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bautechnik bautechnik - Forum Wohnenergie

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autechnik<br />

Frank Hartmann / Klaus Siegele<br />

Heizungsmodernisierung<br />

in Wohngebäuden<br />

Anlagentechnik für Architekten


Frank Hartmann, Klaus Siegele<br />

Heizungsmodernisierung<br />

in Wohngebäuden<br />

Anlagentechnik für Architekten<br />

Deutsche Verlags-Anstalt


Mix<br />

Produktgruppe aus vorbildlich<br />

bewirtschafteten Wäldern, kontrollierten<br />

Herkünften und Recyclingholz oder -fasern<br />

www.fsc.org Zert.-Nr. GFA-COC-001575<br />

© 1996 Forest Stewardship Council<br />

Verlagsgruppe Random House FSC-DEU-0100<br />

Das für dieses Buch verwendete FSC-zertifizierte<br />

Papier OpusPraximatt, hergestellt von Condat,<br />

liefert Deutsche Papier GmbH.<br />

1. Auflage<br />

Copyright © 2009 Deutsche Verlags-Anstalt, München,<br />

in der Verlagsgruppe Random House GmbH<br />

Alle Rechte vorbehalten<br />

Grafische Konzeption: Tina Hinkel, Stuttgart, www.hinkel-wahl.de<br />

Grafische Umsetzung: Björn Maser, www.minimalist.cn<br />

Grafiken: Michael Römer, www.roemer-grafik.de<br />

Redaktion und Lektorat: Heiko Schwarzburger MA, Cortex Unit, Berlin und<br />

frei04 publizistik, www.frei04-publizistik.de<br />

Umschlaggestaltung: DVA/Monika Pitterle, unter Verwendung von Aufnahmen<br />

von Tom Pischell (Fotos) und Michael Römer (Grafik)<br />

Bildbearbeitung und Druckvorstufe: Florian Höch, Stuttgart, www.hoech.net<br />

Druck und Bindung: Offizin Andersen Nexö Leipzig<br />

Printed in Germany<br />

ISBN 978-3-421-03716-9<br />

www.dva.de


Inhalt<br />

7 Zu diesem Buch<br />

9 Wohnen und Heizen – eine unendliche Geschichte<br />

Anlagentechnik<br />

29 Wärmeerzeugung<br />

71 Wärmenutzung<br />

105 Warmwasserbereitung<br />

Projekte<br />

134 Wehrmühle in Biesenthal bei Berlin<br />

142 Spätbarockes Bürgerhaus in Zeilitzheim<br />

148 Reihenmittelhaus in Nürnberg<br />

152 Scheunenumbau in Ihlow bei Strausberg<br />

160 Bungalow in Durlach bei Karlsruhe<br />

168 Fabrikumbau in Nürnberg<br />

176 Wohnhaus mit Gewerbe in Poppenhausen bei Schweinfurt<br />

Anhang<br />

182 Checkliste für Bestandsaufnahme<br />

186 Stichwortverzeichnis<br />

189 Literatur- und Bildnachweis<br />

190 Autoren<br />

191 <strong>Forum</strong> <strong>Wohnenergie</strong><br />

192 DVA-Buchliste<br />

INHALT


Zu diesem Buch<br />

Es ist kein Geheimnis: Die meisten Architekten haben ein sehr gespaltenes Verhältnis<br />

zur Anlagentechnik. Einerseits will man sich natürlich das energetische Konzept für<br />

ein Gebäude nicht aus der Hand nehmen lassen, andererseits fehlt es vielen Planern<br />

an entscheidenden Detailkenntnissen, um sicherzugehen, inwieweit die angepeilte<br />

Heizungsanlage sich mit anderen Komponenten wie beispielsweise einer Solaranlage<br />

verträgt oder sich diese am effizientesten einbinden lässt. Spätestens wenn der Termin<br />

mit dem TGA-Fachplaner ansteht oder vom Installateur konkrete Rückfragen wegen<br />

Unklarheiten in der Ausschreibung kommen, laufen viele Architekten Gefahr, mit ihrem<br />

Fachwissen aufzuschwimmen und müssen sich binnen Sekunden entscheiden,<br />

ob sie nun besser ihre Defizite offenlegen oder versuchen sollen, ihre Unsicherheit zu<br />

überspielen und sich irgendwie durch das Fachgespräch zu mogeln. Letzteres ist sicher<br />

der schlechteste Weg, um die beste anlagentechnische Lösung im Sinne des Bauherrn<br />

zu finden, ohne dabei das ursprüngliche energetische Konzept aus den Augen zu verlieren,<br />

das ja in der Regel darauf ausgerichtet sein muss, Architektur und Technik<br />

optimal und nutzerbezogen aufeinander abzustimmen.<br />

Während sich bei einem Neubau durch frühzeitige Einbindung der Fachplaner und<br />

den infrage kommenden Handwerkern der Findungsprozess für das ideale energetische<br />

Konzept eines architektonisch anspruchsvollen Gebäudeentwurfs recht einfach<br />

gestalten lässt, funktioniert dies bei einem Altbau nicht so ohne Weiteres. Hier gilt<br />

es zunächst in detektivischer Kleinarbeit herauszufinden, wie sich der Bestand darstellt,<br />

sprich welche Qualitäten die Gebäudesubstanz einschließlich aller technischen<br />

Einbauten aufweist. Das fachmännische Urteil über den Zustand der Gebäudehülle<br />

geht Architekten dabei naturgemäß einfacher über die Lippen als das Resümee der<br />

Eindrücke im Heizungskeller. Was sich dort hinter Kartons und Gerümpel so alles<br />

versteckt, ist selbst für gestandene Installateure nicht immer auf den ersten Blick zu<br />

durchschauen – der von Spinnweben überzogene Wirrwarr an Leitungen, Ventilen,<br />

Schläuchen und Manometern erinnert oftmals eher an den Maschinenraum eines verlassenen<br />

U-Bootes denn an die Technikzentrale eines Wohnhauses. Wie soll man in<br />

dem Chaos erkennen, welchen Stand der Technik der Heizkessel repräsentiert und wie<br />

das Prinzip der Warmwasserversorgung aufgebaut ist?<br />

In solchen Situationen gilt es, mit Bedacht vorzugehen und das verschlungene Geheimnis<br />

des Anlagenkonzeptes Stück für Stück zu entwirren. Dazu muss man natürlich<br />

wissen, wie das Schema einer Heizanlage einer bestimmten Epoche grundsätzlich<br />

aufgebaut ist, welche Komponenten autark sind, welche Funktionen die einzelnen Bestandteile<br />

einer Anlage übernehmen und ob diese hierhin oder dorthin gehören. Um<br />

Architekten zu etwas mehr hellseherischem Licht im technischen Dunkel eines antiquierten<br />

oder auch neuzeitlichen Heizraumes zu verhelfen, ist dieses Fachbuch entstanden.<br />

Ein kleiner Rückblick in die Welt des Wohnens und Heizens soll den Einstieg<br />

in die darauf folgende, so umfassende wie detaillierte Übersicht der Anlagentechnik<br />

erleichtern, die mit sieben vorbildlichen Projektbeispielen verschiedener energetischer<br />

Sanierungen abschließt. Frank Hartmann, Klaus Siegele<br />

7


Wohnen und Heizen –<br />

eine unendliche Geschichte<br />

von Klaus Siegele<br />

9


1 Die Küchen in den Häusern von<br />

Armenvierteln geben oftmals eine gute<br />

Vorstellung davon, wie im Mittelalter<br />

gekocht und geheizt wurde.<br />

2 Der von Franz Lönholdt im Jahr<br />

1880 patentierte „Lönholdt-Ofen“<br />

war eine verbesserte Konstruktion des<br />

amerikanischen Füllofens mit ununterbrochener<br />

Feuerung. Dieser Ofentyp<br />

war bis zum Aufkommen der Zentralheizungen<br />

weit verbreitet.<br />

10<br />

Die Evolution der Wohnwärme<br />

Am Anfang war das Feuer<br />

„Der Landmann arbeitet Tag und Nacht, daß ihm<br />

der Rücken krumm wird, liegt in einer räucherigen<br />

Hütte, die wie eine Arche Noah ist, Hund<br />

und Katzen, Kühe und Kälber, Rosse, Säue, Hühner<br />

und Schafe, alle beeinander, bei einem Feuer.<br />

Wenn er sich müde und krank gearbeitet und<br />

heimkommt, so hat er nicht Holz genug für den<br />

Frost. Er muß einen rohen stinkenden Speck und<br />

Hartbrot wie Wetzstein nagen, Wasser trinken,<br />

schlecht liegen, mit Sorgen schlafen, und was er<br />

im Schweiße seines Angesichts erwirbt, muß er in<br />

die Klöster geben …“.<br />

So beschrieb der Reformator Urbanus Rhegius<br />

(1489–1541) im Jahr 1532 das Wohnen der<br />

Bauern im Fürstentum Lüneburg, das hier wie<br />

anderswo zu jener Zeit kaum Erholung von des<br />

Tages harter Arbeit versprach. Für den täglichen<br />

Überlebenskampf aber war die Feuerstelle in den<br />

damals noch vielfach schornsteinlosen „Rauchhäusern“<br />

von zentraler Bedeutung, sorgte sie<br />

doch für etwas Wärme an kalten Wintertagen<br />

und erlaubte als Herdfeuer die Zubereitung zwar<br />

karger, aber immerhin warmer Mahlzeiten. Man<br />

hatte sich daran gewöhnt, dass der nur langsam<br />

durch Ritzen und Fenster abziehende Rauch die<br />

Tränen in die Augen trieb und chronischen Husten<br />

provozierte, andererseits aber auch Ungeziefer<br />

und Insekten fernhielt. Die hygienischen<br />

Zustände in diesen bäuerlichen Urhäusern waren<br />

fatal, Krankheiten an der Tagesordnung, und<br />

doch bewahrte das Feuer die Bewohner vor dem<br />

Hunger- und Erfrierungstod.<br />

1


Die wenig erquicklichen Wohnqualitäten in den ärmlichen Bauernkaten<br />

des Mittelalters waren hinsichtlich der Beheizung kaum<br />

schlechter als hinter den dicken Mauern der herrschaftlichen Burgen<br />

und Schlösser jener Epoche. Zwar hatte man im Burgenbau um 1200<br />

bereits erkannt, dass ein Rauchabzug über den Koch- und Feuerstellen<br />

für weitaus weniger „dicke Luft“ im Gemäuer sorgte, doch waren<br />

größere Säle mit dem offenen Feuer nicht warm zu kriegen. Ganz<br />

anders als es uns die Ritterfilme vorgaukeln, reichte die strahlende<br />

Wärme der lodernden Flammen in den Wandkaminen kaum bis<br />

zur gedeckten Tafel, zum Aufwärmen mussten sich die zähneklappernden<br />

Burgfräulein schon direkt vor die brennenden Holzscheite<br />

stellen. Weitaus besser hatten es jene Hofdamen erwischt, an deren<br />

Wohnsitz der repräsentative Saal bereits mit einer „Heißluft-Kanalheizung“<br />

ausgestattet war – einer Luftheizung, deren Wirkungsprinzip<br />

bereits im Römischen Reich bekannt, aber in Europa mit dessen<br />

Untergang in Vergessenheit geraten war. Erst im 10. Jahrhundert erlebte<br />

die Hypokaustenheizung („Hypokaustum“, griech. „von unten<br />

beheizt“) zunächst in Klöstern und Königspfalzen ihre Renaissance:<br />

Wie bei den römischen Thermen durchströmten heiße Abgase eines<br />

Holz- oder Holzkohlenfeuers einen Hohlraum zwischen dem tragenden<br />

Unterboden und einem von kleinen Steinpfeilerchen getragenen<br />

3<br />

AM ANFANG WAR DAS FEUER<br />

3 Schnittmodell einer Hypokaustenheizung, wie sie in<br />

vielen römischen Thermen zu finden war. Der Hohlraum unter<br />

dem Fußboden wurde von heißer Luft durchströmt, die<br />

in einem oder mehreren zentralen Öfen mit einem Holzfeuer<br />

erzeugt wurde.<br />

2<br />

11


4 Aufwendig verzierter Gussofen ohne Aufsatz für Holz-<br />

und Steinkohlebrand, um 1884<br />

5 Dieser amerikanische Gussheizkessel für Niederdruckdampfheizung<br />

stammt aus dem Jahr 1893 und war bis 1972<br />

in einem Wohnhaus in Wetzlar in Betrieb.<br />

12<br />

4<br />

WOHNEN UND HEIZEN – EINE UNENDLICHE GESCHICHTE<br />

Fußboden. Bevor die Abgase durch Öffnungen ins Freie abzogen,<br />

wurden sie oftmals noch über vertikal verlegte Hohlziegelreihen die<br />

Wände hochgeführt, um die Strahlungswärme möglichst effizient<br />

zu nutzen. Während zur Zeit des Hellenismus’ und des Römischen<br />

Reichs neben den vielen öffentlichen Baderäumen auch Privathäuser<br />

wohlhabender Bürger mit derartigen Luftheizungen ausgestattet<br />

waren, blieb im Mittelalter ein solcher Luxus eher rar und<br />

war vorwiegend Klöstern, Burgen, Schlössern und repräsentativen<br />

Stadtbauten vorbehalten. In den privaten Gebäuden blieb die offene<br />

Feuerstelle das Maß der Dinge, wenngleich sie sich allmählich weiterentwickelte.<br />

Auch wenn die unkontrolliert durch die Bauernhäuser<br />

wabernden Rauchschwaden halfen, die Ernte schneller zu trocknen<br />

und die Haltbarkeit von Fleisch und Wurst zu verlängern, so war<br />

man doch des ewig geschwärzten Hausrats ebenso überdrüssig wie<br />

der dicken Rußschicht an den Wänden und Decken, auch wenn<br />

diese die Brandgefahr erheblich minderte. Mehr und mehr setzte sich<br />

daher generell der gezielte Rauchabzug über Rauchfang und Kamin<br />

5 6


HEISSE ÖFEN<br />

durch. Die offene Feuerstelle wandelte sich von der mit Steinen eingefassten<br />

Kuhle in eine funktionale, zunächst kniehohe Kochstelle.<br />

Immer mehr Ergänzungen und technische Raffinessen kamen hinzu:<br />

So hatte der Küchenherd im 15. Jahrhundert bereits ideale Arbeitshöhe,<br />

verfügte über eine schwere Eisenplatte zum Kochen und<br />

war meist mit einem Backofen und einem Behälter zum Erwärmen<br />

von Wasser ausgestattet. Allerdings war diese offene Herdstelle noch<br />

immer fest eingebaut und diente überall dort zugleich zum Beheizen<br />

der Wohnräume, wo noch kein Kachelofen Einzug gehalten hatte,<br />

der seit dem 14. Jahrhundert vom Norden her zunehmend die kalten<br />

Stuben zu erwärmen begann.<br />

Heiße Öfen<br />

Mit dem gezielten Ableiten der heißen Rauchgase über den offenen<br />

Kochstellen reifte bei den Ofenbauern die Erkenntnis, dass<br />

sich die Wärme dieser Abgase zusätzlich zum Beheizen der Räume<br />

nutzen lässt, wenn man die Abzugswege durch entsprechende Ummauerungen<br />

erweitert und die Rauchgaswärme in dem Steinmaterial<br />

speichert. Dies war die Geburtststunde des Kachelofens, dessen<br />

milde Wärmestrahlung auch noch dann anhält, wenn das Feuer<br />

im Herd längst erloschen ist. Die Ofenbauer stellten weiterhin fest:<br />

Je größer sie die Oberfläche des Kachelofens wählten, umso mehr<br />

Wärme gab er ab. Da jedoch der Ofengröße Grenzen gesetzt waren,<br />

experimentierten sie mit der Kachelform, indem sie diese becherförmig<br />

ausbildeten, um mit diesem Trick die Ofenoberflächen zusätzlich<br />

zu vergrößern.<br />

7<br />

6 Seit 1899 schmückt der Hase die Gasbadeöfen des<br />

Remscheider Kupferschlägers und Pumpenmachers<br />

Johann Vaillant. Seine Durchlaufgeräte machten die Warmwasserversorgung<br />

nicht nur schneller, sondern auch sicherer.<br />

7 Anders als in Amerika oder England setzte sich in<br />

Deutschland die Zentralheizung nur allmählich durch – der<br />

Einzelofen blieb lange Zeit die dominierende Wohnraumbeheizung.<br />

Die erste industrielle Serienproduktion von gusseisernen<br />

Gliederkesseln begann in Deutschland erst im Jahr<br />

1895 in Lollar bei Gießen – drei Jahre später startete dort<br />

nach amerikanischem Vorbild die Fertigung von gusseisernen<br />

Heizkörpern, den Radiatoren. Das Bild zeigt frühe Exemplare.<br />

8<br />

8 Auf dem Kalorimeterprinzip<br />

basierend, entwickelte Hugo Junkers<br />

1894 seinen „Flüssigkeitserhitzer”, der<br />

als Prototyp des Stand-Gasbadeofens<br />

in die Geschichte der Heiztechnik<br />

einging.<br />

13


Anlagentechnik<br />

Wärmeerzeugung<br />

von Frank Hartmann<br />

29


1 Die Energie der Sonne wird in<br />

den oberflächennahen Schichten der<br />

Erdkruste und in der Erdatmosphäre<br />

gespeichert.<br />

2 Vakuumröhrenkollektor. Diese<br />

Bauform erzielt eine höhere Solarausbeute<br />

als die Flachkollektoren und<br />

kann höhere Temperaturen aushalten.<br />

Allerdings sind Röhrenkollektoren<br />

teurer.<br />

58<br />

WÄRMEERZEUGUNG<br />

Zeitgemäß heizen:<br />

Sonnenwärme vom Dach<br />

Öl- oder Gaszentralheizungen stützen sich in der<br />

Regel auf einen Wärmeerzeuger, den Kessel. Mit<br />

erneuerbaren Energien werden bivalente oder<br />

multivalente Systeme möglich. Bivalente Heizsysteme<br />

kombinieren zwei Wärmeerzeuger. Das können<br />

alternative und konventionelle Energien sein,<br />

zum Beispiel eine Solaranlage und ein Gaskessel.<br />

Bei einem multivalenten Heizsystem wird beispielsweise<br />

neben einer Wärmepumpe und einem<br />

wassergeführten Stückholzofen noch eine weitere,<br />

alternative Wärmequelle genutzt, zum Beispiel<br />

Sonnenwärme. Prinzipiell sollte man versuchen,<br />

die Energie der Sonne bestmöglich zu nutzen, also<br />

zur Erwärmung von Trinkwasser und zur Unterstützung<br />

der Heizung. Denn die Sonne bietet ausreichend<br />

Energie an.<br />

Für viele Bauherren bedeutet eine Solaranlage auf<br />

dem Dach den Einstieg in eine nachhaltige Mo-<br />

dernisierung der Heizungsanlage, die sich dann<br />

später bis hin zum Austausch des Kessels und der<br />

Heizkörper fortsetzen kann. Denn Solarwärme<br />

lässt sich problemlos mit fossilen Wärmeerzeugern<br />

kombinieren. Solange die Kollektoren in den<br />

heißen Monaten das Warmwasser bereiten, schonen<br />

sie den Geldbeutel spürbar, denn der Kessel<br />

bleibt in dieser Zeit ausgeschaltet. Mit einer fachgerecht<br />

geplanten und installierten Solaranlage<br />

kann auch im Winter die Energie der Sonne für die<br />

Heizung genutzt werden. Entscheidend ist die regelungstechnische<br />

Integration der Sonnenkollektoren:<br />

Die Sonnenwärme vom Dach wird in einen<br />

Speicher geladen, um den Heizkessel zu entlasten.<br />

Die optimale Funktion der Solaranlage sollte man<br />

regelmäßig überprüfen, auch bei der Bestandsaufnahme<br />

der bestehenden Anlagentechnik.<br />

Mehr Energie vom Dach<br />

Solaranlagen kann man jederzeit erweitern, am<br />

besten mit baugleichen oder sehr ähnlichen Kollektoren.<br />

Das hat neben einer stringenten Anlagensteuerung<br />

natürlich auch optische Vorteile.<br />

2


Die solarthermische Speicherladeleitung muss,<br />

wie die übrigen Heizkreise auch, hydraulisch abgeglichen<br />

werden. Dazu ist der Volumenstrom der<br />

erweiterten Anlage anzugleichen. Kann sie nämlich<br />

nicht ausreichend Wärme aufnehmen, werden<br />

die Kollektoren zu heiß, die Anlage schaltet ab<br />

und die nutzlosen Stillstandszeiten addieren sich.<br />

Deshalb erfordert die Erweiterung der Kollektorfläche<br />

immer auch die Anschaffung eines größeren<br />

Solarspeichers. Zu überlegen ist außerdem die<br />

Ausweitung der solarthermischen Trinkwassererwärmung,<br />

um die Heizung mit dem solar erhitzten<br />

Wasser zu unterstützen. Zuvor muss man aber<br />

die Systemtemperaturen (Vorlauf und Rücklauf<br />

im Heizkreis) und den Heizwärmebedarf auf ein<br />

Minimum reduzieren.<br />

Eine Heizungsunterstützung mit Sonnenkollektoren<br />

ist nur bei Temperaturen von höchstens 55 °C<br />

im Heizungsvorlauf zu empfehlen. Steigt die Vorlauftemperatur<br />

über diesen Wert, steht der solare<br />

Deckungsanteil in keinem vernünftigen Verhältnis<br />

zum Aufwand. Je niedriger die Systemtemperaturen<br />

sind, desto größer wird der solare Deckungsanteil.<br />

Und je größer der Anteil an Sonnenwärme<br />

in der Heizung ist, desto weniger Brennstoff muss<br />

der Eigentümer oder Nutzer beschaffen und bezahlen.<br />

Wichtig ist es, den Warmwasserbedarf während<br />

der Sommermonate genau zu analysieren. Wenn<br />

zu wenig Wärme für Warmwasser abgenommen<br />

wird, brüten die Kollektoren in der sommerlichen<br />

Hitze vor sich hin. Diese Stillstandszeiten belasten<br />

nicht nur das Material der Kollektoren mit mehreren<br />

100 °C, sondern verschlechtern auch den<br />

ZEITGEMÄSS HEIZEN: SONNENWÄRME VOM DACH<br />

3 4 5 6<br />

Wirkungsgrad der Anlage. Erweitert man das Kollektorfeld,<br />

um die Heizung zu unterstützen, steht<br />

im Sommer wesentlich mehr Solarenergie bereit,<br />

die abgeführt werden muss. Dies hat natürlich besagte<br />

Konsequenzen bei der Speicher- und Bereitstellungstechnik.<br />

Über die Sonnenkollektoren hinaus bieten erneuerbare<br />

Energien eine Fülle sinnvoller Kombinationen.<br />

Mit ihrer Hilfe sind individuelle, maßgeschneiderte<br />

Wärmelösungen für jeden Gebäudetyp<br />

und alle denkbaren Nutzeranforderungen<br />

möglich. So kann man eine Wärmepumpe mit einem<br />

Scheitholzkamin koppeln, unterstützt durch<br />

eine Solaranlage auf dem Dach. Auch ein altes<br />

Ölbrennwertgerät lässt sich in ein solch komplexes<br />

Heizsystem integrieren. Es kann die Spitzenlasten<br />

übernehmen, sein Betrieb wird damit auf<br />

ein Minimum reduziert. Das spart beispielsweise<br />

die Demontagekosten der Öltanks, wenn der Platz<br />

nicht anderweitig benötigt wird. Bei gasbefeuerten<br />

Anlagen bleibt der Gasanschluss bestehen wie<br />

gehabt. Die Grundlast stellen zeitgemäße und umweltschonende<br />

Wärmeerzeuger bereit: Pelletöfen<br />

oder Wärmepumpen.<br />

3 Solarstation einer solarthermischen<br />

Anlage. Links im Bild befindet<br />

sich der Vorlauf des Solarkreises.<br />

Rechts ist der Rücklauf erkennbar, der<br />

zur Absicherung mit dem Membranausdehnungsgefäß<br />

verbunden ist. Zu<br />

erkennen ist auch die Solepumpe im<br />

Rücklauf.<br />

4 Vorlauf (links) und Rücklauf des<br />

Solarkreises einer solarthermischen<br />

Anlage. Beide Temperaturfühler zeigen<br />

den gleichen Wert an. Das deutet<br />

darauf hin, dass die Solaranlage nicht<br />

arbeitet.<br />

5 Links im Bild erkennt man eine<br />

Pumpengruppe für den Heizkreis,<br />

rechts eine Solarstation mit Druckausdehnungsgefäß<br />

und Solepumpe im<br />

Solarrücklauf.<br />

6 Im Vorlauf (rot) des Solarkreises<br />

herrschen 54 °C, im Rücklauf (blau)<br />

48 °C. Aus der Temperaturdifferenz,<br />

der sogenannten Spreizung, kann man<br />

schließen, ob die Wärme optimal an<br />

den Pufferspeicher abgegeben wird.<br />

7 Schnitt durch einen Flachkollektor<br />

im Holzrahmen zur Indachmontage.<br />

Man erkennt sehr gut die Rückwand<br />

(unten), die Dämmschicht, den darüber<br />

liegenden Absorber mit der<br />

Tinox-Beschichtung und obenauf die<br />

Abdeckung mit Solarglas.<br />

59


1 Blick ins Innere einer Luft-Wasser-<br />

Wärmepumpe. Rechts erkennt man<br />

den Ventilator zur Ansaugung der Luft<br />

und den Wärmetauscher zur Übergabe<br />

der Umweltwärme an den Arbeitskreis<br />

der Wärmepumpe. Links sitzt der<br />

schwarz lackierte Verdichter.<br />

2 Prinzip des Verdichters: Wie eine<br />

Luftpumpe komprimiert der Verdichter<br />

in der Wärmepumpe das verdampfte<br />

Arbeitsgas, um seine Temperatur zu<br />

erhöhen.<br />

60<br />

WÄRMEERZEUGUNG<br />

Das neue Herz:<br />

Wärmepumpen und Holzkessel<br />

Wärmepumpen sind als moderne und zeitgemäße<br />

Form der Wärmeerzeugung für Wohngebäude auf<br />

dem Vormarsch. Sie nutzen die Verdampfungswärme<br />

eines Arbeitsmittels mit sehr niedrigem Siedepunkt<br />

aus, um Wärme aus dem Erdreich, der Umgebungsluft<br />

oder dem Grundwasser anzuzapfen.<br />

Das Arbeitsmittel verdampft schon bei wenigen<br />

Grad Celsius. Anschließend verdichtet ein Kompressor<br />

das Arbeitsgas, um seine Temperatur zu<br />

erhöhen und für Heizzwecke nutzbar zu machen.<br />

Um die Wärme aus der Umwelt nutzen zu können,<br />

braucht die Wärmepumpe eine Wärmequel-<br />

lenanlage. Luftmaschinen nutzen das thermische<br />

Potenzial in der Umgebungsluft. Sie wird durch<br />

die Sonne erwärmt. Im Jahresverlauf schwankt<br />

die Temperatur in der bodennahen Atmosphäre<br />

stark, von großer Hitze im Sommer bis zu etlichen<br />

Minusgraden in der Heizperiode. Deshalb<br />

sind Luft-Wärmepumpen nur begrenzt einsetzbar<br />

oder benötigen einen zweiten Wärmeerzeuger für<br />

kalte Winter.<br />

2<br />

1


DAS NEUE HERZ: WÄRMEPUMPEN UND HOLZKESSEL<br />

Wird ein großflächiger Erdabsorber unterhalb der Frostgrenze im<br />

Boden als Wärmequelle für die Wärmepumpe genutzt, greift die Anlage<br />

auf im Boden gespeicherte Sonnenwärme zu. Denn bis zu einer<br />

bestimmten Tiefe wird die Bodentemperatur maßgeblich vom Wärmeeintrag<br />

durch Sonnenstrahlung und Niederschläge bestimmt.<br />

Man spricht von oberflächennaher Erdwärme (Geothermie).<br />

In tieferen Schichten gleichen sich die saisonal schwankende Beladung<br />

der oberflächennahen Schichten und der thermische Wärmefluss aus<br />

dem Erdinneren an. Mithilfe von Erdsonden kann man tiefer liegende<br />

Wärmereservoire erreichen, die weitgehend unabhängig von<br />

der Sonneneinstrahlung sind. Auch grundwasserführende Schichten<br />

kann man als Wärmequelle für eine Wärmepumpenanlage nutzen.<br />

Der effiziente Einsatz einer Wärmepumpe hängt vom genau und gut<br />

durchdachten Zusammenspiel der Wärmequelle, der eigentlichen<br />

Wärmepumpe und der Wärmenutzung ab. Je mehr Wärme der elektrisch<br />

betriebene Verdichter der Wärmepumpe aus der Umwelt holt<br />

und bereitstellt, desto geringer sind die Kosten für den Antrieb der<br />

Wärmepumpe (Strom). Die folgende Grafik verdeutlicht dies mit -<br />

hilfe der Leistungszahl. Die Leistungszahl ist ein Wert für die Wärmepumpe<br />

als Maschine. Er wird auf dem Prüfstand ermittelt, unter<br />

genormten Bedingungen. Die Leistungszahl beschreibt das Verhältnis<br />

der abgegebenen Wärmeleistung zur zugeführten elektrischen<br />

Leistung für den Verdichter und die Hilfsantriebe nach DIN EN 255.<br />

Die Leistungszahl ist mit den Betriebstemperaturen der Wärmequellenanlage<br />

und der Wärmenutzungsanlage in den technischen<br />

Daten der Hersteller angegeben. Eine Leistungszahl von 4,0 besagt,<br />

dass die vom System genutzte Wärmemenge viermal höher ist als die<br />

Antriebsleistung der Wärmepumpe.<br />

3 Die oberflächennahe Geothermie nutzt in den oberen<br />

Bodenschichten gespeicherte Sonnenwärme. Die Temperatur<br />

schwankt im Jahresverlauf. Holt man die Wärme aus tieferen<br />

Schichten, wird vor allem der Wärmefluss aus dem heißen<br />

Erdinneren angezapft. Die Schicht, in der sich beide Wärmeströme<br />

zu einer konstanten Temperatur vereinen, nennt man<br />

neutrale Zone.<br />

Leistungszahl<br />

10<br />

9<br />

8<br />

7<br />

6<br />

5<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

0<br />

0<br />

�=9,6<br />

�=7,3<br />

optimaler Bereich<br />

grüner Bereich”<br />

roter Bereich”<br />

�=5,0<br />

�=3,9<br />

�=3,2<br />

�=2,8<br />

10 20 30 40 50 60 � T<br />

Temperaturdifferenzen in Kelvin<br />

4 Leistungszahl einer Wärmepumpe in Abhängigkeit von<br />

der Temperaturdifferenz zwischen Wärmequellenanlage und<br />

Wärmenutzung. Man erkennt, dass eine möglichst geringe<br />

Differenz die Effizienz der Anlage wesentlich verbessert. Die<br />

Wärmequelle sollte möglichst hohe Temperaturen anbieten.<br />

Die Wärmenutzung sollte möglichst geringe Temperaturen<br />

abfordern, beispielsweise durch Flächenheizungen.<br />

61


Steckbrief:<br />

Denkmalgeschütztes spätbarockes<br />

Bürgerhaus in Zeilitzheim bei<br />

Würzburg, Baujahr 1801; zwei Geschosse<br />

und Dachgeschoss als Mansardendach<br />

mit Biberschwanzeindeckung;<br />

Grundwasserwärmepumpe<br />

und Stückholzvergaserkessel als<br />

bivalentes Wärmeversorgungssystem,<br />

Warmwasserbereitung mit<br />

Wellrohrwärmetauscher im Durchflussprinzip;<br />

Wärmeübertragung:<br />

Flächenheizung und Radiatoren<br />

Bauherren: Familie Bach, Zeilitzheim<br />

Architektur, Baubegleitung und<br />

Wärmekonzept: Ulrike und Helmut<br />

Bach, Zeilitzheim<br />

142<br />

PROJEKTE<br />

Spätbarockes Bürgerhaus<br />

nutzt Stückholz und Erdwärme<br />

Das großzügige und mondäne Bürgerhaus gehört<br />

zu den herausragenden Gebäuden in Zeilitzheim<br />

und gilt als Paradebeispiel einer gelungenen Modernisierung<br />

im Einklang mit dem Denkmalschutz.<br />

Es zählt zur Stilepoche des Spätbarock und<br />

wurde 1801 errichtet, mit zwei Geschossen und<br />

einem Dachgeschoss unter dem schwungvollen<br />

Mansardenschwalmdach. Nach Westen hin wurde<br />

der Bau bereits im Jahr 1898 um einen Anbau<br />

mit Satteldach erweitert, der am Nachbargebäude<br />

anschließt. Der Weg ins Gebäude führt über drei<br />

Sandsteinstufen durch ein korbbogiges Eingangsportal<br />

und eine zweiflügelige Haustür mit Messingbeschlägen<br />

und aufwendigem Schnitzwerk<br />

in den Türfüllungen. Zu den ersten gewerblichen<br />

Nutzern zählte um 1870 der Kolonialwarenhänd-<br />

ler Johann Paul, im Jahr 1898 erweiterte es Lazarus<br />

Gutmann um eine Drogerie im Anbau. So setzte<br />

sich die Gebäudenutzung fort bis Mitte der 1980er<br />

Jahre: 1985 schlossen die Gemischtwarenhandlung<br />

Kohles und die Schusterwerkstatt von Otto Bille.<br />

Anschließend stand das Gebäude zehn Jahre leer.<br />

Die Familie Bach erwarb das Haus im Jahr 1995.<br />

Den neuen Eigentümern lag daran, das zweihundert<br />

Jahre alte, stilistisch unverfälschte Bürgerhaus<br />

behutsam zu sanieren und seinen kulturhistorischen<br />

Wert zu retten. Ganz bewusst im Einklang<br />

mit den Auflagen des Denkmalschutzes und der<br />

1995 gültigen Wärmeschutzverordnung, die später<br />

von der Energieeinsparverordnung (EnEV)<br />

abgelöst wurde. Kein einfacher Weg, denn oft las-<br />

1


SPÄTBAROCKES BÜRGERHAUS IN ZEILITZHEIM<br />

sen sich die energetischen Vorgaben nicht mit denkmalpflegerischen<br />

Forderungen in Einklang bringen, was die behutsame Modernisierung<br />

denkmalgeschützter Gebäude nicht nur erschwert, sondern<br />

hin und wieder auch unmöglich macht. Im Fall des spätbarocken<br />

Bürgerhauses in Zeilitzheim fanden die neuen Eigentümer und das<br />

zuständige Amt für Denkmalpflege einen Weg, vertrauensvoll zu<br />

kooperieren. Die Behörde griff der Familie Bach tatkräftig unter<br />

die Arme. Die Mühen der Modernisierung wurden 2003 mit dem<br />

Denkmalpreis des Bezirks Unterfranken zur Erhaltung historischer<br />

Bausubstanz belohnt. Das Preisgeld in Höhe von 50.000 Euro nahm<br />

der Eigentümer natürlich gerne entgegen, um damit das Baubudget<br />

aufzustocken. Es gingen insgesamt 15 Jahre ins Land, bis die Modernisierung<br />

schließlich 2009 endlich abgeschlossen werden konnte.<br />

Der Ablauf der Arbeiten erfolgte von innen nach außen: zunächst<br />

die Wohnräume, dann die Fassaden und schließlich das Dach. Wie<br />

bei vielen alten Gebäuden war die Substanz des Bürgerhauses gut<br />

erhalten. Ganz anders als bei den meisten Gebäuden des sogenannten<br />

Wirtschaftswunders, denen nach nur dreißig oder vierzig Jahren<br />

Nutzung vielfach die Abrissbirne droht. Die Familie Bauch wohnt<br />

dagegen in einem Haus – beileibe mit hohem Komfort – das nun ins<br />

dritte Jahrhundert geht.<br />

Früher: Einzelöfen mit Kohle<br />

Bei seinem ersten Rundgang fand der neue Besitzer in einigen Wohnräumen<br />

des leer stehenden Hauses einzeln stehende Kohleöfen vor,<br />

in der Küche entdeckte er eine Kochmaschine, die als Ofen und Herd<br />

zugleich funktionierte. Die Berechnung des Energiebedarfs vor der<br />

Sanierung ergab, dass das Gebäude mit seinen rund 354 Quadratmetern<br />

Wohnfläche etwa 152.00 kW Endenergie pro Jahr benötigte.<br />

Das entspricht einem Äquivalent von rund 15.000 Litern Heizöl. Der<br />

spezifische Energiebedarf pro Quadratmeter Wohnfläche und Jahr<br />

lag damit bei 430 kW. Zum Vergleich: Neubauten der 1990er Jahre<br />

kamen jährlich mit etwa 130 kW/m² aus.<br />

Schuld an dem hohen Wärmebedarf war zweifelsfrei der fehlende<br />

Wärmeschutz. Das Gebäude stammt aus einer Zeit, als von dem<br />

heute üblichen Wärmekomfort oder Energiesparen noch keine Rede<br />

war. Gemäß der damaligen Praxis wurden lediglich die Küche und<br />

unmittelbar daran angrenzende Räume beheizt. Die übrigen Zimmer<br />

erwärmte man mit Hilfe der Öfen nach Bedarf.<br />

Unverfälschte Gebäudesubstanz<br />

Von dem Gebäude ist nur ein kleiner Teil unterkellert, ansonsten<br />

grenzt der Fußboden im Erdgeschoss direkt an das Erdreich. Die<br />

1 Das spätbarocke Bürgerhaus gehört zu den prägenden<br />

Gebäuden in Zeilitzheim.<br />

2 Stückholzvergaserkessel zur Abdeckung der Spitzenlast,<br />

im Hintergrund ist die Grundwasserwärmepumpe zu sehen.<br />

Sie übernimmt die Grundlast und die sommerliche Warmwasserbereitung.<br />

3 Manuelle Umschaltung von Winter- auf Sommerbetrieb.<br />

Im Sommer wird nur ein Pufferspeicher genutzt, der andere<br />

wird hydraulisch getrennt.<br />

3<br />

2<br />

143


4 Zellulosefüllung zwischen den<br />

Dachsparren<br />

5 Wärmedämmplatten unterm Dach<br />

zur Dämmung<br />

144<br />

PROJEKTE<br />

durchschnittliche Raumhöhe liegt bei 2,8 Metern, das Gesamtvolumen des Hauses<br />

beträgt annähernd 2.000 Kubikmeter. Die straßenseitigen Außenwände des Erd- und<br />

Obergeschosses bestehen aus 55 Zentimeter dickem Bruchsteinmauerwerk. Die Fassade<br />

zum Hof hin ist eine Fachwerkkonstruktion, ausgefacht mit Stroh und Lehm. Diese<br />

Außenwand weist die geringsten Wärmeverluste des gesamten Gebäudes auf – auch<br />

gegenüber den 30 Zentimeter dicken Vollziegelsteinwänden des Anbau aus dem Jahr<br />

1898. Alle Außenwände waren innen und außen verputzt. Ein bemerkenswertes Detail<br />

fand sich an den Außenwandecken, die innenseitig als Hohlkehlen ausgebildet waren<br />

– dieser Kniff war allein dem Wärmeschutz geschuldet, um die Oberfläche zu vergrößern<br />

und so Wärmebrücken zu vermeiden. Ein echtes Original, aber wahrlich nicht<br />

mehr zeitgemäß, waren die vorgefundenen Fenster: einfach verglast und fugenundicht<br />

lag deren Wärmeübergangswert bei 5,2 W/m²K zwischen Innenraum und Außenwelt.<br />

Im Keller fand sich ein ungefähr vier Meter tiefer Brunnen, von dem noch später die<br />

Rede sein wird.<br />

Gezielt gedämmt<br />

Aufgrund der Gebäudetypologie, der denkmalpflegerischen Auflagen und der bauhistorischen<br />

Ansprüche der Bauherrschaft – Ulrike Bach ist Innenarchitektin und<br />

selbst in der Denkmalpflege tätig – war von vorneherein klar, dass hier ein solides und<br />

durchdachtes Wärmekonzept vonnöten war. Eine außenseitige Dämmung der denkmalgeschützten<br />

Fassade stand zu keinem Zeitpunkt zur Debatte. Auf die Innendämmung<br />

wurde gleichfalls verzichtet, weil keiner der angefragten Experten ein schlüssiges<br />

Konzept vorzulegen vermochte, das Tauwasserbildung und Schimmelgefahr mit letzter<br />

Gewissheit ausschloss. Bei den Baustoffen achteten die Bauherren darauf, vorzugsweise<br />

ökologische Materialien zu verwenden – so zum Beispiel Zellulose für die Zwischensparrendämmung<br />

und die oberste Geschossdecke, Kork und Holzfaserdämmplatten<br />

für die innenseitige Dämmung des Daches oder Lehm für die Innenwände. Der alte<br />

Dachstuhl war noch gut erhalten und sogar mit originalen Holzkeilen verzapft. Passend<br />

dazu entschied man sich, die Dachfläche mit alten Schindeln neu einzudecken.<br />

Obwohl die Gebäudehülle nicht umfassend, sondern sehr gezielt und punktuell gedämmt<br />

wurde, sank allein dadurch der Heizwärmebedarf um rund ein Viertel.<br />

Im Dachgeschoss entstanden zwei Wohnräume mit je 45 Quadratmetern, weitere 80<br />

Quadratmeter bleiben vorerst ungenutzt. In den beiden Obergeschossen wohnt die Familie<br />

Bach mit drei Kindern, das Erdgeschoss ist zwei Ferienwohnungen vorbehalten.<br />

Die Modernisierungsarbeiten an Dach und Fassade waren 2006 und 2007 abgeschlossen.<br />

Das Gebäude erhielt damit das heutige Erscheinungsbild.<br />

4<br />

5


SPÄTBAROCKES BÜRGERHAUS IN ZEILITZHEIM<br />

Ein Knackpunkt: die Fenster<br />

Natürlich ließ sich die alte Einscheibenverglasung der original erhaltenen Fenster<br />

nicht mit den heutigen Anforderungen an Wohnwärmekomfort und Energiekosten<br />

unter einen Hut bringen. Um das vertraute Bild der Fassade nicht zu beeinträchtigen,<br />

wurden neue, luftdichte Kastenfenster angefertigt, die ihren Vorgängermodellen<br />

aufs Haar gleichen und sich nahtlos in die Hausfassade einfügen. Nebenbei wirkt<br />

der Luftraum zwischen den beiden Scheiben wärmedämmend. In der Folge sank<br />

nicht nur der Wärmebedarf, auch die thermische Behaglichkeit verbesserte sich, da<br />

die unangenehme Zugluft unterblieb. Der Anschluss an das Bruchsteinmauerwerk<br />

erfolgte mit Fenstergewände aus Sandstein, bei der Fachwerkwand sind dies Blendbretter<br />

aus Holz.<br />

Problematisch war, dass die 1995 gerade in Kraft getretene Wärmeschutzverordnung<br />

(WSchVO 95) den Einbau von Kastenfenstern mit originaler Anmutung nicht zuließ.<br />

Die Berechnung nach der alten Wärmeschutzverordnung von 1984 erlaubte einen<br />

mittleren Wärmeübergangswert von 1,70 W/m²K. Die WSchVO 95 ließ aber nur 0,66<br />

zu. Nach § 14 der Verordnung kann der Bauherr allerdings bei besonderen Umständen<br />

wie dem Denkmalschutz und unvertretbar hohem Aufwand um Befreiung von dieser<br />

Vorgabe bitten. Im Fall des Zeilitzheimer Bürgerhauses kam die Behörde diesem<br />

Antrag nach, um den Einbau der Kastenfenster zu ermöglichen. Die neuen Sprossenfenster<br />

bestehen aus einfachen Rahmen mit Zweifachverbundglas. Allerdings war eine<br />

hochwertige Wärmedämmung der Glasscheiben nicht möglich. Ein weiteres Beispiel<br />

dafür, dass der Schutz der historischen Bausubstanz nur dann mit den gesetzlichen<br />

Vorgaben zur Energieeinsparung in Deckung zu bringen ist, wenn sich Bauherr und<br />

Denkmalschutzbehörde auf einen sinnvollen und praxisgerechten Kompromiss einigen<br />

können. Ebenso war ausgeschlossen, eine moderne Haustür einzubauen. Die Tür<br />

wurde original nachgeschnitzt. Auch die Straßenlaterne am Haus und die Fensterläden<br />

nebst Verankerungen sind dem Original weitgehend nachempfunden. Es bedurfte erheblicher<br />

Handwerkskunst, diese anspruchsvollen Arbeiten fachgerecht auszuführen.<br />

Die Lüftung der Räume und der hygienisch notwendige Raumluftwechsel erfolgt ausschließlich<br />

über die Fenster. Auf den Einbau einer Wohnungslüftungsanlage wurde<br />

verzichtet. Lediglich die Badezimmer und Nassbereiche (Duschen und Bäder) sind mit<br />

Abluftventilatoren ausgestattet, um die Feuchte abzuführen.<br />

6 7<br />

6, 7 Denkmalgerechte Doppelfenster für Fensterlüftung.<br />

Der Lufthohlraum wirkt als Wärmedämmung.<br />

8 Lediglich die Badezimmer und Nassbereiche (Duschen<br />

und Bäder) wurden mit Abluftventilatoren ausgestattet, um<br />

die Feuchte abzuführen.<br />

9 Der Badehandtuchheizkörper sorgt zusätzlich zur Fußbodenheizung<br />

in den Badezimmern im Erdgeschoss für individuellen<br />

Wärmekomfort.<br />

9<br />

8<br />

145


9 Helmut Bach spaltet die Holzscheite<br />

selbst und bestückt den Vergaserkessel<br />

von Hand.<br />

10 Auch die Entnahme der Asche<br />

und der Schlacke erfolgt manuell.<br />

11 Wohnsituation nach der Modernisierung<br />

146<br />

PROJEKTE<br />

Der alte Brunnen: Wärme statt Wasser<br />

Selbstredend wurde im Zuge der Modernisierung<br />

eine neue Heizungsanlage mit Versorgungsnetz<br />

und Verteilleitungen installiert. Fossile Energieträger<br />

kamen für die Bauherren nicht infrage.<br />

Sonnenkollektoren waren aber dem Denkmalschutz<br />

ein Dorn im Auge. Der Ausweg fand sich<br />

in dem alten, gemauerten Brunnen im Keller. Es<br />

wurde eine Zentralheizungswärmepumpe eingebaut,<br />

die das Grundwasser als Wärmequelle nutzt.<br />

Der alte Brunnen mit hohem Grundwasserspiegel<br />

dient als Förderbrunnen, im Nebengebäude wurde<br />

ein neuer Schluckbrunnen gebohrt.<br />

Die Wärmepumpe deckt die Grundlast ab, erwärmt<br />

im Sommer das Trinkwasser und verhindert die<br />

Auskühlung des Gebäudes. Um Warmwasser zu<br />

bereiten, wird die Wärme in zwei Pufferspeicher<br />

mit je 1.000 Litern Inhalt geladen. Rechnet man<br />

den Heizwasserinhalt der Wärmeversorgungsleitungen<br />

hinzu, reicht dieses Volumen aus, um die<br />

Wärmeleistung des Stückholzvergaserkessels zu<br />

9 10<br />

puffern. In einem der Speicher ist ein Wellrohrwärmetauscher<br />

integriert, der das Trinkwasser im<br />

Durchflussprinzip erwärmt. Während des Sommers<br />

wird nur dieser Pufferspeicher aufgeheizt.<br />

Im Winter geht die Wärme selbstredend in beide<br />

Speicher, die in Reihe geschalten sind.<br />

Den Wohnwärmekomfort garantiert ein Vergaserkessel,<br />

der Stückholz verfeuert. Er liefert zwischen<br />

28 und 42 kW Nennwärmeleistung und deckt<br />

damit auch die Spitzenlast ab. Dazu müssen zur<br />

Pufferung mindestens 50 Liter Wasser im Speicher<br />

pro Kilowatt Nennwärmeleistung bereitstehen.<br />

Ausreichend Scheitholz in entsprechender Qualität<br />

zu beschaffen, betrachtet Hausherr Helmut<br />

Bach als Teil der gesunden Lebensführung. Er<br />

richtet die Scheite im Wald selbst her und spaltet<br />

sie für den Kessel. Gelegentlich wird Altholz<br />

aus einem Dachstuhl verbrannt, oder im Sommer<br />

auch minderwertiges Holz. Überwiegend jedoch<br />

11


wird luftgetrocknetes Hartholz verbrannt. Das Grundstück ist groß genug, um einen<br />

ausreichenden Holzvorrat für mindestens eine Heizperiode zu lagern. Der Holzverbrauch<br />

liegt bei etwa 25 Ster pro Jahr, was kaum Kosten verursacht. Helmut Bach<br />

kann es sich durchaus vorstellen, das Brennholz zumindest teilweise von regionalen<br />

Dienstleistern zu beziehen.<br />

Die Wärmepumpe als erste und zweite Geige<br />

Die Wärmepumpe ist das Back-up-System der Wärmeversorgung schlechthin. Mit<br />

rund 300 Betriebsstunden pro Jahr dient sie vornehmlich der Absicherung des Komforts<br />

und der Warmwasserbereitung im Sommer. In der Stromrechnung fällt der Posten<br />

für den Antriebsstrom des Verdichters kaum auf. Die Maschine kann bei Bedarf ihre<br />

Leistung aber erheblich steigern: Mit bis zu 53 Kilowatt bietet sie sich hervorragend<br />

als Tandem (bivalenter Wärmeerzeuger) zum Scheitholzvergaserkessel an. Damit lässt<br />

sich die Bedarfsabdeckung sogar umkehren. Die Wärmepumpe kann also ohne Weiteres<br />

die erste Geige spielen, um von der Stückholzfeuerung lediglich die Spitzenlast<br />

abzufordern. Die Heizungsregelung ist so eingestellt, dass die Wärmpumpe in Aktion<br />

tritt, wenn der Holzkessel nicht angeschürt wird, beispielsweise in der Urlaubszeit.<br />

In den beiden Ferienwohnungen im Erdgeschoss wurden in den Bädern Fußbodenheizungen<br />

verlegt, die vom Rücklauf der Badezimmerradiatoren versorgt werden. Alle<br />

anderen Räume erhielten Röhrenradiatoren, die vornehmlich unter den Fenstern positioniert<br />

sind. Bei einer Ferienwohnung reichte die Aufbauhöhe für den Einbau einer<br />

Fußbodenheizung. Die Temperatur im Vorlauf der Radiatoren beträgt in der Spitze 60<br />

bis 65 °C, bei einer Auslegungstemperatur von minus 16 °C.<br />

SPÄTBAROCKES BÜRGERHAUS IN ZEILITZHEIM<br />

12<br />

12 In den oberen Geschossen wurden<br />

in allen Räumen moderne Radiatoren<br />

eingebaut.<br />

147


AUTOREN<br />

Klaus Siegele (Autor) studierte nach einer<br />

Schreinerlehre Architektur in Karlsruhe. Er war<br />

als Redakteur bei verschiedenen Architekturzeitschriften<br />

tätig und ist Mitbegründer der Partnerschaftsgesellschaft<br />

frei04 publizistik, Stuttgart.<br />

Zuletzt war er Chefredakteur der Fachzeitschrift<br />

greenbuilding. Neben seiner freiberuflichen<br />

Tätigkeit als Fachjournalist und Buchautor führt<br />

er ein Architekturbüro in Stettfeld (Baden).<br />

www.frei04-publizistik.de<br />

Frank Hartmann (Autor) ist Gas-Wasser-<br />

Installateur, Heizungs- und Lüftungsbauer,<br />

Elektro installateur und Energietechniker. Nach<br />

langjähriger Erfahrung im Handwerk, Schwerpunkt<br />

erneuerbare Energien, gründete er 2002 in<br />

Zeilitzheim bei Würzburg das <strong>Forum</strong> <strong>Wohnenergie</strong><br />

als Dienstleistungszentrum für energieeffizientes<br />

Bauen und Modernisieren. Darüber hinaus ist<br />

Frank Hartmann sowohl im Projektmanagement<br />

als auch in der Weiterbildung, Qualifizierung und<br />

Beratung tätig. Er ist Mitbegründer der Solarteur-<br />

Schule in Nürnberg, Buchautor und schreibt Artikel<br />

für Zeitschriften rund um das Thema Energieeffizienz<br />

und zeitgemäßer Wohnwärmekomfort.<br />

www.forum-wohnenergie.de<br />

Heiko Schwarzburger (Lektor) begann seine<br />

berufliche Karriere mit einer Lehre zum Facharbeiter<br />

für Zerspanungstechnik. Anschließend<br />

studierte er Maschinenbau an der Technischen<br />

Universität in Dresden; ein Studium der Publizistik<br />

in Berlin schloss sich an. Seit 1996 ist er als<br />

Autor und Redakteur in verschiedenen Zeitungen<br />

und Zeitschriften für Forschung und Wissenschaft<br />

tätig, seit 1998 verstärkt über die Themen Energie<br />

und Umwelt. 2007 gründete er den Berliner Verlag<br />

Cortex Unit, in dem unter anderem die Buchreihe<br />

„Edition <strong>Wohnenergie</strong>“ erscheint.<br />

www.cortexunit.de

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