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Ich denke schlafen, essen, waschen und fertig ist die Packliste

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PRAxIS<br />

<strong>Ich</strong> <strong>denke</strong> <strong>schlafen</strong>, <strong>essen</strong>,<br />

<strong>waschen</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>fertig</strong> <strong>ist</strong> <strong>die</strong> Packl<strong>ist</strong>e<br />

<strong>die</strong> Fragen stellte florian<br />

Beginnen wir mit der Gretchenfrage: Affe oder<br />

Trekkingrucksack?<br />

Schirmchen: Was <strong>ist</strong>, wenn ich beides möchte?<br />

Der Affe sieht urig aus, <strong>ist</strong> stabil, kompakt <strong>und</strong><br />

kann unterwegs auch mal selbst repariert<br />

werden. Der Trekkingrucksack <strong>ist</strong> <strong>die</strong> rückenfre<strong>und</strong>liche<br />

Alternative. Er <strong>ist</strong> bequem, leichter<br />

<strong>und</strong> aus zeitgemäßen Materialien. Leider sieht<br />

er me<strong>ist</strong>ens aus wie ein Raumschiff aus der<br />

Zukunft, um den Outdoorfreaks zu gefallen.<br />

<strong>Ich</strong> habe mir meinen eigenen Mix kreiert,<br />

indem ich einen Rucksack in einer an den<br />

Affen angelehnten Optik <strong>und</strong> nach meinen<br />

Wünschen genäht habe, meinen "Fahrtenbär<br />

Ultralight".<br />

Ein Affe gilt trotz seiner Nachteile als Nonplusultra.<br />

Quälen wir uns einfach gern?<br />

Dann wäre wohl ein gewöhnlicher Sack mit<br />

Schirmchen hat den „Fahrtenbär<br />

Ultralight“ entwickelt. Ein Gespräch<br />

über <strong>die</strong> neue Leichtigkeit des Seins<br />

Steinen idealer. <strong>Ich</strong> <strong>denke</strong> nicht, dass der Affe<br />

geliebt wird, weil <strong>die</strong> Leute aufgescheuerte<br />

Schultern gut finden. Wenn wir einmal romantische<br />

Gründe beiseite lassen, liegt es<br />

wahrscheinlich daran, dass er von seiner Anlage<br />

her sehr schlicht <strong>ist</strong>, keine Schreifarbe hat<br />

<strong>und</strong> durch sein Format zum Verzicht zwingt.<br />

<strong>Ich</strong> meine, warum geht man denn auf Fahrt?<br />

Unter anderem, damit man merkt, was man<br />

alles nicht braucht.<br />

In der Hinsicht sind bündische Wanderer Perfektion<strong>ist</strong>en,<br />

oder?<br />

Stimmt. <strong>Ich</strong> persönlich finde es ja schon<br />

schwierig, wenn Materialien rascheln, da ich<br />

mich vor allem im Wald gerne leise fortbewege.<br />

Trotzdem müssen Materialien <strong>und</strong> das<br />

Konzept gut sein: Es darf nicht in den Rucksack<br />

reinregnen, er darf nicht unbequem sein. <strong>Ich</strong><br />

finde aber auch, an vielen Trekkingrucksäcken<br />

<strong>ist</strong> für den bündischen Alltag viel zu viel Zubehör<br />

dran. Brauche ich eine integrierte Regenhülle,<br />

wenn ich einen wasserdichten Rucksack<br />

bauen kann? Warum haben <strong>die</strong> Packsäcke so<br />

viele Nähte? Brauche ich 548 Innentaschen,<br />

ein abnehmbares Deckelfach, einen abnehmbaren<br />

Hüftgurt, 26 einstellbare Rückenlängen?<br />

Also, ich nicht.<br />

Kann man sagen „Wie der Rucksack, so sein<br />

Träger?“<br />

<strong>Ich</strong> <strong>denke</strong> schon, dass es da eine Beziehung<br />

zwischen Mensch <strong>und</strong> Material gibt, sonst<br />

kursierten nicht so viele Rucksackmodelle <strong>und</strong><br />

-philosophien in den bündischen <strong>und</strong> pfadfinderischen<br />

Kreisen. Meine ersten Rucksäcke<br />

waren ausgeliehen. Da war ich mir in der Tat<br />

auch noch nicht so sicher, ob <strong>die</strong>se ganze Geschichte<br />

etwas für mich <strong>ist</strong>. Dann kam <strong>die</strong> Ära<br />

des viel zu großen Karstadt-Rucksacks. Der<br />

hatte zwar "nur" 50 Liter, aber ich war auch<br />

bloß ein zwölf Jahre altes Persönchen. Den<br />

Rucksack habe ich trotzdem richtig durchgejuckelt,<br />

er hat auch viel gesehen <strong>und</strong> war dann<br />

irgendwann komplett zerrissen. Danach habe<br />

ich einen Tatonka-Rucksack gehabt, mit einem<br />

X1-Tragesystem für extra schwere Lasten. Zur<br />

selben Zeit habe ich aber angefangen, radikal<br />

immer weniger mitzunehmen. Mit weniger<br />

als zehn Kilo Gepäck fliegt <strong>die</strong>ser Rucksack<br />

quasi, man merkt ihn kaum. Und doch kam<br />

mir dann das Leergewicht des Rucksacks in <strong>die</strong><br />

Quere, aufgr<strong>und</strong> des fetten Tragesystems <strong>ist</strong> es<br />

recht hoch. Das war der Ursprung meines<br />

Leichtgewicht-Nähprojekts.<br />

Erkläre uns doch bitte an drei Punkten, welchen<br />

Vorteil deine Eigenkonstruktion für dich hat.<br />

Erstens: Es läuft sich einfach leicht. Der Fahr-<br />

tenbär Ultralight wiegt nur 740 Gramm. Zwei-<br />

tens: <strong>Ich</strong> könnte ihn unterwegs reparieren<br />

oder sogar weiterentwickeln. <strong>Ich</strong> kenne jedes<br />

Teil <strong>und</strong> weiß, wie ich es ersetzen oder verändern<br />

kann. Das <strong>ist</strong> ein tolles Gefühl. Drittens:<br />

Es <strong>ist</strong> eine lustige Methode, neue Leute kennenzulernen.<br />

Jeder dritte Wanderer spricht<br />

einen darauf an.<br />

Wie unterscheidet sich dein Rucksack von den<br />

legendären „Fahrtenbären“?<br />

Einerseits durch <strong>die</strong> modernen Materialien. Da<br />

bewege ich mich schon fast im Ultralight-Bereich,<br />

aber am stabilen Ende davon. Andererseits<br />

hat der herkömmliche Fahrtenbär überhaupt<br />

keinen Rahmen, <strong>und</strong> man muss durch<br />

<strong>die</strong> Klamotten immer einen "Überdruck" im<br />

Inneren erzeugen, um seine Form stabil zu behalten.<br />

Außerdem habe ich ein Innengestell<br />

aus Alustangen, so dass <strong>die</strong> Last gut auf den<br />

Rücken übertragen wird <strong>und</strong> mein Rucksack<br />

so bequem zu tragen <strong>ist</strong> wie ein Trekkingrucksack.<br />

Wie b<strong>ist</strong> du auf <strong>die</strong> Größe deines Packsacks ge-<br />

30 der eisbrecher<br />

der eisbrecher 31<br />

kommen?<br />

<strong>Ich</strong> <strong>denke</strong> "<strong>schlafen</strong>, <strong>essen</strong>, <strong>waschen</strong>" <strong>und</strong> fer-<br />

tig <strong>ist</strong> <strong>die</strong> Packl<strong>ist</strong>e in meinem Kopf. Das geht<br />

richtig schnell mittlerweile. Immer dabei sind<br />

eigentlich nur mein Schlafsack, meine Isomatte,<br />

mein AB-Päckchen, mein Liederbuch,<br />

Waschzeug, Wasserflasche <strong>und</strong> mein Opinel.<br />

Da bin ich ziemlich klassisch drauf.<br />

Zu Beginn der Entwicklungsphase habe ich <strong>die</strong><br />

Packvolumen der Affen, <strong>die</strong> ich so in <strong>die</strong><br />

Hände bekam, einfach aus den Kantenlängen<br />

ausgerechnet. Dann habe ich mir kleinere<br />

Trekkingrucksacke angeschaut, <strong>und</strong> <strong>die</strong> Packvolumen<br />

auf Quader- oder Affenform umge-<br />

PRAxIS


PRAxIS<br />

32 der eisbrecher<br />

der eisbrecher 33<br />

PRAxIS<br />

Brauche ich 548 Innentaschen,<br />

ein abnehmbares Deckelfach,<br />

einen abnehmbaren Hüftgurt,<br />

26 einstellbare Rückenlängen?<br />

Also, ich nicht.


PRAxIS<br />

Das komplette Schnittmuster für den<br />

„Fahrtenbär Ultralight“ <strong>und</strong> <strong>die</strong> Nähanleitung<br />

mit vielen Fotos <strong>und</strong> Zeichnungen<br />

findet ihr auf www.der-eisbrecher.de zum<br />

Herunterladen.<br />

rechnet. Schließlich habe ich gerafft, dass <strong>die</strong><br />

ganzen Ultralight-Fritzen ihre Isomatten als<br />

Innengestell verwenden. Das wollte ich auch<br />

ausprobieren, <strong>und</strong> damit war <strong>die</strong> Größe meines<br />

Packsacks endgültig bestimmt.<br />

Fell oder kein Fell, das <strong>ist</strong> hier <strong>die</strong> Frage.<br />

<strong>Ich</strong> habe kein Fell, da ich keine Fellquelle hatte.<br />

<strong>Ich</strong> könnte mir aber vorstellen, noch mal ein<br />

Modell mit Fell zu machen. Dann würde ich<br />

allerdings auch gern Lederverstärkungen machen<br />

wollen, <strong>und</strong> dazu muss ich noch lernen,<br />

wie das geht.<br />

Normalerweise braucht man für einen Rucksackkauf<br />

nicht viel länger als einen Samstag im<br />

Outdoorladen. Wie lange hat es bei dir gedauert,<br />

bis du dein Modell <strong>fertig</strong> hattest?<br />

Daran herumgedacht habe ich bestimmt ein<br />

halbes Jahr. Das Zuschneiden, Stangen besorgen<br />

<strong>und</strong> das Nähen selbst hat gerade einmal<br />

14 Tage gedauert, wobei ich das auch nur<br />

abends <strong>und</strong> am Wochenende gemacht habe.<br />

<strong>Ich</strong> war selber überrascht, dass der Rucksack so<br />

plötzlich <strong>fertig</strong> war.<br />

Raupen nähen, Tunnel steppen … Welche handwerklichen<br />

Erfahrungen bringst du mit?<br />

<strong>Ich</strong> habe tatsächlich schon vorher viel genäht<br />

<strong>und</strong> Anfang <strong>die</strong>sen Jahres auch meinen größten<br />

Gegner bezwungen: <strong>die</strong> Jeanshose. Mit<br />

Outdoorstoffen arbeitete ich aber zum ersten<br />

Mal, <strong>und</strong> habe mir da auch viel angelesen. Das<br />

Stichwort im Netz <strong>ist</strong> „MYOG - Make Your<br />

Own Gear“. Die Ultralight-Bewegung war<br />

immer eine Selbermachbewegung. Ihr Pionier<br />

Ray Jardine hat viele nützliche Nähtipps auf<br />

seiner Internetseite <strong>und</strong> in seinen Büchern.<br />

Was kommt als nächstes? Die selbstgenähte<br />

Kohtenkonstruktion?<br />

Da liegst du gar nicht mal so falsch. <strong>Ich</strong> habe<br />

tatsächlich noch vor, mir irgendwann ein kleines<br />

Reise-Tipi aus Kohtenstoff zu nähen.<br />

Was war das schönste Fleckchen Erde, an das du<br />

je einen Rucksack getragen hast? Und wo war<br />

das schlimmste?<br />

Oh, das geht für mich persönlich schon wieder<br />

mit der Schwere des Gepäcks einher. Richtig<br />

schön <strong>ist</strong> es jetzt mit dem leichten Gepäck,<br />

man fühlt sich wie ein Spaziergänger <strong>und</strong><br />

nicht wie ein Packesel. Da <strong>ist</strong> es eigentlich fast<br />

egal, wo man hinfährt, auch eine Wochenendfahrt<br />

im heimischen Eggegebirge bekommt<br />

plötzlich einen ganz neuen Reiz. Nicht so<br />

schön war der Anfang unserer Fahrt nach Island,<br />

als wir ziemlich viel Essen <strong>und</strong> Material<br />

dabei hatten, weil wir danach durchs Hochland<br />

wollten. Auf einem rutschigen, abschüssigen<br />

Grat aus tiefem Schlamm dachten wir<br />

kurzzeitig, hier kommen wir nicht mehr lebendig<br />

heraus. Irgendwie hat der Abstieg mit<br />

kontrolliertem Rutschen dann doch geklappt.<br />

Und je mehr Essen wir aufgeg<strong>essen</strong> hatten,<br />

desto leichter wurden <strong>die</strong> Rucksäcke.<br />

Vielen Dank für das Gespräch.<br />

34 der eisbrecher<br />

der eisbrecher 35<br />

PRAxIS

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