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Der Abfindungsvergleich beim Personenschaden - SVR

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AUFSÄTZE | Schwab/Lüdke/Clemens, <strong>Der</strong> Psychologe als notwendiger Helfer<br />

sonderheit unserer Fälle: es fehlt an einem wichtigen Grund<br />

und damit die Möglichkeit der Verfolgung durch Klage.<br />

Ein Vergleich ist nur wirksam, wenn das Rechtsverhältnis der<br />

Dispositionsbefugnis der Parteien unterliegt. 46 „Das Rechtsverhältnis<br />

muss der Verfügung der Parteien unterstehen, anderenfalls<br />

können sie über das Rechtsverhältnis einen bindenden<br />

Vergleich nicht abschließen. Zwingende Vorschriften, die die<br />

Verfügungsbefugnis der Parteien über ein bestimmtes Rechtsverhältnis<br />

einschränken, können nicht durch eine vergleichsweise<br />

Regelung ausgeschlossen werden. Das ist für die allgemeinen<br />

Verbotsvorschriften der §§ 134 (gesetzliches Verbot),<br />

138 (Sittenwidriges Rechtsgeschäft; Wucher) BGB von Bedeutung<br />

und gilt des Weiteren auch für solche zwingenden Bestimmungen,<br />

nach denen bestimmte Ansprüche nicht im<br />

Wege der Klage verfolgt werden können (vgl. § 656 BGB<br />

Heiratsvermittlung, § 762 BGB Spiel, Wette)”. 47 Das trifft auch<br />

für § 843 Abs. 3 BGB zu. Wenn ein wichtiger Grund nicht<br />

vorliegt, besteht – wie bereits ausgeführt – kein Anspruch auf<br />

Kapital, der mit der Klage verfolgt werden könnte. Somit unterliegt<br />

die Kapitalabfindung nicht der Dispositionsbefugnis der<br />

Parteien. Folge: <strong>Abfindungsvergleich</strong>e der Variante B – ein<br />

wichtiger Grund liegt nicht vor – sind unwirksam.<br />

Das gibt Sinn: Wenn eine Klage auf Abfindung ausgeschlossen<br />

ist, darf dieses Verbot nicht auf der Hintertreppe oder in einer<br />

dunklen Höhle mit einem <strong>Abfindungsvergleich</strong> umgangen<br />

werden. Damit sind unsere kritischen Fälle – z. B. kein sozialversicherungsrechtlicher<br />

Schutz – im Sinne des Rechtsstaates gelöst.<br />

<strong>Der</strong> <strong>Abfindungsvergleich</strong> ist unwirksam. <strong>Der</strong> Anspruch<br />

des Geschädigten auf laufende Rente bleibt bestehen.<br />

Andererseits sind Tausende <strong>Abfindungsvergleich</strong>e der letzten<br />

Jahre betroffen, in denen der Gedanke des Verbraucherschutzes<br />

keine Rolle spielt. Alle diese Vergleiche – z. B. die nach<br />

Eschede geschlossenen – sind unwirksam. Die Summe dieser<br />

Vergleiche dürfte einen Betrag in Milliardenhöhe ausmachen.<br />

Diese missliche Situation hätten wir nicht, wenn § 843 Abs. 3<br />

BGB einen anderen Wortlaut hätte. Ich rege diese Gesetzesänderung<br />

seit Jahrzehnten an. 48<br />

168 | <strong>SVR</strong> 5/2005<br />

Die Rechtsfolge „Unwirksamkeit“ zwingt zur Änderung von<br />

§ 843 Abs. 3 BGB im obigen Sinne. De lege ferenda – also nach<br />

einer Gesetzesänderung – wären die meisten <strong>Abfindungsvergleich</strong>e<br />

rechtens. Sie wären nur unwirksam, wenn der Kapitalisierung<br />

ein wichtiger Grund entgegensteht. Das ist z. B. bei<br />

Verletzung eines Kindes regelmäßig der Fall. Es soll seinen<br />

laufenden Rentenanspruch behalten. Das hindert nicht, später<br />

einen <strong>Abfindungsvergleich</strong> zu schließen, wenn das Kind erwachsen<br />

ist, einen behindertengerechten Arbeitsplatz hat<br />

und auf eine laufende Rente nicht angewiesen ist. Weitere<br />

Fälle, in denen ein wichtiger Grund entgegensteht: <strong>Der</strong> Verletzte<br />

ist sozialversicherungsrechtlich nicht abgesichert. Oder:<br />

<strong>Der</strong> Gesundheitszustand ist noch nicht geklärt (z. B. frisch<br />

verletzter Querschnittsgelähmter).<br />

Um nicht massenweise <strong>Abfindungsvergleich</strong>e unwirksam zu<br />

lassen, sollte an eine Rückwirkung der Gesetzesänderung gedacht<br />

werden.<br />

Anders als bei den Geschädigten haben die Sozialversicherungsträger<br />

im Regress eine Dispositionsbefugnis zu <strong>Abfindungsvergleich</strong>en.<br />

Nach § 116 Abs. 9 SGB X dürfen sie mit<br />

dem Schädiger einen <strong>Abfindungsvergleich</strong> schließen. 49 Die<br />

Vorschrift spricht zwar nur von Pauschalierung, der Ausschuss<br />

für Arbeit- und Sozialordnung 50 erklärte aber, „dass die Pauschalierung<br />

der Ersatzansprüche auch die Möglichkeit von Kapitalabfindungen<br />

umfasst.“ Für den Beitragsregress erlaubt das<br />

Gesetz (§ 119 Abs. 4 Satz 1 SGB X) ausdrücklich die Abfindung.<br />

Das bedeutet im Klartext: <strong>Der</strong> Sozialversicherungsträger kann<br />

statt der Rente den Kapitalwert fordern (vgl. § 110 Abs. 1 Satz 2<br />

SGB VII) und auch einklagen. Das gibt Sinn. Die Sozialversicherungsträger<br />

brauchen keinen Verbraucherschutz. Sie sind<br />

nach § 76 Abs. 1 SGB IV verpflichtet, Einnahmen rechtzeitig und<br />

vollständig zu erheben. Vollständig wird regelmäßig nur der Abfindungsbetrag<br />

sein, der eingeklagt werden kann.<br />

46 Palandt/Sprau, 64. Aufl. 2005, § 779 BGB, Rz 6.<br />

47 Steffen in BGB-RGRK, 12. Aufl. 1978, § 779 BGB, Rz 9.<br />

48 VGT 81, S. 273.<br />

49 Hauck/Nofzt/Nehls, SGB X, K § 116, Rz 57.<br />

50 BT-Drucks. 9/1753.<br />

<strong>Der</strong> Psychologe im <strong>Personenschaden</strong>management<br />

Notwendiger Beurteilungshelfer und autonomer Dienstleister<br />

Ass. jur. Hans-Josef Schwab, 1 Dr. Christian Lüdke, 2 Dipl.-Psychologin Karin Clemens3 1. Einführung<br />

Nach anfänglichen Schwierigkeiten hat im Bereich der Schadenregulierung<br />

zunächst die berufliche 4 und später auch die<br />

medizinische 5 Rehabilitation Fuß gefasst. Sie nimmt heute im<br />

Rahmen des <strong>Personenschaden</strong>managements eine immer stärker 6<br />

werdende und nicht wieder wegzudenkende Rolle ein. Auch<br />

wenn nach wie vor Risiken 7 gesehen werden, sind hierfür auf-<br />

1 Schadenregulierer für Kfz-Haftpflichtgroßschäden bei der R+V Allgemeine Versicherung<br />

AG, Wiesbaden.<br />

2 Geschäftsführer der HumanProtect Consulting GmbH, Köln.<br />

3 Stellv. Geschäftsführerin der HumanProtect Consulting GmbH, Köln.<br />

4 Tille/Budel, Berufliche Rehabilitation von Schwerstverletzten, ZfS 1998, 321 ff.<br />

5 Budel/Rischar/Tille, Rehabilitationsmanagement der Haftpflichtversicherer – Ein<br />

Instrument zur sachgerechten Regulierung von Personenschäden, Himmelreich<br />

(Hrsg.), Jahrbuch Verkehrsrecht 2000, 332.<br />

6 Himmelreich/Halm/Bücken, Kfz-Schadensregulierung, RN 5256.<br />

7 Steffen, Schadenmanagement bei Personenschäden – Risiken -, VersR 2000, 793 ff.

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