Emsland Drenthe - Mystisches Steinreich ohne Grenzen
Emsland Drenthe - Mystisches Steinreich ohne Grenzen
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Ohne <strong>Grenzen</strong>: Die<br />
Trichterbecherkultur verband<br />
das <strong>Emsland</strong> und<br />
<strong>Drenthe</strong> mit den Nachbarn.<br />
Weit verbreitet<br />
Als Spuren menschlichen Handelns belegen die charakteristischen<br />
Trichterbecher den Beginn der<br />
Landwirtschaft und kennzeichnen die in Nordeuropa<br />
weit verbreitete Kultur. Ohne <strong>Grenzen</strong> lebten die<br />
ersten Bauern der Region <strong>Emsland</strong>/<strong>Drenthe</strong> mit ihren<br />
anderen Nachbarn. Innerhalb des Kulturkreises standen<br />
alle miteinander in Verbindung. Dies belegen die<br />
Zeugnisse der Jungsteinzeit eindeutig - Gräber<br />
und Grabfunde. Die Menschen<br />
tauschten sich aus über ihre<br />
Kenntnisse und Fähigkeiten.<br />
Spannend und reizvoll ist die Reise<br />
zurück in die längst vergangenen Zeiten<br />
auch heute.<br />
In Havelte (D53) wurden 1918 die Reste<br />
von Hunderten von Trichterbechern<br />
gefunden.<br />
Große und kleine Steine<br />
Aus Jägern werden Bauern<br />
Gute Zeugnisse<br />
Einwanderer aus dem hohen<br />
Norden<br />
Eiskalt<br />
Nicht groß, aber stark<br />
waren die Menschen der<br />
Jungsteinzeit.<br />
Sie sind Zeugen eines großen erdgeschichtlichen<br />
Ereignisses – die Findlinge der Eiszeit. Mit gewaltiger Kraft<br />
trugen die Eismassen Felsen in Skandinavien ab und schoben<br />
sie vor sich her. Auf dem bis zu 1000 km langen Weg<br />
vermischten sich Gesteine aus dem hohen Norden: aus<br />
Norwegen, Schweden, Dänemark und Finnland ebenso wie<br />
vom Grund der Ostsee und aus Estland. Als das Klima später<br />
wärmer wurde, blieben Sand, Lehm und<br />
Steine zurück und formten eine neue<br />
Landschaft. Das Erbe dieses<br />
Zeitalters sind Erhebungen wie<br />
der Hümmling im <strong>Emsland</strong><br />
und der Hondsrug in<br />
<strong>Drenthe</strong>.<br />
Jeder Stein wurde beim Bau der Gräber<br />
handverlesen – Größe und Form bestimmten seinen<br />
Platz auch in Ostenwalde (EL11).<br />
Zeitreise in eine<br />
gemeinsame Vergangenheit<br />
Die Trichterbecherkultur<br />
Die ersten Menschen, die unseren Raum bevölkerten,<br />
waren Jäger und Sammler. Sie waren nicht sesshaft,<br />
sondern folgten den Spuren der Rentierherden. In der<br />
Jungsteinzeit änderten die Menschen ihre<br />
Lebensweise: Sie sicherten ihre Nahrung durch den<br />
Anbau von Getreide und züchteten Tiere. Diese ersten<br />
Bauern lebten in Häusern aus Holz und Lehm, deren<br />
Dächer mit Stroh gedeckt waren. Rund um die Häuser<br />
legten sie ihre Felder an und taten noch etwas, was<br />
neu und ungewöhnlich war: Sie bauten<br />
Großsteingräber für ihre Toten.<br />
In dieser Zeit lernten die Menschen, Vorräte anzulegen,<br />
um das ganze Jahr über mit allem versorgt zu<br />
sein. Für die Aufbewahrung wurden Tongefäße hergestellt.<br />
Tief in den noch ungebrannten Ton eingestochene<br />
Muster zierten diese Gefäße und machten sie zu<br />
mehr als reinen Gebrauchsgegenständen. Die besondere<br />
Form einiger Becher - ihr trichterförmiger Hals - hat<br />
dieser Zeit ihren Namen gegeben:<br />
Trichterbecherkultur.<br />
In Form gebracht<br />
Zerrieben, abgerundet und abgeschliffen: Findlinge nennt<br />
man jene großen und kleinen Steine, die auch heute noch<br />
– manchmal tonnenschwer und völlig unvermittelt – auf<br />
den Feldern gefunden werden. Unvorstellbar alt und meilenweit<br />
entfernt von ihrem Ursprungsort ist es die Vielfalt<br />
an Formen und Farben, die sie seit Jahrtausenden zu<br />
einem beliebten Baustoff gemacht haben. Die Erbauer der<br />
Großsteingräber nutzten vor allem Steine mit einer glatten<br />
Unter- und einer gewölbten Oberseite.<br />
Stein auf Stein<br />
Typische Trichterbecher sind in den<br />
Museen der Region zu bestaunen.<br />
Mit Geschick und Phantasie wurden Findlinge auf die vielfältigsten<br />
Arten und Weisen verbaut. Nicht nur<br />
Großsteingräber, sondern auch Kirchen, Häuser, Mühlen<br />
und Straßen wurden Jahrhunderte lang aus diesem<br />
Material errichtet. Zahlreiche Großsteingräber wurden noch<br />
bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts zerstört, um durch<br />
Sprengung aus den großen Steinen Baumaterial für<br />
unterschiedlichste Projekte zu gewinnen. An der<br />
Faszination der gewaltigen abgerundeten Steine hat<br />
sich bis heute nichts geändert: Sie stehen als<br />
Gedenksteine an vielen Ortseingängen und schmükken<br />
zahlreiche Gärten.<br />
Geheimnisvolle Großsteingräber<br />
Monumente für die Ewigkeit<br />
Was Gräber über das Leben berichten<br />
Aus Stein und Erde – so sind die ältesten Bauwerke der<br />
Region <strong>Emsland</strong>/<strong>Drenthe</strong> errichtet worden. Heute liegen<br />
sie an zum Teil verschwiegenen Orten und sind doch<br />
wichtige Zeugen für die Entwicklung der frühen Menschheitsgeschichte.<br />
Diese ältesten Denkmäler beiderseits der<br />
Grenze sind gemeinschaftliche Steingräber, die für die<br />
Toten mehrerer Generationen einer Sippe errichtet wurden.<br />
Kulturell gehören die Großsteingräber der Trichterbecherzeit<br />
zu einer Reihe weiterer Bauten mit „großen<br />
Steinen“ wie Stonehenge oder den Tempeln auf Malta.<br />
Diese Megalithkultur, die bis nach Nordafrika und zum<br />
Vorderen Orient reichte, wirft viele Fragen über die geistigen<br />
und religiösen Strömungen der Jungsteinzeit auf.<br />
Mit vereinten Kräften<br />
Viel Energie wurde benötigt, um diese Grabanlagen zu<br />
bauen. Schieben und ziehen – nur mit vereinten Kräften<br />
ließen sich die gewaltigen Steine bewegen. Niemand weiß<br />
genau, wie viele Menschen am Bau mitgewirkt haben.<br />
Sicher ist, dass den Dorfgemeinschaften nur gemeinsam<br />
ein solches Werk gelingen konnte. Aber nicht nur Kraft,<br />
sondern auch Technik wurde eingesetzt: Ob Hebel oder<br />
schiefe Ebene – die Menschen der Trichterbecherkultur<br />
wussten offenbar die physikalischen Gesetzmäßigkeiten<br />
zu nutzen. Sie fällten Bäume, legten die Findlinge auf<br />
Rollen aus Holzstämmen und bewegten sie mittels<br />
Zugseilen und Hebel vorwärts. Glatte Eisflächen werden<br />
ihnen häufig als Untergrund gedient haben, um die Steine<br />
besser verrutschen zu können.<br />
Das Steingrab in Borger ist mit 22 Metern das größte Grab<br />
der Niederlande. Einer der Decksteine wiegt 23 Tonnen.<br />
Mehr als nur Steine und Scherben<br />
Spurensuche, Beweissicherung und Kombination:<br />
Archäologen arbeiten teilweise wie Detektive. Denn die<br />
Vorgeschichte ist eine Zeit, aus der es keine schriftlichen<br />
Dokumente gibt. Sämtliche Details des Steinzeitalltags<br />
wie Häuser, Werkzeuge, Waffen, Geschirr, Besteck,<br />
Kleidung und Nahrung müssen anhand archäologischer<br />
Studien rekonstruiert werden.<br />
In der Mitte breit und zu den Enden hin schmaler:<br />
Ein bemerkenswerter Grundriss wurde in Bruneforth (EL33) gewählt.<br />
Mit Geschick und Phantasie wurden<br />
Findlinge zu Baumaterial verarbeitet<br />
wie hier am Rathaus in Meppen (EL-I).<br />
Für Kartoffelbauern noch heute ein<br />
schwerwiegendes Problem:<br />
Findlinge im Acker!<br />
Die Grundkonstruktion aller Gräber war gleich: zwei in die<br />
Erde eingegrabene Steine trugen einen dritten.<br />
Zusammen bildeten sie ein „Joch“. Flache Steinseiten für<br />
die Innenwände, kleine Findlinge als Bodenpflaster und<br />
zum Ausfüllen der Lücken, so arbeiteten die Erbauer der<br />
Gräber in <strong>Drenthe</strong> und im <strong>Emsland</strong>. Die ersten, festen<br />
sakralen Räume liegen im Allgemeinen in Ost-West-<br />
Richtung, ihr Eingang befindet sich an der südlichen<br />
Längsseite. Obwohl viele Gräber einem einheitlichen<br />
Bauplan, der „Emsländischen Kammer“, entsprechen, ist<br />
jedes Grab doch einzigartig – hinsichtlich der Lage, der<br />
Größe und der verwendeten Steine.<br />
Die Gräber gehören zu den regionalen Symbolen<br />
und sind im <strong>Emsland</strong> Bestandteil des Wappens.<br />
Jeder Fund trägt dazu bei, das Bild dieser Zeit zu vervollständigen:<br />
Die zahlreichen Beigaben in den Gräbern zeigen,<br />
wie wichtig den Menschen schon damals schöne<br />
Gefäße waren, aus denen sie aßen und tranken, in denen<br />
sie ihre Vorräte aufbewahrten und kochten.<br />
Sie zeigen aber auch, dass die Erbauer der<br />
Großsteingräber an ein Leben im Jenseits geglaubt<br />
haben. Als Stätten der Ahnenverehrung sollten die<br />
Bauwerke für die Ewigkeit Bestand haben.<br />
Grabhügelfelder<br />
Ein Schritt in Richtung Zukunft<br />
Ein neuer Brauch<br />
Großsteingräber wurden über Jahrhunderte genutzt,<br />
dennoch gibt es zu Beginn der letzten Phase der<br />
Jungsteinzeit (2900 bis 2300 v. Chr.) auch flache Gräber<br />
für einen einzelnen Toten. In der Bronzezeit bestattete<br />
man dann die Toten unter großen Hügeln, die wie die<br />
Großsteingräber lange Zeit benutzt wurden, so daß man<br />
häufig mehrere Bestattungen in einem Hügel finden<br />
kann. Hügelgräber wurden oft gruppenweise angelegt. So<br />
beherbergen die Mansenberge (EL-B) 83 Hügelgräber.<br />
Sie sind noch heute sehr gut zu erkennen, vor allem im<br />
Herbst zur Zeit der Heideblüte. Die Grabhügel sind<br />
jeweils bis zu drei Meter hoch und zehn bis 20 Meter<br />
breit. Ihre ursprüngliche Zahl war noch bedeutend höher;<br />
etliche wurden jedoch im Laufe der Zeit zerstört.<br />
Ein einzelnes Hügelgrab wie in Valthe (NL-J)<br />
wurde über einem Verstorbenen errichtet.<br />
Gräber <strong>ohne</strong> Knochen<br />
Wie ein steinernes Skelett wirken die alten Kultstätten<br />
heute auf den Betrachter. Die Dunkelheit der Kammern ist<br />
in den Rekonstruktionsversuchen in Groß Berßen (EL23)<br />
und in Schoonoord (Papeloze Kerk D49) zu erahnen. In den<br />
Gemeinschaftsgräbern gab man den Toten zahlreiche<br />
Beigaben mit auf die Reise ins Jenseits. Zentnerweise<br />
Scherben entdeckten die Archäologen häufig in den<br />
Gräbern, auch Pfeilspitzen und Steinklingen. Skelettreste<br />
blieben dagegen im Sandboden nur selten erhalten. Dass<br />
trotzdem in der Region <strong>Emsland</strong>/<strong>Drenthe</strong> menschliche<br />
Skelettreste gefunden wurden, ist den weiten Moorgebieten<br />
Die 15 Meter lange Grabkammer und ein 22 Meter langer<br />
Steinkranz sind in Hüven (EL18) besonders gut erhalten.<br />
Gerettet!<br />
Durch Schatzsucher, Steinbrecher und pflügende Bauern –<br />
die alten Kultstätten wurden Jahrhunderte lang zerstört.<br />
Erst im 18. Jahrhundert wurde der Öffentlichkeit in <strong>Drenthe</strong><br />
bewusst, dass die alten Monumente schützenswert sind, im<br />
<strong>Emsland</strong> noch ein Jahrhundert später. Allerdings waren die<br />
Zerstörungen durch Grabräuber für die Substanz der<br />
Anlagen sicherlich nie sehr gravierend. Erst in Folge der<br />
Leichenbrand<br />
Seit der Mensch sesshaft wurde, formte er die<br />
Landschaft: Er legte Weideflächen für das Vieh an, rodete<br />
Wälder und pflügte Äcker – bis heute. Auch die Grabhügel<br />
veränderten das Landschaftsbild, wirken noch immer wie<br />
kleine Inseln. Mit diesem neuen Brauch setzte sich vereinzelt<br />
bereits in der Jungsteinzeit, verstärkt aber in der<br />
Bronzezeit eine weitere Veränderung der<br />
Bestattungsrituale durch: Die Toten wurden verbrannt.<br />
Die verbrannten Knochen füllte man zusammen mit der<br />
Asche in ein Tongefäß und verschloss es mit einem<br />
Deckel. Über dem Leichenbrand und wenigen<br />
Grabbeigaben wurden dann die Erdhügel errichtet.<br />
Brandbestattungen gab es bis zur Zeit des Christentums.<br />
Sie wurden dann, weil sie als heidnisch galten, wieder<br />
durch Körperbestattungen abgelöst.<br />
Auf einem eisenzeitlichen Bauernhof wie hier in<br />
Orvelte (<strong>Drenthe</strong>) verfügten die Menschen über<br />
zahlreiche Werkzeuge.<br />
Restauriert wurde das<br />
„Langgraf“(D43) bei Emmen mit<br />
seinem 40 Meter langen<br />
Steinkranz, in dem sich zwei kleine<br />
Grabkeller befinden.<br />
Halb und halb: D49 bei Schoonoord wurde 1959<br />
rekonstruiert und zur Hälfte mit einem Hügel überdeckt.<br />
Leichen blieben über die<br />
Jahrhunderte nur im Moor<br />
erhalten: Die Haare des „Roten<br />
Franz“ sind wie bei anderen Moorleichen<br />
durch Torfsäuren rot verfärbt.<br />
(Landesmuseum Hannover)<br />
zu verdanken. Die Torfstecher entdeckten Gegenstände<br />
aus Metall und Stein, Holz und Tierknochen, Gewebe<br />
und Leder – und schließlich auch die Körper von Toten.<br />
Sie waren im Moor konserviert. Die Feuchtigkeit und der<br />
hohe Säuregehalt der Umgebung verhinderten ihre<br />
Zersetzung.<br />
Das Mädchen von Yde und der „Rote Franz“ sind die<br />
berühmtesten Leichenfunde in der Region, auch wenn<br />
sie nicht zur Trichterbecherkultur gehören: So wurde die<br />
Leiche eines 16 Jahre alten Mädchens 1897 von zwei<br />
Torfarbeitern in der Nähe des Dorfes Yde in der Provinz<br />
<strong>Drenthe</strong> entdeckt. Genau wie das Mädchen fand auch<br />
der „Rote Franz“ in der späten Eisenzeit im Moor<br />
gewaltsam den Tod: Ihm wurde die Kehle durchgeschnitten.<br />
Im Jahr 1900 wurde er bei Neu-Versen/Meppen im<br />
<strong>Emsland</strong> ausgegraben.<br />
Ein heiliger Ort über Generationen hinweg: Zur Ahnenverehrung dienten die<br />
Grabanlagen wie diese Rekonstruktion in Groß Berßen von 1955 (EL23).<br />
Reformation im 16. Jahrhundert, der daraufhin einsetzenden<br />
Aufklärung und insbesondere durch die<br />
Industrialisierung im 19. Jahrhundert, wurden viele der<br />
uralten Denkmäler zerstört. Man wusste nun, dass nicht<br />
Riesen, Geister oder gar der Teufel verantwortlich für<br />
die Errichtung der steinernen Monumente waren. Ganz<br />
einfache Menschen hatten sie erbaut. Die Riesen und<br />
Geister, die Beschützer der Anlagen, hatten ihren<br />
Schrecken verloren.<br />
Edel und stark:<br />
Bronze und Eisen<br />
Die Menschen der Bronze- und Eisenzeit entdeckten<br />
Materialien wie Kupfer und Zinn, Jahrhunderte<br />
später auch Eisen. Scharfe Waffen, leichte<br />
Werkzeuge, filigraner Schmuck und andere<br />
Gegenstände für den täglichen Gebrauch: Die neuen<br />
technischen Kenntnisse zur Verarbeitung der Metalle<br />
gelangten ab dem Jahr 1500 vor Christus nach<br />
Norddeutschland. Mit der Christianisierung verschwanden<br />
die Grabbeigaben und damit für die Archäologen<br />
diese ergiebigen Fundstellen.<br />
Schmuck trugen Menschen schon früh, besonders<br />
wenn er so schön golden glänzte wie der Fund aus<br />
Lorup (Landesmuseum Hannover)<br />
Sagenhafte Steine<br />
Ein Hauch von Mythos bleibt<br />
Geheimnis umwittert sind die alten Denkmale noch heute und regen dadurch die Phantasie der Betrachter an. Jahrhunderte<br />
lang fanden die Menschen keine Erklärung für die Herkunft der Steine und die monumentalen Bauwerke aus vergangenen<br />
Zeiten. Wer konnte also solche Bauwerke geschaffen haben? Die Riesen etwa oder gar der Teufel? So ranken sich zahlreiche<br />
volkstümliche Sagen und Legenden um die Steine und Gräber und spiegeln die vielfältigsten<br />
Erklärungsversuche wider – hier nur eine kleine Auswahl:<br />
Sieben Hünengräber lagen einst bei Apeldorn –<br />
nur eines blieb erhalten (EL40).<br />
Teuflische Geschichten<br />
Als „Teufelswerk“ – so wurden die „heidnischen“<br />
Großsteingräber nach der Einführung des Christentums vielfach<br />
bezeichnet. So seien zum Beispiel die „Düvelskuhlen“<br />
(EL15/16) bei den Gräbern in Sögel entstanden, als der<br />
Teufel durch den Kirchenbau vertrieben wurde und voll Wut<br />
davonsprang. Seine tief in den Boden eingedrückten<br />
Fußspuren füllten sich mit Wasser und bildeten<br />
die Düvelskuhlen.<br />
Opferkult<br />
Fasziniert waren unsere Vorfahren auch von<br />
besonderen Findlingen, weil diese entweder riesige<br />
Ausmaße hatten oder auffällige Merkmale wie Rinnen,<br />
Rillen oder Schälchen aufwiesen. Steine mit solchen<br />
„Verzierungen“ wurden im Volksmund häufig als<br />
Opfersteine bezeichnet, wie der Megalith in Börger (EL-D).<br />
Leidenschaftlich und unbeherrscht<br />
Nur Riesen mit ihrer kolossalen Körperkraft konnten die<br />
gewaltigen Steine bewegen – diese Ansicht blieb in den<br />
Legenden lange bestehen. Zudem wurde ihnen eine besonders<br />
schlechte Eigenschaft nachgesagt, die ziemlich gefährliche<br />
Auswirkungen haben konnte: Sie waren sehr jähzornig.<br />
Da sie sich auch untereinander oft nicht mochten und oft<br />
sauer waren auf das Brotbacken des anderen, schleuderten<br />
sie gerne die gewaltigsten Felsblöcke gegeneinander.<br />
Doch nicht nur das: Im emsländischen Thuine soll ein Riese<br />
gelebt haben, der sich über den Bau der Kirche ärgerte. Er<br />
warf mit einem großen Findling, um sie zu zerstören, verfehlte<br />
aber sein Ziel und der Stein flog bis in den Thuiner<br />
Wald. Kaiser Karl, der die Christianisierung wünschte, eilte<br />
daraufhin herbei und hieb voller Wut mit seinem Schwert in<br />
den Stein – der seitdem eine Scharte aufzeigt und als<br />
Karlstein bezeichnet wird. Man vermutet jedoch, das der<br />
Stein auf dem Transport zum Großsteingrab in Thuine (EL<br />
43) liegen blieb, welches als Wahrzeichen 1921 auf dem<br />
Notgeldschein der Gemeinde abgebildet wurde.<br />
Die Legende von Ellert und Brammert<br />
Furcht vor räuberischen Übergriffen verbreiteten der Überlieferung<br />
nach Riesen auch in der Provinz <strong>Drenthe</strong>. Hier<br />
wohnten im Ellertsveld vor mehr als 400 Jahren Ellert und<br />
Brammert. Vater und Sohn waren raue Kerle, die eine<br />
unterirdische Behausung im großen Heidefeld gebaut<br />
hatten. Eines Tages bemerkten sie auf dem Esch des<br />
Dörfchens Orvelterveen das junge Mädchen Marieke und<br />
raubten es. Sieben Jahre lang musste sie für die Riesen die<br />
Hausarbeit verrichten. Als das Mädchen einmal mit Ellert<br />
allein war und ihn rasieren sollte, witterte sie ihre<br />
Chance. Sie schnitt ihm mit dem Rasiermesser die Kehle<br />
durch und rannte nach Hause. Als Brammert entdeckte,<br />
was mit seinem Vater geschehen war, verfolgte er Marieke,<br />
konnte sie aber zum Glück nicht mehr einholen.<br />
Früher glaubten die Menschen, nur Riesen könnten die tonnenschweren<br />
Gesteinsbrocken wie hier bei Loon (D15) aufeinander<br />
geschichtet haben.<br />
Der schwarze Hund von Apeldorn<br />
Ein Mann namens Bouen-Gerd zerstörte einst die mächtigen<br />
Findlinge von sechs Gräbern in Apeldorn mit<br />
Eisenkeilen und lieferte die so gewonnenen Steine für den<br />
Straßenbau. Über alle Warnungen, er solle die alten Hünen<br />
ruhen lassen, sonst nähme es mit ihm noch ein böses Ende,<br />
lachte er nur. Eines Tages aber fand ihn ein Mann blutend<br />
und zitternd vor Angst am Wegesrande. Ein schwarzer<br />
Hund hatte ihn gebissen. Die Bisswunde blieb entzündet<br />
und wollte sich nicht schließen, so dass Bouen-Gerd daran<br />
starb. An das letzte Großsteingrab in Apeldorn wagte sich<br />
danach niemand mehr heran.<br />
Gefallene Helden<br />
Die Namen vieler Gräber im<br />
<strong>Emsland</strong> stammen aus Sagen –<br />
so auch für die Düvelskuhlen<br />
(EL15/16) in Sögel.<br />
Auch geschichtliche Sagen ranken sich um die Gräber der<br />
Vorzeit. So soll ein Steingrab (EL-E) im Börgerwald die<br />
Ruhestätte des Hünenkönigs Surwold sein. Er sei in der<br />
Schlacht bei Bokeloh an der Hase gefallen, als er mit<br />
Herzog Wittekind drei Tage lang gegen die Franken<br />
kämpfte. Seine Mannen trugen ihren toten König zum<br />
Norden des Hümmlings und begruben ihn dort in einem<br />
goldenen Sarg. Die Namen von weiteren Gräbern wie z.B.<br />
das Königsgrab (EL22) belegen den Versuch, die Gräber<br />
mit Helden in Verbindung zu bringen.<br />
Der schlaue Schneider aus Emsbüren<br />
Angst und Schrecken verbreitete der Sage nach einst ein<br />
Riese in der Nähe von Emsbüren. Alle fürchteten sich, von<br />
ihm verspeist zu werden. Da kam ein alter magerer<br />
Schneider auf eine pfiffige Idee: Er bat um zwölf Paar zerschlissene<br />
Schuhe und machte sich auf den gefährlichen<br />
Weg zum Riesen, der ihn fragte: „Woher kommst du altes,<br />
mageres Kerlchen?“ Der Schneider antwortete: „Von<br />
Büren“. „Dorthin wollte ich auch“, erwiderte der Riese,<br />
„denn da soll es manchen Leckerbissen geben. Weshalb<br />
aber hast du all diese Schuhe umgehängt?“ Darauf sagte<br />
der Schneider: „Alle diese Schuhe waren neu, als ich meine<br />
Reise antrat. Unterwegs aber sind sie zerschlissen, und ich<br />
band sie zusammen, damit der Schuster sie flickt, wenn ich<br />
nach Hause komme.“ Da staunte der Riese: „Wenn Büren<br />
wirklich noch so weit entfernt ist, dann gehe ich lieber erst<br />
gar nicht hin.“ So war Emsbüren, Mehringen gerettet.<br />
Riesen schütteten ihre Holzschuhe aus – so sollen<br />
die Steine nach Mehringen (EL46-48) gekommen<br />
sein.