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„Musik und Mord - ein Berufsmusiker in Mauthausen ... - Cinetarium.de

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Symposion „KünstlerInnen <strong>und</strong> WissenschaftlerInnen im KZ <strong>Mauthausen</strong>“ L<strong>in</strong>z / Mai 2007<br />

<strong>„Musik</strong> <strong>und</strong> <strong>Mord</strong> - <strong>e<strong>in</strong></strong> <strong>Berufsmusiker</strong> <strong>in</strong> <strong>Mauthausen</strong>“ : Zusammenfassung<br />

Vortrag von Klaus Stanjek / Potsdam<br />

M<strong>e<strong>in</strong></strong> Bericht han<strong>de</strong>lt vom <strong>Berufsmusiker</strong> WILHELM HECKMANN. M<strong>e<strong>in</strong></strong> eigener Onkel. Wir<br />

nannten ihn „Willi“. Er starb 1995 <strong>in</strong> m<strong>e<strong>in</strong></strong>er Heimatstadt Wuppertal (BRD).<br />

1.) Das Familiengeheimnis<br />

M<strong>e<strong>in</strong></strong> Bericht beg<strong>in</strong>nt an s<strong>e<strong>in</strong></strong>em 90. Geburtstag, Juni 1987. Zu diesem Anlass gab es <strong>in</strong><br />

m<strong>e<strong>in</strong></strong>em Elternhaus <strong>e<strong>in</strong></strong>e Familienfeier. Beiläufig erwähnte <strong>e<strong>in</strong></strong>e von Willis Nichten, „dass Willi<br />

wohl <strong>e<strong>in</strong></strong> Überlebenskünstler sei; schließlich hätte er ja auch die Zeit im“ Lager“<br />

überstan<strong>de</strong>n.“ „Welches Lager?“ fragte ich? „Und was <strong>und</strong> warum“?<br />

Obwohl ich mit diesem Mann im gleichen Haus aufgewachsen war, war dieses Thema bis zu<br />

m<strong>e<strong>in</strong></strong>em 39. Lebensjahr vollständig tabuisiert <strong>und</strong> ausgeblen<strong>de</strong>t. Seit dieser Zeit habe ich<br />

mich (mit Unterbrechungen) damit beschäftigt, E<strong>in</strong>zelheiten <strong>und</strong> Zusammenhänge über<br />

Willi`s KZ-Zeit zusammenzutragen. Dabei musste ich feststellen, dass auch ich selbst die<br />

familiär konditionierte Verdrängung <strong>in</strong> m<strong>e<strong>in</strong></strong>er eigenen Seele überw<strong>in</strong><strong>de</strong>n musste <strong>und</strong> muss.<br />

M<strong>e<strong>in</strong></strong> heutiger Bericht ist die erste öffentliche Rekonstruktion <strong>de</strong>r KZ-Gefangenschaft m<strong>e<strong>in</strong></strong>es<br />

Onkels Wilhelm Heckmann.<br />

2.) S<strong>e<strong>in</strong></strong> Bericht <strong>und</strong> das Wissen unserer Familie<br />

Direkte Nachfragen bei m<strong>e<strong>in</strong></strong>em Onkel selbst <strong>und</strong> bei unseren Verwandten führten zu sehr<br />

unvollständigen Ergebnissen.<br />

Bis 1936 war er als <strong>Berufsmusiker</strong> <strong>in</strong> vielen Städten ganz Deutschlands zu Auftritten<br />

unterwegs. Im Jahr 1936 wur<strong>de</strong> er von <strong>de</strong>r Polizei wegen homosexueller Episo<strong>de</strong>n verhaftet<br />

<strong>und</strong> von <strong>de</strong>r Justiz verurteilt, aber auf Gr<strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong></strong>er Amnestie aus <strong>de</strong>r Untersuchungshaft<br />

wie<strong>de</strong>r freigelassen. Im August 1937 nahm die Gestapo ihn erneut gefangen <strong>und</strong> überführte<br />

<strong>in</strong> als Schutzhäftl<strong>in</strong>g (nach § 175) <strong>in</strong>s KZ Dachau. Am 27.9.1939 wur<strong>de</strong> er mit vielen an<strong>de</strong>ren<br />

Dachauer Häftl<strong>in</strong>gen <strong>in</strong>s KZ <strong>Mauthausen</strong> überführt <strong>und</strong> arbeitete dort zunächst im St<strong>e<strong>in</strong></strong>bruch<br />

<strong>de</strong>s Hauptlagers.<br />

Über s<strong>e<strong>in</strong></strong>e Aktivitäten als Musiker erzählte er mir sehr knapp <strong>und</strong> zurückhaltend:<br />

„Ich habe <strong>e<strong>in</strong></strong> Musiktrio aufgebaut <strong>und</strong> bei <strong>de</strong>r Lagerleitung <strong>und</strong> <strong>de</strong>n<br />

Wachmannschaften bei Geburtstagen, bei Prom<strong>in</strong>entenbesuchen <strong>und</strong> an<strong>de</strong>ren<br />

feierlichen Anlässen gesungen <strong>und</strong> gespielt.“<br />

Er hätte immer wie<strong>de</strong>r Geld gehabt, meistens genug zu essen gehabt, später <strong>in</strong> <strong>de</strong>r<br />

„Des<strong>in</strong>fektion“ gearbeitet, <strong>und</strong> 1945 noch zur Front gemusst.<br />

Nachfragen bei m<strong>e<strong>in</strong></strong>er Mutter (<strong>de</strong>r Halbschwester m<strong>e<strong>in</strong></strong>es Onkels) ergaben nur wenige <strong>und</strong><br />

vage Ergänzungen. U.a.: <strong>e<strong>in</strong></strong>e Frau <strong>de</strong>r <strong>Mauthausen</strong>er Kommandantur habe sich um ihn<br />

gekümmert. Und .“S<strong>e<strong>in</strong></strong>e Musik hat ihm s<strong>e<strong>in</strong></strong> Leben gerettet.“<br />

M<strong>e<strong>in</strong></strong> Onkel antwortete nur sehr knapp auf m<strong>e<strong>in</strong></strong>e Nachfragen. Auf m<strong>e<strong>in</strong></strong>e Bitte h<strong>in</strong>, mit ihm<br />

<strong>e<strong>in</strong></strong> Vi<strong>de</strong>o<strong>in</strong>terview zu führen <strong>und</strong> s<strong>e<strong>in</strong></strong>e Aussagen für <strong>e<strong>in</strong></strong>en späteren Film aufzuzeichnen,<br />

lehnte er ab. Er wollte k<strong>e<strong>in</strong></strong>erlei Veröffentlichung über s<strong>e<strong>in</strong></strong> Schicksal zu s<strong>e<strong>in</strong></strong>en Lebzeiten<br />

erlauben.<br />

Allerd<strong>in</strong>gs übergab er mir - nicht lange vor s<strong>e<strong>in</strong></strong>em Tod – <strong>e<strong>in</strong></strong>ige aufschlussreiche<br />

Gegenstän<strong>de</strong> aus <strong>de</strong>r Lagerzeit: <strong>e<strong>in</strong></strong>en im KZ <strong>Mauthausen</strong> am 11. 5. 45 handgeschriebenen<br />

längeren Brief, <strong>e<strong>in</strong></strong> kl<strong>e<strong>in</strong></strong>es Orig<strong>in</strong>alfoto von Lagerführer Bachmayer, <strong>e<strong>in</strong></strong>e Durchschrift <strong>de</strong>s<br />

Klaus Stanjek: <strong>„Musik</strong> <strong>und</strong> <strong>Mord</strong> - <strong>e<strong>in</strong></strong> <strong>Berufsmusiker</strong> <strong>in</strong> <strong>Mauthausen</strong>“ 1


Vernehmungsprotokolls von Ziereis, <strong>e<strong>in</strong></strong> Foto <strong>de</strong>s Kapos Georg Streitwolf, <strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong></strong>e<br />

Zeugenladung <strong>de</strong>r Wuppertaler Polizei an ihn. Durch diese Spuren verbesserte sich m<strong>e<strong>in</strong></strong>e<br />

ziemlich dürftige Informationslage h<strong>in</strong>sichtlich weiterer Recherchen erheblich.<br />

3.) Zur Quellenlage öffentlich zugänglicher Informationen über Wilhelm<br />

Heckmann<br />

Als prägnanteste Quelle betrachte ich die Fotos <strong>de</strong>s SS-Oberscharführers Kornatz vom Juli<br />

1942, <strong>in</strong> <strong>de</strong>nen die Häftl<strong>in</strong>gskapelle abgebil<strong>de</strong>t ist, wie sie vor <strong>de</strong>m Holzkarren marschiert,<br />

auf <strong>de</strong>m Hans Bonarewitz zur H<strong>in</strong>richtung geführt wird. Auf diesen 3 weltweit vielfach<br />

abgedruckten Fotos wur<strong>de</strong>n die Musiker dieser so genannten „Zigeunerkapelle“ bisher nicht<br />

i<strong>de</strong>ntifiziert. Bei <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Akkor<strong>de</strong>onspielern han<strong>de</strong>lt es sich aber um Wilhelm Heckmann<br />

<strong>und</strong> Georg Streitwolf.<br />

In <strong>de</strong>n bisherigen schriftlichen Quellen über Musik <strong>in</strong> <strong>Mauthausen</strong> wird Heckmann mehrfach<br />

nur kurz genannt – so im Interview von H. Marsalek mit Josef Jira (18. <strong>und</strong> 19.4.1972)<br />

„Der Harmonikaspieler <strong>und</strong> Sänger (<strong>de</strong>r Musikkapelle, St.) war <strong>e<strong>in</strong></strong> gewisser WILLI<br />

HECKMANN. Die Musikkapelle ist angeblich im September o<strong>de</strong>r Oktober 1942<br />

zusammengestellt wor<strong>de</strong>n, eben mit Hilfe o<strong>de</strong>r durch Vermittlung <strong>de</strong>s HECKMANN,<br />

<strong>de</strong>s RUMBAUER <strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong></strong>es tschechischen Arztes...“<br />

Im Buch <strong>„Musik</strong> an <strong>de</strong>r Grenze <strong>de</strong>s Lebens“/ Milan Kuna 1993, wird er erwähnt, aber falsch<br />

i<strong>de</strong>ntifiziert:<br />

„Die Musiker (<strong>de</strong>r „Zigeunerkapelle“, St.) verfügten bloß über zwei Geigen, ...,<br />

....sowie über <strong>e<strong>in</strong></strong> Akkor<strong>de</strong>on, das <strong>e<strong>in</strong></strong> Deutscher, <strong>e<strong>in</strong></strong> „Politischer“ namens Herrmann,<br />

spielte. Wenn die Kapos Geburtstag feierten o<strong>de</strong>r die SS sich im Bor<strong>de</strong>ll vergnügte,<br />

ließ man diese Zigeuner herschaffen...“<br />

Erstes war s<strong>e<strong>in</strong></strong> Name nicht Herrmann, son<strong>de</strong>rn Heckmann. Zweitens war er k<strong>e<strong>in</strong></strong><br />

„Politischer“, son<strong>de</strong>rn <strong>e<strong>in</strong></strong>er mit rosa W<strong>in</strong>kel, <strong>und</strong> drittens k<strong>e<strong>in</strong></strong> „Zigeuner“, S<strong>in</strong>ti o<strong>de</strong>r Roma,<br />

son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>utschstämmig. An<strong>de</strong>rnorts wird er auch als „Hechmann, Wilhelm“ o<strong>de</strong>r<br />

„Heikmann“ bezeichnet. Längere Ausführungen über Wilhelm Heckmann existieren bisher<br />

offenbar nicht.<br />

Nach eigenen Recherchen <strong>in</strong> mehreren Archiven <strong>und</strong> Befragungen von Verwandten <strong>und</strong><br />

Informanten liegen mir <strong>in</strong>zwischen mehrere Dokumente vor, darunter s<strong>e<strong>in</strong></strong> Häftl<strong>in</strong>gsausweis,<br />

Angaben <strong>de</strong>s Internationalen Suchdienstes, zwei Orig<strong>in</strong>albriefe aus <strong>de</strong>m KZ <strong>Mauthausen</strong>,<br />

mehrere Listen über Arbeitskommandos mit s<strong>e<strong>in</strong></strong>em Namen, das „Entnazifizierungsprotokoll“<br />

<strong>und</strong> Gerichtsprotokolle mit s<strong>e<strong>in</strong></strong>en Zeugenaussagen 1950 bis 1960.<br />

4.) Wilhelm Heckmann im KZ <strong>Mauthausen</strong><br />

Insgesamt ergibt sich daraus bisher folgen<strong>de</strong>s Bild:<br />

27.9.1939: E<strong>in</strong>weisung im KZ <strong>Mauthausen</strong> (aus Dachau)/ Schutzhaft nach § 175<br />

Häftl<strong>in</strong>gsnummer: 1212; Unterbr<strong>in</strong>gung zunächst <strong>in</strong> Block 3, dann Block 7/ Stube 2, dann<br />

Block 9; Kommandos: St<strong>e<strong>in</strong></strong>bruch „Wiener Graben“ ; Transportkompanie ; Trägerkolonne/<br />

Des<strong>in</strong>fektion; Front 1945; Entlassung nach <strong>de</strong>r Befreiung 1945.<br />

Musikalische Betätigungen<br />

Wilhelm Heckmann war ausgebil<strong>de</strong>ter Tenorsänger <strong>und</strong> Pianist (Konservatorium mit Examen<br />

1923). Bis zur E<strong>in</strong>weisung im KZ Dachau hatte er umfangreiche Berufserfahrung vor allem<br />

als Unterhaltungsmusiker (Sänger, Pianist, Akkor<strong>de</strong>on).<br />

Klaus Stanjek: <strong>„Musik</strong> <strong>und</strong> <strong>Mord</strong> - <strong>e<strong>in</strong></strong> <strong>Berufsmusiker</strong> <strong>in</strong> <strong>Mauthausen</strong>“ 2


Er sagte mir 1987, er hätte <strong>in</strong> <strong>Mauthausen</strong> „<strong>e<strong>in</strong></strong> Trio gegrün<strong>de</strong>t“.<br />

Falls das stimmt, könnte daraus später die sog. „Zigeunerkapelle“ hervorgegangen s<strong>e<strong>in</strong></strong>.<br />

Milan Kuna schreibt über die Jahre bis 1942, dass <strong>de</strong>r Lagerkommandant Ziereis <strong>e<strong>in</strong></strong>igen<br />

Zigeunern <strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong></strong>em <strong>de</strong>utschen Akkor<strong>de</strong>onspieler erlaubt hatte, für die „Prom<strong>in</strong>enten“ zu<br />

spielen. Mehrere Indizien sprechen dafür, dass Wilhelm Heckmann direkten, beson<strong>de</strong>ren<br />

Kontakt zur Lagerleitung hatte.<br />

Auf <strong>de</strong>n Fotos von Kornatz (1942) spielt er vorne <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Mitte <strong>de</strong>r ersten Reihe, wie jemand,<br />

<strong>de</strong>r die Musiker tonangebend anführt. Neben ihm geht Georg Streitwolf seitlich außen.<br />

(Heckmann verfügte über weit mehr an musikalischer Erfahrung als Streitwolf.)<br />

Ab Herbst 1942 wur<strong>de</strong> dann das große Orchester aufgebaut, an <strong>de</strong>ssen Zusammenstellung<br />

Heckmann wesentlich beteiligt war <strong>und</strong> auch als Sänger mitwirkte. Bis 1945 existierten<br />

später m<strong>in</strong><strong>de</strong>stens zwei Kapellen.<br />

5.) Wilhelm Heckmann´s Prädispositionen <strong>und</strong> Rollenkonflikte<br />

Heckmann war <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong></strong>em Wirtshausmilieu aufgewachsen, <strong>in</strong> <strong>de</strong>m zur Unterhaltung <strong>de</strong>r Gäste<br />

(Metallarbeitermilieu von Altena/Westfalen) regelmäßig Darbietungen gegeben wur<strong>de</strong>n<br />

(musikalische, kabarettistische <strong>und</strong> K<strong>in</strong>ovorführungen). S<strong>e<strong>in</strong></strong> Vater, s<strong>e<strong>in</strong></strong>e 3 Brü<strong>de</strong>r <strong>und</strong> er<br />

selbst waren regelmäßig die Akteure. Nach <strong>de</strong>m 1. Weltkrieg: Musikausbildung (Tenorgesang<br />

<strong>und</strong> Piano), dann Arbeit als Unterhaltungsmusiker <strong>in</strong> verschie<strong>de</strong>nen Städten, darunter, Berl<strong>in</strong>,<br />

Stuttgart, München. Willi selbst war <strong>in</strong> <strong>de</strong>n 20´ger <strong>und</strong> 30´ger Jahren vermutlich eher<br />

unpolitisch. Die Auffassungen <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong></strong>er Familie waren konservativ, teilweise <strong>de</strong>utschnational;<br />

<strong>e<strong>in</strong></strong>er s<strong>e<strong>in</strong></strong>er drei Brü<strong>de</strong>r war aktiv <strong>in</strong> <strong>de</strong>r NSDAP.<br />

Für die SS-Lagerleitung <strong>und</strong> Wachmannschaften dürfte er als Enterta<strong>in</strong>er daher gut geeignet<br />

gewesen s<strong>e<strong>in</strong></strong>.<br />

Wi<strong>de</strong>rsprüche <strong>und</strong> Konflikte <strong>in</strong> dieser Rolle:<br />

Als „175´ger“ stand ihm <strong>e<strong>in</strong></strong> sehr niedriger Status <strong>in</strong> <strong>de</strong>r KZ-Hierarchie zu. Als zarter <strong>und</strong><br />

sensibler Mann war er sicherlich hart getroffen von zahlreichen gewalttätigen Erlebnissen. Er<br />

hatte mir sowie <strong>e<strong>in</strong></strong>em Gericht als Zeuge von mehreren brutalen Vorkommnissen berichtet.<br />

Die Möglichkeit, für die SS <strong>und</strong> die Wachmannschaften Musik zu machen, brachte beson<strong>de</strong>re<br />

Privilegien, aber auch heftige Wi<strong>de</strong>rsprüche <strong>und</strong> Ambivalenzen mit sich:<br />

Er arbeitete für die selbe Kommandantur, die für permanente <strong>und</strong> brutale Verbrechen<br />

zuständig war. Als sensibler Sänger mit ausdifferenzierter Wahrnehmung, musste er<br />

gleichzeitig unerträgliche Verhältnisse erleben, härteste Tagesabläufe, St<strong>e<strong>in</strong></strong>brucharbeiten,<br />

gröbste Abstumpfungen...<br />

Er war privilegiert als <strong>de</strong>utschstämmiger Musiker <strong>und</strong> gleichzeitig verachtet als Schwuler.<br />

S<strong>e<strong>in</strong></strong> größter Gew<strong>in</strong>n war: besseres Essen, leichtere Arbeit, <strong>und</strong> Rettung s<strong>e<strong>in</strong></strong>er personalen<br />

I<strong>de</strong>ntität - entgegen <strong>de</strong>r verhängnisvollen Anonymisierung <strong>und</strong> I<strong>de</strong>ntitätsschwächung <strong>de</strong>r<br />

Mehrzahl <strong>de</strong>r Häftl<strong>in</strong>ge.<br />

In <strong>de</strong>r Befragung <strong>de</strong>r Amerikaner im Zuge <strong>de</strong>r „Entnazifizierung“ gab er an, antifaschistische<br />

E<strong>in</strong>stellungen zu haben. Gleichzeitig hatte er aber offensichtlich mit <strong>de</strong>r Lagerleitung<br />

kooperiert. Es ist anzunehmen, dass nicht nur die Privilegien <strong>de</strong>s Musikers, son<strong>de</strong>rn auch das<br />

Musikmachen selbst ihn emotional stabilisiert <strong>und</strong> am Leben erhalten hat.<br />

Von August 1937 im KZ Dachau bis Mai 1945 <strong>in</strong> <strong>Mauthausen</strong> blieb m<strong>e<strong>in</strong></strong> Onkel fast 8 Jahre<br />

lang im Konzentrationslager – <strong>und</strong> überlebte. Er wur<strong>de</strong> fast 100 Jahre alt, hat aber die KZ-<br />

Erfahrung nie wirklich verarbeiten können.<br />

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Klaus Stanjek: <strong>„Musik</strong> <strong>und</strong> <strong>Mord</strong> - <strong>e<strong>in</strong></strong> <strong>Berufsmusiker</strong> <strong>in</strong> <strong>Mauthausen</strong>“ 3

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