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Laboratorium Sowjetunion (LF) - edgar lange

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L A B O R A T O R I U M<br />

SOWJETUNION<br />

Skizze zu einer dokumentarischen Reihe


L A B O R A T O R I U M<br />

SOWJETUNION<br />

Copyright:<br />

LICHTfilm<br />

Neusser Str. 52<br />

D-50670 Köln<br />

Tel.: +49-221-97265-17<br />

Fax: +49-221-97265-18<br />

Gestaltung:<br />

Edgar Lange,<br />

design & development, Köln<br />

Von den Schöpfungsphantasien der russischen<br />

Moderne zu den apokalyptischen Experimenten<br />

der sowjetischen Wissenschaft<br />

Vorschlag für eine Dokumentarreihe<br />

von Wolfgang Bergmann,<br />

Christoph Boekel,<br />

Peter Heller,<br />

Irene Langemann<br />

Fachberatung: Torsten Rüting<br />

Vorwort des Produzenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2<br />

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3<br />

Teil 1:<br />

Neuer Mensch - Schöne Welt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7<br />

Teil 2:<br />

Von Fliegen und Affen zu sozialistischen Übermenschen . . . . . . . . . . 11<br />

Teil 3:<br />

Von Pawlows Hunden zu Stachanows Arbeitern . . . . . . . . . . . . . . . . 14<br />

Teil 4:<br />

Pflanzenerziehung unter Stalins Aufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18<br />

Teil 5:<br />

„Höher, weiter, schneller“ - bis zum „Stern von Tschernobyl“ . . . . . . 22<br />

Filmographien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26<br />

Budget, Vorbereitung und Produktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34


L A B O R A T O R I U M<br />

SOWJETUNION<br />

Vorwort des Produzenten<br />

Die Idee zu dieser Serie entstand aus zwei zusammenfließenden Richtungen:<br />

� Eine Gruppe Filmrechercheure aus Moskau zeigte Irene<br />

Langemann und Wolfgang Bergmann Material über die<br />

Verwendung von Tieren und Menschen als Versuchsobjekte<br />

während der Tests der sowjetischen Atom- und Wasserstoffbomben.<br />

Es stammt aus bisher verschlossenen Sonderarchiven und<br />

enthält unbekanntes Filmmaterial (s. Begleitvideo). Wir begannen<br />

über einen Film nachzudenken, der die damalige euphorische<br />

Zeitstimmung darstellen sollte, in der „sozialistische“ Menschen<br />

glaubten, alles technisch Denkbare auch praktisch durchführen<br />

zu können.<br />

� Parallel dazu plante Peter Heller einen Film über die Leistungen<br />

des russisch/sowjetischen Züchters Mitschurin und seines späteren<br />

Gegenspielers Lyssenko. Schon als jungem Schüler in der<br />

sozialistischen Tschechoslowakei waren ihm diese „Heldengestalten“<br />

in Schulbüchern nahegebracht worden.<br />

Als wir überlegten, ob wir gemeinsam eine kleine Reihe zu diesen Themen<br />

entwickeln sollten, trafen wir auf den Hamburger Wissenschaftshistoriker<br />

Torsten Rüting. Mit seinem Detailwissen ermutigte er uns<br />

zu einem größeren Serienvorhaben, dessen erste Skizze wir hiermit vorlegen.<br />

Es sind nun folgende weitere Schritte notwendig:<br />

� Wir müssen das verfügbare Archivmaterial überprüfen;<br />

� Zeitzeugen finden;<br />

� zusammen mit Redakteuren überprüfen, ob die<br />

Struktur der Serienteile in vorliegender Form richtig<br />

proportioniert ist.<br />

Wir beabsichtigen diesen Stoff bei der Developement Förderung des<br />

Media II Projektes in Brüssel einzureichen, weil die Qualität der späteren<br />

Serie sehr stark von der Vorbereitungsarbeit abhängt.<br />

3


L A B O R A T O R I U M<br />

SOWJETUNION<br />

„Wer wen? Einholen-Überholen“ -<br />

sowjet. Plakat von 1920<br />

Einleitung<br />

Noch vor 10 Jahren glaubte kaum jemand an das Ende des Sowjetstaates<br />

in diesem Jahrtausend. Die sowjetische Herrschaft schien aus<br />

Rußland und den anderen Unionsstaaten eine moderne Supermacht<br />

geschmiedet zu haben, die aus dem Weltgeschehen der<br />

kommenden Ära kaum weggedacht werden konnte.<br />

Doch jetzt, nach dem Zusammenbruch der <strong>Sowjetunion</strong>,<br />

scheint Rußland auf die Stufe eines Entwicklungslandes<br />

zurückgefallen zu sein, obwohl sowjetische Spitzenleistungen<br />

in Forschung und Rüstung die Welt immer wieder<br />

in Atem hielten und halten. Vor dem Hintergrund der<br />

Ruinen und Wüsten des „sozialistischen Experiments“<br />

wirken auf viele die in aller Welt gefürchteten oder<br />

geschätzten Weltraumstationen, Atomraketen, Industriekolosse,<br />

Wasserkraftwerke, Kampfjets, U-Boote und<br />

Spezialkliniken wie die Überreste einer hochmodernen<br />

und doch barbarischen Zivilisation, die sich einst über<br />

Europas rückständige Ostprovinzen ausbreitete. Die<br />

Hochkultur der Sowjetzivilisation hinterließ High-Tech-<br />

Fossilien und monumentale Bau- und Kunstwerke, die<br />

das seltsame Grauen eines kompromißlosen Fortschritts<br />

umweht.<br />

In Anbetracht des jetzt erkennbaren Ausmaßes der<br />

Zerstörung von Natur und Menschen unter der sowjetischen<br />

Herrschaft, bekommen wir eine Ahnung von einer<br />

Apokalypse, auf die die Moderne zusteuert. Chaos, Zerstörung,<br />

Unterentwicklung und Fremdbestimmung des<br />

heutigen Rußlands sind die Folgen eines Regimes, das das Land innerhalb<br />

weniger Jahre in einen Industriestaat verwandelte und anstrebte,<br />

die Modernität Europas zu übertreffen. Der Kult und Mythos um Naturwissenschaft<br />

und Technik war darum viel eher als der Marxismus das<br />

Charakteristikum der Sowjetherrschaft. Es waren der Sputnik und der<br />

Kosmonaut Gagarin, die die westlichen Vorstellungen von der Rückständigkeit<br />

Sowjetrußlands erschütterten.<br />

Nach dem Zusammenbruch des Sowjetstaates und der Öffnung<br />

vieler vorher geheimer Archive begann eine stürmische Aufarbeitung<br />

und Revision bisheriger Bilder der Geschichte und Kultur der Sowjetzivilisation.<br />

Mythen der sowjetischen Geschichtsschreibung konnten<br />

ebenso korrigiert werden wie die im Kalten Krieg verzerrten westlichen<br />

Darstellungen. Es wurde erstmals auch eine fundierte Vergleichbarkeit<br />

mit den Entwicklungen im Westen möglich. Die Suche nach den Ur-<br />

4


L A B O R A T O R I U M<br />

SOWJETUNION<br />

Josef Stalin<br />

sachen der erschreckenden Ähnlichkeiten mit dem nationalsozialistischen<br />

Versuch, eine neue Welt zu konstruieren, begann.<br />

Im kritischen Rückblick werden jetzt größere Zusammenhänge erkennbar<br />

und plastisch darstellbar, wie sich der sowjetische Naturwissenschaftskult<br />

aus dem Projekt der europäischen Moderne entwickelte,<br />

wie sehr er vom Westen angetrieben wurde. Auch in Zeiten extremer<br />

Konkurrenz der Systeme versuchte die sowjetische Forschung nach der<br />

Devise Stalins innerhalb weniger Jahre den Westen aufzuholen und zu<br />

überholen. Echte alternative eigene Entwicklungen gab es dabei kaum.<br />

Unter der sowjetischen Herrschaft wurde Rußland zum Experimentierfeld<br />

der Ideen der Moderne - zum Labor ihrer sozialen und naturwissenschaftlichen<br />

und technischen Fiktionen. Das „sozialistische Experiment“<br />

unterwarf das Land einer brutalen Modernisierung. Beim verzweifelten<br />

Versuch aufzuholen, wagte man Experimente, die im Westen<br />

nur angedacht wurden. Die <strong>Sowjetunion</strong> bot schon damals entfesselte<br />

Forschungs- und Experimentiermöglichkeiten, befreit von den Konventionen<br />

der bürgerlichen Gesellschaft und den traditionellen Strukturen.<br />

Hier schien der Mensch sich, seine Gesellschaft, seine Wissenschaft,<br />

seine Technik grenzenlos entwickeln zu können - alle Fesseln der Vergangenheit<br />

und der Natur abstreifen zu können. Westliche Intellektuelle<br />

und Wissenschaftler strömten in das jungfräuliche Land des zukünftigen<br />

Paradieses oder bejubelten seine Fortschrittlichkeit. Neben dem<br />

Motiv des „<strong>Laboratorium</strong>s der entfesselten Moderne“ verfolgen wir<br />

in unserer Reihe einen Aspekt, der die gesamte Kultur , Kunst, Wissenschaft<br />

und Forschung der Sowjetzivilisation prägte und wie einen<br />

roten Faden durchzog und zusammenhielt: Der Mythos vom „neuen<br />

Menschen“, der übermenschliches leisten kann, um die menschliche<br />

Rückständigkeit zu überwinden. Die Idee, „neues Leben“ und „neue<br />

Menschen“ konstruieren zu können, vereinigte Kunst, biologische<br />

Wissenschaft und moderne Technik in Schreibstube, Atelier, Fabrik<br />

und Labor. In der <strong>Sowjetunion</strong> offenbarte die Moderne ihr Janusgesicht.<br />

Neuer Mensch - Schöne Welt.<br />

Biologische Utopien der russischen Moderne in Literatur und Kunst<br />

In der ersten Folge wird die kontinuierliche „Kopfgeburt“ des<br />

„neuen Menschen“ in der Kunst der russischen Moderne und deren<br />

Avantgardegruppierungen dargestellt. Gott war tot. Das menschliche<br />

Kollektiv sollte den göttlichen Schöpfungsprozeß ersetzen. Deutlich<br />

5<br />

Einleitung


L A B O R A T O R I U M<br />

SOWJETUNION<br />

wird: Diese Entwicklung war vom Westen inspiriert und die Russische<br />

Revolution kein Bruch sondern Aufbruch in eine ungleich größere<br />

Dimension des Experimentierens mit der Schöpfung des „neuen<br />

Lebens“. Der Stalinismus und Gorkijs sozialistischer Realismus disziplinierten<br />

die Träumer und ihre Experimente. Der „neue Mensch“ wurde<br />

wieder menschlicher, volksverbundener gestaltet, aber um so härter in<br />

einen stählernen Panzer der Disziplin gepreßt. Es entstand die Skulptur<br />

und Schablone des heldischen Vorbildes im monolithischen Gesamtkunstwerk<br />

der Sowjetkultur.<br />

Von Fliegen und Affen zu sozialistischen Übermenschen<br />

Genetik und Menschenzüchtung im sozialistischen Experiment<br />

In Folge II wird gezeigt, wie weit das „soziale Experiment“ mit dem<br />

biologischen Experiment gekoppelt war. Der Versuch, den „neuen Menschen“<br />

zu schaffen, beinhaltete auch Experimente zur Züchtung des<br />

Übermenschen. Westliche Forscher sahen in der von den Konventionen<br />

der bürgerlichen Gesellschaft befreiten <strong>Sowjetunion</strong> das gelobte Land<br />

zur Verwirklichung ihrer Phantasien zur Zeugung optimierter Nachkommen,<br />

die eine „schöne neue Welt“ bauen können. Doch der russische<br />

Mensch war nicht so modern wie ihre Forscher. Die Umsetzung<br />

scheiterte an den neuen, von Stalin gesetzten Prioritäten der gewaltsamen<br />

Industrialisierung, am Konservatismus der russischen Gesellschaft,<br />

der Stalinisierung und an den Wirren des Krieges.<br />

Von Pawlows Hunden zu Stachanows Arbeitern<br />

Erziehungs- und Disziplinierungsversuche in Labor und Fabrik<br />

In Folge III verfolgen wir die wissenschaftlichen, künstlerischen<br />

und politischen Versuche, eine wesentliche Eigenschaft des „neuen<br />

Menschen“ zu erzeugen: Disziplin. Der Wissenschaftler Pawlow und<br />

seine Technik zur Konditionierung von Verhalten nimmt hierbei nicht<br />

nur exemplarisch eine erstaunlich bedeutende Stellung ein. Seine Lehre<br />

und Technik fand bei den Sowjets zunehmendes Interesse und Unterstützung.<br />

Stalin machte Pawlow nach dessen Tod zum Dogma für alle<br />

Lebenswissenschaften, einschließlich der Psychologie, Pädagogik und<br />

Kybernetik (Eine Propagandaerscheinung in diesem Zusammenhang<br />

war der gepriesene „Held der Arbeit“ Stachanow). Die <strong>Sowjetunion</strong><br />

koppelte ihre Gesellschaft damit von schöpferischen Neuentwicklungen<br />

ab, was sich bis heute negativ bemerkbar macht.<br />

6<br />

Einleitung


L A B O R A T O R I U M<br />

SOWJETUNION<br />

Pflanzenerziehung unter Stalins Aufsicht<br />

Lyssenkos „Neue sowjetische Biologie“ und der Kalte Krieg<br />

gegen die Genetiker<br />

Folge IV schildert die Karriere Lyssenkos, der Stalin eine Alternative<br />

zu den im Westen entwickelten genetischen Züchtungstechniken anbot:<br />

das bizarre Modell der Erziehung und Transformation der Pflanzenwelt<br />

durch Umweltbedingungen. Lyssenko entsprach Stalins gewandelten<br />

Vorstellungen vom „neuen Menschen“ der sowjetischen Wissenschaft:<br />

Er ließ sich und seine Texte vom Führer korrigieren. Pawlows Lehre und<br />

Lyssenkos Theoreme wurden zum Kunstgebilde der neuen sowjetischen<br />

Bildung synthetisiert. Die Modernisierung der sowjetischen Landwirtschaft<br />

wurde damit jahrzehntelang geschädigt und die biologische<br />

Forschung zurückgeworfen.<br />

„Höher, weiter, schneller“ - bis zum „Stern von Tschernobyl“<br />

Biomedizin, Raumfahrt und Atomforschung überwinden die<br />

Grenzen der Natur<br />

Folge V verfolgt die bedeutende Rolle der biomedizinischen Wissenschaft<br />

und der Strahlenforschung bei der Konstruktion des Mythos vom<br />

sowjetischen Heldenmenschen, der alle Grenzen überschreiten, allen<br />

Belastungen standhalten kann. Stratosphäre, Kosmos und Radioaktivität<br />

sollten überwunden werden, wie die eigene Natur. Noch lebende<br />

Opfer dieser Experimente schildern die Tragödie und klagen an. Der<br />

Umgang mit der Katastrophe und die Wiederinbetriebnahme der Atomreaktoren<br />

von Tschernobyl symbolisieren die paradoxe Kontinuität des<br />

Experimentierens mit der Moderne.<br />

7<br />

Einleitung


L A B O R A T O R I U M<br />

SOWJETUNION<br />

Neuer Mensch - Schöne Welt<br />

Biologische Utopien der russischen Moderne in Literatur und Kunst<br />

(1860 -1930)<br />

„Dann wird die Wissenschaft selbst den Menschen beleh- Rußland überraschte Europa mit Revolutioren<br />

und ihm sagen, daß er in Wirklichkeit weder Wille nen in Politik und Kunst. Während im Westen<br />

noch Laune besitze noch je besessen habe, und daß er Utopien Utopien blieben, begannen in der Kultur-<br />

selbst nichts anderes sei als eine Art Klaviertaste oder provinz Avantgardegruppierungen damit, politi-<br />

Drehorgelstiftchen.“<br />

sche und künstlerische Ideen in die Wirklichkeit<br />

(Dostojewskij 1864)<br />

umzusetzen. Rußland wurde zum Experimentierfeld<br />

und „<strong>Laboratorium</strong> der Moderne“ (Karl<br />

„In Maschinen und Instrumenten hat man alles<br />

Schlögel), Moskau und St. Petersburg zu neuen<br />

berechnet und justiert. Wir werden das gleiche machen Kulturzentren der Welt. Aus unserer Perspektive<br />

mit der lebenden Maschine - dem Menschen.“<br />

wird deutlich, daß die Kunst dabei der eigentliche<br />

(Alexej Gastev, Dichter und sowjetischer<br />

Wegbereiter war. Sowohl politische als auch<br />

Arbeitswissenschaftler 1922)<br />

wissenschaftliche Experimente mit den russischen<br />

Menschen wären nicht möglich gewesen ohne<br />

den Glauben an die wegweisende Autorität und<br />

lebensschöpferische Qualität der Kunst. Dieser<br />

Glaube bezog seine Wirksamkeit aus Motiven der christlichen Religion,<br />

die die Künstler meinten hinter sich zu lassen oder zu übertreffen.<br />

Herausragendes Beispiel hierfür ist der Schriftsteller Nikolaj<br />

Tschernyschewskij (1828-1889). Im Westen nahezu unbekannt, ist<br />

sein Name in der ehemaligen DDR jedoch den meisten noch geläufig.<br />

Seine Werke gehörten zur Pflichtliteratur der Schulen der <strong>Sowjetunion</strong>.<br />

Wenige wissen, daß ein Großteil der Romane Dostojewskijs in der<br />

Auseinandersetzung mit den Ideen und der Person Tschernyschewskijs<br />

entstanden. Seine Vorstellungen vom „neuen Menschen“ im Roman<br />

„Was Tun“ (1863) bildete er dem Apostel Paulus nach und waren Dostojewskij<br />

ein Greuel. Er sah voraus, daß ihr Rationalismus und ihr heiliger<br />

Atheismus in einem System enden würde, in dem die Menschen<br />

nur noch unmündige „Drehorgelstiftchen“ sein dürfen. Auch Vladimir<br />

Nabokov arbeitete sich an Tschernyschewskij ab und gab ihm Schuld<br />

am Niedergang der Kultur unter den Sowjets.<br />

Tatsächlich dienten Tschernyschewskijs asketische „neue Menschen“<br />

vielen russischen Intellektuellen und Revolutionären als Vorbilder.<br />

Lenin arrangierte sogar seine Liebesbeziehungen entsprechend.<br />

Die superrationalen und selbstdisziplinierten Prototypen des „neuen<br />

Menschen“ waren Ärzte, Naturwissenschaftler und Revolutionäre<br />

8


L A B O R A T O R I U M<br />

SOWJETUNION<br />

Josef Tschaikow: Elektrifikator<br />

1921<br />

zugleich. Sie wollten, angefangen bei ihrem<br />

Nervensystem und sexuellem Verhalten, die<br />

Welt vollkommen umgestalten. Ihr Utopia war<br />

ein sozialtechnisches Science-Fiction-Paradies.<br />

In der apokalyptischen Stimmung der sich<br />

rasend verändernden russischen Gesellschaft<br />

verschwammen jedoch die Grenzen zwischen<br />

Realität und Fiktion. „Was Tun“ beschrieb<br />

Typen, die zugleich auch in den Laboratorien<br />

Petersburgs zu finden waren. Literatur, mit<br />

dem Anspruch, die Wirklichkeit zu beschreiben,<br />

wurde sofort umgesetzt in künstlerisch experimentelle<br />

Realität. Als um die Jahrhundertwende<br />

in einer neuen Welle apokalyptischen<br />

Denkens die russischen Modernisten und deren<br />

„Stoßtruppen“, die Futuristen, inspiriert von<br />

den Philosophen Vladimir Solowjow (1853-<br />

1900) und Nikolaj Fedorov (1828-1903) den<br />

Realismus der vergangenen Epoche bekämpften<br />

und ablösten, „recycelten“ sie deren Ideen<br />

vom „neuen Menschen“. Im Lichte eines neuen Idealismus und Mystizismus.<br />

Natur und Natürliches sollten dann vollkommen ihre Autorität<br />

verlieren. Nur Künstliches, vom Menschen Geschaffenes oder Geformtes,<br />

sollte schön sein. In künstlerischen Schöpfungsakten sollte die Welt<br />

und der Mensch neu geboren und unsterblich werden. Der „neue<br />

Mensch“ - als „Kopfgeburt“ - von der natürlichen Fortpflanzung entkoppelt.<br />

Westliche Ideen, vor allem Nietzsche, wurden willkürlich, aber<br />

nicht unbedingt bewußt, dem Amalgam der russischen Modernisten<br />

zugefügt. Ihr „neuer Mensch“ war dann eine Kreuzung des christlich<br />

paulinischen „neuen Menschen“, Tschernyschewskys „neuen Menschen“<br />

und Nietzsches „Übermenschen“. Mit immer radikaleren Ansichten<br />

suchten die Symbolisten dann alles Alte zu zerstören und das<br />

menschliche Leben ästhetisch umzugestalten, angefangen mit Experimenten<br />

an ihrem eigenen Leib und Leben und ihren völlig unkonventionellen<br />

Darstellungen. Die Avantgarde der Kunst und die Avantgarde<br />

der Arbeiterklasse, die sich z.T. auch personell überschnitten, radikalisierten<br />

sich, als in der Apokalypse des ersten Weltkrieges die alte europäische<br />

Kultur die Dekadenz und den Zerfall ihrer Werte demonstrierte.<br />

Jetzt schien allen Erfindern des „neuen Lebens“ die Zeit reif für die<br />

Anwendung in großem Maßstab. Nach der Revolution entstand der<br />

9<br />

Neuer Mensch - Schöne Welt


L A B O R A T O R I U M<br />

SOWJETUNION<br />

El Lissitzky: Schlagt die Weissen<br />

mit dem roten Keil,1920<br />

Ein Komsomol-Junge an einem<br />

Rad, Fotografie von Arkady<br />

Shaikhet 1936<br />

Konstruktivismus und versuchte über das Design die neue<br />

Welt zu bestimmen. Unter dem Slogan „Eine neue Welt bauen“<br />

schufen viele Künstler wie Majakowskij, Tretjakov, Malewitsch,<br />

Tatlin mit neuen Techniken und Materialien Industrieprodukte,<br />

Bauwerke und Inneneinrichtungen. Der von<br />

Tschernyschewskij und Gorkij geprägte Dichter Gastev - „der<br />

Barde des Maschinenzeitalters“ - wurde Arbeitswissenschaftler.<br />

Aus seinem Institut heraus wurden die Lehre der Biomechanik<br />

und System des Taylorismus in die Fabriken eingeführt. Die<br />

Bewegungen der Arbeiter sollten optimal an den Rhythmus<br />

der Maschinen angepaßt, eine bislang unbekannte Schönheit<br />

und Effizienz ermöglichen. Auch das experimentelle Theater<br />

Meyerholds und der Film Eisensteins sollten taylorisiert werden.<br />

Mit neuen biopsychologischen Techniken, durch genau<br />

kontrollierte Bewegungen und Effekte, sollte die Effizienz der<br />

Konstruktion der Emotionen um das Vielfache gesteigert werden.<br />

Trotzky, Schöpfer und Führer der Roten Armee, faßte unter<br />

der Überschrift „Kunst der Revolution und die sozialistische<br />

Kunst“ 1924 das Ziel zusammen: „Der Mensch wird endlich<br />

daran gehen, sich selbst zu harmonisieren. Er wird es sich zur<br />

Aufgabe machen, der Bewegung seiner eigenen Organe - bei<br />

der Arbeit, beim Gehen oder im Spiel - höchste Klarheit,<br />

Zweckmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit und damit Schönheit zu<br />

verleihen. ... Der Mensch wird sich zum Ziel setzen, ... sich auf<br />

eine höhere Stufe zu erheben - einen höheren gesellschaftlichbiologischen<br />

Typus, und wenn man will - den Übermenschen<br />

zu schaffen.“<br />

Wie Trotzky war auch der Schriftsteller Maxim Gorkij von Nietzsche<br />

tief geprägt. Seine seit der Jahrhundertwende entstandenen Heldenmythen<br />

hatten enormen Einfluß auf das Bewußtsein der Menschen<br />

und mündeten in die Entstehung des sowjetischen Mythos vom sozialistischen<br />

Übermenschen. An der Seite Lenins wirkte Gorkij unermüdlich<br />

für den Aufbau von Kunst, Kultur, Wissenschaft und Technik der jungen<br />

<strong>Sowjetunion</strong>. Dann, nach kritischer Distanzierung und Zweifel im Exil,<br />

glaubte er die Träume vom Neuen Menschen an der Seite des siegreichen<br />

Stalins disziplinieren zu müssen. Er verherrlichte die Arbeitslager<br />

und Großbaustellen. Hier sollte die realistische Geburtsstätte des neuen<br />

Sowjetmenschen liegen, der durch Arbeit erzogen werden muß. Als<br />

„Vater“ des „Sozialistischen Realismus“ instrumentalisierte Gorkij die<br />

10<br />

Neuer Mensch - Schöne Welt


L A B O R A T O R I U M<br />

SOWJETUNION<br />

Künstler zu gehorsamen „Ingenieuren der menschlichen Seele“. Der immer<br />

mehr nationalistische Züge tragende stählerne Volksheld wurde zur<br />

Schablone für Literatur und Film. Kontinuierlich engagierte sich Gorkij<br />

auch für die biologische Konstruktion des neuen Menschen und initiierte<br />

in seiner Wohnung gemeinsam mit Stalin und Pawlowschülern den<br />

Bau eines gigantischen „All-Unionsinstituts für Experimentelle Medizin“,<br />

daß seinen Namen tragen sollte. In den Zeitungen wurde dieses<br />

Projekt in eine Reihe mit den Hüttenwerken von Magnitogorsk und den<br />

Dneprstaudämmen gestellt - den Symbolen des großen Planes zur Umgestaltung<br />

der Natur und Geburtsstätten des neuen Sowjetmenschen.<br />

Doch Gorkij und alle genannten Künstler, Trotzky eingeschlossen,<br />

mußten sterben, damit unter Stalins Terror das totalitäre Gesamtkunstwerk<br />

geschaffen werden konnte. Ihre Ideen und Namen wurden getilgt<br />

oder mißbraucht - benutzt als Versatzstücke oder Drapierung des monumentalen,<br />

kitschig klassischen Potemkinschen Dorfes stalinschen<br />

Zuckerbäckerstils - gebraucht zur Erbauung des „homo sovieticus“, der<br />

darin weiterhin Übermenschliches vollbringen sollte. Die eiserne Moderne,<br />

zu einem stählernen Kunstwerk gehärtet und verschweißt, sollte<br />

heroisch die drohende Postmoderne verhindern.<br />

11<br />

Neuer Mensch - Schöne Welt


L A B O R A T O R I U M<br />

SOWJETUNION<br />

Von Fliegen und Affen zu sozialistischen<br />

Übermenschen<br />

Genetik und Menschenzüchtung im sozialistischen Experiment<br />

(1920-1936)<br />

„Die Lösung des Problems, wie die Auslese in der<br />

Rußland wurde Anfang der 20er Jahre zum<br />

menschlichen Gesellschaft zu organisieren sei, Experimentierfeld der Moderne. Der 1. Weltkrieg<br />

wird zweifellos nur im Sozialismus möglich -<br />

hatte die Werte und Hoffnungen der europäi-<br />

nach der endgültigen Zerstörung der Familie,<br />

schen Zivilisation ad absurdum geführt. Die<br />

dem Übergang zur sozialistischen Erziehung<br />

Revolutionen von 1917 zerstörten endgültig die<br />

und der Trennung von Liebe und Zeugung.“<br />

orthodox-zaristische Ordnung. Der Bürgerkrieg<br />

(Alexander Serebrowskij, russischer Genetiker 1929)<br />

zwischen den Rotgardisten und den „Weißen“<br />

Truppen und die Kämpfe gegen die ausländischen<br />

Interventionstruppen stürzte Rußland in<br />

Chaos und Gewaltherrschaft. In dieser apokalyptischen<br />

Situation sahen sich russische Wissenschaftler vor der Wahl<br />

zwischen Emigration mit Neubeginn im Westen oder Teilnahme am<br />

sozialistischen Experiment. Besonders junge Wissenschaftler und Studenten,<br />

die im Ausland wenig Chancen für sich sahen, wagten euphorisch<br />

Experimente mit neuen Lebens-, Arbeits- und Wissenschaftspraktiken.<br />

Während im Land noch der Bürgerkrieg tobte und alle Hunger<br />

litten, organisierten sich Biologen in kleinen, gut organisierten Gruppen<br />

und besetzten enteignete Gebäude, Gutshöfe und Schlösser. Es entstand<br />

eine neue Art von experimentellen Forschungsstationen und Laboratorien.<br />

Mitten im herrschenden Chaos gediehen darin unkonventionell<br />

arbeitende und kommunizierende Zirkel, die in ihren Stationen lebten<br />

und sich von deren Land und gezüchteten Tieren ernährten. Wissenschaft,<br />

Alltagsleben und politische Ideen wurden in dieser Situation<br />

konkret zusammengeführt und gelebt - als Experiment.<br />

Die Genetiker versuchten unterschiedlichste Tiere als Versuchsobjekt<br />

und zu ihrer Ernährung zu züchten. Gleichzeitig gingen sie aber<br />

daran, nur mit Papier und Bleistift bewaffnet, die genetischen Ressourcen<br />

der Nutztiere und Menschen der jungen <strong>Sowjetunion</strong> auszuloten<br />

und eugenische Programme zu entwerfen.<br />

1922 wurde der Deutschamerikaner und spätere Nobelpreisträger<br />

Hermann Joseph Muller von der Rockefeller-Foundation nach Rußland<br />

geschickt. Er war einer der ersten Wissenschaftler, die die junge <strong>Sowjetunion</strong><br />

bereisten. In seinem Gepäck hatte er Exemplare der ersten erbreinen<br />

Linien der Drosophila-Fliege, mit denen ihm die ersten Genana-<br />

12


L A B O R A T O R I U M<br />

SOWJETUNION<br />

Herrmann Joseph Muller, 1946<br />

„Mit Eiltempo in voller Fahrt<br />

für den Fünfjahresplan<br />

in vier Jahren.“<br />

lysen gelungen waren. Die genügsamen, sich im 14-Tage Rhythmus<br />

vertausendfachenden Taufliegen bevölkerten bald die sowjetischen<br />

Forschungsstationen. Es entstand der sogenannte Droz-Soor-Debattierkreis.<br />

An dessen fast esoterische Umgangsformen erinnerten sich die<br />

später im Westen berühmt gewordenen Genetiker Nikolaj Timofeev-<br />

Ressovskij und Theodosius Dobzhansky. Die russischen Genetiker wurden<br />

führend in der jungen Wissenschaft. Begriffe wie „Genofond“ oder<br />

„Genpool“ (von Dobzhansky) entstanden hier. Timofeev-Ressovskij<br />

wurde 1924 von dem deutschen Neurobiologen Oskar Vogt, der gerade<br />

das Gehirn des verstorbenen Lenins untersucht hatte, an sein Kaiser-<br />

Wilhelm-Institut für Hirnforschung in Berlin-Buch (das heutige Max-<br />

Delbrück Zentrum für Molekularbiologie) geholt. Timofeev-Ressovskij<br />

sollte die Fliegengenetik für die Hirnforschung nutzbar machen. (Er<br />

blieb bis 1945 in Berlin, wo er zusammen mit Max Delbrück erste<br />

Nachweise zur materiellen Struktur der Gene erbrachte. Sie benutzen<br />

dazu Röntgenstrahlen, nachdem Muller 1927 die Mutation der Gene<br />

durch Strahlen demonstriert hatte.)<br />

Muller verfolgte in der <strong>Sowjetunion</strong> mit der Drosophilaforschung<br />

vor allem eugenische Pläne. Er war besessen von der Idee, daß die wissenschaftliche<br />

Elite ihre Vermehrungsrate steigern müsse, damit die<br />

Menschheit sich höher entwickeln könne. Er sah in dem Land des<br />

sozialistischen Experimentes das Experimentierfeld, auf dem endlich<br />

seine Ideen erfolgreich in die Praxis umgesetzt werden könnten.<br />

Entfesselt von den „Zwängen der bürgerlichen Moral“ züchtete<br />

er nicht nur Fruchtfliegen, die ihm halfen, seine Pläne theoretisch zu<br />

begründen. Gemeinsam mit seinen sowjetischen Kollegen entwarf er<br />

Pläne zur Züchtung des „neuen Menschen“, die die Rassenhygiene der<br />

Nationalsozialisten bei weitem übertrafen, und vor allem technisch<br />

moderner sein sollten. Muller legte seine Ideen in dem Manifest „Aus<br />

dem Dunkel der Nacht“ nieder, daß er 1935 Stalin übersandte. In einem<br />

Begleitbrief lobte er die Möglichkeiten, die die <strong>Sowjetunion</strong> für<br />

eugenische Experimente bot und schilderte die Vorteile, die ihr durch<br />

die Zucht höherwertiger Menschen entstünden: „Viele zukünftige Mütter,<br />

befreit vom religiösen Aberglauben, werden stolz sein, ihr Keimplasma<br />

mit dem eines Lenin oder Darwin zu mischen, um der Gesellschaft<br />

mit einem Kind mit ihren biologischen Eigenschaften zu dienen. „Echte<br />

Eugenik kann nur ein Produkt des Sozialismus sein.“ Der sowjetische<br />

Forscher Serebrowskij versprach sogar, daß die gezüchteten „neuen<br />

Menschen“ einen Fünfjahresplan in der Hälfte der Zeit erfüllen werden.<br />

13<br />

Von Fliegen und Affen zu sozialistischen Übermenschen


L A B O R A T O R I U M<br />

SOWJETUNION<br />

Sowjetarmisten erleben die<br />

„Menschwerdung“ des Affen<br />

Watson, 1953<br />

Während die ausgetüftelten Besamungspläne Mullers und seiner sowjetischen<br />

Kollegen am Protest der sowjetischen Öffentlichkeit, politischem<br />

Widerstand und Stalins Mißtrauen und Terror gegen die Intellektuellen<br />

scheiterten, konnten andere Forscher ihre Samen ins Experiment einbringen.<br />

In einem vom Pariser „Institute Pasteur“ unterstützten sowjetischen<br />

Versuch, sollte eine Kreuzung zwischen Mensch und Affe hergestellt<br />

werden. Affenweibchen wurden von sowjetischen Spezialisten auf<br />

einer Station in Französisch-Guinea mit menschlichen Spermien inseminiert.<br />

Als die Versuche erfolglos blieben, verhandelten die Forscher<br />

vergeblich mit den französischen Behörden über die Besamung von<br />

afrikanischen Frauen mit Affensamen. Die Expedition kehrte daraufhin<br />

in die <strong>Sowjetunion</strong> zurück - „Tarzan“ und andere Affenmännchen mit<br />

an Bord. Die Schimpansenmännchen wurden als Samenspender in<br />

einer georgischen Versuchsstation gepflegt. Sowjetische Frauen sollten<br />

sich freiwillig zur sexuellen Abstinenz verpflichten und ein Jahr lang<br />

nur mit Affenspermien besamt werden. Doch „Tarzan“ und seine Kollegen<br />

starben im georgischen Klima. Weitere Versuche scheiterten an sich<br />

ändernden politischen Verhältnissen und dem Kampf gegen die etablierten<br />

Spezialisten.<br />

Die Genetiker diskreditierten sich durch ihre Züchtungsphantasien<br />

schwer und förderten so den Aufstieg Lyssenkos. In den 30er und 40er<br />

Jahren konnten er und seine politischen Helfer den Genetikern immer<br />

wieder ihre Pläne zur Menschenzüchtung vorhalten und diese in die<br />

Nähe der nationalsozialistischen Rassenhygiene stellen. Hermann Joseph<br />

Muller stürzte sich enttäuscht in den spanischen Bürgerkrieg. 1946<br />

erhielt er den Nobelpreis. 1962 forderte er zusammen mit den Entdeckern<br />

der Doppelhelix, Watson und Crick, auf dem berüchtigten<br />

Ciba-Symposium genetische und eugenische Sofortmaßnahmen zur<br />

Rettung der von der Degeneration bedrohten Menschheit und zur Schaffung<br />

neuer Supermenschen.<br />

14<br />

Von Fliegen und Affen zu sozialistischen Übermenschen


L A B O R A T O R I U M<br />

SOWJETUNION<br />

Von Pawlows Hunden zu Stachanows<br />

Arbeitern<br />

Erziehungs- und Disziplinierungsversuche in Labor und Fabrik<br />

„Nehmen wir den Sturm der Revolution in<br />

Rußland durchlief von der Mitte des letzten<br />

der UdSSR, vereinigen ihn mit dem Puls des<br />

Jahrhunderts bis zur Mitte dieses Jahrhunderts<br />

amerikanischen Lebens und tun wir unsere<br />

eine im Vergleich zu anderen europäischen Län-<br />

Arbeit zuverlässig wie ein Chronometer.“<br />

dern beschleunigte Entwicklung vom feudalen<br />

(Text auf einem Agitationsplakat zur Einführung des Agrarstaat zum modernen Industriestaat. Diese<br />

Taylorismus in den Fabriken der <strong>Sowjetunion</strong>)<br />

Entwicklung, geprägt von forcierten Bemühungen<br />

des Aufholens mit den westlichen Industrienationen,<br />

bildete den Rahmen für etliche Versuche<br />

zur Disziplinierung der russischen Menschen.<br />

Rußlands an Westeuropa orientierte Oberschicht sah im eigenen Land<br />

eine rückständige Provinz, in der Sklavenmentalität und Mittelalter<br />

noch allzu gegenwärtig seien.<br />

„Die freien Arbeitshände der Kolchosen in die Industrie!“<br />

Schon Peter der Große hatte gewaltsam westeuropäische Technik<br />

und Kultur in Rußland eingeführt. „Zivilisierte“ Kultur blieb jedoch ein<br />

Privileg der Oberschichten. Erst die Niederlage im Krimkrieg (1854-56)<br />

führte in den 1860ern unter Alexander II zu einem Modernisierungsprogramm<br />

für die ganze Gesellschaft. Um mit den siegreichen Lehrmeistern<br />

der modernen Waffentechnik und Leistungsgesellschaft mithalten<br />

zu können, beschloß er 1861, endlich die Leibeigenschaft abzuschaffen.<br />

Auch aus der Landbevölkerung sollten disziplinierte Industriearbeiter,<br />

Ingenieure sowie Soldaten einer<br />

Wehrpflichtigenarmee nach westlichem<br />

Vorbild rekrutiert werden.<br />

Studenten wurden zur Aneignung<br />

von Wissenschaft und Technologie<br />

ins Ausland geschickt. Aus<br />

dem Westen zurückgekehrt, wollten<br />

sie ihr Land entwickeln, empfanden<br />

es jetzt allerdings als noch<br />

rückständiger. Die Schwierigkeiten<br />

moderne Wissenschaft und<br />

Technologie zu vermitteln und in<br />

die industrielle Praxis umzusetzen,<br />

schrieben sie vor allem dem<br />

undiszipliniertem Verhalten der<br />

15


L A B O R A T O R I U M<br />

SOWJETUNION<br />

Pawlow<br />

Russen zu. Naturwissenschaftler und Politiker, wie z.B. Pawlow und Lenin<br />

zeigten erstaunliche Übereinstimmung darin, die Mehrzahl der Russen<br />

als unzivilisiert, rückständig, niedriger entwickelt, und vor allem als<br />

undiszipliniert gegenüber den Westeuropäern zu betrachten.<br />

Pawlow konnte nach seiner Lehrzeit in Deutschland in den<br />

1890ern eines der international größten Institute für experimentelle<br />

Medizin aufbauen. Der zaristische Staat wollte die modernsten Mediziner<br />

ausbilden und schickte sie ins Labor. Pawlow organisierte dieses<br />

Heer neuer Arbeitskräfte nach dem Vorbild der industriellen Fabrikarbeit.<br />

In einem festgelegten Räderwerk von Versuchsabläufen sollten Laboranten<br />

wie Fließbandarbeiter kaum eine Chance zu Disziplinlosigkeit<br />

und Unpünktlichkeit haben. Pawlow übertraf mit seiner Laborfabrik<br />

seine westeuropäischen Vorbilder bei weitem. Er machte durch geschickte<br />

chirurgische Operationen hunderte von Hunden zu „chronischen“<br />

Versuchsmaschinen, die mit ihrer Magensaft- und Speichelproduktion<br />

laufend Daten und begehrte Arzneireagenzien produzierten. Das Nobelkommittee<br />

hatte jahrelang Schwierigkeiten, Pawlow den Preis zuzusprechen,<br />

da er eher ein Manager seiner Laborfabrik als ein echter Forscher<br />

zu sein schien.<br />

Der 1903 für seine Arbeiten zur Steuerung der Verdauungsmaschinerie<br />

gekürte Pawlow beschloß nun, sein Leben vollkommen der Erforschung<br />

der Verhaltensdisziplin zu widmen. Mit Hilfe der sog. „bedingten<br />

Reflexe“ gelang es, Hunde zu konditionieren, auf beliebige Reize<br />

(Lampen, Klingeln, Elektroschocks), Speichel zu produzieren oder Hebel<br />

zu bedienen. Unter gewaltigem Aufwand versuchte man in speziell errichteten<br />

Laboratorien -„den Türmen des Schweigens“ - mit besonders<br />

disziplinierten Experimententatoren den Mechanismus psychischer Prozesse<br />

zu fassen. Die gelungene Demonstration der Maschinenartigkeit<br />

der psychischen Reaktionen begeisterte auch amerikanische Forscher,<br />

wie Skinner und Watson, die dann zu Vätern der Verhaltenstherapie<br />

bzw. der Werbepsychologie wurden. Pawlow entwickelte seine „Lehre<br />

von der Höheren Nerventätigkeit“, in der er seine Vorstellungen von<br />

Ordnung und Disziplin spekulativ ins Nervensystem projizierte. In psychiatrischen<br />

Kliniken versuchte er, seine Lehre in der Praxis auf „undiszipliniertes“<br />

Verhalten anzuwenden.<br />

Pawlow wurde für die Bolschewiki interessant, obwohl die Revolution<br />

für ihn eine pathologische Erscheinung war. Er hatte öffentlich mit<br />

Experimenten an Hunden demonstriert, wie gefährlich es wäre, dem<br />

undisziplinierten russischen Menschentyp der Zügellosigkeit zu überlassen<br />

und erklärt: „Wenn das, was die Bolschewiki mit diesem Land ma-<br />

16<br />

Von Pawlows Hunden zu Stachanows Arbeitern


L A B O R A T O R I U M<br />

SOWJETUNION<br />

Maxim Gorkij und Stalin<br />

chen, wie sie behaupten, ein Experiment sein soll, bin ich nicht bereit,<br />

auch nur einen Frosch dafür zu geben“. Für die Bolschewiki war die Revolution<br />

auch nur ein Mittel auf dem Weg zur Errichtung einer neuen<br />

Ordnung. Ihre von Aufenthalten im westlichen Ausland geprägten<br />

Führer, allen voran Lenin und Trotzky, wollten mit ihrer eisernen asketischen<br />

Disziplin die dekadente bürgerliche Gesellschaft überwinden.<br />

Rußland vom Joch der Vergangenheit befreien hieß für sie vor allem,<br />

die rückständigen trägen Volksmassen in ein diszipliniertes Heer moderner<br />

Arbeiter oder Soldaten zu verwandeln. Trotzky proklamierte die<br />

Schöpfung des „sozialistischen Übermenschen“ durch modernste genetische<br />

und psychophysiologische Techniken. Avantgardekünstler der russischen<br />

Moderne beteiligten sich begeistert an der Konstruktion des neuen<br />

Menschen des Maschinenzeitalters. Der Dichter Aleksej Gastev („der<br />

eiserne Gastev“) schuf ein „Zentrales-Arbeits-Institut“. Seine „Biomechanik“<br />

experimentierte u.a. mit Pawlows biologischen und psychologischen<br />

Verfahren und Taylors Methoden zur Steigerung von Präzision<br />

und Effizienz der Fabrikarbeiter.<br />

Schluß mit dem Herumexperimentieren machte Stalin („Der<br />

Stählerne“). Unter seiner Führung wurde der erste Fünfjahresplan „zur<br />

Umgestaltung der Natur“ durchgepeitscht. Millionen von enteigneten<br />

Bauern, Zwangsarbeitern aber auch freiwillige „sozialistische“ Arbeiter<br />

aus dem Ausland gruben Kanäle, bauten gigantische Staudämme,<br />

Straßen und Industriekombinate. In den Arbeitslagern sollte auch die<br />

menschliche Natur umgestaltet - der Neue Mensch durch Arbeit erzogen<br />

werden. Maxim Gorkij kehrte aus dem Exil (nach Streit mit Lenin)<br />

zurück, um diesen Prozeß der Erschaffung realer neuer Menschen literarisch<br />

begleiten zu können. Sein „sozialistischer Realismus“ mythologisierte<br />

die „Erbauer des neuen Lebens“ zu neuen Helden und blendete<br />

die grausame Realität aus. Gorkij wandte sich auch an Pawlow und<br />

setzte sich bei Stalin für den Ausbau seiner Laboratorien zu einem gigantischen<br />

Institut zur „Gesamterforschung des Menschen“<br />

ein. Biomedizinische Technik sollte die Potentiale des „neuen<br />

Menschen“ von allen „alten Fäulnissen“ und der Geißel<br />

des Leidens befreien, während gleichzeitig die Schriftsteller<br />

verpflichtet wurden, als „Ingenieure der menschlichen Seele“,<br />

Gorkijs Muster einzuhalten - der „Sozialistische Realismus“<br />

sollte sich an die Beschreibung der „heroischen Wirklichkeit“<br />

halten und nicht träumen. Auch der sowjetische<br />

Film und das Theater, die <strong>lange</strong> an der effizienten Konstruktion<br />

eines neuen Bewußtseins experimentierten, bekamen<br />

jetzt feste Schablonen.<br />

17<br />

Von Pawlows Hunden zu Stachanows Arbeitern


L A B O R A T O R I U M<br />

SOWJETUNION<br />

Leon Orbeli<br />

Pawlow war als Patriot begeistert vom militärischen Wiedererstarken<br />

seiner Heimat sowie der Ordnung und Disziplin unter Stalin. Hatte<br />

er noch 1929 gegen die Versklavung der Arbeiter protestiert, lobte er<br />

jetzt die 14fache Leistungssteigerung bei den Stachanowarbeitern. Vor<br />

inter- nationalem Publikum begann er auch die Regierung zu loben. Er<br />

bezeichnete sie als „soziale Experimentatoren“ und wünschte sich <strong>lange</strong><br />

zu leben, um das Ergebnis ihres „großartigen Experiments“ in seinem<br />

Heimatland miterleben zu dürfen. Als Pawlow ein Jahr später (1936)<br />

starb, begann der Streit um sein Erbe. Zu seinem Nachfolger bestimmte<br />

die Regierung seinen Lieblingsschüler Leon Orbeli, der sich in der Militärforschung<br />

einen Namen gemacht hatte. Orbeli machte, ohne Parteimitglied<br />

zu sein, eine steile Karriere zum mächtigsten Manager der<br />

biomedizinischen Forschung. Orthodoxe Pawlowschüler, die die Idee<br />

und Technik des Konditionierens vernachlässigt sahen, nutzten Ende<br />

der 40er Jahre eine Kampagne gegen Orbeli, um sich als die echten Erben<br />

Pawlows darzustellen. 1950 wurde auf Stalins Initiative eine gewaltige<br />

Tagung zur Absetzung Orbelis und seiner „antiPawlowschen“ Ideen<br />

inszeniert. Pawlows Lehre von der Disziplinierungsfunktion des Nervensystems<br />

wurde restauriert und für die Medizin, Biologie, Psychologie<br />

und Pädagogik der <strong>Sowjetunion</strong> sowie des Ostblocks zum Dogma gemacht.<br />

Pawlow diente so als Waffe im Kalten Krieg. Die „Irrlehren des<br />

Westens“, wie z.B. Freud und andere die Moderne verunsichernde Ideen<br />

sollten aus den Köpfen der Sowjetmenschen herausgehalten werden.<br />

Pawlow, in Propagandafilmen zum Kreuzritter der fortschrittlichen Sowjetkultur<br />

stilisiert, diente so der Disziplinierung der Psyche der Menschen<br />

der „sozialistischen Welt“. Auch westliche Wissenschaftler schlossen<br />

sich unkritisch dem Kult um das „Genie“ Pawlow an. Seine auf<br />

Knopfdruck speichelnden Hunde sind in Lehrbüchern für Erziehungswissenschaft<br />

und Psychologie bis heute Vorbilder zur Disziplinierung<br />

von Menschen.<br />

18<br />

Von Pawlows Hunden zu Stachanows Arbeitern


L A B O R A T O R I U M<br />

SOWJETUNION<br />

Pflanzenerziehung unter Stalins Aufsicht<br />

„Neue sowjetische Biologie“ und der Kalte Krieg gegen die Genetiker<br />

„Der Darwinismus wird nicht nur von einer Reihe<br />

Der Name Lyssenkos wurde im Westen<br />

von Unzulänglichkeiten und Fehlern gereinigt, nicht während des Kalten Krieges zu einem Synonym<br />

nur auf eine höhere Stufe gehoben, sondern auch in für die Unterdrückung der freien Forschung im<br />

bedeutendem Maße in einer Reihe seiner Thesen ge- Ostblock. Lyssenko und seinen Vasallen war es<br />

ändert. Aus einer Wissenschaft, die vorzugsweise die mit Rückendeckung Stalins gelungen, die Geneti-<br />

vergangene Geschichte der organischen Welt erklärte, ker als Klassenfeinde, „Fliegenliebhaber und<br />

wird der Darwinismus zu einem schöpferischen, Menschenhasser“ dem Terror auszuliefern und<br />

aktiven Mittel zur planmäßigen Beherrschung der die Genetik als „westliche Falschwissenschaft“ ab-<br />

lebenden Natur...“<br />

zuschaffen. An ihrer Stelle entwickelte er abstruse<br />

(Lyssenko, 1950 in: Agrobiologie)<br />

Theorien und Praktiken, die im Westen immer<br />

wieder dazu dienten, den schädlichen Einfluß der<br />

marxistischen Ideologie auf die Naturwissenschaft<br />

zu demonstrieren. Die sowjetische Politik<br />

der Geheimhaltung und des Totschweigens nach dem Fall Lyssenkos<br />

1964 verhinderte eine Aufarbeitung dieses dunklen Kapitels der Geschichte.<br />

Die Öffnung der Archive nach dem Zusammenbruch der <strong>Sowjetunion</strong><br />

machen ein neues Bild der Lyssenko-Affäre möglich. Die Beleuchtung<br />

der Hintergründe des Aufstiegs und Falls Lyssenkos erhellt<br />

dabei auch bislang obskure Erscheinungen des Stalinismus und der<br />

Person Stalins. Ans Licht gebrachte Schriftstücke dokumentieren, daß<br />

Stalin sich nicht nur als Koryphäe der Wissenschaft feiern ließ, sondern<br />

geschickt und kenntnisreich die Redemanuskripte von Wissenschaftlern<br />

wie Lyssenko redigierte. Er korrigierte dabei nicht nur deren Stil und<br />

Rhetorik, sondern rekonstruierte die Naturwissenschaftsgeschichte und<br />

Lyssenko, 1935<br />

die Bedeutung der Naturgesetze in seinem Sinne. Stalin machte sich<br />

dabei zum Advokaten konservativer Ansichten und verteidigte die<br />

Autorität „objektiv“ wahrnehmbarer universell gültiger Naturgesetze<br />

gegen die Idee vom Klassencharakter der Naturwissenschaft. Stalin<br />

arbeitete somit gegen die marxistische Wissenschaftstheorie, während<br />

man ihn im Westen für deren Scharfmacher hielt.<br />

Das Phänomen des Lyssenkoismus wurde möglich durch die brutale<br />

Zerstörung der traditionellen Strukturen der Landwirtschaft unter Stalin<br />

Ende der 20er Jahre. In den neuen Kolchosen und Sowchosen, denen<br />

es nicht gelang, die Menschen auch nur annähernd zu versorgen, be-<br />

19


L A B O R A T O R I U M<br />

SOWJETUNION<br />

„Gegen die Kulaken - in einiger,<br />

kollektiver Front zur Aussaat!”<br />

gann man mit vielerlei neuen<br />

Verfahren zu experimentieren.<br />

Lyssenko gelang es, nach der Behandlung<br />

des Saatgutes von Wintergetreide<br />

in Kühlkammern (der<br />

sog. „Jarowisation“) und der Aussaat<br />

erst im Frühjahr, wesentlich<br />

höhere Erträge zu erzielen. Die<br />

Nachteile des arbeitsintensiven<br />

Verfahrens wurden in der Kollektivwirtschaft<br />

vertuscht. Lyssenko<br />

propagierte den Kampf an der<br />

„Jarowisationsfront“. Er glaubte auch in der Wissenschaft eine alte<br />

Front wieder eröffnen zu können und postulierte, die äußeren Bedingungen<br />

könnten nicht nur die Physiologie der Pflanzen, sondern auch<br />

ihre Erbeigenschaften verändern. So könne aus Wintergetreide Sommergetreide<br />

„erzogen“ werden. Er begann mit neuen Anbaumethoden,<br />

Pflanzen an die extrem kurze Vegetationsperiode in den sibirischen<br />

Gebieten anzupassen und versprach eine blühende sowjetische Landwirtschaft.<br />

Lyssenko versprach mit der „Erziehung unter extremen<br />

Bedingungen“, die Pflanzen dazu zu bringen über sich hinaus zu<br />

wachsen und sowjetische Wunder zu vollbringen, u.a.: die Verdreifachung<br />

der Hirseernte und die Akklimatisierung von Apfelbäumen,<br />

deren Anbau dadurch jährlich 50 km nach Nordsibirien vorrücken<br />

könne. In Mittelrußland könnten bald Bananen angepflanzt werden.<br />

1935 applaudierte Stalin dem Praktiker Lyssenko öffentlich.<br />

Während ihm die Genetiker, die für ihre Neuzüchtungen Jahrzehnte<br />

veranschlagten, und die studierten Intellektuellen im allgemeinen,<br />

immer suspekter wurden, sah er in Lyssenko einen gefügigen Mann<br />

aus dem Volk, der an der täglichen Praxis auf dem Feld lernte und<br />

schnelle Lösungen versprach. Lyssenko profitierte dann von den<br />

„Großen Säuberungen“, die vor allem die naturwissenschaftlich geschulte<br />

alte Elite des Partei und Verwaltungsapparates und viele Wissenschaftler<br />

trafen. Seine Gegner wurden Opfer des Terrors oder verstummten.<br />

1938 erhielt er den Posten als Präsident der Akademie der<br />

Landwirtschaftswissenschaften während der frühere Präsident, der international<br />

anerkannte Nikolaj Vavilov, in Ungnade fiel und im Lager<br />

starb.<br />

Lyssenkos Idee von der Erziehbarkeit der Pflanzen durch die Umwelt<br />

war problemlos mit der marxistischen Ideologie in Einklang zu<br />

20<br />

Pflanzenerziehung unter Stalins Aufsicht


L A B O R A T O R I U M<br />

SOWJETUNION<br />

„Brot der Heimat!”<br />

Lyssenko, 1948<br />

bringen. Seine Unterstützer konnten den Genetikern ihren Hang zur<br />

Menschenzüchtung und die Nähe zur nationalsozialistischen Rassehygiene<br />

vorwerfen (s. Folge II). Die Lyssenkoisten konnten auch an eine<br />

starke antiwestliche Strömung in der russischen und sowjetischen Biologie<br />

anknüpfen, indem sie vorgaben die lamarckistische Hypothese von<br />

der Vererbung erworbener Eigenschaften praktisch bewiesen zu haben.<br />

Während sie Ideen vom innerartlichen Konkurrenzkampf, von spontanen<br />

Mutationen, und der Konstanz des Keimplasmas, die die Grundlage<br />

der modernen Genetik und Evolutionstheorie waren, als typische<br />

Hirngespinste der kapitalistischen Wissenschaft entlarvten, erklärten sie<br />

sich zu den Nachfolgern der russischen Tradition der Pflanzenzüchtung.<br />

Der autodidaktische Biologe und Obstbaumzüchter Iwan Mitschurin<br />

(1855-1936) wurde ihre Galionsfigur. Der greise Einsiedler, dem mit Hilfe<br />

traditioneller Pfropfungs- und Züchtungsmethoden die Züchtung<br />

wetterresistenter und sibirientauglicher Obstsorten gelungen war (Eine<br />

Kreuzung aus Apfel und Birne, die „Bergamotte-Renette“ machte ihn<br />

international bekannt), gab nach seinem Tod 1936 der Wissenschaft<br />

Lyssenkos den Anstrich einer tief verwurzelten nationalen Tradition.<br />

Unter dem Namen „Mitschurinismus“ gingen Lyssenko und seine Helfer<br />

gegen die „volksfeindlichen“ Genetiker vor. Lyssenko, der Sohn eines<br />

Bauern, der sich in seiner hemdsärmeligen Art gegen das Establishment<br />

der „weißen Kragen“ durchsetzte, entsprach Vorstellungen vom Neuen<br />

Menschen der sowjetischen Wissenschaft. Der neue Volksheld schmeichelte<br />

Stalin mit dem Projekt zur Züchtung einer mehrjährigen superertragreichen<br />

Weizensorte, die den Namen „Stalin-Weizen“ erhalten sollte.<br />

Stalin erteilte ihm weise Ratschläge für die besten Anbaumethoden.<br />

21<br />

Pflanzenerziehung unter Stalins Aufsicht<br />

Nach dem Ende des zweiten Weltkrieges<br />

versuchten sowjetische Biologen,<br />

die im Krieg entstandenen Kontakte<br />

mit den Alliierten dazu zu nutzen,<br />

mit internationaler Hilfe gegen<br />

Lyssenko vorzugehen. Amerikanische<br />

Genetiker besuchten sowjetische Laboratorien<br />

und lobten die verbliebenen<br />

genetischen Projekte. Auch Mitglieder<br />

des ZK ließen sich auf die Seite der Genetik<br />

ziehen. Wie neue Dokumente<br />

belegen, intrigierte Lyssenko daraufhin<br />

geschickt im ZK und konnte in


L A B O R A T O R I U M<br />

SOWJETUNION<br />

Chruschtschow und Lyssenko, 1962<br />

der Stimmung des beginnenden Kalten Krieges Stalins Unterstützung<br />

für die endgültige Zerstörung der Genetik und die<br />

Schöpfung einer „Neuen sowjetischen Biologie“ erhalten.<br />

1948, auf der berühmt berüchtigten Tagung der Akademie der<br />

Landwirtschaftswissenschaften, für die Stalin seine Reden redigierte,<br />

wurde eine neue Hetzkampagne gegen alle losgetreten,<br />

die sich Lyssenko in den Weg stellen konnten. Zahlreiche Biologen<br />

verloren Posten und Freiheit. Einige begingen Selbstmord<br />

oder vergruben sich in sibirischen Forschungsstationen.<br />

Die „Neue sowjetische Biologie“ wurde jetzt auch den Medizinern<br />

und sogar den Pädagogen vorgeschrieben. Erziehung und biologische<br />

Schöpfung des „neuen Menschen“ wurden Synonyme. Genetische<br />

Unterschiede sollte es nicht mehr geben dürfen. Die Erziehbarkeit durch<br />

die Umwelt schien grenzenlos.<br />

Stalin nutzte Lyssenko aber als Marionette. Es scheint sicher, daß<br />

Stalins Tod auch Lyssenkos vorzeitige Absetzung verhinderte. Die Verlängerung<br />

von Lyssenkos Karriere unter Chruschtschow, der den Versprechungen<br />

von Fleisch und Butterbergen Glauben schenkte, endete<br />

erst mit dem Fall des Politikers. Die sowjetische Landwirtschft war<br />

schwer geschädigt und die Biologie in den Rückstand geraten. Doch<br />

noch 1970 wurde der Biologe Shores Medwedew zwangsweise in eine<br />

Nervenheilanstalt eingeliefert, weil er begonnen hatte, die Geschichte<br />

des Lyssenkoismus aufzuarbeiten. Alle westlichen Aufsätze zu diesem<br />

Thema, wurden aus den internationalen Journalen der Bibliotheken<br />

herausgeschnitten und als Verschlußsache in den Archiven verheimlicht.<br />

Der Film wird bislang verschlossene Dokumente zeigen und Zusammenhänge<br />

darstellen.<br />

22<br />

Pflanzenerziehung unter Stalins Aufsicht


L A B O R A T O R I U M<br />

SOWJETUNION<br />

„Höher, weiter, schneller“ - bis zum<br />

„Stern von Tschernobyl“<br />

Biomedizin, Raumfahrt und Atomforschung überwinden<br />

alle Grenzen der Natur<br />

„Der Fortschritt verlangt Opfer.“<br />

Stalin verkündete Ende der zwanziger Jahre<br />

(Aus der Regierungserklärung zur Katastrophe von<br />

gleichzeitig mit dem „großen Umbruch“ - der In-<br />

Tschernobyl)<br />

dustrialisierung und Kollektivierung des Landes -<br />

den Abschied von der Doktrin der Weltrevolution.<br />

Der reale Aufbau des „Kommunismus in einem<br />

Land“ eröffnete einen Wettkampf der Systeme.<br />

„Einholen und Überholen“ war Stalins Devise.<br />

Das Sowjetische Militär sollte vor allem mit Anstrengungen im Bereich<br />

der modernsten Waffengattungen das Ende der Rückständigkeit demonstrieren.<br />

Schon nach dem Vertrag von Rapallo hatte man mit Hilfe<br />

deutscher Techniker und Militärs (u.a. Junkers) begonnen, eine sowjetische<br />

Luftwaffe aufzubauen. Als erste Streitmacht der Welt bildet die<br />

Rote Armee 1930 auf Befehl Stalins Fallschirmtruppen aus. Während<br />

Hunger im Land herrscht, wurde Fallschirmseide in großen Mengen<br />

produziert, die Jugend im Fallschirmspringen trainiert. Mit technischen<br />

Glanzleistungen soll der neue Sowjetpatriotismus erweckt werden. Die<br />

SU produziert Großflugzeuge vom Typ TB 3 - die leistungsfähigsten der<br />

Welt. Auf der Titelseite der „Prawda“ vom 18.8.1933 wurde verkündet:<br />

„Auf dem Niveau der internationalen Luftfahrttechnik“. Stalin warnte<br />

den Westen, die <strong>Sowjetunion</strong> könne jetzt alle modernen Waffen des<br />

Luftkriegs in großem Maßstab produzieren und gegen Invasoren einsetzen.<br />

Der Nobelpreisträger Pawlow ereiferte sich angesichts des gefeierten<br />

Fluges der sowjetischen<br />

Großflugzeuge<br />

durch westeuropäische<br />

Länder: „Nun meine Herren<br />

Europäer, schauen Sie<br />

auf uns! Sie sind es gewohnt<br />

sich als Lehrer und<br />

uns als Rückständige anzusehen.<br />

Diese Zeiten<br />

sind vorbei, endgültig<br />

vorbei!“<br />

Der Nachfolger<br />

Pawlows, Leon Orbeli,<br />

qualifizierte sich durch<br />

23


L A B O R A T O R I U M<br />

SOWJETUNION<br />

propagandistisch bedeutende militärische<br />

Projekte. Seine „Physiologie extremer<br />

Bedingungen“ ermöglichte 1933<br />

die ersten sowjetischen Rekorde im<br />

Stratosphärenflug und den Beginn der<br />

Eroberung des Kosmos. Als neuestes<br />

Propagandamittel dokumentierten<br />

Wochenschauen die Überwindung der<br />

natürlichen Grenzen. Heldenparaden<br />

in großen Limousinen durch einen Regen<br />

von Papierschnipseln begeisterten<br />

die Menschen von der Leinwand herab<br />

im ganzen Land. Ein neuer Mythos und<br />

Wunderglaube entstanden um die „stalinschen<br />

Falken“. „Höher, weiter ,<br />

schneller“ wurde das Motto der Flieger und Stratonauten - Übermenschliches<br />

schien machbar geworden - sogar der Flug zum Mond. In Pawlows<br />

Laboratorien wurde an der Überwindung der natürlichen Grenzen<br />

des Organismus gearbeitet. Hunde waren darum dann auch die ersten<br />

Versuchstiere im Weltraum und bereiteten Gagarins welterschütternde<br />

Heldentat vor.<br />

In der Stratosphäre hatte man schon früh eine alles durchdringende<br />

Höhenstrahlung entdeckt und versuchte die Gefahren für den<br />

menschlichen Organismus auszuloten. Eine „Strahlenkanone“ wurde<br />

importiert, genetische Effekte erzeugt und untersucht. Aber erst nach<br />

dem Zweiten Weltkrieg, nachdem die amerikanische Atombombe<br />

hunderttausende Japaner vernichtet hatte, erhielt die Strahlenbiologie<br />

höchste Priorität. Orbeli leitete geheime Projekte zur Erforschung der<br />

Strahlenkrankheit - und warnte. Die Sowjets versuchten verzweifelt,<br />

das Manhattan Projekt zu imitieren. Sie konnten dabei aber eine ungleich<br />

größere Masse an „Menschenmaterial“ einsetzen. Bis zu 600.000<br />

Menschen waren an den Entwicklungsarbeiten der ersten Generation<br />

der A-Bombe beteiligt. Die meisten von ihnen unfreiwillig. Sogar ein<br />

Großteil der Ingenieure und Wissenschaftler war im „ersten Kreis der<br />

Hölle“- des von Solschenizyn beschriebenen Gulagsystems interniert<br />

und sollte sich durch Nützlichkeit bewähren. In den von der Außenwelt<br />

isolierten Städten des Bombenprojekts, die weder Namen besaßen<br />

noch auf Landkarten verzeichnet wurden, und auf den Testgeländen<br />

waren alle gefangen. Es gab dennoch Enthusiasmus für die Idee, den<br />

24<br />

„Höher, weiter, schneller“ - bis zum „Stern von Tschernobyl“


L A B O R A T O R I U M<br />

SOWJETUNION<br />

„Atomschild“ fürs Vaterland zu schmieden. In der verschworenen, zur<br />

Geheimhaltung verpflichteten Gemeinschaft bildeten sich ein besonderer<br />

Ethos und Mythos der sowjetischen Atomforschung. (Hiervon berichten<br />

die jetzt verbitterten Überlebenden, die in unseren Interviews das erste<br />

Mal ausführlich ihre Arbeit, ihren Stolz und ihre froheren Hoffnungen<br />

erstmals öffentlich mitteilen.)<br />

Die Gefahren, die auch von den Explosionen und strahlenden<br />

Substanzen ausgingen, die man lernte in immer größeren Mengen<br />

herzustellen, wurden unterschätzt und heruntergespielt, gleichzeitig<br />

aber unter Einsatz von Menschenleben experimentell erforscht. Die<br />

Angst vor der Strahlenkrankheit sollte gebannt werden und der Glaube<br />

an die Entwicklung einer Heilmethode wurde aus der Erinnerung an<br />

frühere sowjetische Wundertaten bei der Überwindung der Natur gespeist.<br />

Auf dem Atomtestgelände von Semipalatinsk und anderswo<br />

wurden tausende von Tieren, Soldaten, Zivilisten und ganze Schulklassen<br />

als Testpersonen in die nächste Nähe der Explosionen gebracht, um<br />

die gesundheitlichen Schäden an ihnen zu untersuchen. Mit Filmaufnahmen<br />

wurde dokumentiert, daß es notwendig und möglich sei, sich<br />

in Unterständen zu schützen und daß Soldaten durch die strahlende<br />

Detonationszone auf den Feind zustürmen können. Noch Ende der 70er<br />

Jahre wurden ausführlich filmisch dokumentierte, aufwendige wissenschaftliche<br />

Großversuche mit hunderten von Hunden, Schafen und Kamelen<br />

gemacht, um die Grausamkeit der Wirkung der Neutronenbombe<br />

zu demonstrieren. Gleichzeitig zeigen die Aufnahmen die emotionslose<br />

professionelle Untersuchung und Analyse der Opfer und ihrer<br />

organischen Schäden mit modernsten medizinischen Methoden und<br />

Apparaten. Es sollte der Eindruck entstehen, die sowjetische Wissenschaft<br />

habe das Problem im Griff - das entstandene Greuel gebannt<br />

werden. In Propagandafilmen wurde die Heilung von schwer verstrahlten<br />

menschlichen Opfern suggeriert. Die neuen sowjetischen Supermänner<br />

mußten lächeln, während man ihnen die Haut vom Leibe zog.<br />

Mit der „zivilen“ Nutzung des Atoms prophezeite man wie im Westen<br />

die Erfüllung des Paradieses auf Erden.<br />

In der <strong>Sowjetunion</strong> gab es einen erneuten<br />

Schub für den Fortschrittskult.<br />

Jetzt glaubte man alle Probleme der<br />

Gesellschaft mit unbegrenzter Energie<br />

lösen zu können. Kommunismus =<br />

„Sowjetmacht und Elektrifizierung des<br />

Landes“ war schon Lenins Formel gewe-<br />

25<br />

„Höher, weiter, schneller“ - bis zum „Stern von Tschernobyl“


L A B O R A T O R I U M<br />

SOWJETUNION<br />

sen. Mit der Atomenergie kam es dann zu<br />

einer totalen Verfilzung von Militär, Partei<br />

und Energieministerium - einer unheilvollen<br />

Konzentration von Macht und auch<br />

Geld, die jede Alternative, jede Kritik und<br />

Kontrolle ausschaltete. Während man den<br />

Mythos erfand, die Kernenergie sei sicher,<br />

weil sie in der Hand der heldenhaften sozialistischen<br />

Arbeiter sei, unterlag alles, besonders jeder Unfall, der Geheimhaltung.<br />

Kritik und Aufdeckung von Mißständen galt als Hochverrat.<br />

Reaktoren vom Tschernobyltyp eigneten sich besonders für die Produktion<br />

von Bombenplutonium. Es wurde auf teure Schutzsysteme und<br />

Containments verzichtet. Am 26. April 1998 experimentierte man in<br />

Tschernobyl, um am Notstromsystem sparen zu können. Im Feuer von<br />

Tschernobyl verbrannte dann für die meisten endgültig der Traum der<br />

Moderne. Die Lügen des Kremls unter Gorbatschow machten es nur<br />

schlimmer. Die in der Bibel prophezeite Apokalypse - Ein Stern mit Namen<br />

Wermuth (Tschernobylnik) wird fallen...) schien eingetroffen - das<br />

Ende der sowjetischen Welt besiegelt. Das beschleunigte Ende, zumindest<br />

der europäischen Welt, verhinderten Helden, die es außerhalb der<br />

<strong>Sowjetunion</strong> vielleicht nicht gegeben hätte: Feuerwehrmänner, die ihr<br />

Leben opferten, um die vollständige Explosion des Reaktorkerns und<br />

den Brand der drei im selben Gebäudekomplex befindlichen Reaktorblöcke<br />

zu verhindern. Die überlebenden, kranken „Liquidatoren“ müssen<br />

heute um jeden Rubel betteln,während mit Hilfe der internationalen<br />

Atomlobby Tschernobyl und neue Reaktoren vom gleichen Typ<br />

weiter Strom liefern.<br />

Die Moderne frißt auch im Rußland der Postmoderne ihre Kinder.<br />

26<br />

„Höher, weiter, schneller“ - bis zum „Stern von Tschernobyl“


L A B O R A T O R I U M<br />

SOWJETUNION<br />

Filmographien<br />

Wolfgang Bergmann<br />

1967-1972 Studium in Hamburg und München:<br />

Kommunikation, Kunstgeschichte, Philosophie.<br />

1972-1974 Regieassistenzen bei Geißendörfer, Stöckl, Furtwängler und Kotulla<br />

u.a.<br />

1974-1982 Leiter von den Filmverleihen „Neue Welt“ u. „Verleihgenossenschaft<br />

der Filmemacher e.G.“. U.a.Filme herausgebracht von Joris Ivens „Yu<br />

Gung versetzt Berge“, Peter Krieg „Septemberweizen“, „Es ist kalt in<br />

Brandenburg“, Leo Hurwitz „Dialog mit einer Verstorbenen“.<br />

Ab 1983 Autor und Produzent eigener Filme:<br />

27<br />

Langzeitdokumentation:<br />

DAS IST KEIN TRAUM<br />

Stadtmenschen wollen einen ökologischen Bauernhof gründen.<br />

ARD/BR (zusammen mit Alfred Hürmer)<br />

1982-85 SCHATTEN DER ZUKUNFT, ZDF- Kleines Fernsehspiel,<br />

Über die Schuldverstrickungen der Deutschen mit dem<br />

Israel-Palästina-Konflikt. Preis der deutschen Filmkritik 1985<br />

1988 „Nur die Utopie kann uns retten...“<br />

Film über das Leben und Wirken des<br />

Teilchenphysikers Hans-Peter Dürr, WDR<br />

1988/89 SPURENSUCHE - Das Geheimnis der Thora von Straubing.<br />

Über die Hintergründe der Rettung der Thora während des<br />

2.Weltkrieges, 45 Min. WDR<br />

1990 INS LAND DER ERFÜLLUNG - ZU GENOSSE STALIN<br />

Teil 1: Deutsche Kommunisten im Gulag<br />

Teil 2: Carola Neher: Todesursache unbekannt<br />

Teil 3: Österreicher im Gulag<br />

jeweils 45 Minuten, NDR/WDR/ORF<br />

1991/92 BAHNHÖFE EUROPAS ERZÄHLEN GESCHICHTE(N)<br />

Dokumentarreihe; 9x30 Minuten, Europäische Coproduktion<br />

mit NDR, ORF, Video Spot Madrid, Focus Film Budapest.<br />

1993 „Der Reichseinsatz“ Zwangsarbeiter während des 2.Weltkrieges<br />

NDR/WDR/arte, Filmstiftung NRW, Filmbüro Hamburg und Hessen<br />

Hessischer Filmpreis 1993


L A B O R A T O R I U M<br />

SOWJETUNION<br />

1995/96 Mißbrauchte Helfer - Das Deutsche Rote Kreuz 1919 und 1945,<br />

NDR/WDR<br />

1997/98 Späte Opfer - Deutsche in polnischen Lagern 1944-1950,<br />

WDR/MDR<br />

Christoph Boekel<br />

Geb. 1949<br />

Regisseur, Autor, Produzent.<br />

Studium der Philosophie und Sozialwissenschaften; Studium und Diplom an der<br />

Hochschule für Fernsehen und Film München (HFF). 1978 Gründung der BAUM-<br />

FILM. Seitdem freie Produktionen, Auftrags- und Koproduktionen. Gründungsmitglied<br />

und 2 Jahre Vorstandsmitglied der Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilm.<br />

1981/82 Dozent an der Deutschen Film- & Fernsehakademie Berlin (d@). Seit 1987<br />

zweiter Wohnsitz in Moskau, eingehende Erfahrungen und Kontakte in verschiedenen<br />

Landesteilen der ehemaligen <strong>Sowjetunion</strong>. 1990 Gründung einer Produktionsund<br />

Dienstleistungsfirma in Moskau.<br />

Filme: GERT BASTIAN - VON EINEM DER AUSZOG DAS FÜRCHTEN<br />

ZU LEHREN<br />

Baum-Film 1981; 28 Min.<br />

28<br />

DER LÄNGERE ATEM - Antimilitaristische Opposition und<br />

Wiederaufrüstung in Westdeutschland 1945-55.<br />

Baum-Film 1982, 105 Min.<br />

OHNE FRIEDEN IST ALLES NICHTS - Gewerkschaften und<br />

Friedensbewegung.<br />

Baum-Film/RFFU 1983, 50 Min.<br />

ENOLA - Ein Versuch über die Unvorstellbarkeit.<br />

Baum-Film 1986, 30 Min.<br />

DIE SPUR DES VATERS - Nachforschungen über einen<br />

unbeendeten Krieg. Eikon-Film/ZDF 1987/89; 75 Min.<br />

EMPFANG IN MOKAU - Zur Realität des Kulturaustausches.<br />

BR/ARD 1988, 30 Min.<br />

Filmographien


L A B O R A T O R I U M<br />

SOWJETUNION<br />

GARANIN - Photograph.<br />

BR 1989, 10 Min.<br />

SDELANO W SSSR - Made in USSR.<br />

BR/ARD 1989, 30 Min.<br />

ERINNERUNG AN DAS INFERNO -<br />

Panzerschlacht bei Prochorowka 12. Juli 1943.<br />

Eikon-Film/ZDF 1990/92; 53 Min.<br />

ADLER DER STEPPE - Die Rückkehr der Kosaken.<br />

ZDF/Baum-Film 1993; 45 Min.<br />

GALJA IN MOSKAU<br />

Baum-Film/ARD 1994, 8 Min.<br />

MOSKAU - ALLE MEINE LIEBEN<br />

Baum-Film/BR 1993/94; 120 Min.<br />

KRIEGSGEFANGENE<br />

Baum-Film/ZDF 1995, dreiteilige Reihe je 30 Min.<br />

1. Deutsche in sowjetischen Gewahrsam<br />

2. Rotarmisten in deutscher Hand<br />

3. Heimkehr - Der Dank der Vaterländer<br />

BESUCH EINER ALTEN DAME - Von Moskau an die Mosel.<br />

Baum-Film/ZDF 1996/97; 30 Min.<br />

DER KRIEG, DIE AUSSTELLUNG, MEIN VATER<br />

Baum-Film/HR 1997; 18 Min.<br />

HITLERS OSTWALL - Erkundungen in einer<br />

unterirdischen Bunkerwelt.<br />

Baum-Film/WDR 1997. 30 Min.<br />

MENETEKEL - Vom Zweikampf zum Sternenkrieg.<br />

Baum-Film/ZDF 1998/99. 2 x 45 Min.<br />

Preise: 1982 Preis der Deutschen Filmkritik<br />

1989 Egon-Erwin-Kisch-Preis,<br />

Preis der Deutschen Filmkritik<br />

1990 Preis der „Marler Gruppe“,<br />

26. Adolf-Grimme-Preis,<br />

Robert-Geisendörfer-Preis<br />

29<br />

Filmographien


L A B O R A T O R I U M<br />

SOWJETUNION<br />

(Jan. 1995 Nominierung zum 31. Adolf Grimme Preis für<br />

„Moskau - Alle meine Lieben“)<br />

Festivalteilnahmen:<br />

Mannheim, Oberhausen, Leipzig, Duisburg, München, Tampere, Moskau, Leningrad,<br />

Sydney, Ankara, Augsburg, Saarbrücken, Selb, Münster, Trento.<br />

Peter Heller<br />

1946 geb. in Prag<br />

1960 Umzug in die Bundesrepublik Deutschland<br />

1967-1969 Ausbildung zum Fotografen<br />

1969 Beginn des Studiums an der Hochschule für Film in München<br />

1971/1972 Mitarbeit beim Fernsehen in Bogota (Kolumbien), in Kuala Lumpur<br />

(Malaysia)<br />

1973 HEILE WELT UND DRITTE WELT<br />

(Bayerischer Rundfunk)<br />

1973 HONORE’ DAUMIER<br />

(Bayerischer Rundfunk)<br />

1972-1973 Lehrauftrag an der Hochschule für Film in München (Schnitt)<br />

1973 MAMA UND PAPA<br />

(Auswahl Fernsehworkshop)<br />

1974 SIE DIENEN ALLAH UND DEN DEUTSCHEN<br />

(Fernsehworkshop, Kurzfilmfestival Oberhausen)<br />

1975 DAS GESCHÄFT MIT DER PARTY<br />

(1. Preis Int. Verbraucherwettbewerb)<br />

1975 WAGNIS UND GEWINN<br />

(Bester Film Fernsehworkshop)<br />

1976 HERREN IM EIGENEN LAND<br />

(Festival Oberhausen<br />

1977 SKLAVEN IM EIGENEN LAND<br />

(Festival Oberhausen)<br />

30<br />

Filmographien


L A B O R A T O R I U M<br />

SOWJETUNION<br />

1977 ARM WÜRD’ ICH NICHT SAGEN<br />

(Festival Oberhausen)<br />

1978 DIE LIEBE ZUM IMPERIUM<br />

(Festivals in Paris, Leipzig, Florenz, Filmwoche Duisburg,<br />

Bester Film Fernsehworkshop)<br />

1979 DAS GOLDENE ZEITALTER<br />

(Festivals Krakow und Oberhausen)<br />

1979 GUTEN TAG DEUTSCHLAND<br />

(Fernsehworkshop)<br />

1980 USAMBARA, DAS LAND, WO GLAUBEN BÄUME VERSETZEN SOLL<br />

(1. Preis Int. Friedberger Filmtage, 1. Preis Journalistenpreis 1980,<br />

Duisburger Filmwoche)<br />

1980 MBOGOS ERNTE ODER DIE TEILUNG DER WELT<br />

1981 DER DA IST TOT UND DER BEGINNT ZU STERBEN<br />

(Film des Monats, Festival Florenz, Auswahl Max Ophüls Preis)<br />

1981 Seminar und Filmtournee in Indien für Goethe-Institut<br />

1982 DER VERGESSENE FÜHRER - AUFSTIEG UND FALL<br />

DES MEDIENZAREN A<strong>LF</strong>RED HUGENBERG<br />

1982 Erste Werkschau von P. Heller Filmen (in Amsterdam)<br />

1983 WIE ANDERE NEGER AUCH<br />

1984 Filmtournee durch USA für Goethe-Institut<br />

1985 MANDU YENU<br />

(Festival Washington, Ouaga Dougou u.a.)<br />

1985 DSCHUNGELBURGER - HACKFLEISCHORDNUNG INTERNATIONAL<br />

(Preis der Int. Filmkritik für den besten Dokumentarfilm, Preis der<br />

Kath. Filmjury, Preis der Jury der VHS, Festival Florenz, Preis Festival<br />

„Tam Tam Video“, 1. Preis für den besten ökolog. Film „Eco Vision“ -<br />

Europ. Umweltpreis, Grand Prix in Parma und Goldmedaille für den<br />

besten ökolog. Film)<br />

1986 DER SCHMERZ LÄßT DIE HÜHNER GACKERN<br />

UND DIE MENSCHEN DICHTEN<br />

(Wettbewerb Int. Filmwoche Mannheim, Dokumentarfilmfestival<br />

München, Filmfestival Cinema du Reel, Paris<br />

31<br />

Filmographien


L A B O R A T O R I U M<br />

SOWJETUNION<br />

1986 ARM WÜRD’ ICH NICHT SAGEN ODER DIE KUNST ZU LEBEN<br />

(ZDF)<br />

1987 DAS BROT DES SIEGERS<br />

(Prädikat „besonders wertvoll“, Wettbewerb der Int. Filmwoche<br />

Mannheim, Auswahl Max Ophüls Preis, Filmschau Nürnberg,<br />

Viennale)<br />

1988 LELLMANN’S TANKSTILLE (WDR)<br />

1988 DIE MULATTIN ELSE ODER EINE DEUTSCHE ART ZU LIEBEN<br />

1988 SHATFON - DAS ERBE DER FRAUEN<br />

1988 AFRICAN LADY<br />

1989 ELSE IM WUNDERLAND<br />

1989 KUNST FÜR KLEINE LEUTE<br />

(WDR)<br />

1989 DER PORNOJÄGER - EINE HATZ ZWISCHEN LUST UND POLITIK<br />

(Filmfest München, Dokumentarfilmfest Amsterdam, „Input“, Canada)<br />

1990 ASIKEL - DIE REISE<br />

(Wettbewerb Int. Filmwoche Mannheim)<br />

1990 ADALIL - DIE HERRIN DER ZELTE (Dokufestival München, Kölner<br />

Filmfest, 1.Preis Ökomedia Freiburg)<br />

1991 HUNGERSNOT ZUM ABENDBROT<br />

(Radio Bremen & Hess. Rundfunk, Fernsehworkshop)<br />

1991 WIE DIE WILDEN<br />

(Filmschau Frankfurt)<br />

1993 DON CAMILLO UND DER KAMPF UM BONN<br />

(WDR & Eins Plus)<br />

1993 SIEG IM OSTEN<br />

(ARTE & WDR & NDR)<br />

1994 EIN MANN ZUM BESCHATTEN<br />

(ZDF)<br />

1994 BRENNER - DER LETZTE STRAND<br />

(SWF&RAI&ORF, Filmfeste Bolzano und Trient)<br />

1995 DER TOD DES ARES<br />

(Dokfest München u.a.)<br />

32<br />

Filmographien


L A B O R A T O R I U M<br />

SOWJETUNION<br />

1996 DIE GRILLE MIT DEM MAULKORB<br />

1996 FREIHEIT- GLEICHHEIT- MÜTTERLICHKEIT<br />

DER HERBST DER DESPOTEN<br />

1997 MANGA BELL - VERDAMMTE DEUTSCHE?<br />

1997 MAMA GENERAL - ODER ARM WÜRD’ ICH NICHT SAGEN<br />

(PRIX EUROPA SIEGER)<br />

1998 MOST - NACHRUF AUF EINE ALTE STADT<br />

1999 NOVAK UND DIE STURZKAMPFBOMBER<br />

Irene Langemann<br />

geb. 1959 Issilkul, Gebiet Omsk/UdSSR<br />

1976-1980 Studium an der Tcepkin-Theaterhochschule in Moskau<br />

Studienschwerpunkte: Schauspielkunst, Germanistik<br />

1980-1990 Schauspielerin, Regisseurin und Theaterautorin in Moskau<br />

seit 1983 Moderation und Regie beim Russischen Fernsehen<br />

Ab 1986 Leiterin und Dramaturgin der freien Studiobühne „Nasch Theater“<br />

Juni 1990 Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland<br />

1990-1997 Redakteurin bei Deutsche Welle TV Köln<br />

Regelmäßig Magazinbeiträge für „Drehscheibe Europa“<br />

1993 „Nirgendwo verwurzelt“ - Aussiedlerschicksale,<br />

Dokumentation 30 Min., Buch und Regie. Für Deutsche Welle<br />

1994 „Die Götter bitte ich um eine Änderung“<br />

Gemeinsam mit Frauke Sandig, Dokumentation über die<br />

Inszenierung der „Orestie” von Peter Stein in Moskau.<br />

30 Min., Buch und Regie. Für Deutsche Welle<br />

Festival „Message to Men“ in St. Petersburg 1994<br />

1995/1996 Beiträge für den „Kulturweltspiegel“<br />

(ARD und „Metropolis”/arte)<br />

33<br />

Filmographien


L A B O R A T O R I U M<br />

SOWJETUNION<br />

1995/1996 „Imperium der Träume“ - Das Bolschoi-Ballett zwischen<br />

Mythos und Realität.<br />

Buch und Regie. Dokumentation 60 Min. für MDR/WDR/arte<br />

1996/97 „Auf Wiedersehen in Berlin“<br />

Drehbuch für einen Spielfilm,Drehbuchförderung von der<br />

Filmförderung Hamburg und BMI<br />

1997 „Zwischen hier und dort“- Der Schriftsteller Giwi Margwelaschwili,<br />

Dokumentation, 30 Min., Buch und Regie. Für Deutsche Welle<br />

1998 „Das Ende einer Odyssee“ - Der Pianist Rudolf Kehrer<br />

Dokumentation, 30 Min., Buch und Regie. Für Deutsche Welle<br />

1999 „Klasse(n) Klänge“ - Portrait einer Musikklasse des<br />

Humboldt-Gymnasiums in Köln<br />

Dokumentation, 77 Min., Buch und Regie.<br />

WDR/3SAT und Deutsche Welle<br />

In Arbeit: „Wunderkinder zwischen Armut und Ruhm“(Arbeitstitel)<br />

Dokumentation, Buch und Regie. WDR/Filmstiftung NW<br />

34<br />

Filmographien


L A B O R A T O R I U M<br />

SOWJETUNION<br />

Budget Erst nach der notwendigen Vorbereitung können wir eine genaue<br />

Kalkulation vorlegen. Wir rechnen pro Serienteil mit Kosten von ca.<br />

300.000,- DM. Dies soll durch Partner in einer internationalen Koproduktion<br />

und durch Mittel der Filmförderung eingebracht werden. Die<br />

deutsche Fernsehbeteiligung sollte ca. 50% betragen.<br />

Vorbereitung Für die Vorbereitung werden wir ein Team aus russsischen und deutschen<br />

Researchern unter Leitung von Torsten Rüting und Wolfgang<br />

Bergmann zusammenstellen. Für die entstehenden Kosten kalkulieren<br />

wir 10% des Budgets, 150.000,-DM. Diese Finanzierung soll mit 50%<br />

durch die Developementförderung des Brüsseler Media II-Projektes und<br />

durch Mittel der Fernsehanstalten aufgebracht werden.<br />

Produktion Wir rechnen mit einer Produktionszeit von einem Jahr.<br />

Produktionsbeginn 2000, Ablieferung 2001.<br />

Produzent:<br />

Wolfgang Bergmann,<br />

Tel.: +49 - 221 - 9726517<br />

Email: Wolfberg@Lichtfilm.de<br />

35<br />

Budget - Vorbereitung - Produktion

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