Farchanter Dorfblatt - Gemeinde Farchant
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<strong><strong>Farchant</strong>er</strong> <strong>Dorfblatt</strong> SEITE 7<br />
Josef Brandner:<br />
Der alte Bahnhof ist ein Denkmal<br />
(Vorabdruck aus dem neuen „forcheida“-Heft)<br />
unser historisches Bahnhofsgebäude ist ein Denkmal der <strong><strong>Farchant</strong>er</strong> Ortsgeschichte, gerade<br />
so wie die barocke Dorfkirche von 1728/29 oder der Dorfplatz am Gern. Der Kirchenbau<br />
erinnert uns an eine beispiellose Gemeinschaftsleistung des damals gerade einmal 350<br />
Einwohner zählenden Dorfes. Der Gemeinsinn von einst hält auch heute noch die leute<br />
zusammen. und daß der Dorfplatz zwischen Pfarrhof und Rathaus über die Jahrhunderte<br />
als unbebauter Dorfmittelpunkt erhalten geblieben ist, kann man nicht als Zufall abtun:<br />
Hier zeigt sich ein Prinzip der <strong><strong>Farchant</strong>er</strong> Siedlungsgeschichte, an das sich schon mindestens<br />
15 Generationen gehalten haben.<br />
Auch das historische Bahnhofsgebäude gehört zu den unverkennbaren Denkmälern unserer<br />
Ortsgeschichte: Das winzige Bauwerk steht dennoch für eine gewaltige Veränderung<br />
des Ortsbildes und für den Beginn einer neuen Epoche der Ortsentwicklung vor gut 100<br />
Jahren. Daß dieser kleine Bau, vom Vorbesitzer über Jahrzehnte schändlich vernachlässigt,<br />
nun der <strong>Gemeinde</strong> als neuem Besitzer so große Kosten verursacht, ist eine andere<br />
Geschichte. Die <strong><strong>Farchant</strong>er</strong> Kommunalpolitik hat in dieser Angelegenheit mehr Format<br />
bewiesen als die sogenannte große Politik: Man läßt sich die Erhaltung eines wichtigen<br />
Denkmals etwas kosten. Der Heimatverein ist dankbar für diese weise Haltung und wird<br />
sich nach Kräften für einen sinnvollen Fortbestand des historischen Gebäudes einsetzen.<br />
An diesen Anschluß an das bayerische und deutsche Eisenbahnnetz haben ab etwa 1860<br />
die lokale Wirtschaft und die Werdenfelser Kommunalpolitik, aber auch die Menschen im<br />
loisachtal große Hoffnungen geknüpft. Die Eisenbahn sollte aus einem jahrzehntelangen<br />
wirtschaftlichem Niedergang und aus dramatischer Verarmung herausführen. Auch in <strong>Farchant</strong><br />
sprechen die Zahlen und Fakten eine deutliche Sprache. Die einstigen Handelsgesellschaften<br />
der Kirchmayer, Gastl oder Buchwieser mit ihren Niederlassungen in Bremen,<br />
Hamburg, Berlin oder Warschau waren untergegangen. Vom sog. Goldenen landl konnte<br />
keine Rede mehr sein. Vor allem der Zusammenbruch des jahrhundertealten Rottwesens<br />
zwischen Venedig und Augsburg und die Beseitigung der althergebrachten Floßholz-Privilegien<br />
durch die beiden ersten bayerischen Könige hatten verheerende Folgen für unsere<br />
Heimat. Die Bevölkerungszahl am Ort stagnierte im 19. Jahrhundert: 1802 zählte man 338<br />
Einwohner, 1820 waren es 319 und 1867 auch nur 329…<br />
Mit dem Eisenbahnanschluß 1889 wurden alle Erwartungen bald in einem ungeahnten, ja<br />
geradezu dramatischen Tempo übetroffen. Der wirtschaftliche und kulturelle Aufschwung<br />
wurde geradezu zur Herausforderung. Die <strong>Gemeinde</strong> konnte (und mußte!) in der Folge<br />
dringende Großprojekte angehen: öffentliches Wasserleitungsnetz, Schulhausneubau,<br />
Straßenausbau,… Viele Dorfbewohner profitierten von der Belebung des Immobilienmarktes,<br />
des Arbeitsmarktes und des Warenangebots. Sommerfrische, Bauwirtschaft, neue Arbeitsplätze<br />
bei der Bahn usw. kennzeichneten schon bald nach der Jahrhundertwende<br />
die neue lage. Freilich gab es auch Verlierer bei dieser Wende: Kleine Handwerker (z.B.<br />
Schuhmacher) oder die uralte Mühle vor Ort mußten sich bald der Flut der Industriegüter<br />
geschlagen geben, die sich nun auch in der <strong><strong>Farchant</strong>er</strong> Güterhalle stapelte…<br />
(Hinweis: der Artikel ist in der „alten“ Rechtschreibung verfasst.)