CAPITAL Investor Nr. 49/2011
CAPITAL Investor Nr. 49/2011
CAPITAL Investor Nr. 49/2011
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Inhalt<br />
Top-Thema<br />
Steuererklärung: Der Fiskus wartet nicht ...................................................................................................... 3<br />
Dirk "Mister DAX" Müller im Interview: "Aus China droht uns Ungemach" .........................................6<br />
Eurokrise: Inflationsangst der Deutschen wächst ....................................................................................... 8<br />
Schuldengipfel: Bye-bye, Britannia! ................................................................................................................9<br />
Schuldenkrise: Was Deutschland blüht, wenn der Euro am Ende ist ....................................................12<br />
Eurokrise: Rettungsanker aus Frankfurt........................................................................................................13<br />
Anschlagsversuch: Attentat auf Ackermann vereitelt...............................................................................17<br />
Kommentar<br />
EU-Gipfel: Endspiel der Euro-Regierungen .................................................................................................. 19<br />
Axel Retz: Marktindikatoren mahnen zur Vorsicht ...................................................................................20<br />
Aktien<br />
Fonds<br />
<strong>Nr</strong>. <strong>49</strong>/<strong>2011</strong> | 08.12.<strong>2011</strong><br />
Anlagestrategie: Gewinnen mit der zweiten Reihe ..................................................................................28<br />
Dividenden: Renditekick zum Jahreswechsel .............................................................................................30<br />
Süßwaren: Schokolade macht Anleger glücklich....................................................................................... 32<br />
Konsumlaune: Üppiger Gabentisch für Anleger ........................................................................................ 33<br />
Wall Streeter: Kritik der Rating-Kritik ........................................................................................................... 35<br />
Volatilitätsfonds: Angst als Renditebringer ................................................................................................ 37<br />
Filmfonds: Windiges Geschäft mit der Illusion .......................................................................................... 38<br />
Mikrofinanzfonds: Mit gutem Gewissen gewinnen ................................................................................ 40<br />
Imageproblem: Anleger meiden geschlossene Fonds ..............................................................................42<br />
Rentenfonds: Wagemut gilt als Gebot der Stunde ................................................................................... 43<br />
Schwellenländer: Nebenwerte aus China....................................................................................................44<br />
Banken & Zinsen<br />
Eurokrise: Das Gespenst der Kreditklemme ............................................................................................... 46<br />
Staatsanleihen: Aus Europa flüchten - aber richtig...................................................................................48<br />
Pfändungsschutz: Zoff um geplante P-Konten ..........................................................................................50<br />
Insolvenzplan abgesegnet: Lehman-Opfer können endlich auf Geld hoffen......................................51<br />
Zinsticker: Die besten Konditionen für Tages- und Festgeld .................................................................. 52<br />
<strong>CAPITAL</strong> <strong>Investor</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>49</strong>/<strong>2011</strong> www.capital.de 1
Zertifikate & Rohstoffe<br />
Optionsscheine: Keine Lust auf Hängepartie.............................................................................................. 54<br />
Skandinavien-Papiere: Das Hoch im Norden .............................................................................................. 55<br />
Vorsorge & Versicherungen<br />
Riester-Policen: Versicherer keilen zurück ................................................................................................... 57<br />
Krankenversicherung: Private sollen nicht Billigheimer spielen............................................................58<br />
Versicherungen: Vermittler über 50 gesucht............................................................................................. 60<br />
Krankenversicherungen: Zuschlag ist nicht gleich Zuschlag..................................................................62<br />
Krankversicherung: Allianz bekennt sich zur Vollversicherung .............................................................63<br />
Immobilien<br />
Offene Immo-Fonds: Bröckelnde Fassade................................................................................................... 64<br />
Büroimmobilien: Düsterer Ausblick für Europa......................................................................................... 66<br />
Schwellenländer: Darum in die Ferne schweifen.......................................................................................67<br />
Finanzierung: Die günstigsten Baugeld-Konditionen ............................................................................. 68<br />
Steuern & Recht<br />
Schenkungen: Nur ein kleiner Umweg.........................................................................................................70<br />
Prozess um exklusiven Teppich: Der Fluch des verkannten Persers ......................................................71<br />
Infomatec-Prozess: Wettlauf gegen die Zeit............................................................................................... 72<br />
Steuerrechtsexperte Jörg Schauf im Interview: "Die Schweigepflicht bleibt trotzdem"................. 74<br />
Gastronomie: Hotelier zieht in den Kampf gegen Bewertungsforen................................................... 75<br />
Mein Steuertipp: Arbeitnehmer müssen ihre Lohnsteuerdaten penibel prüfen...............................76<br />
Urteil der Woche: Banken haften verschärft bei Kartenverlust............................................................. 78<br />
Es geht um: Ihr Geld...........................................................................................................................................79<br />
Exit<br />
Mysteriöse Erfindung: Signor Rossi und die unglaubliche Energiemaschine......................................81<br />
"The Muppets": Comandante Kermit - der kommunistische Kinderschreck ......................................82<br />
Schlapphut-Test: Was wissen Sie über Geheimagenten? ....................................................................... 83<br />
EZB-Filmchen bei Youtube: Friede, Freude, Eurokuchen..........................................................................84<br />
Wenn Autos zu Filmstars werden ..................................................................................................................84<br />
<strong>CAPITAL</strong> <strong>Investor</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>49</strong>/<strong>2011</strong> www.capital.de 2
Steuererklärung: Der Fiskus wartet nicht<br />
Top-Thema<br />
Wer <strong>2011</strong> angefallene Verluste steuerlich geltend machen will, muss jetzt<br />
loslegen. Auch für Riester- und Rürup-Policen gilt es zum Jahresende<br />
wichtige Termine zu beachten.<br />
Für Anleger steht am 15. Dezember ein wichtiger Stichtag an. Spätestens bis dahin müssen sie bei<br />
ihrer Bank eine Bescheinigung über die in diesem Jahr angefallenen Verluste anfordern, sofern sie<br />
noch über Depots bei anderen Banken verfügen und die Gewinne dort mit den Verlusten<br />
ausgleichen wollen. Denn die Verrechnung funktioniert nur über die Steuererklärung beim<br />
Finanzamt, und dafür brauchen Anleger die Verlustbescheinigung, die die Banken zum Jahresende<br />
ausstellen.<br />
Der Antrag bringt jedoch nicht immer Vorteile. Der Abschluss von Lebensversicherungs-, Riesterund<br />
Rürup-Police bis spätestens Silvester rettet einige Privilegien für die Altersvorsorge. Capital.de<br />
sagt, wann es sich lohnt, in den kommenden Tagen aufs Tempo zu drücken.<br />
Verlustausgleich<br />
Die in diesem Jahr entstandenen Verluste mit Wertpapieren - seien es Aktien, Optionsscheine oder<br />
Anleihen - berücksichtigen die Banken zunächst einmal automatisch. Dazu führen sie zwei<br />
verschiedene Verrechnungstöpfe: einen für allgemeine negative Kapitaleinkünfte und einen für<br />
Verluste mit ab 2009 erworbenen Aktien. Diese Trennung ist notwendig, weil das Aktienminus nur<br />
mit gleichartigen Gewinnen ausgeglichen werden darf, nicht aber mit Zinsen, Dividenden oder<br />
Gewinnen aus anderen Wertpapierarten.<br />
Sofern die positiven Einnahmen <strong>2011</strong> nicht ausreichen, um die Verlusttöpfe zu leeren, überträgt die<br />
Bank zum Jahresende das verbleibende Minus aus beiden Töpfen automatisch in das Folgejahr. Die<br />
dann anfallenden Gewinne bleiben so lange steuerfrei, bis das Minuspolster aufgezehrt ist. Die<br />
Übertragung der Verluste kann jedoch ungünstig sein, wenn Anleger noch positive Einnahmen bei<br />
anderen Banken haben, für die sie bereits Abgeltungsteuer bezahlt hatten.<br />
Um Plus und Minus auszugleichen und dadurch eine Steuererstattung zu erhalten, muss der Sparer<br />
sein Finanzamt in Anspruch nehmen. Hierfür braucht er zwingend die Verlustbescheinigung.<br />
Ausschlussfrist<br />
Wer die Verluste dazu benutzen will, positive Kapitaleinnahmen bei anderen Banken,<br />
Versicherungserlöse oder Erträge aus Auslandskonten auszugleichen, muss bis spätestens 15.<br />
Dezember bei seiner Bank eine Bescheinigung darüber beantragen. Einen verspäteten Antrag darf<br />
das Institut nicht berücksichtigen, dann wandert das Minus ins Folgejahr. Bei fristgerechtem Abruf<br />
schließt die Bank den Verlustverrechnungstopf zum Jahresende und beginnt 2012 wieder bei null.<br />
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Nur wer alle Depots und Konten bei einer Bank führt, braucht nichts zu veranlassen, weil er kein<br />
positives Verrechnungspotenzial von anderen Instituten hat. Diese Anforderung der roten Zahlen<br />
ist aber nicht generell klug, da es keinen Weg zurück gibt und Aktienverluste die übrigen positiven<br />
Kapitaleinkünfte nicht mindern. Fällt die Entscheidung jedoch nur einen Tag zu spät, geht<br />
Steuerminderungspotenzial für <strong>2011</strong> verloren.<br />
Es gibt aber zwei Ausnahmen von der Regel. Versicherungsunternehmen bescheinigen angefallene<br />
Verluste - etwa bei einer vorzeitigen Kündigung - auch ohne Antrag. Das liegt daran, dass dort keine<br />
positiven Erträge mehr anfallen können. Stirbt ein Anleger, stellt die Bank automatisch eine<br />
Verlustbescheinigung aus. Das gilt auch für Gemeinschaftskonten von Ehepaaren. Konnte eine<br />
Bank Quellensteuer auf Auslandsdividenden nicht komplett verrechnen, bescheinigt sie den<br />
Kunden das Restminus. Das darf sie nämlich nicht mit ins neue Jahr nehmen.<br />
Antrag<br />
Einen besonderen Vordruck braucht es nicht, viele Banken akzeptieren Onlineanträge. Der Abruf<br />
kann entweder für beide Töpfe erfolgen oder separat nur für die Aktienverluste oder die sonstigen<br />
negativen Kapitaleinnahmen.<br />
Anleger sollten sich den Schritt gut überlegen. Gleichen nämlich die noch vorhandenen Gewinne<br />
auf anderen Konten die abgerufenen Minusbeträge nicht vollständig aus, verbleibt das übrige<br />
Verrechnungspotenzial beim Finanzamt. Verloren geht zwar nichts, weil der Fiskus das<br />
unverbrauchte Minus für die Folgejahre konserviert. Anleger haben aber mitunter einen<br />
Liquiditätsnachteil.<br />
So behält ihre Bank für 2012 anfallende Gewinne Abgeltungsteuer ein, obwohl noch verrechenbare<br />
Verluste beim Fiskus vorliegen. Anleger sollten daher genau prüfen, ob sie ihre Töpfe abrufen. Für<br />
Teilbeträge ist das jedenfalls nicht möglich.<br />
Strategien<br />
Da sich beide Verlusttöpfe getrennt verwalten lassen, sollten Anleger vor Mitte Dezember zunächst<br />
einmal überschlagen, welche Gewinne mit nach 2008 gekauften Aktien und sonstigen<br />
Kapitaleinnahmen bei anderen Banken angefallen sind.<br />
Liegen etwa hohe Zinsen und Dividenden vor, aber keine Aktienerträge, sollte nur für den<br />
allgemeinen Topf der Antrag für eine Verlustbescheinigung gestellt werden. Genau umgekehrt<br />
agieren Aktionäre, die außer Aktiengewinnen keine Einnahmen bei anderen Depots erzielt haben.<br />
Fällt jedoch die Summe der positiven Erträge bei anderen Banken gering aus, wäre es unsinnig,<br />
hohe Verluste abzufordern. Die schlummern dann möglicherweise ungenutzt über Jahrzehnte beim<br />
Finanzamt.<br />
Altverluste<br />
Bis Ende 2010 entstandene, aber noch nicht ausgeglichene Spekulationsverluste lassen sich<br />
ebenfalls mit Gewinnen verrechnen, die der Abgeltungsteuer unterliegen. Da Banken das Minus<br />
aber nicht automatisch berücksichtigen, gelingt der Ausgleich nur über die Steuererklärung.<br />
Anleger sollten vorrangig ihre Altverluste abbauen. Andernfalls droht das Verrechnungspotenzial<br />
zu verpuffen, da der Ende 2013 verbleibende Betrag nur noch mit Spekulationsgewinnen - etwa aus<br />
Immobilien - ausgeglichen werden darf. Anleger sollten Gewinne daher erst zum Abbau der<br />
Altverluste verwenden, ehe sie die übrigen Verlusttöpfe antasten.<br />
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Altersvorsorge<br />
Wer noch bis zum 31. Dezember eine Vertragsunterschrift leistet, um sein Auskommen im<br />
Rentenalter abzusichern, oder von seinem Chef die Zusage für eine betriebliche Altersvorsorge<br />
erhält, sichert sich dauerhaft Steuervorteile oder eine um 24 Monate verkürzte Wartezeit.<br />
Bei Riester- und Rürup-Renten, Lebensversicherungen und betrieblichen Direktversicherungen<br />
sowie Pensionskassen und Pensionsfonds steigt das Mindestrentenalter auf 62 Jahre, sofern der<br />
Vertrag erst im kommenden Jahr abgeschlossen wird. Bei einer rechtzeitigen Unterschrift bleibt es<br />
dauerhaft beim Renteneintritt zum 60. Geburtstag, und das spart Zeit bis zur ersten Auszahlung. Bei<br />
Lebensversicherungen gibt es zusätzlich die halbierte Besteuerung der Kapitaleinnahmen bei einer<br />
Mindestlaufzeit von zwölf Jahren.<br />
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Dirk "Mister DAX" Müller im Interview: "Aus China droht uns<br />
Ungemach"<br />
Eine Kombination aus Sparen und Absichern sei in diesen Zeiten bei der<br />
Geldanlage angebracht, sagt Mister DAX und warnt davor, dass innerhalb<br />
von drei Jahren die Märkte kollabierten. Danach erst folge der ersehnte<br />
Aufschwung.<br />
Herr Müller, zum zweiten Mal sind Sie im Ranking des Magazins BÖRSE ONLINE unter den Top drei<br />
der Börsenstars gelandet. Mal ehrlich: Blicken Sie bei der aktuellen Marktlage noch durch?<br />
Zugegeben, es fällt durch die Dynamisierung und Zockerei an den Börsen schwerer. Traditionelle<br />
Mechanismen funktionieren nicht mehr. Was früher in Jahrzehnten passierte, ist jetzt eine<br />
Entwicklung von ein bis zwei Jahren. Dinge, die einst für Verwerfungen gesorgt haben, werden nur<br />
noch achselzuckend zur Kenntnis genommen. Profis können kaum noch folgen, wie sollen das dann<br />
Privatanleger schaffen?<br />
Schreiben Sie deswegen in Ihrem neuen Buch viel über das Sparen?<br />
Jeder sollte zunächst seine Finanzen in Ordnung bringen. Unnötige Ausgaben sind ärgerlich, egal in<br />
welcher Wirtschaftslage.<br />
Kann man sich derzeit sparen, sein Geld an der Börse zu investieren?<br />
Nein. Vor fünf Jahren hätte ich gesagt, kaufen Sie Staatsanleihen oder Festgeld. Heute sage ich das<br />
nicht mehr. Wenn sich Banken untereinander kein Geld mehr leihen, warum sollten Privatanleger<br />
den Instituten trauen? Was bleibt, sind reale Werte.<br />
Dazu zählen Sie?<br />
Immobilien! Die sind aber schon sehr teuer und einem möglichen Preisverfall schutzlos ausgeliefert.<br />
Also muss ich Realwerte kaufen, die sich absichern lassen. Das ist bei Aktien und Edelmetallen der<br />
Fall.<br />
Wie funktioniert das?<br />
Mit klassischen Sicherungsstrategien über Optionsscheine. Anleger gehen nur ein geringes Risiko<br />
von rund fünf Prozent ein, egal wie stark die Kurse nachgeben. Ziehen die Börsen an, sind sie voll<br />
dabei und müssen nur die Sicherungskosten abrechnen.<br />
Derivate für jeden Privatanleger?<br />
Sie sind kein Hexenwerk. Der Aufwand ist vergleichbar mit dem Abschluss einer Feuerversicherung<br />
und hat praktisch die gleiche Wirkung. Sich drei Stunden mit dem Thema auseinanderzusetzen<br />
reicht. Natürlich ist es einfacher, nur BMW-Aktien zu kaufen. Aber ich riskiere Haus und Hof, wenn<br />
ich mit meiner Einschätzung falsch liege.<br />
Ist es einfacher, einen Indexfonds, sogenannte ETFs, zu kaufen und abzusichern?<br />
Ja. Da empfehle ich aber einen replizierenden ETF, der wirklich die Aktien des Index kauft. Finger<br />
weg von Swap-basierten Varianten, bei denen sich der Emittent die Performance des Index über ein<br />
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Tauschgeschäft sichert. Das ist wieder Zockerei. Allerdings stört mich bei Replizierenden die<br />
weitverbreitete Wertpapierleihe. Ich möchte, dass die Aktien im Depot bleiben. Will man dieses<br />
Risiko nicht eingehen, helfen nur Einzeltitel.<br />
Welche sind interessant?<br />
Ich bevorzuge amerikanische und deutsche Papiere. Selbst weitere Verwerfungen werden große<br />
Unternehmen wie Coca-Cola gut überstehen. Es bieten sich auch Pharmawerte wie Fresenius an<br />
oder Konzerne wie BASF, Siemens und die Versorger.<br />
Wie geht es an den Märkten 2012 weiter?<br />
Wir werden bei Aktien noch einen richtigen Schlag nach unten bekommen. Aus China droht uns<br />
Ungemach, dort beginnt bereits die Immobilienblase zu platzen.<br />
Wann bessert sich denn die Lage?<br />
Das ist schwer zu prognostizieren. Meine wahrscheinlichste Variante ist der große<br />
Wirtschaftseinbruch, befeuert durch China. Die Staaten sind dann gezwungen, sehr<br />
unkonventionelle Maßnahmen zu ergreifen. Das kann eine Inflationierung sein oder ein<br />
Schuldenschnitt. Spätestens in drei Jahren erzwingen die Märkte eine Lösung. Nach dieser<br />
Neuaufstellung erfolgt ein lang anhaltender Aufschwung.<br />
Bleiben Sie bis dahin Ihrem Goldfaible treu?<br />
Aktuell fällt mir das schwerer als früher, weil Edelmetalle sehr teuer sind. Wir werden zwar noch<br />
mal Höchststände sehen, aber der Goldmarkt ist unkalkulierbar. Ich würde nicht mehr einsteigen.<br />
Den Bestand sollten Anleger absichern.<br />
Gold selbst werten viele als Absicherung.<br />
Nein, ich bezahle meine Stromrechnung immer noch in Euro und nicht in Unzen. Ich möchte nicht<br />
sagen können: Hey, ich hab noch eine Unze, nur leider kann ich mir nichts mehr dafür kaufen.<br />
Was ist denn am Goldmarkt unkalkulierbar?<br />
Goldfonds tragen wesentlich zur Preistreiberei bei. Kommen ihre Halter unter Druck, werfen sie als<br />
Erstes die Papiere auf den Markt und lösen Verwerfungen aus.<br />
Helfen physisch hinterlegte Produkte?<br />
Das ist doch die Perversion an sich: Sie können diese physisch hinterlegten ETFs nackt leer<br />
verkaufen. Damit haben aber wieder Leute gekauft, ohne dass tatsächlich der Gegenwert in Gold<br />
hinterlegt wurde. Es ist also mehr verkauft worden, als in Depots lagert. Eigentlich hilft es nur,<br />
Goldmünzen und Barren im eigenen Safe aufzuheben und ihren Wert abzusichern.<br />
Sicherheit ist Trumpf! Und sonst?<br />
Ruhe bewahren. Die Welt dreht sich weiter. Es wird auch morgen noch Staaten, Währungen und<br />
Banken geben.<br />
Dirk Dirk Müller Müller ist Börsenexperte und Buchautor: Nach "Crashkurs" erschien in diesem Herbst<br />
"Cashkurs". Zudem ist Müller Geschäftsführer der Finanzethos GmbH und Betreiber der Website<br />
www.cashkurs.com. Seine Prominenz verdankt der gelernte Bankkaufmann und ehemalige<br />
Kursmakler dem langjährigen Arbeitsplatz unter der DAX-Tafel im Frankfurter Börsensaal.<br />
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Eurokrise: Inflationsangst der Deutschen wächst<br />
Die Schuldenkrise verunsichert die Deutschen immer mehr. Die Furcht vor<br />
einer Geldentwertung nimmt einer Umfrage zufolge rapide zu. Auch das<br />
Vertrauen in den Euro hat gelitten. Anleger halten Abstand von Aktien und<br />
Fonds.<br />
Angesichts der Euro-Schuldenkrise wächst in Deutschland die Furcht vor einer massiven<br />
Geldentwertung. Zugleich steigt laut einer Studie die Verunsicherung darüber, wo das eigene<br />
Vermögen möglichst verlustfrei angelegt werden kann. Immerhin 33 Prozent der Befragten haben<br />
kein oder kaum mehr Vertrauen in die Stabilität der gemeinsamen europäischen Währung, zeigte<br />
eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts TNS Infratest im Auftrag der Allianz Bank.<br />
Trotzdem sind die meisten Deutschen mit ihrer Vermögenssituation durchaus zufrieden. Noch<br />
überwiegt der Optimismus.<br />
Bundesweit haben inzwischen 46 Prozent der Befragten Angst davor, dass ihr Vermögen durch<br />
Inflation seinen Wert verliert. Bei der vorangegangenen Umfrage im Frühjahr waren es 37 Prozent.<br />
Im gleichen Maße wuchs die Verunsicherung über die richtige Geldanlage: 45 Prozent gaben an,<br />
nicht sicher zu sein, wo ihr Geld am besten aufgehoben ist. Für die Umfrage Allianz Bank Money<br />
Trends wurden Mitte November 2277 Menschen ab 18 Jahren befragt, die in ihrem Haushalt über<br />
finanzielle Fragen entscheiden oder aber mitentscheiden.<br />
Während ohnehin wenig beliebte Anlagen wie Aktien oder Fonds weiter an Beliebtheit einbüßten,<br />
wuchs der Zuspruch für Immobilien oder Anlageformen wie Betriebsrenten. Weiter ganz vorne auf<br />
der Liste der beliebten Anlagen liegen Klassiker wie Sparbuch oder Sparbrief - 53 Prozent gaben an,<br />
dort Geld zu parken. Erstmals fragten die Macher der Studie auch nach dem Vertrauen in den Euro:<br />
30 Prozent gaben an, Vertrauen in die Stabilität der Währung zu haben, 36 Prozent haben teilweise<br />
Vertrauen. Jeder Dritte immerhin gibt an, seinen Glauben an die Stärke des Euro verloren zu haben.<br />
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Trotz der wachsenden Sorgen sind nach wie vor 42 Prozent mit ihrem Vermögen zufrieden, auch<br />
wenn die Unterschiede in Deutschland regional weiter unterschiedlich ausfallen. Deutlich<br />
unglücklicher sind die Deutschen weiterhin mit ihrem Nettoeinkommen. Nur jeder Dritte<br />
bundesweit gab an, damit zufrieden zu sein, was nach Abzug aller Kosten übrig bleibt. Im März<br />
waren es ebenso viele. 23 Prozent erwarten sich in den kommenden zwei Jahren eine Verbesserung,<br />
20 rechnen damit, dass ihr Einkommen schrumpft. Mit 56 Prozent denkt die Mehrheit, dass sich an<br />
ihrem Nettoeinkommen nichts ändern wird.<br />
Zwar halten 66 Prozent Sparen für wichtig oder gar sehr wichtig. Doch nur 28 Prozent sind zufrieden<br />
mit der Summe, die sie dafür abzweigen können - im März waren es allerdings nur 26 Prozent.<br />
Immerhin 11 Prozent gaben an, dass ihnen kein Geld übrig bleibe, weder um sich Konsumwünsche<br />
zu erfüllen, noch um zu sparen. Wenn die Deutschen aber Geld ausgeben, um sich etwas zu gönnen,<br />
dann zahlen 66 Prozent am liebsten für die Verschönerung der Wohnung, für Kleidung und Schuhe<br />
oder für Reisen und Ausflüge.<br />
Schuldengipfel: Bye-bye, Britannia!<br />
Der Krisengipfel soll den Weg bereiten für eine Rückkehr zur<br />
Haushaltsdisziplin. Einig sind sich 23 von 27 EU-Staaten über die Grundzüge<br />
einer Fiskalunion. Nicht an Bord sind die Briten, die nur lapidar<br />
kommentieren: "Alles Gute."<br />
<strong>CAPITAL</strong> <strong>Investor</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>49</strong>/<strong>2011</strong> www.capital.de 9
Die EU-Staaten haben den Umbau der Euro-Zone zu einer Fiskalunion ein großes Stück<br />
vorangetrieben - allerdings um den Preis einer drohenden Spaltung der EU. Auf dem Krisengipfel in<br />
Brüssel vereinbarten die 17 Euro-Staaten zusammen mit sechs Nicht-Euro-Ländern der EU einen<br />
Vertrag, der verschärfte Spar- und Kontrollauflagen für die Unterzeichner vorsieht. Der genaue<br />
rechtliche Charakter dieses Vertrags soll noch verhandelt werden.<br />
Die von Deutschland und Frankreich geforderte Änderung des EU-Vertrages der 27 Mitgliedstaaten<br />
scheiterte vor allem am Widerstand Großbritanniens, sagte der französische Präsident Nicolas<br />
Sarkozy nach elfstündigen Beratungen am frühen Freitagmorgen in Brüssel.<br />
Die Euro-Staaten sollen grundsätzlich den Staatshaushalt ausgleichen. Bei außergewöhnlichen<br />
Umständen oder schlechter Konjunktur seien Defizite aber weiterhin im Rahmen der Drei-Prozent-<br />
Grenze zulässig. Der Haushaltsausgleich wäre erreicht bei einem strukturellen - also um<br />
Konjunktureffekte bereinigten - Defizit von nicht mehr als 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.<br />
Bei Überschreiten dieser Grenze müsste ein "automatischer Korrekturmechanismus" in Gang<br />
gesetzt werden. Der Europäische Gerichtshof soll über die Umsetzung in nationales Recht wachen.<br />
EZB-Präsident Mario Draghi betonte, der neue Pakt komme einer Fiskalunion nahe. Zugleich haben<br />
sich die EU-Regierungen auch auf einige Schritte verständigt, um angeschlagene Euro-Staaten<br />
notfalls besser unter die Arme greifen zu können. Dazu gehört ein schnellerer Einsatz des<br />
dauerhaften Euro-Rettungschirms ESM und die stärkere Einbindung des IWF in die Stabilisierung<br />
der Euro-Zone.<br />
Damit haben sich Deutschland und Frankreich mit ihren Forderungen weitgehend durchgesetzt. Sie<br />
wollten erreichen, dass von dem EU-Gipfel ein starkes politisches Signal für eine engere<br />
Zusammenarbeit der Euro-Zone ausgeht. "Wir werden eine neue Fiskalunion schaffen für die Euro-<br />
Zone", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Sie lobte die Beschlüsse des Brüsseler Gipfels als<br />
"sehr, sehr wichtiges Ergebnis, weil wir aus der Vergangenheit und den Fehlern lernen". Künftige<br />
Regelungen sollten bindend sein und zugleich mehr Raum lassen für gemeinsames<br />
haushaltspolitisches Handeln der beteiligten Länder sowie der EU-Kommission mehr Macht geben.<br />
Allerdings wird die Euro-Zone mit einigen Staaten nun gesondert voranschreiten müssen. Denn der<br />
britische Premierminister David Cameron verweigerte die Zustimmung zur EU-Vertragsänderung,<br />
weil er kein Vetorecht bei der Finanzmarktregulierung durchsetzen konnte. Ungarn, Tschechien<br />
und Schweden wollen eine Teilnahme noch prüfen. Am Freitag wollten die EU-Regierungen weiter<br />
über die rechtlichen Details des Vertrages beraten, kündigte Sarkozy an.<br />
Cameron ist glücklich<br />
Cameron verteidigte seine Blockadehaltung. "Es war eine harte Entscheidung, aber die richtige",<br />
sagte er. "Was geboten wird, ist nicht im Interesse Großbritanniens, deshalb habe ich nicht<br />
zugestimmt." Der britische Premier warnte zudem vor rechtlichen Problemen: "Es gibt immer<br />
Gefahren, wenn man einen Vertrag innerhalb eines Vertrages schließt."<br />
Zugleich betonte Cameron, dass sein Land auch in Zukunft die Gemeinschaftswährung Euro nicht<br />
einführen wolle. Ebenso habe London nicht die Absicht, dem Schengen-Raum ohne Grenzkontrollen<br />
beizutreten. "Ich bin glücklich, nicht in Schengen zu sein, und glücklich, nicht den Euro zu haben."<br />
Zum Vorhaben der anderen Staaten für einen intergouvernementalen Pakt zur Rettung des Euro<br />
sagte Cameron lapidar: "Wir wünschen ihnen alles Gute."<br />
<strong>CAPITAL</strong> <strong>Investor</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>49</strong>/<strong>2011</strong> www.capital.de 10
Mehrere EU-Regierungschefs kündigten am Freitagmorgen an, dass der Vertrag der Euro-Zone bis<br />
März ausgehandelt sein soll. Vorteil ist nach den Worten von EU-Ratspräsident Herman Van<br />
Rompuy, dass ein solcher Vertrag schneller in die Tat umzusetzen ist als eine vollständige<br />
Vertragsänderung. "Geschwindigkeit ist nötig, um die Glaubwürdigkeit zu erhöhen", sagte er. EU-<br />
Kommissionspräsident José Manuel Barroso lobte die Stärkung seiner Behörde, die mehr<br />
Aufsichtsrechte über die nationalen Haushalte der Euro-Staaten bekommen soll.<br />
EU-Energiekommissar Günther Oettinger zeigte sich mit der geplanten neuen Fiskalunion aus der<br />
Eurogruppe und sechs weiteren EU-Staaten nur zum Teil zufrieden. "Es ist eine gute zweitbeste<br />
Lösung", kommentierte der CDU-Politiker im Deutschlandfunk. Besser wäre seines Erachtens eine<br />
kollektive Änderung der europäischen Verträge durch alle 27 Mitgliedstaaten gewesen: Dass neben<br />
Großbritannien auch drei weitere Länder ausscherten, birgt nach Ansicht Oettingers die Gefahr,<br />
dass diese sich in wirtschafts- und finanzpolitischen Fragen von der Unionsmehrheit entfernen.<br />
Sarkozy nennt Gipfel historisch<br />
Teil der Brüsseler Beschlüsse sind nationale Schuldenbremsen, deren Niveau gemeinsam vereinbart<br />
und deren Einhaltung vom Europäischen Gerichtshof überprüft werden soll. Damit haben sich<br />
Deutschland und Frankreich in weiten Bereichen mit ihrer Forderung durchgesetzt, dass die Euro-<br />
Zone einen klaren Weg zu einer echten Fiskal- und Stabilitätsunion aufzeigen müsse, um das<br />
Vertrauen der Finanzmärkte zurückzugewinnen. Sarkozy sprach von einem historischen Gipfel.<br />
Zudem wurde beschlossen, dass der dauerhafte Euro-Rettungsmechanismus ESM nach Möglichkeit<br />
bereits zum Juli 2012 und damit ein Jahr früher als geplant seine Arbeit aufnehmen soll. Die<br />
Obergrenze des Kreditvolumens soll aber auf 500 Mrd. Euro beschränkt bleiben, wobei die schon<br />
vergebenen Hilfskredite des vorläufigen Rettungsfonds EFSF eingerechnet werden. Allerdings wird<br />
diese Summe im Juli 2012 überprüft.<br />
Zur Diskussion hatte gestanden, unabhängig von den schon zugeteilten Mitteln 500 Mrd. Euro<br />
bereitzustellen. Merkel hatte diese Forderung von vornherein genauso strikt abgelehnt wie eine<br />
Banklizenz für den ESM. Die ist nach derzeitigem Stand vom Tisch. Auch ein Fahrplan zur<br />
langfristigen Einführung von Euro-Bonds wurde auf deutschen Druck verworfen. Bei der weiter<br />
vorgesehenen Beteiligung der privaten <strong>Investor</strong>en im Falle einer möglichen Insolvenz will sich die<br />
Euro-Zone an den Regelungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) orientieren.<br />
Der IWF soll künftig eine größere Rolle bei Rettungsaktionen spielen. So prüften die EU-Staaten,<br />
dem Fonds über ihre Notenbanken bilaterale Kredite von insgesamt 200 Mrd. Euro zur Verfügung zu<br />
stellen - dabei sollen 150 Mrd. Euro von den Euro-Ländern kommen und 50 Mrd. Euro von den zehn<br />
Nicht-Euro-Staaten in der EU. Diese Prüfung soll innerhalb von einer Woche abgeschlossen werden.<br />
IWF-Chefin Christine Lagarde sagte, sie freue sich über den Ausgang des Gipfels.<br />
<strong>CAPITAL</strong> <strong>Investor</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>49</strong>/<strong>2011</strong> www.capital.de 11
Schuldenkrise: Was Deutschland blüht, wenn der Euro am<br />
Ende ist<br />
Pleitewellen bei Staaten, Banken, Firmen und Haushalten: Ein Zerfall der<br />
Euro-Zone könnte in Deutschland eine Depression historischen Ausmaßes<br />
auslösen.<br />
Eine Rückkehr zur D-Mark gilt vielen in Deutschland als die letzte Rettung. Fragt man Volkswirte<br />
nach den Folgen eines solchen Schrittes, warnen sie jedoch vor einer Katastrophe: Ein<br />
Komplettzerfall der Euro-Zone mit Rückkehr zu nationalen Währungen wäre für Deutschland<br />
"kurzfristig schlecht und langfristig schrecklich", warnt Dennis Snower, Präsident des Instituts für<br />
Weltwirtschaft. "Die Vorstellung, zur Mark zurückzukehren, ist absurd", sagt Ulrich Kater,<br />
Chefökonom der Dekabank.<br />
Die Schockkanäle für die deutsche Wirtschaft wären vielfältig. Etwa durch die starke<br />
Exportausrichtung: "Für einige europäische Volkswirtschaften wäre das Ende des Euro<br />
gleichbedeutend mit Pleitewellen - bei Staaten, Banken, Firmen und Haushalten", sagt David<br />
Milleker, Chefvolkswirt von Union Investment. Damit würden wichtige Absatzmärkte auf einen<br />
Schlag wegbrechen.<br />
Ökonomen rechnen zudem mit einer einsetzenden Kapitalflucht nach Deutschland. Die Folge wäre<br />
eine massive Aufwertung der neuen D-Mark - je nach Schätzung um bis zu 50 Prozent. Gift für<br />
deutsche Exporteure, ihre Ausfuhren würden einbrechen.<br />
Der wohl heftigste Effekt droht aber von den Finanzmärkten. "Das europäische Finanzsystem ist so<br />
eng verflochten, dass eine Auflösung des Euro nur schwer praktikabel wäre", sagt Michael Schröder,<br />
Professor an der Frankfurt School of Finance & Management. So müssten Auslandsforderungen teils<br />
in schwächere Währungen umgerechnet werden. Abschreibungen bei Banken wären das Ergebnis.<br />
Europas Bankensektor könnte kollabieren. "Einen Ausstieg aus einer Währungsunion kann man<br />
nicht reibungslos gestalten", warnt der Princeton-Ökonom Markus Brunnermeier. "Viele deutsche<br />
Vermögenswerte würden zerstört werden." Enorme Turbulenzen wären die Folge.<br />
Der Zusammenbruch des Euro wäre schlimmer als die Lehman-Pleite, sagen die Ökonomen der<br />
Investmentbank HSBC. "Deutschlands Banken wären pleite, ein Kollaps der Kreditvergabe die<br />
Folge", sagt auch Christian Schulz, Volkswirt der Berenberg Bank. Institute müssten wohl von den<br />
Steuerzahlern gestützt werden. Und auch in den Bilanzen deutscher Versicherungen würden große<br />
Löcher klaffen. Besonders Rückversicherer, die Ausfallverträge auf Staatsanleihen bieten, würden in<br />
die Pleite gerissen. "Zugesicherte Leistungen könnten nicht mehr erbracht werden", warnt Kater.<br />
Sparer müssten um ihre private Rente bangen - die Regierung wäre auch hier gefragt. Der deutsche<br />
Schuldenstand würde infolge von Rezession, Bankenhilfen und Kompensationszahlungen<br />
regelrecht explodieren.<br />
Deutschland dürfte in eine schwere Rezession rutschen. Ein Einbruch der Wirtschaftsleistung um<br />
bis zu 7,5 Prozent wäre laut Union Investment möglich, bei einem massiven Anstieg der<br />
Arbeitslosigkeit. Manch ein Ökonom rechnet gar mit einem Niedergang, der alle Krisen seit Beginn<br />
des 20. Jahrhunderts in den Schatten stellt: "Die Ausgangskatastrophe in der Großen Depression<br />
<strong>CAPITAL</strong> <strong>Investor</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>49</strong>/<strong>2011</strong> www.capital.de 12
war kleiner als in diesem Fall, demnach könnten die Konsequenzen heute schlimmer sein", warnt<br />
Schulz.<br />
Noch höher als die ökonomischen könnten die politischen Kosten sein. Ein Scheitern des Euro sei<br />
mit ernsthaften sozialen Konsequenzen verbunden, so Stephane Deo, Ökonom der UBS. Er verweist<br />
auf das Scheitern der Währungsunion zwischen Tschechien und der Slowakei 1993. Der<br />
Zusammenbruch führte zu Grenzschließungen, Kapitalkontrollen und Zugangsbeschränkungen<br />
von Konten.<br />
Eurokrise: Rettungsanker aus Frankfurt<br />
Die Europäische Zentralbank gerät immer mehr ins Zentrum des Kampfs<br />
um den Fortbestand der Gemeinschaftswährung. Capital.de hat Experten<br />
befragt, welche Strategie sie dabei verfolgen sollte.<br />
In Deutschland ist das Rezept umstritten. Die Zahl der Experten aber steigt, die Europas Zentralbank<br />
drängen, einen massiven Aufkauf von Staatsanleihen in Aussicht zu stellen, um die Panik an den<br />
Märkten zu stoppen. Die Frage ist nur, wie genau die Währungshüter das machen sollen. Muss die<br />
EZB dafür eine Menge Geld ausgeben? Oder nur damit drohen? Wäre es gut, ein fixes Zinsziel zu<br />
setzen, das sie gegen den Markt verteidigt - so ähnlich wie es die Schweizer Notenbank mit dem<br />
Franken tut?<br />
Capital.de hat vier Befürworter des EZB-Feuerwehreinsatzes befragt. Und die geben sich<br />
zuversichtlich: Wenn die Ankündigung glaubhaft sei, könne die EZB die Krise mit einem Schlag<br />
beenden. Am Ende könnte sie mit der Aktion sogar Gewinn machen. Und das auch ohne die<br />
Zustimmung der Bundesbank, wie Charles Wyplosz vom Graduate Institute in Genf fordert. Nach<br />
Urteil von Beobachtern steht die Notenbank mittlerweile bereit, mehr zu tun, um den Euro zu<br />
retten. Letzter Stand der Spekulation: Auf dem EU-Gipfel diese Woche könnten die Regierungschefs<br />
einen Plan präsentieren, bei dem der Internationale Währungsfonds mit EZB-Geld Italien und<br />
Spanien stützt.<br />
Fragt sich nur, ob die kolportierten 200 Mrd. Euro reichen, um bei fortschreitendem<br />
Vertrauensverlust die Krise zu beenden. "Vor zwei Monaten hätte das noch gereicht", so Holger<br />
Schmieding von der Berenberg Bank. Heute sei das nicht mehr sicher. Da sei die direkte EZB-<br />
Intervention aussichtsreicher. Die Bank sollte ankündigen, notfalls unbegrenzt Anleihen zu kaufen.<br />
Was für Laien wie Irrsinn klingen mag, könnte die günstigste Lösung sein, so Schmieding. Dann<br />
gäbe es keine Zweifel an ihrer Entschlossenheit - und sie könnte die Anleihen nach der Krise zu<br />
erholten Kursen wieder verkaufen.<br />
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Streitfall Staatsanleihekauf<br />
Die EZB soll als Retterin in letzter Not eingreifen. Aber wie? Und wie teuer wird das? Vier Experten<br />
antworten:<br />
Kritiker sagen, die EZB könnte die Flucht aus Euro-Anleihen am ehesten<br />
stoppen, bevor die Krise eskaliert. Wie genau soll sie das machen?<br />
Paul De Grauwe<br />
Die EZB sollte ankündigen, dass ihre Interventionen an den Märkten für Staatsanleihen weder<br />
vom Umfang noch zeitlich beschränkt sind. Mit anderen Worten sollte sie genau das Gegenteil<br />
von dem tun, was sie heute tut. Und diese Ankündigung sollte so bald wie möglich kommen<br />
Holger Schmieding<br />
Die EZB sollte sagen, dass sie notfalls unbegrenzt eingreift, um solvente Euro-Mitglieder vor einer<br />
Pleite zu retten. Dafür muss der IWF bescheinigen, dass diese Länder Reformen und<br />
Schuldenbremsen beschließen sowie geänderten EU-Verträgen mit einem gehärteten Stabipakt<br />
zustimmen.<br />
Charles Wyplosz<br />
Die Euro-Währungshüter werden die Krise stoppen, wenn sie die Garantie abgeben, für alle<br />
öffentlichen Schulden der Euro-Zone zu einem Teil ihres Nennwerts einzustehen. Das würde<br />
effektiv als Kugelfang wirken und den Weg zu einer Restrukturierung von Staatsschulden ebnen.<br />
Guntram Wolff<br />
Die EZB muss auf jeden Fall die drohende Kreditklemme abwenden. Die Geldpolitik muss<br />
expansiver werden. Sollte man sich auf dem Euro-Gipfel in dieser Woche auf eine Fiskalunion<br />
einigen, könnte die EZB am Staatsanleihemarkt intervenieren. Wichtig ist dann, dass sie es<br />
glaubwürdig macht.<br />
Ist das nicht sehr teuer? Wie viel Geld müsste die EZB in Staatsanleihen<br />
angeschlagener Euro-Länder investieren, damit das funktioniert?<br />
Paul De Grauwe<br />
Sie sollte keine Zahl nennen. Kündigt sie unbegrenzte Hilfen an, dürften sich die Anleihekurse<br />
stabilisieren. Heute muss die EZB so viel kaufen, weil sie sagt, dies zeitlich und volumenmäßig<br />
begrenzt zu machen. Daher erwarten Anleger sinkende Kurse. Die EZB liefert also einen Anreiz,<br />
eher heute als morgen zu verkaufen. Ein ungeschickteres Verhalten ist kaum vorstellbar.<br />
Holger Schmieding<br />
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Sendet die EZB ein glaubwürdiges Signal, wird sie vermutlich kaum investieren müssen. Seit die<br />
Schweizerische Nationalbank Anfang September angekündigt hat, dass sie unbegrenzt eingreift,<br />
um eine festgelegte Obergrenze für den Wechselkurs des Franken zu verteidigen, haben ihre<br />
Interventionen am Devisenmarkt kräftig abgenommen.<br />
Charles Wyplosz<br />
Wenn die EZB eine Garantie abgibt, wird sie nur sehr wenige Staatspapiere aufkaufen müssen.<br />
Denn die Garantie einer Notenbank ist zu 100 Prozent glaubhaft.<br />
Guntram Wolff<br />
Dies hängt davon ab, wie glaubwürdig die EZB handelt. Wenn sie ein starkes und für <strong>Investor</strong>en<br />
glaubwürdiges Signal sendet und die Probleme in Italien in der Tat nur liquiditätsgetrieben sind,<br />
dann wäre die Gesamtsumme sehr gering.<br />
Einige sagen, die EZB sollte einen Zielzins festlegen, ab dessen Erreichen sie<br />
interveniert. Welcher Zinssatz wäre sinnvoll?<br />
Paul De Grauwe<br />
Ein Zielzinssatz, der zwischen zwei und drei Punkten über dem von deutschen Bundesanleihen<br />
liegt. Damit bliebe ein „Strafzins“, der dazu beiträgt, dass Italien und Spanien ihre Schulden<br />
senken. Gleichzeitig ist das eine attraktive Rendite für kaufbereite <strong>Investor</strong>en.<br />
Holger Schmieding<br />
Als Interventionsmarke ist ein Renditeaufschlag von 5,5 Punkten über Bundesanleihen denkbar,<br />
um den Anpassungsdruck hoch zu halten. Für zehnjährige Staatsanleihen wäre das derzeit eine<br />
Rendite von 7,7 Punkten, also oberhalb der aktuellen Rendite für Italien.<br />
Charles Wyplosz<br />
Der Zins sollte deutlich niedriger sein, als die Märkte heute von Italien und Spanien verlangen.<br />
Mindestens die Hälfte der Schulden sollte garantiert werden. Ihren Leitzins sollte sie auf null<br />
senken.<br />
Guntram Wolff<br />
Das ist eine politische Entscheidung. Der Zielzins sollte aber unter dem aktuellen Marktzins für<br />
Länder wie Italien und Spanien liegen. Wichtig ist gleichzeitig, dass der Reformdruck nicht<br />
nachlässt. Den Leitzins sollte sie auf 0,75 Prozent senken.<br />
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Wie wichtig ist es für die Glaubwürdigkeit eines solchen Eingriffs der EZB,<br />
dass die Bundesbank damit einverstanden ist?<br />
Paul De Grauwe<br />
Die EZB ist eine europäische Institution. Die Bundesbank sollte kein Vetorecht haben. Wenn es<br />
eine entsprechende Mehrheit im EZB-Rat gibt, sollte die Bundesbank eine entsprechende<br />
Entscheidung akzeptieren.<br />
Holger Schmieding<br />
Es geht nicht ohne die Bundesbank. Protestiert sie erneut gegen eine EZB-Entscheidung, kann das<br />
die Ankündigung entscheidend schwächen. Ein Einspruch der Bundesbank könnte eine<br />
Verkaufswelle für Staatsanleihen und eine tiefe Banken- und Wirtschaftskrise auslösen.<br />
Charles Wyplosz<br />
Eine einstimmige Entscheidung ist wünschenswert. Aber die Bundesbank ist nur eine von vielen<br />
Notenbanken, und ihre Analyse – wenn man das überhaupt so nennen kann – ist völlig falsch. Sie<br />
hat bislang alle Ideen lediglich kritisiert und selbst keinen einzigen schlüssigen Lösungsvorschlag<br />
geliefert.<br />
Guntram Wolff<br />
Die EZB sollte nur dann handeln, wenn es eine klare politische Einigung gibt, in Richtung<br />
Fiskalunion zu gehen. In diesem Moment sollte auch die Bundesbank ihre Bedenken<br />
zurücknehmen.<br />
Drohen der EZB Verluste, wenn sie die Staatsanleihen angeschlagener Länder<br />
kauft?<br />
Paul De Grauwe<br />
Nein, im Gegenteil. Sie kann im Erfolgsfall die Anleihen zu erholten Kursen wieder loswerden. Die<br />
Bedingung dafür ist, dass sie ein Bekenntnis abgibt, das glaubhaft genug ist.<br />
Holger Schmieding<br />
Nein, vermutlich nicht. Sobald die Angst davor weicht, dass die EZB selbst Italien der Pleite<br />
überlässt, dürften viele Anleger bei Renditen zwischen sechs und sieben Prozent wieder zugreifen.<br />
Charles Wyplosz<br />
Das ist irrelevant. Eine Zentralbank ist kein kommerzieller Betrieb. Aber sie sollte Steuerzahler<br />
beschützen. Und die Kosten der Untätigkeit sind bereits jetzt sehr hoch, auch wenn sie nicht<br />
genau messbar sind.<br />
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Guntram Wolff<br />
Nein, aber sie würde trotzdem ein Risiko in ihren Büchern haben. Deswegen benötigt die EZB die<br />
politische Zustimmung zur Fiskalunion, die für Verluste einstehen könnte.<br />
Zur Person: Paul De Grauwe<br />
Paul De Grauwe lehrt an der Universität Leuven in Belgien. Er ist Autor eines Standardwerks zur<br />
Ökonomie von Währungsunionen.<br />
Zur Person: Holger Schmieding<br />
Holger Schmieding ist Chefökonom der Berenberg Bank in London. Früher forschte er am Institut für<br />
Weltwirtschaft in Kiel.<br />
Zur Person: Charles Wyplosz<br />
Charles Wyplosz unterrichtet am Graduate Institute in Genf. Er ist einer der renommiertesten<br />
Makroökonomen in Europa.<br />
Zur Person: Guntram Wolff<br />
Guntram Wolff ist Vizedirektor des einflussreichen Brüsseler Thinktanks Bruegel. Davor war er bei<br />
der EU-Kommission und der Bundesbank.<br />
Anschlagsversuch: Attentat auf Ackermann vereitelt<br />
Die Drohung gegen den Chef der Deutschen Bank war wesentlich ernster<br />
als zunächst bekannt. Die Staatsanwaltschaft spricht von einem<br />
funktionsfähigen Sprengsatz. Der Konzern erhöht weltweit seine<br />
Sicherheitsvorkehrungen.<br />
Eine an Deutsche Bank-Chef Josef Ackermann adressierte verdächtige Postsendung ist am<br />
Mittwoch in Frankfurt abgefangen worden. Dabei handelte es sich um eine "funktionsfähige<br />
Briefbombe". Das teilten das hessische Landeskriminalamt (LKA) und die Staatsanwaltschaft<br />
Frankfurt nach ersten Untersuchungen am Donnerstag in Wiesbaden mit. Die Untersuchungen<br />
dauerten noch an. Einzelheiten zur Zusammensetzung des Inhalts könnten aus<br />
ermittlungstaktischen Gründen nicht gesagt werden.<br />
Zuvor hatte ein Polizeisprecher nach Angaben der Nachrichtenagentur dpa behauptet: "Das war<br />
kein Sprengstoff, weder militärischer oder gewerblicher." Das Pulver hätte beim Öffnen des<br />
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Umschlags "aber mit Sicherheit gefährlich werden können", und Verbrennungen an Hand, Gesicht<br />
und Oberkörper verursachen können.<br />
Der verdächtige DIN-A5-Umschlag war am Mittwochnachmittag bei der Deutschen Bank<br />
eingegangen und aufgefallen. Die Polizei nahm daraufhin die Ermittlungen auf. Nach Angaben der<br />
Frankfurter Polizei untersucht das Landeskriminalamt in Wiesbaden den Umschlag. Keine<br />
Stellungnahme gab es bislang dazu, wer hinter der Sendung stehen könnte. Bankenkreisen zufolge<br />
verstärkte die Deutsche Bank weltweit ihre Vorkehrungen, es werde mehr Sicherheitspersonal<br />
eingesetzt.<br />
Auch die Finanzmetropole New York befindet sich in erhöhter Alarmbereitschaft. Die Bundespolizei<br />
FBI schaltete sich in die Frankfurter Ermittlungen ein: "Die FBI-Ermittlungsgruppe für Terrorismus<br />
arbeitet mit den deutschen Behörden zusammen, um den Vorfall in Frankfurt aufzuklären und<br />
mögliche Bedrohungen gegen Menschen oder Einrichtungen auszumachen", sagte ein FBI-Sprecher<br />
der Nachrichtenagentur Bloomberg.<br />
Nach Informationen eines hochrangigen Mitarbeiters der US-Strafverfolgungsbehörden war als<br />
Rücksendeadresse die ebenfalls in Frankfurt ansässige Europäische Zentralbank angegeben. Nach<br />
dem Fund seien die Sicherheitsvorkehrungen in den New Yorker Büros des größten deutschen<br />
Kreditinstituts erhöht worden. Bankenkreisen zufolge verstärkte die Deutsche Bank weltweit ihre<br />
Vorkehrungen. Es wird mehr Sicherheitspersonal eingesetzt.<br />
Die New Yorker Polizei verschickte eine Warnung an Wall-Street-Unternehmen, dass sie bei Paketen<br />
"besonders vorsichtig" sein sollten. Das bestätigte ein Polizeisprecher. Die Streifen rund um die<br />
Büros der Deutschen Bank wurden verstärkt.<br />
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EU-Gipfel: Endspiel der Euro-Regierungen<br />
Kommentar<br />
Die Europäische Zentralbank gilt vielen als letzte Hoffnung im Kampf um<br />
den Fortbestand der Gemeinschaftswährung. Doch die Rettung der<br />
Währungsunion hängt von den Staaten ab.<br />
Für viele Politiker und Marktbeobachter ist das Drehbuch für das Drama "Die Rettung des Euro" so<br />
gut wie geschrieben. Erster Akt: Die Europäische Zentralbank (EZB) senkt am Donnerstag die Zinsen<br />
und spült dadurch zusätzliche Liquidität in den Bankensektor. Zweiter Akt: Europas Regierungen<br />
beschließen am Freitag den Fiskalpakt, den EZB-Präsident Mario Draghi vergangene Woche im EU-<br />
Parlament gefordert hat. Demnach würden sich die Euro-Länder strengen Budgetregeln mit<br />
automatischen Strafen für Defizitsünder unterwerfen und den Einstieg in Eurobonds mit<br />
Gemeinschaftshaftung vereinbaren. Dritter Akt: Kurz vor der Marktöffnung in Asien lässt die EZB in<br />
der Nacht auf Montag durchblicken, dass sie künftig für die Euro-Staaten als Kreditgeber der letzten<br />
Instanz auftritt und deren Anleihen in unbegrenztem Umfang aufkauft. Kurz: ein dramatisches<br />
Finale, bei dem die geldpolitische Bazooka auf die Bühne geholt wird.<br />
Die Vorlage zu diesem Skript hatte die erste Euro-Rettung am Wochenende vom 7. bis zum 9 Mai<br />
2010 geliefert. Sie verlief damals ähnlich, war aber kleiner dimensioniert. An einem Freitag einigten<br />
sich die Regierungen auf das erste Griechenland-Paket. Am Sonntag überraschten die<br />
Finanzminister die Welt mit dem Euro-Rettungsschirm. In der Nacht auf Montag überrumpelte die<br />
Euro-Notenbank die Märkte mit der Nachricht, dass sie fortan Anleihen aus Griechenland aufkaufen<br />
werde, um die Risikoaufschläge auf die Hellas-Papiere zu drücken und so das reibungslose<br />
Funktionieren der Geldpolitik im Währungsraum zu gewährleisten.<br />
Tatsächlich ähnelt die dramatische Zuspitzung der Ereignisse von damals der Lage heute. Mit dem<br />
Unterschied, dass die Krise seither ständig weiter eskalierte. Darum steht heute mehr auf dem Spiel.<br />
Scheitern die Rettungsbemühungen der kommenden Tage, ist eine Marktpanik mit<br />
unkontrollierten Weiterentwicklungen und einem Auseinanderbrechen der Euro-Zone nicht mehr<br />
ausgeschlossen. Doch nicht jede kurzfristige Stabilisierung der Währungsunion bietet unbedingt die<br />
Basis für das langfristige Überleben des Euro - im Gegenteil. Kommt es zu schweren Fehlern beim<br />
Notumbau der Euro-Architektur, kann eine längere Agonie mit einem noch krachenderen Kollaps<br />
die Folge sein.<br />
EZB kann Lücken überbrücken<br />
Deshalb ist es wichtig, sich erst einmal klarzumachen, wer wofür verantwortlich ist in der<br />
Währungsunion. Das Entwerfen neuer Regeln für die Haushalts- und Wirtschaftspolitik, der Aufbau<br />
und die Finanzierung von Rettungsinstrumenten für insolvente Staaten und Banken sind Aufgabe<br />
der Regierungen. Angela Merkel, Nicolas Sarkozy und ihre Kollegen haben ab heute bis<br />
Sonntagabend Zeit, um überzeugende Lösungen vorzulegen.<br />
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So können sie an den Märkten und im Rest der Welt verloren gegangenes Vertrauen langfristig<br />
zurückzugewinnen. In der Krise können aber Lücken entstehen zwischen kurzfristigen<br />
Finanzierungsnotwendigkeiten und dem langfristigen Greifen der politischen Beschlüsse. Diese<br />
Lücken kann die EZB für eine befristete Zeit und gegen Bedingungen überbrücken. Wer jedoch<br />
glaubt, tief greifende politische Reformen ließen sich auf Dauer durch das Anwerfen der<br />
Notenpresse ersetzen, der irrt.<br />
Konkret: Ideal wäre, die Regierungen würden ihre Haushaltspolitik so vergemeinschaften, wie sie<br />
bereits vor zwölf Jahren ihre Geldpolitik vergemeinschaftet haben. Doch zu diesem Sprung in eine<br />
wirkliche Fiskalföderation scheinen derzeit weder Deutschland noch Frankreich bereit. Deshalb ist<br />
Merkels Vorschlag einer regelgebundenen Fiskalunion weiter souveräner Staaten eine Lösung,<br />
wenn auch nur die zweitbeste. Kommt hier in den nächsten Tagen ein glaubwürdiges Paket<br />
zustande, sollten die Regierungen auch einen Zeitplan für die Einführung von Eurobonds festlegen.<br />
Instrumente gegen den Marktstress<br />
Die EZB sollte die Regierungen heute durch eine Zinssenkung unterstützen. Eine geldpolitische<br />
Lockerung ist angesichts der nachlassenden Inflationsdrucks und Konjunkturabsturzes<br />
gerechtfertigt, die alle Ökonomen für 2012 vorhersagen. Darüber hinaus sollte die EZB ihrer<br />
Funktion als Kreditgeber der letzten Instanz gegenüber solventen Banken heute voll gerecht werden<br />
und die Geldhäuser der Euro-Zone noch üppiger als bisher schon mit Liquidität versorgen.<br />
Mit dem Staatsanleihenkaufprogramm hat die EZB ein Instrument, das sie nutzen könnte, sollte der<br />
Marktstress intensiver werden. Doch das Programm, mit dem die EZB seit Mai 2010 Krisenanleihen<br />
im Volumen von 207 Mrd. Euro gekauft hat, ist ungeeignet für riesige Einsätze etwa zur Stützung<br />
Italiens und Spaniens. Denn am Ende hätten diese Stützkäufe zur Folge, dass 23 ungewählte<br />
Mitglieder des EZB-Rats per Mehrheitsbeschluss Risiken im Wert von Hunderten Milliarden Euro<br />
zwischen den Staaten der Währungsunion umverteilen. Dafür hat die EZB kein Mandat<br />
Natürlich ist eine Situation vorstellbar, in der nur noch ein unbegrenzter EZB-Einsatz hilft. Dann<br />
müssen die Notenbanker die Regierungen vor ihre Verantwortung stellen: Die EZB kann nur dann<br />
für die Euro-Zone zum Kreditgeber der letzten Instanz werden, wenn die Euro-Staaten doch ihre<br />
haushaltspolitische Souveränität unwiderruflich zusammenlegen. Setzen sie an zu diesem großen<br />
Sprung in eine wirkliche Fiskalunion, sollte die EZB den Euro retten. Andernfalls wäre es die<br />
politische Entscheidung und Verantwortung der Regierungen, die Währungsunion aufzugeben.<br />
Wolfgang Proissl ist EZB-Chefkorrespondent der Capital-Schwesterzeitung Financial Times<br />
Deutschland<br />
Axel Retz: Marktindikatoren mahnen zur Vorsicht<br />
Kaum ein Anleger mag noch auf die Eurokrise schauen. Ein gefährlicher<br />
Ermüdungs- und Gewöhnungsprozess hat begonnen, den auch der<br />
Überraschungs-Coup der Notenbanken nicht durchbrechen wird.<br />
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Axel Retz ist seit mehr als 25 Jahren als Chefredakteur von Börsenmagazinen und Börsendiensten<br />
tätig und betreibt das Portal private-profits. Konservative Anleger finden dort seit Jahren<br />
bewährte, treffsichere Strategien zur Outperformance der Märkte in Hausse- und Baissephasen.<br />
Aggressivere Trader finden alle notwendigen Tools, um mit kleinem Einsatz kurzfristige Gewinne<br />
zu erzielen. "Phasen, in denen sich keine Gewinne erzielen lassen, das sind die Seitwärtsmärkte.<br />
Aber sie sind nichts anderes als Unterbrechungen im Trendverhalten. Technische oder<br />
fundamentale Analyse? Für mich macht es die Mischung!"<br />
Manchmal macht es einfach die Verpackung. Mal ehrlich: Welcher halbwegs vernünftige Mensch<br />
hätte Lust, nach einer arbeitsreichen Woche ausgerechnet am späten Samstagabend noch einmal in<br />
Dunkelheit und Nieselregen hinaus zu müssen, um seine Wochenendkäufe zu erledigen? Bei einem<br />
Wetter, bei dem man keinen Hund vor die Tür jagt, hätte niemand dazu Lust. Ganz anders ist das,<br />
wenn sich diese Unannehmlichkeit als Midnight-Shopping verkauft und in der lokalen Presse<br />
Wochen zuvor als Event angekündigt wird. Nachts um elf wälzt sich die halbe Stadt nebst<br />
Vorortskohorten glühweinbeseelt durch überfüllte Einkaufspassagen und Läden, weicht in sich<br />
selbst versunkenen dauersimsenden Zeitgenossen aus, schubst und drängelt sich bis zu den<br />
endlosen Schlangen vor den Kassen durch, um dann knapp nach Mitternacht im Stop- and Go-<br />
Verkehr das erbeutete Kaufgut Richtung Kühlschrank zu schaffen. O du fröhliche!<br />
Um sich für ganz alltägliche Verrichtungen zusätzlichen Belastungen auszusetzen, bedarf es<br />
entweder einer angemessenen Portion an Leidenswillen oder eines gut funktionierenden<br />
Marketings. An letzterem hat es der Politik beim Handling der Schuldenkrise bisher zweifellos<br />
gefehlt, und zu ersterem finden sich in der Euro-Zone momentan keine Freiwilligen mehr.<br />
Stattdessen wachsen Frust, Sorge und Angst. Auch wenn es paradox klingen mag. Das lässt hoffen!<br />
Denn wird die Angst groß genug, kann sie – anders als bei einem Gewitter – das befürchtete<br />
Ungemach vielleicht noch abwenden.<br />
Ganz konkret: Das Handwerk, jüngste Zahlen belegen es, platzt vor Aufträgen regelrecht aus allen<br />
Nähten. Erst in der vergangenen Woche bestätigte mir ein Bauunternehmer, dass die Leute ihr Geld<br />
aus Angst vor der ungewissen Zukunft des Euro seit Monaten lieber ins eigene Häuschen stecken.<br />
Zudem dürfte der inländische Autoabsatz im laufenden Jahr nach den letzten Zahlen vermutlich um<br />
acht Prozent zulegen. Finden sich im gemeinen Volk nur genügend „Euro-Skeptiker“, die jetzt lieber<br />
konsumieren und investieren, kommt die Wirtschaft vielleicht tatsächlich richtig in Fahrt, vor allem<br />
auch die Binnennachfrage. Für die Südflanke Europas sieht das alles etwas anders aus. Weswegen<br />
sich die Verantwortlichen in dieser Woche zum „wasweißichwievielten“ letztentscheidenden<br />
Spitzentreffen zusammenfinden.<br />
Die hohe Kunst der Minusmaximierung<br />
Kein Wunder, dass der Bundesfinanzminister gleich ein paar „neue“ Ideen aus der Schublade holte.<br />
Die eine: IWF-Sonderziehungsrechte, SZR im Deutschen bzw. SDR im Englischen. Auf diese<br />
Kunstwährung des Internationalen Währungsfonds kann jedes der 187 Mitgliedsländer im Falle<br />
eines Liquiditätsengpasses zugreifen – über die sgn. Sonderziehungsrechte. Finanziert wird der IWF<br />
durch die nach ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit bemessenen, als „Quote“ bezeichneten<br />
Beiträge der Mitgliedsländer des Fonds. Der Sinn der ganzen Konstruktion: Gerät ein Staat in eine<br />
vorübergehende finanzielle Schieflage, kann er sich beim IWF Mittel bis zum Dreifachen der von<br />
ihm geleisteten Quote ausleihen, um damit seine Währung zu stabilisieren und/oder seine<br />
Wirtschaft zu stärken. Im Prinzip funktioniert das Ganze also wie eine Art Solidargemeinschaft, in<br />
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die alle einzahlen und die im Bedarfsfall einzelnen Mitgliedern per Kredit Zugriff auf das Vermögen<br />
aller gewährt. Natürlich müssen die Finanzhilfen danach auch wieder zurückgezahlt werden, in der<br />
Regel in einem Zeitraum von drei bis fünf Jahren.<br />
In der asiatischen Finanzkrise des letzten Jahrhunderts, aber auch bei den Liquiditätsengpässen<br />
Mexikos (1995), Russlands (ebenfalls 1995), Indonesiens, Koreas und Thailands (1998), Rumäniens<br />
(2008) Argentiniens sowie Irlands und Griechenlands (2010), bewährte sich dieses Procedere. Nur:<br />
Die größte jemals ausgezahlte Einzelsumme belief sich auf 35 Mrd. Dollar. An den heute im Feuer<br />
stehenden Summen gemessen, ist die Kapitalausstattung des IWF eine Lachnummer: Rund 250 Mrd.<br />
Dollar hat der Fonds zurzeit in der Kasse, an Krediten könnte er aber nur ca. die Hälfte<br />
herausreichen, da die Mitgliederbeiträge in den jeweiligen Landeswährungen eingezahlt werden<br />
müssen. Und Geld z. B. aus Uganda, Tuvalu, Libyen oder Madagaskar hilft anderen Staaten so gut<br />
wie gar nicht aus ihren Finanznöten. Wir reden also beim IWF von einem effektiv einsetzbaren<br />
Kreditrahmen in Höhe von rund 125 Mrd. Dollar. Allein die „gehebelte“ EFSF, von der wir wissen,<br />
dass auch sie viel zu klein konfektioniert ist, beläuft sich auf mehr als das Fünffache dieser Summe.<br />
Und noch eine Zahl: Deutschland als drittgrößter Geldgeber des IWF könnte sich bei einer aktuellen<br />
Quote von 5,98 Prozent an den SZR derzeit maximal 44,85 Mrd. Dollar vom IWF ausleihen. Was<br />
wollen wir damit, wenn sich unsere bisher zugesagten Bürgschaften zur Euro-Rettung auf<br />
Berechnungen des Ifo-Instituts auf über 540 Mrd. Euro belaufen? Und vor allem: Wer Geld vom IWF<br />
„nimmt“, der tut nichts anderes als neue Schulden machen, mitten in der Schuldenkrise. Oder<br />
anders: Er maximiert sein Minus.<br />
Wir sehen: Den IWF als Heilsbringer in der Schuldenkrise zu bemühen, mag ja in Reden des<br />
Bundesfinanzministers großartig klingen, de Facto ist der Fonds nur ein zwar schillernder, aber<br />
keineswegs tragender Stein in der bedenklich ins Wanken geratenen internationalen<br />
Finanzarchitektur. Und er ist viel zu schwach auf der Brust, um eine effektive Hilfestellung leisten<br />
zu können. Bitte glauben Sie nicht, dass Herr Schäuble mit diesen Fakten nicht vertraut ist; er<br />
vertritt Deutschland im IWF als stellvertretender Gouverneur.<br />
Schuldentilgungsfonds: der zweite Streich<br />
Des Bundesfinanzministers zweite Idee: nationale Schuldentilgungsfonds. Ein schöner Begriff, der<br />
suggeriert, dass da irgendwo ein vermutlich bis jetzt unentdeckt gebliebener Topf steht, aus dem<br />
bestehende Schulden getilgt werden. Das Gegenteil ist der Fall. Staatsschulden, die über die<br />
Obergrenze des EU-Stabilitätspakts (60 Prozent des BIP) hinausgehen, sollen in die<br />
Schuldentilgungsfonds ausgelagert werden, der dann durch „Einnahmen“ gespeist und sukzessive<br />
abgebaut werden soll. Die Webfehler der Konstruktion sind offensichtlich.<br />
Das Verschieben von Schulden in einen weiteren Schattenhaushalt gleich unter welchem Namen<br />
hat den Stallgeruch einer staatlichen Bad Bank und erinnert an das geflügelte Wort „aus den Augen,<br />
aus dem Sinn“. Und es ist ein Schlag ins Gesicht der EU-Verträge, wenn der Finanzminister allen<br />
Ernstes vorschlägt, die Verschuldungsgrenze des Stabilitätspakts dadurch „einzuhalten“, dass er die<br />
darüber hinausgehenden Schulden einfach in eine andere Schatulle umbettet. Seriös ist etwas<br />
anderes. Und vertrauensbildend ebenfalls. Überschuldete Verbraucher, die von ihrer Bank keinen<br />
Kredit mehr bekommen, werden ja auch nicht dadurch saniert und wieder kreditwürdig, dass sie<br />
ihre Schulden einfach auf ein Konto bei einer anderen Bank auslagern. Es muss wirklich nicht<br />
erstaunen, wenn Wolfgang Schäubles Vorgänger Peer Steinbrück in einem Interview gestern auf<br />
Nachfrage angab, er selbst als Privatmann würde keine Staatsanleihen kaufen.<br />
Der Korrektur bedarf auch der Verweis des Bundesfinanzministers auf den getilgten<br />
„Erblastentilgungsfonds“, in den die Schulden aus der deutschen Wiedervereinigung ausgelagert<br />
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wurden. Getilgt hat der Staat diese auch als „Sondervermögen“ deklarierten Schulden nur<br />
buchhalterisch, tatsächlich wurden die Verbindlichkeiten in die allgemeine Bundesschuld<br />
überführt. Und schließlich:<br />
Die „Einnahmen“ der Schuldentilgungsfonds, von denen Herr Schäuble spricht, sollen über eine<br />
neue Steuer erwirtschaftet werden. Da werden sich Griechen, Italiener und Spanier, die schon bis<br />
jetzt mit einer ganzen Serie neuer Steuern überzogen wurden, bestimmt richtig freuen. Und was<br />
Steueranhebungen in konjunkturellen Eiszeiten anrichten, wissen wir nicht erst seit der<br />
wirtschaftlichen Implosion Griechenlands. Mit Schulden, um es ganz lapidar auf den Punkt zu<br />
bringen, lässt sich kein Staat machen, ganz egal welches Etikett sie ziert.<br />
Euro - welcher Befreiungsschlag?<br />
Der Überraschungs-Coup der konzertierten Notenbankaktion hat gesessen. Und ich war froh, an<br />
diesem Tag keine Kolumne schreiben zu müssen. Nicht weil mir dazu nichts eingefallen wäre,<br />
sondern weil es bei derartigen Eingriffen in den Markt immer gut ist, erst einmal ein paar Tage<br />
abzuwarten und die Reaktionen der Börsen abzuwarten. Was die Aktienmärkte betrifft, war das<br />
Aufatmen regelrecht hörbar. Und es kam, sehen Sie sich einmal die Charts des BSE Sensex, des<br />
Shanghai Composite und des Bovespa, also gleich dreier Indizes der BRIC-Staaten an, buchstäblich in<br />
letzter Minute. Und auch für den CRB/Bridge (Chart s. Kolumne der letzten Woche) erfolgte die<br />
Aktion der Notenbanken keinen Augenblick zu früh. Die Aufwärtsbewegung des DAX, auf<br />
Wochenbasis immerhin die stärkste seit drei Jahren, verlangt allerdings ein genaueres Hinsehen.<br />
Hoppla, dachte ich beim Blick auf diesen Chart. Die Anzahl derjenigen deutschen Aktien, die<br />
oberhalb ihres 200-Tage-GD liegen, ist im Wochenvergleich gefallen, nicht gestiegen. Und das sogar<br />
relativ deutlich, nämlich von 19 auf nur noch neun Prozent, was genau den bisherigen Jahrestiefs<br />
aus August und Oktober entspricht. Der Verdacht, dass der angebliche Sprung in eine<br />
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Jahresendrallye doch noch zum Salto mortale werden könnte, erhärtet sich auch beim Blick auf den<br />
zweiten Chart:<br />
Denn auch die Anzahl neuer Jahreshochs minus neuer Jahrestiefs hat sich im Wochenvergleich<br />
verschlechtert, und das sogar so deutlich wie seit Mitte September nicht mehr. D. h.: Wenn der DAX<br />
sein bisheriges Jahresminus von 13,13 Prozent bis zum Jahreswechsel wirklich noch in Richtung<br />
einer versöhnlichen Bilanz verschieben will, muss sich an diesen „internen“ Marktindikatoren noch<br />
einiges verbessern. Ansonsten droht auch diesem Rallyeansatz das gleiche Schicksal wie seinen<br />
Vorgängern.<br />
Nicht verstanden habe ich in der abgelaufenen Woche die durch die Medien geisternden<br />
Kommentare zum angeblichen Befreiungsschlag für den Euro. 1,19 Prozent Wochenplus konnte die<br />
Gemeinschaftswährung gegen den Greenback ins Wochenende retten. In siebzehn der bis jetzt 24<br />
Aufwärtswochen von EUR/USD in diesem Jahr waren die Wochengewinne größer. Setzt sich jetzt<br />
nicht tatsächlich eine „richtige“ Stabilisierung des Euro in Gang, droht sogar ein kräftiger<br />
Kursrückgang. Sehen Sie sich den Chart an:<br />
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Einen „Befreiungsschlag“ sehen Sie hier vermutlich ebenso wenig wie ich. Aber Sie sehen, was in<br />
der Vergangenheit passiert ist, wenn im Kursverlauf von EUR/USD die 200-Tage-Linie (im<br />
Wochenchart als GD40) abgebildet) nach unten abgedreht hat. Der Kursverlust gewann an<br />
Dynamik. Auch beim Euro gilt also: Noch ist gar nichts entschieden. Und das Prinzip Hoffnung<br />
allein rechtfertigt noch keine neuen Positionen. Vielleicht sehen wir ja in einer Woche klarer …<br />
Apple - im Fadenkreuz der Charttechnik<br />
Wilhelm Tells legendärer Schuss ist nur eine der berühmten Geschichten, die sich um den Apfel<br />
ranken. Noch bekannter ist das Obst aber in angebissener Form, mussten Adam und Eva doch<br />
seinetwegen das Paradies verlassen. Und ebenfalls seinetwegen lag Schneewittchen jahrelang<br />
scheintot im gläsernen Sarg. Die derzeit wohl bekannteste märchenhafte Story des angebissenen<br />
Apfels aber hat ohne Zweifel Steve Jobs geschrieben. Apples Erfolgsgeschichte sucht seinesgleichen.<br />
Ausgehend von einem Startkapital in Höhe von 1.750 Dollar im April 1976 stieg das Unternehmen,<br />
gemessen an der Marktkapitalisierung, bis August <strong>2011</strong> zum weltweit wertvollsten Unternehmen<br />
auf. Und sieht man sich den Chart der Aktie an, scheint Steve Jobs’ Tod heute vor zwei Monaten dem<br />
Aufwärtsdrang des Kurses keinen Abbruch beschert zu haben. Bis jetzt, möchte ich einschränken.<br />
Denn beim genauern Hinschauen brauen sich über der Aktie jetzt erste dunkle Wolken zusammen.<br />
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Zuerst einmal das Positive: Es ist eine Grundregel der Charttechnik, dass sich ein einmal etablierter<br />
Trend bis zum Beweis des Gegenteils fortsetzen wird. Den im März 2009 gestarteten Aufwärtstrend<br />
der Apple-Aktie können wir getrost als Paradebeispiel für diese Aussage heranziehen. Aber es gibt<br />
gute Gründe, die Aktie jetzt nicht mehr aus den Augen zu lassen. Erstens: In der vorletzten Woche<br />
hat der Kurs wieder genau auf der beschriebenen Aufwärtsgeraden aufgesetzt. Zweitens: In<br />
unmittelbarer Nähe dieser Hausselinie verläuft auch der vor allem von institutionellen Anlegern<br />
viel beachtete 200-Tage-GD (im abgebildeten Wochenchart als GD40 dargestellt). Drittens: Der<br />
Trendtest vorletzter Woche fiel zusammen mit dem Test der durch die Hochs aus Februar/März<br />
definierten horizontalen Unterstützungslinie. So weit, so gut. Hält dieses multiple<br />
Unterstützungsgefüge, steht weiteren Kursgewinnen nichts im Wege. Aus markttechnischer<br />
Perspektive haben wir jedoch guten Grund, daran zu zweifeln. Denn das Momentum notiert nur<br />
noch knapp oberhalb seiner Mittelpunktslinie, während der Money Flow-Indikator, in dessen<br />
Berechnung auch die Umsätze einfließen, erstmals wieder unter seinen Stand vom Start der<br />
Aufwärtsbewegung im Frühjahr 2009 zurückgefallen ist. Diese Warnzeichen sollten uns zu denken<br />
geben, zumal der Mutterindex der Apple-Aktie, der Nasdaq 100, schon im August unter seine März<br />
2009-Aufwärtstrendlinie gefallen ist und diese nun von unten antestet.<br />
Trübt sich die Stimmung an der Wall Street ein, wobei uns die Gründe dafür gar nicht zu<br />
interessieren brauchen, könnte sich bei Apple eine „märchenhafte“ Chance für beherzte Putkäufer<br />
ergeben. Denn dass sich auch diese Kult-Aktie in turbulenteren Zeiten aufgrund kaskadenartiger<br />
Verkaufsorders in nur drei Monaten halbieren kann, hat sie im Sommer 2008 bewiesen. Dass die<br />
Aktie aus heutiger Sicht nach derartigen Rückschlägen ein Juwel für jedes Depot ist, steht außer<br />
Frage. Aber die Stückzahl, die Sie dann ins Depot nehmen können, lässt sich „im Falle des Falles“<br />
durch eine vorherige Put-Spekulation ganz massiv erhöhen.<br />
Viel Erfolg und beste Grüße!<br />
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Axel Retz<br />
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Anlagestrategie: Gewinnen mit der zweiten Reihe<br />
Aktien<br />
Nachdem die hochgelobten Trendfirmen an der Börse reihenweise<br />
abgestürzt sind, locken Traditionskonzerne zum Einstieg: Auch sie sind in<br />
Zukunftsbranchen aktiv und bieten gute Kurschancen.<br />
Es ist ein Brandschreiben an die Politiker in Berlin: Dringend fordert der niederländische<br />
Stromnetzbetreiber Tennet Unterstützung von der deutschen Regierung - Anschlüsse von<br />
Windparks seien im jetzigen Verfahren nicht länger möglich. Durch die Vielzahl an Petitionen sowie<br />
fehlende personelle und finanzielle Ressourcen ergäben sich Schwierigkeiten im Bau- und<br />
Planungsfortschritt. Dass die Regierung auf die Forderungen eingeht, ist nicht unwahrscheinlich.<br />
Nach dem Ausstieg aus der Kernenergie steht die Hoffnung in Gestalt von Windrädern vor allem im<br />
Meer. Bis zum Jahr 2030 soll Windkraft 15 Prozent des Strombedarfs decken. Profiteure sind<br />
allerdings nicht unbedingt die Hersteller von Windkrafträdern. Vielmehr sollten Anleger sich in der<br />
zweiten Reihe umschauen.<br />
Egal welcher Konzern den Zuschlag für den Bau der Anlagen bekommt - der Strom muss<br />
transportiert werden, per Leitung durch das Meer oder über Land. Der größte Hersteller ist der<br />
italienische Kabelfabrikant Prysmian. In einem zähen Bieterwettbewerb übernahmen die<br />
Südeuropäer Anfang des Jahres den niederländischen Anbieter Draka. Auch wegen dieser<br />
Akquisition erwartet der Konzern ein operatives Ergebnis vor Abschreibungen zwischen 530 und<br />
580 Mio. Das wären knapp 200 Mio. Euro mehr als im vergangenen Jahr. Vor Kurzem bekam das<br />
Unternehmen den Zuschlag für das Projekt Helwin 2 - der dritte Auftrag für die Verkabelung eines<br />
Windparks in der Nordsee binnen 15 Monaten.<br />
Verzögerungen von Projekten sollten keinen nachhaltig negativen Einfluss auf den Prysmian-<br />
Aktienkurs haben. Zwar rutschte die Notierung im momentan schwierigen Marktumfeld ab.<br />
Mittelfristig sollte der Kurs aber wieder nach oben drehen können. Besonders das Geschäft mit<br />
Unterwasserkabeln ist außerordentlich lukrativ. Zusammen mit dem französischen Konkurrenten<br />
Nexans dominieren die Italiener das Geschäft. Dass weitere Konkurrenten in den Markt drängen,<br />
gilt als unwahrscheinlich: Die Projekte sind komplex und kostspielig, die Eintrittsbarrieren hoch.<br />
Und auch die Telekomkonzerne sind auf schnellere Netze angewiesen. Die Glasfaserkabel der<br />
Italiener spielen dabei eine wichtige Rolle.<br />
Manchmal liegt das Gute ganz nah, <strong>Investor</strong>en sehen es aber nicht. Da häufig nur jene Firmen<br />
beleuchtet werden, die in der ersten Reihe stehen, verlieren einige Anleger den Überblick. Häufig<br />
sind es Konzerne aus etablierten Industrien, die an sogenannten Megatrends mitverdienen. Gerade<br />
in Phasen wirtschaftlicher Unsicherheit schlagen sich Konzerne, deren Geschäftsmodelle seit<br />
Jahrzehnten funktionieren, besser. Viele von ihnen haben Reserven, um finanzielle Durststrecken<br />
zu überstehen oder Fehlschläge in der Forschung zu verkraften. Die Firmen liefern den Boom-<br />
Branchen zu, haben jedoch ein Stammgeschäft, das den hohen Risiken - und den mitunter<br />
überzogenen Börsenerwartungen - nicht ausgesetzt ist.<br />
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Etwa der US-Konzern Thomas & Betts: Mehr als 30000 Produkte hat das Unternehmen im Angebot,<br />
darunter Kabelschutzsysteme, Kabelbinder sowie Erdungs- und Blitzschutzanlagen, um den<br />
störungsfreien Stromfluss in neuen, intelligenten Smart-Grid-Netzen zu gewährleisten. Für die<br />
einen ist Smart Grid eine riesige Blase, Cisco-Vorstandschef John Chambers dagegen sieht in<br />
intelligenten Stromnetzen die Chance des Jahrtausends. US-Präsident Barrack Obama will in den<br />
kommenden Jahren 32 Mrd. Dollar für clevere Netze zur Verfügung stellen. Böse unter die Räder<br />
kamen nach dem anfänglichen Hype Konzerne wie Enernoc oder Itron, die sich auf Soft- und<br />
Hardware spezialisiert haben. Zu horrenden Bewertungen stiegen viele Anleger ein.<br />
Attraktivere Chancen bieten alteingesessene Unternehmen. Ein Profiteur sollte Thomas & Betts<br />
sein. Bereits im Jahr 1898 gründeten Robert Thomas und Hobart Betts eine Agentur zum Verkauf<br />
von Kabeln an Elektrohändler. Seit dem ersten Stromfluss ist der Konzern führend mit Produkten<br />
für gewerbliche und industrielle Anlagen, für Reparatur und Instandhaltung. In den ersten neun<br />
Monaten des Jahres übertraf der Konzern die Erwartungen der Analysten deutlich. Im Gesamtjahr<br />
will er einen Gewinn von 3,46 Dollar je Aktie erwirtschaften. Im vergangenen Jahr waren es 2,75<br />
Dollar. Mehr als 80 Prozent des Umsatzes von über 2 Mrd. Dollar erzielt der Konzern in den USA und<br />
Kanada. Seit Ende 2009 kletterte der Titel vom Mehrjahrestief bei 13 Euro auf mittlerweile 35 Euro<br />
und nimmt schrittweise die Höchststände um 45 Euro wieder ins Visier. Mit einem Kurs-Gewinn-<br />
Verhältnis von etwas mehr als 12 für das Jahr 2012 ist der Titel momentan nicht zu teuer.<br />
Ein Gewinner wird mittelfristig auch Nibe sein. Der schwedische Konzern ist führender Anbieter<br />
von Heizungssystemen. Vor allem Wärmepumpen stehen im Fokus. Nur ein Bruchteil deutscher<br />
Heizungsanlagen entspricht momentan den Standards. Vor allem in Neubauten nutzen immer<br />
mehr Verbraucher Pumpen, um vom Öl- und Gaspreis unabhängiger zu sein. Der Trend geht zum<br />
Effizienz- und Niedrigenergiehaus. Auch immer mehr Firmen sanieren ihre Gebäude. Statt Aktien<br />
von Solarkonzernen sollten Anleger sich derzeit besser Papiere von Gesellschaften ins Depot legen,<br />
die sich um den effizienten Einsatz von Wärme und Strom kümmern - wie eben Nibe. Zuletzt<br />
übernahm der schwedische Traditionskonzern den 1845 gegründeten Schweizer Konkurrenten<br />
Schulthess. 638 Mio. Franken blätterte er dafür auf den Tisch. Mittelfristig sollte sich die Akquisition<br />
auszahlen. Mit dem Deal baut Nibe das Geschäft in Deutschland, der Schweiz und Österreich aus.<br />
Führend sind die Nordländer schon jetzt in Skandinavien und Polen. Damit wachsen sie schnell zu<br />
einem der größten Konzerne für Energieeffizienz heran. Seit Ende 2008 kletterte der Aktienkurs von<br />
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unter 5 auf mehr als 10 Euro. Einzig der schwächelnde Ölpreis könnte das Geschäft momentan etwas<br />
verderben.<br />
Mit einem Megaereignis verdienen: London richtet 2012 die Olympischen Spiele aus. Wieder<br />
beschützt der weltgrößte börsennotierte Sicherheitskonzern G4S Hunderttausende Sportler,<br />
Funktionäre, Gäste. Statt auf volatile Unternehmen zu setzen, die computergestützte<br />
Sicherheitssoftware anbieten, legen sich Anleger momentan lieber die Hardware ins Depot: Knapp<br />
625000 Menschen in 125 Ländern beschäftigt der bei uns fast unbekannte Experte für<br />
Geldtransporte sowie Militär- und Sicherheitsdienste. Sogar Polizeiaufgaben wie<br />
Zeugenbefragungen und Spurensicherung nehmen die Mitarbeiter vor - legal, versteht sich. G4S<br />
betreibt auch Gefängnisse und sichert Ölfelder in Afrika.<br />
Durch zahlreiche Joint Ventures und Übernahmen haben sich die Briten an die Spitze der<br />
Sicherheitsunternehmen geschoben. Zuletzt scheiterte allerdings die Übernahme des dänischen<br />
Dienstleistungskonzerns ISS in Höhe von 5,9 Mrd. Euro am Widerstand der Aktionäre. An der Börse<br />
kam das gut an. Der Kurs erholte sich leicht, nachdem er auf die Ankündigung hin abgesackt war.<br />
Für Anleger bietet sich eine Einstiegsgelegenheit.<br />
Dividenden: Renditekick zum Jahreswechsel<br />
Die Kurse schwanken wie nie, dennoch können Aktionäre teils hohe<br />
Dividenden kassieren. Dank flott laufender Konjunktur in den<br />
vergangenen Monaten haben viele Unternehmen ausgezeichnet verdient.<br />
Für einige Aktionäre ist bereits vor Weihnachten Bescherung. Sie freuen sich schon jetzt darauf, dass<br />
die DAX-Unternehmen 2012 mehr Dividenden für das abgelaufende Geschäftsjahr ausschütten<br />
dürften als in diesem Jahr. Das Geschenk an die Anteilseigner hat aktuellen Prognosen zufolge<br />
einen Wert von etwa 26 Mrd. Euro und ist damit so teuer wie selten zuvor. Auch europaweit können<br />
die Anleger frohlocken: "Derzeit sind die Dividendenrenditen europäischer Aktien die höchsten der<br />
Welt", sagte Andreas Zöllinger, Fondsmanager bei der Anlagegesellschaft Blackrock.<br />
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Die Dividendenrendite gibt die Verzinsung des eingesetzten Kapitals an. Pro Aktie bedeutet dies:<br />
Die Höhe der Ausschüttung von zum Beispiel zwei Euro wird durch den Aktienkurs von<br />
beispielsweise 40 Euro geteilt, mutipliziert mit 100. Die Dividendenrendite beträgt dann fünf<br />
Prozent. Folglich fällt sie umso höher aus, je höher die Ausschüttung und je niedriger der Aktienkurs<br />
sind.<br />
Die gegenwärtig niedrigen Kurse von an sich gesunden Dividenden-Dickschiffen machen eine<br />
Anlage-Strategie, die auf Dividendenrendite setzt, interessant. "In Europa gibt es mehr als 175<br />
Unternehmen mit einem Börsenwert von über 1 Mrd. Euro, die eine Rendite von mehr als 4,5 Prozent<br />
liefern", berichtet Zöllinger. Für Tagesgeld hingegen bekommen Anleger aktuell maximal 2,8<br />
Prozent. Attraktive europäische Dividendenwerte finden Anleger Blackrock zufolge vor allem in der<br />
Telekombranche sowie bei einigen Gesundheits- und den Industrieunternehmen.<br />
Dabei sind die Ausschüttungen aus Sicht von Investmentexperten mehr als nur ein kleiner<br />
Renditekick. Vielmehr machen sie nach Aussagen der Fondsgesellschaft DWS im Schnitt rund ein<br />
Drittel der gesamten Wertentwicklung einer Aktienanlage aus. Ausgezahlt werden sie nach den<br />
Hauptversammlungen der Firmen, die zumeist Anfang des kommenden Jahres abgehalten werden.<br />
Dividendenberechtigt sind alle Anteilseigner, die am Tag der Aktionärsversammlung Titel des<br />
Unternehmens in ihrem Depot haben.<br />
Tipps für Dividendenjäger<br />
Zur Freude der Anleger achten die Aktiengesellschaften in der Regel peinlich genau darauf,<br />
Enttäuschungen in Form von Dividendenkürzungen oder gar einer Streichung der Ausschüttung zu<br />
vermeiden. Denn eine mindestens konstant gehaltene Dividende signalisiert, dass das<br />
Unternehmen gesund ist und über genug Bargeld verfügt.<br />
Generell kann eine Gewinnbeteiligung nach Auffassung der Deutschen Schutzvereinigung für<br />
Wertpapierbesitz aber durchaus schwanken, solange sie erfolgsorientiert ist. "Im Umkehrschluss<br />
dürfen Aktionäre in mageren und wachstumsarmen Jahren wie während der Krise eben nicht ganz<br />
leer ausgehen", lautete das Fazit der Experten in ihrer aktuellen Dividendenstudie. Eine derart<br />
"atmende Dividende" sei durchaus im Sinne der Aktionäre und als Zeichen unternehmerischer<br />
Weitsicht zu werten.<br />
Dividendenpakete nicht sofort auspacken<br />
Weitsichtig können auch die Anleger agieren, wenn sie ihre Dividendenpakete nicht sofort<br />
auspacken, sondern für die Zeit nach dem Berufsleben horten. Die Idee: Möglichst konstante und<br />
ausreichend hohe Ausschüttungen mildern die Folgen einer drohenden Inflation ab. Diese Tatsache<br />
ist laut der Fondsgesellschaft Blackrock besonders wichtig in dem aktuellen Umfeld. In Europa und<br />
weltweit herrschen niedrige Zinsen und ein schwaches Wirtschaftswachstum vor.<br />
Allerdings sollten Dividendenjäger auf der Hut sein: Bei einigen Unternehmen kann sich eine hohe<br />
Ausschüttung auch als faules Ei entpuppen. So besagt eine Theorie, dass Unternehmen mit hohen<br />
Dividendenausschüttungen Schwierigkeiten haben, rentable Investitionsmöglichkeiten zu finden.<br />
Dies kann laut Christopher Wolter, Analyst der Ratingagentur Feri, vereinzelt zutreffen, sei aber<br />
nicht generell der Fall. "Auch zeugt die Dividende allein nicht von der Gesundheit eines<br />
Unternehmens", fuhr der Fachmann fort. "Wichtig sind zudem Aspekte wie der Verschuldungsgrad<br />
einer Firma sowie Bilanzkennziffern wie Liquidität, Umsatz und Gewinn."<br />
Es gebe sogar eine Reihe von Unternehmen, für die Auszahlungen an die Aktionäre eher ungesund<br />
sind. So schütteten typische Wachstumsfirmen, wie sie etwa im TecDAX zu finden sind, kaum oder<br />
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gar keine Dividenden aus. Diese Unternehmen müssen Erträge oft wieder in vollem Umfang in die<br />
Firma investieren, um den Expansionskurs zu finanzieren.<br />
Süßwaren: Schokolade macht Anleger glücklich<br />
Schoko- und Pralinenhersteller hoffen dieses Jahr auf ein starkes<br />
Weihnachtsgeschäft. Anlegern winken satte Gewinne - falls die<br />
Rohstoffkosten nicht durch die Decke schießen.<br />
Juliette Binoche hat es vorgemacht. In dem Film "Chocolat" verführt sie nicht nur Johnny Depp,<br />
sondern erobert mit ihren Pralinenkreationen zugleich die Herzen eines ganzen Dorfes.<br />
Die Schokoladenhersteller von heute denken in ganz anderen Dimensionen. Allein in Deutschland<br />
haben sich gerade wieder rund 150 Millionen Schokoweihnachtsmänner auf den Weg in die<br />
Verkaufsregale gemacht. In Feinkostläden und Konditoreien warten darüber hinaus Tausende von<br />
Geschenkpaketen mit erlesenen Pralinen auf ihre Käufer. "Die Monate um Weihnachten sind für<br />
Premiumanbieter wie Lindt & Sprüngli die wichtigste Zeit im Jahr", sagt Claudia Lenz,<br />
Aktienanalystin bei der Bank Vontobel.<br />
Der Schweizer Edelchocolatier zählt zu den wenigen börsennotierten Gesellschaften, die für ein<br />
reines Schokoinvestment infrage kommen. Anleger, die darauf setzen, sollten allerdings nicht nur<br />
an die bevorstehenden Weihnachtsfeiertage denken. Ebenso wichtig sind die Preis- und<br />
Marktstrategien der Hersteller und das wirtschaftliche Umfeld. Derzeit beispielsweise freut sich die<br />
Branche darüber, dass die Kakaopreise dank guter Ernten in den Hauptanbaugebieten Westafrikas<br />
von über 2300 Pfund (1967 Euro) pro Tonne in der Spitze auf unter 1500 Pfund zurückgegangen sind.<br />
"Lindt & Sprüngli kann deshalb mit besseren Margen rechnen, auch weil das Unternehmen dank<br />
seiner starken Marktstellung in jüngster Zeit Preissteigerungen durchsetzen konnte", sagt Analystin<br />
Lenz.<br />
Allerdings: Hohe Preise für andere Rohstoffe wie Zucker oder Nüsse schlagen weiterhin zu Buche.<br />
Optimistische Anleger hoffen deshalb vor allem auf das Wachstumspotenzial. "Größter<br />
Umsatztreiber für Lindt & Sprüngli sind die angloamerikanischen Ländern, wo der Marktanteil<br />
noch ausbaufähig ist", sagt Beat Keiser, Aktienanalyst bei Cheuvreux. Angesichts der zuletzt<br />
überraschend starken US-Konsumsektors stehen die Zeichen für das Weihnachtsgeschäft dort gut.<br />
In Westeuropa dagegen haben die Schweizer nur noch begrenzt Luft nach oben. In Asien wiederum<br />
kann Lindt & Sprüngli als Edelmarke noch nicht mit den ganz großen Umsätzen rechnen.<br />
Insgesamt plant das Management mit jährlichen Wachstumsraten von sechs bis sieben Prozent.<br />
Vergleicht man das mit den früher zweistelligen Zuwächsen, ist die Aktie mit einem historisch<br />
hohen Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 27 auf Basis der für 2012 erwarteten Gewinne allerdings<br />
schon sehr ambitioniert bewertet. Mit einem Preis von stolzen 32.000 Schweizer Franken (25601<br />
Euro) ist die Aktie nur etwas für ausgesprochene Feinschmecker.<br />
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Wegen der relativ stabilen Nachfrage gelten die Schokoaktien als defensive Werte und waren<br />
deshalb in jüngster Zeit besonders gefragt. Auf den ersten Blick sogar noch relativ günstig erscheint<br />
bei einem KGV von sieben die Aktie des weltgrößten Schokoladenherstellers Barry Callebaut. Das<br />
Schweizer Unternehmen kann allerdings auch keinen Markennamen in die Waagschale werfen und<br />
muss mit geringeren Margen zurechtkommen. Denn die Gesellschaft erwirtschaftet den<br />
Löwenanteil ihrer Umsätze als Zulieferer für Nahrungsmittelkonzerne wie Nestlé, Kraft Foods<br />
oder den gewinn- und umsatzstarken US-amerikanischen Schokoladenspezialisten Hershey.<br />
"Barry Callebaut profitiert davon, dass immer mehr Nahrungsmittelanbieter auf das für sie<br />
kostengünstige Outsourcing der Produktion und die Innovationsfähigkeiten des Unternehmens<br />
bauen", sagt Analyst Keiser. Neues Umsatzpotenzial winkt im Schlepptau der industriellen<br />
Großabnehmer zudem aus deren Expansion nach Asien.<br />
Auch Halloren, die älteste Schokoladenfabrik Deutschlands, setzt auf Expansion. Das Management<br />
rechnet in diesem Jahr mit einem Umsatzwachstum von acht Prozent. Mit der gerade<br />
übernommenen Steenland Chocolate in den Niederlanden, die vor allem Schokomünzen für<br />
Abnehmer in Großbritannien und den USA produziert, sucht die Firma nun auch Zugang zu den<br />
internationalen Märkten. "Die Übernahme ist in dem von Konsolidierungsdruck geprägten Markt<br />
sinnvoll und könnte schon im kommenden Jahr einen positiven Beitrag zum Ergebnis liefern", sagt<br />
Alexander Langhorst, Analyst bei GSC Research. Allerdings: Auch Halloren hat unter den höheren<br />
Rohstoffkosten gelitten.<br />
Angesichts der insgesamt rückläufigen inländischen Nachfrage nach Schokolade sind die Anleger<br />
zudem vorsichtig geworden. In den nächsten Monaten könnte das Interesse an Halloren mit dem<br />
nahenden Dividendentermin aber wieder steigen. "Die Aktie lebt von der hohen<br />
Gewinnausschüttung, die derzeit zu einer Dividendenrendite von mehr als fünf Prozent führt", sagt<br />
Langhorst.<br />
Konsumlaune: Üppiger Gabentisch für Anleger<br />
Trotz schwelender Schuldenkrise lassen sich die Konsumenten das<br />
Weihnachtsfest nicht vermisen - und sind in bester Kauflaune. Anlegern<br />
winken satte Renditen.<br />
Schuldenkrise, Rezessionsängste, Hickhack um den Euro - die Konsumenten scheint das alles nicht<br />
sonderlich zu beeindrucken. Der US-Einzelhandel verbuchte am vergangenen Wochenende 16<br />
Prozent höhere Einnahmen als im Vorjahr und startete so mit einem Rekordumsatz ins diesjährige<br />
Weihnachtsgeschäft.<br />
Auch in Deutschland hat die Hoffnung auf volle Gabentische zum Fest neue Nahrung erhalten. Der<br />
von der GfK zu Wochenbeginn veröffentlichte Konsumklimaindex für Dezember stieg auf 5,6<br />
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Punkte und deutet damit auf einen Zuwachs des realen privaten Konsums im Vergleich zum<br />
Vorjahresmonat hin.<br />
Die gute Stimmung hängt nach Einschätzung von Analysten vor allem damit zusammen, dass die<br />
privaten Verbraucher trotz aller Krisen im kommenden Jahr kaum mit Einkommenseinbußen<br />
rechnen. Das zumindest bestätigt eine aktuelle Studie von Deloitte.<br />
Bei so viel Weihnachtseuphorie sollte auch für Derivateanleger etwas zu holen sein. Beispielsweise<br />
mit Papieren auf Aktien, die gewöhnlich vom Weihnachts- beziehungsweise Jahresendgeschäft<br />
stark profitieren. Zumal nun auch der Hauptverband des Deutschen Einzelhandels (HDE) sich<br />
zuversichtlich zeigt. Der Branchenverband rechnet im Weihnachtsgeschäft mit einem Umsatzplus<br />
von zwei Prozent gegenüber dem Vorjahr.<br />
Mit einer Wachstumsprognose von 2,5 Prozent zeigt sich die DZ Bank in ihrer aktuellen Studie "Xmas<br />
<strong>2011</strong>" sogar noch etwas optimistischer. Da die Aussichten in vielen anderen europäischen<br />
Ländern aufgrund der Schuldenkrise weniger rosig sind, präferieren die Analysten vor allem<br />
Unternehmen mit einem hohen Umsatzanteil in Deutschland. Auch Onlinehändler werden bei<br />
geschätzten Wachstumsraten von 20 Prozent als Profiteure des Weihnachtsgeschäfts gesehen.<br />
Mit Cewe Color, Douglas, Fielmann und Metro stehen gleich vier Aktien auf der<br />
Empfehlungsliste der DZ Bank. Vor allem bei Cewe Color (87 Prozent) und Douglas (95 Prozent) wird<br />
demnach fast der gesamte prognostizierte Jahresgewinn im Laufe des vierten Quartals erzielt. Hier<br />
hat das Weihnachtsgeschäft also einen erheblichen Einfluss auf die Ergebnisse der Konzerne. Bei<br />
Metro liegt der Anteil des vierten Quartals am erwarteten Jahres-Ebit immerhin bei knapp 60<br />
Prozent.<br />
Weitere Werte mit Potenzial<br />
Die im DAX notierte Aktie des Handelsriesen hat sich schon in den vergangenen Wochen relativ gut<br />
geschlagen. Vor allem die anhaltenden Spekulationen über einen erfolgreichen Verkauf der Tochter<br />
Kaufhof sorgten für Fantasie. Dennoch hat das Papier nach Ansicht der meisten Analysten noch Luft<br />
nach oben. Die jüngst veröffentlichten Kursziele lagen zumeist zwischen 38 und 43 Euro, was<br />
bezogen auf den aktuellen Aktienkurs (36 Euro) einen Aufschlag von sieben bis 20 Prozent bedeutet.<br />
Ähnliches Potenzial wird auch Douglas zugetraut - trotz des deutlichen Kursanstiegs zu<br />
Wochenbeginn nach einer Kaufempfehlung von Equinet. Einen deutlich stärkeren Zuwachs von<br />
rund 30 Prozent erwarten die Banken bei Cewe Color, während sich der von den Experten<br />
prognostizierte faire Wert bei Fielmann fast schon traditionell nur leicht oberhalb des derzeit<br />
gültigen Niveaus einpendelt. Gestiegen ist der Kurs der Fielmann-Aktie in den vergangenen Jahren<br />
dennoch kontinuierlich, was in Verbindung mit guten Geschäftszahlen dann jedes Mal aufs Neues<br />
zu Anhebungen des Kursziels führte.<br />
Alternativ zum klassischen Aktienkauf haben Anleger die Möglichkeit, mit Zertifikaten und<br />
Hebelprodukten alternative Strategien zu fahren. Nur bei Cewe Color wird das schwierig, weil hier<br />
momentan keine passenden Produkte angeboten werden. Bei den anderen Kandidaten können<br />
risikofreudige <strong>Investor</strong>en, die lediglich auf den schnellen Weihnachtseffekt aus sind, mit<br />
Optionsscheinen oder Knock-out-Produkten von etwaigen Kursgewinnen überproportional<br />
profitieren (siehe Tabelle). Allerdings kann der für diese Produkte charakteristische Hebeleffekt bei<br />
fallenden Kursen auch zu deutlichen Verlusten führen. Das Gleiche gilt für Alpha-Turbos, wobei<br />
Anleger bei dem Wettlauf Aktie gegen DAX nur auf die relative Performance des Dividendenpapiers<br />
zum DAX setzen. Selbst bei Kursrückgängen lassen sich so im Falle einer Outperformance der Aktie<br />
Gewinne erzielen.<br />
<strong>CAPITAL</strong> <strong>Investor</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>49</strong>/<strong>2011</strong> www.capital.de 34
Für vorsichtigere Anleger, die sich mit einer begrenzten Renditechance zufriedengeben, die dank<br />
eines Risikopuffers aber auch bei stagnierenden oder moderat fallenden Kursen erhalten bleibt, sind<br />
Aktienanleihen, Discountpapiere oder auch Bonus-Cap-Zertifikate eine sinnvolle Alternative.<br />
Während hier bei den ersten beiden Produkttypen immer nur der Aktienkurs am Bewertungstag<br />
über die Höhe der Rückzahlung entscheidet, kann bei Bonuspapieren im Falle des Bruchs der<br />
Barriere während der Laufzeit der Bonusanspruch verloren gehen. Entsprechend höher fallen<br />
allerdings die möglichen Renditen aus.<br />
Wall Streeter: Kritik der Rating-Kritik<br />
Die Polemik gegen die Agenturen lenkt von den grundsätzlichen<br />
Problemen der Euro-Zone ab. Die Europäer müssen anfangen, Brände zu<br />
verhindern und nicht erst aktiv werden, wenn das Feuer bereits<br />
ausgebrochen ist.<br />
Die Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) hat in dieser Woche den Ausblick für 15 Euro-Länder,<br />
darunter die Bundesrepublik, gesenkt. Nieder mit den US-Agenturen, tönte es daraufhin von Berlin<br />
bis Wien. Österreichs Nationalbankchef Ewald Nowotny vermutete gar ein politisches Komplott.<br />
Doch dann kam einen Tag später die Entwarnung: Deutschlands Topnote ist gesichert, ließ Feri Euro<br />
Ratings durchblicken. Es gibt also auch europäische Ratingagenturen. Seltsam, dass der Markt nur<br />
auf die Amerikaner zu hören scheint. Was soll die Forderung nach einer neuen eigenen<br />
europäischen Agentur? Dann können sich Europäer und Amerikaner gegenseitig ein Wettrennen<br />
liefern, wer am schnellsten den Stab über Unternehmen und Volkswirtschaften bricht.<br />
Es gibt auch ein chinesisches Pendant. Dagong Global Credit Rating stufte Mittwoch die Bewertung<br />
für italienische Staatsschulden von "A-" auf "BBB" herunter. Grund seien die miesen<br />
Wachstumsprognosen, hieß es. Ein fachmännischer Rat ist doch immer hilfreich. Wie wäre es, die<br />
Bewertung von Volkswirtschaften einfach zu verbieten? Gute Idee, aber dann nehmen sich die<br />
Agenturen halt die Finanzinstitute der betroffenen Länder vor - was S&P übrigens am Mittwoch<br />
nachgeholt hat, indem es zahlreiche Euro-Banken auf die Creditwatch-Negative-Liste setzte.<br />
Wenn Länder wie Deutschland bewertet werden, dann geschieht das übrigens auf eigene Initiative.<br />
Entsprechend muss Wolfgang Schäuble für die Bewertung auch nichts bezahlen. Anders sieht das<br />
etwa bei Gemeinden aus. Wie der Nachrichtendienst Bloomberg jüngst meldete, hat Moody's die<br />
Gebühren für Ratings der klammen Stadt West Haven in den vergangenen sechs Jahren fast<br />
verdoppelt. Aber ohne Rating ist es so gut wie unmöglich, an den Kapitalmärkten Geld<br />
aufzutreiben.<br />
Die Attacken gegen die Agenturen lenken von den grundsätzlichen Problemen ab. An den<br />
wahnwitzigen Schulden in der Euro-Zone wie in den USA tragen weder S&P noch Moody's die<br />
Schuld. Die Europäer müssen anfangen, Brände zu verhindern und nicht erst aktiv werden, wenn<br />
<strong>CAPITAL</strong> <strong>Investor</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>49</strong>/<strong>2011</strong> www.capital.de 35
das Feuer bereits ausgebrochen ist. Deutschland hat das zur Jahrtausendwende mit einer harten,<br />
aber letztlich erfolgreichen Reform des Arbeitsmarkts vorgemacht - und dafür auch ein "AAA"<br />
erhalten.<br />
Jens Korte schreibt als Wall-Street-Korrespondent für Capital.de.<br />
<strong>CAPITAL</strong> <strong>Investor</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>49</strong>/<strong>2011</strong> www.capital.de 36
Volatilitätsfonds: Angst als Renditebringer<br />
Fonds<br />
Spezielle Fonds wollen an den aktuell hohen Marktschwankungen<br />
verdienen. Die Produkte sehen die Fluktuationen nicht als Bedrohung für<br />
ihr Portfolio, sondern als eigene Anlageklasse. Welche Risiken es für<br />
Anleger gibt.<br />
An den Kapitalmärkten gilt: Was nicht messbar ist, wird messbar gemacht. Sogar die Angst. Als<br />
deren Messlatte gelten Volatilitätsindizes, die die erwarteten Kursschwankungen an den Märkten<br />
abbilden, oder, wie Fachleute sagen: die implizite Volatilität.<br />
Am deutschen Angstbarometer VDAX etwa lässt sich ablesen, dass Anleger derzeit weniger<br />
ängstlich sind als zu Beginn der Finanzkrise Ende 2008, aber deutlich ängstlicher als in all den<br />
Monaten seit Anfang 2009. Der Index schnellte im August um 20 Zähler auf rund 40 Basispunkte<br />
nach oben und liegt nun bei circa 35 Punkten. Kurz nach der Lehman-Pleite 2008 lag er noch bei 65<br />
Zählern. <strong>Investor</strong>en scheinen ebenso wie Analysten davon überzeugt, dass die Schwankungen an<br />
den Märkten infolge der Euro-Staatsschuldenkrise und den ungewissen Konjunkturaussichten in<br />
den nächsten Monaten auf hohem Niveau bleiben werden.<br />
Was die meisten <strong>Investor</strong>en eher abschreckt, kommt Volatilitätsfonds entgegen. Die Produkte sehen<br />
Schwankungen an den internationalen Finanzmärkten nicht als Bedrohung für ihr Portfolio,<br />
sondern als eigene Anlageklasse, die sie in der Regel mittels Optionen investierbar machen. "Die<br />
Fonds handeln die Erwartungen auf eine sich verändernde Volatilität", sagt Christopher Wolter,<br />
Analyst der Ratingagentur Feri. Für die Produkte gilt: Je stärker die Schwankungen, desto besser. In<br />
welche Richtung sich die Schwankungen am Markt bewegen, ist dabei meist egal - Hauptsache, es<br />
passiert etwas.<br />
Das heißt allerdings nicht, dass aktuell alle Volatilitätsfonds gute Ergebnisse vorzeigen können. Die<br />
Performance der Fonds weist eine ebenso große Schwankungsbreite auf wie der Markt, von dem sie<br />
profitieren wollen. Von plus drei Prozent bis minus 15 Prozent ist im laufenden Jahr alles dabei. Auf<br />
Drei-Jahres-Sicht sieht es ähnlich aus: Wo mancher Fonds beinahe plus acht Prozent pro Jahr<br />
schaffte, können andere noch nicht einmal ein Prozent im Plus vorweisen. Vola-Fonds lassen sich<br />
eben nicht über einen Kamm scheren. Denn sie verfolgen unterschiedliche, zum Teil sehr<br />
komplizierte Strategien. Das macht sie zu einem riskanten Investment.<br />
Viele Vola-Fonds benötigen klare Trends, um gute Ergebnisse zu erzielen. Deren Richtung ist zwar<br />
oft egal. Sind aber keine Trends auszumachen, bekommen die Fonds Probleme. Auch plötzliche<br />
extreme Ereignisse sind für viele Volatilitätsprodukte eher von Nachteil. Sie handeln schließlich mit<br />
den Erwartungen der Marktteilnehmer, und die können sich durch Ereignisse wie das Fukushima-<br />
Unglück im Frühjahr oder den Kurssturz im August plötzlich drastisch ändern.<br />
Die schwierige Lage am Staatsanleihenmarkt dürfte den Fonds künftig zu schaffen machen. Viele<br />
von ihnen halten Anleihen als Basisinvestment und fügen als Renditebringer eine Optionsstrategie<br />
<strong>CAPITAL</strong> <strong>Investor</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>49</strong>/<strong>2011</strong> www.capital.de 37
hinzu. Der Anleihemarkt steht allerdings aufgrund der Euro-Krise unter Druck, die Risikoprämien<br />
steigen.<br />
Volatilität als Anlageklasse<br />
Selbst die alten Hasen unter den Vola-Fondsmanagern haben es zurzeit nicht ganz leicht. Beispiel<br />
Amundi: Das französische Investmenthaus hat sich früher und stärker als viele Konkurrenten auf<br />
Volatilität als Anlageklasse fokussiert und führt besonders viele Vola-Fonds. Diese schneiden auch<br />
zum Teil deutlich besser ab als die Produkte der Konkurrenz - hier kommt es allerdings ebenfalls auf<br />
die Strategie an.<br />
Der Amundi-Fonds, der auf die sogenannte Volatilitätsarbitrage setzt, liegt im laufenden Jahr im<br />
Minus, obwohl er als Absolute-Return-Produkt eigentlich stets positive Erträge bringen sollte. Wie<br />
die Strategie genau funktioniert, ist schwer verständlich. Der Fonds wolle sich<br />
Bewertungsunterschiede am Markt zunutze machen und von Volatilitätsarbitrage auf<br />
Aktienindizes, Einzeltitel, Zinspositionen und Wandelanleihen profitieren, sagt Amundi. "Die<br />
Strategie funktioniert gut, wenn es im Markt signifikante Verschiebungen gibt, die<br />
Arbitragemöglichkeiten hervorbringen", sagt Eric Hermitte, Leiter des Volatilitätsteams bei Amundi.<br />
Trotz aller Risiken und trotz ihrer Komplexität wird die Anlageklasse Volatilität offenbar beliebter.<br />
So hat ETF-Anbieter Lyxor im Frühjahr einen Indexfonds auf den Markt gebracht, der den<br />
Volatilitätsindex S&P 500 VIX abbildet. Dieser zeigt die erwarteten Kursschwankungen am US-<br />
Aktienmarkt. Nimmt dort die Volatilität zu, steigt auch der Kurs des ETF. Eine Mischung aus 90<br />
Prozent US-Standardwerten und zehn Prozent Volatilitätsinvestment habe von Oktober 2006 bis<br />
März <strong>2011</strong> eine um 18 Prozent höhere Rendite erzielt als das Aktieninvestment allein, warb Lyxor<br />
zum Start des passiv gemanagten Fonds.<br />
Als echte Renditebringer taugen Vola-Fonds kaum, wie der Blick auf die Performance jetzt zeigt.<br />
Stattdessen können sie aber ein Portfolio breiter aufstellen und, so widersinnig es klingen mag,<br />
dessen Volatilität reduzieren. "Es geht bei Volatilitätsfonds schließlich nicht darum, volatile Werte<br />
zu handeln", erläutert Feri-Analyst Wolter. "Der Vorteil der Produkte ist, dass sie geringe<br />
Korrelationen zu Aktien oder Renten aufweisen."<br />
Das ist das Hauptargument vieler Anbieter für ihre Vola-Fonds: Volatilität ist eine der letzten<br />
Anlageklassen mit wenig Korrelation zu anderen Werten. Die Fonds empfehlen sich so immerhin<br />
als Beimischung. Zumindest, wenn man sehr tief in die Materie einsteigt und versteht, wie sie<br />
eigentlich investieren.<br />
Filmfonds: Windiges Geschäft mit der Illusion<br />
Jahrelang steckten Anleger Millionenbeträge in boomende Medien- und<br />
Filmfonds. Nun müssen viele um die erhofften Steuervorteile bangen. In<br />
einem aktuellen Fall soll das Geld gar nicht in Filmproduktionen geflossen<br />
sein.<br />
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Es gab eine Zeit, da dominierten die Deutschen das Geschehen in Hollywood. Ende der 90er-Jahre<br />
investierten Tausende Privatanleger rund 14,2 Mrd. Euro in Filmfonds, zu Spitzenzeiten soll jeder<br />
fünfte Hollywood-Streifen mit deutschem Geld finanziert worden sein. Damit entstanden<br />
Meisterwerke wie "Herr der Ringe", aber auch Fehlbelichtungen wie ein Remake von "Rollerball".<br />
Inzwischen sind die Ereignisse um die Medienfonds einen eigenen Film wert, so vielseitig und<br />
abwechslungsreich ist deren Geschichte - und so voller Wendungen: Sie handelt von zerplatzten<br />
Träumen, von Flops an der Kinokasse und von einem Krieg zwischen dem Fiskus und den<br />
Fondsinitiatoren, in dem es um Steuernachforderungen in Millionenhöhe geht.<br />
Das jüngste Kapitel in dem Drama füllt der Initiator Hannover Leasing und dessen Konzernmutter,<br />
die Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba). Das Emissionshaus aus Pullach hatte seinerzeit 14<br />
Medienfonds für Privatanleger aufgelegt, für acht von ihnen strich die Betriebsprüfung vor wenigen<br />
Wochen rückwirkend alle Steuervorteile, die mit solchen Produkten verbunden waren. Weil den<br />
Produktionskosten anfangs kaum Einnahmen gegenüber standen, durften Fondszeichner die<br />
Verluste voll geltend machen - wenngleich es inzwischen eine gerichtliche Auseinandersetzung<br />
zwischen Fiskus und Initiatoren gibt, ob die Schlusszahlung des Lizenznehmers an den Fonds nicht<br />
über die gesamte Laufzeit zu verteilen ist.<br />
Anlegern drohen erhebliche Steuernachforderungen<br />
Im aktuellen Fall geht es aber um Grundsätzlicheres. Die Anerkennung als Steuersparmodell setzt<br />
zunächst einmal voraus, dass das meiste Kapital in die Filmproduktion fließt. Das war nach Ansicht<br />
der Steuerfahnder bei den Medienfonds von Hannover Leasing nicht der Fall. Der Großteil des Gelds<br />
soll über mehrere Stationen hinweg bei der Helaba gelandet sein, die die Schlusszahlung des<br />
Lizenznehmers garantierte. Der Barwert der Sicherheit - so der Vorwurf - stamme letztlich vom<br />
Fonds, und damit von den Anlegern.<br />
Die Steuerfahnder gehen von einer "verdeckten Festgeldanlage" aus, das Filmgeschäft sei nur zum<br />
Schein betrieben worden. Die Beamten strichen daher die Verlustzuweisungen von 1 Mrd. Euro. Den<br />
rund 7500 Anlegern drohen nun erhebliche Steuernachforderungen.<br />
"Die Anleger sind von Anfang an getäuscht worden"<br />
Der Initiator streitet die Vorwürfe ab. Als "abenteuerlich" bezeichnet Hannover Leasing in einem<br />
Anlegerbrief die Auffassung der Steuerfahnder. Das Emissionshaus verweist zudem auf ein<br />
eingestelltes Steuerstrafverfahren. Auch die Helaba sieht die Dinge anders: Der Vorwurf, das Geld<br />
der Anleger sei nicht in die Filmproduktion geflossen, sei falsch.<br />
Den Beleg für das Gegenteil glaubt nun Wolfgang Schirp, Anwalt der Kanzlei Schirp, Schmidt-<br />
Morsbach Neusel, gefunden zu haben. Ihm liegt für den Fonds Hannover Leasing 128, der den Film<br />
"Ich bin Sam" finanziert hat, ein "Funds Flow Memorandum" vor. Das Dokument listet Zahlungen<br />
des Fonds an den Produktionsdienstleister auf, der wiederum Geld an den Lizenznehmer<br />
weiterleitet. Von ihm fließt ein Betrag von 50,7 Mio. Euro an die Helaba in Dublin, bezeichnet als<br />
Gebühr für die Schuldübernahme.<br />
"Das Dokument belegt den geschlossenen Geldkreis. Die Anleger sind von Anfang an getäuscht<br />
worden", sagt Schirp. Und die Helaba trage eine Mitverantwortung. Sie war nämlich nicht nur<br />
Sicherheitsgeberin, sondern stellte auch die Fremdfinanzierung für die Fondsanteile der Anleger.<br />
<strong>CAPITAL</strong> <strong>Investor</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>49</strong>/<strong>2011</strong> www.capital.de 39
Ihnen gegenüber hatte sie somit eine besondere Aufklärungspflicht. "Diese hat die Helaba verletzt",<br />
sagt Schirp.<br />
Die Bank streitet gar nicht ab, einen Vorschuss für den Schuldbeitritt vom Produktionsdienstleister<br />
erhalten zu haben. Die Konstruktion sei aber von mehreren Gerichten als unbedenklich eingestuft<br />
worden. Von einer "unspektakulären Liste" spricht auch Hannover Leasing. Sie enthalte lediglich<br />
eine Zusammenstellung der zu leistenden Zahlungen. Daraus lasse sich aber nicht ableiten, dass<br />
Mittel aus dem Fonds an die Helaba gegangen seien. Zudem enthalte das Dokument keine<br />
Unterschriften.<br />
Das ist ein Unterschied zu Andreas Schmid, dem Gründer der VIP-Medienfonds. Bei ihm gab es<br />
unterschriebene Zahlungsanweisungen, die den Geldkreislauf belegten. Schmid wurde inzwischen<br />
wegen Steuerhinterziehung zu sechs Jahren Haft verurteilt.<br />
Mikrofinanzfonds: Mit gutem Gewissen gewinnen<br />
Mikrofinanzprodukte fristen hierzulande ein Schattendasein. Das soll sich<br />
mit der Auflage des ersten deutschen Fonds dieser Gattung ändern. Das<br />
Renditeziel ist ehrgeizig.<br />
Lange Jahre hat es gedauert, nun geht der Fondsinitiator Invest in Visions mit dem ersten deutschen<br />
Mikrofinanzfonds an den Start. Die bestehenden Mikrofinanzfonds - allesamt in Luxemburg<br />
aufgelegt - sind hierzulande nicht zum aktiven Vertrieb zugelassen. Erst eine Änderung im<br />
deutschen Investmentrecht erlaubt es, die in Deutschland zugelassenen Mikrofinanzfonds<br />
öffentlich zu vertreiben.<br />
"Die erste Resonanz ist gut", freut sich Edda Schröder, Geschäftsführerin von Invest in Visions. Sie<br />
will mit dem Invest in Visions Microfinance Fonds mindestens 50 Mio. Euro einsammeln und ist<br />
guter Dinge, dass sie das schafft: "Gerade vor dem Hintergrund der Finanzmarktkrise kann dieses<br />
alternative Investment dem Anleger eine stabile, stetige Rendite bei niedriger Volatilität bieten",<br />
sagt Schröder. Die Zielrendite liegt bei vier Prozent pro Jahr.<br />
Mikrofinanzkredite werden vor allem in den Entwicklungsländern vergeben. Mit nur geringen<br />
Summen können sich die Menschen dort eine eigene Zukunft aufbauen. Zielgruppe der<br />
Mikrokredite sind vor allem Frauen, denen die Türen traditioneller Banken verschlossen bleiben,<br />
eben weil sie arm sind und nichts haben als ihre Arbeitskraft. Das Geld dazu bekommen sie von<br />
Mikrofinanzinstituten, auch MFIs genannt. Sie vergeben Kleinstkredite an Menschen, die sich eine<br />
wirtschaftliche Existenz aufbauen wollen. Die durchschnittliche Kredithöhe liegt bei etwa 870<br />
Dollar.<br />
Mehr als 100 Millionen Menschen nutzen bereits die Dienstleistungen der mehr als 10.000 Institute<br />
weltweit, Mikrokreditpionier Muhammad Yunus wurde für seine Idee 2006 mit dem<br />
Friedensnobelpreis geehrt.<br />
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Mit den Erfolgen kam im vergangenen Jahr aber auch Kritik an der Mikrofinanzierung auf. Die stark<br />
wachsende Branche hatte Akteure mit unterschiedlichen Motiven angezogen. Berichte über<br />
aggressive Eintreibungspraktiken von Mikrofinanzinstitutionen und Überschuldung von Kunden<br />
sorgten für weitere negative Stimmung. Mittlerweile hat sich die Situation aber wieder beruhigt.<br />
"Die Modelle sind etabliert, sie funktionieren."<br />
Gottfried Baer, Gründer und Geschäftsführer der Finanzberatung Mehrwert hält<br />
Mikrofinanzprodukte für eine insgesamt sinnvolle Anlage. "Die Modelle sind etabliert, sie<br />
funktionieren", sagt Baer. Anleger würden zudem nicht nur eine doppelte Rendite erhalten. "Dank<br />
der geringen Schwankungsbreite wird auch die Volatilität im Depot insgesamt gesenkt", sagt der<br />
Finanzberater.<br />
"Die Nachfrage ist noch lange nicht bedient", sieht Schröder Mikrofinanz weiter als<br />
Wachstumsmarkt. Laut UN und Weltbank haben weltweit immer noch weit mehr als 500 Millionen<br />
Menschen keinen Zugang zu Kapital und damit keine Möglichkeit, sich selbst aus der Armut zu<br />
befreien. Beim Management des Fonds arbeitet Schröder mit Concap Connective Capital, einer<br />
Tochter der Frankfurt School of Finance & Management zusammen. Schröders Firma berät als<br />
Initiator das Portfoliomanagement und verantwortet den Vertrieb des Fonds. Laut Analyse von<br />
Concap ist das Ausfallrisiko der Mikrofinanzkredite wegen der hohen Rückzahlungsquoten<br />
zwischen 95 und 98 Prozent sehr gering.<br />
Der Schwerpunkt der Mikrofinanzinstitute wird mit etwa 50 Prozent in Asien und 40 Prozent in<br />
Lateinamerika liegen, der Rest in Afrika. "Der Afrikaanteil soll mittelfristig auf 15 Prozent steigen.<br />
Derzeit befindet sich der Mikrofinanzmarkt dort noch im Aufbau", sagt Schröder. In Osteuropa sei<br />
dagegen die Kommerzialisierung sehr weit fortgeschritten und viel öffentliches Geld<br />
hineingeflossen.<br />
"Die Fondsidee ist eine doppelte Kreditvergabe", sagt Gerd Bennewirtz, Geschäftsführer der SJB<br />
Fondsskyline. Das Fondsmanagement vergebe das Kapital aus der Geldanlage der <strong>Investor</strong>en an<br />
ausgesuchte Mikrofinanzinstitute weltweit. Die wiederum vergeben Mikrofinanzkredite an<br />
Kreditnehmer. "Für Anleger liegt der Reiz des Investmentthemas Mikrofinanzkredite und in der<br />
doppelten Diversifikation", sagt Bennewirtz. Aufgrund der niedrigen Korrelation zum Finanzmarkt<br />
und der breiten Streuung der Mikrofinanzkredite würden sich Produkte wie der Invest in Visions<br />
Mikrofinanzfonds besonders als Baustein zur Diversifizierung des Portfolios eignen.<br />
Der Nachteil an den Produkten ist die mangelnde Liquidität: Viele Mikrofinanzfonds kann man<br />
nicht wie klassische Investmentfonds täglich, sondern nur einmal im Monat oder sogar noch<br />
seltener wieder verkaufen. Auch aus diesem Grund nehmen einige Fondsplattformen die Produkte<br />
nicht in ihr Fondsuniversum auf.<br />
<strong>CAPITAL</strong> <strong>Investor</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>49</strong>/<strong>2011</strong> www.capital.de 41
Dennoch: "Wir beobachten bei unseren Veranstaltungen großes Interesse an dem Thema<br />
Mikrofinanz", sagt Heidi Geisler, eine der beiden Gründerinnen der Finanzinitiative Geld mit Sinn<br />
aus München. Allerdings sei zum Teil erhebliche Aufklärungsarbeit zu leisten, denn für viele<br />
<strong>Investor</strong>en ist das Thema offenbar Neuland. Geisler erwartet, dass der erste Mikrofinanzfonds nach<br />
deutschem Recht die Nachfrage anheizen wird - allerdings erst nach einer gewissen Zeit. "Viele<br />
Anleger werden wahrscheinlich abwarten, wie sich der Fonds entwickelt." Wenn der Fonds die<br />
anvisierten vier Prozent Rendite pro Jahr erziele, werde das für viele ein Grund sein sich zu<br />
beteiligen. "Für Anleger, die nachhaltig und sinnvoll investieren und die mit ihrem Geld Gutes tun<br />
wollen, ist Mikrofinanz eine gute Möglichkeit", sagt Geisler. "Allerdings würde ich ein Investment in<br />
Mikrofinanzprodukte immer nur als Beimischung im Portfolio sehen."<br />
Imageproblem: Anleger meiden geschlossene Fonds<br />
Die Anbieter von Beteiligungsmodellen haben erhebliche<br />
Platzierungsprobleme. Zahlreiche Insolvenzen belasten das Image der<br />
Branche.<br />
Initiatoren geschlossener Fonds haben erhebliche Probleme, Anleger für ihre Beteiligungsmodelle<br />
zu gewinnen. Das zeigt eine aktuelle Studie der Ratingagentur Scope. Danach konnten die<br />
Emissionshäuser in den ersten drei Quartalen dieses Jahres mit 2,53 Mrd. Euro nur 58 Prozent des<br />
benötigten Eigenkapitals von insgesamt 4,34 Mrd. Euro am Markt platzieren. "Das Angebot<br />
übertrifft in weitem Umfang die Absatzfähigkeit", sagt Scope-Chefanalyst Steffen Möller.<br />
Die Zahlen zeigen, dass die Branchenprodukte nicht von der durch die Euro-Krise ausgelöste Flucht<br />
in Sachwerte profitieren können. Aus Angst vor einer Geldentwertung haben Anleger vor allem<br />
massiv in Mietwohnungen investiert.<br />
Nach einer neuen Studie des Immobilienverbands Deutschland (IVD) Nord verteuerten sich etwa in<br />
Hamburg Eigentumswohnungen in einfachen Lagen in den vergangenen zwölf Monaten um mehr<br />
als 20 Prozent, in guten und mittleren Lagen um zehn Prozent. "Die Zeit der Schnäppchen ist<br />
definitiv vorbei", sagt Axel Kloth, Vorsitzender des IVD Nord.<br />
Initiatoren geschlossener Immobilienfonds konnten jedoch kaum Nutzen aus diesem Trend ziehen.<br />
Nach Scope-Berechnungen erzielten die Emissionshäuser in diesem Teilsegment zwar eine<br />
überdurchschnittliche Platzierungsquote von 63 Prozent. Unter dem Strich fehlen den Anbietern<br />
damit jedoch immer noch rund 904 Mio. Euro an erwartetem Kapital.<br />
Bei Schiffsfonds konnten gar nur 44 Prozent des angepeilten Volumens gewonnen werden. Bei<br />
Beteiligungen, die in Solar- und Windkraftanlagen investieren, beträgt die Platzierungsrate<br />
lediglich 40 Prozent.<br />
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Gründe für die Absatzprobleme<br />
Nur Anbieter von Leasing- und Flugzeugfonds konnten mit 344 Mio. Euro unter dem Strich mehr<br />
Kapital einwerben, als an neuem Fondsvolumen mit 285 Mio. Euro angeboten wurde. "In diesem<br />
Marktsegment konnten die Emissionshäuser bestehendes Überangebot aus dem Vorjahr<br />
reduzieren", sagt Möller.<br />
Experten führen die Absatzprobleme auch auf die negativen Nachrichten aus der Branche zurück.<br />
Geschlossene Fonds nehmen zur Finanzierung ihrer Investments zusätzlich Kredite auf. "Das<br />
beschert Fonds regelmäßig Probleme, wenn die Erträge nicht ausreichen, um die Darlehen zu<br />
bedienen", sagt Niels Nauhauser, Finanzexperte der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg.<br />
Zahlreiche Immobilienfonds und einst namhafte Emissionshäuser wie die Münchner Falk Capital<br />
mussten deshalb Insolvenz anmelden. In jüngster Zeit sind durch den Einbruch der Charterraten<br />
mehr als ein Drittel aller Schiffsfonds in schwere See geraten. Anleger leisteten bereits in vielen<br />
Fällen Nachschüsse. Für eine Reihe von Beteiligungsmodelle war die Insolvenz dennoch nicht zu<br />
vermeiden.<br />
Am Zweitmarkt der Fondsbörse Deutschland fiel deshalb der Anteilspreis von Schiffsfonds im<br />
November weiter. "Beteiligungen an Containerfrachtern verbilligten sich im Schnitt um 12,2 Prozent<br />
gegenüber dem Vormonat", sagt Alex Gadeberg, Vorstand der von den Börsen Hamburg, Hannover<br />
und München betriebenen Handelsplattform. Tankeranteile verloren 10,9 Prozent, Bulker 3,28<br />
Prozent.<br />
Rentenfonds: Wagemut gilt als Gebot der Stunde<br />
<strong>Investor</strong>en, die mit Rentenanlagen Geld verdienen wollen, müssen<br />
momentan höhere Risiken eingehen. Denn risikoarme Zinsen gleichen<br />
nicht einmal mehr die Inflation aus.<br />
Höhere Zinsen bei mehr Risiko, dafür bieten Festverzinsliche drei Stellschrauben: Entweder, man<br />
investiert in höher verzinste Papiere, die längere Laufzeiten aufweisen. Damit kauft man sich ein<br />
Zinsänderungsrisiko ein, da Langläufer bei steigenden Zinsen besonders stark leiden. Oder man<br />
kauft Anleihen schlechterer Schuldner, die ebenfalls höhere Zinsen bieten - um den Preis des<br />
höheren Ausfallrisikos. Der dritte Weg schließlich wäre: Man spekuliert in Ländern, in denen<br />
Gläubiger im Schnitt höhere Zinsen erhalten. Hier bedrohen dann Wechselkursverluste die höheren<br />
Fremdwährungsrenditen.<br />
Das aktuelle Morningstar-Rating der Fonds, die das Geld ihrer <strong>Investor</strong>en ausschließlich in<br />
Schwellenländeranleihen anlegen, liefert Anschauungsmaterial für alle drei Strategien:<br />
Währungsrisiken gehen aus Sicht von Euro-<strong>Investor</strong>en alle Manager ein.<br />
Denn entweder landet das Geld in Anleihen auf US-Dollar, der Weltleitwährung. Oder es steckt gar<br />
in Anleihen lokaler Währungen, was zusätzliche Schwankungen bewirkt. Bonitätsrisiken sind<br />
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ebenfalls Teil aller Schwellenländer-Rentenfonds, weil Anleihen mit Topratingnoten in Asien,<br />
Südamerika, Afrika und Osteuropa gar nicht verfügbar sind.<br />
Das Spiel mit unterschiedlich langen Laufzeiten schließlich beherrscht ohnehin jeder<br />
Rentenfondsmanager. Und in den vergangenen Jahren sorgte die Anlage in Langläufer sogar für<br />
hübsche Zusatzrenditen. Denn die Zinsen stiegen ja nicht, sondern sanken tendenziell weltweit.<br />
Die herausragenden Renditen der vergangenen drei Jahre - die besten zehn Fonds im Vergleichsfeld<br />
legten jährlich wischen 17 und 23 Prozent zu - sind ein Ergebnis aller Faktoren. Wie ein zusätzlicher<br />
Hebel wirkte die Tatsache, dass Ende 2008 die Anleihemärkte am Boden lagen. Für Anleger, die<br />
damals eingestiegen sind, ist das Ergebnis überaus erfreulich. Allerdings ist nur schwer zu<br />
entschlüsseln, woher die größten Gewinne wirklich stammen. Und selbst wenn dies gelänge:<br />
Welche der Strategien künftig die meisten Früchte tragen wird, ließe sich daraus auch nicht ablesen.<br />
Auch unter den Managern der Top-Fonds gehen die Meinungen in dieser Frage auseinander. So<br />
orientieren sich die Fonds mehrheitlich am Leitindex JPM EMBI Global Diversified, der als reiner<br />
Hartwährungsindex von US-Dollar-Anleihen dominiert wird. Die Fonds von Aberdeen, ACM<br />
Bernstein und Pictet sind fast reine Dollar-Investments. Andererseits hält der Fonds von Legg Mason<br />
17 Prozent in Nicht-Dollar-Anleihen.<br />
Hier liegen unter anderem Papiere auf brasilianische Real, mexikanische Peso, indonesische Rupie<br />
und auf den malaysischen Ringgit im Depot - vier Länder, die derzeit in fast allen Depots zu den<br />
Lieblingen zählen. Templeton geht noch offensiver vor und hat über die Hälfte des Kapitals in<br />
Schwellenländerwährungen investiert. Das Geld aus dem Dexia-Fonds wiederum steckt zu fast<br />
einem Drittel in Euro-Anleihen. Das vermindert aus Sicht hiesiger Anleger Wertschwankungen.<br />
Einheitlicher verfahren die Manager beim Bonitätsmanagement: So stecken in den Fonds 40 bis 50<br />
Prozent Schuldtitel des Ratings "BBB", einer Note, die noch als Investmentgrade durchgeht, also als<br />
nicht allzu spekulative Anlageform. Nur 15 bis 20 Prozent weisen die weitaus schwächere Rating-<br />
Note B auf.<br />
Die Frage, wie viel Geld an solche riskanten Schuldner fließt, interessiert inzwischen nicht mehr nur<br />
Schwellenländer-Manager. So hofft Griechenland nach der Umschuldung auf die Ratingnote "B" -<br />
derzeit steht der Pleitestaat im "CCC"-Bereich, kurz vor dem Totalausfall. Und Portugal und Irland<br />
sind nur noch für "BBB"-Ratings gut.<br />
Schwellenländer: Nebenwerte aus China<br />
Der Aufstieg Chinas beflügelt die Fantasie vieler <strong>Investor</strong>en, die vom<br />
Wachstum im Reich der Mitte profitieren wollen. Darauf spekuliert der<br />
Fondsanbieter Nestor mit dem Nestor China Fonds. Der investiert das Geld<br />
der Anleger in Aktien kleiner und mittelgroßer chinesischer Unternehmen.<br />
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„Wer vom hohen Wachstum Chinas profitieren will, sollte vor allem in ausgewählte Aktien jenseits<br />
der großen Indexwerte investieren“, sagt Portfoliomanagerin Anna Ho. Ihrer Erfahrung nach sei es<br />
bei Papieren kleiner Unternehmen besonders leicht, mit einem aktiven Management zu punkten.<br />
Diese Linie verfolgt Nestor bei seinen Investments grundsätzlich. Die Fonds des Anbieters<br />
orientieren sich nicht an der Zusammensetzung eines Index, sondern die Manager versuchen,<br />
besonders vielversprechende Titel zu identifizieren, bevor andere <strong>Investor</strong>en auf sie aufmerksam<br />
werden.<br />
Bei der Aktienauswahl geht Portfoliomanagerin Ho, die noch einen weiteren Nestor-<br />
Schwellenländerfonds verwaltet, folgendermaßen vor: Zunächst identifiziert sie langfristige Trends,<br />
die die chinesische Wirtschaft künftig stark beeinflussen werden. Dazu zählt für Ho zum Beispiel<br />
der Aufstieg vieler Chinesen in die Mittelschicht, was mit einem Anstieg der Nachfrage nach<br />
Konsumgütern und Bildung einhergeht. Weitere Trends sind die mit der Alterung der Gesellschaft<br />
verbundene steigende Nachfrage nach Gesundheitsleistungen sowie das zunehmende Engagement<br />
Chinas im Umweltschutz. In einem zweiten Schritt versucht Ho, Unternehmen zu finden, die von<br />
diesen Trends besonders profitieren könnten. Dazu trifft sie sich pro Jahr mit rund 100 Managern<br />
chinesischer Firmen.<br />
Das Portfolio soll sich aus 30 bis 40 Aktien zusammensetzen. Da die Liquidität vieler Nebenwerte<br />
gering ist, besteht die Gefahr von Kursabstürzen, sobald sich der Fonds aus einzelnen Positionen<br />
zurückzieht. Die Managerin hat deshalb Liquiditätsregeln für die Papiere aufgestellt, in die sie<br />
investiert. Ziel ist es, jederzeit in der Lage zu sein, zehn Prozent der Bestände innerhalb eines Tages<br />
und 25 Prozent innerhalb von fünf Tagen zu verkaufen. Zudem darf der Fonds nicht mehr als acht<br />
Prozent an einem Unternehmen halten.<br />
Trotz der strengen Vorgaben gehen Anleger mit dem neuen Fonds erhebliche Risiken ein. Das gibt<br />
auch Nestor zu: Während die Kurse von Nebenwerten in guten Börsenzeiten überdurchschnittliche<br />
Kursgewinne versprechen, neigen die Anteilscheine kleiner Unternehmen in Krisen dazu, stärker<br />
abzustürzen als Papiere großer Konzerne. Ohnehin bergen Schwellenländermärkte nach wie vor<br />
größere Risiken als die Aktienmärkte von Industriestaaten. Wie stark die Kurse chinesischer Aktien<br />
in den vergangenen Jahren geschwankt haben, zeigt ein Blick auf den Aktienindex MSCI China.<br />
Hinzu kommt, dass sich die Konjunktur in China gerade dramatisch einzutrüben droht. Wer das<br />
Risiko dennoch eingehen will, zahlt für die Verwaltung des neuen Nestor-Fonds pro Jahr eine<br />
üppige Gebühr.<br />
<strong>CAPITAL</strong> <strong>Investor</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>49</strong>/<strong>2011</strong> www.capital.de 45
Eurokrise: Das Gespenst der Kreditklemme<br />
Banken & Zinsen<br />
Die wichtigsten Zentralbanken der Welt haben den Banken den Zugang<br />
zum Dollar verbilligt. Sie sorgen sich wegen der stockenden<br />
Bargeldversorgung und befürchten deshalb eine Kreditklemme. Doch es<br />
gibt noch ein ganz anderes Problem.<br />
Die Angst vor der Kreditklemme geht um. Sie hat vor allem zwei Ursachen: Zum einen die<br />
europäische Staatschuldenkrise und zum anderen die neuen Eigenkapitalrichtlinie für Banken.<br />
Beide Geschichten drehen sich um ein Kernthema: Den Zugang der Banken zu frischem Geld.<br />
Kriegen die institute kein Kapital, können sie es auch nicht weitergeben<br />
Durch die europäische Schuldenkrise ist das Misstrauen der Banken untereinander gewachsen. Dies<br />
hat dazu geführt, dass sie sie sich selbst nur noch ungern Geld leihen. Die Risikoaufschläge für<br />
unbesicherte Interbankenkredite am Geldmarkt sind auf Rekordständen.<br />
Die wichtigsten internationalen Notenbanken haben deshalb am Donnerstag in einer<br />
konzentrierten Aktion den Banken den Zugang zum Dollar verbilligt. Damit wollen sie den<br />
Geldhäusern die Refinanzierung erleichtern. Dennoch wird eine Kreditklemme kaum zu verhindern<br />
sein.<br />
Denn sollte sich die Staatsschuldenkrise weiter verschärfen, dürften die<br />
Refinanzierungsbedingungen noch schlechter werden und auch das Misstrauen weiter zunehmen.<br />
Warum einer Bank Geld leihen, wenn ich nicht weiß, ob sie morgen noch existiert? Vor allem die<br />
Banken aus den Krisenländern haben dies zu spüren bekommen. So hängen etwa die griechischen<br />
Banken vollständig am Tropf der Europäischen Zentralbank (EZB). Lediglich die Finanzierung durch<br />
die Frankfurter Währungshüter hält sie am Leben.<br />
Als großes Problem hatte sich dabei zuletzt vor allem der Zugang zum Dollar entpuppt. Er ist immer<br />
noch die Weltleitwährung, viele Geschäfte werden in der US-Valuta abgewickelt. Zuletzt hatten sich<br />
viele US-Banken und Geldmarktfonds aus dem Geschäft mit europäischen Banken zurückgezogen<br />
und damit deren Zugang zur US-Währung erschwert. Durch die Vereinbarung der Notenbanken<br />
vom Mittwoch wird der Zugang für die Finanzinstitute über die Zentralbanken nun günstiger und<br />
einfacher, das Grundproblem wird aber nicht beseitigt.<br />
Das Problem des Eigenkapitals<br />
Analysten hatten das Vorgehen der Notenbanken begrüßt. Es sei gut, dass man die Probleme auf<br />
dem Geldmarkt jetzt angehe, sagte Max Holzer von Union Investment. "Das Signal kommt jetzt<br />
genau zur richtigen Zeit." Postbank-Chefvolkswirt Marco Bargel sagte , die Notenbanken wollten vor<br />
allem eine neue Liquiditätskrise abwenden, die nach der Lehmann-Pleite vor drei Jahren das globale<br />
Finanzsystem lähmte. "Die Notenbanken stehen Gewehr bei Fuß. Jegliche Anzeichen einer<br />
<strong>CAPITAL</strong> <strong>Investor</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>49</strong>/<strong>2011</strong> www.capital.de 46
Liquiditätskrise werden mit allen Mitteln bekämpft. Wenn Verspannungen auftreten, werden sie<br />
nachschießen." Japan signalisierte bereits, dass die Aktion nicht zwingend singulär bleiben muss.<br />
Als zweites Problem erweisen sich aber die neuen Kapitalvorschriften, wonach die Geldhäuser eine<br />
höhere Eigenkapitalquote aufweisen müssen. Um diese zu erreichen, schrumpfen die Banken<br />
teilweise ihr Geschäft oder vergeben restriktivere Kredite. Peter Bofinger, Mitglied des<br />
Sachverständigenrats zur Beurteilung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, beklagte gegenüber<br />
Börse Online genau diese Eigenkapitalproblematik. Von den Banken werde gefordert, dass sie Ihr<br />
Eigenkapital erhöhen. Sie bekämen aber im gegenwärtigen Umfeld kein neues Eigenkapital, also<br />
verkleinern sie ihre Bilanzen.<br />
"Die Europäische Bankenaufsicht verschärft das Problem jetzt noch, indem sie fordert,<br />
Staatsanleihen müssten künftig ebenfalls mit Eigenkapital unterlegt werden, was bisher nicht der<br />
Fall war", sagte der Ökonom dem FTD-Schwestermagazin. Dadurch werde die Gefahr einer<br />
Kreditklemme immer größer.<br />
Konjunkturelle Faktoren<br />
Noch ist in Deutschland keine Kreditklemme zu erkennen. So schrieb die deutsche Bundesbank<br />
noch in ihrem Monatsbericht für September, dass es keine Anhaltspunkte dafür gebe, dass "die<br />
schwache und zögerliche Erholung der Buchkredite im konjunkturellen Aufschwung als<br />
außergewöhnlich oder gar besorgniserregend zu bezeichnen" sei. Zwar sei das Kreditvolumen<br />
niedrig, aber liege im Rahmen des langfristigen Wachstums. Zudem sei es nicht auf eine<br />
Zurückhaltung der Banken zurückzuführen, sondern auf nachfrageseitige und konjunkturellen<br />
Faktoren. Die Bank kommt zu dem Schluss für das zweite Quartal, dass die "Staatsschuldenkrise<br />
bisher keine erkennbaren Spuren im Kreditvergabeverhalten der deutschen Banken hinterlassen"<br />
habe, eine Einschätzung, die sie im Novemberbericht noch einmal wiederholte.<br />
Banken exportieren die Schuldenkrise<br />
Deutsche Unternehmen machen sich aber bereits Sorgen. So sagte der Hauptgeschäftsführer des<br />
Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) Martin Wansleben der "Neuen Osnabrücker<br />
Zeitung", aktuell gebe es keine Kreditklemme. Aber er warnte vor Risiken. Zum einen werde es auch<br />
für die hiesigen Banken nicht leicht sein, frische Mittel zu bekommen und das Eigenkapital zu<br />
erhöhen. Zum anderen könnten sich die Probleme im europäischen Ausland auf die deutschen<br />
Exporte auswirken. Dies gelte besonders dann, wenn deutsche Banken beim Finanzierungsgeschäft<br />
in von Insolvenz bedrohten Ländern einspringen, sagte Wansleben.<br />
Auch die KfW äußert sich derzeit vorsichtig. "Von einer Kreditklemme sind wir meilenweit<br />
entfernt", sagte der Chefvolkswirt der staatlichen Förderbank KfW, Norbert Irsch, bei der<br />
Vorstellung des "KfW-Mittelstandspanel <strong>2011</strong>". "Aber die Bedingungen werden schwerer." Das<br />
könnte dann vor allem innovative Unternehmen und riskantere Projekt von größeren Firmen<br />
treffen. Zwar müssten sich die Mittelständler darauf einstellen, dass sie im kommenden Jahr<br />
schwerer an Bankkredite kämen als 2010 und <strong>2011</strong>. Doch eine Kreditklemme sei nur in dem nach<br />
Ansicht der KfW unwahrscheinlichen Fall denkbar, dass es etwa gleichzeitig zu einer ungeordneten<br />
Insolvenz Griechenlands käme und die Banken die Kreditvergabe im Zuge ihrer schärferen<br />
Regulierung (Basel III) einschränkten.<br />
Genau dafür sieht der Gouverneur der Bank of England, Mervyn King aber bereits erste Anzeichen.<br />
Im Finanzstabilitätsbericht der britischen Notenbank heißt es: "Die aktuellen<br />
Refinanzierungsprobleme der Banken könnten zu verschärften Kreditbedingungen für die<br />
Realwirtschaft führen."<br />
<strong>CAPITAL</strong> <strong>Investor</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>49</strong>/<strong>2011</strong> www.capital.de 47
Die Furcht wächst aber, dass die europäischen Banken ihre Probleme exportieren. Denn es gilt<br />
generell, dass zuerst das eventuell riskante Geschäft im Ausland abgebaut wird und nicht das im<br />
Heimatland. Die Commerzbank hat ihr Kreditneugeschäft ohne Bezug zu Deutschland und Polen<br />
eingestellt, die Hypovereinsbank will das Volumen der ausstehenden Kredite bis zum Jahr 2015 von<br />
derzeit 100 auf 80 Mrd. Euro reduzieren. In den vergangenen Jahren sind die großen europäischen<br />
Banken vor allem in Schwellenländern gewachsen. Spanische und französische Institute sind vor<br />
allem in Asien aktiv, von dort wird bereits über höhere Finanzierungskosten für Unternehmen<br />
berichtet.<br />
Die OECD und das Wiener Institut für Weltwirtschaft warnten in den letzten Tagen, dass vor allem<br />
Osteuropa unter einer zurückhaltenden Kreditvergabe leiden wird. Diese könnte die momentan sich<br />
noch selbst tragende Wirtschaftsentwicklung empfindlich bremsen. Hatte das Kreditwachstum bis<br />
Anfang 2009 noch 20 bis 60 Prozent pro Jahr betragen, stagniert es derzeit, in den baltischen<br />
Staaten gehe das absolute Kreditvolumen sogar zurück. Der osteuropäische Finanzmarkt wird von<br />
den großen westeuropäischen Banken beherrscht.<br />
Staatsanleihen: Aus Europa flüchten - aber richtig<br />
Anleihen aus Schwellenländern sind derzeit eine interessante Alternative<br />
zu Euro-Papieren. Das gilt aber nicht für alle. Capital.de trennt die Spreu<br />
vom Weizen.<br />
Die Euro-Zone hat zurzeit etwas von einer ansteckenden Krankheit: Der nächste Hustenanfall<br />
könnte eine Herabstufung eines Landes sein, wie sie jüngst Belgien getroffen hat. Die Ratingagentur<br />
Standard & Poor's (S&P) hat das Land von "AA+" auf die Note "AA" heruntergesetzt. Belgien muss<br />
nun höhere Zinsen für seine kurzfristigen Staatsanleihen zahlen.<br />
Noch finden angeschlagene Länder zwar genügend Käufer für ihre Schuldtitel. Fondsgesellschaften<br />
nehmen aber vorsorglich Staatsanleihen aus Schwellenländern in den Fokus, sollte die Besorgnis<br />
der europäischen Anleger die Freude über die Rekordzinsen verdrängen. "Schwellenländeranleihen<br />
werden von der Krise der Euro-Randstaaten und deren Anleihenmärkten profitieren", ist beim<br />
Investmenthaus First State zu hören, das kürzlich einen neuen Schwellenländer-Rentenfonds<br />
aufgelegt hat.<br />
Die aufstrebenden Märkte haben gegenüber der Euro-Zone jetzt einen entscheidenden Vorteil: Sie<br />
plagt keine Schulden- und Währungskrise. Fundamental stehen die meisten Schwellenländer gut<br />
da: Die Verschuldung ist niedrig, die Wachstumsaussichten sind gut. "Viele Schwellenländer sind<br />
fiskalpolitisch besser aufgestellt als beispielsweise Portugal", sagt Torsten Hähn, Rentenanalyst der<br />
WGZ Bank. "Es ist eine sinnvolle Entscheidung, auf Anleihen aus Schwellenländern auszuweichen."<br />
Anleger sollten trotzdem vorsichtig sein und genau darauf achten, wo ein Fonds investiert. In<br />
manchen Ländern der Euro-Zone mag ein Investment in Staatsanleihen derzeit zwar riskanter sein<br />
<strong>CAPITAL</strong> <strong>Investor</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>49</strong>/<strong>2011</strong> www.capital.de 48
als ein Engagement in Schwellenländern - das bedeutet aber nicht, dass Letztere im Umkehrschluss<br />
nur Chancen bieten. "In den meisten Schwellenländern gibt es zwar keine Schuldenkrise wie in<br />
Europa, dafür aber möglicherweise andere Probleme", sagt Hähn. Dazu zählten beispielsweise<br />
politische Unruhen oder drohende Naturkatastrophen. "Anleger sind jetzt nicht etwa von der Pflicht<br />
entbunden, eine Bonitätsprüfung vorzunehmen", sagt Hähn.<br />
Aufstrebende Volkswirtschaften gelten immer noch als riskantes Investment. Rentenfonds mussten<br />
hier im September herbe Rückschläge hinnehmen. Nach den Kursstürzen am Aktienmarkt im<br />
August zogen Anleger Kapital ab, die Anleihekurse gerieten unter Druck. "Die Bewegungen haben<br />
sich aber im Oktober und November beruhigt. Wir sehen zurzeit kaum Abflüsse, sondern moderate<br />
Zuflüsse", sagt Michael Mewes, Leiter des Anleiheteams bei JP Morgan Asset Management.<br />
<strong>Investor</strong>en interessierten sich zurzeit vor allem für Schwellenländeranleihen, die in Hartwährungen<br />
notieren. Zu Recht, meint Mewes: Papiere in lokalen Währungen bieten zwar teilweise höhere<br />
Liquidität, unterliegen aber deutlich höheren Risiken als Anleihen in Euro oder Dollar.<br />
Risiken der Schwellenländeranleihen sinken sukzessive<br />
Auch bei JP Morgan rät man zur Vorsicht. "Im Großen und Ganzen stehen die Schwellenländer jetzt<br />
fundamental besser da als viele europäische Staaten", sagt Mewes. "Man muss aber differenzieren.<br />
Ein Investment in Emerging Markets ist kein Free Lunch." Osteuropa beispielsweise betrachtet der<br />
Anleihespezialist mit Skepsis.<br />
Insbesondere Ungarn und Weißrussland litten zurzeit unter wirtschaftlichen Problemen. "Wir<br />
fühlen uns am wohlsten mit Ländern, die weit von der Euro-Zone entfernt liegen", sagt Mewes.<br />
Dazu zählt er vor allem lateinamerikanische Staaten. "Sie sind unter Ertrags- und Risikoaspekten am<br />
fairsten bewertet." Auch in Asien gibt es interessante Möglichkeiten für Rentenfondsmanager.<br />
"Aber die Märkte sind nicht mehr preiswert."<br />
Immerhin: Die Risiken der Schwellenländeranleihen sinken sukzessive. "Schon jetzt weisen rund 70<br />
Prozent der Titel in unserer Benchmark, dem Emerging-Market-Bond-Index von JP Morgan, den<br />
Investmentgrade-Status auf", sagt Luis-Filipe Martins, Manager eines Emerging-Markets-<br />
Rentenfonds beim Investmenthaus Fidelity. "Das zeigt, wie gut sich die Schwellenländer bisher<br />
entwickelt haben." Martins geht davon aus, dass in zwei Jahren rund 80 Prozent der Papiere im<br />
Vergleichsindex ein Investmentgrade-Rating haben werden, also mindestens die Note "BBB" von<br />
S&P beziehungsweise "Baa" von Moody's.<br />
Da zugleich die Bonitäten in den entwickelten Staaten sinken, wie zuletzt in Ländern der Euro-Zone<br />
infolge der Schuldenkrise, schließt sich die Risikoschere zwischen Industrie- und Schwellenländern<br />
immer schneller. Das belegt auch eine Studie von Goldman Sachs Asset Management. Danach sind<br />
die Zinsaufschläge auf Staatsanleihen vieler lateinamerikanischer und asiatischer Länder<br />
erkennbar zurückgegangen. Aus guten Gründen: Die Staaten sind im Schnitt solventer geworden,<br />
und vor Ort haben sich liquide Rentenmärkte etabliert - und mit ihnen eine entsprechende<br />
Kreditkultur.<br />
<strong>CAPITAL</strong> <strong>Investor</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>49</strong>/<strong>2011</strong> www.capital.de <strong>49</strong>
Auch Fidelity-Manager Martins bevorzugt jetzt lateinamerikanische Papiere, etwa Staatsanleihen<br />
aus Venezuela. Von Lokalwährungsanleihen hält auch er sich eher fern, weil Devisen von der<br />
Unruhe an den Märkten besonders stark betroffen seien. Martins setzt hauptsächlich auf Anleihen,<br />
die in Dollar notieren. Selbst Schwellenländerfonds können es sich nicht leisten, die Euro-Krise zu<br />
ignorieren: "Die Entwicklung in Europa ist der Katalysator für weitere Kauf- und<br />
Verkaufsentscheidungen", sagt Martins.<br />
Pfändungsschutz: Zoff um geplante P-Konten<br />
Wenn Bankkunden eine Pfändung droht, gibt es einen besonderen Schutz.<br />
Doch das künftig dafür gedachte P-Konto sorgt für Unruhe: Politik und<br />
Verbraucherschützer prangern zu hohe Abgaben an die Geldhäuser an. Eine<br />
Bestandsaufnahme.<br />
Es soll eine Extra-Absicherung sein, wenn Kunden in große finanzielle Schwierigkeiten geraten.<br />
Doch ausgerechnet von ihnen kassieren manche Banken und Sparkassen auch noch happige Extra-<br />
Gebühren, wie Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) kritisierte. Das neue<br />
Pfändungsschutzkonto (P-Konto) ist kurz vor dem wichtigen Stichtag 1. Januar 2012 wieder in die<br />
Diskussion geraten.<br />
Was ändert sich zum Jahreswechsel?<br />
Schon seit Juli 2010 können Bankkunden ihr Konto in ein P-Konto umwandeln lassen. Dort ist das<br />
Existenzminimum von monatlich 1028,89 Euro automatisch vor Pfändungen sicher. Noch gibt es<br />
daneben auch bei normalen Konten einen besonderen Schutz für Sozialleistungen: Rente,<br />
Kindergeld oder Hartz-IV-Zahlungen können Kunden bisher innerhalb von 14 Tagen nach dem<br />
Eingang abheben, auch wenn schon eine Pfändung läuft. Doch diese Sonderregelung endet am 31.<br />
Dezember <strong>2011</strong>.<br />
Weshalb gibt es Ärger?<br />
Für das P-Konto haben viele Institute spezielle Konditionen bei Preis und Leistungen festgesetzt -<br />
zum Ärger von Verbraucherschützern und quer durch die politischen Lager. "Das P-Konto in seiner<br />
jetzigen Form ist sozial ungerecht", beklagt die Linke. Und Ministerin Aigner moniert: "Es ist nicht<br />
akzeptabel, dass gerade von finanzschwachen Verbrauchern unverhältnismäßig hohe<br />
Kontoführungsgebühren verlangt werden." Tatsächlich mahnte der Verbraucherzentrale<br />
Bundesverband (vzbv) schon im Frühjahr eine Reihe von Banken und Sparkassen ab. Der Vorwurf:<br />
enorm hohe Gebühren von bis zu 15 Euro im Monat.<br />
<strong>CAPITAL</strong> <strong>Investor</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>49</strong>/<strong>2011</strong> www.capital.de 50
Was wird noch kritisiert?<br />
"Viele Banken sehen die Kreditwürdigkeit infrage gestellt, sobald ein Kunde ein P-Konto einrichtet",<br />
kritisieren Verbraucherschützer. Konkret kann das bedeuten, dass keine Kreditkarte ausgegeben<br />
wird oder Daueraufträge, Dispokredite und Funktionen beim Online-Banking nicht wie gewohnt<br />
möglich sind.<br />
Was sagt die Bankenbranche?<br />
"Die Kontoführungsentgelte von P-Konten bilden sich im Markt", heißt es bei der Deutschen<br />
Kreditwirtschaft als Dachorganisation von Privatbanken, Sparkassen und Genossenschaftsbanken.<br />
Und da herrsche ein sehr intensiver Wettbewerb, was positiv für die Kunden sei. Die Umstellung auf<br />
die P-Konten sei zudem kostenlos. Schon seit Monaten weist die Branche darauf hin, dass sich<br />
betroffene Kunden rechtzeitig vor Jahresende um ihren Pfändungsschutz kümmern sollten. Bis in<br />
den Sommer hatten 450 000 Kunden P-Konten eingerichtet. Mittlerweile dürften es nach<br />
Experteneinschätzung mindestens 800 000 sein.<br />
Insolvenzplan abgesegnet: Lehman-Opfer können endlich auf<br />
Geld hoffen<br />
Die Gläubiger der vor mehr als drei Jahren zusammengebrochenen<br />
Investmentbank Lehman Brothers dürfen mit einer Entschädigung<br />
rechnen. Nachdem ein US-Gericht dem überarbeiteten Insolvenzplan<br />
zugestimmt hat, wird mit ersten Auszahlungen Anfang kommenden Jahres<br />
gerechnet.<br />
Insgesamt soll verbliebenes Vermögen von rund 65 Mrd. Dollar ausgeschüttet werden. So sieht es<br />
der überarbeitete Insolvenzplan vor. Allerdings wird das Geld nicht auf einen Schlag fließen. Die<br />
Bank hat nur einen Teil des Vermögens noch in bar in der Kasse. Der überwiegende Teil sind<br />
Immobilien, die erst noch verkauft werden müssen. Damit könnte es sich noch Jahre hinziehen, bis<br />
bei Lehman endgültig die Lichter ausgehen.<br />
Lehman Brothers war im September 2008 wegen missglückter Spekulationen auf dem US-<br />
Häusermarkt und daraus folgender Liquiditätsschwierigkeiten zusammengebrochen. Die Pleite<br />
hatte die Finanzkrise angefacht. Seit dieser Zeit läuft die Abwicklung der einst viertgrößten<br />
Investmentbank der Welt. Das Prozedere zog sich so lange hin, weil Lehman eng in die Finanzwelt<br />
verflochten war und Tochterfirmen in mehr als 40 Ländern hatte.<br />
Auch in Deutschland kümmert sich ein Insolvenzverwalter um die Ansprüche der Gläubiger. Die<br />
Insolvenz gilt als die komplizierteste in der US-Geschichte. Es dauerte alleine Monate, bis die<br />
meisten Gläubiger sich hinter den jetzt vom Gericht abgenickten Insolvenzplan stellten. Denn die<br />
Geschädigten der Pleite mussten deutliche Abstriche machen. Für jeden verlorenen Dollar dürften<br />
<strong>CAPITAL</strong> <strong>Investor</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>49</strong>/<strong>2011</strong> www.capital.de 51
sie am Ende im Schnitt um die 20 Cent zurückbekommen - je nachdem, wie die Geschäftsbeziehung<br />
zu Lehman war.<br />
Der Insolvenzverwalter hatte sich auch mit der Bundesbank und dem Bundesverband deutscher<br />
Banken (BdB) einigen müssen. Nach dem aktualisierten Insolvenzplan hat der Bundesverband<br />
deutscher Banken nun noch Forderungen über 5,3 Mrd. Dollar sowie die Bundesbank über 3,5 Mrd.<br />
Dollar. Aber auch sie bekommen nur einen Teil ihres reklamierten Schadens ersetzt.<br />
Zinsticker: Die besten Konditionen für Tages- und Festgeld<br />
Capital.de zeigt die lukrativsten Angebote für Tages- und Festgeld auf einen Blick.<br />
Tagesgeld<br />
Anbieter Kontakt für 1.000 für 50.000<br />
NIBC Direkt 2<br />
DenizBank 2<br />
Euro Euro<br />
nibcdirekt.de 2,75 2,75<br />
denizbank.de 2,75 2,75<br />
MoneYou moneyou.de 2,75 2,75<br />
DAB bank 1<br />
dabbank.com 2,75 0,50<br />
Bank of Scotland bankofscotland.de 2,70 2,70<br />
VTB Direktbank 2 vtbdirekt.de 2,70 2,70<br />
HKB Bank 2<br />
hkb.de 2,65 2,65<br />
CortalConsors 1<br />
cortalconsors.de 2,60 2,60<br />
Festgeld<br />
Anbieter Kontakt Anlagezeitraum<br />
GarantiBank 2<br />
NIBC Direkt 2<br />
DenizBank 2<br />
6 Monate 12 Monate<br />
garantibank.de 2,30 3,50<br />
nibcdirekt.de 2,80 3,15<br />
akbanknv.de 2,80 3,15<br />
Isbank (069) 29901199 2,50 3,10<br />
IKB direkt ikbdirekt.de 2,50 3,10<br />
SKG Bank skgbank.de 2,50 3,00<br />
VTB Direktbank 2<br />
vtbdirekt.de 2,40 3,00<br />
Bank of Scotland bankofscotland.de - 3,00<br />
in Prozent pro Jahr. Auswahl bester Anbieter: Maximal ein Angebot mit limitierter<br />
Einlagengarantie; maximal zwei nur für Neukunden 1) Für Neukunden. 2) Einlagengarantie<br />
begrenzt. 3) Rendite.<br />
<strong>CAPITAL</strong> <strong>Investor</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>49</strong>/<strong>2011</strong> www.capital.de 52
Quelle: FMH-Finanzberatung Stand: 08.12.11<br />
<strong>CAPITAL</strong> <strong>Investor</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>49</strong>/<strong>2011</strong> www.capital.de 53
Optionsscheine: Keine Lust auf Hängepartie<br />
Zertifikate & Rohstoffe<br />
Der DAX schwankt seit Wochen kräftig und findet keine klare Richtung.<br />
Das macht Discount-Optionsscheine für Anleger interessant. Welche<br />
Produkte sich anbieten.<br />
In den vergangenen zwei Monaten bewegte sich der DAX unter teils heftigen Tagesschwankungen<br />
per saldo kaum von der Stelle. Die Hängepartie zwischen der Angst vor einer schweren<br />
Wirtschaftskrise, ausgelöst durch einen Kollaps der Euro-Zone, und der Hoffnung auf eine Hausse,<br />
getrieben durch Liquiditätszufuhr der Notenbanken, kann sich noch einige Monate fortsetzen.<br />
Eine interessante Strategie, die bei einem solchen Szenario hohe Erträge verspricht, ist eine<br />
Kombination aus Discount-Call- und Discount-Put-Scheinen. Die Papiere funktionieren im Grunde<br />
genommen wie herkömmliche Optionsscheine. Einziger Unterschied: Die Rückzahlung ist von<br />
vornherein auf einen Maximalbetrag begrenzt. Das hat zur Folge, dass Discount-Optionsscheine<br />
günstiger sind als die Pendants ohne Cap.<br />
Ein Beispiel: BNP Paribas offeriert einen Discount-Call auf den DAX mit Basispreis 5000 Punkten<br />
und einer Obergrenze bei 5500 Punkten. Für jeden Punkt, den der DAX bei Fälligkeit am 20. Januar<br />
2012 über der Marke von 5000 Punkten steht, erhält der Inhaber des Discount-Calls 1 Cent. Bei einem<br />
Cap von 5500 Punkten, werden also maximal 5 Euro gezahlt. Discount-Puts funktionieren genau<br />
umgekehrt. Hier gibt es für jeden Punkt, den der DAX bei Fälligkeit unter dem Basispreis steht, 1<br />
Cent.<br />
Für Seitwärtsspekulanten ist eine Kombination aus beiden Produkten interessant: Dafür bietet BNP<br />
Paribas einen Discount-Put mit einem Basispreis von 7000 Punkten und einer Begrenzung bei 6500<br />
Zählern an. Den Rückzahlungswert von 5 Euro erreicht der Schein, wenn der DAX bei Fälligkeit<br />
unter 6500 Punkten schließt.<br />
Für sich allein betrachtet, droht bei beiden Discount-Scheinen ein Totalverlust. Liegt der Basiswert<br />
am Fälligkeitstag unter (Call) beziehungsweise über (Put) dem Basispreis, verfallen die Scheine<br />
wertlos. Kombiniert man jedoch beide Discounter, wird immer ein Schein zu 5 Euro zurückgezahlt -<br />
im besten Fall sogar beide.<br />
Aktuell kosten die Discounter 4,40 beziehungsweise 4,34 Euro. Liegt der DAX bei Fälligkeit am 20.<br />
Januar 2012 zwischen 5500 und 6500 Punkten, erzielen Anleger mit beiden Scheinen den<br />
maximalen Gewinn von insgesamt 10 Euro. Gezahlt haben sie für beide Scheine 8,74 Euro. Da der<br />
DAX in jedem Szenario über 5500 oder unter 6500 notiert, erhalten Anleger immer mindestens 5<br />
Euro. Das Risiko bleibt - ungeachtet des Emittentenrisikos - auf 3,74 Euro pro Pärchen beschränkt.<br />
Die Gewinnchance beträgt 1,26 Euro oder, bezogen auf das Risiko, 34 Prozent. Die Breakeven-Punkte<br />
liegen bei 5374 und 6626 Punkten. Erst wenn der DAX am 20. Januar <strong>2011</strong> außerhalb dieser Spanne<br />
schließt, erleiden Anleger Verluste.<br />
<strong>CAPITAL</strong> <strong>Investor</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>49</strong>/<strong>2011</strong> www.capital.de 54
Sowohl das Chance-Risiko-Verhältnis als auch die Zone, in der die Spekulation Gewinne abwirft,<br />
lassen sich variieren. Wird der Discount-Call beispielsweise durch einen Schein mit gleicher<br />
Laufzeit, aber einem Basispreis bei 5500 und einem Cap von 6000 Punkten ersetzt, sieht die<br />
Rechnung wie folgt aus: Der Einsatz beträgt nur noch 7,87 Euro je Strategie. Das Risiko reduziert sich<br />
auf 2,87 Euro. Bezogen darauf beträgt der Maximalgewinn 74 Prozent. Dieser wird erreicht, wenn der<br />
DAX am 20. Januar zwischen 6000 und 6500 Punkten schließt. Die engere Spanne bringt demnach<br />
ein höheres Gewinnpotenzial - gleichzeitig sinkt aber die Wahrscheinlichkeit, dass der DAX bei<br />
Fälligkeit innerhalb der Spanne notiert, da diese enger geworden ist.<br />
Pessimisten tauschen nicht den Call, sondern den Put aus. Eine Kombination aus Discount-Call<br />
(5000/5500 Punkte) und Discount-Put (6500/6000 Zählern) kostet zusammen 7,38 Euro, die<br />
Maximalrendite beträgt 110 Prozent. Sie wird erreicht, wenn der DAX bei Fälligkeit zwischen 5500<br />
und 6000 Punkten notiert.<br />
Mit zwei Discount-Optionsscheinen der Commerzbank lässt sich die Spanne noch erweitern. Die<br />
Basispreise liegen bei 5000 und 7000 Punkten, die Begrenzungen bei 5300 und 6700 Zählern.<br />
Anleger erzielen maximal 3 Euro je Schein oder 6 Euro je Pärchen. Aktuell kostet das Paar 4,94 Euro.<br />
Liegt der DAX am 14. März 2012 zwischen 5300 und 6700 Punkten, beträgt der Gewinn bezogen auf<br />
das Risiko von 1,94 Euro 55 Prozent.<br />
Skandinavien-Papiere: Das Hoch im Norden<br />
Skandinavische Länder gewinnen für Anleger zunehmend an Attraktivität.<br />
Vor der schwelenden Eurokrise konnten sich die Nordländer bislang<br />
weitgehend abschotten. Welche Indexpapiere sich lohnen.<br />
<strong>CAPITAL</strong> <strong>Investor</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>49</strong>/<strong>2011</strong> www.capital.de 55
Ein Besuch im hohen Norden - warum nicht? Rentiere und Glögg-Punsch verbreiten traditionell<br />
weihnachtliche Stimmung. Und auch das Depot könnte Julfest feiern, denn inmitten der<br />
europäischen Schuldenkrise präsentieren sich die skandinavischen Länder äußerst stabil. Zwar<br />
haben die nordischen Aktienmärkte auch gelitten, aber die Verluste fielen moderat aus. Für<br />
Zertifikateanleger bieten sich Open-End-Papiere auf Skandinavien oder auf Norwegen und<br />
Schweden als Einzelländer an.<br />
Weitgehend unbemerkt haben sich Finnland, Schweden und Norwegen vom europäischen<br />
Schuldendrama abgekoppelt, glänzen mit Topratings und stabilen Ausblicken. Finnland, als<br />
einziges skandinavisches Land Mitglied der Euro-Zone, verbucht eine Staatsverschuldung von 48,4<br />
Prozent des Bruttoinlandsprodukts, bei den nordischen Nachbarn liegt die Staatsschuldenquote<br />
zwischen 39,8 und 44,7 Prozent. Zum Vergleich: In der Euro-Zone beträgt der Durchschnittswert 85,1<br />
Prozent. Beim Bruttoinlandsprodukt erwartet Norwegen für <strong>2011</strong> ein Plus von 2,6 Prozent, Schweden<br />
von 4,2 Prozent und Finnland von 3,9 Prozent. Als größter Wachstumstreiber gilt die<br />
Innovationskraft. Der Anteil der Forschungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt lag 2010 in<br />
Finnland mit 3,87 Prozent und in Schweden mit 3,42 Prozent über dem Wert Deutschlands (2,82<br />
Prozent), das gemeinhin als innovativer Spitzenreiter gilt.<br />
Auch wenn sich die exportabhängigen Skandinavier davor fürchten, dass die Euro-Zone und damit<br />
der Hauptabsatzmarkt in eine Rezession abrutscht, bleiben <strong>Investor</strong>en optimistisch. "Wenn es um<br />
Derivate auf Skandinavien geht, kaufen Anleger meist immer noch die Nokia-Aktie als Basiswert",<br />
sagt Anouch Wilhelms, Zertifikateexperte der Commerzbank. Im Stoxx Nordic 30 hat sich das<br />
Gewicht des Klassikers über die Jahre allerdings sukzessive verringert und liegt aktuell bei 4,8<br />
Prozent. Der Blue-Chip-Index enthält die größten und liquidesten Titel aus Dänemark, Finnland,<br />
Island, Norwegen und Schweden. Größter Wert im Index ist mit elf Prozent Anteil der dänische<br />
Pharmahersteller Novo Nordisk, insgesamt überwiegen allerdings schwedische Titel mit einem<br />
Gesamtanteil von rund 50 Prozent. Ericsson und H&M kommen auf 7,4 beziehungsweise 7,3 Prozent.<br />
Jeweils im September wird die Zusammensetzung des Index überprüft. Die Gewichtung erfolgt nach<br />
dem frei handelbaren Streubesitz und wird quartalsweise angepasst. Die Kappungsgrenzen liegen<br />
bei zehn Prozent. Für Skandinavien-Fans bietet die HypoVereinsbank ein nicht<br />
währungsgesichertes Open-End-Indexzertifikat auf den Nordic 30 an (ISIN DE 000 HV5AAP 2) sowie<br />
Papiere auf den Länderindex von Norwegen, den OBX (DE 000 CB07MF 8), und auf den Index von<br />
Schweden, den OMX S30 (DE 000 CB5DWZ 8).<br />
<strong>CAPITAL</strong> <strong>Investor</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>49</strong>/<strong>2011</strong> www.capital.de 56
Riester-Policen: Versicherer keilen zurück<br />
Vorsorge & Versicherungen<br />
Das Urteil von Verbraucherschützern ist vernichtend: Riester-Renten haben<br />
eine schlechte Rendite und zu hohe Kosten. Zudem müssen die Kunden<br />
uralt werden, damit sich die Anlage lohnt. Mit einem schrägen Wirrwarr<br />
von Modellrechnungen versuchen die Anbieter, Kritik an den Verträgen<br />
abzuwehren.<br />
Hartgesotten ist, wem bei solchen Bekenntnissen nicht das Herz aufgeht: "Ich habe eine Riester-<br />
Rente, und ich bin sehr glücklich damit", sagt Peter Schwark, Mitglied der Hauptgeschäftsführung<br />
des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Der Preis für dieses Glück ist<br />
ihm keineswegs zu hoch. Dass die Kosten für seinen Vertrag streckenweise über dem liegen, was er<br />
an Zuschuss für die Altersvorsorge vom Staat bekommt, stört ihn "überhaupt nicht". Dafür stört ihn,<br />
dass Kritiker immer wieder darauf herumreiten, dass Kosten für die Riester-Rente die Zulagen<br />
auffressen. "Dieser Vergleich ist eine Form von Irreführung", findet er.<br />
Raum 4 im Haus der Bundespressekonferenz ist viel zu klein, es sind zu wenig Stühle für zu viele<br />
Gäste des GDV da. Schwark sitzt auf dem Podium, rechts neben ihm an die Wand projeziert steht die<br />
Losung des Tages: "...und sie lohnt sich doch. Die Riester-Rente. Warum sie sich für fast jeden<br />
rechnet. " Wer denn zu den wenigen gehört, für den sie sich nicht rechent, wird Schwark gefragt.<br />
Dazu fällt dem Mann, der sein Geld auch prima als Dieter-Thomas-Heck-Double verdienen könnte,<br />
nicht viel ein. Nur dass für manche ein Rürup-Vertrag besser ist.<br />
Aber schließlich ist er auch nicht hier, um den Blick auf die verschwindende Minderheit derer zu<br />
lenken, die nichts von der Riester-Rente hat. Er und Johannes Lörper vom Mathematikausschuss des<br />
GDV wollen die Öffentlichkeit von der Rentabilität der Riester-Rente überzeugen. Ausgerechnet<br />
Lörper, Vorstand des Ergo-Lebensversicherers, der mit falsch ausgewiesenen Kosten bei der Riester-<br />
Rente in die Schlagzeilen geraten ist.<br />
Immer wieder stellen Studien in Frage, dass die Riester-Rente für Anleger eine gute Sache ist. Zuletzt<br />
hatte eine Untersuchung des renommierten Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) für<br />
Wirbel gesorgt. Die vernichtende Kritik: Die Riester-Rente bietet eine schlechte Rendite, hat zu hohe<br />
Kosten und Kunden müssen uralt werden, damit sich die Anlage lohnt.<br />
Ist ja alles gar nicht wahr, soll die Botschaft lauten. "Wir wollen gar nicht die Rechnungen selbst<br />
kritisieren", sagt Schwark. Ihm geht es um die Interpretation. "Unser Anliegen ist die individuell<br />
rational ökonomische Betrachtung." Die Zahlen des DIW stellen weder er noch Lörper in Frage.<br />
Vielleicht liegt das auch daran, dass der Lieferant dieser Zahlen, der Versicherungsmathematiker<br />
und neue Vorsitzende der Verbraucherorganisation Bund der Versicherten Axel Kleinlein unter den<br />
Journalisten sitzt. Er sagt kein Wort. Aber einen Angriff auf die von ihm mitverfasste Studie würde<br />
er sicher aus dem Stand parieren können.<br />
<strong>CAPITAL</strong> <strong>Investor</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>49</strong>/<strong>2011</strong> www.capital.de 57
Schwark und Lörper haben es gar nicht nötig, sich an den Zahlen der anderen abzuarbeiten. Sie<br />
haben eigene. Die hat der GDV mit Hilfe einer Maklersoftware ermittelt. Überraschung: Ob Singles,<br />
Alleinerziehende oder Familien, für alle rechnet sich die Riester-Rente. Für den einen etwas früher,<br />
für den anderen eben ein bißchen später. "Das DIW hat eine andere Sterblichkeitsannahme", erklärt<br />
Lörper die ziemlich gegensätzlichen Ergebnisse "lohnt sich" und "lohnt sich nicht".<br />
Die Generalattacke versuppt im schrägen Wirrwarr von Modellrechnungen, bei denen der<br />
Normalverdiener mit 85 Jahren eine Rentabilität von 3,72 Prozent und die Alleinerziehende mit<br />
einem Kind den Breakeven einschließlich der Zulagen, die sie für ihr Kind länger als 20 Jahre<br />
bekommt, mit 74 Jahren erreicht. Die Riester-Rente soll sich nicht lohnen? 46 Charts des GDV sagen<br />
etwas anders. Man weiß nicht, ob es eine Drohung oder ein Versprechen ist, wenn Lörper als<br />
Konsequenz aus der Kritik an der Riester-Rente ankündigt: "Wir bemühen uns darum, für mehr<br />
Transparenz zu sorgen."<br />
Krankenversicherung: Private sollen nicht Billigheimer<br />
spielen<br />
Das Angebot von günstigen Tarifen mit geringem Leistungsumfang hat<br />
den Krankenversicherern heftige Kritik von Verbraucherschützern<br />
eingebracht. Zudem haben sie die Diskussion über das Qualitätsniveau der<br />
Leistungen angeheizt. Jetzt wollen die Versicherer Mindeststandards<br />
definieren.<br />
Wer von der gesetzlichen Krankenversicherung in die private Krankenversicherung (PKV) wechselt,<br />
um durch billige Policen viel Geld zu sparen, setzt aufs falsche Pferd. Die Versicherten nehmen nicht<br />
nur ein schmales Leistungsangebot in Kauf, sondern sie müssen sich auch auf kräftige<br />
Beitragssteigerungen einstellen. Wovor Verbraucherschützer und PKV-Insider schon länger warnen,<br />
hat jetzt das Analysehaus Franke und Bornberg in einer Untersuchung untermauert.<br />
Nach der Analyse des Hannoveraner Unternehmens werden mindestens elf Anbieter von Billigoder<br />
Einsteigertarifen zum 1. Januar 2012 ihre Prämien im Neugeschäft im zweistelligen<br />
Prozentbereich erhöhen. Die Spanne reicht von 11 Prozent bis 23 Prozent. Nach Einschätzung von<br />
Franke und Bornberg werden sich die Anpassungen für die Bestandskunden in ähnlicher Höhe<br />
bewegen. Fazit für Geschäftsführer Michael Franke: "Der Trend zu Einsteigertarifen ist eine für die<br />
Versicherten teure Fehlentwicklung."<br />
Überraschung kommt im Alter<br />
Die von vielen privaten Krankenversicherern auf den Markt gebrachten Billigangebote sind<br />
Ausdruck des heftigen Wettbewerbs um Vollversicherte. Durch die regelmäßige Erhöhung der<br />
Versicherungspflichtgrenze in den vergangenen Jahren und insbesondere durch die von der Großen<br />
<strong>CAPITAL</strong> <strong>Investor</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>49</strong>/<strong>2011</strong> www.capital.de 58
Koalition eingeführte dreijährige Wechselfrist für gesetzlich Versicherte wird es für die PKV-<br />
Anbieter immer schwieriger, unter den Angestellten neue Kunden zu gewinnen.<br />
Deshalb suchten viele ihr Heil in sehr günstigen Policen, die sich insbesondere an Existenzgründer<br />
und andere Selbstständige richten, die sich in einer unsicheren wirtschaftlichen Lage befinden.<br />
Manche dieser Policen haben dabei einen Leistungsumfang, der deutlich unter dem der gesetzlichen<br />
Krankenkassen liegt. So übernehmen die Versicherer bei diesen Tarifen häufig keine Kosten für die<br />
ambulante Psychotherapie und sehen Einschränkungen bei Heil- und Hilfsmitteln vor.<br />
Vielen jungen und gesunden Kunden ist beim Kauf einer solchen Police gar nicht bewusst, worauf<br />
sie sich da einlassen, warnen Verbraucherschützer. "Sie werden es erst merken, wenn sie älter oder<br />
krank werden und Leistungen benötigen, die sie nicht bekommen", sagte Thomas Rudnik, Vorstand<br />
beim Bund der Versicherten.<br />
Sargnagel für die private Krankenversicherung<br />
Hans-Ludger Sandkühler, Vorsitzender des Berufsverbands mittelständischer Versicherungs- und<br />
Finanzmakler, sieht die Vermittler in der Pflicht, die Kunden ausführlich über die Kehrseite der<br />
günstigen Prämien zu informieren. "Wenn ein Makler eine private Krankenversicherung vermittelt,<br />
die nicht einmal dem Niveau der gesetzlichen Krankenversicherung entspricht, hat er die Pflicht,<br />
den Kunden entsprechend aufzuklären." Tun die Vermittler das nicht, könnten sie<br />
haftungsrechtliche Probleme bekommen, erwartet er.<br />
Für Sandkühler schlagen die Anbieter solcher Policen den völlig falschen Weg ein. "Hier werden<br />
unter dem guten Namen PKV Produkte in den Markt geschoben, die so leistungsschwach sind, dass<br />
sie den Namen Krankenversicherung gar nicht verdienen", lautet sein hartes Urteil.<br />
Auch innerhalb der Branche sind die Einsteigertarife, oder zumindest diejenigen mit stark<br />
reduziertem Leistungsumfang, umstritten. "Die Billigtarife sind ein Sargnagel für die PKV",<br />
schimpfte Roland Weber, Vorstand beim Marktschwergewicht Debeka. Weber unterstützt die in der<br />
Branche diskutierte Idee, genau zu definieren, was zum Leistungsumfang einer privaten<br />
Vollversicherung gehören muss.<br />
Über Mindeststandard zu neuem Prestige<br />
"Wir sind im Verband dabei, einen Mindeststandard zu entwickeln", sagte Reinhold Schulte,<br />
Vorsitzender des PKV-Verbands. Verschiedene Arbeitsgruppen würden sich mit dem Thema<br />
beschäftigen. Momentan sei es noch zu früh, um über Einzelheiten zu berichten. Gleichzeitig sei die<br />
Branche in guten Gesprächen mit der Ärzteschaft, sagte er. "Unser gemeinsames Ziel ist: gute<br />
Qualität zu angemessener, leistungsgerechter Honorierung."<br />
Für Schulte ist klar, dass die PKV sich positiv von der gesetzlichen Krankenversicherung abheben<br />
muss. Dazu gehören Angebote wie die Beratung der Versicherten und die Unterstützung im<br />
Leistungsfall. Hier hätten die Unternehmen in der Vergangenheit schon viel auf den Weg gebracht,<br />
sagte er. Die Signal Iduna, deren Vorstandschef Schulte ist, beschäftigt 30 Ärzte und medizinisches<br />
Personal für solche Aufgaben. "Die medizinische Assistance hat sich bewährt."<br />
Verlustgeschäft<br />
In der Pflegeversicherung haben die PKV-Anbieter ein eigenes Unternehmen für die Beratung von<br />
Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen gegründet. Die Mitarbeiter gehen mit ihren<br />
Unterstützungsangeboten über das hinaus, was die Krankenkassen etwa in den Pflegestützpunkten<br />
machen.<br />
<strong>CAPITAL</strong> <strong>Investor</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>49</strong>/<strong>2011</strong> www.capital.de 59
Dass einige große PKV-Anbieter den Ausflug in das Billig-Segment schon wieder beendet haben, hat<br />
allerdings nichts mit der Einsicht in eine Qualitätsverpflichtung der Branche zu tun. Sowohl die<br />
DKV als auch die Central haben feststellen müssen, dass die Tarife nicht nur für die Kunden ein<br />
Fehlgriff sein können. Bei beiden Unternehmen hat sich die Hoffnung zerschlagen, dass die Kunden<br />
von den Billigangeboten schnell in höherwertige Tarife wechseln.<br />
Noch schlimmer: Die Policen hatten Kunden angelockt, die nach einiger Zeit ihre Beiträge<br />
überhaupt nicht mehr bezahlen konnten. Seit Einführung der Versicherungspflicht können die PKV-<br />
Unternehmen diesen Kunden nicht mehr kündigen. Sie müssen aber weiter für die Nichtzahler<br />
Alterungsrückstellungen bilden und für ihre Notfallversorgung bezahlen.<br />
Versicherungen: Vermittler über 50 gesucht<br />
Der Bevölkerungswandel wird die Personalprobleme der Assekuranz<br />
verschärfen und den Wettbewerb um Kunden verstärken. Aber die alternde<br />
Gesellschaft bietet auch Wachstumschancen - vor allem jenen, die eine<br />
Strategie dafür haben.<br />
Versicherungen verkaufen ist unsexy. Danach gefragt, welchen Beruf sie auf keinen Fall ausüben<br />
wollen, antworten die meisten Deutschen regelmäßig mit "Versicherungsvertreter". In Rankings<br />
landet der Job alle Jahre wieder auf einem der letzten Plätze, noch nach Telekom-Mitarbeitern und<br />
Politikern. Die Branche gilt als wenig attraktiver Arbeitgeber. Hoher Verkaufsdruck und geringe<br />
Aufstiegschancen sind die gängigen Vorbehalte, die potentielle Mitarbeiter abschrecken, in der<br />
Versicherungswirtschaft Fuß zu fassen.<br />
Besonders im Vertrieb fällt es den Versicherern schon jetzt schwer, gute Leute zu finden. Der Kampf<br />
um die Talente tobt heftig. Der demographische Wandel wird das Problem nach Ansicht von<br />
Stephan Maier verschärfen, Versicherungsspezialist der Unternehmensberatung Schickler. "Bei den<br />
Mitarbeitern im Vertrieb gibt es ein Nachwuchsproblem", sagt er.<br />
Beruf gegen Privatleben<br />
Auch im Innendienst stehen die Gesellschaften häufig vor dem Problem, wichtige Posten nur<br />
schwer besetzen zu können. Besonders gesucht sind IT-Spezialisten und Mathematiker,<br />
ausgezeichnete Karrierechancen bietet die Branche aber auch Underwritern, die sich mit der<br />
Gestaltung der Versicherungsverträge beschäftigen, - wenn sie denn welche findet.<br />
"Vor allem im IT-Bereich hat die Assekuranz starke Wettbewerber aus anderen Branchen und zieht<br />
oft den Kürzeren." Ein Grund: "Versicherungsunternehmen tun vergleichsweise wenig für die<br />
Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben."<br />
Maier erwartet, dass das Nachwuchsproblem sich in ein paar Jahren noch zuspitzen wird. Die<br />
Versicherer stehen unter enormem Kostendruck und stellen weniger Leute ein. Wird eine Stelle frei,<br />
<strong>CAPITAL</strong> <strong>Investor</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>49</strong>/<strong>2011</strong> www.capital.de 60
weil ein Mitarbeiter kündigt oder in den Ruhestand geht, besetzen die Personalchefs diese häufig<br />
nicht wieder. Die Folge: "Der Altersdurchschnitt steigt, die Mannschaft wird kleiner." Das führe<br />
dazu, dass irgendwann die ganze Belegschaft praktisch auf einmal ersetzt werden müsse, sagt<br />
Maier.<br />
Ein hoher Altersdurchschnitt im Vertrieb kann den Versicherern jedoch auch nützen. Ältere Kunden<br />
haben andere Bedürfnisse in der Beratung und beim Versicherungskauf als junge. "Ein erfahrener<br />
Vermittler kann sich besser in die aktuelle Lebenssituation des Kunden einfühlen als ein<br />
23-Jähriger", sagt Maier. "Im Verkaufsgespräch wirkt er dann überzeugender und glaubwürdiger."<br />
Alter bringt Umsatz<br />
Damit die Berater im Gespräch mit dem älteren Kunden gut aufgestellt sind, setzen manche<br />
Versicherer auf spezielle Schulungen. Die Ideal bietet Maklern regelmäßig Kurse in der hauseigenen<br />
Trainingsakademie an, in denen sie lernen, wo die Besonderheiten bei der Beratung älterer<br />
Menschen liegen. Die Berliner Gesellschaft hat sich auf die Versicherung von älteren Menschen<br />
spezialisiert und verkauft vor allem Pflege- und Sterbegeldpolicen sowie spezielle<br />
Rechtsschutzversicherungen für Senioren. Auch Marktführer Allianz bietet Maklern spezielle<br />
Verkaufsseminare zum Thema an.<br />
Tobias Maack, Leiter Produktmanagement bei der Ideal, glaubt, dass es bei der Kundenberatung vor<br />
allem auf die Lebensumstände ankommt. "Familienpflege wird es nicht mehr so geben wie früher,<br />
weil nahe Verwandte oft nicht mehr in der direkten Umgebung leben", sagt er. Die Policen und die<br />
Beratung der Zukunft müssen auf diese besonderen Bedürfnisse und Entwicklungen zugeschnitten<br />
sein.<br />
Er sieht sein Unternehmen gut aufgestellt und äußert die Gewissheit, dass es vom<br />
Bevölkerungswandel profitieren kann. "Den größten Teil des Neugeschäfts machen wir mit Kunden<br />
um die sechzig, das heißt die zunehmende Alterung der Bevölkerung bietet uns<br />
Wachstumschancen", sagt er.<br />
Auch Walter Botermann, Vorstandsvorsitzender der Alten Leipziger-Halleschen Gruppe, sieht in<br />
einer alternden Gesellschaft Wachstumspotential. "Ich glaube nicht, dass der Markt kleiner wird,<br />
nur weil die Bevölkerung schrumpft", sagt er. Viele ältere Menschen hätten erheblichen finanziellen<br />
Spielraum: "Wir haben seit 65 Jahren Friedenszeiten und daher haben weite Teile der Bevölkerung<br />
Vermögen bilden können, das auch zur persönlichen Absicherung eingesetzt wird."<br />
Viele Versicherer setzen zudem auf speziellen Service für die älteren Kunden. Die privaten<br />
Krankenversicherer haben vor einigen Jahren ein eigenes Beratungsunternehmen für den Bereich<br />
Pflegeversicherung eingerichtet, die Compass Pflegeberatung. Damit will sich die Branche qualitativ<br />
von der gesetzlichen Pflegeversicherung absetzen. Menschen, die Hilfe oder Informationen zur<br />
Pflege eines Angehörigen benötigen, können sich an eine Hotline oder einen der rund 200<br />
Pflegeberater wenden, der sie auch zuhause oder in der Rehaklinik besucht.<br />
Maier von der Unternehmensberatung Schickler gibt sich sicher: der demographische Wandel wird<br />
dazu führen, dass der Versicherungsmarkt in Deutschland kleiner wird. Wer den<br />
Verdrängungswettbewerb überstehen wolle, müsse sehr viel stärker als derzeit kommunizieren,<br />
wofür er als Versicherer steht, glaubt er. Eine Möglichkeit sei, sich in Nischen zu spezialisieren.<br />
<strong>CAPITAL</strong> <strong>Investor</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>49</strong>/<strong>2011</strong> www.capital.de 61
Krankenversicherungen: Zuschlag ist nicht gleich Zuschlag<br />
Die Allianz Krankenversicherung legt Kunden beim Tarifwechsel nach wie<br />
vor Steine in den Weg. Anwälte und Verbraucherschützer haben den Fall<br />
der BaFin vorgelegt.<br />
Kunden der Allianz Private Krankenversicherung (APKV) müssen sich auf ein zähes Ringen gefasst<br />
machen, wenn sie im Unternehmen den Tarif wechseln wollen. Kritiker werfen der APKV vor, das<br />
gesetzlich verbriefte Wechselrecht zu torpedieren.<br />
Kunden der privaten Krankenversicherer dürfen beim selben Anbieter in einen Tarif mit<br />
gleichartigem Versicherungsschutz wechseln. Für eventuelle Mehrleistungen kann das<br />
Unternehmen nach einer Gesundheitsprüfung gegebenenfalls einen Risikozuschlag verlangen.<br />
Durch Vereinbarung eines Leistungsausschlusses ist es möglich, diesen zu umgehen. Da der<br />
Tarifwechsel in der Regel zu einer niedrigeren Prämie führt, ist er in der Branche nicht sonderlich<br />
beliebt.<br />
Die APKV hat sich beim Versuch, das Tarifwechselrecht auszuhebeln, schon einmal eine blutige<br />
Nase geholt. Sie hatte einen neuen, den Aktimed-Tarif, auf den Markt gebracht und von<br />
wechselwilligen Altkunden unabhängig vom Gesundheitszustand einen "Strukturzuschlag"<br />
verlangt. Die Begründung: Der Aktimed-Tarif sei anders kalkuliert. Auf Intervention der<br />
Finanzaufsicht BaFin kassierte das Bundesverwaltungsgericht im Juni 2010 den neuen Tarif, die<br />
APKV musste ihn überarbeiten.<br />
Doch der Tarifwechsel ist problematisch geblieben. Der Versicherungsjurist Arno Schubach vertritt<br />
einen Kunden, von dem die APKV für den neuen Aktimed-Tarif einen Risikozuschlag verlangt. Den<br />
gewünschten Leistungsausschluss verweigert der Versicherer. "Hier wird das Wechselrecht<br />
unterlaufen", ist Schubach überzeugt. Er hat die Sache der BaFin vorgelegt. Auch der Bund der<br />
Versicherten hat wegen solcher Fälle die Aufsicht eingeschaltet.<br />
Die APKV hält die Kritik für unberechtigt. Es gehe nicht um einen Zuschlag für Mehrleistungen,<br />
sondern für Vorerkrankungen. Ihn müssten auch Neukunden zahlen, teilte der Versicherer auf<br />
Anfrage mit. "Wenn wir feststellen, dass im Antrag des Kunden zum ersten Versicherungsbeginn<br />
eine Vorerkrankung dokumentiert ist, die nach dem neuen Tarif, in den der Kunden nun wechseln<br />
möchte, zu einem Risikozuschlag führt, dann wird dieser wie bei Neukunden auch hier erhoben", so<br />
die Erklärung. "Ein Recht des Versicherungsnehmers, diesen Risikozuschlag durch die Vereinbarung<br />
eines Leistungsausschlusses abzuwenden, ist weder gesetzlich vorgesehen, noch geht dies aus der<br />
Rechtsprechung hervor."<br />
Das hält Hajo Köster vom Bund der Versicherten für vorgeschoben. "Die Allianz versucht, das Urteil<br />
zu umgehen", glaubt er. Wenn das Risiko in den ursprünglichen Vertrag nicht eingepreist war, dann<br />
dürfe man das jetzt auch nicht tun. "Anders haben Kunden überhaupt keine Möglichkeit zu<br />
überprüfen, für was der Versicherer Zuschläge erhebt", sagt Köster.<br />
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Krankversicherung: Allianz bekennt sich zur Vollversicherung<br />
Trotz Überlegungen in der Konzernspitze, sich auf lukrative Zusatzpolicen<br />
zu konzentrieren, will die Allianz Private Krankenversicherung nach<br />
Marktanteilsverlusten wieder in der Vollversicherung zulegen.<br />
Vorstandsmitglied Birgit König kritisiert die Pläne für eine<br />
Bürgerversicherung.<br />
Die Allianz hält trotz Zweifeln innerhalb des eigenen Konzerns an der privaten Kranken-<br />
Vollversicherung fest. "Wir wollen in der privaten Vollversicherung deutlich wachsen", sagte<br />
Allianz-Managerin Birgit König der FTD in Reaktion auf Zweifel in der Assekuranz - auch innerhalb<br />
der Allianz-Konzernspitze - an der Zukunft des Nebeneinanders von gesetzlichen Krankenkassen<br />
und privaten Versicherern (PKV). "Der Markt für die private Vollversicherung wächst kräftig", sagte<br />
König. Die frühere McKinsey-Partnerin ist seit September im Vorstand von Allianz Private<br />
Krankenversicherung (APKV) und soll 2012 Chefin werden.<br />
Das deutsche duale System von gesetzlichen Krankenkassen und privaten Versicherern sorge für<br />
einen hohen medizinischen Standard, sagte König. "Es ist offensichtlich, dass andere Systeme in<br />
Europa mit einer Grundsicherung für alle große Schwierigkeiten haben, einen hohen Standard zu<br />
halten." Fiele die PKV weg, gäbe es in Deutschland noch weniger Praxen auf dem Land, weil die<br />
Finanzierung dann nicht mehr stimme. In den Topetagen der großen Versicherer ist die private<br />
Vollversicherung jedoch unbeliebt. Nach Informationen der Capital-Schwesterzeitung Financial<br />
Times Deutschland (FTD) denkt auch die Allianz-Spitze darüber nach, künftig nur noch lukrative<br />
Zusatzversicherungen anzubieten - und die Absicherung der wesentlichen Gesundheitsrisiken<br />
gesetzlichen Kassen zu überlassen.<br />
König wehrt sich gegen den Plan der SPD, eine Bürgerversicherung für alle einzuführen, die von<br />
Kassen und privaten Versicherern angeboten werden soll. "Das System würde durch die verschärfte<br />
Konkurrenz ineffizienter", sagte König. "Wir haben rund 150 Krankenkassen. Da setzen wir jetzt<br />
noch mehr als 40 Krankenversicherer drauf." Große Kassen hätten Vorteile, weil Systeme wie die<br />
Bürgerversicherung stark von der IT abhingen. "Dabei machen sich Skaleneffekte bemerkbar." Zwar<br />
hat die Allianz zwischen 1999 und 2010 Marktanteile verloren -von 12,62 Prozent der Prämien auf 9,6<br />
Prozent. "Doch werden wir uns jetzt wieder stark auf das Feld Vollversicherung fokussieren", sagte<br />
König.<br />
<strong>CAPITAL</strong> <strong>Investor</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>49</strong>/<strong>2011</strong> www.capital.de 63
Offene Immo-Fonds: Bröckelnde Fassade<br />
Immobilien<br />
Offene Immobilienfonds stehen vor einem massiven Umbruch. Fast ein<br />
Drittel des Branchenvermögens steckt fest. Anleger brauchen derzeit viel<br />
Geduld.<br />
Während bei vielen anderen Fondsgattungen immer mehr Produkte auf den Markt kommen,<br />
schrumpft die Anzahl offener Immobilienfonds zusehends. Deren Volumen stagniert bei rund 85<br />
Mrd. Euro. Ende Oktober haben die Fonds Axa Immoselect und Degi International ihre Auflösung<br />
bekannt gegeben, womit insgesamt sieben offene Immobilienfonds alle Objekte verkaufen und die<br />
erlösten Mittel an die Anleger auszahlen müssen. Neben diesen Fonds gehören dazu der Morgan<br />
Stanley P2 Value, der Kanam US-Grundinvest, der Degi Europa, der Degi Global Business sowie der<br />
TMW Immobilien Weltfonds.<br />
Bei sechs weiteren Produkten werden keine Anteilscheine mehr zurückgenommen, dazu zählen die<br />
beiden rund 6 Mrd. Euro schweren Fonds CS Euroreal und SEB Immoinvest. Rund 24 Mrd. Euro<br />
stecken insgesamt in den Problemprodukten fest – fast 30 Prozent des Gesamtvermögens der<br />
Branche.<br />
Das Debakel hat bereits ein juristisches Nachspiel: Anlegeranwälte gehen im Auftrag ihrer<br />
Mandanten gegen Berater vor. Zudem plant das Anwaltsduo Andreas Tilp und Klaus Nieding<br />
Klagen gegen die Fondsanbieter selbst, was in Deutschland fast noch nie vorgekommen ist.<br />
Es ist das Ende der offenen Immobilienfonds, wie man sie bisher kannte. Die Produkte galten lange<br />
als sicher und liquide. Doch spätestens ab Herbst 2008 wurden die Schwächen etliche Fonds<br />
deutlich – damals wurde bereits bei zwölf Produkten die Rücknahme von Anteilscheinen wegen<br />
Mittelabflüsse ausgesetzt. Vor allem semi-institutionelle <strong>Investor</strong>en wie Dachfonds und<br />
Vermögensverwalter hatten in der Finanzkrise ihr Geld abgezogen und damit etliche der Fonds in<br />
Liquiditätsnöte gebracht.<br />
Offene Immobilienfonds versuchen einen schwierigen Spagat. Einerseits investieren sie in Gebäude<br />
– eine grundsätzlich sehr illiquide Anlageklasse. Andererseits wollen sie täglich liquide sein. Das<br />
funktioniert aber nicht, wenn viele <strong>Investor</strong>en zeitgleich hohe Summen aus den Fonds abziehen,<br />
wie es in der aktuellen Krise der Fall war. Die Produkte dürfen dann maximal zwei Jahre lang<br />
geschlossen werden. Stehen dann nicht genügend Mittel zur Verfügung, folgt die Auflösung. Ein<br />
neues Gesetz, das doch erst 2013 in Kraft tritt, soll hier Abhilfe schaffen. Es verlangt eine zweijährige<br />
Mindesthaltedauer, zudem dürfen Anleger maximal 30000 Euro pro Halbjahr abziehen.<br />
Die Krise verdeutlicht die Zweiteilung der Branche: Einerseits die offenen Fonds mit einer<br />
Bankmutter im Rücken, die den Vertrieb steuern und notfalls hohe Abflüsse verhindern kann.<br />
Andererseits Anbieter, die in Deutschland über keinen eigenen Vertrieb verfügen, sondern mit<br />
Vermittlern und Vermittlerpools kooperieren. Auch die Einkaufspolitik der Fonds ist unterschiedlich<br />
gut.<br />
<strong>CAPITAL</strong> <strong>Investor</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>49</strong>/<strong>2011</strong> www.capital.de 64
Umsatz am Zweitmarkt schwankt relativ stark<br />
Ohne einen großen hauseigenen Vertrieb müssen auch der SEB Immoinvest und der CS Euroreal<br />
auskommen. Es sind die größten derzeit noch eingefrorenen Produkte. Beide Anbieter haben<br />
angepeilt, noch in diesem Jahr zu öffnen - Zeit bleibt ihnen offiziell bis Mai 2012. Die Fonds haben<br />
sich von etlichen Objekten getrennt und verfügen jeweils über eine Liquiditätsquote von rund 20<br />
Prozent. Ob das für die Öffnung bis Jahresende reicht, war zuletzt noch fraglich.<br />
Für <strong>Investor</strong>en stellt sich die Frage: auf die Wiedereröffnung warten oder gleich über die Börse<br />
verkaufen? Sie ist schwierig zu beantworten. Der Umsatz am Zweitmarkt schwankt relativ stark,<br />
weil sich hier weniger Anleger engagieren als am Aktienmarkt. Zudem dürften einige <strong>Investor</strong>en<br />
Anteile erwerben, um sie gleich wieder zu verkaufen, sobald die Fonds erneut öffnen. Neben<br />
Fremdkapitalquote und Liquidität gehören auf die Checkliste die Fragen, wie stark der Fonds seine<br />
Objekte regional gestreut hat und wie groß oder alt die Gebäude sind.<br />
Problematisch für die Branche sind jedoch die hohen Verluste einiger Produkte. Der Morgan Stanley<br />
P2 Value hat binnen drei Jahren etwa 50 Prozent an Wert verloren. Der Degi Europa büßte ebenso<br />
stark ein. Über mehrere Jahre hinweg erzielten die Fonds in der Tat im Schnitt Renditen von vier<br />
Prozent und mehr. Steffen Sebastian, Professor für Immobilienfinanzierung an der Universität<br />
Regensburg, erwartet, dass kurzfristig so hohe Renditen unerreichbar sind: "Ich bezweifle, dass das<br />
nächstes Jahr anders aussehen wird."<br />
Selbst die stabileren Fonds erzielen derzeit eine Jahresrendite von nur maximal 3,5 Prozent. Der<br />
Uniimmo Global des Fondsanbieters Union Investment musste mehrere Gebäude in Japan<br />
abwerten und liegt daher auf Jahressicht knapp zwei Prozent im Minus. Der Fonds hatte im<br />
Frühjahr zudem vorübergehend die Rücknahme von Anteilscheinen ausgesetzt. Offene<br />
Immobilienfonds bewerten ihre Objekte nicht zu Marktpreisen, sondern lassen den sogenannten<br />
Verkehrswert durch bestellte Sachverständige ermitteln.<br />
Die Anleger haben bereits reagiert: Aus mehreren Fonds, wie dem Uniimmo Global und dem<br />
Grundbesitz Global, flossen seit Jahresbeginn Mittel ab. Bei <strong>Investor</strong>en beliebt sind derzeit<br />
Immobilienfonds mit Europafokus. Die großen Anbieter Deka, Deutsche Bank und Union bieten hier<br />
je ein Produkt an. Am meisten Zuflüsse verbuchte <strong>2011</strong> bisher der Uniimmo Deutschland.<br />
Ungemach droht der Branche allerdings von noch anderer Seite: Anlegerklagen. Der Anwalt Peter<br />
Hahn vertritt etliche <strong>Investor</strong>en mit Klagen gegen die Berater. Solche Fälle enden häufig mit einem<br />
Vergleich. Tilp und Nieding gehen noch weiter, indem sie die Fondsgesellschaften direkt angreifen.<br />
Der Ansatzpunkt: Die Fondsanbieter hätten erstens nicht ausschließlich im Interesse der Anleger<br />
gehandelt, wie es das Investmentgesetz vorschreibt. Außerdem hätten die Investmentfirmen<br />
vertragliche Verpflichtungen, die durch den Kauf der Fondsanteile entstünden, verletzt.<br />
Der Ausgang dieser geplanten Klagen wird für die Branche von großer Bedeutung sein – zumal die<br />
zwei Anlegervertreter eine Musterklage gegen den Morgan Stanley P2 Value anpeilen. Andere<br />
Anleger könnten sich dann einfach anschließen.<br />
<strong>CAPITAL</strong> <strong>Investor</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>49</strong>/<strong>2011</strong> www.capital.de 65
Büroimmobilien: Düsterer Ausblick für Europa<br />
Leerstand, Wirtschaftskrise, Rezession - der Markt für Büroimmobilien<br />
stellt sich für Anleger zunehmend als Ödland dar. Dekabank und IVG<br />
erwarten fallende Mieten und Preise.<br />
An den europäischen Büroimmobilienmärkten werden die Mieten und Preise im kommenden Jahr<br />
größtenteils stagnieren oder fallen. Zu dieser Einschätzung kommen die Dekabank und die<br />
Immobiliengesellschaft IVG in unabhängig voneinander erstellten Prognosen für 2012. Die beiden<br />
Jahresausblicke bestätigen die Einschätzung jener Marktforscher und Analysten, die an den<br />
europäischen Gewerbeimmobilienmärkten vorerst kaum Wachstumsmöglichkeiten sehen.<br />
"Lediglich in den Zentren der deutschen Bürohochburgen Berlin, Düsseldorf, Hamburg, Frankfurt,<br />
München und Stuttgart sowie in Stockholm ist ein leichter Anstieg der Mieten zu erwarten", sagt<br />
IVG-Chefresearcher Thomas Beyerle. Die Dekabank-Analysten prognostizieren für 2012 sogar am<br />
deutschen Markt stagnierende Büromieten. Erst von 2013 an werden die Mieten nach ihrer Prognose<br />
leicht um 2,5 Prozent zulegen. Ein Einbruch am hiesigen Markt sei aber nicht zu erwarten, sagt<br />
Matthias Danne, Immobilienvorstand des Sparkassen-Fondsanbieters. "Der robuste Arbeitsmarkt<br />
und das niedrige Neubauvolumen stabilisieren den Markt."<br />
Preissteigerungen seien weder in Deutschland noch in Schweden zu erwarten, sagt Beyerle.<br />
"Solange die Euro-Krise anhält, werden <strong>Investor</strong>en wegen der Unsicherheit über die weitere<br />
wirtschaftliche Entwicklung eher auf Käufe verzichten, als Abstriche bei den Renditen<br />
hinzunehmen." Gegenwärtig würden Büroobjekte in den deutschen Metropolen zu Preisen<br />
gehandelt, die Käufern aus den Mieterträgen eine Anfangsrendite von fünf Prozent bringen<br />
könnten. In Stockholm betrage die Anfangsrendite 4,75 Prozent.<br />
Skeptisch sehen die Experten von Dekabank und IVG die südeuropäischen Büromärkte. "Diese<br />
Märkte sind von der Finanzkrise am stärksten betroffen", sagt Danne. "Die Sparprogramme der<br />
Regierungen in Italien, Portugal und Spanien werden die Konjunktur dämpfen", sagt Beyerle.<br />
Unternehmen würden Mitarbeiter entlassen und Büroflächen freisetzen. "In Madrid, Mailand und<br />
Lissabon werden deshalb 2012 die Büromieten tendenziell sinken und die Immobilienpreise weiter<br />
fallen", sagt Beyerle. In Lissabon würden Bürogebäude zwar bereits zu Anfangsrendite von 7,5<br />
Prozent gehandelt. Dennoch setzten <strong>Investor</strong>en darauf, dass die Objekte noch billiger werden. Auch<br />
für London fällt die IVG-Prognose verhalten aus. Immer mehr Banken entlassen Mitarbeiter. "Das<br />
bringt die Preise von Büroobjekten in den Nebenlagen der City und im Westend unter Druck", sagt<br />
Beyerle.<br />
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Schwellenländer: Darum in die Ferne schweifen<br />
Deutsche Immobilienanleger bevorzugen Europa. Bessere Chancen auf<br />
hohe Renditen bieten derzeit aber Asien und Lateinamerika - solange es in<br />
China nicht zu einer Immobilienblase kommt.<br />
Bei indirekten Immobilieninvestments bleiben deutsche <strong>Investor</strong>en am liebsten in heimischen<br />
Gefilden: Sie bevorzugen Fonds und Aktien börsennotierter Unternehmen, die in Deutschland oder<br />
in Nachbarstaaten investieren. Experten halten das für einen Fehler: "Außerhalb Europas bieten<br />
sich größere Renditechancen", sagt Patrick Nass, Fondsmanager beim Bankhaus Ellwanger & Geiger.<br />
Das bestätigt eine neue Studie des britischen Immobiliensachverständigenverbands Royal<br />
Institution of Chartered Surveyors (RICS). Danach sollen Mieten und Preise von Gewerbeimmobilien<br />
in Asien und Lateinamerika stärker steigen als in Europa und Nordamerika.<br />
"Finanz- und Staatsschuldenkrise belasten die Wirtschaft und damit die Gewerbeimmobilienmärkte<br />
in den westlichen Industrienationen", sagt RICS-Ökonom Matthew Edmonds. Hingegen seien<br />
Unternehmen in den aufstrebenden Staaten hungrig nach immer mehr Büro- und<br />
Einzelhandelsflächen. Zwar seien die Länder in Asien und Lateinamerika nicht resistent gegen<br />
allgemeine Kapitalmarktturbulenzen. Die Konjunktur werde dort aber deutlich stärker wachsen als<br />
in der Euro-Zone. Hier rechnen Ökonomen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit<br />
und Entwicklung (OECD) für 2012 beim Bruttoinlandsprodukt nur mit einem minimalen Plus von 0,5<br />
Prozent.<br />
Chinas Wirtschaft soll hingegen nach 9,4 Prozent in diesem Jahr 2012 um acht Prozent zulegen. In<br />
Lateinamerika erwartet das Weltwirtschaftsforum im kommenden Jahr ein Plus von 3,9 Prozent.<br />
Die Prognosen spiegeln sich in den Erwartungen der <strong>Investor</strong>en, wie die jüngste RICS-Umfrage unter<br />
809 internationalen Marktteilnehmern zeigt. In Brasilien und China rechnen mehr als 54 Prozent<br />
der Experten mit steigenden Mieten. In den meisten europäischen Staaten und den USA werden<br />
dagegen fallende Mieten erwartet. Professionelle Immobilienanleger investieren deshalb seit<br />
Jahren immer stärker in aufstrebende Märkte.<br />
Fonds für Investments außerhalb Europas und Nordamerikas<br />
Nach Angaben der Beratungsgesellschaft Jones Lang LaSalle stieg der Anteil der Investments im<br />
asiatisch-pazifischen Raum am weltweit in Immobilien angelegten Kapital zwischen 2004 und 2010<br />
von 11,7 auf 26,3 Prozent. Asieh Mansour, Leiterin Research Amerika bei der Beratungsgesellschaft<br />
CBRE, rechnet damit, dass Lateinamerika künftig stark in den Anlegerfokus gerät: "In den<br />
Bürobezirken der Metropolen südlich des Rio Grande beträgt die Leerstandsrate im Schnitt nur 7,8<br />
Prozent." Zum Vergleich: In Frankfurt sind mehr als 13 Prozent der Büroflächen unvermietet.<br />
Dennoch scheuen Privatanleger vor Investments außerhalb Europas zurück. Während offene<br />
Immobilienfonds in den ersten drei Quartalen des Jahres nach Angaben des Branchenverbands BVI<br />
insgesamt 876,5 Mio. Euro an Zuflüssen verbuchen konnten, mussten die international<br />
investierenden Branchenprodukte deutliche Abflüsse hinnehmen. Aus dem Grundbesitz Global der<br />
Deutsche-Bank-Tochter RREEF etwa zogen Anleger 502 Mio. Euro ab. Dabei erzielte der Fonds in den<br />
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vergangenen zwölf Monaten eine Rendite von 2,9 Prozent - während der Branchenschnitt nur<br />
knapp ein Prozent betrug.<br />
Das Misstrauen der Anleger rührt daher, dass einige international investierende Fonds erst auf dem<br />
Höhepunkt des globalen Immobilienbooms aufgelegt wurden. Sie kauften Objekte überteuert und<br />
mit kurzen Mietverträgen. Als die Finanzkrise ausbrach, zogen die Mieter aus, die Immobilien<br />
mussten massiv abgewertet werden. Sechs der Fonds werden nun abgewickelt. Darunter der P2<br />
Value von Morgan Stanley, der seit 2008 Verluste von rund 60 Prozent einfuhr.<br />
Auch bei den Immobilienaktienfonds des Bankhauses Ellwanger & Geiger bevorzugen Anleger den<br />
E&G Fonds Immobilienaktien Europa. Er hat ein Volumen von 4,07 Mio. Euro. Hingegen kommt der<br />
Property Stocks Asia Pacific nur auf 1,3 Mio. Euro, obwohl dieser seit Beginn der Finanzkrise im<br />
Herbst 2008 eine Rendite von 47 Prozent eingefahren hat (siehe Tabelle). Der Europafonds hingegen<br />
kam in dieser Zeit nur auf ein Plus von 27,2 Prozent. Auch künftig dürften asiatische<br />
Immobilienaktien besser abschneiden als europäische Werte, meint Fondsmanager Nass. "Die<br />
Sparprogramme der Euro-Staaten dämpfen das Wirtschaftswachstum."<br />
Finanzierung: Die günstigsten Baugeld-Konditionen<br />
Capital.de zeigt die Konditionen für Baugeld mit fünf-, zehn- und<br />
15-jähriger Bindung.<br />
Unter Baugeldvergleich lassen sich individuell günstige Angebote berechnen.<br />
Baugeld Zinsbindung: 5 Jahre<br />
Anbieter Kontakt bis 70% bis 90%<br />
Creditweb 2<br />
Finanzierung Finanzierung<br />
(0800) 2220550 2,72 2,90<br />
comdirect bank 2 (01803) 336365 2,72 2,90<br />
Dr. Klein 2<br />
(0800) 8833880 2,72 2,90<br />
SKG Bank (0681) 8571105 2,72 2,90<br />
Degussa Bank (069) 36003399 2,79 3,09<br />
Baugeld Zinsbindung: 10 Jahre<br />
Anbieter Kontakt bis 70% bis 90%<br />
Finanzierung Finanzierung<br />
DTW Immobilien- finanzierung 2 (0800) 1155600 3,21 3,44<br />
Accedo 2<br />
(0800) 2288500 3,21 3,44<br />
Hypotheken- Discount 2<br />
(0800) 6008060 3,21 3,44<br />
ING-DiBa (069) 50500109 3,25 3,66<br />
<strong>CAPITAL</strong> <strong>Investor</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>49</strong>/<strong>2011</strong> www.capital.de 68
SKG Bank (0681) 8571105 3,27 3,44<br />
Baugeld Zinsbindung: 15 Jahre<br />
Anbieter Kontakt bis 70% bis 90%<br />
Interhyp 2<br />
Accedo 2<br />
Enderlein 2<br />
Finanzierung Finanzierung<br />
(0800) 200151515 3,66 3,92<br />
(0800) 2288500 3,66 3,92<br />
(0521) 580040 3,66 3,92<br />
ING-DiBa (069) 50500109 3,66 4,07<br />
SKG Bank (0681) 8571105 3,74 3,92<br />
Effektivzinsen in Prozent pro Jahr für 200.000 Euro Darlehen und zwei Prozent Tilgung. Bei der<br />
Auswahl der günstigsten Angebote werden maximal drei Vermittler berücksichtigt und<br />
mindestens zwei überregionale Geldgeber. 1) Finanzierung bezogen auf den Kaufpreis. 2)<br />
Kreditvermittler. 3) Kein Angebot.<br />
Quelle: FMH-Finanzberatung Stand: 07.12.<strong>2011</strong><br />
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Schenkungen: Nur ein kleiner Umweg<br />
Steuern & Recht<br />
Familien können ihr Vermögen nicht ganz frei untereinander verteilen. Bei<br />
Kettenschenkungen schaut der Fiskus genau hin. Worauf bei der Methode<br />
zu achten ist.<br />
Sollte seine Ehe eines Tages geschieden werden, schrieb der Gatte in den notariellen Vertrag, könnte<br />
er das Grundstück von seiner Frau wieder zurückverlangen. Das war die Bedingung, und es war die<br />
einzige. Der Mann unterschrieb - und übertrug auf seine Frau die Hälfte eines Grundstücks, das ihm<br />
seine Eltern am gleichen Tag erst geschenkt hatten. Alles steuerfrei natürlich, denn bei<br />
Schenkungen innerhalb des engsten Familienkreises sind die Freibeträge hoch.<br />
Eine Schwiegertochter gehört aber nicht zur allerengsten Familie, zumindest nicht im fiskalischen<br />
Sinne. Und so wurde das Finanzamt skeptisch. Im Grunde habe ja gar nicht der Sohn seiner Frau<br />
etwas geschenkt, sondern er sei nur pro forma dazwischengeschaltet gewesen. Die Beamten<br />
argwöhnten, dass die Familie sich um die Steuer tricksen wollte - die das Schwiegertöchterchen<br />
hätte zahlen müssen, wenn seine Eltern ihr das Grundstück direkt übertragen hätten. Das Amt<br />
quittierte dies mit einem Steuerbescheid über mehr als 5000 Euro, die Schwiegertochter zog vor<br />
Gericht.<br />
Jetzt muss der Bundesfinanzhof (BFH) über den Fall urteilen - und entscheiden, wer bei einer<br />
Kettenschenkung innerhalb der Familie steuerpflichtig ist und wer nicht. Die Frau musste bis vor<br />
das oberste Finanzgericht ziehen, weil sie in der unteren Instanz verloren hatte (Finanzgericht<br />
München, Az.: 4 K 396/11).<br />
Verschenken vermögende Menschen Geld oder Immobilien innerhalb der Familie, hat das oft<br />
handfeste, nicht selten steuerliche Hintergründe. Oft wird dadurch ein Teil des Erbes schon zu<br />
Lebzeiten ausgezahlt. Dadurch kann die Erbschaftsteuer umgangen werden - bei einer Schenkung<br />
leben die gesetzlichen Freibeträge legal alle zehn Jahre neu auf, beim Erbe gelten sie naturgemäß<br />
nur einmal. Auch Unternehmer übertragen ihr Grundstück gern auf Ehegatten, damit im Falle einer<br />
Pleite zumindest Haus und Hof in der Familie bleiben.<br />
Aber auch Finanzbeamte und Richter kennen diese Tricks. Für das Finanzgericht München war es im<br />
Falle der bayerischen Familie unerheblich, dass das Grundstück erst nach zwei einzelnen<br />
Schenkungen auf den Namen der Schwiegertochter eingetragen war. Steuerrechtlich sahen die<br />
Richter darin nur einen einzigen Vorgang: die Schenkung der Eltern an die Schwiegertochter. "Das<br />
ist zumindest fragwürdig", sagt Michael Messner, der Fachanwalt für Steuer- und Erbrecht bei Kapp,<br />
Ebeling & Partner in Hannover ist.<br />
Unlauterer Umweg<br />
Ehepartner können sich untereinander alle zehn Jahre 500.000 Euro schenken, ohne dass das<br />
Finanzamt davon einen Cent sieht. 400.000 Euro Freibetrag sind es bei Präsenten der Eltern an die<br />
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eigenen Kinder. Geschenke an Schwiegertochter- oder Sohn sind aber nur bis zu 20.000 Euro<br />
steuerfrei. Jeder zusätzliche Euro kostet mindestens 15 Cent, abzuführen an das Finanzamt.<br />
Deshalb versuchen Familien natürlich, die günstigen Freibeträge durch Kettenschenkungen<br />
auszuschöpfen. Dabei wird das Geld oder die Immobilie über Verwandte mit einem hohen<br />
Freibetrag umgeleitet. Der kleine Umweg ist aufwendig, kann im Ergebnis aber eine Menge Steuern<br />
sparen - wenn die Richter mitmachen.<br />
Der BFH ging bislang von einem unlauteren Umweg aus, wenn zwischen den einzelnen<br />
Schenkungen eine auf einem Gesamtplan beruhende sachliche Verknüpfung erkennbar war.<br />
Entscheidendes Kriterium dafür ist, ob dem unmittelbar Beschenkten - im Streitfall der leibliche<br />
Sohn - überhaupt ein eigener Entscheidungsspielraum bleibt, ob er also über seinen Erwerb frei und<br />
selbstständig verfügen kann. Ein Indiz dagegen ist ein allzu kurzer Zeitraum zwischen beiden<br />
Rechtsakten: Im Fall der bayerischen Familie gingen beide Schenkungen innerhalb eines Tages über<br />
die Bühne.<br />
"Es darf auch nirgendwo ein Vertrag bestehen, der die zweite Schenkung von vornherein bestimmt",<br />
sagt Rüdiger Fromm, Steuerberater in Koblenz. Wurden beide Schenkungen in einem Vertrag<br />
vereinbart, geht die Rechtsprechung stets davon aus, dass der Erstbeschenkte nur Durchlaufstation<br />
ist, durch die der Fiskus um seine Einnahmen gebracht werden soll.<br />
Die Familie, über die nun der BFH urteilen wird, war vorsichtig. Sie hatte zwei gesonderte notarielle<br />
Verträge aufgesetzt. Und die Eltern hatten in ihren auch nicht geschrieben, dass der Sohn das<br />
Grundstück auf seine Gattin überschreiben muss. "Die Eltern hatten rechtlich gesehen keine<br />
Einflussmöglichkeit mehr, ob der Sohn das Grundstück weitergibt oder nicht", sagt Anwalt Messner.<br />
Da sei es völlig gleich, ob der Sohn erst nach einem Jahr über sein Geschenk verfügt - oder noch am<br />
selben Tag.<br />
Prozess um exklusiven Teppich: Der Fluch des verkannten<br />
Persers<br />
Weil ein Auktionator den inzwischen teuersten Teppich der Welt wie<br />
mittelmäßige Auslageware bewertete, hat ihn die einstige Besitzerin<br />
verklagt. Ein Lehrstück über Preisbildung und Gier auf dem Kunstmarkt.<br />
Da war die Freude groß: 19.000 Euro statt der geschätzten 900 Euro. Soviel war dem Bieter ein alter<br />
Teppich wert, den eine Deutsche im Oktober 2009 durch einen Augsburger Auktionator verkaufen<br />
ließ. Allein, ihre Freude währte nicht lang. Denn wenige Monate nach der Versteigerung kam der<br />
Perser erneut unter den Hammer. Diesmal jedoch nicht in der abgelegenen Provinz, sondern beim<br />
feinen Auktionshaus Christie's in London.<br />
Warum sich die auf exklusive Raritäten und Kunstgüter spezialisierten Engländer des 338 mal 153<br />
Zentimeter großen Vasenteppichs mit dezentem Blumenmuster annahmen, ist schnell erklärt.<br />
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Denn bei der neuerlichen Auktion konnte der im 17. Jahrhundert in der persischen Provinz Kerman<br />
geknüpfte Teppich einen neuerlichen Preissprung verzeichnen. Diesmal erfolgte der Zuschlag<br />
zugunsten eines anonymen Telefonbieters erst bei umgerechnet 7,2 Mio. Euro. Aus dem Augsburger<br />
Schnäppchen war in wenigen Wochen der laut Christie's teuerste Teppich der Welt geworden.<br />
Verständlich, dass die ursprüngliche Eigentümerin sich nun grämte, schließlich übertraf der<br />
Londoner Preis die ihr ursprünglich in Augsburg in Aussicht gestellte Summe um das 8000-fache.<br />
Die tatsächlich bezahlten 19.000 Euro erscheinen dagegen geradezu lächerlich.<br />
Preis ist nicht gleich Wert<br />
Pech gehabt, könnte man sagen, Ungerechtigkeit bejammern - oder klagen. Dafür entschied sich die<br />
einstmalige Besitzerin. Sie sieht sich durch den Augsburger Auktionator um einen hohen Gewinn<br />
gebracht. Der muss sich nun von Mittwoch an vor der 2. Zivilkammer des Landgerichts Augsburg<br />
verantworten. Der Streitwert wurde zunächst auf 350.000 Euro festgelegt - falls die Teilklage Erfolg<br />
hat, ist mit einem weiteren Prozess vor dem Oberlandesgericht München zu rechnen.<br />
Der Anwalt des Beklagten weist jede Verantwortung seines Klienten zurück - und argumentiert mit<br />
Erkenntnissen der klassischen Basar-Ökonomie: "Der erzielte Preis sagt nichts über den Wert des<br />
Teppichs aus", sagt der Anwalt des Auktionators. Bei Auktionen komme es häufig vor, dass ein<br />
Objekt ein Vielfaches des erwarteten Preises bringe. Denn wie Studenten im VWL-Grundkurs<br />
gelernt haben, wird die klassische Preisbildungsmechanik durch besonders rare Güter außer Kraft<br />
gesetzt.<br />
Fraglos hat der Experte bei seiner Bewertung des Persers einen schlechteren Instinkt bewiesen als<br />
der Tippgeber, der gerüchteweise einen Hamburger Händler auf das Augsburger Angebot<br />
aufmerksam gemacht haben soll. Offenbar wusste der Auktionator auch nicht, dass das kostbare<br />
Stück sogar in einem Buch abgebildet und als aus dem Besitz der Comtesse de Béhague stammend<br />
ausgewiesen sei, wie die Klägerin nunmehr anmahnt.<br />
Auch ohne solche Spitzen dürfte das Gezänk um den teuersten Teppich der Welt die Reputation des<br />
Augsburger Auktionators nicht gerade gefördert haben. Für seine aus Sicht der Klägerin - und wohl<br />
auch von Teilen der Fachwelt - fatale Fehleinschätzung haften möchte er gleichwohl nicht.<br />
Infomatec-Prozess: Wettlauf gegen die Zeit<br />
Der Anleger-Musterprozess im Fall von Infomatec zeigt, wie schwer<br />
es geprellte Aktionäre haben, ihren Schaden ersetzt zu bekommen.<br />
Eine Bestandsaufnahme.<br />
Der Zeuge tut sich schwer. Auf Fragen der Richterin im Sitzungssaal E.09 im Oberlandesgericht<br />
München sagt er: "Ich weiß es nicht mehr." Oder: "Daran habe ich keine Erinnerung." Schließlich:<br />
<strong>CAPITAL</strong> <strong>Investor</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>49</strong>/<strong>2011</strong> www.capital.de 72
"Weiß ich nicht, weiß ich nicht, weiß ich nicht." Über zehn Jahre liegt das zurück, wonach er gefragt<br />
wird.<br />
Eine Aktionärin von Infomatec lässt feststellen, ob mehrere Pflichtmitteilungen zwischen 1998 und<br />
2000 falsch waren oder unterlassen wurden. Seit 10. Oktober <strong>2011</strong> läuft das Kapitalanleger-<br />
Musterverfahren gegen die beiden Ex-Infomatec-Vorstände Gerhard Harlos und Alexander Häfele.<br />
Die Aktie der Augsburger Gesellschaft galt als besonders heiß am überhitzten Börsensegment Neuer<br />
Markt. Die Surfstations von Infomatec sollten Fernseher internetfähig machen. Das klang sexy, doch<br />
die Geschäfte liefen nicht wie geplant. Die Aktie stürzte im Jahr 2000 ab. Viele Aktionäre von<br />
Skandalbuden wie Infomatec zogen vor Gericht.<br />
Für solche Massenfälle verabschiedete die Bundesregierung 2005 extra das Kapitalanleger-<br />
Musterverfahrensgesetz. Ein Musterkläger sollte demnach stellvertretend für alle anderen Sachund<br />
Rechtsfragen klären. Das bot sich auch für den Fall Infomatec an, schließlich gibt es rund 70<br />
weitere Kläger.<br />
Doch ihre Kanzlei Rotter Rechtsanwälte aus Grünwald bei München kämpfte fünfeinhalb Jahre, bis<br />
das Gericht ihren Antrag endgültig annahm. Zeit hat das neue Verfahren damit nicht gespart.<br />
Rotter-Rechtsanwalt Felix Weigend begrüßt die grundsätzliche Idee dennoch: "Was bringt es, wenn<br />
Zeugen 70 Mal in jedem einzelnen Verfahren aussagen müssen?"<br />
Ob es irgendetwas bringt, ist in diesem Fall ohnehin die Frage. Der nächste Verhandlungstag ist im<br />
Februar. Fällt dann 2012 ein Urteil, können die Beteiligten Rechtsmittel einlegen. Selbst wenn das<br />
nicht passiert und die Musterklägerin Recht bekommt, müssen alle Kläger dann noch separat vor<br />
Gericht nachweisen, dass sie die Aktien genau wegen der fehlerhaften Informationen gekauft<br />
haben. Das kann sich noch Jahre hinziehen - und dann müssen sie ihre Forderungen auch noch<br />
durchsetzen.<br />
Davon kann der hagere Mann in schwarzem Pullover und Jeans im Zuschauerraum ein Klagelied<br />
singen. Frank Planeck hat Rechtsgeschichte geschrieben. Als erster Kleinaktionär erstritt er am 19.<br />
Juli 2004 beim Bundesgerichtshof wegen falscher Pflichtmitteilungen Schadensersatz von den<br />
Vorständen einer Aktiengesellschaft. Sein Geld hat er bis heute nicht. "Auch kein anderer der<br />
Infomatec-Aktionäre, die vor Gericht gewonnen haben", erzählt er. Denn das Vermögen der<br />
Vorstände ist an den Staat verfallen. Das findet Planeck ungerecht, er ist daher sogar vor den<br />
Europäischen Gerichtshof gezogen und sucht dafür noch Mitstreiter.<br />
Was also haben die Anleger überhaupt noch von dem Musterverfahren? "Einen Titel", sagt Anwalt<br />
Weigend. Man könne versuchen, Vermögen aufzuspüren, etwa über Wirtschaftsdetektive. Einfach<br />
wird auch das nicht. Alexander Häfele ist im Moment gar nicht zu fassen, weder er noch ein Anwalt<br />
ist da. Harlos hat Prozesskostenhilfe beantragt. Das freilich lehnt das Gericht ab. Begründung: Er<br />
habe nicht dargelegt, was denn eigentlich aus den 18 Mio. Euro geworden ist, welche die Vorstände<br />
einst mit Aktienverkäufen erlöst haben sollen.<br />
<strong>CAPITAL</strong> <strong>Investor</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>49</strong>/<strong>2011</strong> www.capital.de 73
Steuerrechtsexperte Jörg Schauf im Interview: "Die<br />
Schweigepflicht bleibt trotzdem"<br />
Der Bundestag hat schärfere Regeln zur Bekämpfung der Geldwäsche<br />
beschlossen. Auch Steuerberater und Anwälte werden stärker in die Pflicht<br />
genommen. Jörg Schauf, Partner bei Flick Gocke Schaumburg, erläutert, ob<br />
die Verschwiegenheitspflicht darunter leidet.<br />
Anwälte und Steuerberater müssen ohnehin schon melden, wenn sie den Verdacht haben, dass sich<br />
ihr Mandant an einer Geldwäsche beteiligt. Warum reicht das dem Gesetzgeber nicht?<br />
Bislang galt das nur bei einem begründeten Verdacht. Die Berater mussten also Tatsachen kennen,<br />
die auf eine Geldwäschestraftat schließen ließen. Künftig reicht es für eine Verdachtsmeldung aus,<br />
wenn kriminalistische Erfahrungswerte darauf hindeuten, dass etwas faul ist. Etwa wenn hohe<br />
Bargeldbeträge fließen oder die Hintergründe bei einem Geschäft ganz verborgen bleiben.<br />
Wird sich ein Täter künftig überhaupt noch zum Anwalt oder Steuerberater trauen?<br />
Natürlich. Anwälte und Steuerberater haben eine berufliche Verschwiegenheitspflicht. Das<br />
Verhältnis zum Mandanten wird durch das Geldwäschegesetz und die aktuellen Änderungen nicht<br />
berührt. Anwälte und Steuerberater müssen Verdachtsfälle oder Straftaten, die unter das<br />
Geldwäschegesetz fallen, nicht anzeigen, wenn sie davon erst im Zuge ihrer Beratung erfahren.<br />
Was bleibt dann für die Meldepflicht übrig?<br />
Das ist ein wirklich enges Fenster. Die Meldepflicht betrifft Missbrauchsfälle, wenn also die<br />
Beratung selbst für Zwecke der Geldwäsche in Anspruch genommen wird. Etwa wenn der Berater<br />
als Treuhänder für irgendwelche dubiosen Beteiligungen oder Stiftungen auftreten soll. Das sind<br />
also Fälle, in denen der Berater Gefahr läuft, sich selbst schuldig zu machen. Nach der bisherigen<br />
Meldepflicht hat es kaum solche Fälle gegeben. Die meisten Berater werden das Mandat ablehnen,<br />
wenn ihnen etwas merkwürdig vorkommt. Insgesamt hat es, seit die Meldepflicht eingeführt<br />
wurde, nur rund 70 Anzeigen von Rechtsanwälten gegeben.<br />
Das soll sich nun ändern. Der Gesetzgeber will Verstöße gegen Meldepflichten härter bestrafen.<br />
Bislang wurde der vorsätzliche Verstoß mit bis zu 100.000 Euro, der fahrlässige mit bis zu 50.000<br />
Euro geahndet. Diese Unterteilung soll entfallen. Bei allen Verstößen, auch aus Leichtfertigkeit,<br />
kann ein Bußgeld bis zu 100.000 Euro festgesetzt werden.<br />
Was bedeutet es für den Mandanten, wenn der Berater ihn zu Unrecht verdächtigt?<br />
Der bekommt in der Regel davon nichts mit. Denn der Berater informiert nur seine Kammer über die<br />
Bedenken. Damit hat er seine Pflicht nach dem Gesetz erfüllt. Erst die Anwalts- oder<br />
Steuerberaterkammer leitet die Meldung an die Kriminalämter weiter. Wenn nichts dran ist,<br />
verpufft die ganze Angelegenheit.<br />
Also viel Aufwand, aber wenig Ergebnis?<br />
<strong>CAPITAL</strong> <strong>Investor</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>49</strong>/<strong>2011</strong> www.capital.de 74
Die Gefahr besteht. Wir werden es jedenfalls künftig mit einer Reihe von Proforma-Anzeigen zu tun<br />
haben. Die Geldwäsche bekämpfen wir damit nicht. Dazu bedarf es weiterer, effektiver<br />
Maßnahmen durch den Gesetzgeber.<br />
Gastronomie: Hotelier zieht in den Kampf gegen<br />
Bewertungsforen<br />
Ein Hotelbetreiber will, dass seine Häuser nicht mehr im Internet beurteilt<br />
werden. Sollte das Gericht zustimmen, hätte das Folgen für alle<br />
gewerblichen Bewertungsforen.<br />
Die Cimex lectularius misst nur wenige Millimeter, ist aber äußerst lästig - die blutrünstigen<br />
Bettwanzen sorgen für Hautausschläge. Durch den Reiseverkehr sind die Biester längst in Europas<br />
Betten herumgekommen. Für Hotelbetreiber sind sie ein Gräuel. Birgit K. zum Beispiel, Gast in<br />
einem Berliner A&O Hostel, behauptete nach der Übernachtung, sich das Bett mit solchen Parasiten<br />
geteilt zu haben. "Für 37,50 Euro die Nacht gab's Bettwanzen frei Haus dazu", schrieb sie zornig in<br />
das Onlineforum Holidaycheck. "Wer möchte schon in einem Hotel übernachten, in dem der Gast<br />
nicht nur Bettwanzen vorfindet, sondern sich auch noch an der Rezeption anhören muss, das<br />
komme eben vor?"<br />
Natürlich niemand. Deshalb ist der Betreiber von A&O Hostels, Oliver Winter, umgehend gegen die<br />
geschäftsschädigende Bewertung zu Felde gezogen. Holidaycheck hat die inzwischen gelöscht, doch<br />
das reicht Winter noch nicht. Er will seine Häuser auf dem Portal gar nicht mehr gelistet sehen.<br />
Kommende Woche wird das Oberlandesgericht Hamburg darüber entscheiden, ob Holidaycheck die<br />
A&O Hostels grundsätzlich von seinem Portal streichen muss (Az.: 5 U 51/11). Sollte das Gericht das<br />
tatsächlich verlangen, hätte das weitreichende Auswirkungen auf alle gewerblichen<br />
Bewertungsportale. "Dann stehen Geschäftsmodelle wie das von Holidaycheck grundsätzlich<br />
infrage", sagt Alexander Freiherr Knigge, Anwalt bei Harms Ziegler in Berlin.<br />
In der Vorinstanz ist Hostelchef Winter mit seinem Anliegen zwar gescheitert. Auch das<br />
Kammergericht Berlin entschied im Sommer in einem vergleichbaren Fall, dass Kritiken nicht<br />
generell verboten werden dürften (Az.: 5 U 193/10). In einem weiteren Prozess vor dem Hamburger<br />
Landgericht erzielte der Kläger aber im September einen Teilerfolg. Die Richter sind erstmals der<br />
Argumentation des Hoteliers gefolgt, dass Holidaycheck kein reines Meinungsportal ist, sondern ein<br />
professioneller Reisevermittler (Az.: 327 O 607/10). Deshalb betreibe es sein Forum nicht aus dem<br />
uneigennützigen Motiv zu informieren, sondern um den Verkauf von Reisen und die Attraktivität<br />
des gewerblichen Onlineangebots zu steigern.<br />
<strong>CAPITAL</strong> <strong>Investor</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>49</strong>/<strong>2011</strong> www.capital.de 75
Blogs nach fragwürdigen Kommentaren scannen<br />
Dieser Unterschied ist von entscheidender Bedeutung. Im Ergebnis hat das Gericht Hotelbetreiber<br />
und Reiseportal als Mitbewerber eingestuft, da gelten die Fairnessregeln des Wettbewerbsrechts.<br />
"Ein gewerbliches Unternehmen muss sich im Internet an die gleichen Regeln halten wie im<br />
normalen Geschäftsleben", sagt Knigge. Dazu gehört, dass man Konkurrenten nicht mit anonymen<br />
Behauptungen schädigen darf.<br />
Bislang hatten die Gerichte stets geurteilt, ein Portalbetreiber stehe erst dann in der Verantwortung,<br />
wenn er trotz Kenntnis von rechtswidrigen Inhalten nicht einschreite. Das LG Hamburg aber<br />
verlangt nun, dass ein gewerbliches Forum die herabsetzenden Tatsachen, die es über einen<br />
anderen verbreitet, auch zu beweisen hat. Es muss sämtliche Nutzerkommentare gegenchecken - sei<br />
es mit technischen Wortfiltern oder gleich mittels eines vorformulierten Bewertungs- oder<br />
Punktesystems.<br />
"Gewerbliche Portalbetreiber begeben sich mit solch einem Forum, in dem es auch mächtig unter<br />
die Gürtellinie gehen kann, freiwillig in Gefahr", sagt Amina Merkel, Anwältin in Hamburg. "Sie<br />
benutzen das zur Marketingakquise. Sich auf der anderen Seite auf überspannte Prüfpflichten zu<br />
berufen kann dann nicht sein." Ein Portalbetreiber müsse erkennen, welche Kommentare sich noch<br />
im rechtlichen Rahmen bewegen. "Wenn ich mich solcher Mittel bediene, muss ich auch in den<br />
sauren Apfel beißen und ein Team aufbieten, das das Blog nach fragwürdigen Kommentaren<br />
scannt."<br />
Andere Portale wie HRS schränken den Kreis der Forumsautoren bereits ein, indem sie die<br />
Möglichkeit, eine Bewertung abzugeben, an eine Buchung koppeln. Ein Portalbetreiber könne seiner<br />
Haftung aber auch entgehen, indem er das Meinungsforum vom Buchungsportal räumlich trennt,<br />
sagt Kathrin Schürmann, Anwältin bei Schürmann Wolschendorf Dreyer. "So setzt er sich nicht dem<br />
Vorwurf aus, dass er das Meinungsforum nur dazu nutzt, sein eigenes gewerbliches Angebot<br />
aufzuhübschen."<br />
Im Falle der Bettwanzen hatte übrigens A&O Hostels selbst den Beweis erbracht, dass das Haus frei<br />
von Parasiten ist. Winter hatte einen Kammerjäger bestellt, nachdem der schmähende Kommentar<br />
auf Holidaycheck aufgetaucht war - und der hat keine einzige Wanze entdeckt.<br />
Mein Steuertipp: Arbeitnehmer müssen ihre Lohnsteuerdaten<br />
penibel prüfen<br />
Die groß angekündigte elektronische Lohnsteuerkarte kommt nun doch<br />
nicht zum Jahreswechsel. Zudem sind beim Fiskus bundesweit fehlerhafte<br />
Lohnsteuerdaten entdeckt worden. Was Arbeitnehmer bei diesem Wirrwarr<br />
jetzt beachten müssen.<br />
<strong>CAPITAL</strong> <strong>Investor</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>49</strong>/<strong>2011</strong> www.capital.de 76
In vielen Fällen können Steuerzahler ihre Krankheitskosten absetzen. So können die Ausgaben<br />
unter Umständen als außergewöhnliche Belastungen oder aber auch als Werbungskosten steuerlich<br />
geltend gemacDie Finanzverwaltung vermeldete die Nachricht lediglich in zwei verschämten<br />
Absätzen: In einem Schreiben teilte das Bundesfinanzministerium (BMF) im Spätherbst mit, dass<br />
der 1.1.2012 als Starttermin für die Einführung der elektronischen Lohnsteuerkarte nicht länger<br />
gehalten werden kann. Grund seien Verzögerungen bei der Erprobung des Abrechnungsverfahrens.<br />
Ein neuer Starttermin könne noch nicht festgelegt werden, werde aber für das zweite Quartal 2012<br />
erwartet, hieß es zunächst. Mittlerweile wurde die Einführung der elektronischen Lohnsteuerkarte<br />
für 2012 nun endgültig abgesagt. Der Start wird jetzt für 2013 angepeilt. Eigentlich sollte ELStAM, so<br />
die Abkürzung für "Elektronische Lohnsteuerabzugsmerkmale", bereits ab nächstem Jahr die seit<br />
Jahrzehnten verwendeten Lohnsteuerkarten aus Papier endgültig ersetzen.<br />
Doch Steuerzahler hatten im ELStAM-Verfahren Fehler festgestellt, die Auswirkungen auf die<br />
Nettolohnauszahlung haben. Bundesweit wurden sogenannte Lohnsteuermerkmale, zum Beispiel<br />
die Lohnsteuerklasse, die Religionszugehörigkeit oder die Anzahl der Kinderfreibeträge, falsch von<br />
den Computern des Fiskus ausgegeben. Solche Fehler muss die Finanzverwaltung nun auf<br />
formlosen Antrag hin korrigieren- ein enormer Aufwand für die Finanzämter.<br />
Was ist zu tun? Die für 2010 ausgestellten Lohnsteuerkarten gelten bis zum ELStAM-Start weiter.<br />
Was aber nicht übernommen wird, sind die (meisten) Freibeträge aus dem Jahr <strong>2011</strong>. Dies ist anders<br />
als im Jahreswechsel 2010/<strong>2011</strong>: Hier mussten die Freibeträge nicht neu beantragt werden.<br />
Freibeträge senken das zu versteuernde Einkommen, führen bereits im Lohnsteuerverfahren zu<br />
einer niedrigeren Steuerlast und somit höherem Nettolohn. Wer also hohe Werbungskosten<br />
beispielsweise wegen weiten Fahrten zur Arbeit hat, der muss seinen Freibetrag aus <strong>2011</strong> neu<br />
beantragen - und sollte bei dieser Gelegenheit auch die weiterhin gültigen Lohnsteuermerkmale in<br />
der Datenbank des Finanzamts auf Richtigkeit überprüfen lassen.<br />
Denn möglicherweise besteht hier durch die ELStAM-Probleme Korrekturbedarf: Die<br />
Finanzbehörden hatten ab Sommer <strong>2011</strong> Schreiben versendet, in denen Angestellte über die in der<br />
behördlichen Datenbank gespeicherten elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale informiert<br />
wurden. Die mitgeteilten Daten sind die Grundlage der Lohnabrechnung ab dem Zeitpunkt der<br />
Umstellung auf das elektronische Verfahren. Sind sie fehlerhaft, wird der Nettolohn falsch<br />
berechnet. Ein Beispiel: Hat ein verheirateter Mann bei einem Bruttolohn von 3500 Euro bisher<br />
Lohnsteuerklasse III, und würde er wegen eines Datenübertragungsfehlers im elektronischen<br />
Verfahren nach Lohnsteuerklasse I abgerechnet, erhielte er von seinem Arbeitgeber rund 280 Euro<br />
weniger ausgezahlt.<br />
Wichtig: Im Gegensatz zu früheren Jahren - in denen die Städte und Gemeinden die<br />
Ansprechpartner für die Lohnsteuerkarte waren - sind mittlerweile die Wohnsitzfinanzämter<br />
zuständig.<br />
Mein Steuertipp<br />
Arbeitnehmer sollten bei fehlerhaften ELStAM-Daten und Freibeträgen unbedingt selbst tätig<br />
werden. Das ist auch nötig, wenn sich für das Steuerjahr 2012 wichtige Lohnsteuermerkmale wie<br />
Kinderzahl, Religionszugehörigkeit oder die Steuerklasse verändert haben. Wer es hier versäumt,<br />
sich um Korrekturen beim Fiskus und beim Arbeitgeber zu kümmern, riskiert eine fehlerhafte<br />
Lohnsteuerabführung und somit Auswirkungen auf den Nettolohn. Diese Fehler können im<br />
Nachhinein allerdings mit der Einkommensteuerjahreserklärung noch korrigiert werden. Waren<br />
falsche Daten die Grundlage für den Lohnsteuerabzug, wird die Abgabe einer Steuererklärung<br />
jedoch zur Pflicht - und ist damit also nicht mehr wie ansonsten bei vielen Arbeitnehmer freiwillig.<br />
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Benjamin J. Feindt ist Steuerberater und Gruppenleiter bei DanRevision in Flensburg-Handewitt.<br />
Urteil der Woche: Banken haften verschärft bei Kartenverlust<br />
Wenn ein Dieb mit einer fremden Kreditkarte am Automaten Geld abhebt,<br />
hat die Bank bisher einfach unterstellt, dass der Kunde Karte und<br />
Geheimzahl fahrlässig aufbewahrt hat. Das ist unzulässig.<br />
Oliver Oliver Thiemann<br />
Thiemann ist Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht bei Brinkmann Dewert Anwälte<br />
in Essen.<br />
BGH vom 29.11.<strong>2011</strong><br />
AZ: XI ZR 370/10<br />
Der Fall<br />
Der Beklagte war Inhaber einer Kreditkarte, die auch zur Abhebung von Bargeld an Geldautomaten<br />
zugelassen war. Nach den AGB war täglich eine Barabhebung von maximal 1000 Euro zulässig. Die<br />
AGB sahen auch vor, dass der Beklagte den Verlust oder den Missbrauch der Karte unverzüglich<br />
anzuzeigen hatte.<br />
In der Nacht vom 12. auf den 13. August 2009 wurden mit der Karte insgesamt sechsmal 500 Euro an<br />
Geldautomaten abgehoben, wobei die PIN des Beklagten verwendet wurde. Der Belastung seines<br />
Kontos widersprach der Beklagte, da er die Abhebungen nicht vorgenommen habe. Die klagende<br />
Bank aber verlangt die abgehobene Summe von ihm. Sie meint, er habe seine PIN nicht sorgfältig<br />
getrennt von der Kreditkarte verwahrt.<br />
Das Amtsgericht und auch das Landgericht sprachen der Bank den Schadensersatz zu. Die stützten<br />
sich auf die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH), wonach bei Nutzung der Karte<br />
mit der zugewiesenen PIN der Beweis des ersten Anscheins dafür spreche, dass der Karteninhaber<br />
seine Sorgfaltspflichten verletzt habe.<br />
Das Urteil<br />
Der Bundesgerichtshof hat seine bisherige Rechtsprechung zum Beweis des ersten Anscheins für<br />
eine Sorgfaltspflichtverletzung von Karteninhabern präzisiert. Er stellt klar, dass diese Vermutung<br />
nur dann gelte, wenn bei den Barabhebungen die Originalkarte eingesetzt wird. Werde etwa durch<br />
das sogenannte Skimming eine Kartendublette erstellt, greife die Vermutung nicht. Beim Skimming<br />
werden die Daten illegal ausgelesen und damit eine Kartenkopie erstellt, die Barabhebungen<br />
ermöglicht. Die Beweislast dafür, dass die Originalkarte verwandt wurde, treffe die Bank.<br />
Daneben sei hinsichtlich der Höhe des Schadensersatzes zu berücksichtigen, dass die in den AGB<br />
vorgesehene Begrenzung auf 50 Euro bis zum Eingang der Verlustmeldung auch eine<br />
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Haftungsbegrenzung bei schuldhafter Verletzung der Sorgfaltspflichten durch den Kunden<br />
begründe. Der sei auch durch die Begrenzung auf 1000 Euro pro Tag geschützt. Wird diese<br />
Höchstgrenze seitens der Bank nicht eingehalten, begeht sie eine Pflichtverletzung, die eigenen<br />
Schadensersatzansprüchen entgegengehalten werden kann. Im konkreten Fall hat der BGH das<br />
Urteil des Landgerichts aufgehoben und zur weiteren Sachaufklärung zurückverwiesen.<br />
Die Folgen<br />
Die Einschränkung des Beweises des ersten Anscheins durch den Bundesgerichtshof hat in der<br />
Praxis erhebliche Auswirkungen. Sie schiebt den Schwarzen Peter bei Kartenverlust nunmehr auf<br />
die Seite der Banken. Bisher standen Karteninhaber häufig vor dem Problem, dass sie zwar das<br />
Abhandenkommen ihrer Karte und damit auch belegen konnten, dass sie selbst keine Abhebung<br />
vorgenommen hatten. Dies reichte aber meist nicht aus, um die Bank zur Rückbuchung der Beträge<br />
zu bewegen. Die wandte standardmäßig ein, der Kunde habe seine Pflichten aus dem Kartenvertrag<br />
verletzt und dadurch die Abhebungen in dieser Höhe verursacht. Dem Einwand der Kunden, die<br />
Verschlüsselung der Karten sei unzureichend und ein Auslesen der PIN möglich, widersprachen die<br />
gerichtlich bestellten Sachverständigen stets. Zudem schreckten die Kosten eines solchen<br />
Gutachtens die Kunden vor einem Rechtsstreit ab.<br />
Nunmehr werden Kunden, die ihre Originalkarte noch in den Händen haben, Banken unverzüglich<br />
zur Zahlung bewegen können. Kunden, denen die Karte entwendet wurde, werden jedenfalls<br />
einwenden, sie sei nur ausgelesen, nicht aber verwandt worden. Ob dies so ist, muss nunmehr die<br />
Bank beweisen. Die wird anhand der Daten des jeweiligen Geldausgabeautomaten kaum feststellen<br />
können, ob die Originalkarte eingesetzt wurde.<br />
Die Ausführungen des BGH zur Begrenzung der Haftung geben Banken Anlass, ihre Allgemeinen<br />
Geschäftsbedingungen auf hinreichende Klarheit zu überprüfen und ihren Geschäftsbetrieb auch<br />
im Interbankenverkehr so einzurichten, dass Höchstgrenzen berücksichtigt werden.<br />
Es geht um: Ihr Geld<br />
Fahrtenbuch<br />
Im Capital-Überblick über Entwicklungen bei der Geldanlage geht es<br />
diesmal um Fahrtenbuch, Ruhestörung, Steuervorteil sowie Unfallfolgen.<br />
Wenn Autofahrer aus steuerlichen Gründen einzelne Autofahrten dokumentieren müssen, dürfen<br />
sie ihr Fahrtenbuch nicht mit einer Tabellenverwaltungssoftware, wie sie etwa Microsoft Excel<br />
anbietet, führen.<br />
<strong>CAPITAL</strong> <strong>Investor</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>49</strong>/<strong>2011</strong> www.capital.de 79
Das hat der Bundesfinanzhof entschieden (Az.: VI B 12/11). Ein Mann hatte am Computer eine Liste<br />
geführt, um für das Finanzamt festzuhalten, wie oft er seinen Wagen für berufliche<br />
beziehungsweise private Fahrten nutzt.<br />
Dieses Vorgehen genüge nicht den Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch,<br />
entschieden die Richter. Der Grund: Es sei möglich, die Einträge im Nachhinein zu manipulieren,<br />
ohne dass dies später zu erkennen ist.<br />
Steuervorteil<br />
Wer sich vom Anbieter eines geschlossenen Fonds getäuscht fühlt, braucht nicht aus steuerlichen<br />
Gründen davor zurückzuschrecken, Schadensersatz oder gar die Rückabwicklung des Investments<br />
zu verlangen.<br />
Entgegen der weitverbreiteten Meinung gehen bereits realisierte Steuervorteile nämlich<br />
keineswegs verloren, wenn Anleger ein Fondsinvestment rückabwickeln lassen. Darauf weist die<br />
Bremer Anwaltskanzlei KWAG hin.<br />
Anleger, die sich fehlerhaft beraten fühlen oder deren Fonds deutlich höhere Risiken aufweist als<br />
ursprünglich versprochen, sollten sich deshalb nicht scheuen, gegen den Anbieter vorzugehen,<br />
raten die Juristen.<br />
Unfallfolgen<br />
Wer Ladung auf einem Anhänger unzureichend sichert oder falsch verlädt, verliert bei einem Unfall<br />
einen Teil des Versicherungsschutzes.<br />
Auf dieses Urteil des Oberlandesgerichts Saarbrücken (Az.: 5 U 395/09) weist der Deutsche<br />
Anwaltverein hin. Ein Mann hatte seinen Porsche-Sportwagen auf einem Anhänger transportiert.<br />
Weil der Schwerpunkt zu hoch lag, geriet das Gespann ins Schleudern und kam von der Straße ab.<br />
Die Assekuranz, bei der das Auto per Vollkaskopolice versichert war, beglich nur 75 Prozent des<br />
Schadens, weil der Kunde den Wagen falsch verladen habe. Dagegen wehrte sich der Versicherte.<br />
Die Richter wiesen die Klage ab. Der Mann habe seine Sorgfaltspflicht verletzt, deshalb dürfe die<br />
Versicherung ihre Leistung reduzieren.<br />
Ruhestörung<br />
Wenn Wohnungsmieter ihre Mietzahlungen kürzen, weil ein anderer Mieter regelmäßig lärmt, darf<br />
der Vermieter sich den finanziellen Schaden vom Lärmverursacher ersetzen lassen.<br />
Das hat das Amtsgericht Bremen entschieden (Az.: 17 C 105/10). Die Bewohner eines Mietshauses<br />
fühlten sich durch den Lärm eines Hausbewohners massiv gestört. Er hörte auch während der<br />
Ruhezeiten laut Musik, knallte Türen und schrie des Öfteren in seiner Wohnung. Daraufhin<br />
minderten andere Mieter die Mietzahlungen um 20 Prozent.<br />
Der Vermieter verlangte von dem lärmenden Mieter, diese Summe zu ersetzen. Zu Recht, entschied<br />
das Gericht. Der Mann habe durch sein ungebührliches Verhalten gegen die Pflicht verstoßen, den<br />
Hausfrieden zu wahren. Dazu hatte er sich aber durch seine Unterschrift unter den Mietvertrag<br />
verpflichtet.<br />
Servicetools für den Finanzcheck<br />
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Mysteriöse Erfindung: Signor Rossi und die unglaubliche<br />
Energiemaschine<br />
Exit<br />
Ein italienischer Unternehmer hat ein Gerät entwickelt, das alle<br />
Energieprobleme der Menschheit lösen könnte - wenn es funktioniert. Was<br />
kaum einer glaubt. Kaufen kann man es trotzdem.<br />
Vielleicht wird Mario Monti ihm eines Tages noch dankbar sein. Dafür, dass Andrea Rossi das<br />
Schuldenproblem gelöst hat. Ohne Eurobonds, ohne IWF. Einfach mit einer Erfindung. Denn Rossi,<br />
ein italienischer Geschäftsmann, verspricht nichts Geringeres als die Lösung der Energie- und<br />
Klimaprobleme der Menschheit. Da sollte also für Italien gut was bei rumkommen in Sachen<br />
Steuereinnahmen.<br />
Andrea Rossi sagt nämlich, er könne Energie aus Nickel und Wasserstoff herstellen. Das Verfahren,<br />
das er benutzt, nennt sich kalte Fusion - und damit fangen die Probleme an. Denn kalte Fusion, das<br />
Verschmelzen von Atomkernen bei sehr niedrigen Temperaturen, ist zwar sehr praktisch: viel<br />
Energie, wenig Aufwand. Nach den Regeln der Physik aber eigentlich nicht möglich. Bislang<br />
jedenfalls sind alle Versuche von namhaften Wissenschaftlern und Universitäten gescheitert. Und<br />
jetzt ist da dieser Rossi, ein Biodieselunternehmer, der von sich behauptet, die eierlegende<br />
Wollmilchsau der Physik gefunden zu haben.<br />
Gemeinsam mit seinem Mentor, dem emeritierten Physikprofessor Sergio Focardi von der<br />
Universität Bologna, hat er den "Energiekatalysator" entwickelt, den E-Cat: ein Reaktor, der bei einer<br />
Kernfusion große Menge Energie liefern soll, aber kaum Hitze erzeugt. Schon im Januar führten die<br />
beiden an der Uni Bologna einen Prototyp ihrer Wundermaschine vor. Damals versprachen sie: Bis<br />
Oktober bauen wir ein marktreifes Modell.<br />
Und tatsächlich lieferten sie pünktlich: Ein Megawatt soll ihr Reaktor erzeugen - und so genug<br />
Energie für annähernd 1000 Einfamilienhäuser erzeugen. "Denken sie an die Hunderte Millionen<br />
Dollar, die in der Kernfusionsforschung ausgegeben worden sind", sagte Rossi bei der Vorstellung.<br />
"Ich denke, das ist ein Durchbruch."<br />
Durchbruch oder Täuschungsmanöver<br />
Mit dieser Einschätzung ist er freilich weitgehend allein. Die Arbeit von Herrn Rossi sei "nicht<br />
seriös", teilt etwa die Deutsche Physikalische Gesellschaft mit. Er hätte seine Forschungen in einem<br />
wissenschaftlichen Fachmagazin publizieren sollen, wie es üblich sei. So müsse der Erfinder eben<br />
damit leben, "dass die Fachwelt ihm nicht glaubt".<br />
In der Tat tut Rossi nicht besonders viel, um die Menschheit von der Energierevolution zu<br />
überzeugen. Zwar durften bereits zwei Physiker aus Schweden die Einzelteile des Aufbaus<br />
besichtigen, die Reaktorkammer aber blieb ihnen verborgen. Auch einen ersten Käufer des E-Cats<br />
soll es schon geben, allerdings verschweigt Rossi Namen und Preis.<br />
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Immerhin existiert ein Protokoll von der Abnahme des Geräts durch den Käufer. Fünfeinhalb<br />
Stunden lang, ist dort zu lesen, habe der Reaktor sogar ganz ohne externe Energiezufuhr Strom<br />
geliefert. Nur 470 Kilowatt, aber besser als nichts. Allerdings trägt das Dokument weder Stempel<br />
noch Unterschrift - es ist eine einfache Word-Datei. Jed Rothwell, ein in der Physikerszene bekannter<br />
Blogger, schreibt dazu auf seiner Website: "Ich glaube es, aber ich muss auch zugeben, dass es sich<br />
um ein gigantisches und teures Betrugsmanöver handeln könnte."<br />
Rossi selbst ist das alles egal. Am Sonntag gab er bekannt, dass es keine weiteren Vorführungen<br />
geben werde: aus Angst vor Industriespionage. Denn tatsächlich wollte er 100 E-Cats im nächsten<br />
Jahr ausliefern, zusammen mit dem griechischen Unternehmen Defkalion Green Technologies. Die<br />
aber haben mittlerweile angekündigt, einen eigenen Megawatt-Reaktor zu bauen, ohne Rossi.<br />
Anfang 2012 soll er in Produktion gehen.<br />
Sieht also so aus, als müsste Italien ein paar Monate mehr einplanen für die Schuldentilgung. Aber<br />
Griechenland kann das Geld ja auch ganz gut gebrauchen.<br />
"The Muppets": Comandante Kermit - der kommunistische<br />
Kinderschreck<br />
Kinderschreck Waldorf und Statler - oder doch Marx und Engels? Der neue Muppets-Film<br />
steht unter einem gar schrecklichen Verdacht: Ein Moderator des TV-<br />
Senders Fox Business Network will in dem Hollywood-Streifen einen<br />
Aufruf zum Klassenkampf erkannt haben.<br />
Dass Statler und Waldorf trotz ihres kultivierten Auftritts einen gewissen Hang zur Anarchie<br />
verkörpern, ist wohl jedem Muppets-Zuschauer klar. Doch die kauzigen Kommentatoren aus dem<br />
Oberrang sind offensichtlich nur die Spitze des Eisbergs.<br />
Eric Bolling, Moderator von "Follow the Money" ist in höchster Aufregung. In seiner Sendung, die<br />
vergangene Woche beim konservativen US-Sender Fox Business Network ausgestrahlt wurde,<br />
enthüllte Bolling, was sich hinter der plüschigen Fassade verbirgt: Nichts als "linke Gehirnwäsche"<br />
sei der neueste Puppentrickfilm "The Muppets ", der gerade in die US-Kinos gekommen ist.<br />
Das liberale Hollywood stelle einen erfolgreichen Geschäftsmann als Bösewicht dar, ereiferte sich<br />
der Moderator vor laufenden Kameras. "Wir bringen unseren Kindern den Klassenkampf bei", rief<br />
Bolling erstaunt. "Wo leben wir, in China?"<br />
Zugegeben, das Skript des Films würde so manchem Propagandaschreiber aus dem Reich der Mitte<br />
zur Ehre gereichen: Auf der Leinwand kämpfen Kermit und Miss Piggy gegen einen Ölunternehmer,<br />
der unter ihrem Theater nach dem schwarzen Gold bohren will. Damit gar keine Zweifel an<br />
Herkunft und Status des Geschäftsmanns aufkommen, haben ihn die Autoren Tex Richman getauft.<br />
<strong>CAPITAL</strong> <strong>Investor</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>49</strong>/<strong>2011</strong> www.capital.de 82
Die Occupy-Bewegung - eine Marionette Hollywoods?<br />
Doch nicht nur die Muppets rufen zu den Barrikaden. Gleich mehrere Blockbuster wurden als<br />
Propaganda für linke Ideologien geoutet. Darunter auch die Filme der "Matrix"-Saga. Darin würde<br />
der Mensch als eine Art Virus verbrämt, das der "armen, alten Mutter Erde" zusetze, sekundierte Dan<br />
Gainor, der als Gast in Bollings Studio saß. Der Publizist, der für das konservative<br />
Medienbeobachtungsinstitut Media Research Center tätig ist, hatte gleich eine ganze Liste von<br />
Filmen parat, darunter auch bislang harmlos scheinende Kinderunterhaltung wie Disney's "Cars 2".<br />
Das Ergebnis der fortgesetzten Gehirnwäsche sei verheerend, so die beiden Männer<br />
übereinstimmend. "Hollywood hasst die Ölindustrie, Hollywood hasst die amerikanischen<br />
Unternehmer", eiferte Gainor und fand eine Erklärung für den erstaunlichen Zulauf, der Bewegung<br />
Occupy Wall Street: "Sie wurden alle über Jahrzehnte indoktriniert."<br />
"Die Gefahr" kommt übrigens bald nach Deutschland. Der neue Muppets-Film um die Aktivitäten<br />
von Tex Richman läuft am 19. Januar 2012 in den hiesigen Kinos an.<br />
Es ist nicht das erste Mal, dass Kinderserien unter Ideologieverdacht geraten. Seit Jahren sehen sich<br />
Tim und Struppi mit dem Vorwurf konfrontiert, die Ende der 1920er-Jahre eingeführte Comicreihe<br />
sei durchsetzt von rassistischen Klischees. Und vor wenigen Monaten sorgte ein französischer Autor<br />
für Aufregung, als er die gesellschaftliche Organisationsform der Schlümpfe kritisch unter die Lupe<br />
nahm. Demzufolge seinen sie - unter der Führung des autokratischen Papa-Schlumpf - im Grunde<br />
nichts anderes als eine Bande ausgemachter Faschisten. Es scheint ganz so, als verhärteten sich die<br />
Fronten im Kinderzimmer zusehends.<br />
Schlapphut-Test: Was wissen Sie über Geheimagenten?<br />
Spionage gehört seit jeher zum täglichen Geschäft von Geheimdiensten. In<br />
Deutschland wird der neue BND-Chef Gerhard Schindler die Zukunft des<br />
Bundesnachrichtendienstes bestimmen. Testen Sie hier Ihr<br />
Geheimdienstwissen.<br />
<strong>CAPITAL</strong> <strong>Investor</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>49</strong>/<strong>2011</strong> www.capital.de 83
EZB-Filmchen bei Youtube: Friede, Freude, Eurokuchen<br />
Als wäre alles wie am ersten Tag. Mit einem aufwändig produzierten Video<br />
feiert die Europäische Zentralbank den zehnten Geburtstag der<br />
Gemeinschaftswährung. Von Krise keine Spur.<br />
Europa löst ihr Kopftuch, schwebt von der griechischen Amphore herab und verwandelt sich in eine<br />
schöne junge Frau. Lächelnd durchschreitet sie die Torbögen der 10- und 20-Euro-Scheine. Brücken<br />
bauen sich auf, verbinden Italien mit Griechenland, Portugal mit Irland. Und kurz darauf hat Mario<br />
Draghi seinen ersten Auftritt im Euro-Geburtstagsvideo. "Eine beispiellose Herausforderung" sei<br />
die Ausgabe der ersten Euro-Banknoten gewesen, sagt der Chef der Europäischen Zentralbank (EZB).<br />
"Aber es ist reibungslos gelaufen." Von Krise damals keine Spur.<br />
Happy Birthday, Euro! Zehn Jahre ist die Bargeldeinführung am 1. Januar her. Und glaubt man dem<br />
PR-Video, das die EZB gerade auf Youtube verbreitet, kann auch heute von Euro-Krise keine Rede<br />
sein. Da steigen Ballons in den Himmel, Feuerwerkskörper erhellen die Nacht. Da breitet "Onkel<br />
Wim", der frühere EZB-Chef Duisenberg, seine Arme über Kinder, die Geldscheine in die Kamera<br />
halten. Es folgen lange Erklärungen über Umtauschfristen für die letzten Francs und Lire, über<br />
Fälschungssicherheit. Und: "Einer der Vorteile des Euro besteht darin, dass bei Reisen innerhalb des<br />
Euro-Gebiets kein Geld mehr umgetauscht werden muss."<br />
Dem Existenzkampf der Währung widmet das knapp siebenminütige Video nur einen Halbsatz:<br />
"Trotz der Herausforderungen, denen Europa gegenübersteht", hebt Draghi an, um fortzufahren,<br />
"wie auch der Rest der Welt, können die Bürger der Euro-Zone sicher sein, dass die EZB ihrem<br />
Mandat der Preisstabilität treu bleibt." Thema abgehakt.<br />
Eine fünf- bis sechsstellige Summe soll der Film gekostet haben. Was soll so ein Jubelstreifen mitten<br />
im Schlamassel? "Ziel ist, des Geburtstags des Euro zu gedenken", sagt ein EZB-Sprecher. "Das<br />
Geburtstagskind hat nicht dieses Problem. Es geht um die Schuldenkrise einiger Länder."<br />
Das Publikum hört die Botschaft nicht. "EU Comedy Award!", "minderwertige Propaganda" und<br />
"EURO = Enormous Unaccountable Robbery Operation", lauten Urteile der Youtube-Nutzer. Der<br />
Sprecher: "Wir schauen uns die Reaktionen nicht an."<br />
Trotzdem muss die EZB ihr Filmchen wohl bald zurückziehen: weil es veraltet ist. So heißt es,<br />
Italiener könnten alte Lire noch bis Ende Februar umtauschen. Premier Mario Monti will nun aber<br />
nach Medienberichten die alte Währung sofort verfallen lassen - zugunsten der Staatskasse. Da<br />
könnte selbst der Europa das Lächeln gefrieren.<br />
Wenn Autos zu Filmstars werden<br />
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