Originalfassung als PDF ansehen - DIHAG
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DIE STILLEN STARS AN DER RUHR<br />
<strong>DIHAG</strong><br />
Geschäft aus einem Guss<br />
|Ruhr Revue<br />
„Gute Geschäfte machen – und bescheiden bleiben“.<br />
Die Antwort von <strong>DIHAG</strong>-Vorstand Heinrich Grütering auf<br />
die Frage, woran man ein erfolgreiches Unternehmen<br />
erkenne, klingt, <strong>als</strong> habe er sie schon oft gegeben. Das<br />
wollen wir doch genauer wissen.<br />
— Zwei von fünf: Die <strong>DIHAG</strong>-<br />
Vorstände Guido Lücker (links) und<br />
Heinrich Grütering (rechts)<br />
Was wir hören, ist typisch für<br />
unsere „Stillen Stars an der<br />
Ruhr“: Sie blühen im Verborgenen,<br />
halten sich bedeckt beim<br />
Vermelden von Erfolgen und<br />
bauen sich auch keine Glaspaläste.<br />
So auch die <strong>DIHAG</strong>, kurz<br />
für Deutsche Giesserei- und Industrie-Holding<br />
AG. Wer einmal<br />
den Eingang zum Hauptsitz<br />
einer der größten und erfolgreichsten<br />
Gießereigruppen<br />
Europas gesucht hat, weiß Bescheid.<br />
Es sei verraten: Sie liegt<br />
in Essen, direkt neben dem<br />
Volvo-Showroom von Lueg.<br />
Man trägt den Nerz nach<br />
innen.<br />
— Der <strong>DIHAG</strong>-Hauptsitz an der<br />
Altendorfer Straße in Essen<br />
| Die große Wende<br />
Die Geburtsstunde der <strong>DIHAG</strong><br />
schlug 1993. In Deutschland<br />
war die Wende politisch vollzogen<br />
– und viele Betriebe in der<br />
ehemaligen DDR standen kurz<br />
vor dem Abgrund: Mit veralteten<br />
Maschinen und Produktionsabläufen<br />
ließ sich bei aller<br />
Tradition und allem handwerklichem<br />
Können kein Geld verdienen.<br />
Bis die <strong>DIHAG</strong> kam<br />
und investierte: In die Meuselwitz<br />
Guss Eisengießerei in der<br />
gleichnamigen Stadt im Dreiländereck<br />
Thüringen, Sachsen und<br />
Sachen-Anhalt, die Schmiedeberger<br />
Giesserei im Erzgebirge<br />
oder das Eisenwerk Arnstadt in<br />
Thüringen. Zusammen mit weiteren<br />
Unternehmen in Deutschland,<br />
Polen, Ungarn und China<br />
hat die <strong>DIHAG</strong> elf profitabel<br />
arbeitende Gießereien unter<br />
ihrem Dach vereint. Eines der<br />
Erfolgsgeheimnisse: Der fünfköpfige<br />
Essener <strong>DIHAG</strong>-Vorstand<br />
gibt die Richtung vor und<br />
fällt die strategischen Entscheidungen;<br />
gelenkt werden die<br />
rechtlich selbstständigen Unternehmen<br />
jedoch durch die lokalen<br />
Geschäftsführer.<br />
| Weltmarktführer<br />
So etwas wie der Solitär im<br />
<strong>DIHAG</strong>-Portfolio ist die Mecklenburger<br />
Metallguss GmbH,<br />
kurz MMG, in Waren an der<br />
Müritz. Vor sieben Jahren in<br />
die Gruppe geholt, stieg der<br />
MMG-Umsatz von ehem<strong>als</strong><br />
14 Millionen DM auf heute<br />
rund 100 Millionen Euro an.<br />
DIE STILLEN STARS AN DER RUHR<br />
Porträts: Matthias Duschner<br />
Das Produkt: Schiffsschrauben,<br />
und zwar die ganz großen.<br />
„Die MMG ist hier Weltmarktführer“,<br />
erklärt <strong>DIHAG</strong>-Vorstand<br />
Guido Lücker. Einer der spektakulärsten<br />
Aufträge war die<br />
Schiffsschraube der Queen<br />
Mary 2. Für alle Nichtkreuzfahrer:<br />
Die „QM 2“ misst vom<br />
Bug bis zum Heck mehr <strong>als</strong><br />
345 Meter – das längste Passagierschiff,<br />
das derzeit über die<br />
Weltmeere kreuzt. Doch so gut<br />
ein solcher Auftrag fürs Firmenimage<br />
ist, ihr Geld verdienen<br />
die rund 200 MMG’ler mit der<br />
Produktion der bis zu elf Meter<br />
im Durchmesser zählenden und<br />
bis zu 150 Tonnen schweren<br />
Schrauben für die Lasttiere der<br />
Meere: die großen Containerschiffe<br />
und Tanker. „Für die<br />
Klasse der großen Seeschiffe<br />
stellen wir mehr <strong>als</strong> jede zweite<br />
Schraube her, die jährlich verbaut<br />
wird“, hat Lücker errechnet.<br />
Und die Kunden müssen<br />
mit Wartezeiten rechnen: „Für<br />
die nächsten zwei Jahre sind<br />
unsere Auftragbücher voll“,<br />
freut sich der <strong>DIHAG</strong>-Vorstand.<br />
| Made in Germany!<br />
Die Kunden für die Hightech-<br />
Kunstwerke aus Kupfer, Nickel<br />
und einigen Edelmetallen, die<br />
manchmal Höhen von vierstöckigen<br />
Häusern erreichen, sitzen<br />
heute meist in Fernost.<br />
Trotz allen Bemühens ist es<br />
Ruhr Revue |
DIE STILLEN STARS AN DER RUHR<br />
den Herstellern dort noch nicht<br />
gelungen, die Perfektion der<br />
MMG-Schrauben zu erreichen.<br />
Über 50 Jahre Erfahrung – die<br />
holt man nicht von heute auf<br />
morgen auf. Und das Risiko,<br />
dass auf hoher See eine Schraube<br />
bricht, will kein Reeder gerne<br />
eingehen. Da steht zu viel<br />
Geld auf dem Spiel, da geht die<br />
Branche auf Nummer Sicher.<br />
| Voll auf die Bremse<br />
Sicherheit heißt die Devise<br />
auch auf der Schiene. Damit<br />
die Güterwaggons der großen<br />
europäischen Eisenbahngesellschaften<br />
zuverlässig und schnell<br />
zum Stillstand kommen, setzen<br />
die Deutsche Bahn, die schweizerische<br />
SBB, die französische<br />
SNCF und weitere Staats- und<br />
Privatbahnen auf Bremsklotzsohlen<br />
und Bremsklötze von<br />
drei <strong>DIHAG</strong>-Unternehmen mit<br />
Sitz in Deutschland, Polen und<br />
Ungarn. Ein gutes und regelmäßiges<br />
Geschäft für die Essener:<br />
„So ein gegossener Bremsklotz<br />
hält zwischen sechs und<br />
|Ruhr Revue<br />
acht Wochen“, erklärt Heinrich<br />
Grütering. „In der Schweiz mit<br />
ihren vielen Bergen müssen<br />
die eher erneuert werden, in<br />
Frankreich dauert es manchmal<br />
ein bisschen länger.“ 50.000<br />
Tonnen an Bremsklötzen werden<br />
jährlich vom europäischen<br />
Marktführer produziert. Bei<br />
einem Einzelgewicht von rund<br />
zehn Kilogramm sind das fünf<br />
Millionen Stück. Da kommt<br />
kein Wettbewerber mit.<br />
| Von Lintorf in die Welt<br />
Ebenfalls europäischer Marktführer<br />
ist die <strong>DIHAG</strong> bei der<br />
Herstellung von wieder verwendbaren<br />
Behältern für den<br />
Stahlguss, den „Kokillen“. Produziert<br />
werden sie gleich um<br />
die Ecke in Ratingen, in der<br />
Lintorfer Eisengießerei GmbH,<br />
einem Unternehmen mit rund<br />
100-jähriger Tradition. „Rund<br />
80 Prozent unserer Kokillen<br />
gehen ins Ausland“, so Hein-<br />
— Bis zu 45 Tonnen schwer sind die Walzen, die nach Guss, Härtung und Weiterverarbeitung<br />
die Walzengießerei Coswig verlassen und oft weite Wege zurücklegen.<br />
Denn die Kunden der <strong>DIHAG</strong>-Gruppe sitzen in aller Welt.<br />
— Wo alles begann:<br />
In der Meuselwitz Guss Eisengießerei<br />
werden heute tonnenschwere Komponenten<br />
für Windkrafträder produziert.<br />
Eckdaten<br />
Die <strong>DIHAG</strong> Deutsche Giesserei-<br />
und Industrie Holding<br />
AG mit Sitz in Essen erzielte<br />
mit ihren 11 Unternehmen in<br />
Deutschland, Polen, Ungarn<br />
und China im letzten Jahr<br />
Umsatzerlöse von über 400<br />
Mio. Euro. In den Betrieben<br />
sind mehr <strong>als</strong> 2.000 Mitarbeiter<br />
und 150 Auszubildende<br />
beschäftigt.<br />
Geleitet wird das Unternehmen<br />
von einem fünfköpfigen<br />
Vorstand: Harald Weidemann<br />
(Vorsitz), Heinrich Grütering,<br />
Guido Lücker, Wilfried Pfaffe<br />
und Herbert Werner.<br />
rich Grütering. Neben vielen<br />
europäischen setzen auch amerikanische<br />
Stahlproduzenten auf<br />
die Lintorfer und ihre Qualität<br />
„Made in Germany“.<br />
| Winds of change<br />
Ein weiteres Standbein der<br />
Guss-Spezialisten ist der seit<br />
Jahren wachsende Markt für<br />
Windkrafträder. Ein Zukunftsmarkt,<br />
weltweit. Hier gilt es,<br />
riesengroße Kräfte zu beherrschen.<br />
Denn mit der kontinuierlichen<br />
Vergrößerung der<br />
Windenergie-Anlagen stieg<br />
nicht nur deren Leistung um<br />
ein Vielfaches, sondern auch<br />
die Beanspruchung der einzelnen<br />
Komponenten. „Bei einem<br />
Rotordurchmesser von 120 Metern<br />
muss die von uns gegossene<br />
Rotornabe schon etwas aushalten“,<br />
so der <strong>DIHAG</strong>-Vorstand.<br />
Produziert werden die bis zu<br />
36 Tonnen schweren Gussteile<br />
in dem Betrieb, mit dem die<br />
<strong>DIHAG</strong>-Erfolgsstory angefangen<br />
hat: in der Meuselwitz Guss<br />
Eisengießerei in Thüringen. ● ak