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Die neue Therapie übersteigt bisher unsere Erwartungen

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<strong>Die</strong>ser Artikel erschien in CAVALLO 2/2012. Sie erhalten das Heft unter:<br />

www.cavallo.de<br />

Gesundheit<br />

Foto: Neues aus der Medizin<br />

Da reißt<br />

was ein<br />

Sehnenschäden legen pro Jahr rund 50 000 Pferde<br />

lahm. Doch moderne Methoden helfen rascher – und<br />

schützen Sehnen vor anfälligem Narbengewebe. Plus<br />

Aufbau-Plan, wie Sie Pferde wieder in Form bringen.<br />

TEXT Cathrin Flößer, Christine Felsinger<br />

52 Februar . 2012 | www.cavallo.de<br />

Wenn Fasern reißen,<br />

schwillt das Bein. Je<br />

schneller der Tierarzt<br />

eingreift, desto besser.<br />

Alarmstufe Rot herrscht im Pferdebein<br />

und im Reiterkopf bei der Albtraum-<br />

Diag nose Sehnenschaden. „Pro Jahr<br />

gibt es 50 000 <strong>neue</strong> Sehnenverletzungen. Bei<br />

Renn- und Sportpferden zählen sie zu den<br />

häufigsten Lahmheitsursachen“, sagt Dr. Nils<br />

Adolphsen von der Tierärztlichen Klinik im<br />

bayrischen Wolfesing. Auch Freizeitpferde<br />

trifft es öfter, als dem Reiter lieb ist. Und jedesmal<br />

fragt er sich: Wird die Sehne wieder<br />

heilen? Was Tierärzte dafür tun können und<br />

welches Reha-Programm die Patienten anschließend<br />

brauchen, lesen Sie auf den folgenden<br />

Seiten, die CAVALLO in Kooperation<br />

mit der TV-Sendung „Neues aus der<br />

Medizin“ (siehe Seite 54) recherchiert hat.<br />

Der Fesselträger ist die<br />

größte Schwachstelle<br />

Ohne Sehnen läuft beim Pferd nichts, denn<br />

sie verbinden Knochen mit Muskeln. <strong>Die</strong><br />

zentralen Stränge (Beugesehne, Fesselträger<br />

und Strecksehne) liegen an den Röhrbeinen.<br />

Besonders anfällig für Sehnenverletzungen<br />

sind die oberflächliche Beugesehne und der<br />

Fesselträger. Laut einer <strong>neue</strong>n Studie der<br />

Universität Wien ist die Erkrankung des Fesselträgers<br />

die häufigste orthopädische<br />

Krankheit im Dressur- und Vielseitigkeitssport,<br />

die zweithäufigste im Springsport.<br />

Dass Sehnen so verwundbar sind, ist auf<br />

den ersten Blick erstaunlich; schließlich halten<br />

die Zugseile bis zu 1000 Kilo. Doch sie<br />

haben ein Manko: Sehnen sind wenig dehnbar.<br />

Setzt man sie zu sehr unter Spannung,<br />

reißen Fasern oder der ganze Strang.<br />

Wie belastbar Sehnen werden, entscheidet<br />

sich schon im Fohlenalter und bei der Aufzucht:<br />

Das natürliche Verhalten von Fohlen<br />

mit viel freier Bewegung und kurzer, intensiver<br />

Belastung beim Spiel scheint fürs<br />

Wachstum stabiler Fasern am besten zu sein.<br />

Sehnen entwickeln ihre maximale Belastbarkeit<br />

bis zum Alter von zwei Jahren. Vom<br />

Niveau, das sie bis dahin erreicht haben,<br />

zehrt ein Pferd sein Leben lang.<br />

Je schlechter die Grundausstattung des<br />

Gewebes, desto eher nagt der Alterungsprozess<br />

an Sehnen. Das Pferd ist anfälliger für<br />

Verletzungen. <strong>Die</strong> entstehen meist durch<br />

Überlastung. Ein falscher Tritt, und die Belastungsgrenze<br />

ist überschritten. Kritisch<br />

sind auch Kaltstarts im Training, bei denen<br />

Sehnen, Muskulatur und Bänder vorher<br />

nicht aufgewärmt werden: Der Reiter steigt<br />

auf und trabt nach zwei Schrittrunden los.<br />

Schwache Muskeln und schwerer Boden<br />

sind Risikofaktoren, die Sehnenschäden begünstigen;<br />

ebenso rückbiegige Vorderbeine,<br />

durchtrittige Fesseln und zu lange Hufzehen<br />

bei zu niedrigen Trachten.<br />

Viele Sehnenschäden<br />

sind schon chronisch<br />

Viele Sehnenerkrankungen haben eine Vorgeschichte,<br />

die oft unerkannt bleibt. Man<br />

nennt solche chronischen, zu spät entdeckten<br />

Sehnenschäden auch „Tendinose“. <strong>Die</strong><br />

fürs akute Stadium typische Entzündung<br />

(Tendinitis) bleibt aus. Deshalb ist es wichtig,<br />

dass Reiter Sehnenschäden schnell auf<br />

die Schliche kommen – etwa, indem sie täglich<br />

die Pferdebeine abtasten.<br />

So checken Sie die Pferdebeine:<br />

1<br />

Entzündungssymptome sind<br />

Wärme, Schwellung, Rötung,<br />

Druckempfindlichkeit, Lahmheit.<br />

2<br />

Dass sich die Beine nach dem<br />

Training wärmer als sonst<br />

anfühlen, ist normal.<br />

3<br />

Kommt eines der anderen<br />

Symptome dazu oder ist ein Bein<br />

heißer, rufen Sie den Tierarzt.<br />

Je eher eine Sehnenverletzung erkannt wird,<br />

desto besser sind die Heilungschancen. Zur<br />

Diagnose reicht dem Tierarzt in der Regel<br />

ein leistungsfähiges Ultraschall-Gerät. Nur<br />

wenn er Längsrisse im Fesselbereich vermutet,<br />

ist eine Kernspin-Tomographie nötig.<br />

Dumm ist nur, dass der Tierarzt oft gar<br />

nicht gerufen wird, weil der Reiter den Sehnenschaden<br />

nicht bemerkt. Ist der Fesselträger<br />

betroffen, gibt es nämlich in der Regel<br />

keine Schwellung. Ist nur ein kleiner Teil der<br />

Sehne verletzt, muss das Pferd noch lange<br />

nicht lahmen. Manche Pferdebesitzer unterschätzen<br />

an sich wichtige Symptome: Weil<br />

eine leichte Schwellung oft nach zwei Tagen<br />

verschwunden ist, halten sie diese für nicht<br />

so dramatisch. <strong>Die</strong> Entzündung ist zwar tatsächlich<br />

nach 14 Tagen ausgestanden, aber<br />

zurück bleibt stets ein chronischer Defekt.<br />

Fotos: Neues aus der Medizin<br />

Werden Sehnen überdehnt, reißen die<br />

Fasern (oben). Hyaluronsäure spritzt<br />

der Tierarzt fächerförmig (unten).<br />

Vorbeugen: 20 Minuten Schritt sind<br />

bei jedem Pferd nötig, um Sehnen<br />

und Muskeln aufzuwärmen (unten).<br />

Foto: Rädlein<br />

Das Tückische daran: Jede Sehnenverletzung<br />

hinterlässt Narbengewebe, das weniger elastisch<br />

und strapazierfähig ist als das ursprüngliche<br />

Gewebe. Oft reißen die Fasern<br />

an dieser Schwachstelle erneut.<br />

Jede <strong>Therapie</strong> zielt daher darauf ab, dass<br />

sich wenig und möglichst gutes Narbengewebe<br />

bildet. Experten wie Dr. Adolphsen<br />

setzen Hoffnungen auf eine <strong>Therapie</strong> mit<br />

Hyaluronsäure in <strong>neue</strong>r Form, kombiniert<br />

mit individuellem Reha-Programm.<br />

Gesundheit<br />

www.cavallo.de | Februar . 2012 53


<strong>Die</strong>ser Artikel erschien in CAVALLO 2/2012. Sie erhalten das Heft unter:<br />

www.cavallo.de<br />

Gesundheit<br />

Kitt für kaputte Sehnen<br />

Neue und wieder entdeckte <strong>Therapie</strong>n im Überblick: Wie gut heilen sie gerissene Fasern?<br />

Bei frischen Sehnenschäden raten Tierärzte<br />

in den ersten Tagen zum Kühlen. Sind akute<br />

Symptome abgeklungen, regt Wärme die<br />

Durchblutung an. Das allein reicht jedoch<br />

nicht, um den Defekt zu kurieren. Tierärzte<br />

greifen zu unterschiedlichen Methoden.<br />

Hyaluronsäure<br />

„<strong>Die</strong> <strong>Therapie</strong> mit Hyaluronsäure war komplett<br />

aus der Sehnentherapie verschwunden“,<br />

sagt Dr. Nils Adolphsen von der Tierklinik<br />

Wolfesing. Jetzt gibt es jedoch eine <strong>neue</strong><br />

Form von Hyaluronsäure auf dem Markt.<br />

Adolphsen stand dem Medikament namens<br />

Tendo Plus zunächst skeptisch gegenüber.<br />

Der Vorteil des Präparats: Im Gegensatz zu<br />

früheren Mitteln kann es direkt am ersten<br />

Tag der Verletzung gespritzt werden. „<strong>Die</strong><br />

Erfolge übersteigen <strong>unsere</strong> <strong>Erwartungen</strong>“,<br />

sagt der Arzt heute. „Tendo Plus hemmt<br />

Durchblick im TV<br />

<strong>Die</strong> Sendung „Neues aus der Medizin“ veranschaulicht<br />

jetzt Wissen übers Pferd (www.<strong>neue</strong>sausdermedizin.de)<br />

Seit 1. Januar 2012 können sich Reiter<br />

nicht nur in <strong>unsere</strong>m Heft, sondern<br />

auch im Fernsehen über das Neueste<br />

aus der Pferdemedizin informieren.<br />

In einer exklusiven Kooperation mit<br />

dem Sender „Das Vierte“ liefern die<br />

Redaktionen von CAVALLO und „Neues<br />

aus der Medizin“ aktuelle Trends und<br />

Erkenntnisse zu wichtigen Gesundheitsthemen.<br />

Den Start machte die<br />

<strong>Therapie</strong> von Sehnenerkrankungen.<br />

<strong>Die</strong>se Sendung mit spannenden<br />

3D-Animationen können Sie unter<br />

www.cavallo.de/sehnen noch<br />

einmal auf Video anschauen, falls Sie<br />

sie im Fernsehen verpasst haben.<br />

Als nächstes wird am Sonntag,<br />

4. März um 19 Uhr mit dem Thema<br />

Hufrehe ein heißes Eisen<br />

angepackt, das in Fachkreisen<br />

kontrovers diskutiert<br />

wird. Viele Reiter, aber auch<br />

Tierärzte verkennen, dass<br />

Hufrehe keine Bagatelle ist,<br />

sondern beim Pferd über<br />

Leben und Tod entscheiden<br />

kann. Rehe ist bei weitem<br />

noch nicht vollständig<br />

54 Februar . 2012 | www.cavallo.de<br />

erforscht. Diskutiert werden Theorien<br />

über die Auslöser. So gibt es die<br />

traumatische oder Belastungsrehe;<br />

Futterrehe durch zu energiehaltige<br />

Nahrung, Geburtsrehe durch Endotoxine,<br />

Vergiftungsrehe durch Fressen von<br />

Giftpflanzen oder Schimmelpilzen<br />

sowie Stoffwechselerkrankungen, die<br />

Rehe auslösen können. Derzeit gehen<br />

Forscher der Erkenntnis nach, dass<br />

Enzyme im Lauf des Entzündungsprozesses<br />

Einfluss nehmen und Ursache<br />

für dramatische Gewebsschäden sind,<br />

die zu Hufbeinsenkung oder -rotation<br />

führen. Es gibt ein simples Mittel,<br />

um diese enzymatischen Prozesse zu<br />

beeinflussen: Eis. <strong>Die</strong>se <strong>Therapie</strong> stellt<br />

die TV-Sendung am 4. März vor.<br />

sofort die Entzündung. Es wandern weniger<br />

Entzündungszellen an die verletzte Stelle“,<br />

erklärt Adolphsen. Und je schneller die Entzündung<br />

gestoppt wird, desto weniger Narbengewebe<br />

entsteht.<br />

So verläuft die <strong>Therapie</strong>: Der Tierarzt<br />

spritzt 2,12 Milliliter an die verletzte Sehne,<br />

aber nicht in den defekten Bereich. „Der<br />

Einstich würde die Sehne erneut traumatisieren“,<br />

sagt Adolphsen. Nach zwei bis drei<br />

Tagen spritzt er das zweite Mal, nach vier bis<br />

sechs Wochen folgt die dritte Spritzkur. <strong>Die</strong><br />

Kosten liegen bei rund 500 Euro. Tendo Plus<br />

kann jeder Tierarzt anwenden. Parallel zur<br />

<strong>Therapie</strong> beginnt das Aufbautraining (siehe<br />

Seite 57). „Es richtet sich danach, wie stark<br />

die Sehne beschädigt ist, wie lahm das Pferd<br />

geht und wie stark das Gewebe entzündet<br />

ist“, erklärt der Tierarzt.<br />

Auch chronische Sehnenschäden konnten<br />

die Tierärzte der Pferdeklinik Wolfesing<br />

schon erfolgreich behandeln. „Tendo Plus<br />

hilft, körpereigene Hyaluronsäure zu bilden“,<br />

sagt Dr. Nils Adolphsen. Dadurch können<br />

Schadstoffe schneller abtransportiert werden,<br />

und es entsteht stabileres Ersatzgewebe.<br />

<strong>Die</strong> <strong>neue</strong> Spritzkur kann mit anderen <strong>Therapie</strong>n<br />

kombiniert werden – etwa mit der<br />

Platelet-Rich-Plasma-Methode PRP.<br />

Jede Landung nach dem Sprung<br />

belastet die Sehnen enorm.<br />

Foto: Sandra Zuerlein – Fotolia.com<br />

Foto: Neues aus der Medizin<br />

„<strong>Die</strong> <strong>neue</strong> <strong>Therapie</strong><br />

<strong>übersteigt</strong> <strong>bisher</strong><br />

<strong>unsere</strong> <strong>Erwartungen</strong>“<br />

Platelet Rich Plasma<br />

Bei der Behandlung mit Platelet Rich Plasma<br />

(PRP) kommen konzentrierte Blutplättchen<br />

zum Einsatz. Sie werden durch kurzes Zentrifugieren<br />

des Pferdebluts gewonnen. Schon<br />

ein paar Minuten später können sie an die<br />

defekte Stelle gespritzt werden. <strong>Die</strong>se <strong>Therapie</strong><br />

eignet sich gut für die akute Entzündungsphase.<br />

Studien zeigen, dass ein halbes<br />

Jahr nach der Behandlung mit PRP der Anteil<br />

gerissener Fasern deutlich geringer war<br />

als bei Pferden, die nicht mit den Blutplättchen<br />

therapiert worden waren. Das fanden<br />

Forscher der niederländischen Universität<br />

Utrecht heraus, die den Heilungsprozess per<br />

Ultraschall verfolgten.<br />

Stammzellentherapie<br />

Bei dieser <strong>Therapie</strong> entnimmt der Tierarzt<br />

Knochenmark aus Brustbein oder Hüfthöcker<br />

oder Fettgewebe am Schweifansatz. <strong>Die</strong><br />

darin enthaltenen Stammzellen werden im<br />

Labor isoliert und vermehrt. Das dauert<br />

zwei bis vier Wochen. Dann wird die<br />

Stammzell-Suspension in das geschädigte<br />

Dr. Nils Adolphsen von der Tierärztlichen<br />

Klinik für Pferde in Wolfesing/Bayern.<br />

Gewebe injiziert, wo<br />

sich die Zellen ansiedeln<br />

und den körpereigenenReparaturmechanismus<br />

ankurbeln.<br />

<strong>Die</strong> Stammzelltherapie<br />

vermindert das Risiko,<br />

dass Fasern in der behandelten<br />

Sehne erneut<br />

reißen. Denn die<br />

biologisch aktive Substanz kittet Defekte mit<br />

Gewebe, das dem gesunden am ehesten<br />

gleicht. <strong>Die</strong> Chance, dass ein sehnenkrankes<br />

Pferd wieder sein früheres Leistungsniveau<br />

erreicht, liegt nach <strong>bisher</strong>igen Erkenntnissen<br />

bei 80 Prozent oder höher.<br />

Sehnenspaltung<br />

Bei chronischen Schäden kann eine Sehnenspaltung<br />

(Tendonsplit) helfen – eine Methode,<br />

die in Vergessenheit geraten war, aber<br />

manchmal helfen kann. Mit einem speziellen<br />

Instrument wird die Sehne im geschädigten<br />

Bereich über einen Hautschnitt längs<br />

gespalten. Das wirkt wie eine Wundauffrischung:<br />

Es stimuliert die Bildung von Narbengewebe<br />

und aktiviert die Heilung.<br />

Stoßwellentherapie<br />

Stoßwellentherapie ist seit Jahren etabliert,<br />

rechtfertigt aber die anfängliche Euphorie<br />

nicht. Sie soll die Durchblutung anregen,<br />

erreicht aber tiefer liegendes Narbengewebe<br />

nicht. Hilfreich ist sie bei Insertionsdesmopathien<br />

am Übergang Sehne-Knochen.<br />

Foto: Tierklinik Wolfesing<br />

Foto: Rädlein<br />

Fotos: Walliser<br />

Das Ultraschallfoto links oben<br />

zeigt den Riss der oberflächlichen<br />

Beugesehne. Bei der Endoskopie<br />

erkennt man defekte Sehnenfasern<br />

(rechts oben). Der Tierarzt<br />

tastet die Sehne ab (unten).<br />

Gesundheit<br />

www.cavallo.de | Februar . 2012 55<br />

www.cavallo.de | Februar . 2012 55


<strong>Die</strong>ser Artikel erschien in CAVALLO 2/2012. Sie erhalten das Heft unter:<br />

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Gesundheit<br />

Fotos: Rädlein<br />

Der Schlüssel zur Heilung<br />

Sehnenpatienten müssen laufen, um fit zu werden – am besten auf Asphalt und im Wasser.<br />

Ein gutes Reha-Programm ist bei Sehnenverletzungen<br />

der Schlüssel zum Erfolg. Und<br />

zwar bei jeder Behandlungsmethode. Reine<br />

Boxenruhe ist dagegen absolut kontraproduktiv.<br />

<strong>Die</strong> Bewegung beginnt, sobald das<br />

Pferd im Schritt lahmfrei ist.<br />

Nur durch dosierte Belastung entwickelt<br />

sich das Ersatzgewebe, das bei jedem Schaden<br />

entsteht, in die erforderliche Längsrichtung<br />

und wird elastisch. Steht das Pferd<br />

dagegen still, wächst dieses Gewebe in alle<br />

Richtungen und verklumpt. Bewegung auf<br />

hartem, ebenem Boden wie Asphalt scheint<br />

den Reiz zu vermitteln, dass Narbengewebe<br />

zu sehnenähnlichem Gewebe wird.<br />

Das Bewegungsprogramm startet Tierarzt<br />

Dr. Nils Adolphsen mit wenigen Minuten<br />

Schritt auf ebenem Boden (siehe Trainingsplan<br />

rechts). „Wie viel entzündungshemmende<br />

Arzneimittel der Tierarzt in der ersten<br />

Reha-Phase einsetzt, ist ein Eiertanz“,<br />

gibt Adolphsen zu. Denn Entzündungshemmer<br />

überlagern auch den Schmerz und lassen<br />

die Lahmheit verschwinden.<br />

Aquatraining ist eine weitere Möglichkeit<br />

zur Reha, die inzwischen immer mehr Pferdekliniken<br />

nutzen. Der Vorteil: Bereits wenige<br />

Tage nach der Diagnose können selbst<br />

akut sehnenkranke Patienten schonend im<br />

Wassertank laufen.<br />

Im Bad gibt‘s Auftrieb<br />

für lädierte Pferdebeine<br />

„Wassertreten stimuliert die Durchblutung<br />

und hilft, Stoffwechselprodukte schneller<br />

abzubauen als bei einer reinen Bewegungstherapie<br />

auf Asphalt“, meint Dr. Nils Adolphsen.<br />

Moderne Geräte bieten sogar richtige<br />

Kneipp-Kuren. „Der Wechsel zwischen heiß<br />

und kalt regt die Durchblutung im beschädigten<br />

Gewebe noch stärker an“, sagt<br />

Adolphsen. Weitere Vorzüge des Aquatrainers:<br />

Bereits bei geringer Wasserhöhe wird<br />

ein Auftrieb erzeugt, der die Belastung für<br />

die Sehnen reduziert. <strong>Die</strong> Wasserbewegung,<br />

die sich beim Training verbreitet, hat einen<br />

ähnlichen Effekt wie ein Whirlpool: Das<br />

blubbernde Nass massiert die Fasern und<br />

kurbelt ebenfalls die Durchblutung an. Ganz<br />

nebenbei hilft Wassertreten auch beim Muskelaufbau.<br />

Und gut trainierte Muskeln entlasten<br />

verletzte Sehnen.<br />

Neben dem Wassertreten setzt Dr. Nils<br />

Adolphsen bei Reha-Patienten auf Laufbandtraining:<br />

„Hier geht das Pferd in einer<br />

ruhigen und gleichmäßigen Bewegung.“<br />

Mittels Ultraschall beobachtet der Tierarzt<br />

den Heilungsverlauf. Unkontrollierte<br />

Bewegung auf der Weide ist während der<br />

gesamten Reha-Phase tabu. Bis das Pferd<br />

wieder voll belastbar wird, vergehen mehrere<br />

Monate bis zu einem Jahr.<br />

Kühlen hilft in den ersten drei Tagen (links), danach kurbelt Wärme die Durchblutung an. Mit viel Geduld und einem<br />

kontrollierten Bewegungsprogramm werden Sehnenpatienten nach einigen Monaten wieder einsatzfähig (rechts).<br />

56 Februar . 2012 | www.cavallo.de<br />

Der Muster-Plan<br />

Tierarzt Dr. Nils Adolphsen skizziert ein Beispiel für <strong>Therapie</strong><br />

und Aufbau-Training nach Verletzung der Beugesehne.<br />

Erste Woche: <strong>Die</strong> Ultraschalluntersuchung<br />

zeigt eine mittelschwere Verletzung<br />

der oberflächlichen Beugesehne.<br />

Das Bein wird mit Eiswasser, Kühlpasten<br />

oder -bandagen gekühlt. Kälte wirkt<br />

schmerzlindernd und verhindert, dass<br />

sich die Schwellung weiter ausbreitet.<br />

Antiphlogistika hemmen Schmerzen und<br />

lindern die Entzündung zusätzlich. Der<br />

Tierarzt spritzt gleich am ersten Tag<br />

Tendo Plus, nach zwei bis drei Tagen<br />

erneut. Das Bein ist geschwollen. Weil<br />

das Pferd lahmt, hat es Boxenruhe.<br />

Zweite Woche: <strong>Die</strong> Schwellung ist<br />

deutlich zurückgegangen, das Pferd<br />

lahmt im Schritt nicht mehr. Das<br />

Bewegungsprogramm beginnt mit<br />

täglich 10 Minuten Führen im Schritt<br />

auf hartem, ebenem Boden. Das Bein<br />

bleibt bandagiert und wird mit essigsaurer<br />

Tonerde behandelt.<br />

Dritte Woche: <strong>Die</strong> Bewegung kann auf<br />

20 Minuten pro Tag gesteigert werden.<br />

Vierte Woche: Der Reiter darf 30 Minuten<br />

im Schritt führen. Der Tierarzt spritzt<br />

das dritte Mal Tendo Plus.<br />

Fünfte Woche: Jetzt darf das Pferd<br />

40 Minuten im Schritt gehen.<br />

Sechste Woche: Eine <strong>neue</strong> Ultraschalluntersuchung<br />

zeigt den Verlauf der<br />

Heilung. Jetzt darf der Reiter 20 Minuten<br />

im Schritt auf hartem Boden reiten.<br />

Siebte Woche: <strong>Die</strong> Bewegung unterm<br />

Sattel wird langsam gesteigert bis hin<br />

zu 40 Minuten Schritt reiten.<br />

Achte Woche: Das Pferd darf 50 Minuten<br />

im Schritt unterm Sattel gehen.<br />

Neunte Woche: Das Pferd darf eine<br />

Stunde im Schritt bewegt werden.<br />

Gesundheit<br />

Laufen für die Heilung: <strong>Die</strong> Reiterin<br />

führt das kranke Pferd im Schritt.<br />

Nach zehn Wochen: Das Ultraschallbild<br />

zeigt eine gute Heilungstendenz,<br />

und das Pferd ist auch im Trab lahmfrei.<br />

Jetzt reicht es, das Bein nachts zu<br />

bandagieren. Das Pferd kann unbegrenzt<br />

im Schritt auf dem Reitplatz<br />

geritten werden. Das Training beginnt<br />

mit kurzen Trabreprisen.<br />

Nach drei Monaten: Bevor die<br />

Galopparbeit beginnt, checkt der<br />

Tierarzt erneut die Sehne mittels<br />

Ultraschall. Weil die Heilung gut<br />

verläuft, darf das Pferd jetzt auch kurze<br />

Reprisen galoppieren und in Schritt-<br />

Trab-Übergängen gearbeitet werden.<br />

Nach vier Monaten: Jetzt können<br />

kleine Sprünge und Dressurlektionen in<br />

die tägliche Arbeit auf dem Platz oder in<br />

der Halle mit einbezogen werden.<br />

Nach einem halben Jahr: <strong>Die</strong> letzte<br />

Ultraschalluntersuchung zeigt, dass die<br />

Sehne ausgeheilt ist. <strong>Die</strong> Reha-Phase ist<br />

damit beendet, und das Pferd ist jetzt<br />

wieder voll einsatzfähig.<br />

www.cavallo.de | Februar . 2012 57<br />

Gesundheit<br />

www.cavallo.de | Februar . 2012 57

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