regina Polak zeigen<br />

in ihrem Beitrag, dass die Antwort darauf vielschichtiger<br />

zu geben ist. Auch Georg Kastner, Am, beschäftigt sich<br />

mit diesem Thema, während sich Franz Trimmel, Am, und<br />

Erhard Mayerhofer mit dem Problem Ethik- und Religionsunterricht<br />

beschäftigen und auch die Stellung der k<strong>at</strong>holischen<br />

Kirche dazu them<strong>at</strong>isieren. Abgerundet wird das Titelthema<br />

durch Beiträge von Andreas Kresbach, Cl, über die<br />

„Stadtmission“, Peter A. Ulram über das Wahlverhalten von<br />

K<strong>at</strong>holiken und Protestanten und Stefan Lorger-Rauwolf<br />

über das Phänomen des S<strong>at</strong>anismus.<br />

Im Politikteil beschäftigen wir uns n<strong>at</strong>ürlich auch mit den N<strong>at</strong>ionalr<strong>at</strong>swahlen,<br />

geben aber schon eine Vorschau auf die<br />

Grazer Gemeinder<strong>at</strong>swahl, die zu Jahresbeginn st<strong>at</strong>tfinden<br />

wird. Ein äußerst interessanter Beitrag kommt vom Vorarlberger<br />

Landesr<strong>at</strong> Hans-Peter Bischof, R-B. Er beschäftigt sich<br />

mit neuen Wegen im Bereich der Gesundheitspolitik. Schließlich<br />

haben wir mit dem neuen Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes<br />

Karl Korinek, F-B, Rt-D, ein Interview geführt,<br />

in dem er auch seine Wünsche an eine neue Regierung äußert.<br />

Mit einem Porträt von Univ. Prof. Anton F. Zeilinger, M-D,<br />

AIn, starten wir eine neue Serie von Beiträgen, in der wir<br />

ab jetzt in unregelmäßigen Abständen interessante Mitglieder<br />

von ÖCV-Verbindungen vorstellen wollen. Zeilinger<br />

ist Vorstand des Instituts für Experimentalphysik an der<br />

Universität Wien und wahrscheinlich vielen Lesern aus anderen<br />

Medien als „Mr. Beam“ bekannt.<br />

Das Thema Europa h<strong>at</strong> in diesem Heft ebenso wieder seinen<br />

Pl<strong>at</strong>z wie die Kulturberichterst<strong>at</strong>tung, wobei wir diesmal zwei<br />

Berichte im Bereich der Populärkultur aufbieten: Georg Kastner,<br />

Am, deckt interessante Detailaspekte rund um den in<br />

die Jahre gekommenen Geheimagenten James Bond auf,<br />

während wir auch das Jubiläum „40 Jahre Rolling Stones“<br />

nicht unerwähnt lassen wollten.<br />

Wir wünschen allen<br />

unseren Lesern und deren Familien<br />

ein gesegnetes Weihnachtsfest und<br />

ein erfolgreiches Neues Jahr.<br />

Mag. Paul Hefelle, F-B, BbG, Chefredakteur<br />

Dr. Herbert Kaspar, Am, Herausgeber<br />

Am Tag vor dem Sta<strong>at</strong>sfeiertag wurde die Oktober-<br />

Ausgabe der ACADEMIA in den Räumlichkeiten des<br />

Parlamentsklubs der ÖVP präsentiert. Neben<br />

Verbandsprominenz gaben sich viele Autoren dieser und<br />

früherer ACADEMIA-Ausgaben die Ehre und diskutierten<br />

mit Vertretern der Initi<strong>at</strong>ive „p<strong>at</strong>ria 2411“ – wie könnte es<br />

anders sein – über die anstehenden N<strong>at</strong>ionalr<strong>at</strong>swahlen.<br />

Für den überraschenden Abschluss sorgte Gastgeber<br />

Andreas Khol, R-B, als er die Anwesenden aufforderte,<br />

Leopold Figl zu Ehren „Burschen heraus“ zu intonieren.<br />

Eine Premiere für das Hohe Haus am Ring.


Regina Polak/Paul M. Zulehner<br />

Religiöser Wandel in Österreich<br />

„Nur mehr 74 Prozent der Österreicher<br />

sind k<strong>at</strong>holisch, die zweitgrößte<br />

Gruppe sind mit 12 Prozent<br />

die Menschen ohne religiöses Bekenntnis“<br />

gab die St<strong>at</strong>istik Austria<br />

Mitte Oktober die Ergebnisse der<br />

Volkszählung 2001 bekannt.<br />

Viele Journalisten verkündeten daraufhin,<br />

dass der Unglaube in Österreich<br />

zunehme und identifizierten so die offizielle<br />

Konfessionszugehörigkeit der<br />

Österreicher mit dem jeweiligen subjektiven<br />

Selbstverständnis.<br />

Um solch naiven Gleichsetzungen<br />

nicht aufzusitzen, gibt es in Österreich<br />

seit 1970 eine regelmäßige religionssoziologische<br />

Untersuchung, die sich tiefer<br />

mit der „Religion im Leben der Österreicher“<br />

beschäftigt. Die jüngste<br />

Untersuchungswelle wurde 2001 unter<br />

dem Titel „Kehrt die Religion wieder?“<br />

publiziert.<br />

Dieser Untersuchung zufolge ist<br />

Österreich nach wie vor ein religiöses<br />

Land: Mehr als zwei Drittel der Österreicher<br />

bezeichnen sich als religiöse<br />

Menschen. Die Religiosität h<strong>at</strong> sogar<br />

an Bedeutung gewonnen: 75 Prozent<br />

glauben an Gott (1990: 69 Prozent), 50<br />

Prozent an ein Leben nach dem Tod<br />

(1990: 44 Prozent), 67 Prozent nehmen<br />

sich regelmäßig Zeit für das Gebet<br />

(1990: 59 Prozent). Das Wiedererwachen<br />

der Religiosität ist überraschenderweise<br />

in allen europäischen Großstädten<br />

zu beobachten (mit Ausnahme<br />

von Paris). In Wien glauben heute zum<br />

Beispiel um acht Prozent mehr Personen<br />

an Gott als noch 1990. Die Überzeugung<br />

der 70er Jahre, dass die Religiosität<br />

verschwinden wird, lässt sich<br />

nicht bestätigen. Vielmehr gilt: Je moderner<br />

eine Zivilis<strong>at</strong>ion ist, umso religiöser<br />

wird sie. Dieser Trend zur Respiritualisierung<br />

erklärt vielleicht auch,<br />

warum der Trend zur Erosion in der k<strong>at</strong>holischen<br />

Kirche weitaus langsamer<br />

vor sich geht, als nach den D<strong>at</strong>en seit<br />

1970 zu erwarten gewesen wäre. So gesehen<br />

wird man den Blick auf die Ergebnisse<br />

der Volkszählung wenden<br />

müssen: Nach wie vor sind 74 Prozent<br />

der österreichischen Bevölkerung ka-<br />

tholisch. Und wer offiziell ohne religiöses<br />

Bekenntnis ist, ist deshalb noch<br />

lange nicht unreligiös oder ungläubig.<br />

Eine differenzierte Wahrnehmung ist<br />

gefragt.<br />

„Neue Religiositäten“<br />

Freilich h<strong>at</strong> sich seit 1970 im religiösen<br />

Feld auch in Österreich viel verändert.<br />

Man spricht von „neuen Religiositäten“.<br />

Unsere Forschung zeigt, dass<br />

sich rel<strong>at</strong>iv unabhängig von offiziellen<br />

Zugehörigkeiten die Menschen ihren<br />

religiös-weltanschaulichen Kosmos<br />

höchst individuell, mehr oder weniger<br />

virtuos und frei zusammenstellen.<br />

Da gibt es in Österreich nach wie vor<br />

mit 27 Prozent die Gruppe der Christen,<br />

die ihr Glaubenspalais gern bewohnen.<br />

Sie glauben, dass sich Gott in Jesus Christus<br />

zu erkennen gegeben h<strong>at</strong>, sehen<br />

ihre Zukunft im Reich Gottes und sind<br />

überzeugt, dass ihr Leben durch die Auferstehung<br />

letzten Sinn bekommt.<br />

Dazu kommen mit 32 Prozent die<br />

„Religionskomponisten“. Sie spielen<br />

ihre ureigene spirituelle Musik. Diese<br />

Menschen verbinden buddhistisches,<br />

esoterisches, n<strong>at</strong>uralistisches und humanistisches<br />

Gedankengut. Sie übernehmen<br />

durchaus auch einzelne Positionen<br />

aus dem Christentum. Wie<br />

kunstfertig dies geschieht – ob es sich<br />

um Neuschöpfungen, Nachschöpfungen,<br />

Kinderlieder, Experimentalmusik,<br />

Symphonien oder Geräusche handelt,<br />

wissen wir vorläufig noch nicht. Ihre<br />

Religiositäten sind die Folge des Verschwindens<br />

der Religion in die priv<strong>at</strong>e<br />

Innerlichkeit.<br />

Dann gibt es die „n<strong>at</strong>uralistischen<br />

Humanisten“ (30 Prozent). Sie fühlen<br />

sich eingebunden in einen schicksalhaften<br />

Kreislauf der N<strong>at</strong>ur. Zugleich<br />

kreist ihr „Glaube“ um den Menschen.<br />

Sie finden Gott in der N<strong>at</strong>ur, in deren<br />

Kreislauf und in deren Gesetzen. Solche<br />

Religiosität ist das Result<strong>at</strong> eines<br />

Christentums, das zuerst priv<strong>at</strong>isiert<br />

und dann von innen her ausgehöhlt<br />

wurde.<br />

Als „Atheist“ bezeichnet sich in Österreich<br />

kaum jemand, wohl aber gibt es<br />

eine 13 Prozent große Gruppe von<br />

„Atheisierenden“, die ihr Leben nicht<br />

auf einen Gott setzt, sondern eher zweifelt.<br />

Die Angehörigen vertreten vor allem<br />

n<strong>at</strong>uralistische und humanistische<br />

Werte, negieren die Existenz Gottes oder<br />

merken zumindest nichts von seiner<br />

7<br />

Titel<br />

Dezember <strong>2002</strong>


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Risikohinweis: Jede Kapitalveranlagung ist mit einem Risiko verbunden. Kurse können sowohl steigen als auch fallen. Renditen der Vergangenheit sind keine Garantie für die<br />

Zukunft. Diese Werbung stellt keinen Prospekt im Sinne des österreichischen KMG dar. Für das öffentliche Angebot der Genussscheine der Quadriga Beteiligungs- und Vermögens<br />

AG wurde ein gemäß den gesetzlichen Bestimmungen erstellter und geprüfter Prospekt am 17. Oktober <strong>2002</strong> im Amtsbl<strong>at</strong>t zur Wiener Zeitung veröffentlicht. Der Prospekt kann<br />

bei der Quadriga Asset Management GmbH, A-1010 Wien, Salzgries 15, bezogen werden.


Präsenz. Für sie ist mit dem Tod alles<br />

aus, der Sinn des Lebens liegt im Leben<br />

selbst.<br />

Neue Ethik<br />

Der Trend zum Wandel der Religiositäten<br />

h<strong>at</strong> viele Gründe. Man kann ihn<br />

als Antwort auf die weltweite Fortschrittskrise<br />

deuten. Immer mehr Menschen<br />

spüren heute, dass wir unsere Lebensweisen<br />

ändern müssen, wenn wir<br />

überleben wollen. So bricht im religiösen<br />

Bereich vieles auf, weil auf der anderen<br />

Seite vieles einbricht: Der Glaube<br />

an einen endlosen Fortschritt, der<br />

Glaube an die Allmacht von Wissenschaft,<br />

Technik, Wirtschaft. Die Menschen<br />

beginnen wieder nach Gott zu<br />

fragen. Neu ist dabei die Art, wie sie das<br />

tun. So suchen sie nach sich selbst und<br />

können die Würde des Menschen entdecken.<br />

Sie suchen nach neuen Wegen,<br />

miteinander zu leben und können entdecken,<br />

dass sie mit anderen Menschen<br />

und mit Gott immer schon verbunden<br />

sind. Sie wünschen sich eine neue Ethik,<br />

die von Liebe und nicht von strengem<br />

Moralismus getragen ist. Sie suchen<br />

nach persönlicher, aber auch gesellschaftlicher<br />

Heilung.<br />

Auch die Kirchen sind angefragt, zu<br />

prüfen, welchen Anteil sie an diesem<br />

Wandel haben. Als positiver Beitrag ihres<br />

Wirkens ist sicherlich die Freiheit zu<br />

nennen, die sie den Menschen heute<br />

geben, ihren Glauben selbst zu finden<br />

und zu entwickeln. Nachzufragen aber<br />

ist, ob und wie es gelingen kann, unter<br />

veränderten gesellschaftlichen Verhältnissen<br />

das Antlitz Gottes, wie es<br />

in Jesus Christus und seiner Kirche<br />

wahrnehmbar wird, zu enthüllen.<br />

Zukunftstrend Religion<br />

Religion h<strong>at</strong> Zukunft. Insbesondere<br />

die Ereignisse nach dem 11. September<br />

2001 lassen vermuten, dass sich der<br />

Trend zur Religiosität noch verstärken<br />

wird. Auch das Christentum und die<br />

Kirchen können von diesem Zukunft-<br />

strend „profitieren“, wenn es gelingt,<br />

die Polarität zwischen Offenheit und<br />

Profilierung, Toleranz und Identität<br />

schöpferisch zu meistern. Österreich ist<br />

nach wie vor „christentümlich“: Kaum<br />

jemand lehnt alle christlichen Positionen<br />

ab. Vor allem aber sind die Wertvorstellungen<br />

vieler Menschen vom<br />

Geist des Christentums durchaus geprägt.<br />

Das gilt auch uns, vor allem für<br />

die Jugendlichen, die zwar nur mehr zu<br />

zwei Prozent allen christlichen Items<br />

zustimmen, aber sich umgekehrt intensiv<br />

nach einer Spiritualität sehnen,<br />

die das Alltagsgetriebe durchbricht und<br />

sich durch hohe, solidarische Ethik auszeichnet.<br />

Hier gilt es, die Tradierungskanäle<br />

wieder zu reinigen, zu öffnen<br />

und den Glauben kre<strong>at</strong>iv weiterzuerzählen.<br />

Die Zukunft wird vor allem den Religionskomponisten<br />

gehören. Für sie<br />

kann die Kirche jene Schule werden, in<br />

der sie virtuos komponieren üben und<br />

unverzichtbare Grundlagen humanerer<br />

Spiritualität lernen. Auch die Weggemeinschaft<br />

der Atheisierenden wird<br />

weiterhin wichtig bleiben und bleibt<br />

eine ständige Herausforderung an die<br />

christlichen Kirchen: Was können wir<br />

selbst tun, damit Gottes unverbrüchliche<br />

Liebe zu jedem Menschen durch<br />

die Mühen und Absurditäten des Alltags<br />

durchleuchten kann? Schließlich<br />

ist damit zu rechnen, dass viele Menschen<br />

auch wieder nach konkreten Orten<br />

und Zeiten fragen werden, in denen<br />

sie ihre frei schwebenden Religiositäten<br />

beheim<strong>at</strong>en können. Eine Reinstitutionalisierung<br />

ist in Sicht. Kirchen,<br />

die hier intelligent und mit Respekt vor<br />

der Freiheit und Autonomie der Menschen<br />

Räume und Zeiten anbieten, sich<br />

auf die Suchenden einlassen und ihre<br />

Sch<strong>at</strong>zkisten öffnen, haben eine lebendige<br />

Zukunft vor sich.<br />

Die Autoren<br />

Prof. Dr. Paul M. Zulehner ist Professor für<br />

Pastoraltheologie in Wien,<br />

Frau Mag. Regina Polak ist Assistentin am<br />

Institut für Pastoraltheologie in Wien.<br />

Neuevangelisierung<br />

Europas<br />

Das Motto des „Mitteleuropäischen<br />

K<strong>at</strong>holikentages“ 2003/2004 lautet<br />

„Christus – Hoffnung Europas“. Inspiriert<br />

vom Gedanken der Neuevangelisierung<br />

und der „Europäisierung“<br />

Europas soll die gemeinsame Verantwortung<br />

für Kirche und Gesellschaft im<br />

Mittelpunkt stehen.<br />

Abschluss und Höhepunkt bildet eine<br />

gemeinsame Großveranstaltung in Mariazell.Termin<br />

ist das Wochenende nach<br />

Christi Himmelfahrt 2004 (22./23. Mai<br />

2004).<br />

Als inhaltliche Vorbereitung wird es<br />

gemeinsame Symposien der Bischofskonferenzen<br />

zu folgenden pastoralen<br />

und gesellschaftspolitischen Fragen geben:<br />

„Christliche Werte in der Europäischen<br />

Union“, „Lebensethik“,<br />

„Märtyrer und Glaubenszeugen“, „Religionsunterricht<br />

und Weitergabe des<br />

Glaubens“, „Sozialpartnerschaft/Allianz<br />

für den Sonntag“, „Ehe und Familie“,<br />

„Landwirtschaft/ländlicher Raum“.<br />

Darüber hinaus sind auf n<strong>at</strong>ionaler<br />

und diözesaner Ebene weitere Aktivitäten<br />

vorgesehen. Bedeutende kirchliche<br />

Veranstaltungen, die ohnedies für den<br />

fraglichen Zeitraum geplant sind und<br />

von Form und Inhalt her mit dem „Mitteleuropäischen<br />

K<strong>at</strong>holikentag“ zusammenpassen,<br />

sollen bewusst unter<br />

das gemeinsame Motto gestellt werden.<br />

www.k<strong>at</strong>holikentag.<strong>at</strong><br />

9<br />

Titel<br />

Dezember <strong>2002</strong>


Titel<br />

Dieser hohe Anteil an offiziell nicht<br />

Glaubenden ist wahrscheinlich noch<br />

erschreckender als der Rückgang des k<strong>at</strong>holischen<br />

Glaubens selbst. Noch ärger<br />

ist die Situ<strong>at</strong>ion in der Bundeshauptstadt.<br />

Während, was schon länger befürchtet<br />

wurde, der K<strong>at</strong>holikenanteil<br />

hier bereits knapp unter 50 Prozent liegt,<br />

ist der Anteil der Bekenntnislosen auf<br />

25 Prozent angestiegen. Die Schuld einzig<br />

und allein bei unserer Glaubengemeinschaft<br />

selbst zu suchen, wäre dennoch<br />

falsch. Unbestrittener Maßen h<strong>at</strong><br />

das leicht naive Krisenmanagement der<br />

K<strong>at</strong>holischen Kirchen gemeinsam mit<br />

medial gepushten Verbalentgleisungen<br />

mancher kirchlicher Amtsträger den einen<br />

oder anderen zum Rückzug aus<br />

dem Schoß der Mutter Kirche bewegt.<br />

Auch dass einige verbeamtete Laienmitarbeiter<br />

in den diözesanen Verwaltungsstellen<br />

den Eindruck erwecken<br />

den K<strong>at</strong>echismus noch nicht einmal gesehen<br />

zu haben und im Umgang mit<br />

K<strong>at</strong>holiken jegliches Fingerspitzen vermissen<br />

lassen, sollte selbstkritisch festgehalten<br />

werden. Dass dies der Zahlungsmoral<br />

beim Kirchenbeitrag eher<br />

abträglich ist und vielleicht den einen<br />

10<br />

Georg Kastner, Am<br />

Es braucht Mut und Anstrengung<br />

Was wir schon immer befürchtet haben<br />

brachte die Volkszählung nun auf den<br />

Punkt: Die K<strong>at</strong>holiken werden anteilsmäßig<br />

rasant weniger in Österreich. Dabei<br />

hätte die Kirche den Menschen viel<br />

zu bieten. Gedanken zu einer Zeit, in der<br />

jene, die sich zu keiner Glaubensgemeinschaft<br />

bekennen wollen, schon die zweitgrößte<br />

Gruppe in der Bevölkerung<br />

darstellen.<br />

oder anderen die Kirche verlassen<br />

lässt, ist sehr traurig aber in Ansätzen<br />

sogar verständlich. N<strong>at</strong>ürlich besteht<br />

dringender Handlungsbedarf der Kirchenführung<br />

um derartige Missstände<br />

rasch zu beseitigen. Aber verglichen mit<br />

jenen Problemen, die von der k<strong>at</strong>holischen<br />

Kirche in den letzten Jahrhunderten<br />

gemeistert wurden, nehmen sich<br />

derartige Vorfälle eher unbedeutend<br />

aus.<br />

Spiritueller Flurschaden<br />

Kaiser Josef II. stürzte die k<strong>at</strong>holische<br />

Kirche am Ende des 18. Jahrhunderts<br />

durch eine gut gemeinte aber für ihn typisch<br />

überhastete Reform in eine weit<br />

größere Krise als vielerorts angenommen.<br />

Selbst der Papst machte sich auf<br />

den Weg um „den missr<strong>at</strong>enen Sohn“<br />

persönlich zur Vernunft zu bringen,<br />

noch lange bevor Johannes Paul II die<br />

päpstliche Welttournee erfand. Es ist<br />

dem in den folgenden Jahren wirkenden<br />

Clemens Maria Hofbauer, bis heute<br />

Stadtp<strong>at</strong>ron von Wien, zu danken,<br />

dass der spirituelle Flurschaden einigermaßen<br />

eingedämmt wurde. Auch die<br />

vernünftigen Änderungen Josephs, wie<br />

Pfarrregulierungen und Religionsfonds<br />

wirkten sich langfristig positiv aus.<br />

Wesentlich schwerwiegender war die<br />

Polarisierung der Zwischenkriegszeit.<br />

Die wiederum „gut gemeinte“ aber aus<br />

heutiger Sicht klar verfehlte Verquickung<br />

von Sta<strong>at</strong> und Kirche unter<br />

Dollfuß und Schuschnigg sollte noch<br />

lange ein Problem der österreichischen<br />

k<strong>at</strong>holischen Kirche bleiben. Die hier<br />

aufgerissenen Gräben wurden erst von<br />

Kardinal Franz König zugeschüttet, ein<br />

Faktum, das ihm völlig zu Unrecht den<br />

Titel „roter Kardinal“ einbrachte. Es ist<br />

bis heute Königs Verdienst, dass Sozialdemokr<strong>at</strong>ie<br />

und Kirche zueinander<br />

fanden, und die Kirche dadurch aus<br />

dem politischen Tagesgeschehen herausgehalten<br />

werden konnte. Diese Öffnung<br />

brachte auch mit sich, dass sich<br />

manche nun offener zu „ihrer Kirche“<br />

bekennen konnten. Das seitens des Kardinals<br />

ehrliche Friedenangebot wurde<br />

von vielen dankbar angenommen.<br />

Ein kleine Gruppe durch und durch<br />

Linker, die vor allem in den letzten Jahren<br />

zu führenden Positionen bei SPÖ<br />

und Grünen aufgestiegen sind, nutzte<br />

dies jedoch schamlos aus. Denn durch<br />

die Hintertür wurde der Bevölkerung<br />

nach und nach jene Ideologie eingeflößt,<br />

die mit Schuld ist am Zurückdrängen<br />

von Christentum und „abendländischer“<br />

Werte. Gerade bei SPÖ und<br />

Grünen finden sich heute Vertreter, die<br />

zwar die absolute Toleranz predigen aber<br />

gleichzeitig einen zutiefst intoleranten<br />

Feldzug gegen diese christlichen Werte<br />

führen. Beleidigt beispielsweise jemand<br />

den Vertreter einer anderen Religionsgemeinschaft<br />

ist sprichwörtlich Feuer<br />

am Dach. Genau jene, die sich in solchen<br />

Fällen am lautesten ereifern, kl<strong>at</strong>schen<br />

jedoch dann laut Beifall wenn es<br />

wieder einmal gegen die k<strong>at</strong>holische<br />

Kirche geht. Warum ist also gerade die<br />

k<strong>at</strong>holische Kirche vielen so ein Dorn<br />

im Auge?<br />

Alles Paletti? Im Gegenteil<br />

Für einen Großteil der Österreicher<br />

sind jene Werte, für welche die Kirche<br />

noch heute steht, immer noch zutreffend.<br />

Fast jeder wünscht sich eine funktionierende<br />

Familie, die Beigeisterung<br />

von Herrn und Frau Österreicher für das<br />

Gebot der christlichen Nächstenliebe<br />

zeigte sich nicht nur bei der spontan<br />

überwältigenden Hochwasserhilfe. Die<br />

Bedeutung der Homosexualität ist in<br />

unserem Land wesentlich geringer als


uns linke Medien und Politiker glauben<br />

machen wollen. Alles paletti!? Ganz im<br />

Gegenteil.<br />

Die Kirche ist unbequem. Obwohl<br />

von den Medien als ewig gestrig heruntergemacht,<br />

steht sie für einen Großteil<br />

der Bevölkerung wesentlich mehr<br />

für Moral als alle Politiker zusammen.<br />

Man spendet lieber der k<strong>at</strong>holischen<br />

Caritas als dubiosen Vereinen von Grünen<br />

und Sozialdemokr<strong>at</strong>en. Ordensspitäler,<br />

k<strong>at</strong>holische Priv<strong>at</strong>schulen und<br />

Pfarrkindergärten sind nach wie vor beliebter<br />

als ihre sta<strong>at</strong>lichen Pendants.<br />

Und dies gibt der Kirche nach wie vor<br />

eine Machtposition, die sie zwar nicht<br />

offen ausnützt, sie aber zu einem Hauptgegner<br />

marxistisch geprägten Ideologen<br />

macht.<br />

Aus dem Kreißsaal in<br />

die Krabbelstube<br />

Ein Hauptangriffsziel ist und bleibt<br />

die Familie, die offensichtlich vollkommen<br />

ausradiert werden soll: Kein<br />

gemeinsamer Name, keine gemeinsame<br />

Altersvorsorge, keine gemeinsame<br />

Zukunft?! Unter der sozialistischen Alleinregierung<br />

begann jener Feldzug,<br />

dessen Erfolge mehr und mehr sichtbar<br />

werden. „AlleinerzieherInnen“,<br />

wohl weislich ganz geschlechtsneutral<br />

mit sozialistischem Kampf I geschrieben,<br />

heißt das Lieblingswort von Glawischnig,<br />

Prammer Gusenbauer und<br />

Co. Dass die Gruppe der alleinstehenden<br />

Frauen wesentlich mehr gefördert<br />

wird, als junge Familien ist ein unübersehbares<br />

Fakt. Die versteckte Botschaft<br />

ist ganz klar: nicht heir<strong>at</strong>en,<br />

dann gibt es mehr Geld, denn dass der<br />

Kindesv<strong>at</strong>er hin und wieder täglich bei<br />

der Kindesmutter übernachtet merkt<br />

ja ohnehin keiner. Anst<strong>at</strong>t es einer Frau<br />

wirklich selbst zu überlassen, ob sie einige<br />

Jahre mit dem Nachwuchs verbringen<br />

will, werden ausschließlich<br />

mehr Kindergärten gefordert, damit die<br />

Frau in jedem Fall ihre Karriere möglichst<br />

rasch fortsetzt. Wenn ein Kind<br />

mit drei noch nicht in einer sta<strong>at</strong>lichen<br />

Betreuungsorganis<strong>at</strong>ion untergebracht<br />

ist, gilt es schon als Außenseiter. Aus<br />

dem Kreissaal in die Krabbelstube<br />

scheint hier oberste Devise zu sein. Dass<br />

Eltern, die beide in einer 40 Stunden<br />

Woche gebunden sind ihren Kindern<br />

weit weniger mitgeben können als die<br />

Tag ein Tag aus sie betreuende Kindergärtnerin<br />

ist wohl jedem klar. Dass die<br />

Familienförderung zu gering ist um auf<br />

ein zweites Einkommen zu verzichten<br />

leider auch. Im Zuge der kollektiven<br />

Kleinkinderbetreuung kann dann auch<br />

ein neues Gesellschaftsmodell wesentlich<br />

leichter propagiert werden. Jegliche<br />

Individualität ausgeschaltet nur<br />

der vollkommenen Freiheit verpflichtet<br />

ist das Christentum dann vielleicht<br />

irgendwann einmal doch überholt und<br />

landet in einem Museum der Geisteswissenschaft,<br />

hofft man. Die ideologischen<br />

Väter der linken Bewegungen<br />

bezeichneten Religion als „Opium fürs<br />

Volk“. Dieses soll offensichtlich durch<br />

allgemein zugängliches Cannabis ersetzt<br />

werden. Der unter Gusenbauer<br />

und Van der Bellen wieder belebte Kulturkampf<br />

zeigte sich im Wahlkampf<br />

mehr als deutlich.<br />

Es liegt an uns als K<strong>at</strong>holiken diesen<br />

Tendenzen möglichst rasch Einhalt zu<br />

gebieten. Dafür wäre eine lebendige Kirche,<br />

die mehr als sexuelle Verbote aussprechen<br />

kann, und sich in der Öffentlichkeit<br />

professioneller präsentiert,<br />

genauso wichtig wie jene politischen<br />

Rahmenbedingungen, die der Kirche<br />

nicht nur das Überleben sichern, sondern<br />

ihr auch eine maximale Entfaltungsmöglichkeit<br />

geben. Fällt einer dieser<br />

beiden Punkte aus, so ist der Versuch<br />

des anderen zum Scheitern verurteilt.<br />

Die k<strong>at</strong>holische Kirche h<strong>at</strong> wahnsinnig<br />

viel zu bieten: Nur leider wissen es zu<br />

Wenige. Es ist nicht leicht, es erfordert<br />

eine ganze Menge Mut, Anstrengung<br />

und vor allem Zusammenarbeit: Aber<br />

es lohnt.<br />

Auskunft erteilen: DW 249 Fr. Vorlaufer<br />

DW 251 Fr. Eugl<br />

11<br />

Titel<br />

Dezember <strong>2002</strong>


Titel<br />

Entstanden ist das „Mariazeller Manifest”<br />

auf steirischem Boden, als bei<br />

der Magna M<strong>at</strong>er Austriae in Mariazell<br />

zur Vorbereitung des I. Österreichischen<br />

K<strong>at</strong>holikentages nach Österreichs Wiedererstehen<br />

vom 1. bis 4. Mai 1952 ein<br />

Studientag gehalten wurde. Dieser h<strong>at</strong>te<br />

den Zweck, sich eingehend mit dem<br />

K<strong>at</strong>holikentagsthema „Freiheit und<br />

Würde des Menschen” zu befassen und<br />

die offiziellen Reden und Aussagen am<br />

K<strong>at</strong>holikentag in Wien im September<br />

gleichen Jahres präzis vorzubereiten und<br />

zu bewerten. Sein pressemäßiges Ergebnis<br />

war das sogenannte „Mariazeller<br />

Manifest”. In seiner Formulierung<br />

war es die Einzelleistung des damaligen<br />

Pressechefs des K<strong>at</strong>holikentages und<br />

später langjährigen Leiters der K<strong>at</strong>holischen<br />

Presseagentur Österreichs, Richard<br />

Barta. Sein damaliger Stellenwert<br />

kommt in seiner ursprünglichen Denomin<strong>at</strong>ion<br />

zum Ausdruck, die lautete<br />

schlicht und sachlich: „Offizieller Bericht<br />

der Pressestelle des Österreichischen<br />

K<strong>at</strong>holikentages”. Der Bericht<br />

trägt die programm<strong>at</strong>ische Überschrift:<br />

„Eine freie Kirche in einer freien Gesellschaft”<br />

und war weder von der Österreichischen<br />

Bischofskonferenz ber<strong>at</strong>en,<br />

geschweige denn beschlossen, noch von<br />

Rom bestätigt worden. Erst zehn Jahre<br />

später erhielt er von seinem Autor Richard<br />

Barta die plak<strong>at</strong>iv-griffige Bezeich-<br />

12<br />

Maximilian Liebmann, Cl<br />

Freie Kirche im freien Sta<strong>at</strong><br />

Der Vorstand des Instituts für Kirchengeschichte<br />

und kirchliche Zeitgeschichte an<br />

der Universität Graz über Entstehung und<br />

Verfasser eines Dokumentes, dass seine<br />

heute gebräuchliche Bezeichnung erst<br />

Jahre nach seiner Formulierung vor 50<br />

Jahren erfuhr. Das „Mariazeller Manifest“.<br />

nung „Mariazeller Manifest”, während<br />

ihn die gleich bekannte wie anerkannte<br />

Zeithistorikerin, die zum engsten<br />

Freundeskreis um Otto Mauer zählende<br />

Zeitzeugin Erika Weinzierl noch 1975<br />

als „K<strong>at</strong>holisches Manifest” titulierte<br />

und im Übrigen in Otto Mauer den inhalt-substantiellen<br />

Verfasser sieht.<br />

Schwer nachvollziehbar<br />

Sein Inhalt ist bisweilen rätselhaft und<br />

kaum nachvollziehbar. So heißt es wörtlich:<br />

„Eine freie Kirche, das heißt die Kirche<br />

ist auf sich selbst gestellt und nur auf<br />

sich selbst. [...] Heute aber h<strong>at</strong> die Kirche<br />

keinen Kaiser und keine Regierung, keine<br />

Partei und keine Klasse, keine Kanonen,<br />

aber auch kein Kapital hinter sich.<br />

Die Zeit von 1938-1945 bildet hier eine<br />

unüberschreitbare Zäsur; die Brücken in<br />

die Vergangenheit sind abgebrochen, die<br />

Fundamente für die Brücke in die Zukunft<br />

werden heute gelegt.”<br />

Schwer oder kaum nachvollziehbar<br />

sind diese Sätze deshalb, weil praktisch<br />

zur gleichen Zeit, wie von der unüberschreitbaren<br />

Zäsur von 1938-1945 und<br />

von den abgebrochenen Brücken gesprochen<br />

wird, d. h. im Mai1952, mit<br />

Vehemenz gerade um deren Wiedererrichtung<br />

gerungen wird, nämlich um<br />

die Gültigkeit des sogenannten „Dollfuß-Konkord<strong>at</strong>es”<br />

von 1933/34. Kirchenintern<br />

mussten die Bischöfe hierbei<br />

sogar eine so scharfe Rüge vom Hl.<br />

Stuhl einstecken, sie seien zu nachlässig<br />

im Kampf für die sta<strong>at</strong>liche Gültigkeit<br />

des Konkord<strong>at</strong>es eingetreten, dass<br />

diese als Reaktion dem Papst kollektiv<br />

ihren Rücktritt förmlich anboten.<br />

Auch auf einem zweiten Gebiet ist<br />

die Behauptung von der unüberschreitbaren<br />

Zäsur von 1938-1945 nicht<br />

nachvollziehbar, hier wurden und werden<br />

die Brücken nicht nur nicht ab-<br />

gebrochen, hier wurden und werden<br />

sie sogar neu zementiert, gemeint ist<br />

das durch das Nazi-Regime mit 1. Mai<br />

1939 eingeführte Kirchenbeitragssystem.<br />

Dieses wurde aus der NS-Zeit<br />

nahtlos in die Zweite Republik übergeführt,<br />

ohne Zäsur, ohne Brückenabbruch.<br />

Analoges kann von der oblig<strong>at</strong>orischen<br />

Ziviltrauung bzw.<br />

standesamtlichen Eheschließung gesagt<br />

werden, die mit l. August 1938 eingeführt<br />

wurde. Auch hier erfolgte keine<br />

Zäsur, kein Abbrechen von Brücken.<br />

Ihre Überleitung in die Zweite Republik<br />

verlief allerdings nicht so friktionsfrei<br />

wie beim Kirchenbeitrag.<br />

Klare Absage an Sta<strong>at</strong>s- und<br />

Politischen K<strong>at</strong>holizismus<br />

Wirklich grundlegend und zeitlos gültig<br />

ist die fundamentale politische Festlegung:<br />

„Keine Rückkehr zu jenen gewaltsamen<br />

Versuchen, auf rein<br />

organis<strong>at</strong>orischer und sta<strong>at</strong>srechtlicher<br />

Basis christliche Grundsätze verwirkli-


chen zu wollen.” Damit erfolgte eine<br />

klare Distanzierung zum konfessionellen<br />

Eherecht, das bis zum Anschluss gegolten<br />

h<strong>at</strong> und eine sta<strong>at</strong>liche Ehescheidung,<br />

d. h. Ehetrennung von<br />

K<strong>at</strong>holiken nicht ermöglichte. Auch<br />

wird die Abkehr von der uralten Forderung<br />

auf Installierung der konfessionellen<br />

Sta<strong>at</strong>sschule, wie es die Bischöfe<br />

bis zum Anschluss gefordert h<strong>at</strong>ten,<br />

besiegelt. Folgerichtig heißt es im Bericht<br />

weiter: „Eine freie Gesellschaft, in<br />

der auch die Kirche frei leben kann, verlangt<br />

aber auch den Abbau jener letzten<br />

Reste totalitärer Einrichtungen, wie<br />

sie zum Schaden der österreichischen<br />

Demokr<strong>at</strong>ie noch in einem gewissen<br />

Absolutismus der politischen Parteien<br />

und in einer politischen Ausnahmegesetzgebung<br />

besteht, verlangt energisch<br />

Frontstellung gegen alle Übergriffe<br />

der Sta<strong>at</strong>sallmacht, gegen jede Anmaßung<br />

des Sta<strong>at</strong>es zur totalitären Erfassung<br />

aller Lebensgebiete, Bekenntnis<br />

zum Prinzip der Subsidiarität,<br />

verlangt Schutz des einzelnen und<br />

Schutz der Persönlichkeit.”<br />

Charta des Dialoges<br />

Der zweite Teil des „Mariazeller Manifestes”,<br />

eine programm<strong>at</strong>ische Ab-<br />

sichtserklärung, die ich Charta des Dialoges<br />

nennen möchte, verdient, in Marmor<br />

gemeiselt zu werden:<br />

„Eine freie Kirche bedeutet aber nicht<br />

eine Kirche der Sakristei oder des k<strong>at</strong>holischen<br />

Ghettos, eine freie, auf sich<br />

selbst gestellte Kirche heißt eine Kirche<br />

der weltoffenen Türen und ausgebreiteten<br />

Arme, bereit zur Zusammenarbeit<br />

mit allen, zur Zusammenarbeit mit dem<br />

Sta<strong>at</strong> in allen Fragen, die gemeinsame<br />

Interessen berühren, also in Ehe, Familie,<br />

Erziehung;<br />

Zusammenarbeit mit allen Ständen,<br />

Klassen und Richtungen zur Durchsetzung<br />

des gemeinsamen Wohls;<br />

Zusammenarbeit mit allen Konfessionen<br />

auf der Grundlage des gemeinsamen<br />

Glaubens an den lebendigen<br />

Gott, Zusammenarbeit auch mit allen<br />

geistigen Strömungen, mit allen Menschen,<br />

wer immer sie seien und wo immer<br />

sie stehen, die gewillt sind, mit der<br />

Kirche für den wahren Humanismus,<br />

für Freiheit und Würde des Menschen<br />

zu kämpfen.”<br />

Zeitgebunden und überholt<br />

Im dritten Teil wird die formalrechtliche<br />

Stellung von Mann und Frau<br />

abgelehnt und die pessimistische Prognose<br />

erstellt: „Wir sind<br />

im Begriffe, ein Volk<br />

hungernder und bettelnder<br />

Greise zu werden,<br />

da uns in wenigen<br />

Jahrzehnten die arbeitende<br />

und produzierende<br />

Gener<strong>at</strong>ion fehlen<br />

wird. Es wird niemand<br />

mehr da sein, der das<br />

Korn baut, damit wir<br />

Brot zu essen haben, der<br />

die Kohle schürft, damit<br />

wir uns wärmen, und<br />

der den Baum fällt, in<br />

dessen Brettern wir zur<br />

letzten Ruhe gebettet<br />

werden. (...) Die Kirche<br />

lehnt eine formalrechtliche<br />

Gleichstellung der<br />

Geschlechter ab, die der Frau nur neue<br />

Lasten aufbürden und sie noch des<br />

spärlichen Schutzes, den das Gesetz ihr<br />

heute bietet, berauben würde; sie weiß<br />

aber auch, dass die Würde der Frau sich<br />

erst dann entwickeln kann, wenn ihr<br />

die Last zeitraubender und aufreibender<br />

Arbeit erleichtert wird.”<br />

Zeugnis echter<br />

Geschichtsbewältigung<br />

Verschiedentlich wird das „Mariazeller<br />

Manifest” als „Magna Charta” des<br />

neuen Verhältnisses von Kirche und Politik<br />

nach dem Zweiten Weltkrieg in<br />

Österreich im Sinne vom Altlandeshauptmann<br />

der Steiermark, Josef Krainer,<br />

apostrophiert und gefeiert. Krainer:<br />

„Es h<strong>at</strong> die Beziehungen zwischen Kirche<br />

und Politik in der Zweiten Republik<br />

entscheidend bestimmt: die freie Kirche<br />

in einem freien Sta<strong>at</strong>.”<br />

Vierzehn Jahre waren vergangen, seit<br />

den drei gleich heiß umkämpften wie<br />

erfolgreich verteidigten k<strong>at</strong>holischkirchlichen<br />

Kulturkampfbastionen: Keine<br />

sta<strong>at</strong>liche Ehescheidung von K<strong>at</strong>holiken,<br />

keine oblig<strong>at</strong>orische Zivilehe;<br />

Forderung nach Wiedererrichtung der<br />

konfessionellen Sta<strong>at</strong>sschule, d. h. k<strong>at</strong>holische<br />

Kinder nur in rein k<strong>at</strong>holischen<br />

Schulen, und drittens: Finanzierung<br />

der Kirche, speziell des Klerus,<br />

durch das Sta<strong>at</strong>sbudget, denn der Religionsfonds<br />

war schon seit den Zwanzigerjahren<br />

zutiefst defizitär. Alle diese<br />

drei Bastionen h<strong>at</strong>te das NS-Regime<br />

1938/39 vom Tisch gefegt und keine<br />

davon wurde sieben Jahre später beim<br />

Wiedererstehen Österreichs wiedererrichtet.<br />

Das „Mariazeller Manifest” ist in seiner<br />

Grundaussage somit ein hervorragendes<br />

Zeugnis für die Bejahung der<br />

st<strong>at</strong>tgehabten kulturpolitisch-weltanschaulichen<br />

Entwicklung durch die in<br />

Mariazell versammelte jungk<strong>at</strong>holische<br />

Aktivistenrunde rund um den dominanten,<br />

höchst einflussreich agierenden<br />

und entscheidend prägenden Msgr.<br />

Otto Mauer.<br />

13<br />

Titel<br />

Dezember <strong>2002</strong>


Titel<br />

Beim Lesen der kürzlich veröffentlichen<br />

Presseinform<strong>at</strong>ion der Bundesanstalt<br />

St<strong>at</strong>istik Austria (1) vom 17.10.<strong>2002</strong><br />

blieb der Blick des Betrachters an zwei<br />

Aussagen haften.<br />

1. Der K<strong>at</strong>holikenanteil in Wien ist<br />

auf 49.2 Prozent abgesunken.<br />

2. Der Anteil der Religionslosen ist<br />

auf nunmehr 25,6 Prozent angestiegen.<br />

Diese zwei Sätze sollen als Ausgangspunkt<br />

für die folgenden Betrachtungen<br />

über Religions- und Ethikunterricht dienen.<br />

Abgeleitet von ihnen lässt sich sagen,<br />

dass der Religionsunterricht zum<br />

Minderheitenprogramm geworden ist.<br />

Ursachen und Beweggründe sich aus<br />

dem Religionsunterricht zu verabschieden<br />

sind mannigfaltig. Einige<br />

Punkte sind aber erwähnenswert: Der<br />

Wegfall des traditionell hohen Stellenwertes<br />

des Religionsunterrichtes in der<br />

städtischen Gesellschaft. Es scheint jungen<br />

Menschen nicht mehr wichtig zu<br />

sein, eine gute Religionsnote vorweisen<br />

zu können. Sichtbar wird der Rückgang<br />

auch an der starken Abnahme der<br />

„Kirchlichkeit“ der jungen Menschen.<br />

Mit vielen kirchlichen Institutionen haben<br />

Jugendliche nichts mehr am Hut.<br />

Das Leben und Erleben etwa pfarrlicher<br />

Gemeinschaft h<strong>at</strong> einen geringen Stellenwert,<br />

die Institution h<strong>at</strong> nichts mehr<br />

zu sagen. Ausdruck dafür ist das Ringen<br />

der Religionslehrerinnen und -lehrer<br />

um Akzeptanz der Institution Kirche<br />

bei Jugendlichen, trotz übermächtiger<br />

Gegner wie Freistunde (späteres Kommen<br />

– früheres Gehen) und Caféhaus.<br />

Vielleicht sollten Schulmessen mehr<br />

Eventcharakter aufweisen? Die Rolle der<br />

14<br />

Franz Trimmel, Am<br />

Zwei Paar Schuhe<br />

Impressionen eines interessierten<br />

Beteiligten am Religions- und<br />

Ethikunterricht in Wien<br />

Kirchen als traditioneller gesellschaftlicher<br />

Wertevermittler löst sich auf. Die<br />

jugendlichen „Freiheitskünstler“ und<br />

„Religionskomponisten“ scheinen manche<br />

Wertvorstellungen der Altvorderen<br />

in ihrer Lebensgestaltung einfach außer<br />

Acht zu lassen, zum Ärger mancher Eltern.<br />

Scheu vor Bindungen<br />

Ist es die Scheu vor lebenslangen Bindungen,<br />

die Menschen aus der k<strong>at</strong>holischen<br />

Kirche treibt, oder liegt es einfach<br />

im Zug der Zeit, sich mächtigen<br />

Institutionen nicht mehr zur Gänze anzuvertrauen.<br />

Vielleicht erklärt das die<br />

Zunahme der Personen ohne religiöses<br />

Bekenntnis. Wobei auch die Anonymität<br />

in der globalen Vernetzung große<br />

Ängste schürt und junge Menschen daher<br />

ihre Sehnsucht nach Geborgenheit<br />

und Überschaubarkeit im täglichen Leben<br />

auf verschiedene Arten ausleben,<br />

etwa in „Szenen“. Die Suche nach Gestaltungsmöglichkeiten<br />

seiner eigenen<br />

Umgebung verlangt die Ausgestaltung<br />

eines für den Lebensvollzug brauchbaren<br />

Wertesystems. In diesem Kontext<br />

ist es verständlich, nach der Sinnhaftigkeit<br />

eines Ethikunterrichtes zu fragen.<br />

Die zunehmende Vielfalt und<br />

Kompliziertheit der angebotenen Wertsysteme<br />

h<strong>at</strong> weitblickende Pädagogen<br />

zu Überlegungen über die Einführung<br />

eines solchen Gegenstandes angeregt.<br />

Seit 1997 gibt es in Österreich zaghafte<br />

Versuche einen „Ethikunterricht<br />

als Ers<strong>at</strong>zgegenstand“ einzuführen. Es<br />

ist zu hinterfragen, Ers<strong>at</strong>z wofür? Für<br />

den geringer werdenden Religionsunterricht?<br />

Was soll er ersetzen? Die Abmeldequoten<br />

der Schüler? Oder ist er<br />

Religionsunterricht durch die Hintertür?<br />

In Wien gingen und gehen die Wogen<br />

in der politischen Landschaft hoch.<br />

Heftige Befürworter wie das Liberale Forum<br />

wurden abgelöst von glaubenstreuen<br />

Frommen, die in ihrer Ghettositu<strong>at</strong>ion<br />

die schulische Wirklichkeit<br />

verkannten, in dem sie meinten, durch<br />

Rückzug auf Glaubensgrundsätze und<br />

deren rigorose Befolgung eine Änderung<br />

der Haltung erreichen zu können.<br />

Auch die sogenannten „Kirchenfresser“<br />

in den unterschiedlichsten Parteien sahen<br />

ihre Chance gekommen, der Kirche<br />

eins auszuwischen. Es gilt auch bei<br />

diesem Thema, wie in vielen anderen<br />

Bereichen, das Bibelzit<strong>at</strong>: „An ihren<br />

Früchten werdet ihr sie erkennen“.Was<br />

könnte daher, salopp gefragt, im Rahmen<br />

des Ethikunterrichtes und der dazugehörenden<br />

Lehrerausbildung eine<br />

Rolle spielen?<br />

Organis<strong>at</strong>orische Probleme<br />

Die Behebung organis<strong>at</strong>orischer Probleme<br />

in schulischen Unterricht – wie:<br />

Wohin mit den abgemeldeten Schülern,<br />

die beaufsichtigt werden müssen?<br />

Wohin mit den unterbeschäftigten<br />

jungen Lehrern, vielleicht gibt es eine<br />

neue Zukunftsperpektive in der Berufsplanung,<br />

speziell für Philosophie- oder<br />

Religionslehrer? Belegbar durch häufige<br />

Anfragen. Das mögen alles Aspekte<br />

sein, die auch auftreten, vielfach ist es<br />

jedoch so, dass der Ethikunterricht mit<br />

positiver Zustimmung durch die Schüler<br />

besucht wird (2), und dass die Ethiklehrer<br />

mit großem Eins<strong>at</strong>z sich um im<br />

Regelunterricht vernachlässigte Themen,<br />

wie Solidarität, Wertschätzung,<br />

Einsichten in kulturelle Unterschiede<br />

annehmen und Orientierungshilfen in<br />

dieser säkularen Welt anbieten, und damit<br />

jungen Menschen die Chance geben,<br />

sich für diese Orientierungen zu<br />

interessieren, um die ihnen am besten<br />

geeignet erscheinenden zu rezipieren.


Ob es die Aufgabe des weltanschaulich<br />

neutralen Sta<strong>at</strong>es ist, jungen Menschen<br />

eine ganzheitliche Bildung angedeihen<br />

zu lassen oder nicht, mögen<br />

Juristen entscheiden. Die Prämissen und<br />

Anknüpfungspunkte lassen sich in der<br />

neuesten Studie zum Ethikunterricht<br />

ganz gut nachlesen (3).<br />

Wichtig erscheint jedoch, dass sich<br />

der Ethikunterricht zu einem eigenständigen<br />

Unterrichtsgegenstand entwickelt,<br />

in dem junge Menschen<br />

Grundlagen für die Auseinandersetzung<br />

in der Welt der Erwachsenen, die ja eine<br />

große Pluralität von ethischen Konzepten<br />

aufweist, erwerben können. Die<br />

Begründung für einen Unterrichtsgegenstand:<br />

„Ethik als Unterrichtsprinzip“,<br />

wie von manchen gefordert, bringt<br />

nicht den gewünschten Erfolg, wie das<br />

Beispiel am Unterrichtsprinzip politische<br />

Bildung zeigt. Was ist passiert? Jahrzehntelang<br />

wurde das Prinzip hochgehalten,<br />

nur h<strong>at</strong> sich leider fast niemand<br />

von den Unterrichtenden darum<br />

gekümmert, sodass im letzten Jahr als<br />

der Weisheit letzter Schluss die Zuweisung<br />

an den Unterrichtsgegenstand Geschichte<br />

erfolgte.<br />

Es ist keine Rel<strong>at</strong>ivierung dieser Aussagen,<br />

wenn man die Meinung vertritt,<br />

dass die Einführung des Ethikunterrichtes<br />

dort gegeben sein sollte, wo Bedarf<br />

besteht. Die Entscheidung sollte<br />

die Schulgemeinschaft treffen und<br />

nicht, wie in so manchen Bundesländern,<br />

die vorgesetzte Behörde. Der Titel<br />

Ethikunterricht ist ein möglicherweise<br />

unglücklich gewählter Ausdruck,<br />

da er die im Unterricht angebotenen<br />

Inhalte, wie philosophische Grundlegung<br />

der Ethik, Kultur- und Religionskunde<br />

nicht erkennen lässt. Kardinal<br />

Schönborn sprach vor kurzem von einer<br />

Wertesolidarität, die ja nur erreicht<br />

werden kann, wenn ein Austausch über<br />

die Werte mit anderen erfolgt. Was ist<br />

dazu besser geeignet als eine Erziehung<br />

im Ethikunterricht?<br />

Schulversuch ja – aber kosten<br />

darf er nichts<br />

Gott sei dank gibt es auch schon eine<br />

Evalu<strong>at</strong>ion des Ethikunterrichtes – nachzulesen<br />

in der unten angeführten Studie<br />

von Prof. Bucher – die manchen<br />

Skeptikern, die gemeint haben: „Wozu<br />

braucht man diesen Gegenstand?“ den<br />

Wind aus den Segeln genommen h<strong>at</strong>.<br />

Zum Abschluss sei in diesem Zusammenhang<br />

noch ein Phänomen erwähnt.<br />

Der Ethikunterricht stützt in der<br />

Unterrichtsorganis<strong>at</strong>ion den Religionsunterricht.<br />

Da die Schüler, vor allem<br />

die der Oberstufe, nicht mehr der<br />

Freistunde frönen können, weil für alle,<br />

die an keinem Unterricht der Religionsgemeinschaften<br />

teilnehmen, der<br />

Ethikunterricht verpflichtend ist, gibt<br />

es eine „Rückwanderung“ in den Religionsunterricht.<br />

Mit einer gewissen Ehrlichkeit<br />

muss man sagen, dass für<br />

Religionslehrer eine höhere Chancengleichheit<br />

eingetreten ist, wenn der<br />

Ethikunterricht parallel zum Religionsunterricht<br />

geführt wird. Vertreter<br />

sta<strong>at</strong>licher und kirchlicher Institutionen<br />

befürworten den Ethikunterricht,<br />

finden ihn gut, es fehlt allerdings das<br />

Geld. Diesbezügliche Aussagen sind lobenswert,<br />

aber sie bleiben für die Betroffenen<br />

unverbindlich – nach dem<br />

Motto: „Schulversuch ja, aber kosten<br />

darf er nichts“. Wenn Unterrichtsministerium<br />

und Stadtschulr<strong>at</strong> einen<br />

Schulversuch genehmigen, so könnten<br />

sie doch auch die nötigen Ressourcen<br />

zu Verfügung stellen, solange der Versuch<br />

eben dauert. Dieses oben angesprochene<br />

Phänomen von der Stützung<br />

des Religionsunterrichtes h<strong>at</strong> bei manchen<br />

politischen Gruppierungen als Gegenreaktion<br />

Unmut ausgelöst, vor allem<br />

bei jenen, die gerne einen<br />

Ethikunterricht st<strong>at</strong>t des Religionsunterrichts<br />

eingeführt hätten. Daher ist<br />

das politische Interesse an seiner Einführung<br />

stark erlahmt. Es ist gefährlich<br />

Prognosen abzugeben, aber persönli-<br />

che Eindrücke von Diskussionen über<br />

den Ethikunterricht, wie das starke Interesse<br />

öffentlicher Institutionen (sie<br />

schicken ihre „Spione“ in solche Veranstaltungen)<br />

bis zum enormen Interesse<br />

der jungen Bildungsschicht und<br />

der verschiedenen religiösen Gruppierungen,<br />

belegen, dass dieses Thema in<br />

der Öffentlichkeit intensiv weiterbrodelt.<br />

Wenn die Unterrichtsministerin<br />

und der Bundeskanzler von einer Bildungsmilliarde<br />

sprechen, so sollten<br />

doch einige wenige hunderttausend<br />

Euro, für den Auf- und Ausbau des<br />

Ethikunterrichtes aufgewendet, keine<br />

gravierende Rolle spielen. Warum nicht<br />

zwei Paar Schuhe? Wenn das eine Paar<br />

seinen Aufgaben nicht mehr genügen<br />

kann, eventuell durch Druckstellen oder<br />

fehlende Absätze, so wäre es doch ganz<br />

gut in anderes Paar zu schlüpfen. Die<br />

vergleichenden Gedanken zu Religionsund<br />

Ethikunterricht dürfen sie weiterspinnen.<br />

(1) Presseinform<strong>at</strong>ion – St<strong>at</strong>istik Austria vom<br />

17.10.<strong>2002</strong><br />

(2) Bucher A., Ethikunterricht in Österreich. Bericht<br />

der wissenschaftlichen Evalu<strong>at</strong>ion der<br />

Schulversuche „Ethikunterricht“, Innsbruck-<br />

Wien 2001<br />

(3) Auer K.H. ( Hg), Ethikunterricht, Standortbestimmung<br />

und Perspektiven Innsbruck-Wien <strong>2002</strong><br />

Der Autor<br />

OStR. Mag. Franz Trimmel, Am<br />

unterrichtet am Pädagogischen Institut<br />

der Stadt Wien sowie an einer Wiener AHS<br />

15<br />

Titel<br />

Dezember <strong>2002</strong>


Titel<br />

Neue Herausforderungen<br />

❏ Österreich ist eines der traditionsreichsten<br />

k<strong>at</strong>holischen Länder der<br />

Welt. Die hohe Akzeptanz des Religionsunterrichtes<br />

in breiten Bevölkerungskreisen<br />

ist ungebrochen. Ursachen<br />

dafür könnten sein: Besonders<br />

eins<strong>at</strong>zbereite und glaubhafte Religionslehrer<br />

und die Caritas, die in der<br />

Schule durch den Religionsunterricht<br />

zu spüren ist.<br />

❏ Die sozioreligiöse Entwicklung in den<br />

90er Jahren führte zu neuen Herausforderungen.<br />

1971 waren 87 Prozent<br />

der Bevölkerung k<strong>at</strong>holisch, 2001 73,6<br />

Prozent. Sollte die Entwicklung so bleiben,<br />

dann werden möglicherweise 2030<br />

etwa 50 Prozent k<strong>at</strong>holisch sein. Daneben<br />

nehmen Personen ohne religiöses<br />

Bekenntnis oder mit anderen religiösen<br />

Denomin<strong>at</strong>ionen zu. Vor allem die Veränderungen<br />

der sozioreligiösen Land-<br />

16<br />

Erhard Mayerhofer<br />

Thesen zu Religions- und Ethikunterricht<br />

Argumente aus der Sicht der<br />

k<strong>at</strong>holischen Kirche<br />

schaft Österreichs führten zum Schulversuch<br />

„Ethik“.<br />

❏ Globales Denken wird sich verstärken.<br />

Dabei könnte deutlich werden, dass<br />

Religion in vielen Bereichen des Lebens<br />

und der Gesellschaft einen neuen Stellenwert<br />

oder eine andere Bedeutung erhält.<br />

❏ Das Gefüge Kirche-Sta<strong>at</strong>-Gesellschaft<br />

befindet sich im Prozess einer Umstrukturierung<br />

und Neuordnung. Sinnstiftende<br />

und wertgestaltende Kräfte,<br />

wie sie die Kirche bietet, bleiben aber für<br />

Sta<strong>at</strong> und Gesellschaft unverzichtbar.<br />

Ausblick – offene Fragen<br />

❏ Der Religionsunterricht ist ein wesentlicher<br />

Bestandteil des österreichischen<br />

Bildungssystems. Mit Bezug auf<br />

Gott fragt er „nach dem Ganzen und<br />

nach dem Sinn des menschlichen Lebens<br />

und der Welt“ (Würzburger Synode<br />

1974). Ausgehend von der eigenen<br />

Konfession regt er zur Auseinandersetzung<br />

mit weltanschaulichen Positionen<br />

an, leistet einen wichtigen Beitrag zur<br />

Werteerziehung und zeigt Möglichkeiten<br />

der persönlichen Sinnfindung auf.<br />

❏ Für Gesellschaft, Schule und Kirche<br />

stellen sich wichtige Fragen: Was ist die<br />

unersetzbare, nicht von einem anderen<br />

Gegenstand übernehmbare Aufgabe des<br />

Religionsunterrichts? Welche Folgen<br />

hätte eine Ausfall von religiöser Bildung?<br />

❏ Die Kirche steht dem Schulversuch<br />

„Ethik“ nicht ablehnend gegenüber. Sie<br />

möchte aber nicht von sich aus die Initi<strong>at</strong>ive<br />

bei der möglichen Etablierung<br />

eines Gegenstandes „Ethik“ für die<br />

Schülerinnen und Schüler, die an keinem<br />

Religionsunterricht teilnehmen,<br />

ergreifen. Sehr wohl bietet sie sich als<br />

Gesprächspartnerin bei der weiteren<br />

Diskussion an.<br />

❏ Die Lehrpläne von Religionsunterricht<br />

und „Ethik“ weisen zahlreiche<br />

Berührungspunkte auf. So haben ethische<br />

Themen auch im Religionsunterricht<br />

an der Oberstufe der Gymnasien<br />

ihren Pl<strong>at</strong>z. Für den Pflichtgegenstand<br />

Religionsunterricht stellt sich die wichtige<br />

Aufgabe, ein deutlich erkennbares<br />

und von „Ethik“ unterscheidbares<br />

Profil zu entwickeln.<br />

❏ Durch einen künftig möglichen Gegenstand<br />

„Ethik“ könnten manche Religionsgemeinschaften<br />

– evangelische<br />

und orthodoxe Christen oder Moslems<br />

– organis<strong>at</strong>orische Schwierigkeiten bekommen.<br />

❏ Die großen Fragen des Lebens sind<br />

ein entscheidendes Anliegen jeder Bildung:<br />

„Woher kommen wir? Wohin gehen<br />

wir? Was ist Sinn unseres Lebens?“<br />

Diese Fragen sind eine geeignete Richtschnur<br />

sowohl für den Religionsunterricht<br />

als auch für „Ethik“.<br />

Der Autor<br />

Dr. Erhard Mayerhofer, Abteilungsleiter AHS<br />

am Religionspädagogischen Institut der Erzdiözese<br />

Wien;


Stefan Lorger-Rauwolf<br />

Der Teufel ist los<br />

Der Teufel h<strong>at</strong> in unseren Tagen<br />

Hochkonjunktur. Wohl kaum ein<br />

Thema weckt solch starke Emotionen,<br />

bündelt Ängste und Befürchtungen<br />

wie der S<strong>at</strong>anismus.<br />

Medien wissen, dass die Quote<br />

stimmt, wenn sie S<strong>at</strong>anismus als Aufmacher<br />

ganz groß herausbringen. Da<br />

werden kurzerhand suizidäre Jugendliche<br />

und ihre Verzweiflungst<strong>at</strong>en mit<br />

dem Teufel in Verbindung gebracht.<br />

Friedhofsvandalismus und Kirchenschändungen<br />

gehen auf das Konto seiner<br />

Jünger. Mord, Totschlag und Vergewaltigungen<br />

geschehen im Namen<br />

S<strong>at</strong>ans. Da wird ein Thema aufgebauscht,<br />

das damit nur am Rande zu<br />

tun h<strong>at</strong>. Hauptsache ist, der Bericht<br />

schockt. Die eigentlichen Probleme bleiben<br />

aber unbearbeitet.<br />

Auf der anderen Seite warnen diejenigen,<br />

die die zerstörerische Kraft des<br />

Bösen selbst erfahren haben, vor einer<br />

Verharmlosung dieses Themas. Der goldene<br />

Mittelweg zwischen Spekul<strong>at</strong>ion,<br />

Übertreibung und Dram<strong>at</strong>isierung<br />

auf der einen Seite und Beschwichtigung<br />

sowie Verharmlosung auf der anderen<br />

Seite muss gefunden werden. Dies<br />

ist umso schwieriger, da der S<strong>at</strong>anismus<br />

sich weitgehend im Geheimen abspielt.<br />

Außenstehende haben n<strong>at</strong>urgemäß keinen<br />

Einblick in die inneren Zusammenhänge<br />

okkulter Kleingruppen.<br />

Was ist S<strong>at</strong>anismus? – Eine<br />

erste Annäherung<br />

Eine erste Feststellung lautet: S<strong>at</strong>anismus<br />

ist ein sehr schillernder Begriff<br />

und von seiner Philosophie und Weltanschauung<br />

her beurteilt kein einheitliches<br />

Denkgebäude. S<strong>at</strong>anismus<br />

besteht in einer Vielzahl von Vorstellungen<br />

und Seinsarten. Die unterschiedlichsten<br />

Traditionen, von altägyptischen<br />

Mythologien über<br />

Kelten- und Wiccakulte, gnostischem<br />

Gedankengut, Voodoo-Praktiken und<br />

kabbalistischer Zahlenmagie, werden<br />

im modernen S<strong>at</strong>anismus gemischt<br />

und in neue, ausgeklügelte Systeme gebracht.<br />

Eine zweite Prämisse des S<strong>at</strong>anismus<br />

muss zur Kenntnis genommen werden:<br />

In der Philosophie und in der Praxis<br />

vieler s<strong>at</strong>anistischer Systeme geht es<br />

in erster Linie nicht um die Anbetung<br />

oder Anrufung des personifizierten Teufels,<br />

sondern um die „Selbstvergottung“<br />

des Menschen.<br />

Richtungen und Typologien<br />

des S<strong>at</strong>anismus<br />

Wie kann man diese Vielfalt ordnen?<br />

Der Schweizer Religionswissenschaftler<br />

und Sektenexperte Prof. Dr. Georg<br />

Schmid geht von einem hypothetischen<br />

(experimentellen), von einem religiösen<br />

(ideologischen) und von einem p<strong>at</strong>hologischen<br />

S<strong>at</strong>anismus aus.<br />

1. Hypothetischer S<strong>at</strong>anismus:<br />

Die Existenz S<strong>at</strong>ans ist nur eine Hypothese,<br />

die angenommen wird. Der<br />

experimentelle S<strong>at</strong>anismus dient in erster<br />

Linie anderen Zwecken. Man spielt<br />

und experimentiert mit S<strong>at</strong>an um andere<br />

Ziele zu verfolgen. Dazu zählt die<br />

vor allem bei Jugendlichen als Freizeitbeschäftigung<br />

vorkommende s<strong>at</strong>anistische<br />

Betätigung. Sei es, dass die Idee<br />

aufkommt, in der Nacht auf dem Friedhof<br />

den Teufel anzurufen oder ihn<br />

während einer spiritistischen Sitzung<br />

erscheinen zu lassen. Hier steht die Suche<br />

nach Spannung und Neugier im<br />

Vordergrund.<br />

S<strong>at</strong>anistische Vers<strong>at</strong>zstücke sind auch<br />

wichtige Bestandteile der „Heavy-Metal“-Musikszene.<br />

Cover und Texte mit<br />

s<strong>at</strong>anistischen Inhalten und Symbolik<br />

steigern in erster Linie die Verkaufszahlen<br />

der Tonträger und geben weniger<br />

Auskunft über die Weltanschauung<br />

der Musikgruppe oder der Hörer.<br />

Das provokante Tragen von und Hantieren<br />

mit s<strong>at</strong>anistischen Symbolen fällt<br />

ebenso in diesen Bereich. Es kann Ausdruck<br />

der Sehnsucht nach Aufmerksamkeit<br />

sein aber auch Protest gegen die<br />

Erwachsenenwelt. Die Provok<strong>at</strong>ion kann<br />

aber auch ein Hilfeschrei sein, die auf<br />

eine Lebenssitu<strong>at</strong>ion aufmerksam macht,<br />

aus der man sich nur durch Flucht in<br />

eine „s<strong>at</strong>anistische Welt“ befreien kann.<br />

Immer geht es hier nicht eigentlich<br />

um S<strong>at</strong>an, sondern um anderes. Der S<strong>at</strong>anismus<br />

ist nur die Fassade hinter der<br />

sich eine andere Idee oder ein anderes<br />

Problem verbirgt.<br />

2. Religiöser S<strong>at</strong>anismus<br />

Dem ideologischen S<strong>at</strong>anismus liegt<br />

ein mehr oder minder geschlossenes<br />

weltanschauliches System zugrunde,<br />

das ihre Vertreter auch mit intellektueller<br />

Überzeugungskraft vertreten.<br />

Kennzeichnend für diese Form sind der<br />

Eins<strong>at</strong>z von liturgischen Ritualen und<br />

magischen Handlungen. Auffallend ist,<br />

dass nicht „S<strong>at</strong>an“ als Gott angesehen<br />

und verehrt wird, sondern der Mensch<br />

der eigentliche Gott ist. Die magischen<br />

Rituale dienen dieser Selbstvergottung.<br />

17<br />

Titel<br />

Dezember <strong>2002</strong>


Titel<br />

Für diese Form des S<strong>at</strong>anismus ist die<br />

Person des Okkultisten und Schwarzmagiers<br />

Aleister Crowley (1875-1947)<br />

eine wichtige Gestalt. Das von ihm<br />

18<br />

Das Gesetz von Thelema<br />

Das Gesetz des Starken: Das ist unser<br />

Gesetz.<br />

Und die Freude der Welt.<br />

Tu was du willst, soll sein das ganze<br />

Gesetz.<br />

Du hast kein Recht als deinen eigenen<br />

Willen zu tun.<br />

Tue den, und kein anderer soll Nein sagen.<br />

Jeder Mann und jede Frau ist ein Stern.<br />

Es gibt keinen Gott außer dem Menschen.<br />

Der Mensch h<strong>at</strong> das Recht nach seinem<br />

eigenen Gesetz zu leben<br />

Zu arbeiten wie er will,<br />

zu spielen wie er will,<br />

zu ruhen wie er will,<br />

zu sterben wann und wie er will.<br />

Der Mensch h<strong>at</strong> das Recht zu essen<br />

was er will,<br />

zu trinken was er will,<br />

zu wohnen wo er will,<br />

zu reisen auf dem Antlitz der Erde<br />

wie er will.<br />

Der Mensch h<strong>at</strong> das Recht zu denken<br />

was er will,<br />

zu sagen was er will,<br />

zu schreiben was er will,<br />

zu zeichnen, malen schnitzen, ätzen,<br />

gestalten und bauen wie er will,<br />

sich zu bekleiden wie er will.<br />

Der Mensch h<strong>at</strong> das Recht zu lieben<br />

wie er will; auch erfüllet euch nach dem<br />

Willen in Liebe,<br />

wie ihr wollt, wann, wo und mit wem<br />

ihr wollt.<br />

Der Mensch h<strong>at</strong> das Recht all diejenigen<br />

zu töten, die ihm diese Rechte zu<br />

nehmen suchen.<br />

Die Sklaven sollen dienen.<br />

Liebe ist das Gesetz. Liebe unter Willen!<br />

stammende „Gesetz von Thelema“, das<br />

den eigenen Willen zum absoluten Gesetz<br />

erhebt, ist bis heute bei vielen Gruppen<br />

und Organis<strong>at</strong>ionen das ideologische<br />

Leitmotiv (s. Kasten links).<br />

Ein anderer Zweig geht auf Anton<br />

Szandor LaVey zurück, der 1966 in Kalifornien<br />

seine „Church of S<strong>at</strong>an“ gründete.<br />

LaVey ist R<strong>at</strong>ionalist. An einen<br />

Teufel glaubt er nicht. S<strong>at</strong>an ist für ihn<br />

ein Symbol für die Umkehrung ethischer<br />

Prinzipien, eine Chiffre für die<br />

Auflehnung gegen den moralischen<br />

Konsens der Gesellschaft. Der Inhalt seiner<br />

neuen Moral ist ein ungebremster<br />

Egoismus, der sich durch nichts eingrenzen<br />

lässt. Einziges Ziel ist das eigene<br />

Wohlergehen (s. Kasten rechts).<br />

3. P<strong>at</strong>hologischer S<strong>at</strong>anismus<br />

Im Dunstkreis des S<strong>at</strong>anismus finden<br />

immer wieder Straft<strong>at</strong>en st<strong>at</strong>t, die von<br />

psychisch labilen oder kranken Personen<br />

begangen werden. Die Frage, welche<br />

sich in solchen Fällen stellt, ist die<br />

nach Ursache und Wirkung: Begründen<br />

sich Straft<strong>at</strong> und s<strong>at</strong>anistische Betäti-<br />

gung zu gleich in der problem<strong>at</strong>ischen<br />

psychischen Konstitution des Täters,<br />

oder gehen Straft<strong>at</strong> und psychische Veränderung<br />

auf die s<strong>at</strong>anistische Betätigung<br />

zurück. In diesen Zusammenhang<br />

ist auch auf Personen hinzuweisen, die<br />

ihre Verbrechen nach außen hin s<strong>at</strong>anistisch<br />

begründen und mystifizieren.<br />

Die neun s<strong>at</strong>anischen<br />

Grundsätze von<br />

A. S. LaVey<br />

1. S<strong>at</strong>an bedeutet Sinnesfreude anst<strong>at</strong>t<br />

Abstinenz!<br />

2. S<strong>at</strong>an bedeutet Lebenskraft anst<strong>at</strong>t<br />

Hirngespinste!<br />

3. S<strong>at</strong>an bedeutet unverfälschte<br />

Weisheit anst<strong>at</strong>t heuchlerischen<br />

Selbstbetrug!<br />

4. S<strong>at</strong>an bedeutet Güte gegenüber<br />

denjenigen, die sie verdienen, anst<strong>at</strong>t<br />

Verschwendung von Liebe<br />

an Undankbare!<br />

5. S<strong>at</strong>an bedeutet Rache anst<strong>at</strong>t<br />

Hinhalten der anderen Wange!<br />

6. S<strong>at</strong>an bedeutet Verantwortung<br />

für die Verantwortungsbewussten<br />

anst<strong>at</strong>t Fürsorge für psychische<br />

Vampire!<br />

7. manchmal besser, häufig jedoch<br />

schlechter als die Vierbeiner,<br />

da er aufgrund seiner „göttlichen<br />

geistigen und intellektuellen Entwicklung“<br />

zum bösartigsten aller<br />

Tiere geworden ist.<br />

8. S<strong>at</strong>an bedeutet alle sogenannten<br />

Sünden, denn sie alle führen<br />

zu psychischer, geistiger oder emotionaler<br />

Erfüllung!<br />

9. S<strong>at</strong>an ist der beste Freund, den<br />

die Kirche jemals gehabt h<strong>at</strong>, denn<br />

er h<strong>at</strong> sie die ganzen Jahre über<br />

am Leben erhalten!


Zusammenfassend lässt sich sagen,<br />

dass im p<strong>at</strong>hologischen S<strong>at</strong>anismus die<br />

psychische Problem<strong>at</strong>ik manifest ist,<br />

wohingegen die s<strong>at</strong>anistische Betätigung<br />

sich als marginal erweist.<br />

Vom Umgang mit dem<br />

S<strong>at</strong>anismus<br />

Hier möchte ich unterscheiden zwischen<br />

dem singulären Fall und S<strong>at</strong>anismus<br />

als gesellschaftlichen Problem. Für<br />

von S<strong>at</strong>anismus Betroffene, sei es Ausstiegswillige<br />

oder auch Angehörige, gibt<br />

es ein Netz von kirchlichen, sta<strong>at</strong>lichen<br />

und auch priv<strong>at</strong>en Ber<strong>at</strong>ungsstellen, in<br />

denen ihnen geholfen wird. Bei der Ber<strong>at</strong>ung<br />

von Angehörigen ist es immer<br />

notwendig abzuklären, ob die s<strong>at</strong>anistischen<br />

Praktiken nicht andere Probleme<br />

überdecken, die gelöst gehören.<br />

Von großer Bedeutung erscheint die<br />

Auseinandersetzung, die auf gesell-<br />

schaftlicher Ebene st<strong>at</strong>tfinden muss.<br />

Auch wenn der S<strong>at</strong>anismus im Vergleich<br />

zu anderen Anbietern im „neureligiösen<br />

Supermarkt“ immer noch ein zahlenmäßig<br />

kleines Phänomen darstellt,<br />

– gesicherte Zahlen sind nicht vorhanden<br />

– erscheint eine Auseinandersetzung,<br />

die nicht in der Bekämpfung von<br />

äußeren Erscheinungsformen stehen<br />

bleibt, sondern sich dem hinter diesen<br />

Erscheinungsformen stehenden Weltund<br />

Menschenbild zuwendet, angebracht.<br />

Tenor der s<strong>at</strong>anistischen Ideologie<br />

ist das fast euphorische Lob der<br />

Herrschaft des Menschen über den<br />

Menschen. Im S<strong>at</strong>anismus wird der<br />

Egoismus, die Gewalt, die Durchsetzungskraft<br />

des Starken zur kultischen<br />

Verehrung gebracht.<br />

Hält der S<strong>at</strong>anismus mit dieser Verehrung<br />

unserer industrialisierten und<br />

leistungsorientierten Gesellschaft nur<br />

Bitte schickt mir kostenlos nähere Inform<strong>at</strong>ionen über folgende Berufe:<br />

■ Priester<br />

■ Diakon<br />

■ Ordenspriester<br />

■ Ordensbruder<br />

■ Ordensfrau<br />

■ Säkularinstitute<br />

■ Pastoralassistent(in)<br />

■ Religionslehrer(in)<br />

Absender:<br />

■ Kirchenmusiker(in)<br />

■ Mesner(in)<br />

■ Pfarrhaushälterin<br />

■ Entwicklungshelfer(in)<br />

■ Altenhelfer(in)<br />

■ Familienhelfer(in)<br />

■ Sozialarbeiter(in)<br />

■<br />

einen Spiegel der Verhältnisse vor, oder<br />

können wir als Gesellschaft dem S<strong>at</strong>anismus<br />

unsere humanistischen und<br />

christlichen Werte wie Solidarität,<br />

Nächstenliebe, Schutz des Schwächeren<br />

und die Unantastbarkeit der Würde<br />

der Person entgegenhalten?<br />

Weiterführende Liter<strong>at</strong>ur:<br />

Schmid Markus, S<strong>at</strong>anismus, Nr.77/1997 – Teil der<br />

Werkmappe „Sekten, religiöse Sondergemeinschaften,<br />

Weltanschauungen“, Wien 1997<br />

Ruppert Hans Jürgen, Girzikovsky Andreas, Jugends<strong>at</strong>anismus,<br />

Nr. 81/1999 – Teil der Werkmappe<br />

„Sekten, religiöse Sondergemeinschaften, Weltanschauungen“,<br />

Wien 1999<br />

Beide Broschüren sin im Refer<strong>at</strong> für Weltanschauungsfragen<br />

der Erzdiözese Wien, 1010 Stephanspl<strong>at</strong>z<br />

6/VI/56, Tel: 01/51552-3384 zu beziehen.<br />

Der Autor<br />

Du hast Herz und Verstand?<br />

Du willst Infos für<br />

eine Top-Ausbildung<br />

in der Kirche?<br />

Dann sende uns die Postkarte<br />

oder ruf an – 01/512 51 07.<br />

Wir informieren Dich.<br />

Stefan Lorger-Rauwolf, Theologe, ist Mitarbeiter<br />

im Refer<strong>at</strong> für Weltanschauungsfragen,<br />

Sekten und religiöse Gemeinschaften<br />

der Erzdiözese Wien und dort zuständig<br />

für den Bereich Esoterik, Okkultismus und<br />

S<strong>at</strong>anismus.<br />

CANISIUSWERK<br />

An das<br />

Canisiuswerk<br />

Zentrum für geistliche Berufe<br />

Stephanspl<strong>at</strong>z 6<br />

1010 Wien<br />

Bitte<br />

frankieren<br />

Titel


Titel<br />

Dies gilt insbesondere auch für konfessionell<br />

stark gebundene Personen, sprich:<br />

K<strong>at</strong>holiken, die regelmäßig den Gottesdienst<br />

besuchen. In den neunziger Jahren<br />

gaben regelmäßig sechs von zehn ihre Stimme<br />

der ÖVP, <strong>2002</strong> sind es 69 Prozent. Neben<br />

den Zugewinnen bei kirchenferneren<br />

K<strong>at</strong>holiken und Personen ohne religiöses<br />

Bekenntnis fällt aber auch der hohe Zuspruch<br />

auf, den die Volkspartei bei protestantischen<br />

Wählern fand: 41 Prozent oder<br />

plus 31 Prozentpunkte im Vergleich zu<br />

1999. In diesem Segment h<strong>at</strong> nicht nur die<br />

FPÖ, sondern auch die SPÖ an Zustimmung<br />

verloren. Die Hereinnahme der früheren<br />

Superintendentin Gertraud Knoll h<strong>at</strong> somit<br />

der Sozialdemokr<strong>at</strong>ie nicht nur keine<br />

politischen Stimmen von den Evangelischen<br />

gebracht, sie h<strong>at</strong> sogar eher zu einem<br />

Symp<strong>at</strong>hieverlust geführt. Vielleicht lässt<br />

sich daraus eine Lehre ziehen – und zwar<br />

für alle Beteiligten: soziales und politisches<br />

Engagement aus christlicher Überzeugung<br />

heraus ist ein wichtiger Faktor für unser öffentliches<br />

Leben, aber ein Wechsel von einem<br />

hohen Amt in der Kirche in ein hohes<br />

politisches Amt wird nicht sonderlich<br />

geschätzt. Bescheidenheit gilt nicht umsonst<br />

als christliche Tugend.<br />

20<br />

Peter A. Ulram<br />

Religionsbekenntnis und Wahlverhalten<br />

Bei den N<strong>at</strong>ionalr<strong>at</strong>swahlen vom 24. November<br />

<strong>2002</strong> h<strong>at</strong> die ÖVP nicht nur Wählerschichten<br />

erschlossen, die ihr lange Zeit<br />

weitgehend verschlossen waren, sondern<br />

auch zusätzliche Wähler(innen) in jenen<br />

Gruppen von sich überzeugt, die traditionell<br />

zum Kern der ÖVP-Wählerschaft zählen.<br />

Der Autor<br />

Peter A. Ulram ist Bereichsleiter Politikforschung<br />

im Fessel-GfK-Institut und Univ. Doz.<br />

für Politikwissenschaften.<br />

Wahlverhalten nach Konfessionen<br />

in % SPÖ ÖVP FPÖ GRÜN andere<br />

99 02 99 02 99 02 99 02 99 02<br />

K<strong>at</strong>holischer Kern 20 22 59 69 13 3 1 3 2 1<br />

K<strong>at</strong>holischer Rand 34 38 22 39 30 12 3 9 4 2<br />

Protestantisch 40 34 10 41 32 8 5 14 8 1<br />

ohne Bekenntnis 42 46 6 18 32 15 7 16 9 3<br />

Quelle: FESSEL-GfK, Exit-Polls zu den NRW 1999 und <strong>2002</strong>, jeweils ca.2.200 Befragte.<br />

Zit<strong>at</strong>e:<br />

“<br />

Eine Erhebung bei zweitausend Personen des Klerus der Church of<br />

England im heurigen Jahr brachte für nicht eingeweihte erstaunliche Ergebnisse:<br />

Nur drei von zehn weiblichen Priesterinnen und immerhin<br />

sechs von zehn männlichen Priestern glauben an die jungfräuliche Geburt<br />

Jesu; nur 50 Prozent der weiblichen und siebzig Prozent der männlichen<br />

Priester glauben noch an die Auferstehung. T<strong>at</strong>sächlich kommt<br />

der Bericht zu dem Schluss, dass die Angehörigen des Klerus „rund 75<br />

Prozent von dem was sie jeden Sonntag predigen“ nicht glauben.<br />

Kein Wunder, dass die Bischofskonferenz konkrete Pläne ausarbei-<br />

„<br />

ten lässt, Abweichungen in „Lehre, Ritus und Zeremonielles“ durch spezielle<br />

Kirchengerichte zu ahnden. Was für die einen Vorboten einer kirchlichen<br />

„Hexenjagd“ sind, stellt für andere schlicht das letzte Mittel dar,<br />

einen gemeinsamen Nenner in zentralen Glaubensfragen zu finden. Sollte<br />

es aufgrund dieser Initi<strong>at</strong>iven zu einem Verfahren kommen, dann wäre<br />

dies immerhin das erste Häresieverfahren in der Geschichte der<br />

Kirche seit 1847!<br />

Quelle: The Times, 1. August <strong>2002</strong><br />

„ “<br />

Industrie und Kirchen. So direkt h<strong>at</strong> es noch kein Repräsentant der<br />

deutschen Industrie ausgedrückt wie der Ex-Präsident des Bundesverbandes<br />

der Deutschen Industrie (BDI), Hans-Olaf Henkel. Er erklärte: Die<br />

Kirchen spielten in der deutschen Gesellschaft keine Rolle mehr. Darin<br />

sehe er nichts Schlimmes. Denn der Bedeutungsverlust der Kirchen habe<br />

die westlichen Gesellschaften freier, offener und toleranter gemacht.<br />

Quelle: Kirche In, Nr. 11, November <strong>2002</strong>


Andreas Kresbach, Cl<br />

Hauptmissionsgebiet Europa<br />

Das Projekt „Stadtmission 2003“ in<br />

Wien nimmt die Herausforderung<br />

der Evangelisierung des Missionsgebietes<br />

Europa an. Geistliche Qualität<br />

soll dabei vor zahlenmäßiger Quantität<br />

gehen und die Kirche zu einem<br />

überzeugenden Gesprächspartner<br />

in den aktuellen Lebensfragen der<br />

Menschheit machen.<br />

Die jüngsten D<strong>at</strong>en bestätigen es: nur<br />

mehr 49 Prozent der Wiener bekennen<br />

sich zur k<strong>at</strong>holischen Kirche. Der nicht<br />

nur anhand solcher Zahlen schon seit<br />

längerer Zeit spürbare Rückgang an K<strong>at</strong>holiken<br />

in der Bundeshauptstadt h<strong>at</strong> in<br />

der Erzdiözese Wien unterdessen zur<br />

Konzentr<strong>at</strong>ion auf den Schwerpunkt<br />

„Stadtmission 2003“ geführt. Dabei sollen<br />

die Ausgangslage, die Aufgaben und<br />

die Chancen der Kirche in der Großstadt<br />

neu definiert werden. Dem „Großstadtsymposion<br />

2001“ folgte kürzlich ein Studientag<br />

unter dem Motto „Mission in<br />

Wien?!“, um neue Zugänge zum vielfach<br />

belasteten Begriff „Mission“ zu finden.<br />

Schließlich werden die dunklen Kapitel<br />

der Kirchengeschichte, für die der<br />

Papst im Namen der gesamten Kirche<br />

um Vergebung gebeten h<strong>at</strong>, der Kirche<br />

von breiten Kreisen immer noch vorgehalten.<br />

Wohl deshalb wird seit geraumer<br />

Zeit anst<strong>at</strong>t von „Mission“ lieber von<br />

„Evangelisierung“ gesprochen.<br />

Dabei sei, wie der in Innsbruck lehrende<br />

Pastoraltheologe Franz Weber am<br />

Studientag betonte, das „Dass“ der Mission<br />

seit urchristlichen Zeiten nie<br />

grundsätzlich in Frage gestanden, doch<br />

gab es um das „Wie“ der kirchlichen<br />

Missionstätigkeit immer wieder inten-<br />

sive Auseinandersetzungen. Zur Inkultur<strong>at</strong>ion<br />

des Evangeliums gebe es jedenfalls<br />

keine Altern<strong>at</strong>ive, weil sich die<br />

Verkündigung der christlichen Botschaft<br />

ja nicht im luftleeren Raum vollziehe,<br />

sondern sich immer an konkrete<br />

Menschen in einer bestimmten<br />

geschichtlich-kulturellen Situ<strong>at</strong>ion wende.<br />

Zum Selbstverständnis der Kirche<br />

gehöre es vielmehr, nicht nur mit einem<br />

oberflächlichen Anstrich, sondern<br />

bis an die Wurzeln einer Kultur zu evangelisieren.<br />

Dies sieht man aber nicht<br />

nur im V<strong>at</strong>ikan so, wie es etwa die l<strong>at</strong>einamerikanischeBischofsversammlung<br />

von Santo Domingo 1992 nachhaltig<br />

in Erinnerung gerufen h<strong>at</strong>.<br />

Missionsgebiet Europa<br />

Die Notwendigkeit der Inkultur<strong>at</strong>ion<br />

des Evangeliums besteht als Aufgabe<br />

freilich schon längst nicht mehr allein<br />

in der Dritten Welt. Nicht nur dem<br />

Papst ist seit geraumer Zeit klar, dass das<br />

Hauptmissionsgebiet für die k<strong>at</strong>holische<br />

Kirche Europa ist. Dies gilt für die<br />

westlichen Konsumgesellschaften im<br />

wohlhabenden Teil Europas genauso<br />

wie für die vom sta<strong>at</strong>lich verordneten<br />

Atheismus kulturell geprägten Gesellschaften<br />

in den Ländern Mittel- und<br />

Osteuropas. So meinte denn auch Johannes<br />

Paul II. zum Übergang ins neue<br />

Jahrtausend in seinem Apostolischen<br />

Schreiben “Tertio Millennio Adveniente”<br />

im Vergleich der heutigen Situ<strong>at</strong>ion<br />

in Europa mit jener am Areopag in<br />

Athen, wo der Apostel Paulus gesprochen<br />

h<strong>at</strong>, dass es in der modernen Kultur<br />

viele und sehr verschiedene Areopage<br />

im Missionsgebiet Europa gibt.<br />

Gleichzeitig ist dies ein Befund, der<br />

dem Kirchenvolk entweder nicht in dieser<br />

Dram<strong>at</strong>ik bewusst ist oder der Europas<br />

K<strong>at</strong>holiken offenbar nur wenig<br />

berührt. Genau dies benennt etwa der<br />

Erfurter Bischof Joachim Wanke als eine<br />

wesentliche Voraussetzung für die Mission:<br />

„Unserer k<strong>at</strong>holischen Kirche fehlt<br />

die Überzeugung, neue Christen gewinnen<br />

zu können“. Dies führe, so der<br />

zur Kongreg<strong>at</strong>ion der Comboni Missionaren<br />

gehörige Franz Weber, zur Frage,<br />

warum uns als Kirche der Glaube<br />

fehle, dass unser Lebenszeugnis so „ansprechend“<br />

sein könne, dass Menschen<br />

auf uns aufmerksam werden und überlegen,<br />

sich der Kirche anzuschließen.<br />

Keine Rückeroberung<br />

So stellte der Missionstheologe auch<br />

klar, dass in unserer Zeit nicht neue Missionsstr<strong>at</strong>egien<br />

für eine „Rückeroberung<br />

des Abendlandes“ gefragt seien, sondern<br />

die Weitergabe des christlichen Glaubens<br />

durch überzeugte Christen, die ihren<br />

Mitmenschen den Weg zu einer persönlichen<br />

Gottesbegegnung zeigen. Da<br />

in der modernen Mission Qualität vor<br />

Quantität gehe, sei das Ziel der Evangelisierung<br />

die „innere Umwandlung des<br />

persönlichen und kollektiven Bewusstseins<br />

der Menschen, ihres konkreten Lebens<br />

und jeweiligen Milieus“ durch jene<br />

im biblischen Sinn „neuen Menschen“,<br />

die selbst die Frohbotschaft als ihr Leben<br />

von Grund auf verändernd erfahren haben.<br />

So geht es bei der Mission heute um<br />

nichts Geringeres als die geistig-geistliche<br />

Erneuerung der Menschheit.<br />

Der christliche Glaube dürfe allerdings<br />

nicht als exotischer, aber gesellschaftlich<br />

unmaßgeblicher Fremdkörper<br />

am pluralistischen Markt der<br />

(pseudo)religiösen Heilsangebote wahrgenommen<br />

werden. Vielmehr müssten<br />

die Kirchen in den brennenden Lebensund<br />

Überlebensfragen der Menschen<br />

als kompetenter Gesprächspartner ernst<br />

genommen werden.<br />

21<br />

Titel<br />

Dezember <strong>2002</strong>


Europa<br />

Bis Ende des Jahres <strong>2002</strong> sollen die<br />

EU-Beitrittsverhandlungen der zehn<br />

Kandid<strong>at</strong>enländer abgeschlossen sein.<br />

Heikle Themen gibt es noch in fast allen<br />

Ländern, für Tschechien und die<br />

Slowakei wird die Frage des Umgangs<br />

mit den Dekreten immer schwieriger.<br />

Für einen „heißen Winter“ ist also gesorgt.<br />

Uneinige Weisen<br />

Das EU-Parlament gab den Rechtsgelehrten<br />

Jochen Frowein (BRD), Ulf<br />

Bernitz (Schweden) und Christopher<br />

Prout (England) den Auftrag, eine unabhängige<br />

Meinung zu äußern, ob die<br />

Benesch-Dekrete auch heute noch diskriminierende<br />

Rechtswirkungen hätten?<br />

Zunächst veröffentlichte Frowein<br />

eine Rohentwurf und sah kein formales<br />

Hindernis. Nur „moralische Bedenken“<br />

konnte er dem Amnestiegesetz<br />

von 1946 abgewinnen, das jene Personen<br />

von Strafe freistellt, die sich das Eigentum<br />

vertriebener Deutscher und<br />

Ungarn angeeignet haben. Während<br />

Prout diese Amnestiegesetze als „unglücklich“<br />

bezeichnete, wird Bernitz<br />

wesentlich kritischer: Er verweist auf<br />

die UN-Charta für Menschenrechte von<br />

22<br />

Johannes Michael Schnarrer<br />

Das ungelöste Problem<br />

Nun liegt er also vor, der Bericht der drei<br />

„Benesch-Weisen“. Die EU h<strong>at</strong> um ein<br />

Gutachten gebeten, ob die Dekrete aus<br />

1945/46 mit dem Recht der Union vereinbar<br />

wären. Die Dekrete seien zwar<br />

kein absolutes Beitrittshindernis zur EU<br />

für Tschechien und die Slowakei, aber<br />

moralische Gesten des Schuldeingeständnisses<br />

erwarte man sich schon.<br />

I. Die Benesch-Dekrete – eine Auswahl<br />

Dekret Nr. 5 vom 19. Mai 1945 § 2 (1) Das im Gebiet der Tschechoslowakischen<br />

Republik befindliche Vermögen der sta<strong>at</strong>lich unzuverlässigen Personen<br />

wird gemäß den weiteren Bestimmungen dieses Dekretes unter n<strong>at</strong>ionale Verwaltung<br />

gestellt. (...) § 4 Als sta<strong>at</strong>lich unzuverlässige Personen sind anzusehen:<br />

a) Personen deutscher oder magyarischer N<strong>at</strong>ionalität.<br />

Dekret Nr. 12 vom 21. Juni 1945 § 1 (1) Mit augenblicklicher Wirksamkeit und<br />

entschädigungslos wird für die Zwecke der Bodenreform das landwirtschaftliche<br />

Vermögen enteignet, das im Eigentum steht: a) aller Personen deutscher<br />

und magyarischer N<strong>at</strong>ionalität, ohne Rücksicht auf die Sta<strong>at</strong>sangehörigkeit. (...)<br />

Dekret Nr. 33 vom 2. August 1945 § 1 (1) Die tschechoslowakischen Sta<strong>at</strong>sbürger<br />

deutscher oder magyarischer N<strong>at</strong>ionalität, die nach den Vorschriften<br />

einer fremden Bes<strong>at</strong>zungsmacht die deutsche oder magyarische Sta<strong>at</strong>sangehörigkeit<br />

erworben haben, haben mit dem Tage des Erwerbs dieser Sta<strong>at</strong>sangehörigkeit<br />

die tschechoslowakische Sta<strong>at</strong>sbürgerschaft verloren. (2) Die<br />

übrigen tschechoslowakischen Sta<strong>at</strong>sbürger deutscher und magyarischer<br />

N<strong>at</strong>ionalität verlieren die tschechoslowakische Sta<strong>at</strong>sbürgerschaft mit dem<br />

Tage, an dem dieses Dekret in Kraft tritt. (...)<br />

Dekret Nr. 108 vom 25. Oktober 1945 § 1 (1) Konfisziert wird ohne Entschädigung<br />

– soweit dies noch nicht geschehen ist – für die Tschechoslowakische<br />

Republik das unbewegliche und bewegliche Vermögen, namentlich auch Vermögensrechte<br />

(wie Forderungen, Wertpapiere, Einlagen, imm<strong>at</strong>erielle Rechte),<br />

das bis zum Tage der t<strong>at</strong>sächlichen Beendigung der deutschen und magyarischen<br />

Okkup<strong>at</strong>ion in Eigentum stand oder noch steht. (...)<br />

Dekret Nr. 137 vom 27. Oktober 1945 § 1 Die Sicherstellung von Personen,<br />

die als sta<strong>at</strong>lich unzuverlässig angesehen wurden, durch Behörden oder Organe<br />

der Republik, auch außerhalb der gesetzlich st<strong>at</strong>thaften Fälle, oder eine<br />

Verlängerung ihrer vorläufigen Sicherstellung (Haft) über den gesetzlich zulässigen<br />

Zeitraum hinaus wird für gesetzmäßig erklärt. Solche Personen haben<br />

(...) keinen Anspruch auf Schadeners<strong>at</strong>z. § 2 Unter Sicherstellung (...) ist nicht<br />

die Zusammenziehung ausländischer Sta<strong>at</strong>sangehöriger zu verstehen, die von<br />

der zuständigen Behörde an bestimmten Orten zum Zwecke ihrer späteren<br />

Abschiebung durchgeführt wurde. Eine solche Zusammenziehung darf ohne<br />

jegliche Beschränkung durchgeführt werden.<br />

STRAFFREISTELLUNGSGESETZ vom 8. Mai 1946 § 1 Eine Handlung, die in<br />

der Zeit vom 30. September 1938 bis zum 28. Oktober 1945 vorgenommen<br />

wurde und deren Zweck es war, einen Beitrag zum Kampf um die Wiedergewinnung<br />

der Freiheit der Tschechen und Slowaken zu leisten, oder eine gerechte<br />

Vergeltung der T<strong>at</strong>en der Okkupanten oder ihrer Helfershelfer zum Ziele<br />

h<strong>at</strong>te, ist auch dann nicht widerrechtlich, wenn sie sonst nach den geltenden<br />

Vorschriften strafbar gewesen wäre.


II. Aussagen zur Lösung<br />

der<br />

„Sudetendeutschen Frage“<br />

„Aber es ist möglich oder nötig, mit dem Weggang oder der Ausweisung<br />

ganzer Hunderttausender kompromittierter nazistischer Deutscher und der<br />

Zwangsaussiedlung weiterer Hunderttausender Deutscher (...) zu rechnen.“<br />

(Benesch in einer Depesche an den Zentralausschuss des Heim<strong>at</strong>widerstandes<br />

vom 26/27. November1940)<br />

„In unserem Land wird das Ende des Krieges mit Blut geschrieben werden.<br />

Den Deutschen wird mitleidlos und vervielfacht all das heimgezahlt werden,<br />

was sie in unseren Ländern seit 1938 begangen haben.“ (Benesch, Rundfunkrede<br />

am 27. Oktober 1943)<br />

„Wenn unser Tag kommt, wird das ganze Volk wieder den alten Hussitenruf<br />

anstimmen: Schlagt sie, tötet sie, lasst niemanden am Leben! Jedermann<br />

sollte sich bereits jetzt nach der bestmöglichen Waffe umsehen, die die Deutschen<br />

am stärksten trifft: Wenn keine Feuerwaffe zur Hand ist, sollte man irgendeine<br />

sonstige Waffe vorbereiten und verstecken – eine Waffe, die schneidet<br />

oder sticht oder trifft.“ (Sergej Ingr, Verteidigungsminister der Exilregierung,<br />

Rundfunkansprache vom 3. November 1944)<br />

„Die tschechische und slowakische N<strong>at</strong>ion betrachten (...) die Überführung<br />

der Deutschen und Ungarn einmütig als unerläßliche Voraussetzung der Zukunft<br />

des tschechoslowakischen Sta<strong>at</strong>es und der Bewahrung des Friedens in<br />

Mitteleuropa.“ (Note der tschechoslowakischen Regierung an die amerikanische<br />

Regierung vom 3. Juli 1945)<br />

„Unsere Deutschen widmeten sich zu 80 und 90 Prozent dem Dienst des<br />

barbarischen Nazismus zur Vernichtung unseres Sta<strong>at</strong>es und der Brechung des<br />

moralischen und kulturellen Kräfte und Werte unseres Volkes.“ (Benesch, Rede<br />

vor dem tschechoslowakischen Parlament, 28. Oktober 1945)<br />

„Mir war gleich nach München klar, dass bei der Beseitigung des Münchner<br />

Abkommens und seiner Folgen auch die Minderheitenfrage und besonders<br />

die Frage unserer Deutschen in und für unseren Sta<strong>at</strong> grundsätzlich und<br />

definitiv gelöst werden müsse. (...) Dieses politische Ziel, das ich während<br />

des ganzen Krieges im Auge hielt, musste dem Kriegsverlauf angepasst werden:<br />

vorsichtig und zurückhaltend vor und zu Beginn des Krieges, mit der Entwicklung<br />

des Krieges dann entschlossener und grundsätzlicher.“ (Benesch,<br />

Von München zum Krieg und zum neuen Sieg, Prag 1947, 312ff.)<br />

Gegenstimme dazu: „Der Vertreibungsplan steht im krassen Widerspruch<br />

sowohl zum intern<strong>at</strong>ionalen als auch zum tschechoslowakischen Recht. Die<br />

darin beantragten Maßnahmen werden vor der freien Welt weder vom Standpunkt<br />

einer politischen Vergeltung aus noch unter irgendwelchen Rechtsvorwänden<br />

zu verteidigen sein. Früher oder später wird zugegeben werden<br />

müssen, dass der Aussiedlungsplan auf nackter Willkür, Vermögensraub und<br />

n<strong>at</strong>ionaler Rachelust beruht. Wer immer daran beteiligt war, wird sich nie mehr<br />

als zivilisierter Europäer ausgeben können.“ (Wenzel Jacksch, Rundschreiben<br />

an die sudetendeutschen Sozialdemokr<strong>at</strong>en vom 20. Februar 1945)<br />

1945. Es sei zweifelhaft, ob die Dekrete<br />

selbst mit damals geltendem Völkerrecht<br />

vereinbar gewesen seien. Bernitz<br />

bezeichnet die Amnestiegesetze<br />

aus 1946 als „abstoßend“.<br />

Blick zurück<br />

Sie sind in aller Munde, aber wenn<br />

man fragt, was sind eigentlich die Benesch-Dekrete,<br />

dann wissen das nur die<br />

Wenigsten genau.<br />

Sie sind die sogenannte „Rechtsgrundlage“<br />

für die Enteignung und<br />

Vertreibung von dreieinhalb Millionen<br />

Deutschen und Ungarn. Schon im<br />

„Kaschauer St<strong>at</strong>ut“, dem ersten Programm<br />

der tschechoslowakischen Regierung<br />

der N<strong>at</strong>ionalen Front vom<br />

April 1945, wurde in Artikel VII vorgesehen,<br />

allen Sudetendeutschen die<br />

„tschechoslowakische Sta<strong>at</strong>sbürgerschaft“<br />

abzuerkennen, nachdem man<br />

sie völkerrechts- und menschenrechtswidrig<br />

wieder als „tschechoslowakische<br />

Sta<strong>at</strong>sbürger“ bezeichnete.<br />

Ausgenommen wurden nur jene, die<br />

sich „vor und nach München 1938“,<br />

loyal und treu zur Tschechoslowakei<br />

bekannten, die als „Antinazisten und<br />

Antifaschisten“ angesehen wurden.<br />

Zunächst waren also nur jene Sudetendeutschen<br />

zur Vertreibung „vorgesehen“,<br />

die nach tschechoslowakischer<br />

Auffassung „wegen Verbrechen gegen<br />

die Republik“ zu verurteilen waren.<br />

Aber nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges<br />

wurden alle stigm<strong>at</strong>isiert,<br />

indem sie weiße Armbinden mit dem<br />

schwarzen Aufdruck „N“ (Nemec=<br />

Deutscher) tragen mussten. Auch Lebensmittelkarten<br />

wurden damit versehen<br />

und der größte Teil wurde aus<br />

ihren Wohnungen in Lager getrieben.<br />

Somit erhielt der Hass gegen die Sudetendeutschen<br />

eine Eigendyanmik:<br />

Anfangs wollte man nur die Systemgegner<br />

„eliminieren“, aber das<br />

Kaschauer Programm änderte sich innerhalb<br />

weniger Wochen.<br />

Die Massenaustreibung vollzog sich<br />

in zwei Phasen, der „wilden“ Vertrei-<br />

23<br />

Europa<br />

Dezember <strong>2002</strong>


Europa<br />

bung in den Mon<strong>at</strong>en Mai bis Juni<br />

1945 und der von den tschechoslowakischen<br />

Behörden und „N<strong>at</strong>ionalausschüssen“<br />

organisierten Massenaustreibungen<br />

von Juli bis Oktober<br />

1946. 240.000 starben dabei, darunter<br />

unzählige Pogrom-Tote. Die totale Enteignung,<br />

Rechtlosmachung und<br />

Zwangsarbeit wurden durch die „Dekrete<br />

des Präsidenten der Republik“<br />

von Sta<strong>at</strong>spräsident Edvard Benesch<br />

ausgelöst. Zu diesen gesetzgeberischen<br />

Akten wurde er durch das Kaschauer<br />

Programm ermächtigt. Die menschenverachtenden<br />

Dekrete wurden<br />

im nachhinein von der N<strong>at</strong>ionalversammlung<br />

bestätigt und besitzen auch<br />

heute noch Gesetzeskraft.<br />

Besonders brisant ist das Gesetz<br />

„über die Rechtmäßigkeit von Handlungen,<br />

die mit dem Kampf um die<br />

Wiedergewinnung der Freiheit der<br />

Anhaltende hervorragende Performance<br />

bescheinigt die R<strong>at</strong>ing<br />

Agentur Moody's Financial Institute<br />

Group der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich<br />

und bestätigt das A1-R<strong>at</strong>ing<br />

für die stärkste Regionalbank Österreichs.<br />

Moody's verweist in seiner Begründung<br />

insbesondere auf die Kosteneffizienz<br />

und das innov<strong>at</strong>ive<br />

Dienstleistungsangebot: „Eine Bestätigung<br />

für die erfolgreiche Geschäftspolitik<br />

der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich<br />

und damit der gesamten Raiffeisenbankengruppe<br />

Oberösterreich“, so Raiffeisenlandesbank-Generaldirektor<br />

Dr. Ludwig<br />

Scharinger.<br />

24<br />

Tschechen und Slowaken zusammenhängen“,<br />

das sogenannte Amnestiegesetz.<br />

Es besagt, dass eine Handlung,<br />

die in der Zeit vom 30.9. 1938 bis zum<br />

28.10. 1945 vorgenommen wurde und<br />

deren Zweck es war, einen Beitrag zum<br />

Kampf um die Wiedergewinnung der<br />

Freiheit der Tschechen und Slowaken<br />

zu leisten, oder die eine gerechte Vergeltung<br />

für T<strong>at</strong>en der Okkupanten oder<br />

ihrer Helfershelfer zum Ziel h<strong>at</strong>te, auch<br />

dann nicht widerrechtlich ist, wenn<br />

sie sonst nach den geltenden Vorschriften<br />

strafbar gewesen wäre. Damit<br />

wurden praktisch alle an Deutschen<br />

und Ungarn im Zuge der<br />

Vertreibung begangenen Verbrechen<br />

legalisiert.<br />

Von Prag wird eine moralische Geste<br />

erwartet, die eigene Schuld eingesteht,<br />

wobei die „Erwartungen“ unterschiedlich<br />

sind. Sowohl die neue Prager Re-<br />

R<strong>at</strong>ing zeigt ausgezeichnete<br />

Grundlagen<br />

„Das A1/P-1/B-R<strong>at</strong>ing für die Raiffeisenlandesbank<br />

Oberösterreich spiegelt die<br />

ausgezeichneten finanziellen Grundlagen<br />

und die effiziente Zusammenarbeit innerhalb<br />

dieses Bankensektors in Oberösterreich<br />

wider“, so die Begründung Moody's.<br />

Die R<strong>at</strong>ingagentur verweist<br />

insbesondere auf das effiziente Kostenmanagement<br />

– die Raiffeisenlandesbank<br />

OÖ kann auf eine Cost-Income<br />

R<strong>at</strong>io (das Verhältnis von<br />

Aufwendungen zu Erträgen) von 55,2<br />

Prozent verweisen – und die gute Eigenkapitalausst<strong>at</strong>tung.<br />

gierung wie das Kabinett des Christdemokr<strong>at</strong>en<br />

Dzurinda in Pressburg wiegen<br />

sich in Selbstgenügsamkeit. Auch<br />

Erweiterungskommissar Gunther Verheugen<br />

sieht seine Mission erfüllt. Die<br />

Kritiker werden aber wohl erst dann verstummen,<br />

wenn die Dekrete nicht nur<br />

zu totem Recht erklärt, sondern ganz<br />

aufgehoben werden. So betonte Otto<br />

von Habsburg kürzlich in Wien: „Die<br />

Benesch-Dekrete sind weiterhin ein<br />

großes Unheil.“ Auch nach dem Beitritt<br />

werde diese ungelöste Frage Tschechen<br />

und Slowaken schaden, gäbe es doch<br />

in der Geschichte keine Rechnungen,<br />

die nicht über kurz oder lang beglichen<br />

würden.<br />

Erfolgreiche Geschäftspolitik der Raiffeisenbankengruppe Oberösterreich:<br />

Moody's bestätigt A1-R<strong>at</strong>ing für<br />

die Raiffeisenlandesbank OÖ<br />

Der Autor<br />

Prof. DDr. Johannes Michael Schnarrer ist<br />

Professor für Ethik und Sozialwissenschaften.<br />

A1-R<strong>at</strong>ing für die Raiffeisenlandesbank<br />

OÖ: „Eine Bestätigung für die erfolgreiche<br />

Geschäftspolitik „, so Dr. Ludwig<br />

Scharinger, Generaldirektor der<br />

Raiffeisenlandesbank OÖ.


Hans-Peter Bischof, R-B<br />

Modellprojekt Gesundheitsfonds<br />

Intensive Vernetzung, Kooper<strong>at</strong>ion und Koordin<strong>at</strong>ion<br />

Der Wahlkampf ist zu Ende, die<br />

Rückkehr zur Liste der drängenden<br />

Probleme ist angesagt; und da<br />

steht ein Thema ganz oben: Österreichs<br />

zunehmend unfinanzierbar<br />

werdendes Gesundheitswesen, wo<br />

„systembedingte Geldvernichtung“<br />

(SN) beziehungsweise „Geldverbrennung<br />

im Spital“ (Die Presse)<br />

an der Tagesordnung sind.<br />

„Zwei rührige Landesräte, Maria Haidinger<br />

in Salzburg und Hans-Peter Bischof<br />

in Vorarlberg, bemühen sich, das seit Jahrzehnten<br />

erstarrte österreichische Gesundheitswesen<br />

zu erneuern. Sie müssten überall<br />

Applaus und Unterstützung ernten. Die<br />

Realität sieht leider anders aus“ schrieb Ronald<br />

Barazon noch im April und beklagte<br />

die Vielfalt der Mächtigen im Gesundheitswesen,<br />

die es bislang immer verstanden<br />

h<strong>at</strong>ten, intelligente und zielführende<br />

Reformen zu verhindern. Wenn ein unabhängiger<br />

Journalist und exzellenter Wirtschaftsfachmann,<br />

wie der Chefredakteur<br />

der Salzburger Nachrichten einen Politiker<br />

explizit lobt, dann muss schon mehr dahinter<br />

stecken, als ein innenpolitisches<br />

Strohfeuer.<br />

Vorarlberg wird ab 2003 das Pionier-<br />

Modell eines Landesgesundheitsfonds realisieren.<br />

Ein notwendiges und interessantes<br />

Experiment, von dem das österreichische<br />

Gesundheitswesen insgesamt nur profitieren<br />

kann. Deshalb haben wir den Vorarlberger<br />

Landesr<strong>at</strong> um einen Beitrag zu diesem<br />

Thema gebeten.<br />

Das Thema Gesundheit wird in den<br />

nächsten Jahren eine noch herausragendere<br />

gesellschaftliche Rolle spielen<br />

als bisher und zum Meg<strong>at</strong>rend werden.<br />

Die Verantwortlichen für die Planung<br />

und Weiterentwicklung des Gesundheitssystems<br />

müssen die Herausforderungen<br />

annehmen und aktiv an der Gestaltung<br />

einer qualit<strong>at</strong>iv hochwertigen,<br />

aber vor allem auch finanzierbaren Gesundheitsversorgung<br />

für alle Menschen<br />

mitwirken. Im Mittelpunkt aller Überlegungen<br />

muss aber der P<strong>at</strong>ient stehen,<br />

der sich darauf verlassen können soll,<br />

dass ihm im Bedarfsfall die bestmögliche<br />

medizinische Behandlung und Betreuung<br />

zur Verfügung steht. Denn wer<br />

krank ist, muss sich auf den sicheren<br />

Schutz der Solidargemeinschaft in Form<br />

eines hochwertigen und effizienten Gesundheitssystems<br />

verlassen können.<br />

Unnötiger medizinischer Aufwand und<br />

nicht verzahnte Behandlungspfade sind<br />

aber sicher nicht im Sinne des betroffenen<br />

P<strong>at</strong>ienten. Wenn wir den hohen<br />

Standard unseres Gesundheitswesens<br />

in Qualität und Quantität optimieren<br />

und bedarfsgerecht ausbauen wollen,<br />

haben wir große Aufgaben vor uns. Zur<br />

Optimierung der P<strong>at</strong>ientenbehandlung,<br />

aber auch wegen der Kostenentwicklung<br />

der letzten Jahre, ist es notwendig,<br />

das gesamte System zu überdenken, es<br />

intensiv zu vernetzen und neue Wege<br />

der Kooper<strong>at</strong>ion und Koordin<strong>at</strong>ion zu<br />

gehen.<br />

Das entscheidende Handicap im derzeitigen<br />

System stellt das Problem dar,<br />

dass in den Bereichen Krankenhäuser<br />

und niedergelassene Versorgung völlig<br />

getrennte Verantwortlichkeiten bestehen.<br />

Dadurch wird in vielen Fällen die<br />

durchgängige P<strong>at</strong>ientenbetreuung be-<br />

hindert und ein guter Nährboden für<br />

kostentreibende Doppelgleisigkeiten<br />

gefördert. Das duale Finanzierungssystem<br />

verursacht eine ausgeprägte<br />

Schnittstellenproblem<strong>at</strong>ik mit einem<br />

Verlust an Effizienzpotenzial von bis zu<br />

20 Prozent. Die Weiterentwicklung des<br />

Angebotes im Gesundheitswesen wird<br />

– basierend auf dieser Situ<strong>at</strong>ion – durch<br />

massive Struktur- und Interessenskonflikte<br />

gestört.<br />

Um Qualität, Quantität und Finanzierbarkeit<br />

unseres Gesundheitssystems<br />

erhalten zu können, ist eine Strukturreform<br />

unerlässlich. Wir haben dazu in<br />

Vorarlberg als einen Lösungsans<strong>at</strong>z das<br />

Modellprojekt des „Vorarlberger<br />

Gesundheitsfonds“ entwickelt. Wir<br />

rechnen mit einer deutlichen Effizienzsteigerung<br />

an der kosten- und konfliktträchtigen<br />

Schnittstelle extramural/hospitär.<br />

Das grundsätzliche Motto<br />

lautet: „Ganzheitlich planen – aus einem<br />

Guss finanzieren.“<br />

Geld besser einsetzen<br />

Grundsätzlich ist Wert auf die T<strong>at</strong>sache<br />

zu legen, dass es beim Vorarlberger<br />

Pilotprojekt nicht primär darum<br />

geht, für das Gesundheitswesen weniger<br />

Geld auszugeben, sondern das vorhandene<br />

Geld noch besser einzusetzen.<br />

Nur dann wird es gelingen, die drohende<br />

Kostenspirale durch die Ausnutzung<br />

von vorhandenen Effizienzpotenzialen<br />

nicht durchdrehen zu<br />

lassen.<br />

Nach langen Verhandlungen ist es<br />

schließlich gelungen, das Einverständnis<br />

des Bundesministeriums und des<br />

Hauptverbandes der österreichischen<br />

Sozialversicherungsträger zur Imple-<br />

25<br />

Politik<br />

Dezember <strong>2002</strong>


Politik<br />

mentierung dieses innov<strong>at</strong>iven Modellprojektes<br />

zu erhalten. Der Gesundheitsfonds<br />

soll Anfang kommenden Jahres<br />

starten und vorerst auf einer<br />

freiwilligen Vereinbarung zwischen allen<br />

wesentlichen Partnern – Land, Gemeinden,<br />

Bund, Hauptverband, Träger<br />

der sozialen Krankenversicherung (Gebietskrankenkasse<br />

und sogenannte<br />

„kleine Kassen“ wie die Versicherungsanstalten<br />

der Bauern, der gewerblichen<br />

Wirtschaft etc.) und Ärztekammer – basieren.<br />

Damit h<strong>at</strong> sich das Projekt als<br />

richtiger Wegweiser zur Reform des Ge-<br />

sundheitswesens nach intensiver Überzeugungsarbeit<br />

durchgesetzt. Mit dem<br />

Bund wurde eine zweijährige Umsetzungsphase<br />

akkordiert, so lange nämlich,<br />

wie die bestehende Artikel 15a-Vereinbarung<br />

noch Gültigkeit h<strong>at</strong>.<br />

Die Planung des Gesundheitswesens<br />

muss in Zukunft über zwischen den Verantwortungspartnern<br />

abgestimmte Zielsetzungen<br />

sektorenübergreifend gestaltet<br />

werden. Diese Planung soll über<br />

ein gemeinsames Gremium, nämlich<br />

das „Kur<strong>at</strong>orium des Fonds“, gesteuert<br />

werden. Das ist das Kernstück des Modellprojektes.<br />

Dieses Kur<strong>at</strong>orium kann<br />

nur auf freiwilliger Basis implementiert<br />

werden, weil ihm bei bestehender Gesetzeslage<br />

keine Durchgriffskompetenz<br />

zukommt. Bestehende Strukturen sol-<br />

26<br />

len aber durch diese Verantwortungsbrücke<br />

verzahnt werden.<br />

Zielsetzungen<br />

Der Gesundheitsfonds soll<br />

– eine landesbezogene ganzheitliche<br />

Zielsetzung und Planung des Gesundheitswesen<br />

mit sektorenübergreifender<br />

Abstimmung und Vernetzung des Leistungsangebotes<br />

ermöglichen,<br />

– durch eine Vereinheitlichung in der<br />

Dokument<strong>at</strong>ion zu einer harmonisierten<br />

Diagnosen- und Leistungserfassung<br />

bei den niedergelassenen Leistungserbringern<br />

und im Spitalsbereich führen<br />

(Leistungsvergleich, Qualitätssicherung,<br />

Evalu<strong>at</strong>ion),<br />

– durch übergreifende Schnittstellenprojekte<br />

und deren „Finanzierung aus<br />

einem Guss“ zur durchgängigen P<strong>at</strong>ientenbetreuung<br />

und Verzahnung aller<br />

Versorgungselemente führen,<br />

– unter bundesweiter Koordin<strong>at</strong>ion implementiert<br />

werden.<br />

Zusammensetzung<br />

des Kur<strong>at</strong>oriums:<br />

– Zwei Vertreter der Vorarlberger Gebietskrankenkasse;<br />

– ein Vertreter, der durch die Sozialversicherungsanstalt<br />

der Bauern, die Versicherungsanstalt<br />

öffentlich Bedien-<br />

steter, die Sozialversicherungsanstalt<br />

der gewerblichen Wirtschaft, die Versicherungsanstalt<br />

der österreichischen<br />

Eisenbahnen und die Versicherungsanstalt<br />

des österreichischen Bergbaues<br />

gemeinsam und einvernehmlich<br />

delegiert wird;<br />

– ein Vertreter des Hauptverbandes der<br />

österreichischen Sozialversicherungsträger;<br />

– zwei Vertreter, die von der Vorarlberger<br />

Landesregierung namhaft gemacht<br />

werden;<br />

– ein Vertreter des Vorarlberger Gemeindeverbandes;<br />

– ein Vertreter der Stadt Dornbirn als<br />

Träger des Krankenhauses Dornbirn;<br />

– ein Vertreter des Bundesministeriums<br />

für soziale Sicherheit und Gener<strong>at</strong>ionen;<br />

– ein Vertreter der Ärztekammer für Vorarlberg.<br />

Dieses Kur<strong>at</strong>orium wird die Aufgabe<br />

haben, gemeinsame Zielsetzungen und<br />

Planungen für das Vorarlberger Gesundheitswesen<br />

zu erarbeiten. Es trägt<br />

die projektbezogene Verantwortung<br />

und ist zuständig für die Finanzierung<br />

der Projekte, deren laufende Evalu<strong>at</strong>ion<br />

und das Controlling. Es soll auch<br />

eine Dokument<strong>at</strong>ion implementiert<br />

werden, die sektorenübergreifend den<br />

ambulanten (sowohl extramural bei den<br />

niedergelassenen Ärzten als auch in den<br />

Spitalsambulanzen) Bereich hinsichtlich<br />

Diagnosen- und Leistungserfassung<br />

abdeckt und mit der LKF-Dokument<strong>at</strong>ion<br />

komp<strong>at</strong>ibel sein muss.<br />

Das sehr innov<strong>at</strong>ive Vorarlberger<br />

Modellprojekt wird neue Impulse in<br />

der österreichischen Gesundheitslandschaft<br />

setzen, weil die Zusammenarbeit<br />

zwischen dem niedergelassenen<br />

Bereich und den Spitälern in<br />

Vorarlberg enger und für Österreich<br />

beispielhaft werden wird. Solche Maßnahmen<br />

müssen vor allem dort realisiert<br />

werden, wo die durchgängige und<br />

reibungsfreie P<strong>at</strong>ientenbetreuung optimiert<br />

werden kann und wo unnötige<br />

Gesundheitsausgaben vermieden


werden können. Dies wird durch einzelne<br />

Projekte wie<br />

– „Präoper<strong>at</strong>ive Diagnostik“,<br />

– „Steigerung der Effektivität des Bereitschaftsdienstes<br />

der niedergelassenen<br />

Ärzte“,<br />

– „Postst<strong>at</strong>ionäre Vernetzung durch koordiniertes<br />

Entlassungsmanagement“,<br />

– „Palli<strong>at</strong>ivmedizin“<br />

in den nächsten zwei Jahren zu erreichen<br />

sein. Die Konzentr<strong>at</strong>ion wird<br />

jetzt unmittelbar auf die Bereiche „Präoper<strong>at</strong>ive<br />

Diagnostik“ und „Ärztebereitschaft“<br />

gerichtet werden. Die dafür notwendigen<br />

Detailausarbeitungen sind<br />

schon angelaufen, was den Beginn 2003<br />

sichern soll. Im nächsten Jahr wird dann<br />

das Hauptaugenmerk auf die Implementierung<br />

des aufwendigen Projektes<br />

„Entlassungsmanagement“ gelegt werden.<br />

Der zweite Schwerpunkt wird das<br />

Thema „Palli<strong>at</strong>ive Care“ sein, dem wir<br />

höchste Aufmerksamkeit schenken werden.<br />

Denn hier sind neue Strukturen<br />

aufzubauen, wobei gerade in diesem<br />

wichtigen Gesundheitsfeld eine optimale<br />

Betreuung der P<strong>at</strong>ienten „schnittstellenfrei“<br />

möglich sein muss. Über<br />

diese beiden Projekte soll ab 2004 die<br />

Vernetzung im Gesundheitswesen verdichtet<br />

werden. Schon parallel zu den<br />

abschließenden Vereinbarungsverhandlungen<br />

werden deshalb Arbeitsgruppen<br />

konkret damit beauftragt, die<br />

inhaltlichen Vorgaben und Zielsetzungen<br />

der erwähnten Vernetzungsprojekte<br />

auszuformulieren.<br />

Die Notwendigkeit einer Reform unseres<br />

Gesundheitswesens ist unbestritten.<br />

Eine der Begründungen sind die<br />

problem<strong>at</strong>ischen Bereiche an den<br />

Schnittstellen zwischen dem Krankenhaus-<br />

und dem ambulanten Versorgungsbereich.<br />

Unser System h<strong>at</strong> keine<br />

qualitäts-, sondern strukturbezogene<br />

Probleme. Dies resultiert vor allem daraus,<br />

dass es bislang völlig getrennte Verantwortungskompetenzen<br />

gab und das<br />

Finanzierungssystem für viele völlig undurchschaubar<br />

ist. Eine Problem<strong>at</strong>ik die<br />

nur mit „ganzheitlicher Planung und<br />

Finanzierung aus einem Guss“ zu lösen<br />

ist. Das erfordert aber eine bessere Vernetzung<br />

zwischen den Versorgungsbereichen<br />

in und außerhalb der Krankenhäuser.<br />

Dass dies über eine regionale<br />

Planung leichter zu erreichen ist, liegt<br />

auf der Hand. Denn eine Weiterentwicklung<br />

unserer Gesundheitslandschaft<br />

ist nur auf Basis der gewachsenen<br />

Strukturen möglich. Vorarlberg h<strong>at</strong><br />

ganz einfach andere Voraussetzungen<br />

als beispielsweise das Burgenland – nicht<br />

qualit<strong>at</strong>iv bewertet, aber in der Analyse<br />

der bestehenden Strukturen klar zu<br />

erkennen.<br />

Aber es sollen nicht alle Wände eingerissen<br />

werden. Wir wollen nicht mit<br />

Revolution, sondern mit Evolution aus<br />

den bestehenden Strukturen heraus das<br />

Ziel der Reform im Konsens und schrittweise<br />

erreichen. Deshalb wird auch mit<br />

den einzelnen Projekten begonnen,<br />

über die schließlich dann eine gesamthafte<br />

Vernetzung und die Abstimmung<br />

des Gesundheitsangebotes möglich sein<br />

wird. Schlussendlich werden sich die<br />

ineffizienten Kostenverschiebungen<br />

nur mit einem integrierten Gesundheitswesen<br />

und dessen Finanzierung<br />

aus einem gemeinsamen Topf verhindern<br />

lassen. Aus den Vorarlberger Erkenntnissen<br />

können – wie schon in der<br />

Vergangenheit mehrfach geschehen –<br />

auch aus diesem Modellprojekt positive<br />

Impulse für die Weiterentwicklung<br />

des österreichischen Gesundheitswesen<br />

entstehen.<br />

Der Autor<br />

Dr. Hans-Peter Bischof , R-B<br />

Vorarlberger Landesr<strong>at</strong> für Gesundheit,<br />

Soziales und Kultur.<br />

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27<br />

Politik<br />

Dezember <strong>2002</strong>


Politik<br />

„Unglaublich unüberschaubar“<br />

Univ. Prof. Karl Korinek, F-B, Rt-D, der neue<br />

Präsident des Verfassungsgerichtshofes,<br />

nimmt im ACADEMIA-Gespräch Stellung zu<br />

Fragen der Bundessta<strong>at</strong>sreform und zum<br />

EU-Verfassungskonvent. Er beurteilt die<br />

Flut an Verfassungsgesetzen und äußert<br />

seine Wünsche an die nächste Bundesregierung.<br />

Das Gespräch führten Herbert<br />

Kaspar, Am, und Paul Hefelle, F-B, BbG<br />

<strong>Academia</strong>: H<strong>at</strong> sich mit der Bestellung<br />

zum Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes,<br />

zu der wir herzlich<br />

gr<strong>at</strong>ulieren, der Traum jedes<br />

Vollblutjuristen erfüllt?<br />

Korinek: Der Traum ist bereits erfüllt,<br />

sobald man Mitglied im Gerichtshof ist.<br />

Von bestimmten Funktionen innerhalb<br />

dieses Gremiums hängt es nicht so ab.<br />

Wobei die Aufgabe des Präsidenten sich<br />

von jener des Berichterst<strong>at</strong>ters und des<br />

Richters dadurch unterscheidet, dass sie<br />

nicht primär juristisch ist. Die Tätigkeit<br />

besteht eher in der Leitung und Repräsent<strong>at</strong>ion<br />

des Gerichtshofes nach<br />

außen. Ich habe mir gerade deswegen<br />

lange überlegt, ob ich mich für dieses<br />

ungemein wichtige und ehrenvolle,<br />

aber doch stärker politische als juristische<br />

Amt bewerbe.<br />

Professor Mayer h<strong>at</strong> im Standard gesagt,<br />

dass dieses Jahr kein gutes für<br />

den Verfassungsgerichtshof war.<br />

Stimmt das?<br />

Es war kein schlechtes Jahr, auch<br />

wenn die Turbulenzen zu Jahresbeginn<br />

nicht angenehm waren. Zu der Diskussion<br />

um die Ausschreibung: Es h<strong>at</strong><br />

28<br />

nichts mit dem Verfassungsgerichtshof<br />

als solches zu tun, ob Organe etwas in<br />

bestimmter Weise tun und ob sie das<br />

schneller oder weniger schnell tun.<br />

Außerdem ist diese Art der Ausschreibung<br />

dazu da, Vakanzen zu verhindern.<br />

Das ist in der ordentlichen Gerichtsbarkeit<br />

und beim Verwaltungsgerichtshof<br />

seit Jahrzehnten so üblich und überhaupt<br />

kein Problem. Wer verlangt, dass<br />

man mit der Bestellung der Richter auf<br />

die nächste Regierung warten soll, der<br />

will, dass die Regierung sich ihre Kontrollore<br />

selbst aussucht. Dafür habe ich<br />

kein Verständnis.<br />

Wie soll man die<br />

Flut an Verfassungsgesetzenbewerten?<br />

Viele Bestimmungen<br />

wurden in den<br />

Verfassungsrang<br />

erhoben, um sie<br />

vor dem Zugriff<br />

des Verfassungsgerichtshofes<br />

zu<br />

schützen.<br />

Man h<strong>at</strong> das zunächst in diesem Sinn<br />

eingesetzt, aber nicht bedacht, dass man<br />

damit das Netz immer enger macht.<br />

Dass man oft an eine von diesen über<br />

1000 Bestimmungen im Verfassungsrang<br />

stößt, ist ein großes Hemmnis für<br />

die Gestaltung des Rechts.<br />

Es wurde also Missbrauch betrieben.<br />

Ich wäre mit diesem Begriff vorsichtig.<br />

Eine Pervertierung des Gedankens?<br />

Man h<strong>at</strong> die formale Möglichkeit Verfassungsbestimmungen<br />

zu schaffen ex-<br />

zessiv genützt, auch in Fällen wo es<br />

nicht notwendig gewesen wäre. Damit<br />

h<strong>at</strong> man sich in einem dichten Netz an<br />

Verfassungsbestimmungen verfangen.<br />

Zum Thema Bundesssta<strong>at</strong>sreform<br />

h<strong>at</strong> Alfred Gusenbauer vorgeschlagen,<br />

einen Verfassungskonvent einzuberufen.<br />

Der Verfassungsgerichtshof kann hier<br />

nichts Inhaltliches einbringen, sondern<br />

nur Formales. Aber es fehlt für eine umfassende<br />

Verfassungsreform derzeit<br />

wohl am Grundkonsens. Daher wird<br />

man nicht weiterkommen, wenn man<br />

nicht in einer Punkt<strong>at</strong>ion festhält, worüber<br />

Einigkeit besteht.<br />

Entscheidet der Verfassungsgerichtshof<br />

politisch?<br />

Man erwartet sich oft von der Entscheidung<br />

des Verfassungsgerichtshofes<br />

die Lösung politischer Fragen. Dahinter<br />

steckt ein grundlegendes<br />

Missverständnis. Der Gerichtshof kann<br />

immer nur entscheiden, ob etwas verfassungsgemäß<br />

ist oder nicht. Nicht<br />

aber, ob etwas anderes zweckmäßiger<br />

wäre. Diese beiden Ebenen werden oft<br />

vermischt. Dann kommt für die Bevöl-


kerung ein unverständliches Konglomer<strong>at</strong><br />

heraus; der Gerichtshof entscheidet<br />

aber nicht, ob eine Gebühr gescheit<br />

oder blöd ist, sondern nur, ob sie<br />

der Verfassung entspricht oder nicht.<br />

Selbst wenn sie äußerst vernünftig erscheint,<br />

muss er sie aufheben, wenn sie<br />

nicht der Verfassung entspricht. Aus<br />

diesem Missverständnis heraus entsteht<br />

die Auffassung, dass der Gerichtshof<br />

entschieden habe, es handle sich um<br />

ein schlechtes Gesetz.<br />

Andere Länder haben keine geschriebene<br />

Verfassung, funktionieren<br />

aber bestens. Ist keine Verfassung<br />

die beste Verfassung?<br />

Das ist eine Frage der Tradition. England<br />

ist nahezu das genaue Gegenteil<br />

zu Österreich mit seinem dichten Netz<br />

an Verfassungsregelungen. Es kommt<br />

darauf an, wie man das lebt, auch politisch.<br />

In England wütet die Opposition<br />

zwar gegen Gesetze der Regierung,<br />

aber wenn es zu einem Wechsel<br />

kommt, wird auch im Sinne einer gewissen<br />

Fairness nicht gleich wieder<br />

alles abgeschafft. N<strong>at</strong>ürlich machen<br />

sie neue Gesetze, aber sie treten nicht<br />

an und sagen, dass alles wieder abgeschafft<br />

wird. Der Stil ist ein anderer.<br />

Sie haben auch keinen Verfassungsgerichtshof,<br />

sondern das Oberhaus.<br />

Stichwort Oberhaus. Wer braucht<br />

den Bundesr<strong>at</strong>?<br />

Das zentrale Problem ist, dass es kein<br />

gebundenes Abstimmungsverhalten der<br />

Abgeordneten der Länder gibt. Ich verstehe<br />

nicht, warum der österreichische<br />

N<strong>at</strong>ionalr<strong>at</strong> unsere Vertreter bei Gesetzgebungsakten<br />

in der EU weitgehend<br />

binden kann, aber der Landtag die Landesdelegierten<br />

in der Bundesgesetzgebung<br />

nicht. N<strong>at</strong>ürlich h<strong>at</strong> der Bundesr<strong>at</strong><br />

auch Vorteile, weil man auf einer<br />

ruhigeren Ebene sachpolitische Gespräche<br />

führen kann. Ob das realpolitisch<br />

wirklichen Einfluss h<strong>at</strong>, ist etwas<br />

anderes. Außerdem, und das wurde mir<br />

oft gesagt, ist er auch eine politische<br />

Gehschule.<br />

Oder ein politisches Ausgedinge.<br />

Das mag in einzelnen Fällen sein, es<br />

gibt nur wenige, die immer dort sein<br />

wollten.<br />

Herbert Schambeck.<br />

Oder Jürgen Weiß, das sind wirkliche<br />

Persönlichkeiten, die dort eine Pl<strong>at</strong>tform<br />

auch für politische Aktivitäten haben.<br />

Aber die politische Wirksamkeit<br />

bei der Gesetzgebung ist aufgrund der<br />

genannten Fakten gering.<br />

Stichwort EU. Derzeit läuft das<br />

durchaus interessante Projekt eines<br />

EU-Konvents. Wie beurteilst Du die<br />

Chancen, dass sich die heterogenen<br />

Länder einigen können?<br />

Ich glaube, der Konvent h<strong>at</strong> sich ein<br />

bisschen viel auf einmal vorgenommen.<br />

Er werden zu viele Ebenen gleichzeitig<br />

diskutiert, das birgt die Gefahr, dass man<br />

im Allgemeinen stecken bleibt. Eine ordentliche<br />

Kompetenzregelung, die bestimmt,<br />

welche Bereiche in den Mitgliedssta<strong>at</strong>en<br />

zu regeln sind, und welche<br />

auf EU-Ebene würde die Durchschaubarkeit<br />

der Strukturen der Gesetzgebung<br />

in der EU erhöhen. Eine EU-Verfassung<br />

würde die gemeinsame Basis bewusster<br />

machen. Welcher Bürger denkt schon<br />

daran, dass heute die Verträge diese gemeinsame<br />

Basis sind? Ein pluralistisches<br />

System braucht eine gemeinsame<br />

Grundlage. Daher darf man sie nicht<br />

mit Kleinigkeiten überfrachten, denn<br />

sonst wird es eine rein technische Angelegenheit<br />

und verliert die identitätsstiftende<br />

Funktion.<br />

Wie geht ein Vollblutjurist damit um,<br />

dass die Gesetze in der EU nicht vom<br />

Parlament, sondern vom R<strong>at</strong> gemacht<br />

werden?<br />

Der R<strong>at</strong> ist demokr<strong>at</strong>isch mittelbar<br />

legitimiert. Wer im R<strong>at</strong> sitzt, ergibt sich<br />

letztlich aus dem Ergebnis der n<strong>at</strong>ionalen<br />

Parlamentswahlen. Wenn man<br />

die Gesetze auf EU-Ebene durch das<br />

Parlament beschließen lassen will,<br />

dann geht man den ersten Schritt zum<br />

eigenen Sta<strong>at</strong>. Die Errichtung eines<br />

Bundessta<strong>at</strong>es Europa wäre die Konsequenz.<br />

Wir haben in der letzten Ausgabe einen<br />

Beitrag des Völkerrechtlers Humer<br />

veröffentlicht. Er sagt, die Sanktionen<br />

seien als Maßnahme ein<br />

Novum gewesen.<br />

Das ist richtig. Es ist auch die herrschende<br />

Rechtsmeinung, dass sie rechtswidrig<br />

waren, aber wir haben die Frist<br />

versäumt, uns an den EuGH zu wenden.<br />

Zunächst wollten wir es nicht auf<br />

29<br />

Politik<br />

Dezember <strong>2002</strong>


Politik<br />

rechtlicher Ebene spielen, und als dies<br />

überlegt wurde, war die Frist vorbei.<br />

Letztlich war es aber wohl richtig, das<br />

auf der politischen Ebene zu belassen.<br />

Was wünscht sich der Präsident des<br />

Verfassungsgerichtshofes von der neuen<br />

Regierung?<br />

Dass sie bei der Gesetzgebung verfassungsorientiert<br />

agiert und die Frage<br />

der Verfassungsmäßigkeit immer mit<br />

bedenkt. Eines unserer größten Probleme<br />

ist ja die Fülle an Einzelregelungen,<br />

die immer mehr aus dem System<br />

ausbrechen. Das macht die Rechtsordnung<br />

unglaublich unüberschaubar. Das<br />

ist momentan die größte Gefahr für<br />

den Rechtssta<strong>at</strong>, dass sich keiner mehr<br />

auskennt. Politiker haben in erster Linie<br />

Interesse an der Lösung der Sachfrage,<br />

die Art der Umsetzung interes-<br />

Kommentar Farbenspiele<br />

Eigentlich müsste Wolfgang Schüssel<br />

im 7. Himmel sein. Er h<strong>at</strong> seine Gegner<br />

regelrecht zertrümmert und den<br />

höchsten Stimmenzuwachs einer Partei<br />

seit Beginn der 2. Republik eingefahren.<br />

Letztendlich gibt ihm das Wahlergebnis<br />

auf zwei Ebenen recht: Zum<br />

einen ist es eine Bestätigung dafür, dass<br />

die Wähler die Sinnhaftigkeit von (in<br />

manchen Fällen vielleicht sogar<br />

schmerzhaften) Reformen anerkennen,<br />

zum zweiten h<strong>at</strong> er endgültig den Beweis<br />

geliefert, dass die Einbindung<br />

der Freiheitlichen<br />

wirkungsvoller war als deren<br />

Ausgrenzung.<br />

Und doch ist Schüssels Situ<strong>at</strong>ion<br />

eine schwierige.<br />

Denn dass der Bundeskanzler<br />

drei Optionen zur Regierungsbildung<br />

h<strong>at</strong>, macht die<br />

Situ<strong>at</strong>ion nur auf den ersten<br />

Blick einfacher.<br />

Schwarz-rot hätte nach<br />

Paul Hefelle, F-B, BbG<br />

den Gewinnen beider Partei-<br />

30<br />

siert sie zu wenig. Das führt zu Gesetzen,<br />

die man teils nicht versteht, weil<br />

sie in sich widersprüchlich sind. Ein<br />

Beispiel: Das Zusammenspiel der Vorschriften<br />

über die Festlegung einer Bundesstraßentrasse<br />

mit den Vorschriften<br />

über die Umweltverträglichkeit ist überhaupt<br />

nicht gelungen. Die Rechtslage<br />

wirft Probleme auf, die fast nicht lösbar<br />

sind. Das h<strong>at</strong> dem Gerichtshof bei<br />

der Prüfung der Trasse der B 301 die<br />

größten Schwierigkeiten gemacht. Die<br />

anzuwendenden Gesetze passen hinten<br />

und vorne nicht zusammen. Da<br />

eine Lösung zu finden h<strong>at</strong> Wochen und<br />

Mon<strong>at</strong>e gekostet. Ich habe drei bis vier<br />

Tage gebraucht, bis ich den Fall aufgrund<br />

des Entscheidungsentwurfes, der<br />

blendend ausgearbeitet war, verstanden<br />

habe. Das muss man sich vorstellen,<br />

bei hunderten wichtigen Entscheidungen<br />

im Jahr.<br />

en zwar wieder eine s<strong>at</strong>te Zwei-Drittel-<br />

Mehrheit, die lähmende Art und Weise,<br />

in der sich diese Partnerschaft in den<br />

Neunziger Jahren gegenseitig blockiert<br />

h<strong>at</strong> ist aber nicht gerade eine Empfehlung.<br />

Abgesehen davon: Wie will man<br />

eine Wiederauflage jenen Hunderttausenden<br />

von der FPÖ zur ÖVP zurückgekehrten<br />

Wählern erklären? Viele haben<br />

Schüssel diesmal gewählt, weil er<br />

sich 2000 aus dem „großkoalitionären<br />

Faulbett“ erhoben h<strong>at</strong>.<br />

Also wieder schwarz-blau? Wenn die<br />

„Knittelfelder“ in den Hintergrund ab-<br />

(oder im Idealfall einige von ihnen sogar<br />

aus-) treten wäre eine solche Konstell<strong>at</strong>ion<br />

durchaus vorstellbar. Allein:<br />

Danach sieht es nicht aus. So lange der<br />

Kärntner Egomane mit seinen Spießgesellen<br />

in der FPÖ Einfluss ausübt, ist<br />

jede Fortsetzung der schwarzblauen Reformpolitik<br />

unmöglich. Angesichts der<br />

innerparteilichen Krämpfe, die die Freiheitlichen<br />

derzeit schütteln, weiß man<br />

allerdings nicht einmal, wie lange es<br />

diese FPÖ noch geben wird.<br />

Bleibt schwarz-grün. Wenn man<br />

Wahlkampfparolen und gegenseitige<br />

Lebenslauf<br />

Karl Korinek wurde 1940 in Wien geboren,<br />

wo er auch das Gymnasium und<br />

das Studium der Rechtswissenschaften absolvierte.<br />

Nach der Promotion im Jahre<br />

1963 war er bis 1973 Rechtskonsulent der<br />

damaligen Bundeskammer der gewerblichen<br />

Wirtschaft. 1970 Habilit<strong>at</strong>ion für Verfassungsrecht<br />

sowie Verwaltungsrecht in<br />

Salzburg. Von 1973 bis 1976 dann Professor<br />

an der Uni-Graz, anschließend bis<br />

1995 an der WU-Wien. Seitdem Professor<br />

für Sta<strong>at</strong>s- und Verwaltungsrecht an der<br />

Uni Wien und seit 1992 auch Mitglied des<br />

Lehrkörpers der Donau-Universität Krems.<br />

Seit 1978 Mitglied des Verfassungsgerichtshofes<br />

und seit 1999 dessen Vizepräsident.<br />

Mit Wirkung vom 1.1.2003 wird<br />

Dr. Korinek als Präsident dieses Gerichtshofes<br />

fungieren.<br />

Verletzungen in den Hintergrund rückt<br />

und zur Sachpolitik zurückkehrt, hätte<br />

diese Konstell<strong>at</strong>ion durchaus ihren Reiz.<br />

Abgesehen von gesellschaftspolitischen<br />

Gegensätzen, die bei den Wählern der<br />

beiden Parteien so und so weniger ausgeprägt<br />

sind als bei den Funktionären<br />

(die Grünen haben seit jeher auch und<br />

vor allem im bürgerlichen Lager gefischt),<br />

kann eine Zusammenarbeit gerade<br />

dann fruchtbar sein, wenn sie zwischen<br />

zwei deutlich unterscheidbaren<br />

Partnern st<strong>at</strong>tfindet. In essentiellen Fragen<br />

wie der EU-Erweiterung besteht ja<br />

bereits jetzt weitgehend Konsens.<br />

N<strong>at</strong>ürlich müsste die ÖVP trotz ihres<br />

triumphalen Wahlerfolges den Grünen<br />

ein faires Angebot machen, dass diesen<br />

einen Gesichtsverlust erspart.<br />

Die Grünen aber haben jetzt die reale<br />

Chance – die ohnehin sehr unwahrscheinliche<br />

– Fortsetzung von schwarzblau<br />

und gleichzeitig eine im Parlament<br />

übermächtige große Koalition zu verhindern.<br />

Sie sollten zumindest das Gespräch<br />

darüber nicht verweigern. Im<br />

Trotzwinkerl nimmt man eine Partei<br />

dieser Größe nicht wirklich ernst.


Fünf einfache Wahrheiten,<br />

einer neuen Regierung gewidmet<br />

Als Periodikum müssen wir die tagesaktuellen Kommentare und<br />

Koalitionsspekul<strong>at</strong>ionen weitgehend aktuelleren Medien überlassen,<br />

können uns dafür aber mit einigen grundsätzlichen Eckd<strong>at</strong>en<br />

des Wahlergebnisses und einigen wichtigen Schlüssen daraus<br />

beschäftigen:<br />

Standpunkte<br />

Die ÖVP h<strong>at</strong> die Wahl gewonnen, obwohl<br />

– oder weil – sie der Versuchung<br />

widerstanden h<strong>at</strong>, billige Wahlversprechen<br />

abzugeben (nach dem Muster: Abschaffung<br />

von Ambulanz- und Studiengebühren,<br />

Steuerreform sofort, keine<br />

Abfangjäger und pro Mon<strong>at</strong> einen zusätzlichen<br />

Sonntag arbeitsfrei). Das ist<br />

aber auch ein Kompliment für die<br />

Wähler – von Zynikern gerne als<br />

„Stimmvieh“ bezeichnet – die offensichtlich<br />

nicht so blöd sind, wie manche<br />

der Zeitungen, die sie täglich konsumieren,<br />

vermuten lassen. Das ist aber<br />

auch eine Warnung, die Intelligenz dieser<br />

Menschen bis zur nächsten Wahl nicht zu<br />

enttäuschen.<br />

Festigkeit<br />

Wolfgang Schüssel und die ÖVP haben<br />

diesen Wahlsieg gegen ein jahrelanges<br />

Heruntermachen durch Krone (erst<br />

im Wahlkampf, als Dichand rot-grün befürchtete,<br />

wurde das Kleinform<strong>at</strong> etwas<br />

huldvoller), diverse Fellner-Magazine,<br />

ORF, „zeitgeistige“ Journalisten, in- und<br />

ausländische Zwischenrufer und Mitglieder<br />

der jahrzehntelang linkssubventionierten<br />

Kulturschickeria erzielt. Das<br />

lässt hoffen, dass Regierungen in Hinkunft<br />

auch weiterhin unpopuläre Dinge anpacken<br />

werden und sich nicht nach den Zurufen von<br />

Populisten richten müssen, die nichts zu verantworten<br />

haben.<br />

Unaufgeregtheit und<br />

Seriosität<br />

Die extrem hohe Präferenz für den<br />

Kanzlerkandid<strong>at</strong>en ist auch – neben allem<br />

Wahlkampf-Tam-Tam – darin begründet,<br />

dass die Menschen erkannt haben,<br />

dass Wolfgang Schüssel ein<br />

authentischer Mensch ist, der keine<br />

Phrasen drischt, die ihm irgendein Spin-<br />

Doctor eingelernt h<strong>at</strong>; der Antworten<br />

geben kann, ohne bereits in der barocken<br />

Einleitung die Hälfte der kommenden<br />

Antwort wieder zurückzunehmen,<br />

der aber andererseit0s auch nicht<br />

bereit ist, zu jedem Schwachsinn, der<br />

tagtäglich an ihn herangetragen wird<br />

Stellung zu nehmen. Offensichtlich schätzen<br />

Menschen Überlegtheit, Unaufgeregtheit<br />

und Souveränität mehr als das billige<br />

Schielen auf die nächste Schlagzeile in News.<br />

Wer h<strong>at</strong> die Zukunft?<br />

Wahlstr<strong>at</strong>egen aller Parteien sollten<br />

die Wahl gut analysieren. Sie werden<br />

feststellen, dass die ÖVP zu einer jungen<br />

Partei geworden ist. Bei den<br />

Wählern bis 35 kommt die ÖVP auf –<br />

überdurchschnittliche! – 45 Prozent,<br />

die SPÖ nur auf 29 Prozent (Frauen)<br />

bzw. gar nur 22 Prozent bei den Männern<br />

(!). Das impliziert aber auch den Auftrag,<br />

diese jungen Wähler, die Aufsteiger,<br />

diejenigen die noch Hoffnungen in eine zukunftsgerichtete<br />

Politik haben, nicht zu verprellen.<br />

Herbert Kaspar, Am<br />

Chancen nützen<br />

Dazu gehören aber nicht nur die<br />

Wähler sondern auch diejenigen zahlreichen<br />

Jugendlichen, die dafür gesorgt<br />

haben, dass die ÖVP vor allem in Wien<br />

so ein sens<strong>at</strong>ionelles Ergebnis verbuchen<br />

konnte. Die „Kanzlerteams“, unterstützt<br />

von der Aktion „p<strong>at</strong>ria 2411“<br />

haben gezeigt, was im „roten“ Wien<br />

möglich ist, wenn man die Initi<strong>at</strong>ive in<br />

die Hand nimmt. Die ÖVP ist sicher gut<br />

ber<strong>at</strong>en, diese Energie intelligent zu bündeln<br />

und für die Gewinnung weiterer bürgerlicher<br />

Symp<strong>at</strong>hisanten einzusetzen. Das<br />

sollte wohl am besten parallel zur Wiener<br />

Parteiorganis<strong>at</strong>ion geschehen, denn dass<br />

die vielzitierten „Bezirkskaiser“ schon so<br />

manche engagierte Initi<strong>at</strong>ive auf altbewährte<br />

Manier erstickt haben, mussten<br />

zahlreiche Wiener Parteiobmänner leidvoll<br />

erfahren.<br />

Auch für die ÖH-Wahlen im nächsten<br />

Jahr stellt dies eine gute Ausgangsbasis<br />

dar, Positionen, die im Strudel<br />

der Anti-Regierungs-Stimmung<br />

verloren gingen, wieder zurückzuerobern.<br />

Herbert Kaspar, Am<br />

Herausgeber<br />

31<br />

Kommentar<br />

Dezember <strong>2002</strong>


Politik<br />

32<br />

Fritz Kofler, FB, BbG<br />

Die Hoffnung für Graz<br />

Sonntag, der 26. Jänner ist ein Lostag<br />

für die steirische Landeshauptstadt.<br />

Denn an diesem Tag wählen die Bewohner<br />

der zweitgrößten österreichischen<br />

Stadt ihren Gemeinder<strong>at</strong>. Mit dem<br />

Quereinsteiger und Grazer Innenstadt-<br />

Geschäftsmann Siegfried Nagl, Cl, verfügt<br />

die Grazer ÖVP über einen jungen<br />

Kandid<strong>at</strong>en für den Bürgermeistersessel,<br />

der in allen Meinungsumfagen als<br />

Nummer 1 gehandelt wird.<br />

p<br />

Kostenlose Fachanalysen:<br />

•Wegfall der Sparbuchanonymität<br />

Auswirkungen auf das Erben,<br />

Schenken und die Deckung<br />

der Pflegekosten<br />

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D, A, CH – Eine vergleichende<br />

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Im Jahre 1998 wurde Siegfried Nagl<br />

von Landeshauptmann Waltraud Klasnic<br />

eingesetzt, um die total heruntergekommene<br />

und auf den dritten Pl<strong>at</strong>z<br />

abgerutschte Grazer Volkspartei wieder<br />

zu einen und vorwärts zu bringen.<br />

Als Nagl zum Stadtr<strong>at</strong> für Finanzen<br />

angelobt wurde, erwartete ihn ein gewaltiger<br />

Schuldenberg in der Höhe von<br />

5,2 Milliarden Schilling und eine Fülle<br />

dringend nötiger Ausgaben. Zum ersten<br />

Mal stand ein Unternehmer an der Spitze<br />

des Finanzressorts.<br />

Das Unglaubliche geschah<br />

Im ACADEMIA-Gespräch zieht er Bilanz:<br />

„Die Budgets 1998, 1999, 2000<br />

und 2001 konnten im Gemeinder<strong>at</strong> mit<br />

den Stimmen von SPÖ, FPÖ und ÖVP<br />

beschlossen werden. Diese drei Parteien<br />

einigten sich auf die Verwirklichung<br />

wichtiger Zukunftsprojekte: Die Errichtung<br />

der Stadthalle, die für 2003<br />

schon fast ausgebucht ist, eines Kunsthauses,<br />

des ‘Domes im Berg’ (dabei handelt<br />

es sich um ein Ausstellungszentrum<br />

in den Stollen des Schlossbergs).<br />

Ein neuer Lift zum Grazer Wahrzeichen<br />

wurde beschlossen, auch der Kauf moderner<br />

Straßenbahnzüge und die Renovierung<br />

von Kindergärten und Schulen<br />

wurden zügig durchgeführt”.<br />

Im heurigen Jahr geschah das Unglaubliche.<br />

Der Jungpolitiker Nagl h<strong>at</strong>te<br />

mit Bürgermeister Alfred Stingl (SPÖ)<br />

das Budget <strong>2002</strong> bereits paktiert, als die<br />

eigene Fraktion ihrem Bürgermeister<br />

die Gefolgschaft verweigerte.<br />

Die Finanzlage der Stadt wird immer<br />

schwieriger, denn fast ein Drittel des<br />

Budgets von 760 Millionen Euro verschlingen<br />

die beim neuen sozialistischen<br />

Spitzenkandid<strong>at</strong>en Walter Ferk<br />

ressortierenden Bereiche Personal und<br />

Verkehr.<br />

Auch für die nächsten Jahre sieht<br />

Nagl, der als Kulturreferent für das<br />

Projekt „Kulturhauptstadt Europas<br />

2003” politisch verantwortlich ist, düstere<br />

Zeiten auf die europäischen Städte<br />

zukommen und beklagt, dass diese<br />

in der geplanten europäischen<br />

Verfassung nicht einmal erwähnt werden.<br />

„Der Bürgermeister der Zukunft<br />

muss ein begnadeter Manager sein“,<br />

so Nagl.<br />

Erfreuliche Impulse erwartet er vom<br />

europäischen Kulturjahr 2003, schon<br />

jetzt ist das Interesse aus dem In-und<br />

Ausland beachtlich und die Tourismusbetriebe<br />

sind gut ausgelastet.<br />

Nagl, der besonders bei den urbanen<br />

Wählerschichten punktet, sagt sein politisches<br />

Credo: „Nichts versprechen,<br />

was man nicht halten kann und die Mitbürger<br />

über die Situ<strong>at</strong>ion der Stadt nicht<br />

im unklaren lassen.<br />

„Nagl-Zelte“ als Stätten der<br />

Kommunik<strong>at</strong>ion<br />

Die „Nagl-Zelte” in der ganzen Stadt<br />

dienen nicht nur der Wahlwerbung, sie<br />

sind auch Stätten der Kommunik<strong>at</strong>ion<br />

und Diskussion geworden.<br />

In dieser Situ<strong>at</strong>ion, in der nicht nur<br />

in Graz ,sondern auch in den anderen<br />

Landeshauptstädten gespart werden<br />

muss, sieht Nagl auch Vorteile: „Die<br />

Städte haben Schmerzen, aber die kann<br />

man heilen. Es wird unsere Aufgabe<br />

sein, auch mit Hilfe der Improvis<strong>at</strong>ion<br />

Qualität und Nachhaltigkeit sicherzustellen.<br />

Eine Veräußerung von Anteilen<br />

am Flughafen Graz-Thalerhof an die<br />

Grazer Stadtwerke und der Transfer von<br />

städtischen Liegenschaften an die stadteigene<br />

Immobiliengeschäfte sind wichtige<br />

Maßnahmen zur Verwirklichung<br />

dieses Ziels.”


Wende oder Ende anno 1977<br />

In der November-Ausgabe der<br />

ACADEMIA aus 1952 findet sich<br />

ein interessanter Beitrag zum Thema<br />

Hochschulgebühren-Streit.<br />

Damals gab es noch vier Arten<br />

von Gebühren (Kollegiengeld,<br />

M<strong>at</strong>rikeltaxe und Aufwandsbeitrag;<br />

Taxen an Labor<strong>at</strong>orien<br />

sowie Prüfungstaxen).<br />

Die Aufregung ging damals um die<br />

Erhöhung beziehungsweise Nichterhöhung<br />

der verschiedenen Gebühren.<br />

Während nämlich die beiden letztgenannten<br />

Taxen auf das Vierfache erhöht<br />

wurden, mussten die anderen Gebühren<br />

aus rechtlichen Gründen gleich<br />

bleiben, was vor allem die schmerzlich<br />

betroffenen Hochschullehrer zu Protesten<br />

veranlasste. Die Interessenskollision<br />

veranlasste den Autor, der Hoffnung<br />

Ausdruck zu verleihen, dass „ein Beitrag<br />

aus sta<strong>at</strong>lichen Mitteln“ für diesen<br />

Verdienstausfall geleistet werden würde.<br />

Mit einer weiteren Aussage erwies<br />

sich der Schreiber des Jahres 1952 ebenfalls<br />

als guter Prophet: „sicherlich wird<br />

die endgültige Regelung der Gebührenfrage<br />

noch einige Zeit auf sich<br />

warten lassen“.<br />

In der Weihnachtsausgabe der ACA-<br />

DEMIA findet sich ein Leitartikel des<br />

unvergessenen Friedrich Heer, der ebenfalls<br />

auf die „m<strong>at</strong>erielle Not und Mangellage<br />

des Akademikers“ eingeht, dann<br />

aber sehr bald zum Spirituellen kommt<br />

und die christliche Akademikerschaft<br />

deutlich auffordert, in der Gesellschaft<br />

stärker Flagge zu zeigen.<br />

Es mutet an wie eine konstruierte<br />

Pointe, aber das Cover-Thema der No-<br />

vember/Dezember ACADEMIA 1977<br />

war wortwörtlich dem Thema „WEN-<br />

DE ODER ENDE“ gewidmet. Es ging damals<br />

aber nicht um die Bundesregierung,<br />

sondern um die Krise der<br />

westlichen Zivilis<strong>at</strong>ion.<br />

Das Editorial ortet „Rohstoffknappheit,<br />

Stagfl<strong>at</strong>ion, Arbeitslosigkeit, wie auch Ap<strong>at</strong>hie<br />

und Unmut bis hin zur „großen Verweigerung“<br />

gegenüber unserem politischen<br />

System. Die Verdrossenheit an den Folgen<br />

des wissenschaftlichen, technischen und m<strong>at</strong>eriellen-wirtschaftlichen<br />

Fortschritts wächst<br />

allenthalben. (...) Eine globalere Bewusstseinswende<br />

ist unaufschiebbar. Die Abkehr<br />

von den liberal-kapitalistischen wie auch<br />

marxistischen Emanzip<strong>at</strong>ionstheorien wird<br />

notwendig.“<br />

Unter anderem kommt auch Viktor<br />

Frankl in dieser Ausgabe der ACADE-<br />

MIA zu Wort, der 1977 für sein Lebenswerk<br />

den Innitzer-Preis erhielt.<br />

Schon vor 25 Jahren meinte der Begründer<br />

der Logotherapie (was soviel<br />

wie „Heilung durch Sinnfindung“ bedeutet):<br />

„Die Überflussgesellschaft befriedigt<br />

praktisch alle menschlichen<br />

Bedürfnisse, nur ein Bedürfnis geht leer<br />

aus – das Sinnbedürfnis des Menschen“.<br />

Wenn wir auch die Dezember-ACA-<br />

DEMIA des Jahres <strong>2002</strong> diesem Thema<br />

im weitesten Sinne widmen, dann sicher<br />

nicht deswegen, weil wir im letzten<br />

Viertel Jahrhundert wenn schon<br />

nicht gescheiter, so doch hoffentlich<br />

nicht dümmer geworden sind, sondern<br />

weil sich für uns Christen diese Fragen<br />

immer wieder aufs Neue stellen, nicht<br />

nur aus „gegebenen Anlässen“ (damals<br />

etwa der Terror-Anschlag auf die Olympischen<br />

Spiele in München, heutzutage<br />

die moderne Spielform des intern<strong>at</strong>ionalen<br />

Terrorismus.)<br />

Herbert Kaspar, Am<br />

33<br />

Rückspiegel<br />

Zit<strong>at</strong>e:<br />

“<br />

Ein entlarvendes Interview gewährte<br />

Wolfgang Fellner anlässlich 10 Jahre<br />

„News“, noch vor der Wahl, dem Fachmagazin<br />

„Extradienst“; darin wurde er<br />

wörtlich gefragt:<br />

„Stichwort Wahl: ,News‘ wird große<br />

SPÖ-Nähe nachgesagt, es soll sogar einen<br />

schweren Konflikt mit der ÖVP<br />

geben. Wie ist Ihr politisches Bekenntnis?“<br />

Nachdem Fellner reflexartig die Unabhängigkeit<br />

seines Mediums betont<br />

schimmert dann doch die Wahrheit<br />

ein wenig durch:<br />

„Wir sind in der Redaktion mehrheitlich<br />

eher links-liberal eingestellt –<br />

sowie auch ein ‚Spiegel‘ oder ‚stern‘,<br />

fast alle europäischen Nachrichtenmagazine,<br />

aber wir sind immer<br />

bemüht, auf Leser Rücksicht zu nehmen<br />

die rechts-liberal oder rechts von<br />

der Mitte angesiedelt sind.<br />

(...) Mit Kanzler Schüssel habe ich<br />

ein eher unterkühltes Verhältnis, es<br />

gab aber nie eine Kampfsitu<strong>at</strong>ion“.<br />

Zur Wenderegierung befragt sagte<br />

Fellner unter anderem: „Aber der Großteil<br />

der Journalisten, vermutlich 80 Prozent<br />

oder mehr, sind diesem Experiment<br />

immer skeptisch gegenüber<br />

gestanden.“<br />

„<br />

Die „Salzburger Nachrichten“ vom<br />

5. November brachten im Zuge der Berichterst<strong>at</strong>tung<br />

über ein großes Fest der<br />

ÖVP folgende interessante Selbstdefinition:<br />

„(...) die rund 200 Gäste und das undiplom<strong>at</strong>ische<br />

Corps, also die Journalisten<br />

(...)“<br />

Dezember <strong>2002</strong>


Porträt<br />

Die Quanten, Gott und die Musik<br />

Univ. Prof. Anton Zeilinger, M-D, AIn, ist einer<br />

breiten Bevölkerungsschicht aus den<br />

Medien als „Mr. Beam“ bekannt. T<strong>at</strong>sächlich<br />

ist der geborene Oberösterreicher einer<br />

der populärsten Physiker weltweit.<br />

Ein Porträt von Paul Hefelle, F-B, BbG<br />

Anton Zeilinger lacht: „Einerseits bin<br />

ich ihnen ja dankbar, weil ich´s net<br />

mach´n muss!“ Aber andererseits stört<br />

es den Quantenphsiker schon, dass bei<br />

Großveranstaltungen des ÖCV zumeist<br />

Politiker die Festrede halten: Denn<br />

schließlich gebe es im Verband ja auch<br />

Wissenschaftler, Topmanager und andere<br />

erfolgreiche Menschen. Eigentlich<br />

überraschend, dass er die Gruppe der<br />

Künstler unerwähnt lässt, ist der 57jährige<br />

doch ein passionierter „Opernund<br />

Musikfan“, der mit seinem wuscheligen<br />

Vollbart und der Nickelbrille<br />

durchaus als Kunstprofessor durchginge.<br />

Im Interesse des Rollenbildes der<br />

Jüngeren, führt er jedenfalls weiter aus,<br />

sollte man diese Vielfalt des Verbandes<br />

stärker betonen, womit wir bei den Themen<br />

„Jugend“ und Universitäten angelangt<br />

sind: „Die Universitäten sind<br />

heute viel zu verschult“, murmelt der<br />

leicht ergraute zweifache V<strong>at</strong>er und stellt<br />

bedauernd fest, dass „die Studenten zu<br />

sehr gezwungen sind, an diesem und<br />

jenem Pflichtseminar teil zu nehmen.“<br />

Das sei eine Fehlentwicklung, die die<br />

universitäre Freiheit beeinflusse. Freiere<br />

Studienpläne würden schließlich<br />

nicht die Leistung mindern. Denn wichtig<br />

sei lediglich, dass die Studenten Wissen<br />

erwerben: „Woher sie es haben kann<br />

den Unis ziemlich egal sein“ stellt er<br />

fest und schwelgt kurz in Erinnerungen<br />

an seine Studienzeit: „Ich habe einmal<br />

34<br />

ein ganzes Jahr lang nichts auf der Uni<br />

getan. Das war gut und wichtig.“<br />

Einer der Besten<br />

Heute ist er freilich der prominenteste<br />

zeitgenössische Erforscher der Quantenwelt<br />

– Vom „Förderungspreis der<br />

Stadt Wien für junge Wissenschafter“<br />

1975 bis zum höchsten Wissenschaftspreis<br />

der Bundesrepublik Deutschland<br />

2001 weisen eine Reihe von Auszeichnungen<br />

auf seine Bedeutung hin – und<br />

sofort wieder bei der Sache: „Die Ver-<br />

waschung zwischen Universität und<br />

Fachhochschulen ist schlecht. Wenn<br />

die Fachhochschulen von Forschung<br />

in kleinem Umfang reden und von akademischen<br />

Graden, dann ist das eine<br />

Fehlentwicklung.“ Auch unkonventionelle<br />

Ideen sind ihm in diesem Bereich<br />

nicht fremd: Warum soll man etwa Studien,<br />

die eine extreme Verschulung erfordern,<br />

nicht in den Fachhochschulbereich<br />

ausgliedern? Oder eine<br />

Grundausbildung auf der Fachhochschule<br />

anbieten, der eine wissenschaftliche<br />

Vertiefung auf der Universität<br />

folgt? Freilich müssten sich auch<br />

die Universitäten verstärkt positionie-<br />

ren, wobei das neue UOG eine große<br />

Chance biete. Ein großer Teil der Widerstände<br />

dagegen sei aus Missverständnissen<br />

heraus entstanden: „N<strong>at</strong>ürlich<br />

will ich keineswegs die Rückkehr<br />

zur Ordinarienuniversität, aber es ist<br />

schon ein Vorteil, wenn nicht mehr jede<br />

Entscheidung in Gremien gefällt wird.<br />

Die Entscheidungen sollen durch die<br />

Besten fallen!“<br />

In der Quantenphysik ist jedenfalls<br />

er, der in seiner Freizeit gerne „einfach<br />

so in der N<strong>at</strong>ur“ die Seele baumeln lässt,<br />

selbst einer der Besten. Und so wird<br />

er seit Jahren als „Mr. Beam“ durch die<br />

Medien gereicht, zu denen er ein gutes<br />

aber durchaus kritisches Verhältnis<br />

h<strong>at</strong>: „Wenn mich eine Zeitung<br />

fragt, ob das Beamen kommt, dann ist<br />

das eine dumme Frage. Man darf sich<br />

das nicht so vorstellen, wie es in Science<br />

Fiction-Filmen geschieht. Dann ist<br />

es nämlich nach wie vor reine Phantasie.“<br />

Wenn es allerdings um die Ebene<br />

der winzigsten Teilchen gehe, dann<br />

sei die Frage berechtigt und mit ja zu<br />

beantworten: „Wenn man es so darstellt<br />

ist das ok.“Aber leider habe es<br />

auch schon irreführende Medienberichte<br />

gegeben.


„Spukhafte Fernwirkung“<br />

Worum geht es also in diesem Forschungsbereich<br />

wirklich? Quantenmechanik<br />

beschäftigt sich mit der Erforschung<br />

der Eigenschaften von kleinsten<br />

Einheiten – etwa Photonen, Elektronen<br />

und Atomen. Anders als Objekte im täglichen<br />

Leben können beispielsweise<br />

zwei oder mehr Quantenobjekte – M<strong>at</strong>erie-<br />

oder Lichtteilchen mit Wellenn<strong>at</strong>ur<br />

– so miteinander verbunden werden,<br />

dass sie, unabhängig davon wie<br />

weit sie voneinander entfernt sind, bei<br />

Beobachtung die gleichen Eigenschaften<br />

aufweisen. Albert Einstein bezeichnete<br />

dieses Phänomen als „spukhafte<br />

Fernwirkung“, den Begriff der Verschränkung<br />

für dieses grundlegende<br />

quantenphysikalische Phänomen h<strong>at</strong><br />

Erwin Schrödinger eingeführt. Zeilinger:<br />

„Einstein h<strong>at</strong> gemeint: So verrückt<br />

kann die Welt nicht sein! Heute wissen<br />

wir, sie ist so verrückt.“<br />

Die Erfolge der Gruppe Zeilinger in<br />

der Grundlagenforschung im Bereich<br />

der experimentellen Quantenphysik<br />

können sich durchaus sehen lassen:<br />

❏ 1997 trägt Zeilinger als Kopf seiner<br />

Forschungsgruppe die weltweit erste<br />

Quantenteleport<strong>at</strong>ion, eine direkte<br />

Übertragung des Zustandes eines Lichtteilchens<br />

unter Überwindung von Zeit<br />

und Raum, ohne die Überwindung eines<br />

Weges von A nach B die Bezeichnung<br />

„Mr. Beam“ ein.<br />

❏ 1998 gelingt die erste Demonstr<strong>at</strong>ion<br />

der Verschränkung von mehr als<br />

zwei Teilchen (Greenberger-Horne-Zeilinger-Zustände),<br />

gewissermaßen die<br />

Erzeugung von Quanten-Drillingen und<br />

damit ein bemerkenswerter Beweis der<br />

Quanten-Nicht-Lokalität.<br />

❏ 1999 die Beobachtung von Quanteninterferenz<br />

für die bisher weltweit<br />

massivsten Objekte, sogenannte Fullerence<br />

(C60 und C70 Moleküle), und<br />

damit die bisher stärkste Ausweitung<br />

der Quantengrenze.<br />

❏ 1999 die erste t<strong>at</strong>sächliche Verschlüsselung<br />

einer Geheimnachricht<br />

durch Quantenkryptographie mit verschränkten<br />

Zuständen. Die Sicherheit<br />

dieser Verschlüsselung ist durch N<strong>at</strong>urgesetze<br />

gewährleistet.<br />

Kein Gottesbeweis<br />

Angesichts dieser wissenschaftlichen<br />

Erfahrungen im Grenzbereich stellt sich<br />

die Frage, ob noch Pl<strong>at</strong>z für Religiosität<br />

bleibt. Zeilinger: „Das ist eine interessante<br />

Frage. Aber es gibt viele Möglichkeiten,<br />

Gott mit einem physikalischen<br />

Weltbild in Einklang zu bringen. Ein<br />

Aspekt ist der, ob es ein persönlicher<br />

Gott sein muss, der direkt in das Geschehen<br />

eingreift. Vielleicht h<strong>at</strong> er ja<br />

nur das Werkl in Gang gebracht und<br />

schaut es sich jetzt an.“ Am Beginn der<br />

Welt könne man jedenfalls immer mit<br />

Gott ansetzen. Abgesehen davon, sei es<br />

eine „sehr gefährliche Sache“, einen<br />

Gottesbeweis antreten zu wollen:<br />

„Glaube ist mehr als das, was ich beweisen<br />

kann.“ Allgemein wären wir gut<br />

ber<strong>at</strong>en, viel weniger in Richtung der<br />

Beweisbarkeit zu gehen, so der Physiker,<br />

„denn wir wissen, dass die Welt<br />

nicht deterministisch ist. Das ist eine<br />

der interessantesten physikalischen Erkenntnisse<br />

des 20. Jahrhunderts.“ Also<br />

gibt es für den N<strong>at</strong>urwissenschaftler Zufälle?<br />

„Zufälle sind eine der Möglichkeiten<br />

für den Eingriff Gottes, der unseren<br />

Erkenntnissen nicht im Wege<br />

steht.“<br />

Das Gehirn arbeitet weiter<br />

Kann ein Mann, der sich tagtäglich<br />

mit solch hochphilosophischen und<br />

gleichzeitig n<strong>at</strong>urwissenschaftlichgrundsätzlichen<br />

Fragen beschäftigt, je<br />

abschalten? „Nein, abschalten kann<br />

man nicht wirklich: Wenn man in eine<br />

Sache so involviert ist, lässt sie einen<br />

nicht einfach los. Auch wenn man nicht<br />

daran denkt, arbeitet das Gehirn weiter.<br />

Und dann kommt einem eine Idee<br />

und man ist wieder voll drinnen.“ Dann<br />

kritzelt der Professor, der oft pro Woche<br />

mehr als zwei klassische Konzerte besucht,<br />

schon einmal das Programmheft<br />

voll: „Aber meine Frau wundert das<br />

nicht mehr, die h<strong>at</strong> sich schon daran<br />

gewöhnt.“ Neben klassischer Musik begeistert<br />

sich Zeilinger für Jazz, ebenfalls<br />

klassisch: „Dem europäischen ‚Modern<br />

Jazz’ kann ich nicht viel abgewinnen.“<br />

Jedes Mal wenn er bei Freunden in den<br />

USA ist, besuchen sie Jazzkeller mit kleinen<br />

Bands: „Das sind Musiker, die man<br />

gehört haben muss“ gerät er ins Schwärmen.<br />

Er selbst spielt ein wenig Cello<br />

und Kontrabass und h<strong>at</strong> früher selbst<br />

„Jazz gemacht“: „Ich habe mir eine<br />

Schallpl<strong>at</strong>te aufgelegt und dazu den<br />

Kontrabass gezupft.“ Er lacht. Und<br />

schaut aus wie ein Kunstprofessor aus<br />

den 1970er Jahren. Obwohl er eigentlich<br />

ein weltberühmter Quantenphysiker<br />

ist.<br />

35<br />

Porträt<br />

Dezember <strong>2002</strong>


Wirtschaft<br />

Die Entwicklung der Aktienmärkte<br />

in den letzten zweieinhalb Jahren h<strong>at</strong><br />

es uns in unrühmlicher Weise gezeigt:<br />

Es kann nicht immer bergauf gehen und<br />

das Wachstum ist ein knappes Gut. Spätestens<br />

seit dem Pl<strong>at</strong>zen der High-Tech-<br />

Blase im Frühjahr 2000 kann jeder Besitzer<br />

von Aktien oder Aktienfonds<br />

erahnen, dass es nach unten hin nur<br />

eine Grenze gibt: Die Nulllinie. Im Auftrag<br />

der Bundesregierung verkündet<br />

nun der Kapitalmarktbeauftragte Richard<br />

Schenz, dass der Wiener Börse durch<br />

eine neue, sta<strong>at</strong>lich geförderte Priv<strong>at</strong>vorsorge<br />

(„Zukunftsvorsorge“) mehr<br />

Volumen zugeführt werde. Dies sei auch<br />

bitter notwendig, denn „wir werden einen<br />

leistungsfähigen n<strong>at</strong>ionalen Kapitalmarkt<br />

zur optimalen Kapitalmarktversorgung<br />

unserer Wirtschaft<br />

dringend brauchen“, so Schenz.<br />

T<strong>at</strong>sächlich h<strong>at</strong>te die Bundesregierung<br />

in einem ihrer letzten Gewaltakte<br />

vor der Auflösung des N<strong>at</strong>ionalr<strong>at</strong>es<br />

die Einrichtung eines durch Steuergelder<br />

geförderten priv<strong>at</strong>en Zukunftsvorsorgemodells<br />

beschlossen, das allerdings<br />

einen Schönheitsfehler aufweist: die<br />

Anbieter des geförderten Zukunftsvorsorge-Modells<br />

werden nämlich verpflichtet,<br />

60 Prozent der eingezahlten<br />

36<br />

Rainer Wolfbauer, AW<br />

Eine Altern<strong>at</strong>ive für die Zukunft<br />

Während der ehemalige Generaldirektor der<br />

OMV, Richard Schenz, als ehrenamtlicher<br />

Regierungsbeauftragter für den Kapitalmarkt<br />

durch die Lande zieht und wieder<br />

einmal die Werbetrommel für den Börsepl<strong>at</strong>z<br />

Wien rührt, macht sich bei priv<strong>at</strong>en<br />

Aktienbesitzern nach wie vor Tristesse<br />

breit. Das Erfreuliche: Es gibt hierzulande<br />

Altern<strong>at</strong>iven!<br />

Kundengelder in österreichische Aktien<br />

oder Aktien ähnlich unterentwickelter<br />

Kapitalmärkte zu investieren<br />

und gleichzeitig eine hundertprozentige<br />

Kapitalgarantie auf die eingezahlten<br />

Gelder zu gewähren. Sogar dem laienhaften<br />

Betrachter wird dabei allerdings<br />

klar werden, dass es auch dem besten<br />

Aktien-Fondsmanager seriöserweise nur<br />

schwerlich gelingen wird, mit einer verpflichtenden<br />

Aktiengewichtung des<br />

(geographisch betrachtet) Nischenmarktes<br />

Österreich in Höhe von<br />

60 Prozent eine Garantie auf das eingesetzte,<br />

für die Zukunftsvorsorge angesparte<br />

Kapital abzugeben. Die Performance<br />

des österreichischen<br />

Aktienmarktes, der seit Beginn der 90er<br />

Jahre insgesamt keine 10 Prozent auf<br />

das Parkett gelegt h<strong>at</strong>, wird ein solches<br />

Produkt jedenfalls nicht zum großen<br />

Kassenschlager machen. Ein ähnliches<br />

Schicksal, wie es 1999 dem „Rohrkrepierer“<br />

– Pensionsinvestmentfonds beschieden<br />

war, scheint somit vorgezeichnet,<br />

weshalb – dem Vernehmen<br />

nach – bereits eifrig an einer Repar<strong>at</strong>ur<br />

des Zukunftsvorsorge-Modells gearbeitet<br />

wird.<br />

Hedge Fonds<br />

Ein übertriebener, rein wirtschaftlich<br />

orientierter P<strong>at</strong>riotismus kann sehr<br />

leicht zu einem Protektionismus verkommen,<br />

der den Bürgern dieses Landes<br />

mehr schadet als zum m<strong>at</strong>eriellen<br />

Wohl gereicht.<br />

Anst<strong>at</strong>t blind auf die Wunderwirkung<br />

österreichischer Aktien zum Zwecke der<br />

Altersversorgung zu vertrauen, sei hiermit<br />

der Wunsch an die zukünftige Bundesregierung<br />

herangetragen, einem bislang<br />

durch die österreichische<br />

Legisl<strong>at</strong>ive in weiten Teilen unentdeckten<br />

Gebiet der Altersvorsorge mehr<br />

Aufmerksamkeit und Billigung zuzuwenden:<br />

Dem weiten Feld der Altern<strong>at</strong>iven<br />

Investments. Genauer gesagt<br />

geht es um die lukr<strong>at</strong>iven Hedge Fonds,<br />

die bei Herrn und Frau Österreicher auf<br />

immer mehr Interesse treffen. Erstaunlich<br />

ist nämlich, dass das kleine Land<br />

Österreich in den letzten Jahren eine<br />

ungemein breite und intern<strong>at</strong>ional verglichen<br />

teilweise auch außerordentlich<br />

erfolgreiche Landschaft an vorwiegend<br />

dem Inland entstammenden Hedge<br />

Fonds hervorgebracht h<strong>at</strong>.<br />

Breite Diversifizierung<br />

Worin liegt der große Charme dieser<br />

Hedge-Fonds? Im Gegens<strong>at</strong>z zu herkömmlichen<br />

Anlageformen wie Aktien<br />

und Anleihen sind Hedge-Fonds bei<br />

der Veranlagung des ihnen zur Verwaltung<br />

überantworteten Kapitals nicht<br />

dazu gezwungen, innerhalb bestimmter<br />

fix vorgegebener Veranlagungsgrenzen<br />

unabhängig von der jeweiligen<br />

Marktlage Aktien oder Anleihen zu<br />

erwerben. Vielmehr sind Hedge Fonds<br />

-Manager in der Wahl ihrer Disposition<br />

in aller Regel weitgehend frei und<br />

lediglich der selbst auferlegten Investmentstr<strong>at</strong>egie<br />

unterworfen. Demgemäß<br />

können Hedge Fonds im Gegens<strong>at</strong>z zu<br />

herkömmlichen Investmentfonds von<br />

Finanzinstrumenten jeglicher Art Gebrauch<br />

machen und speziell auf innov<strong>at</strong>ive<br />

Finanzinstrumente wie Futuresund<br />

Optionengeschäfte und ähnliche<br />

Termingeschäfte setzen. Dieser im Prinzip<br />

recht simple Ans<strong>at</strong>z macht Hedge<br />

Fonds-Manager letztlich vollkommen<br />

unabhängig von einer rein positiven<br />

Entwicklung an den traditionellen Aktien-<br />

und Anleihenmärkten.<br />

Auf dieser Art konnte etwa der seit<br />

1996 erfolgreich an den intern<strong>at</strong>ionalen<br />

Märkten agierende österreichische


Hedge Fonds-Anbieter Quadriga mit seinem<br />

„Flagship“-Produkt, dem Genussschein<br />

der in Wien ansässigen und börsenotierten<br />

Quadriga AG in den<br />

vergangenen fünf Jahren für seine Investoren,<br />

zu denen mehrheitlich priv<strong>at</strong>e<br />

Anleger zählen, eine jährliche<br />

Durchschnittsrendite von mehr als 30<br />

Prozent p.a. erzielen und ließ damit hinsichtlich<br />

der Ertragszahlen jeden traditionellen<br />

Fondsmanager alt aussehen.<br />

Erreicht werden konnten solche Ergebnisse<br />

durch eine breite Diversifizierung<br />

des verwalteten Kapitals an mehr<br />

als 100 intern<strong>at</strong>ionalen Finanz- und Warenterminmärkten<br />

sowie durch den<br />

strikten Eins<strong>at</strong>z eines computergestützten<br />

Handelssystems, welches jegliche<br />

menschliche Emotion in den Investitionsentscheidungen<br />

ausschaltet.<br />

Verbesserte Risikostreuung<br />

Beeindruckend am Eins<strong>at</strong>z solcher<br />

Produkte ist jedoch nicht bloß die Möglichkeit,<br />

unabhängig von der positiven<br />

Marktstimmung an den globalen Finanzmärkten<br />

Gewinne zu erzielen, als<br />

vielmehr auch der Effekt, der durch den<br />

Eins<strong>at</strong>z dieses Instrumentes als Beimischung<br />

zu einem herkömmlichen Aktienportfolio<br />

erzielt werden kann: Wie<br />

insbesondere anhand der wissenschaftlich<br />

erwiesenen „Modernen Portfoliotheorie“<br />

nachgewiesen werden<br />

kann, an deren Erstellung der dafür mit<br />

dem Wirtschafts-Nobelpreis ausgezeichnete<br />

Amerikaner Harry Markowitz<br />

maßgeblich beteiligt war, reduziert ein<br />

Investment in Hedge Fonds das Risiko<br />

eines traditionellen Portfolios und erhöht<br />

gleichzeitig den Ertrag desselben<br />

signifikant. Aus diesem Grund eignen<br />

sich solche qualit<strong>at</strong>iv hochwertigen<br />

Hedge Fonds als ideale Mittel zur verbesserten<br />

Risikostreuung im Zusammenhang<br />

mit Aktieninvestments. Betrachtet<br />

man nun die heutzutage weit<br />

verbreitete Ansicht, wonach Investitionen<br />

in Aktien vielfach als die lukr<strong>at</strong>ivste<br />

langfristige Form der Zukunftsvorsorge<br />

angepriesen werden und<br />

mittlerweile eine ganze Finanzindustrie<br />

in vermehrtem Maße von diesem Leitgedanken<br />

lebt, so mag es umso mehr<br />

verwundern, dass Hedge Fonds in der<br />

offiziellen Betrachtungsweise nach wie<br />

vor ein mehr oder weniger kümmerliches<br />

Dasein fristen.<br />

An den nächsten Finanzminister sei<br />

somit der dringliche Appell gerichtet,<br />

sich im Sinne der langfristigen Sicherung<br />

der priv<strong>at</strong>en Vermögen und damit<br />

auch der inländischen Kaufkraft in vermehrtem<br />

Maße dem – zugegebenermaßen<br />

heiklen – Kapitel der Hedge<br />

Fonds zu widmen und deren Wert und<br />

Funktion in einem funktionierenden<br />

Kapitalmarkt anzuerkennen. Herr und<br />

Frau Österreicher würden es ihm langfristig<br />

danken!<br />

Der Autor<br />

Mag. Rainer Wolfbauer, AW, ist Vorstand<br />

der Quadriga Beteiligungs- und Vermögens<br />

AG.<br />

37<br />

Wirtschaft<br />

Dezember <strong>2002</strong>


Rezensionen<br />

„Wann`s dann aus wird sein...“<br />

Des Wieners Affinität zum Tod darf selbst für Westösterreicher<br />

als bekannt vorausgesetzt werden. Dies schlägt sich<br />

nicht nur in der Tradition der „schönen Leich“ nieder, die<br />

dem Wiener Totengräber seinen Namen gibt – Der Pompfinewara<br />

kommt ja von „pompes funebres“, was „feierliches<br />

Leichenbegräbnis“ heißt. Auch das Wiener Lied ist Zeugnis<br />

dieses innigen Verhältnisses, und nicht zuletzt die T<strong>at</strong>sache,<br />

dass der Wiener gemeinhin den Ruf eines lamoyanten<br />

Raunzers h<strong>at</strong>, der mit sich und der Welt als solches in<br />

der Regel mehr als unzufrieden ist – viel schlechter kann es<br />

also „wann`s dann aus wird sein“ auch nicht mehr werden.<br />

Sepp T<strong>at</strong>zels Buch „Wien stirbt anders“ nähert sich der<br />

Frage nicht in einer psychologischen<br />

Abhandlung sondern voll beißendem<br />

Spott und Ironie. Das entspricht seinem<br />

Metier: Er ist Kabarettautor und<br />

Regisseur, wo auch das Buch seinen Ursprung<br />

h<strong>at</strong>.<br />

T<strong>at</strong>zel: „Vor etwa 20 Jahren schrieb<br />

ich für den SIMPL einen größeren Szenenblock<br />

zum Thema ‚Pompes funèbres’<br />

. In einer Leichenhalle war ein unbekannter<br />

Durchschnittswiener<br />

aufgebahrt, von dem sich nun eine Reihe<br />

prominenter Künstler (vom Ensemble<br />

dargestellt) verabschiedete, etwa<br />

Ludwig Hirsch in einer Parodie auf eines<br />

seiner grauen Lieder. Mit dieser Erfolgsnummer<br />

wurde ich plötzlich zum<br />

Spezialisten für vorwiegend wienerische<br />

Leichengesänge. Immer wieder<br />

tauchte jemand auf, der einen einschlägigen Textbeitrag von<br />

mir wollte, und ich selbst schrieb auch für meine eigenen<br />

Programme bei Bedarf solche Nummern; etwa in meiner<br />

Rundfunkreihe ‚Turnier auf der Schallaburg’. 1991 schrieb<br />

ich für den Kabarettisten Walter Schreiber ein Soloprogramm<br />

‚All´weil traurig, fad und z´wider’, in dem n<strong>at</strong>ürlich auch ein<br />

paar Todesnummern vorkamen. Schon ein Jahr später folgte<br />

ein zweites Programm, das vom alten sämtliche dieser<br />

Nummern übernahm und unter dem Motto ‚Wien stirbt anders’<br />

zu einem neuen Programm erweitert wurde. Nach meinem<br />

ORF-Abgang als freier Mitarbeiter, sondierte ich mon<strong>at</strong>elang<br />

ganze Stöße von herumliegenden Manuskripten<br />

und kam dabei auf die Idee, zu diesem Thema nun auch ein<br />

Buch zu verfassen. Ein vorwiegend kabarettistisches.“<br />

Und wie beurteilt der Autor die Affinität des Wieners zum Tod?<br />

T<strong>at</strong>zel: „Über die Affinität des Wieners zum Tod wurden<br />

schon viele Bücher geschrieben, vielleicht auch psycholo-<br />

38<br />

gische Dissert<strong>at</strong>ionen, und viele Vorträge gehalten, in denen<br />

manchmal auch der Begriff ‚Todessehnsucht’ vorkommt.<br />

Der wäre in jedem Falle falsch. Von Einzelpersonen, wie etwa<br />

Kaiserin Elisabeth im gleichnamigen Musical abgesehen, erscheint<br />

der Tod dem Wiener aufgrund der phlegm<strong>at</strong>ischen<br />

Komponente seines Volkscharakters vielleicht nicht so arg<br />

wie einem Kölner, einem Römer oder einem Pariser, aber<br />

Sehnsucht nach dem Tod h<strong>at</strong> er keine. Er ist ja andererseits<br />

als besonders lustig und gemütlich bekannt. Andere Charaktereigenschaften<br />

wie grantig sein, raunzen, nörgeln, alles<br />

schwarz sehen, sich immer von der Welt, dem Schicksal<br />

und der Gemeinde Wien vernachlässigt fühlen, schwächen<br />

ebenfalls die weltweit verbreitete Angst der meisten Menschen<br />

vor dem Tod etwas ab. Zwischen den Extremen, dass<br />

eigentlich alles furchtbar und entsetzlich wäre, man andererseits<br />

aber nie wissen könne, ob das alles<br />

auch wahr ist, pendelt das Gemüt des Wieners<br />

hin und her. Der Wiener liebt auch seit<br />

je das äußere Gepränge und die Großartigkeit<br />

der meist aus der großen Vergangenheit<br />

stammenden Traditionen. Den Opernball<br />

verfolgt er auf dem Bildschirm, an<br />

manchem prunkvollen Begräbnis kann er<br />

aber teilnehmen, womit die Freude an einer<br />

beliebigen ‚schönen Leich´’ Einfluss auf<br />

den Wunsch nimmt, es einmal auch so<br />

schön zu haben. Das lässt nun den Schluss<br />

zu, dass Menschen, denen der Glanz der<br />

Vergangenheit schöner erscheint als der gegenwärtige<br />

Alltag und die von der Zukunft<br />

nicht allzu viel erwarten, auch ein wenig<br />

immer noch in dieser Vergangenheit leben.<br />

Sie sind also dem ‚Was-einmal-war’ näher<br />

als dem ‚Was-einmal-sein-wird.’ Und dieses<br />

‚Was-einmal-war’ ist zwangsläufig ohnehin schon tot,<br />

oder ‚wird es nimmer lang machen.’ ‚Zeigt sich der Tod einst<br />

mit Verlaub’ ist ein nicht abzuwendender Augenblick. ‚Brüderlein<br />

fein, einmal muss geschieden sein’ und ‚Glücklich<br />

ist, wer vergisst, was doch nicht zu ändern ist’ sind klassische<br />

Beispiele, denen unzählige volkstümliche folgen. Im<br />

Wienerlied – so kitschig und schmalzig es manchmal sein<br />

kann – spiegelt sich die Wiener Seele am deutlichsten. Und<br />

daran h<strong>at</strong> der Tod einen nicht unerheblichen Anteil, zeigt<br />

sich aber eher als Freund, der einem die noch bevorstehenden<br />

Scherereien wenigstens erspart.“<br />

Paul Hefelle, F-B, BbG<br />

Wien stirbt anders. Mit den "Seitentotenblicken"<br />

auf den Zentralfriedhof<br />

Ein Nachruf auf die Zukunft dieser Stadt – S<strong>at</strong>ire<br />

ISBN 3-85052-146-X, Euro 19,-, Verlag Ibera <strong>2002</strong>


Fritz Kofler, F-B, BbG<br />

Aus dieser kurzen Zeit wurde ein<br />

mehrjähriger Aufenthalt und der Entschluss<br />

an einer der berühmtesten intern<strong>at</strong>ionalen<br />

Kunsthochschulen „Parsons<br />

School of Design” Fotographie zu<br />

studieren. Fotokunst wurde für Hermann<br />

Burgstaller, BbG, Beruf, Berufung<br />

und Lebenserfüllung.<br />

Nach den Lehrjahren in Paris ging er<br />

nach New York , und beendete bei der<br />

Zentrale dieser Kunsthochschule sein<br />

Studium mit dem „Bachelor of fine arts”<br />

(BfA).<br />

Besondere Faszin<strong>at</strong>ion bedeutet für<br />

ihn die klassische Landschaftsfotographie<br />

und das Stilleben.<br />

Fotokunst ist für ihn mehr als der<br />

„kleine Bruder der Malerei” . Sie ist für<br />

ihn eine Schule des Sehens und der Impression.<br />

Seit 1999 lebt Hermann Burgstaller<br />

wieder in seiner Heim<strong>at</strong> und h<strong>at</strong><br />

sich ein kleines Kunstfotostudio in Graz<br />

eingerichtet. Kunstexperten des Grazer<br />

Joanneums sind bereits auf ihn aufmerksam<br />

geworden.<br />

Jetzt bereitet er für nächstes Jahr, in<br />

dem Graz die Kulturhauptstadt Europas<br />

ist, seine erste große Ausstellung vor.<br />

Aber auch Menschenbilder faszinieren<br />

ihn und so möchte er in den nächsten<br />

Jahren ebenfalls in Graz ein Porträtstudio<br />

etablieren.<br />

Nach der Volks- und Hauptschule, der<br />

Absolvierung der HTL in Pinkafeld und<br />

dem Präsenzdienst beim Bundesheer<br />

war ihm klar, dass er jeden Groschen für<br />

sein Studium selbst verdienen muss.<br />

T<strong>at</strong>sächlich h<strong>at</strong> er während seiner Studienzeit<br />

auch keinerlei Zuschüsse oder<br />

Stipendien erhalten. Sein Studium h<strong>at</strong><br />

er durch Arbeit bei diversen Werbeagenturen<br />

in Deutschland finanziert.<br />

Bei einem fünfwöchigen Aufenthalt<br />

in Nord-Chile h<strong>at</strong> er in einer kargen felsigen<br />

und wüstenähnlichen Bergregion<br />

Bilder von herber Schönheit und<br />

Einzigartigkeit gemacht, die den<br />

Schwerpunkt seiner ersten großen Ausstellung<br />

bilden sollen.<br />

Die m<strong>at</strong>eriellen Voraussetzungen für<br />

seine künstlerische Arbeit will er durch<br />

professionelle Fotoarbeit schaffen: Ab<br />

dem kommenden Jahr wartet er mit einem<br />

besonderen Leistungsangebot auf:<br />

Außen- und Studioaufnahmen jeder<br />

Art (Gebäude, Personen, Landschaften<br />

und Stilleben), wobei sein bevorzugtes<br />

Aufnahmeform<strong>at</strong> eine 4 x 5 inch Großbildkamera<br />

ist.<br />

Hermann Burgstaller lässt aber keinen<br />

Zweifel aufkommen: Bei all den Plänen<br />

darf die Kunst nicht zu kurz kommen,<br />

denn sie prägt und erfüllt sein<br />

Leben.<br />

39<br />

Kultur<br />

Foto-Kunst als Berufung und Lebenserfüllung<br />

Der Drang nach der großen, weiten<br />

Welt führte den damals 23 jährigen<br />

Steirer 1991 zunächst nach<br />

Paris: Der Grazer Telem<strong>at</strong>ikstudent<br />

wollte ein Semester lang<br />

Französisch lernen.<br />

Hermann Burgstaller:<br />

Fotokunst als Beruf, Berufung<br />

und Lebenserfahrung<br />

Dezember <strong>2002</strong>


Kurz notiert<br />

Weihnachtsmann contra Christkind – 1 : 0<br />

Wenn man im Internet über die<br />

großen Suchmaschinen den Begriff<br />

„Weihnachtsmann“ abfrägt, erhält man<br />

138.000 Treffer, Santa Claus liegt mit<br />

133.000 Hits fast gleich auf.<br />

Das Christkind liegt mit 19.200<br />

Zählern bereits weit abgeschlagen und<br />

das Christkindl bringt es bei google nur<br />

auf lumpige 5.280 Treffer. (Neugierig<br />

geworden versucht der Autor auch noch<br />

den französischen Père Noël und siehe<br />

da, er bringt es auf 146.000 Treffer.)<br />

In den 70er Jahren war das noch anders.<br />

Damals brachte – so der „Wort<strong>at</strong>las<br />

der deutschen Umgangssprachen“<br />

– im<br />

Norden und Nordosten<br />

des deutschen<br />

Sprachraumes der<br />

Weihnachtsmann<br />

die Geschenke. Ab<br />

dem Rhein beherrschte<br />

dann das<br />

Christkind die weihnachtliche<br />

Szene, selbstverständlich<br />

auch in Österreich<br />

und der deutschsprachigen Schweiz<br />

(wobei auch in einigen Kantonen ein<br />

Weihnachtskind, bzw. ein Weihnachtskindlein<br />

für den Geschenktransport<br />

sorgte). In der italienischen<br />

Schweiz war es ein Bambino Gesù, in<br />

der französischen Schweiz war die Sache<br />

nicht so klar. Neben dem Père Noël<br />

wirkte im Jura sogar eine Dame de Noël,<br />

im k<strong>at</strong>holischen Fribourg war jedoch<br />

auch ein Enfant Jésus im Eins<strong>at</strong>z. Mit<br />

Umweg über die USA – vor allem auch<br />

Dank des rotgewandeten Coca-Cola-<br />

Santa Claus<br />

– kehrte der<br />

ursprünglich<br />

europäische<br />

Nikolaus bzw.<br />

Weihnachtsmann<br />

transformiert<br />

wieder in unsere Brei-<br />

40<br />

ten zurück und ist durchaus erfolgreich<br />

dabei, dem biederen Christkind das<br />

Weihnachtsgeschäft streitig zu machen.<br />

(Dieses Phänomen gilt interessanterweise<br />

nicht nur für den deutschen<br />

Sprachraum, auch die Engländer, die<br />

sich die Geschenke traditionell vom „F<strong>at</strong>her<br />

Christmas“ bringen ließen, bedauern<br />

heute bereits die Amerikanisierung<br />

durch den allgegenwärtigen Santa<br />

Claus).<br />

Hinter diesem Globalisierungs-Import<br />

steckt mehr als nur Geschäftstüchtigkeit<br />

einerseits sowie Kultur- und<br />

Identitätsverlust auf der anderen Seite.<br />

Auch der Verlust an religiöser<br />

Substanz hilft<br />

kräftig mit, das religiös<br />

determinierte<br />

Jesus– bzw. Christkind<br />

durch den<br />

neutralen wohlbeleibt-jovialen<br />

Weihnachtsmann<br />

zu ersetzen.<br />

Ein vor zwei Jahren in<br />

Innsbruck gegründeter Verein<br />

„Pro Christkind“ bekennt sich in seinen<br />

St<strong>at</strong>uten ausdrücklich zur „Unterstützung<br />

der aus dem christlichen Glauben<br />

gewachsenen Tradition des<br />

Christkinds“ – dennoch scheint der<br />

ungleiche Kampf bereits verloren,<br />

denn auch viele traditionelle<br />

Unternehmen<br />

setzen in ihrer Werbung<br />

heute wesentlich<br />

stärker auf den<br />

Weihnachtsmann<br />

als auf das altmodisch<br />

und bieder<br />

empfundene Christkind.<br />

Kleber mit dem Aufdruck„Weihnachtsmann<br />

– nein danke“ werden<br />

daran nichts ändern.<br />

Herbert Kaspar, Am<br />

Jeder Will<br />

Jeder will<br />

das Heil der Welt<br />

doch fehlt es dafür<br />

stets an Geld<br />

Jeder fordert<br />

seinen Teil<br />

und sieht im Eigentum<br />

sein Heil<br />

Für and’res bleibt<br />

daher kein Geld<br />

das Heil der Welt<br />

wird abbestellt.<br />

Dietmar Füssel<br />

h<strong>at</strong> bereits mehrere Bücher publiziert,<br />

darunter einen Lyrikband „Unterwegs“,<br />

den Roman „Rindfleisch“ und die<br />

Komödie „Die Ermordung Caesars“<br />

Nestroypreis<br />

Ab 17. Dezember kann<br />

man im Wiener The<strong>at</strong>ermuseum<br />

bereits den von<br />

Claus Peymann zurückgegebenen<br />

Nestroy-Preis (NE-<br />

STROY – Der Erste Wiener<br />

The<strong>at</strong>erpreis) mit samt aller<br />

dazugehörenden Dokumenten<br />

sehen. Auch André Hellers<br />

dreiste Wahlrede – (un)verschämt<br />

als Laud<strong>at</strong>io bezeichnet<br />

– kann dort bewundert<br />

werden. Es ist tröstlich zu sehen,<br />

wie kurzlebig diese Aktion schließlich<br />

war, die noch vor wenigen Wochen<br />

der große kulturelle Aufreger war. Angesichts<br />

der dram<strong>at</strong>isch veränderten politischen<br />

Landschaft in Österreich werden<br />

sich vielleicht auch André Heller<br />

und Claus Peymann fragen, ob sie nicht<br />

mit diesem überdrehten Aktionismus<br />

ihrer Sache eher geschadet haben.<br />

Apropos Aktionismus. Die beiden Salon-Protestierer<br />

(„ich nehme den Preis<br />

an, ... ich gebe den Preis zurück!) sind<br />

ihrem Lieblingsfeindbild Jörg Haider formal<br />

so unähnlich nicht („ich bin schon<br />

weg, ... ich bin wieder da“) und beide<br />

verbindet auch eine extrem intolerante<br />

Geisteshaltung. Herbert Kaspar, Am


niederösterreich. wir haben noch viel vor.<br />

1000 tage<br />

nö fitnessprogramm!<br />

Über 430 Millionen Euro für unsere Zukunft.<br />

q<br />

Unternehmungslust und Stolz auf Erreichtes auch<br />

in den selbstbewussten Blicken der jüngsten Niederösterreicher.<br />

In den letzten drei Jahren konnten<br />

wir dank des NÖ Fitnessprogramms mehr als 140<br />

besonders zukunftsträchtige Projekte realisieren<br />

oder zumindest starten. 430 Millionen Euro für die<br />

Zukunft Niederösterreichs. Auf geht’s: Wir haben<br />

noch viel vor.<br />

Jetzt um 5 Jahre verlängert!<br />

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Kultur<br />

42<br />

Georg Kastner, Am<br />

Geschüttelt, nicht gerührt<br />

Ein Blackjacktisch in einem Casino. „Ich<br />

bewundere ihr Glück, Mister ...?“ – „Bond –<br />

James Bond!“ Der berühmteste Spion der<br />

Welt h<strong>at</strong>te sich soeben vorgestellt.<br />

Am 5. Oktober 1962 fiel in einem Londoner<br />

Kino erstmals einer der berühmtesten<br />

Sätze der Filmgeschichte.<br />

Seit 40 Jahren rettet der Meisterspion<br />

mit der legendären Erkennungsnummer<br />

die Welt, liebt schöne Frauen<br />

und trinkt geschüttelte und nicht<br />

gerührte Martinis. 1962 ahnte wahrscheinlich<br />

niemand, dass gerade die erfolgreichste<br />

Filmserie aller Zeiten gestartet<br />

wurde. Erst mehr als drei Mon<strong>at</strong>e<br />

später, am 25. Jänner 1963, kam „Dr.<br />

No“ in die deutschen Kinos und Amerika<br />

eroberte der smarte Brite überhaupt<br />

erst ab dem 8. Mai 1963.<br />

Dabei begann alles schon acht Jahre<br />

früher. Das erste Mal erschien der<br />

Agent im Geheimdienst ihrer Majestät<br />

in einem 48-minütigem TV-Film im<br />

Jahre 1956 im Rahmen der amerikanischen<br />

Fernsehserie „Climax Mystery<br />

The<strong>at</strong>er“. Angeblich war das beste an<br />

dieser in Österreich nie gezeigten Episode<br />

der Bösewicht: Peter Lorre, unvergessener<br />

Charlie Chan und Spezialist<br />

für die Darstellung geistig abnormer<br />

Rechtsbrecher.<br />

Erfunden wurde 007 von Ian Fleming,<br />

was als allgemein bekannt vorausgesetzt<br />

werden darf. Weniger bekannt<br />

ist wahrscheinlich, dass der Autor<br />

im 2. Weltkrieg selbst beim Geheimdienst<br />

tätig war. Wie sein Romanheld<br />

bekleidete er den Rang eines Commanders<br />

bei der Royal Navy. 1964 starb<br />

Fleming im Alter von 56 Jahren an einem<br />

Herzinfarkt.<br />

Für die Handlungen der Bondfilme<br />

war er jedoch kaum verantwortlich. Verschiedenste<br />

Drehbuchautoren veränderten<br />

seine Stories so sehr, dass meist<br />

nur mehr Titel und Charaktere übrig<br />

blieben, so lange bis 1987 selbst diese<br />

Quelle erschöpft war.<br />

Bevor Sean Connery 1962 die berühmt<br />

gewordenen Worte erstmals sprechen<br />

durfte, h<strong>at</strong>te er sich gegen eine beachtliche<br />

Konkurrenz durchzusetzen.<br />

Die erste Wahl war Hollywoodlegende<br />

Cary Grant. Er wollte sich jedoch nicht<br />

für mehrere Filme binden. Dann liebäugelten<br />

die Produzenten mit einer Reihe<br />

von Schauspielern, darunter so klingende<br />

Namen wie Richard Burton, James<br />

Stewart und David Niven. Letztendlich<br />

entschloss man sich für den jungen<br />

Schotten, der außer ein paar Nebenrollen<br />

nicht viel vorzuweisen h<strong>at</strong>te.<br />

Nach dem Erfolg von „Dr. No“ ging<br />

es Schlag auf Schlag: 1963 h<strong>at</strong>ten „Liebesgrüße<br />

aus Moskau“ Premiere, 1964<br />

folgte „Goldfinger“, für manche bis heute<br />

der beste Film der Reihe. Nach „Feuerball“<br />

1965 und „Man lebt nur zweimal“<br />

1967 h<strong>at</strong>te Connery fürs erste<br />

genug. Der Australier George Lazenby<br />

erhielt die Chance seines Lebens, die<br />

er jedoch schon in den ersten fünf Minuten<br />

des Films in den Sand setzte. Kritiker<br />

und Fans waren sich in der Ablehnung<br />

seiner Person einig, lediglich die<br />

amerikanische Auslandspresse nominierte<br />

ihn für den Golden Globe als bester<br />

männlicher Newcomer. 1971 kehrte<br />

Connery noch einmal zurück um in<br />

„Diamantenfieber“ abermals den Superspion<br />

zu verkörpern. Danach nahm<br />

er vorläufig seinen Hut und räumte das<br />

Feld für die nächste Ära in der Geschichte<br />

von 007.<br />

Damit ging auch die Karriere des<br />

übermächtigen Syndik<strong>at</strong>schefs Blofeld<br />

zu Ende, der bis dahin hinter fast allen<br />

Schurkereien steckte, die James Bond<br />

und die Welt erzittern ließen.<br />

1973 übernahm der Engländer Roger<br />

Moore den Part des Geheimagenten.<br />

Sein Gegner war in jedem Film ein anderer<br />

Oberbösewicht, der am Ende des<br />

jeweiligen Epos von Bond höchstpersönlich<br />

wirksam zur Strecke gebracht<br />

wurde. Am Anfang seines fünften Abenteuers<br />

war es Roger Moore auch noch bestimmt<br />

den mittlerweile fast harmlos im<br />

Rollstuhl sitzenden Blofeld endgültig in<br />

einem Londoner Fabrikschlot zu versenken.<br />

Was Moores Unterschied zu Connery<br />

ausmachte, war sein unerschütterlicher<br />

Humor und eine gewisse Ironie, die er<br />

Bond angedeihen ließ. Als er zum Beispiel<br />

in „Moonraker“ in ziemlicher Bedrängnis<br />

von seiner Gespielin gefragt<br />

wurde: „Kennst Du diesen Mann?“<br />

meinte er nur trocken: „Nicht gesellschaftlich.<br />

Er heißt Beißer und so benimmt<br />

er sich auch!“<br />

1985 stand Moore zum siebenten und<br />

letzten Mal in seiner Paraderolle vor der<br />

Kamera, er hörte auf als ihn die Fans verächtlich<br />

als 0070 bezeichnet h<strong>at</strong>ten.<br />

Vom kurzen Intermezzo des ihm folgenden<br />

Walisischen Shakespearemimen<br />

Timothy Dalton, der es auf zwei Einsätze<br />

als James Bond brachte, ist nur zu erwähnen,<br />

dass ihn einer davon nach<br />

Wien führte, wo das Drehteam – Zilk<br />

sein Dank – mehr als hofiert wurde. Ansonsten<br />

sei über seine Leistungen besser<br />

der Mantel des Schweigens gehüllt.<br />

Nach sechs Jahren Pause übernahm<br />

schließlich Pierce Brosnan jene Rolle,<br />

für die ihn die Produzenten schon 1987<br />

als Moore-Nachfolger haben wollten.<br />

Dass der urbritische Spion von einem<br />

Iren dargestellt wird, ist zwar ein Anachronismus<br />

in sich, den Fans scheint<br />

es jedoch zu gefallen.<br />

Neben den mittlerweile 20 regulären


Bondfilmen (inklusive des neuesten<br />

Werkes mit dem Titel „Stirb an einem<br />

anderen Tag“) gab es noch zwei Filme<br />

die nicht zur Reihe gezählt werden. „Casino<br />

Royale“ 1967 war eine Bondparodie<br />

ohne wirkliche Handlung dafür<br />

mit umso mehr kurz ins Bild kommenden<br />

Weltstars: Zu erwähnen sind<br />

Orson Wells, Ursula Andres, Jean Paul<br />

Belmondo, Woody Allen, Deborah Kerr,<br />

William Holden, John Houston und<br />

n<strong>at</strong>ürlich David Niven, der hier doch<br />

noch James Bond sein durfte.<br />

Und dann gab’s auch noch „Sag niemals<br />

Nie“. 1983 konnte Sean Connery<br />

ein letztes mal für die Rolle, die ihn<br />

berühmt gemacht h<strong>at</strong>te, gewonnen<br />

werden. Ein Remake des vierten Bondfilmes<br />

„Feuerball“. Den Bösewicht spielte<br />

mehr als überzeugend Burgschauspieler<br />

Klaus Maria Brandauer.<br />

Er war bei weitem nicht der einzige<br />

Schauspieler deutscher Zunge, der am<br />

Versuch scheiterte, James Bond zu eliminieren.<br />

Auch Gert Froebe als Goldfinger,<br />

Curd Juergens in „Der Spion der mich<br />

liebte“ und Gottfried John in „Goldeneye“<br />

waren überzeugende Verbrechercharaktere.<br />

Weitere intern<strong>at</strong>ionale Topstars<br />

wie Telly Savallas, der Franzose Louis<br />

Jordan, die Horrorspezialisten Donald<br />

Pleasence oder Dracula Christopher Lee<br />

gehörten zu den prominenten Darstellern<br />

der Gegner von 007.<br />

Weit weniger prominent waren die<br />

so genannten Bondgirls. Diana Rigg,<br />

Ursula Andres, Sophie Marceau und Oscar-Preisträgerin<br />

Halle Berry im neuesten<br />

Streifen bilden zwar die rühmli-<br />

chen Ausnahmen, ansonsten fielen die<br />

Damen an der Seite Bonds später eher<br />

durch große Skandale und weniger<br />

durch ihr filmisches Schaffen auf, so sie<br />

nicht gänzlich im Sumpf der B-Movies<br />

verschwanden.<br />

Entgegen der landläufigen Meinung<br />

heimsten die Bondfilme anerkannte<br />

Preise ein: Neun Nominierungen für<br />

den Golden Globe brachten eine Gewinnerin,<br />

nämlich Ursula Andres für<br />

ihre Darstellung in „Dr. No.“ Bei den<br />

Oscars war man noch erfolgreicher:<br />

zehn Nominierungen, davon gleich drei<br />

für „Der Spion der mich liebte“ und<br />

zwei t<strong>at</strong>sächlich gewonnene Auszeichnungen<br />

für die besten Toneffekte in<br />

„Goldfinger“ und die besten Bildeffekte<br />

in „Feuerball“.<br />

Aber auch der Razzie Award, die goldene<br />

Erdbeere, die für die schlechtesten<br />

Leistungen im Film jeweils einen Tag<br />

vor dem Oscar vergeben wird, machte<br />

vor den Bondfilmen nicht halt: Drei<br />

Nominierungen und eine Verleihung<br />

an Denise Richards für ihre Darbietung<br />

in „Die Welt ist nicht genug“.<br />

Und wer war James Bond wirklich?<br />

Laut Ian Fleming übernahm er den Namen<br />

von einem Buchtitel: „Über die Vogelwelt<br />

in der Karibik, von James Bond.“<br />

Weitere bekannte und weniger bekannte<br />

Fakten aus 40 Jahren James<br />

Bond: Geboren 1926, ist er seit seinem<br />

11. Lebensjahr ein Waisenkind. Seine<br />

Mutter war übrigens Schweizerin.<br />

Die englische Fernsehserie „The Avangers“,<br />

bei uns bekannt als „Mit Schirm<br />

Charme und Melone“ steuerte gleich<br />

drei Schauspieler für das 007-Team bei:<br />

Honor Blackman, die erste Partnerin von<br />

„John Steed“ P<strong>at</strong>ric Macnee, der selbst<br />

bei „Im Angesicht des Todes“ Agentenkollege<br />

von 007 war, wurde Connerys<br />

Gespielin in Goldfinger. Ihre Nachfolgerin<br />

in der Serie, Diana Rigg, die legendäre<br />

Emma Peel, durfte Bond als einzige<br />

sogar heir<strong>at</strong>en um dann auf dem<br />

Weg in die Flitterwochen von Blofeld<br />

erschossen zu werden.<br />

Bonds größte Stütze, der Supererfinder<br />

Q wurde von Desmond Llewelyn<br />

dargestellt. Dieser gab zu, sich nicht einmal<br />

mit seinem Handy auszukennen.<br />

Er verstarb 1999 mit 87 Jahren bei einem<br />

Autounfall.<br />

Bonds Fuhrpark kann sich sehen lassen:<br />

Rolls Royce, Aston Martin, Lotus<br />

Esprit, BMW Z3, 750 und Z8, aber auch<br />

Citroen 2CV und Peugeot wurden im<br />

Dienst meist vernichtet.<br />

Die Wiener Fans der Doppelnull<br />

gehörten jahrelang zu den Privilegiertesten.<br />

Bevor Bond auch das Fernsehen<br />

eroberte, liefen erst im Kolosseum 2 und<br />

später in einem Saal des Elite Kinos ausschließlich<br />

Bondfilme.<br />

Seit Bond von Brosnan dargestellt<br />

wird, h<strong>at</strong> sich auch das Kommandoteam<br />

in der Zentrale des britischen MI6 verändert.<br />

Bond h<strong>at</strong> eine Chefin, gespielt<br />

von Oscar-Preisträgerin Judi Dench. Und<br />

auch ihre von Bond immer wieder hofierte<br />

Sekretärin Miss Moneypenny h<strong>at</strong><br />

ein neues Gesicht. Diese Dame h<strong>at</strong> allerdings<br />

mit den Filmen mehr gemein<br />

als alle anderen. Ihr Name ist nämlich<br />

wirklich Bond – Samantha Bond.<br />

43<br />

Kultur<br />

In den 60er Jahren<br />

kam James Bond<br />

sogar als Comic<br />

heraus, wobei der<br />

Zeichner sich<br />

Sean Connery als<br />

Vorbild nahm und<br />

auch die Story<br />

„Casino Royale“<br />

zeichnete, die ja<br />

als echter Bondfilm<br />

nie realisiert<br />

wurde.<br />

Dezember <strong>2002</strong>


Kultur<br />

40 Jahre und kein bisschen leise<br />

Nicht nur James Bond sondern auch die<br />

Stones kommen in die Jahre.<br />

Eine Rarität unter<br />

Sammlern:<br />

Eintrittskarte zu<br />

einem Rolling<br />

Stones-Konzert in<br />

der Stadthalle vor<br />

29 Jahren<br />

Sir Paul McCartney feierte diesen<br />

Sommer seinen 60er, Alt-Rocker Chuck<br />

Berry ist gar schon 75 und auch andere<br />

Rock-Größen wie F<strong>at</strong>s Domino (73)<br />

Bo Diddley (73), James Brown (69) und<br />

Little Richard (70) haben Anspruch auf<br />

die Rock-Rente. Dagegen machen sich<br />

Mick Jagger (seit heuer eigentlich „Sir<br />

Mick“) und seine Stein-Zeitbrüder fast<br />

jugendlich aus. Dennoch h<strong>at</strong> auch diese<br />

Truppe bereits<br />

40 Bühnenjahre auf<br />

dem Rücken. Im Unterschied zu anderen<br />

Gruppen dieser Zeit rocken sie noch<br />

heute und verstehen damit ihr Publikum,<br />

das bereits drei Gener<strong>at</strong>ionen um-<br />

Rezension Von Absinth bis Zabaione<br />

44<br />

Jeder weiß, was eine<br />

„Bloody Mary“ ist, und<br />

dass der Verzehr eines „Hot<br />

Dog“ nichts mit Nachbars<br />

Hund zu tun h<strong>at</strong> darf man<br />

auch als bekannt voraussetzen.<br />

Aber warum heißt<br />

die „Bloody Mary“ so, und<br />

was h<strong>at</strong> ein Frankfurterwürstel<br />

im Stangerl mit einem<br />

Hund zu tun? Warum<br />

heißen bestimmte<br />

Heringe nach dem Reichs-<br />

spannt, zu begeistern. Keine schwache<br />

Leistung, in Zeiten, in denen die Kurzlebigkeit<br />

von Pop-Gruppen zur Marketingmaxime<br />

erhoben scheint.<br />

Damals, in den 60er Jahren, als so viele<br />

legendäre Bands (wie zum Beispiel<br />

auch The Who oder die Kinks) entstanden,<br />

spitzte sich der musikalische<br />

Wettstreit sehr bald auf zwei dominierende<br />

Gruppen zu: die Be<strong>at</strong>les und die<br />

Rolling Stones. Während die Be<strong>at</strong>les –<br />

aus dem provinziellen Arbeitermilieu<br />

Liverpools stammend – ursprünglich die<br />

bösen Buben waren, rekrutierten<br />

sich die Stones<br />

aus der urbanen<br />

Mittelschicht Londons.<br />

Mick Jagger studierte<br />

immerhin an<br />

der renommierten<br />

London School of<br />

Economics und wäre<br />

heute wahrscheinlich ein City-Banker<br />

im Nadelstreif, der sich auf seine Pension<br />

freut, hätte es ihn nicht zur Musik<br />

verschlagen. Die Marketingstr<strong>at</strong>egien<br />

verlangten allerdings klare Positionierungen<br />

in der Popwelt, weshalb die Be-<br />

kanzler Bismarck, weshalb ein mit<br />

Schinken und Käse gefülltes Schnitzel<br />

„cordon bleu“? Und was, bitte schön,<br />

h<strong>at</strong> die fast-food-Kette Mc Donald`s mit<br />

der Hansestadt Hamburg am Hut, dass<br />

sie ihre gefüllten Laberln nach deren<br />

Bewohnern benennt? Was sind Absinth<br />

und Zabaione, die diesem Buch seinen<br />

Namen gaben?<br />

Fragen über Fragen, auf das dieses<br />

Buch von Hannes Bertschi und Marcus<br />

Reckewitz Antworten gibt. In über 80<br />

kurzen und heiteren Geschichten er-<br />

<strong>at</strong>les, die auch ihren Fans die Story vom<br />

sozialen Aufstieg kommunizieren wollten,<br />

zu den netten Jungs von nebenan<br />

mutierten, während die Stones nach<br />

dem Rezept „Sex, Drugs and Rock’n<br />

Roll“ bewusst auf wilde Raubeine und<br />

Bürgerschreck machten. Durchaus mit<br />

Erfolg.<br />

Ihren musikalischen Höhepunkt h<strong>at</strong>ten<br />

sie schon vor über 30 Jahren mit<br />

„Beggars Banquet“, „Sticky Fingers“ sowie<br />

der genialen LP „Let It Bleed“. Seitdem<br />

ist praktisch nichts Nennenswertes<br />

mehr von ihnen auf den Markt<br />

gekommen, was der anhaltenden Faszin<strong>at</strong>ion<br />

aber keinen Abbruch tut, denn<br />

die alten und jungen Stones-Fans verlangen<br />

ohnehin hauptsächlich nach<br />

den alten Nummern und die sind zum<br />

Teil wirklich großartig.<br />

Nunmehr gehen sie als Denkmal ihrer<br />

selbst nochmals auf Tournee, wobei<br />

es jedes Mal heißt, dass es vielleicht die<br />

letzte ist. Wie auch immer, auf jeden<br />

Fall ist zum 40jährigen Bestandsjubiläum<br />

der Firma Jagger & Richards zu<br />

gr<strong>at</strong>ulieren – „and many happy returns<br />

Sir Mick“. Abe Lincoln<br />

klären die beiden, woher bestimmte<br />

Speisen und Getränke ihren Namen haben,<br />

das oben erwähnte „Frankfurterwürstel“<br />

ist allerdings nicht enthalten<br />

– bei den Deutschen heißt es ja auch<br />

nicht so. Aber das ist eine andere Geschichte,<br />

die vielleicht in einem Fortsetzungsband<br />

ihren Pl<strong>at</strong>z finden würde.<br />

Paul Hefelle F-B, BbG<br />

Von Absinth bis Zabaione<br />

Wie Speisen und Getränke zu ihrem<br />

Namen kamen und andere kuriose<br />

Geschichten<br />

<strong>2002</strong> Argon Verlag GmbH, Berlin<br />

ISBN 3-87024-559-X


Rückwärts nach rechts<br />

Hans-Henning Scharsach, bekannt<br />

durch Bücher wie „Haiders Kampf“, in<br />

denen er sich akribisch mit der Person<br />

des Kärntner Landeshauptmannes auseinandergesetzt<br />

h<strong>at</strong>, liefert diesmal einen<br />

Sammelband zu seinem Leibthema<br />

„Rechtsextremismus“. Unter dem<br />

vielversprechendem Titel: „Rückwärts<br />

nach rechts – Europas Populisten“ behandelt<br />

der „News“-Redakteur eine Reihe<br />

von Rechtspopulisten und zeichnet<br />

deren Aufstieg und Ideologie (sofern<br />

man in manchen Fällen überhaupt von<br />

solch einer reden kann) nach.<br />

Diesem Anspruch – nämlich einen<br />

Überblick über verschiedene rechtspopulistische<br />

Bewegungen Europas zu geben<br />

– wird er durchaus gerecht. Wor-<br />

an er zumindest teilweise scheitert ist<br />

sein Versuch, die Gemeinsamkeiten der<br />

verschiedenen Partei- und Bewegungsführer<br />

als bestimmendes Merkmal darzustellen.<br />

Denn – und daran ändert auch<br />

Scharsachs Auflistung der Merkmale<br />

des Populismus am Ende des Buches<br />

nichts – der Aufstieg der unterschiedlichen<br />

Protagonisten ist stets abhängig<br />

von deren soziokulturellem Umfeld<br />

und nicht zuletzt vom politischen<br />

System, indem sie sich bewegen. Auch<br />

wenn sie sich in ihrer Inszenierung<br />

durchaus gleichen, handelt es sich<br />

letztlich doch um die unterschiedlichsten<br />

Charaktere, die sich nicht zuletzt<br />

im Grad der zur Schau getragenen<br />

Radikalität unterscheiden.<br />

Ein trotzdem spannendes und inform<strong>at</strong>ives<br />

Buch, auch wenn der Autor ein-<br />

... wie die Ausstellungen im Kunsthistorischen Museum Wien.<br />

Werke und Werte anderer Kulturen werden präsentiert. Von<br />

den Schätzen aus Ägypten, der Zeit Kaiser Karl V. bis zu den<br />

Gemälden El Grecos. Wir unterstützen diese Arbeit.<br />

mal mehr der Verlockung nicht widerstanden<br />

h<strong>at</strong>, einen Jörg Haider – neben<br />

Leuten wie Jean Marie Le Pen! – als radikalsten,<br />

gefährlichsten und tabulosesten<br />

Vertreter einer Gruppe darzustellen,<br />

die es in dieser homogenen Art<br />

freilich gar nicht gibt. Zu unterschiedlich<br />

sind eben deren Ausformungen<br />

und mit Abstrichen auch deren Inhalte.<br />

Ein Weg sie zu entzaubern wurde uns<br />

im Österreich der letzten zwei Jahre aufgezeigt.<br />

Paul Hefelle, F-B, BbG<br />

Hans-Henning Scharsach<br />

Rückwärts nach rechts<br />

Europas Populisten<br />

Verlag Carl Ueberreuter, Wien <strong>2002</strong><br />

ISBN 3-8000-3923-0<br />

manches<br />

möglich<br />

machen ...<br />

45<br />

Rezension<br />

Dezember <strong>2002</strong>


Kultur<br />

Bilder einer Ausstellung –<br />

neu empfunden und realisiert<br />

Ohne eine Ahnung zu haben, was er damit auslösen<br />

könnte, malte und zeichnete der deutsche Künstler Viktor<br />

A. Hartmann in der Mitte des 19. Jahrhunderts eine<br />

Reihe von Studien, Bildern und Skizzen von Reiseeindrücken.<br />

Als er überraschend etwa 40-jährig starb, organisierten<br />

seine Freunde eine Ausstellung und Modest P.<br />

Mussorgski komponierte zu seinen Ehren einen Klavierzyklus,<br />

der eine Sammlung lebhafter musikalischer Bildbeschreibungen<br />

darstellt.<br />

Diese musikalischen Bildbeschreibungen sollten bekannter<br />

werden, als die Bilder, die Mussorgski inspiriert<br />

h<strong>at</strong>ten. Der Zyklus regte viele andere Musiker an, ihn neu<br />

zu instrumentieren, und zu bearbeiten, so unter anderem<br />

M. Tuschmalow, Leopold Stokowski oder auch Maurice<br />

Ravel, der den Zyklus im musikalisch impressiven Stil interpretierte.<br />

Durch die englische Popgruppe Emerson, Lake & Palmer<br />

wurde die Musik in einem ganz anderem Zeitgeist interpretiert,<br />

fand den Weg in die Hitparaden und erreichte<br />

ein völlig neues Publikum. Ähnliches gelang auch dem<br />

japanischen Elektronik-Musiker Isao Tomita, der die Musik<br />

mit einem Synthesizer<br />

umsetzte.<br />

Wir sehen in den „Bildern<br />

einer Ausstellung“ ein Symbol,<br />

dass Kultur nicht etwas<br />

ist, das auf ein Volk oder eine<br />

bestimmte Zeit beschränkt<br />

ist, sondern Künstler verschiedenster<br />

Richtungen immer<br />

wieder einander neu inspirieren<br />

können. Der<br />

österreichische Künstler Wolf<br />

A. Mantler, Baj, und seine<br />

Frau Lissa (beide an der<br />

Pädagogischen Akademie in<br />

Wien tätig) haben sich von<br />

dem Thema gleichsam<br />

„rückinspirieren“ lassen und Bildvari<strong>at</strong>ionen zu den vier<br />

verschiedenen Musikfassungen geschaffen, die sie heuer<br />

in einem gemeinsamen Filmprojekt erstmals auf der Rosenburg<br />

präsentierten. Die ersten Eindrücke des noch unvollständigen<br />

Projekts waren so vielversprechend, dass<br />

die Künstler für 2003 eine kombinierte Präsent<strong>at</strong>ion von<br />

mindestens zwei Musikfassungen, eine Filmvorführung<br />

(ca. 20 Min.) und eine Ausstellung von Bildern (Gemälde<br />

und Computerausdrucke) ins Auge fassen.<br />

46<br />

Nimm an Löffel und iss mit!<br />

Jeder von uns h<strong>at</strong> wohl<br />

Kindheitserinnerungen, die<br />

mit dem Essen verbunden<br />

sind. Sei es eine Festspeise, die<br />

es immer (und nur) zu Weihnachten<br />

gegeben h<strong>at</strong> oder jene<br />

Dinge, bei denen man der<br />

Mutter mit Vorliebe zur Hand<br />

gegangen ist, etwa Schnitzel<br />

panieren.<br />

Die 1943 geborene Altbäuerin<br />

Johanna Reinisch h<strong>at</strong> sogar<br />

sehr viele Kindheitserinnerungen,<br />

die auch mit dem<br />

Essen zu tun haben. Aufgewachsen als jüngstes von acht Kindern<br />

auf einem 70 Joch großen Bergbauernhof in der Weststeiermark<br />

schöpft sie diesbezüglich aus einem nahezu unerschöpflichen<br />

Fundus, h<strong>at</strong> sie doch die letzten Jahre der absoluten<br />

Selbstversorgung als Kind noch erlebt. Damals galt, wie die Autorin<br />

im Vorwort bemerkt, die Grundregel: „Alles zu seiner Zeit!“,<br />

wenn es um die Verköstigung ging.<br />

Die Erinnerungen an den bäuerlichen Alltag h<strong>at</strong> sie nun niedergeschrieben.<br />

Entstanden ist ein unterhaltsames und gleichzeitig<br />

inform<strong>at</strong>ives Lesebuch, in dem man erfährt was es mit<br />

dem „Weinbeerlbrot“, dem „Miazerlkouch“ und dem „Semmelboggerl“<br />

auf sich h<strong>at</strong>. Reinisch erzählt von den „Schlemmertagen<br />

nach dem Schlachten“ ebenso wie vom „Speckeintreiben“,<br />

von „der Stör“ und vom „Wein von unserem Pfarrer“.<br />

Als speziellen Bonus gibt es am Ende des Buches sogar noch<br />

einige Rezepte aus Großmutters Küche. Paul Hefelle, F-B, BbG<br />

Johanna Reinisch<br />

Nimm an Löffel und iss mit! Bäuerliche Kost<br />

– Vergessene Gerichte; Böhlau Wien <strong>2002</strong><br />

256 S. 60 Farb- u. 18 SW-Abb. Geb.; Euro 24,90<br />

ISBN 3-205-77004-8<br />

Nazigold für Portugal<br />

Immer neue Seiten eines bisher wenig bekannten „Randgeschehens“<br />

des Zweiten Weltkrieges werden durch neue Publik<strong>at</strong>ionen<br />

bekannt. So h<strong>at</strong> das neutrale Portugal unter der autoritären<br />

Führung durch Antonio Oliveira de Salazar eine<br />

bedeutende Rolle als Rohstofflieferant für Deutschland gespielt.<br />

Besonders galt dies für das kriegswichtige Wolfram. Interessant<br />

sind die finanziellen Hintergründe dieser Lieferungen aus Portugal:<br />

Deutschland musste überweigend mit Gold bezahlen,<br />

daneben aber auch mit Waffenlieferungen. Das aus den No-


tenbanken der eroberten Sta<strong>at</strong>en und aus jüdischem<br />

Besitz stammende „Nazigold“ wurde zu<br />

einem erheblichen Teil über die Schweiz nach<br />

Portugal transferiert. Im vorliegenden Buch werden<br />

die komplizierten Vorgänge in einer sehr<br />

lebendigen Art analysiert. Es entsteht ein Bild<br />

der sehr komplexen Zusammenhänge des Wirtschaftskrieges,<br />

dem eine größere Bedeutung zugekommen<br />

ist, als noch lange Zeit angenommen<br />

wurde. Das gut lesbare Buch stützt sich auf<br />

exakte Forschungsarbeit. Alfred Klose, Nc<br />

Zwei große Herausforderungen auf<br />

dem Gebiet der Rechtswissenschaften<br />

werden die nächsten Jahrzehnte prägen:<br />

Das Europarecht und das Recht<br />

der neuen Kommunik<strong>at</strong>ionsmedien.<br />

Genau so, wie das Europarecht mit der<br />

fortschreitenden Integr<strong>at</strong>ion der EU an<br />

Bedeutung gewinnt, bedienen sich immer<br />

mehr Menschen des Mediums Internet,<br />

wickeln einfachste Vorgänge des<br />

alltäglichen Lebens ebenso wie komplexe<br />

Oper<strong>at</strong>ionen der Finanzwelt auf<br />

diesem Weg ab. Diese Vorgänge müssen<br />

nach bestimmten Normen ablaufen.<br />

Normen, die nicht immer leicht<br />

erfassbar sind, weil das Internet einen<br />

eigenen virtuellen Raum geschaffen<br />

h<strong>at</strong>, den so genannten Cyberspace, der<br />

ebenso wie das Europarecht nicht vor<br />

den n<strong>at</strong>ionalsta<strong>at</strong>lichen Grenzen Halt<br />

macht. In ihrer Publik<strong>at</strong>ion „Internet-<br />

Antonio Louca<br />

Nazigold für Portugal -<br />

Hitler und Salazar.<br />

Euro 24,00; Broschiert -<br />

226 Seiten<br />

A. Holzhausen, Wien <strong>2002</strong><br />

ISBN: 3854930607<br />

INTERNET § Recht. Eine europarechtliche Analyse.<br />

recht. Eine europarechtliche Analyse“<br />

geben die Autoren Christoph Per<strong>at</strong>honer<br />

und Thomas Schnitzer einen Einblick<br />

an der Schnittstelle dieser beiden<br />

Rechtsbereiche. Sie behandeln damit<br />

jenen rechtlichen Rahmen, dem alle<br />

Sta<strong>at</strong>en der Europäischen Union im<br />

elektronischen Geschäftsverkehr (ecommerce),<br />

im Domain-Recht und im<br />

Bereich der elektronischen Sign<strong>at</strong>uren<br />

u.a.m. unterworfen sind. Dieses Buch<br />

richtet sich an den Juristen genau so<br />

wie an den interessierten Unternehmer.<br />

Das Buch wurde im Rahmen der<br />

Fachmesse für Neue Medien<br />

„Medi@<strong>2002</strong>“ einem breiten Fachpublikum<br />

vorgestellt. Die Schwerpunkte<br />

des Werkes können aus dem Inhaltsverzeichnis<br />

auf www.internetrecht.it<br />

entnommen werden.<br />

Die Fachautoren Rechtsanwalt DDr.<br />

Christoph Per<strong>at</strong>honer, LL.M. und Dr.<br />

Thomas Schnitzer, LL.M. sind Akademische<br />

Europarechtsexperten und Masters<br />

of Advanced Studies in European<br />

Law. Sie arbeiten als Freiberufler in Bozen<br />

(Südtirol) und setzen sich mit Europarecht,<br />

aber vor allem mit Wirtschaftsrecht<br />

und dem Recht der neuen<br />

Kommunik<strong>at</strong>ionsmedien mit Schwerpunkt<br />

Internetrecht auseinander.<br />

Internet § Recht<br />

Eine europarechtliche Analyse<br />

ISBN 88-8266-146-6<br />

Verlagsanstalt Athesia Ges.m.b.H.,<br />

Bozen <strong>2002</strong><br />

Cartoons des D.I. Markus Szyskowitz<br />

Wann gibt es wieder einen Cartoon von<br />

Markus Szyskowitz in der ACADEMIA?<br />

Ich finde seine Zeichnungen sehr bereichernd.<br />

Vielleicht ist es möglich wieder<br />

eine zu veröffentlichen.<br />

Übrigens meine Hochachtung betreffend<br />

der letzten Ausgaben.<br />

Glück Auf!<br />

Christian Schenk, GlL, Aa<br />

1220 Wien<br />

Zu <strong>Academia</strong> Oktober <strong>2002</strong><br />

Über jede neue Ausgabe der ACADEMIA<br />

freue ich mich grundsätzlich, besonders<br />

über die oft sehr guten Beiträge zum Prinzip<br />

Religio.<br />

Diesmal haben mich aber zwei Dinge verärgert,<br />

die ich benennen möchte, auch<br />

wenn die Redaktion der ACADEMIA kaum<br />

etwas damit zu tun h<strong>at</strong>.<br />

Bezüglich des sogenannten „Republiksantrages“<br />

bzw. „Republiksbeschlusses“<br />

sollte man den Verbindungen, die bezüglich<br />

des Zustandekommens Bedenken<br />

äußerten, Raum in der Zeitschrift geben<br />

und nicht nur die Entgegnung der<br />

Verbandsführung abdrucken. Dies würde<br />

ich als angemessen erachten, da beide<br />

Seiten gehört werden sollen.<br />

Zum Zweiten: Die ganzseitige ÖVP/p<strong>at</strong>ria<br />

2411 Werbeeinschaltung, sowie die einschlägige<br />

Berichterst<strong>at</strong>tung entspricht<br />

nicht der Grundlinie unseres Cartellverbandes.<br />

Ausdrücklich sei auf unsere ÖCV-<br />

S<strong>at</strong>zung verwiesen, welcher man entnehmen<br />

kann, dass es sich beim<br />

Cartellverband um eine parteipolitisch<br />

ungebundene Vereinigung handelt. Das<br />

sage ich, ohne meine Symp<strong>at</strong>hie für Dr.<br />

Schüssel leugnen zu wollen. Dem Verband<br />

leistet man mit solchen Kampagnen<br />

m.E. keinen guten Dienst.<br />

Ich freue mich nichtsdestotrotz auf die<br />

nächste ACADEMIA und grüße sehr herzlich<br />

Pfarrer Dr. Alexander Georg Brenner, V-B<br />

1200 Wien<br />

Zum Republiksbeschluss: Wir haben<br />

lediglich berichtet, dass nach erfolgter<br />

Beschlussfassung von einigen versucht<br />

wurde, diesen Beschluss nachträglich<br />

in Frage zu stellen. Die Radaktion<br />

47<br />

Leserbriefe<br />

Leserbriefe sind der<br />

ACADEMIA immer willkommen,<br />

können aber<br />

nicht in jedem Fall<br />

schriftlich beantwortet<br />

werden. Abgedruckte<br />

Zuschriften müssen sich<br />

inhaltlich nicht unbedingt<br />

mit der Meinung<br />

der ACADEMIA decken.<br />

Die Redaktion behält<br />

sich Kürzungen vor und<br />

veröffenlicht nur Schreiben<br />

mit voller Nennung<br />

des Absenders.<br />

Dezember <strong>2002</strong>


Ein Mitglied der HVB Group www.ba-ca.com<br />

Was wären die großen Erfolge ohne die kleinen?<br />

JUNGv.MATT/Donau

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