Neue Wege im Kinderdorf: - Albert-Schweitzer-Verband eV
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lernen und begreifen.<br />
Begreifen heißt auch für den<br />
heranwachsenden Ingo: „Ich<br />
muss denken und anpacken,<br />
damit mein Leben funktioniert!“<br />
Er hat schnell verstanden, dass<br />
selten Strom für die Lampen<br />
vorhanden ist, also bei Anbruch<br />
des Tages aufgestanden<br />
wird. Dann wird die Heizung in<br />
Gang gesetzt, damit es warm<br />
wird. Kurz darauf wird das<br />
Wasser mit dem E<strong>im</strong>er aus der<br />
Ostsee geholt, damit man<br />
Waschwasser hat. Weiter geht<br />
es mit Teeaufsetzen, Frühstü-<br />
Eigentlich eine Idylle: Doch das Leben<br />
in der Abgeschiedenheit nutzen wir in<br />
Mecklenburg zur Selbstfindung.<br />
cken und der Körperhygiene.<br />
Wir haben gelernt, dass Wetter<br />
und Wind für uns lebensbest<strong>im</strong>mend<br />
sind. Bei Nord-/<br />
Nordost-Wind ab 8 Stärken<br />
kann kein Schiff anlegen, also<br />
gibt es kein Trinkwasser, Gas<br />
oder Essen. Bei Minusgraden<br />
unter 10 Grad kann kein Schiff<br />
in Peenemünde ablegen, da<br />
dann auch dort der Hafen<br />
vereist ist.<br />
Also müssen wir genug Essen,<br />
Wasser und Gas für mindestens<br />
zwei Wochen bevorraten<br />
und entsprechend verbrauchen.<br />
Es versteht sich von<br />
selbst, dass wir Müll vermeiden,<br />
wo es geht, da auch<br />
dieser wieder per Schiff von<br />
der Insel wegkommt. Für den<br />
Biomüll hingegen sind Schafe<br />
und Katzen zuständig.<br />
Neigt sich der Tag mit dem<br />
Einbruch der Dunkelheit,<br />
verbleibt noch ein wenig Zeit<br />
für Gespräche und Spiele bei<br />
Kerzenlicht. Bis wir das alles<br />
verstanden und den Lebensrhythmus<br />
umgestellt haben,<br />
vergeht eine Woche. Man stellt<br />
fest, dass ein Fernseher bequem<br />
aber nicht lebensnotwendig<br />
ist und dass man mit<br />
Trinkwasser verantwortungsbewusster<br />
umgehen muss. Auf<br />
einmal kann Vogelgezwitscher,<br />
Meeresrauschen oder das<br />
Heulen des Windes ein Radio<br />
ersetzen. Plötzlich gehen wir<br />
viel bewusster mit Lebensmitteln<br />
um, da der Supermarkt<br />
um die Ecke nicht da ist.<br />
Ingo findet zu sich selbst; er<br />
Niemals hätte Ingo wirklich daran<br />
geglaubt, dass er einmal eine Ziege<br />
streicheln würde.<br />
kann das eigene Denken und<br />
Tun reflektieren. Er entdeckt<br />
von einem Tag auf den anderen<br />
neue Fähigkeiten und<br />
Interessen. Er erkennt, dass<br />
das Leben nicht nur Konsum<br />
ist, dass der Mensch von der<br />
Natur abhängig ist und nicht<br />
umgekehrt. Jeder, der auf der<br />
Insel lebt, muss sich auf den<br />
Anderen verlassen können.<br />
Man rückt gerne zusammen,<br />
freut sich auf das Schwätzen<br />
und Teetrinken nach Einbruch<br />
der Dunkelheit und ist jeden<br />
Abend dankbar für Elektrizität.<br />
Man kann dann doch mal das<br />
Licht anknipsen, die Akkus<br />
fürs Handy aufladen und den<br />
Tag besinnlich ausklingen<br />
lassen.<br />
Ulrike Grottke<br />
Familienwerk<br />
Mecklenburg-Vorpommern<br />
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