lesen - Tom Ammermann
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26. JAHRGANG NR. 285<br />
R E P O R T : S U R R O U N D - P R O D U K T I O N<br />
R E P O R T : V I R T U A L I S I E R U N G<br />
T E S T : R M E H D S P M A D I
2<br />
Hier wird mitgefeiert...<br />
<strong>Tom</strong> <strong>Ammermann</strong><br />
Fotos: Thorsten Krone, Kay Weber,<br />
Stefan Tänzler<br />
Ein raumintegratives Konzept<br />
ermöglicht dem Hörer das hautnahe Miterleben des Musikereignisses<br />
Was macht einen Surroundmix attraktiv? Ist das erzielbare Ergebnis<br />
einer Surround-Produktion im Vergleich zu einer 'herkömmlichen'<br />
Stereo-Produktion ein Mehrgenuss, der den Aufwand wirklich<br />
rechtfertigt? Wenn ja, lässt sich eine solche Produktion überhaupt<br />
mit gängigen Produktionsverfahren realisieren? Zählt bei der Frage<br />
nach Surround oder Stereo am Ende nur der individuelle Geschmack?<br />
Alle, die sich mit dem Thema ‚Surround’ ernsthaft auseinandersetzen,<br />
müssen sich berechtigterweise derartige Fragen stellen, auf die es<br />
natürlich auch mehrere sinnvolle Antworten gibt. Auch ich habe mir<br />
diese und viele andere Fragen gestellt, auf die ich im Rahmen dieses<br />
Beitrags Antworten geben möchte, die meinen Standpunkt und meine<br />
Surround-Visionen deutlich machen sollen. Mit der Unterstützung<br />
des Musikproduzenten<br />
Michael Abbing konnte ich im<br />
vergangenen Sommer eine<br />
Surround-Musikproduktion<br />
durchführen, die eine Umsetzung<br />
meiner Ideen ermöglichte.<br />
Michael Abbing absolvierte bei<br />
uns im Luna Studio Hamburg<br />
Anfang des Jahres sein<br />
halbjähriges Praktikum zum<br />
Abschluss seines Studiums an<br />
der Hochschule für Angewandte<br />
Wissenschaften in Hamburg<br />
im Bereich Medientechnik,<br />
Schwerpunkt AV-Produktionen.<br />
Die Arbeit hatte das<br />
Schwerpunkthema ‚Surround-<br />
Musikproduktionen’.
Um gleich mit der Antwort auf eine eingangs<br />
gestellte Frage zu beginnen: Selbstverständlich<br />
entscheidet mitunter auch der<br />
persönliche Geschmack, ob man eine Stereo-<br />
oder Surround-Produktion bevorzugt.<br />
Erinnern wir uns an den wichtigen Schritt<br />
von der Mono- zur Stereotechnik. Dass die<br />
gesamte Band aus dem linken Lautsprecher<br />
und der Sänger aus dem rechten Lautsprecher<br />
kam, wurde, wie ich meine, nicht ganz<br />
zu Unrecht von vielen belächelt. Dennoch<br />
erscheint aus heutiger Sicht viel wichtiger,<br />
wie schrittweise das Potential von Stereo<br />
erkannt und das Format schließlich zum Erfolg<br />
geführt wurde. Einer der wesentlichen<br />
Aspekte dieser Entwicklung war der Schritt<br />
zum natürlicheren Hören – die Wahrnehmung,<br />
als Zuhörer akustisch integriert zu<br />
sein. Diese Wahrnehmung führt auch dazu,<br />
dass wir als Hörer heute gewohnt sind,<br />
an elektro-akustischen Ereignissen wirklich<br />
teilzunehmen. Wenn dieser akustische Integrationsvorgang<br />
zusätzlich in Übereinstim-<br />
Der Autor<br />
<strong>Tom</strong> <strong>Ammermann</strong> betätigte sich bis Ende<br />
der 80er Jahre als Musiker und Gitarrist in<br />
diversen Bands quer durch verschiedenste<br />
Musikstile. Anfang der 90er begann er im<br />
Bereich Tontechnik auf professionellem Niveau<br />
zu arbeiten. Parallel dazu befasste er<br />
sich intensiv mit Musik- und Audioproduktionsverfahren<br />
sowie den dazugehörigen<br />
Produktionsmitteln, um eigene Kompositionen<br />
sowie Auftragsarbeiten für Werbung<br />
und Filmmusiken zu realisieren. Drei Jahre<br />
mung mit visuellen Wahrnehmungen erfolgt,<br />
ist die Illusion des wirklichen ‚Dabeiseins’<br />
nahezu perfekt.<br />
Vor diesem Hintergrund liegt es auf der Hand,<br />
dass Surround als nächster Schritt auf dem<br />
Weg zum natürlichen Hören mit einer weiteren<br />
räumlichen Dimension geschmacklich<br />
einen sehr hohen Konsens beim Publikum<br />
finden wird. Und dieser wird sich durch die<br />
enorme Verbreitung der DVD mit Sicherheit<br />
auch nicht nur auf die audiophile Fangemeinde<br />
beschränken. Einfacher gesagt: Surround<br />
wird sich, unserer Auffassung nach,<br />
sehr bald als Standard etablieren. Da auch<br />
für den Kopfhörer schon attraktive Surround-<br />
Simulationen existieren und sich diese mit<br />
Sicherheit auch zügig verbessern werden,<br />
können die Argumente gegen heimischen<br />
Surround-Genuss nicht mehr lange Gewicht<br />
haben. Im übrigen werden auch die Bauformen<br />
der Lautsprecher, siehe Satellitensysteme<br />
oder Flachmembran-Lautsprecher,<br />
Jazztheorie an der Musikhochschule Hamburg<br />
bei Prof. Glawischnik haben hier weitere<br />
Grundlagen geschaffen. 1995 war er<br />
Mitgründer des LUNA STUDIO in Hamburg.<br />
Ende der 90er begann er, sich mit dem Thema<br />
Surround und allem, was dazu gehört,<br />
ausführlich zu beschäftigen (Encoding, Dolby<br />
Digital, DTS, DVD, 5.1 Mischungen, Mastering<br />
und so weiter). Zeitgleich baute er<br />
hierzu seine Produktionsinfrastruktur zur<br />
Realisierung von Surround-Produktionen<br />
im LUNA STUDIO aus. In dieser Zeit arbeitete<br />
er ebenfalls an der Erstellung von binauralen<br />
Surround-Simulationen für den<br />
Kopfhörer, welche allein 2003 auf 13 DVDs in<br />
Form einer zusätzlichen Audiospur als das<br />
markenrechtlich geschützte Audio-Format<br />
‚headphone-surround’ veröffentlicht wurden.<br />
Heute ist er Komponist, Musikproduzent,<br />
Audiodesigner und Toningenieur für<br />
alle Arten von Audio- und Musikproduktionen,<br />
mit einem Schwerpunkt auf Surround.<br />
Für 2003 gehen 15 DVD- Masterings<br />
und -Encodings in Dolby Digital und DTS,<br />
vier DVD-Mischungen sowie diverse Surround-Musikproduktionen,<br />
Audiodesigns<br />
und Konvertierungen für DVDs auf sein Konto.<br />
Einige Leckerbissen hieraus sind ‚Donnie<br />
Darko’, ‚Cypher’, ‚The Musketeer’, ‚He-<br />
Man and the Masters of the Universe’, ‚Libera<br />
ME’ sowie das Encoding der Musik-<br />
DVD ‚Sara K life’.<br />
3<br />
wie sie zum Beispiel bei der Wellenfeldsynthese<br />
verwendet werden, zu einer besseren<br />
Integration in den Privatbereich beitragen<br />
und es scheint nur noch eine Frage<br />
der Zeit zu sein, bis überall und zu jeder<br />
Zeit Surround erlebbar sein wird. Es macht<br />
daher sehr viel Sinn, auch in kommerzieller<br />
Hinsicht, an guten Surround-Produktionsverfahren<br />
zu arbeiten. Abgesehen davon<br />
sind wir hier auch alle von der Surround-<br />
Idee wirklich infiziert und können gar nicht<br />
anders. Die Frage ist nun, wie man es angeht.<br />
Zwei Verfahren werden dazu zurzeit<br />
verwendet…<br />
Diskrete Quellenortung<br />
In Kinomischungen haben uns die Kollegen<br />
bereits vorgemacht, dass eine diskrete<br />
Quelle verhältnismäßig leicht zu etablieren<br />
ist, egal, ob sie direkt aus einem der<br />
fünf definierten Lautsprecher einer 5.1-Annordnung<br />
kommt, oder als Phantomquelle<br />
aus zwei benachbarten Lautsprechern. Bei<br />
mehr als zwei Lautsprechern wird es aber<br />
schon kritischer. Hierbei handelt es sich um<br />
ein elementares Verfahren, das zur räumlichen<br />
Wahrnehmung von akustischen Ereignissen<br />
führt. Würden wir diesen Ansatz<br />
jedoch einzig und allein verfolgen, kämen<br />
wir in der Musikproduktion etwa dort hin,<br />
wo am Anfang auch die Stereo-Musikproduktion<br />
stand. Der Sänger ist im Center zu<br />
hören, die Gitarre kommt von hinten links<br />
und der Flötist rennt stetig um uns herum!<br />
Dies ist natürlich etwas übertrieben dargestellt,<br />
denn es gibt bereits gute und interessante<br />
Musikproduktionen, die dieses Verfahren<br />
nutzen, doch hat es seine Grenzen,<br />
was die Darstellung von natürlicher Räumlichkeit<br />
betrifft.<br />
Räumliche Aufnahmen<br />
Das Verfahren, den Raum, in dem das musikalische<br />
Ereignis stattfindet, mit einer entsprechenden<br />
Mikrofonanordnung als ‚Atmo’<br />
mit aufzuzeichnen und dann einer Direktquellenmischung<br />
inklusive Raumsimulatoren<br />
hinzuzufügen, ist zur Zeit in der Musikproduktion<br />
das gängigste und kommt der<br />
emotionalen Einbindung des Zuhörers schon<br />
einen weiteren großen Schritt näher. Es wird<br />
jedoch nahezu ausschließlich für Live-Aufnahmen<br />
verwendet. Man schnuppert als Zuhörer<br />
sozusagen ein wenig von der Halle<br />
und der Atmosphäre des Konzertes, ganz<br />
so, als könnte man sich kurzerhand einfach<br />
umdrehen und zum Bierstand laufen.
4<br />
<strong>Tom</strong> <strong>Ammermann</strong> am ‚Pyramix-Kommandostand‘<br />
Das raumintegrative Konzept<br />
(Room Integrative Concept R.I.C.)<br />
für Surround-Aufnahmen im Studio<br />
Im Studio, der eigentlichen Schmiede der Inhalte<br />
von Audiotonträgern, wird so gut wie<br />
gar nicht in Surround produziert. Einer der<br />
Gründe dafür ist, dass nur wenige Ideen für<br />
eine mögliche Vorgehens- und Arbeitsweise<br />
existieren oder diese einfach nicht umgesetzt<br />
werden. Basierend auf den derzeitigen Erkenntnissen<br />
und technischen Möglichkeiten<br />
möchte ich daher als drittes Verfahren das<br />
raumintegrative Konzept für Surround-Aufnahmen<br />
vorstellen. Um den Zuhörer emotional<br />
noch intensiver zu packen und einen<br />
weiteren Attraktivitätszuwachs im Vergleich<br />
zu einer 'herkömmlichen’ Stereo-Produktion<br />
zu erzielen, war unser Ansatz, den Zuhörer<br />
in das Musikereignis direkt hineinzuführen,<br />
ihm das Gefühl zu geben, mitten in der<br />
Band im Aufnahmeraum oder auf der Bühne<br />
zu sitzen und nicht in der Aufnahmeregie<br />
oder im Parkett, Reihe 10. Hierzu haben<br />
wir im Studio jedes Instrument diskret, also<br />
im Overdub-Verfahren, sowie in der Position,<br />
die es später in der Mischung haben<br />
soll, im Aufnahmeraum mit Surround-Mikrofonanordnungen<br />
aufgezeichnet. Der Zweck<br />
der Übung sollte sein, dass jedes Instrument<br />
räumlich wahrzunehmen ist, indem<br />
die Mischung die räumliche Tiefe und Position<br />
des Instrumentes enthält.<br />
Den Hörer mitten in das Geschehen zu setzen,<br />
indem man die Band um ihn herum<br />
anordnet, birgt Risiken. Eines der elementarsten<br />
Risiken ist natürlich die 'allgemeine<br />
Hörgewohnheit’. Es ist schon ungewöhnlich,<br />
ein Instrument nicht nur von vorne zu<br />
hören, wenn wir die Raumreflexionen einmal<br />
außer Acht lassen. Aber gilt das für<br />
uns alle? Ich als Musiker kann sagen, dass<br />
die Instrumente um mich herum im Probe-<br />
oder Aufnahmeraum und auf der Bühne immer<br />
einen besonderen Reiz ausgemacht haben.<br />
Es ist bei einer gut eingespielten Band,<br />
selbst wenn man gerade Spielpause hat, immer<br />
wieder ein besonderes Gefühl des direkten<br />
'Eintauchens' in die Musik. Ich bin<br />
sicher, dass ein Tänzer auf der Bühne von<br />
ähnlichen Erlebnissen berichten kann, obwohl<br />
er die Musik aus einer ganz anderen<br />
räumlichen Position zum Orchester als der<br />
Zuhörer erlebt und sogar noch der Aspekt<br />
Der Aufbau des Mikrofon-Arrays beginnt...<br />
einer sich ständig verändernden Hörposition<br />
hinzukommt. Zu Anwendungen bei Live-Produktionen<br />
möchte ich später noch<br />
etwas sagen.<br />
Hörgewohnheiten<br />
Es ist kein neues, aber ein viel diskutiertes<br />
Thema, ob es sinnvoll oder 'legitim' ist, eine<br />
Hörposition innerhalb des Musikereignisses<br />
zu schaffen. Dies ist uns durchaus<br />
bewusst. In der Regel hört man das Argument:<br />
‚Ich sitze doch während des Konzertes<br />
auch nicht auf der Bühne oder bei den<br />
Musikern im Aufnahmeraum!’ Und mit diesem<br />
Kommentar hätte mein Diskussionsgegenüber<br />
auch Recht. Wer hätte schon Lust,<br />
sich neben einen 200 Watt Marshall-Amp zu<br />
setzen oder sich pausenlos von den Tänzern<br />
über den Haufen rennen zu lassen? Wenn<br />
aber diese Unwegsamkeiten nicht existierten?<br />
Wenn wir uns mittels akustischer Illusion,<br />
die möglicherweise auch noch analog<br />
zu einem Bild entstünde, etwa wie auf einer<br />
DVD in ein Musikereignis hineinbegeben<br />
könnten, um es hautnah zu genießen<br />
und mitzuerleben; würden wir dieser Versuchung<br />
dann wirklich widerstehen wollen?<br />
Ich kann für meinen Teil sagen, dass mich<br />
diese Perspektive wirklich begeistert. Ich<br />
denke, wir sollten uns dieser Option nicht<br />
verschließen und vermute, dass hier ganz<br />
neue Hörgewohnheiten entstehen könnten.<br />
Und wie wir wissen, haben sich diese schon<br />
mehr als einmal verändert.
Fertig montiert: Mikrofon-Array mit allen getesteten Mikrofon-Anordnungen<br />
Der Aufbau<br />
Um nun nicht alle Zuhörer zu Tänzern oder<br />
Popstars zu machen, wohl aber den Mechanismus<br />
der akustischen Integration zu nutzen,<br />
haben wir uns Folgendes überlegt: Eine<br />
räumliche Aufnahme mit möglichst vielen<br />
Konstanten wäre erforderlich. Bekanntermaßen<br />
benötigten wir hierzu Surround-Mikrofonanordnungen.<br />
Auch von Bedeutung war<br />
die Frage danach, welche Anordnung man<br />
für welches Instrument bzw. welche Instrumentengruppe<br />
an welchem Ort benutzt. Daher<br />
haben wir in punkto Mikrofone gleich<br />
Nägel mit Köpfen gemacht. Wir wurden bei<br />
allen namhaften Mikrofonherstellern vorstellig,<br />
die im Bereich ‚Surround’ etwas anzubieten<br />
haben und siehe da, alle ermöglichten<br />
uns bereitwillig das Testen und Vergleichen<br />
ihres Systems. Herzlichen Dank dafür<br />
an dieser Stelle. Die Systeme wurden zur<br />
Verfügung gestellt von: Der Firma Schoeps<br />
mit ihrem OCT-Surround nach Dr. G. Theile<br />
und der Doppel-MS-Anordnung sowie dem<br />
IRT-Kreuz, der Firma SPL mit ihrem Atmos<br />
5.1-System, der Firma Soundfield aus England<br />
mit ihrem B-Format Aufnahmeverfahren<br />
und dem 5.1-Konverter, der Firma Neuman<br />
mit ihrer Surround-Spinne WNS 100,<br />
einem Prototyp mit Schwanenhälsen in der<br />
Front und mit KM 140 Kapseln bestückt, und<br />
schließlich auch noch von der Firma Sennheiser,<br />
die uns sieben MKH 800 Mikrofone<br />
zur Verfügung stellte, mit denen wir einen<br />
Fukada-Tree bauten – eine Idee, die Michael<br />
glücklicherweise noch mit einbrachte<br />
und die sich als sehr wertvoll herausstellte.<br />
Um nun eine bestmögliche Vergleichbarkeit<br />
der Mikrofonanordnungen zu gewährleisten<br />
und sie in der Mischung kombinier-<br />
bar zu machen, also eine möglichst hohe<br />
Kohärenz zueinander zu erhalten, schafften<br />
wir folgende Konstanten: Relative Raumposition<br />
der Mikrofonanordnungen zueinander,<br />
Aufnahmen der Instrumente mit allen Anordnungen<br />
gleichzeitig, über baugleiche D/<br />
A Konverter mit einer DAW aufgezeichnet.<br />
Keine leichte Aufgabe, doch ihre Lösung ist<br />
uns gelungen.<br />
Um eine konstante Raumposition der Anordnungen<br />
zueinander zu gewährleisten, bauten<br />
wir ein Array auf, das horizontal und vertikal<br />
variabel war. Hierzu stellte uns die Firma<br />
Dezent Veranstaltungstechnik, die sich<br />
hier im gleichen Gebäudekomplex befindet,<br />
zwei Wind-Ups zur Verfügung, über die wir<br />
eine Dreiecktraverse montierten. Mit diversen<br />
Manfrotoklemmen und anderem Gerüstbaumaterial<br />
von Dezent bauten Michael<br />
und Tino Weniger, unser technischer Supportmann,<br />
ein wirklich in höchstem Maße<br />
Michael Abbing<br />
5<br />
praktikables Array zusammen, das sich perfekt<br />
für unser Vorhaben eignete. Zusätzlich<br />
schlug Sven Goldmann, Geschäftsführer von<br />
Dezent, vor, eine Abdämmung über die Traverse<br />
zu legen, damit sie nicht mitschwingt<br />
und das Aufnahmeergebnis verfälscht. Unsere<br />
sonst als variable Absorber fungierenden<br />
Samtvorhänge zeigten sich für diesen<br />
Zweck ausgesprochen geeignet.<br />
An der fertigen Konstruktion montierte Michael<br />
alle Mikrofonanordnungen mit einer<br />
maximalen vertikalen Differenz von 51 Zentimetern,<br />
und dem gleichen vertikalen Mittelpunkt<br />
relativ zur Mitte jeder Anordnung.<br />
Auf diese Weise war es uns möglich, an<br />
verschiedensten Raumpositionen, mit konstanten<br />
Positionen der Anordnungen zueinander,<br />
Aufnahmen zu machen. Es war uns<br />
weniger daran gelegen, die speziellen Stärken<br />
der einen oder anderen Mikrofonanordnung<br />
zu ergründen, wenn man sie zum Beispiel<br />
in einem Winkel von 82,5 Grad über<br />
Kopf quer in einen Flügel hängt, sondern<br />
ihren Charakter, ihre Stärken und Schwächen<br />
und somit ihr Potential unter anderem<br />
auch im Vergleich mit den anderen zur<br />
Zeit zur Verfügung stehenden Mikrofonanordnungen.<br />
Natürlich mussten wir alle Mikrofonsignale<br />
gleichzeitig aufnehmen. Nur so war eine<br />
direkte Vergleichbarkeit möglich. Da es sich<br />
um bis zu 40 einzelne Raummikrofone zuzüglich<br />
der Direktmikrofone handelte und wir<br />
uns die Möglichkeiten der digitalen, verlustfreien<br />
Nachbearbeitung nicht nehmen lassen<br />
wollten, mussten wir es hinbekommen, bis<br />
zu 50 Kanäle, etwa bei den Schlagzeugaufnahmen,<br />
gleichzeitig aufzunehmen. Hierzu<br />
bedienten wir uns eines modularen Wandler-
6<br />
Maßarbeit: <strong>Tom</strong> <strong>Ammermann</strong> bei der Mikrofon-Justage<br />
systems, des C8000 von Jünger Audio, das<br />
mit einer MADI-Karte versehen war. Dieses<br />
System ermöglichte uns die A/D-Konvertierung<br />
der aufzunehmenden Signale von Mikrofonen<br />
(Mikrofonmodule mit 48V zuschaltbar)<br />
und Linesignalen mittels entsprechend<br />
frei variierbarer baugleicher Module in 24<br />
Bit und 48 kHz in einem Take. Ein weiterer<br />
Vorteil der Entscheidung für MADI war<br />
natürlich, dass die Übertragung in die Aufnahmeregie<br />
über ein BNC-Kabel erfolgte,<br />
wodurch zum Beispiel der Einfluss analoger<br />
Kabel wegfiel.<br />
So weit so gut, nun musste das Ganze nur<br />
noch auf 'Platte' gebannt werden und zwar<br />
mit einer DAW, die zum einen über eine MA-<br />
DI-Schnittstelle verfügt und zum anderen<br />
auch in der Lage sein musste, die gesamte<br />
Produktion beziehungsweise einen ausreichend<br />
großen Teil der Aufnahmen gleichzeitig<br />
wiederzugeben, um sie dann später editieren<br />
und mischen zu können. Wir reden<br />
hier von Sessions, die zum Teil über 350<br />
Spuren in 24 Bit und 48 kHz auf die Waage<br />
bringen! Unsere Wahl fiel auf das Pyramix-System<br />
von Merging Technologies. Ich<br />
arbeite mit dem System nun schon seit einigen<br />
Jahren und war mir daher nach eingehender<br />
Beratung mit Merging und dem<br />
bisherigen Vertriebspartner in Deutschland,<br />
Joram Ludwig von Media Assistance, sicher,<br />
dass dies funktionieren würde. Und die Praxis<br />
bestätigte diese Annahme auch. Die Zu-<br />
spielung der Layout-Playbacks erledigten<br />
wir aus Handlinggründen über Emagic Logic<br />
via ADAT-Schnittstelle. Auch hier müssen<br />
wir die Pyramix-Fahne hoch halten. Durch<br />
die DSP- und Daughter-Card-Architektur der<br />
Mykerinos-Boards von Merging ist es möglich,<br />
die DSP-Leistung zum einen nach eigenem<br />
Bedarf zu skalieren, zum anderen<br />
verschiedenste Audioschnittstellen parallel<br />
zu verwenden. Wir bedienen uns dieser<br />
Möglichkeiten schon seit einiger Zeit und<br />
können sagen, dass diese DAW ihren Namen<br />
zu Recht trägt und eine extrem effektive<br />
und variable Lösung für nahezu alle unserer<br />
Audioanwendungen bietet. Wenn wir<br />
Blick in die Regie des Luna Studios<br />
uns inhaltlich mit den Nachbearbeitungen<br />
beschäftigen, werde ich hierzu noch einiges<br />
sagen. Abgehört haben wir mit einem weiteren<br />
C8000-System von Jünger Audio, das<br />
wir schon lange in der Studioregie nutzen<br />
und welches ebenfalls mit einer MADI-Karte<br />
bestückt ist. Als Abhörmonitore verwendeten<br />
wir fünf Genelec 1032A und einen<br />
1094A Subwoofer, alles nach SSF-Empfehlung<br />
aufgestellt und eingemessen.<br />
Die Komposition<br />
Die tontechnischen Erkenntnisse über Surround<br />
und wie es funktionieren kann, haben<br />
in den letzten Jahren eine Basis geschaffen,<br />
von der aus nun dringend ein weiterer<br />
Schritt getan werden sollte. Es ist wichtig,<br />
dass in Surround auch komponiert wird,<br />
um für das Publikum interessante Inhalte<br />
mit den neuen Möglichkeiten zu kreieren.<br />
Wenn ich es einmal bildlich sagen darf: Das<br />
Handwerkszeug ist beisammen, die Werkstatt<br />
ist ausgestattet, aber es wird zurzeit<br />
fast ausschließlich an bestehendem Mobiliar<br />
herumgebastelt. Kurz gesagt: Die Komponisten<br />
sollten nun endlich mit den neuen<br />
Werkzeugen und Erkenntnissen neue ‚Möbelstücke’<br />
entstehen lassen. Hier wird sich<br />
auch zeigen, welche Verfahren und 'Werkzeuge'<br />
in welcher Kombination für welches<br />
Ergebnis von Belang sind. Auch bin ich davon<br />
überzeugt, dass die hierbei gemachten<br />
Erfahrungen und gewonnenen Ergebnisse<br />
Anlass und Inspiration für Wissenschaft<br />
und Technik und auch für 'noch nicht Infizierte’<br />
sein werden, die Arbeit fortzusetzen<br />
und neue Wege zu gehen, um das Surround-<br />
Potential weiter zu entwickeln.<br />
Um nun ein überzeugendes Musik-Surround-
Produkt herzustellen, ist es von großem Vorteil,<br />
wenn man nicht erst bei der Mischung<br />
in Surround denkt. Schon bei der ersten<br />
Inspiration zu einem Musiktitel muss die<br />
mehrkanalige Denkweise, in der Komposition<br />
der einzelnen Instrumente und deren<br />
Melodieführung, Harmonien und den rhythmischen<br />
Unterbau bis hin zur Vorproduktion,<br />
allgegenwärtig sein. Auf diese Weise<br />
werden sich Surround-Produktionen in Zukunft<br />
mit Sicherheit deutlich in ihrer Wirkung<br />
auf den Zuhörer verbessern. Ich bin<br />
deshalb davon so überzeugt, weil ich es<br />
aus meinen eigenen praktischen Erfahrungen<br />
nur bestätigen kann.<br />
Wir haben zum Beispiel die Titel, die wir für<br />
unsere Produktion komponiert haben, auf<br />
Layoutniveau vorproduziert, um schon einmal<br />
erproben, hören und strukturieren zu<br />
können, wie das klangliche Ergebnis später<br />
aussehen könnte oder würde. Ich arbeite<br />
sehr viel an Surround-Produktionen, unter<br />
anderem für Filme, aber auch für Musikanwendungen<br />
auf DVD, und habe daher<br />
schon vor einiger Zeit in diesem Bereich<br />
Infrastrukturen geschaffen, die uns die beschriebene<br />
Arbeitsweise glücklicherweise ermöglichten.<br />
Wenn sich die Erfahrungswerte<br />
in nächster Zukunft etablieren und die verschiedenen<br />
Ansätze und ihre Durchführung<br />
klar sind, kann man vermutlich des Öfteren<br />
auch mal auf die Vorproduktionen verzichten.<br />
Doch zurzeit halte ich sie noch für eine<br />
große Hilfe im 'Surround-Dschungel'.<br />
Aufwand und<br />
Produktionsverfahren<br />
Einer der wichtigsten Aspekte für uns war,<br />
Produktionsverfahren auszuprobieren, die<br />
Surround-Musikproduktionen auf einem hohen<br />
Niveau ermöglichen, ohne gleich einen<br />
Staatsakt daraus zu machen; also mit angemessenen<br />
Mitteln ein gutes Ergebnis zu erzielen.<br />
Hierzu bedarf es Produktionsverfahren,<br />
die denen einer herkömmlichen Standard-Stereoproduktion<br />
in Aufwand und Kosten<br />
etwa gleichkommen müssen. Vielerorts<br />
ist das Fehlen entsprechender Ideen neben<br />
dem Irrglauben, Surround hätte keine Zukunft<br />
(ich darf einmal schmunzeln), noch eine<br />
Hemmschwelle, Surround-Produktionen<br />
ernsthaft anzugehen. Da wir, wie schon erwähnt,<br />
das Format Surround aber für sehr<br />
'zukunftsträchtig’ halten, hoffen wir hier einen<br />
Beitrag leisten zu können, der Anstoß<br />
für weitere Projekte gibt, um dann letztlich<br />
Surround auch als selbstverständlichen Stan-<br />
Pyramix auf vier Schirmen: <strong>Tom</strong> an seinem Arbeitsplatz<br />
dard zu begreifen. Wichtige Schritte, auf denen<br />
unsere Erkenntnisse und Ansätze beruhen,<br />
sind hier von verschiedenen Kollegen<br />
und Wissenschaftlern bereits gemacht worden.<br />
Nun gilt es, diese weiter in Anwendung<br />
zu bringen und noch deutlicher herauszuarbeiten,<br />
wie sie sich in gängige Produktionsverfahren<br />
integrieren lassen.<br />
Ein bedeutender Schritt in diese Richtung<br />
ist die derzeitige, und weiter zunehmende,<br />
Leistungsfähigkeit der DAWs. Es ist nun,<br />
wie dereinst in der Stereoproduktion, nicht<br />
mehr zwingend notwendig, riesige und entsprechend<br />
kostspielige Konsolen einzusetzen<br />
(die natürlich in großen Kinomischungen<br />
weiterhin ihre Berechtigung haben),<br />
um eine Standard-Musik-Surround-Produktion<br />
durchzuführen. Die Auswertung unserer<br />
Aufnahmen und der daraus resultierenden<br />
Mischungen tragen, wie wir uns erhoffen,<br />
auch dazu bei, ambitionierten Produzenten<br />
Informationen an die Hand zu geben,<br />
die eine Surround-Produktion schlank und<br />
effektiv planbar machen.<br />
Durch die vielen Konstanten, die wir bei den<br />
Aufnahmen geschaffen haben, wird es zum<br />
Beispiel später weniger vonnöten sein, dass<br />
jeder, der eine Surround-Produktion machen<br />
möchte, die Mikrofonsysteme noch einmal<br />
für sich aufnehmen und testen muss, um<br />
die Charakteristik einer oder verschiedener<br />
Anordnungen zu ergründen. Sicher, wir<br />
7<br />
haben uns diese Arbeit dennoch gemacht.<br />
Aber bisher gab es, meines Wissens nach,<br />
auch noch nie eine Aufnahmesession, die<br />
einen so direkten Vergleich der Systeme<br />
und Verfahren ermöglicht hätte und bei der<br />
so ziemlich alle am Markt erhältlichen Anordnungen<br />
teilgenommen haben. An dieser<br />
Stelle sei noch erwähnt, dass es selbstverständlich<br />
eine DVD mit direkten Vergleichsmöglichkeiten<br />
geben wird. Dazu aber später<br />
noch mehr.<br />
Die Einmessung und akustische<br />
Gestaltung des Aufnahmeraums<br />
Natürlich war es von elementarer Bedeutung,<br />
sich Gedanken über den Klang und<br />
dessen Funktion in unserem Aufnahmeraum<br />
zu machen. Der Raum hat eine Grundfläche<br />
von 50 qm und ist zwischen 3,5 und 4,5<br />
Metern hoch. Außerdem sind alle Wände<br />
sowie die Decke so angeordnet, dass sich<br />
keine stehenden Wellen bilden können, da<br />
sie nicht parallel zueinander stehen. Der<br />
Raum hat, ohne Inventar, eine recht konstante<br />
Nachhallzeit von etwa 1,5 Sekunden,<br />
annähernd über das gesamte Hörfrequenzspektrum.<br />
Dies war uns eindeutig zu lang.<br />
Wir wollten mit den Raummikrofonen eigentlich<br />
nur die frühen Reflektionen einfangen,<br />
die für die räumliche Ortung wesentlich<br />
sind. Zu lange beziehungsweise zu diffuse<br />
Raumreflexionen hätten den Nachteil<br />
gehabt, dass der Gesamtklang der Raum-
8<br />
Schoeps Doppel-MS-Anordnung Soundfield-Mikrofon<br />
aufnahmen nicht direkt genug ausgefallen<br />
wäre und somit das Maß an Direktheit und<br />
Kompaktheit, das wir uns für unserer Aufnahmen<br />
erwünschten, nicht möglich gewesen<br />
wäre. Um später im Mix durch das Hinzufügen<br />
von algorithmischem Nachhall eventuell<br />
doch noch die Raumgrößen etwas zu<br />
variieren, wollten wir Surround-Hallgeräte<br />
wie unser System 6000 von TC Electronic<br />
einsetzen. Nach einigen Testaufnahmen<br />
und Variationen der Absorber konnten wir<br />
schließlich einen Raumklang erzielen, den<br />
man für unseren Geschmack als ausgewogen<br />
und räumlich, aber nicht zu diffus bezeichnen<br />
konnte. Dies auch messtechnisch<br />
festzuhalten und in einen Bezug zu den Aufnahmeergebnissen<br />
zu setzen, war ein weiterer<br />
Schwerpunkt von Michael Abbings Aufgaben<br />
bei dieser Produktion. Er hat, nach der<br />
Raumgestaltung, mit einem MLSSA-Mess-<br />
System die akustischen Eigenschaften des<br />
Aufnahmeraums ermittelt und durch verschiedene<br />
Testaufnahmen mit unterschiedlichen<br />
Instrumenten an mehreren konstanten<br />
Punkten Aufnahmeserien erstellt, die er<br />
in seiner Diplomarbeit an der HAW Hamburg<br />
im Bereich Medientechnik vergleichen und<br />
auswerten wird. Die Fertigstellung der Arbeit<br />
ist zum Frühjahr 2004 zu erwarten.<br />
Die Mikrofonanordnungen bei den<br />
Testaufnahmen im Vergleich<br />
Ich werde an dieser Stelle unter anderem<br />
auch aus Respekt vor der Arbeit und der Zeit,<br />
die alle Entwickler der beteiligten Mikrofonsysteme<br />
investiert haben und auch in Anbetracht<br />
der Tatsache, dass es sich am Ende<br />
doch um eine geschmackliche Einschätzung<br />
der Systeme handelt, unsere subjektiven Erkenntnisse<br />
und Meinungen nicht in Form einer<br />
konkreten Wertung abgeben. Am Ende<br />
ist es neben der geschmacklichen auch eine<br />
philosophische Frage, welche Mikrofonanordnung<br />
auf welche Weise in welcher Aufnahmesituation<br />
effektiv zu verwenden ist.<br />
Dieser Bericht soll über unsere subjektiven<br />
Erkenntnisse und unsere Philosophie dennoch<br />
Aufschluss geben. Diskutieren können<br />
wir darüber an anderer Stelle.<br />
Im Zuge der Testaufnahmen, die zur Erlangung<br />
von ersten Ergebnissen für Michaels<br />
Diplomarbeit dienten, hatten wir natürlich<br />
auch die Gelegenheit, die einzelnen Mikrofonanordnungen<br />
miteinander zu vergleichen,<br />
bevor die eigentlichen Aufnahmen<br />
für die Titel begannen. Aufgenommen hatten<br />
wir hierzu Schlagzeug, Klavier und Gesang.<br />
Vorab können wir bereits sagen, dass<br />
uns keines der Mikrofon-Systeme generell<br />
ungeeignet für die Aufnahme von Räumlichkeit<br />
erschien. Auch nicht das hier und<br />
dort in dieser Hinsicht ‚ungerühmte’ Soundfield-Mikrofon.<br />
Anordnungen<br />
ohne Laufzeitunterschiede<br />
Ähnlich wie die Doppel-MS-Anordnung von<br />
Schoeps ist das Soundfield-Mikrofon aufgrund<br />
seiner Konstruktion, die keine Laufzeitunterschiede<br />
aufnehmen kann, nicht so<br />
gut in der Lage, die räumliche Position einer<br />
Schallquelle abzubilden. Daher ist es unserer<br />
Auffassung nach nicht so gut in größeren<br />
Aufnahmeabständen zu verwenden. Denselben<br />
Eindruck hatten wir auch bei der Doppel-MS-Anordnung<br />
von Schoeps. Wenn diese<br />
Mikrofone aber relativ dicht an der Klangquelle<br />
positioniert sind, erhält man räum-
lich wirkende und druckvolle Aufnahmen.<br />
Die kompakte Bauart hat den großen Vorteil,<br />
dass diese Mikrofone zum einen mobil<br />
einsetzbar sind und dass man zum anderen<br />
einer Klangquelle sehr nah auf den Pelz rücken<br />
oder sich, wie bei einem Schlagzeug,<br />
sogar in sie hinein begeben kann. Diese Tatsache<br />
gepaart mit der Erkenntnis, dass diese<br />
Mikrofonsysteme aufgrund ihrer koinzidenten<br />
Konstruktion Pegeldifferenzen in Bezug<br />
auf die Kanäle verursachen, macht sie<br />
nach unserer Auffassung sehr interessant.<br />
Die Phasenlagen, die hier erzeugt werden,<br />
dienen zwar, wie schon gesagt, nicht so gut<br />
der räumlichen Ortung wie die von nicht koinzidenten<br />
Mikrofonanordnungen mit Laufzeitunterschieden,<br />
schaffen aber aufgrund<br />
ihrer Direktheit, besonderen Positionierbarkeit<br />
und 'exotischen' Phasenlage Klangbilder,<br />
die so manchen Kollegen in Begeisterung<br />
versetzen werden. In kulinarischen Dimensionen<br />
gedacht lässt sich vielleicht der<br />
Vergleich mit einer scharfen Kokosnusssuppe<br />
herstellen, die vielleicht nicht jedermanns<br />
Sache und hierzulande erst recht nicht traditionell<br />
ist. Trotzdem werden sich auch für<br />
diese Geschmacksrichtung Freunde finden.<br />
Ich gehöre jedoch nicht dazu. Zu erwähnen<br />
ist noch, dass das Soundfield-Mikrofon durch<br />
sein B-Format-Raum-Scan-Verfahren die Möglichkeit<br />
eröffnet, zum einen über den systemeigenen<br />
5.1-Konverter die Klangcharakteristik<br />
zu beeinflussen, zum anderen durch<br />
das Aufzeichnen der 4 Kanäle des B-Formates<br />
dies auch noch nachträglich tun zu können.<br />
Man hat also mit anderen Worten die<br />
Option, später bei der Mischung noch Einfluss<br />
auf die räumliche Darstellung zu nehmen.<br />
Ich kann aus eigener Erfahrung sagen,<br />
dass eine derartige Variabilität zuweilen hilfreich<br />
ist, da im Mix mit den anderen Quellen<br />
das Klangbild einer solchen Aufnahme<br />
nicht selten anders erscheint als beim diskreten<br />
Abhören. Natürlich hat man ähnliche<br />
Möglichkeiten in anderem Umfang auch bei<br />
der Doppel- MS-Technik über das Mischpult<br />
oder die DAW.<br />
Die Anordnungen<br />
mit Laufzeitunterschieden<br />
Fangen wir mit einem der kleinsten Systeme<br />
an: Das Neuman WNS 100 ist ebenfalls noch<br />
mobil einsetzbar, wovon wir auch Gebrauch<br />
gemacht haben. Hierzu aber später mehr.<br />
Unser erster Eindruck war, dass es ebenfalls<br />
sehr direkt klingt, jedoch den Aufnahmeraum<br />
auch noch nicht differenziert und<br />
komplett abbildet. Aber<br />
es machte die Ortung<br />
der Klangquelle deutlich<br />
einfacher als bei<br />
den kompakteren Anordnungen.<br />
Ein Klangereignis,<br />
das in einer<br />
Distanz von ungefähr<br />
1,5 Metern stattfand,<br />
empfanden wir als<br />
deutlich ortbar und<br />
druckvoll. Bei dieser<br />
Anordnung hörte man<br />
schon recht gut den Unterschied<br />
der Phasenlagen<br />
seiner diskreten<br />
Kanäle zueinander<br />
– im Vergleich zu<br />
den Anordnungen ohneLaufzeitunterschiede.<br />
Auch wenn man ein bisschen 'hin- und<br />
herrückte', hatte man kein akustisch irritierendes<br />
Gefühl, wie man es von 'kritischen<br />
Phasenlagen' her kennt. Diese Mikrofonanordnung<br />
werde ich voraussichtlich für meine<br />
Bassaufnahmen verwenden, da sie ein dezentes<br />
Maß an Räumlichkeit, aber in deutlicher<br />
Direktheit abbildet und dabei nicht<br />
schwammig oder undifferenziert wirkt. Die<br />
Schwanenhälse für die Frontkanäle finde ich<br />
persönlich nützlich, um die Kapseln gegebenenfalls<br />
noch individueller auf eine Klangquelle<br />
ausrichten zu können. Natürlich birgt<br />
diese Flexibilität auch die Gefahr in sich, bei<br />
ungünstigen Überlagerungen von Phasenlagen<br />
der Kanäle zueinander, ungewünschte<br />
Auslöschungen, beziehungsweise unbeabsichtigte<br />
psychoakustische Phänomene zu<br />
verursachen. Ich bin zwar auch ein Freund<br />
klarer Klangbilder, konnte aber der Versuchung<br />
dennoch nicht widerstehen, mit den<br />
Schwanenhälsen ein wenig herumzuexperimentieren.<br />
Das OCT-Surround und das Atmos 5.1 sind<br />
nach unserer Ansicht die 'Allrounder'! Beide<br />
Anordnungen sind in der Lage, den Raum<br />
klar zu erfassen, gewähren ein hohes Maß<br />
an Ortbarkeit und sind trotzdem noch recht<br />
druckvoll. Das Atmos 5.1 hat natürlich den<br />
Vorteil, ein Komplettsystem zu sein. Strom<br />
ran, Kabel ran, DAW, Multitrack, oder was<br />
auch immer… und los. Nun, das OCT-Surround<br />
hingegen wird aber wohl dennoch<br />
häufiger im Mix die Anordnung meiner persönlichen<br />
Wahl sein. Es schien mir dem Atmos<br />
5.1 gegenüber doch noch ein bisschen<br />
differenzierter in der Ortbarkeit der Schall-<br />
Soundfield- und Atmos-Steuereinheiten<br />
9<br />
quellen zu sein. Außerdem muss ich Herrn<br />
Wuttke von Schoeps zustimmen, dass es<br />
entgegen der überwiegend vorherrschenden<br />
Meinung sehr wohl möglich ist, Tiefen<br />
räumlich zu orten. Seitlich des 5.0-Grundsetups<br />
hatten wir deshalb zusätzlich die<br />
CCM 41VL Kapseln mit Kugelcharakteristik<br />
und dazwischen geschalteten Tiefpass-Filtern<br />
angebracht, die diese Anordnung eine<br />
faszinierend durchsichtige, aber trotzdem<br />
deutliche Präsenz der Tiefen abbilden lassen.<br />
Nun wieder ein Exot: Der Fukada Tree,<br />
eine Groß-AB-Anordnung, die auf dem klassischen<br />
Decca Tree basiert. Die Firma Sennheiser<br />
war so freundlich und hat uns in einer<br />
beispiellosen 'Rückholaktion aus der gesamten<br />
Republik’, sieben ihrer edelsten Stücke,<br />
Mikrofone der MKH-800-Serie, zur Konstruktion<br />
eines Fukada Trees zur Verfügung gestellt.<br />
Die 'güldenen Zigarren' in der Hand<br />
zu halten, war mir bereits ein außerordentliches<br />
Vergnügen. Trotzdem folgt zunächst<br />
die schlechte Nachricht: mit dem Fukada<br />
Tree war es uns nicht möglich, druckvolle<br />
Aufnahmen zu erhalten. Außerdem ist die<br />
Ortbarkeit von Schallquellen gerade innerhalb<br />
der Anordnung nicht so berauschend.<br />
Der Aufbau hat Ausmaße von 2,7 mal 1,8<br />
Metern, beziehungsweise von Kugel zu Kugel<br />
sogar einen Abstand von 3,6 Metern.<br />
Das ist weder handlich, noch ist es in den<br />
meisten Aufnahmeräumen möglich, ein Instrument<br />
außerhalb seiner Anordnung zu<br />
positionieren, ohne dass der Künstler mit<br />
dem Rücken an der Wand steht. Wenn man<br />
nun doch einen sehr großen Aufnahmeraum<br />
besitzt, der dies ohne Probleme zulässt, hat
10<br />
man immer noch die Schwierigkeit, dass man<br />
das Instrument entweder vor eins der Mikrofone<br />
setzen muss oder irgendwo in den<br />
‚unendlichen’ Weiten dazwischen. Und genauso<br />
klingt es dann auch: entweder nahezu<br />
nur über einen Kanal oder irgendwie<br />
sehr diffus, aber nicht richtig greifbar. Nun<br />
kommt aber die gute Nachricht: Keine der<br />
anderen Mikrofonanordnungen war in der<br />
Lage, ein so 'schön' klingendes Surround-<br />
Diffusfeld zu zeichnen. Eine wohlklingende<br />
Wolke von Räumlichkeit, die einen umgibt<br />
und einhüllt, um vielleicht mit den Worten<br />
eines Dichters zu sprechen. Natürlich war zu<br />
erwarten, dass eine Anordnung, die mit so<br />
vergleichsweise großen Laufzeitunterschieden<br />
abbildet, solch ein Ergebnis erbringen<br />
müsste. Nicht zuletzt hängt das überzeugende<br />
Ergebnis aber auch mit den wunderbaren<br />
Sennheiser-Mikrofonen zusammen. Was diese<br />
Anordnung durch die zu den Seiten ausgerichteten<br />
Mikrofone mit Kugelcharakteristik<br />
auch gut abzubilden verstand, waren die<br />
Tiefen. Sie sind nicht ganz so druckvoll wie<br />
die des OCT-Surround, das für eine direktere<br />
Aufnahme immer vorzuziehen ist, dafür<br />
aber warm und weich. Ich muss allerdings<br />
auch sagen, dass ich die seitlichen Kugeln<br />
beim Fukada Tree und beim OCT-Surround<br />
immer recht stark angehoben habe. Ich werde<br />
bei nächster Gelegenheit den Fukada<br />
Tree einmal Live als Atmo-Mikrofon unter<br />
die Decke hängen. Könnte mir gut vorstel-<br />
Brauner ASM-5 und Neumann WNS-100<br />
len, dass diese Anordnung wunderbar für<br />
diesen Zweck zu gebrauchen ist.<br />
Andere kompakte<br />
Surround Mikrofonanordnungen<br />
Das IRT-Kreuz von Schoeps ist, wie mir Herr<br />
Wuttke sagte, nicht wirklich als Surround-<br />
Mikrofonanordnung, sondern eher als Atmo-<br />
Anordnung zu verstehen. Nun... das sagte er<br />
mir, als ich meine Tests schon durchgeführt<br />
hatte und deshalb berichte ich nun einfach<br />
kurz, was ich zu hören glaubte. Leider war<br />
es aus organisatorischen und technischen<br />
Gründen nicht möglich, das IRT-Kreuz mit in<br />
das große Mikrofon-Array unserer Produktion<br />
aufzunehmen. Doch freundlicherweise<br />
hatte mir die Firma Schoeps die Anordnung<br />
noch etwas länger zur Verfügung gestellt.<br />
Somit hatte ich Gelegenheit, es in eine Testreihe<br />
einzubeziehen, die ich schon einige<br />
Zeit vor dieser Produktion mit weiteren Anordnungen<br />
begonnen hatte. Die Mikrofonanordnungen<br />
hierbei waren neben dem IRT-<br />
Kreuz das KFM-Surround, noch einmal das<br />
Doppel-MS von Schoeps und eine selbst<br />
konstruierte INA-5 Anordnung von mir, die<br />
erst mit dynamischen Mikrofonen von Beyerdynamic<br />
und dann später auch noch mit<br />
AKG Kondensator-Mikrofonen bestückt war.<br />
Ergründen wollte ich, inwieweit diese Mikrofonanordnungen<br />
in punkto Quellenortung<br />
überhaupt funktionieren, inwieweit sie somit<br />
mobil einsetzbar sind und ob man sich<br />
eine derartige Surround-Anordnung mit gerade<br />
zur Verfügung stehenden Mikrofonen<br />
schnell selbst zusammenstellen kann. Der<br />
Aufbau dazu war einfach aber effektiv. Ich<br />
habe alle Anordnungen im Sweetspot auf<br />
Kopfhöhe mit Ausrichtung zum Centerlautsprecher<br />
in unserer Studioregie aufgebaut,<br />
also genau der Position, an der ich dann<br />
auch alles wieder abgehört habe. Dann habe<br />
ich die Aufnahme gestartet und bin herumgelaufen<br />
beziehungsweise habe mich an<br />
definierte Punkte begeben – darunter waren<br />
auch alle fünf Positionen der Lautsprecher<br />
– und Sprechproben abgegeben beziehungsweise<br />
Geräusche mit einem Schlüsselbund<br />
oder ähnlichem erzeugt.<br />
Die Ergebnisse: Mein Selbstbau war interessanterweise<br />
mit den dynamischen Mikrofonen<br />
etwas überzeugender, was die Ortung<br />
der Schallquellen anging. Ich kann also sagen,<br />
wenn ich auf einem Open-Air-Konzert<br />
Sennheiser MKH-800,<br />
der ‚siebte Teil‘ des Fukada-Trees
nur eine Kiste mit 57ern zur Verfügung hätte,<br />
würde das wohl gehen. Die KFM-Surroundanordnung<br />
war auch OK – durch das<br />
Zusatzmodul, das den 5.1-Upmix erstellt,<br />
aber nicht so richtig mobiltauglich. Es hat<br />
mich auch nicht so richtig in seinen Eigenschaften<br />
überzeugt, Schallquellen im Front-<br />
und Surroundbereich klar ortbar abzubilden.<br />
Im Gegensatz dazu habe ich bei dieser Gelegenheit<br />
noch einmal die Doppel-MS-Anordnung<br />
testen können, die wir ja auch im<br />
großen Mikrofon-Array installiert hatten und<br />
muss sagen, dass ich unter diesen Bedingungen<br />
in Bezug auf Ortbarkeit angenehm<br />
Michael Abbing (links) und <strong>Tom</strong> <strong>Ammermann</strong><br />
überrascht wurde. Nun das IRT-Kreuz: Während<br />
der Aufnahme musste ich schnell ins<br />
Büro rennen, weil ich dort meinen Schlüssel<br />
liegengelassen hatte, mit dem ich ja unter<br />
anderem auch Geräusche für die Aufnahme<br />
verursacht hatte. Währenddessen fuhr draußen,<br />
wie bestellt, ein Feuerwehrauto inklusive<br />
Martinshorn vorbei. Als ich kurz darauf<br />
das Ergebnis abhörte, bin ich erst mal<br />
zum Feuerlöscher gesprungen und war mir<br />
hundertprozentig sicher, dass rechts durch<br />
die Studiotür jemand hereingekommen war,<br />
den ich aber partout nicht im Studio entdecken<br />
konnte. Also alle Achtung; klein aber<br />
Seltener Anblick: Mikrofon-Array im Luna Studio Hamburg<br />
11<br />
fein. Dies ist in Bezug auf die Kapseln von<br />
Schoeps ja ohnehin unumstritten, aber in<br />
der IRT-Kreuz-Anordnung finden sie sich auch<br />
noch zu einem wirklich beeindruckenden<br />
‚Raumscanner’ zusammen, den man zum<br />
Beispiel schnell auf eine Kamera schrauben<br />
kann. Dazu später mehr. Ich gestehe<br />
zu meiner Schande, dass ich noch ein Mikrofon<br />
als Centermikrofon hinzugefügt habe,<br />
wofür mich Herr Wuttke auch schon<br />
gescholten hat. Aber ich gelobe Besserung<br />
und werde das IRT-Kreuz bei nächster Gelegenheit<br />
nach seinen Anordnungsempfehlungen<br />
für 5.0 testen. Auf jeden Fall verdient<br />
diese Anordnung meine Aufmerksamkeit,<br />
und ich werde sie später noch anderweitig<br />
ausprobieren.<br />
Fortsetzung folgt…<br />
Hier endet nun der erste Teil meines Berichtes.<br />
Im zweiten Teil, der in der nächsten<br />
Ausgabe im Januar erscheinen wird, werde<br />
ich über unsere und meine Erfahrungen mit<br />
Aufnahmen, Mischung, Formaten, Videodokumentation,<br />
DVD-Authoring und binauralen<br />
Raumsimulationen berichten und dazu<br />
einige Ideen zu Live-Anwendungen in Surround<br />
erläutern. Aktuelle Informationen zur<br />
Bestellung der DVD mit Hörbeispielen und<br />
Vergleichsmöglichkeiten sind über meine<br />
Website www.mo-vision.de verfügbar.
38<br />
Hier wird mitgefeiert...<br />
Autor: <strong>Tom</strong> <strong>Ammermann</strong><br />
Fotos: Thorsten Krone, Kay Weber,<br />
Stefan Tänzler<br />
Ein raumintegratives Konzept ermöglicht dem Hörer das hautnahe Miterleben<br />
des Musikereignisses, Teil II<br />
Was macht einen Surroundmix attraktiv? Ist das erzielbare Ergebnis einer<br />
Surround-Produktion im Vergleich zu einer 'herkömmlichen' Stereo-Produktion<br />
ein Mehrgenuss, der den Aufwand wirklich rechtfertigt? Wenn ja, lässt<br />
sich eine solche Produktion überhaupt mit gängigen Produktionsverfahren<br />
realisieren? Zählt bei der Frage nach Surround oder Stereo am Ende nur der<br />
individuelle Geschmack? Diese Fragen standen in der letzten Ausgabe des<br />
Studio Magazins am Anfang des ersten Teils unseres Produktionsberichtes<br />
von <strong>Tom</strong> <strong>Ammermann</strong>, der sich unter anderem sehr ausführlich mit Aspekten<br />
wie Hörgewohnheiten, Komposition, Akustik des Aufnahmeraums und einem<br />
Hörvergleich verschiedener Surround-Mikrofonanordnungen beschäftigte.<br />
Im zweiten Teil geht es mit Aufnahmeverfahren bei den einzelnen Instrumenten,<br />
dem Setup für die Mischung, der Audio-Bearbeitung, Mastering- und<br />
Formatfragen, der Videodokumentation und binauralen Raumsimulationen<br />
weiter. Die Redaktion des Studio Magazins möchte <strong>Tom</strong> <strong>Ammermann</strong> und<br />
seinem Team an dieser Stelle für die Möglichkeit danken, uns allen einen so<br />
detaillierten und uneingeschränkten Einblick in seine Arbeit gewährt zu haben.<br />
Nun übernimmt <strong>Tom</strong> <strong>Ammermann</strong> wieder das Wort…
Die Aufnahmen der Titel<br />
Ein weiterer wichtiger Punkt ist, sich vor Beginn<br />
der Aufnahmen zu überlegen, wo welches<br />
Instrument positioniert sein soll, da<br />
durch das Aufnehmen mit Raummikrofonen<br />
die Position später in der Mischung unveränderlich<br />
feststeht! Hinterher kann man die<br />
Positionen nur noch dann verändern, wenn<br />
man auf die Raummikrofone des entsprechenden<br />
Instrumentes verzichtet. Dies war<br />
natürlich das Letzte, was wir in dieser Produktion<br />
wollten. An diesem Punkt wird noch<br />
einmal die Bedeutung einer Vorproduktion<br />
in Surround deutlich. Man sollte sich vorher<br />
schon anhören, wie es voraussichtlich<br />
klingen wird, wenn man ein Instrument an<br />
einer bestimmten Stelle positioniert. Vor allem<br />
im Zusammenhang mit den anderen, da<br />
sonst die Gefahr besteht, unnatürliche Darstellungen<br />
zu erhalten. Dies ist einer der<br />
Dreh- und Angelpunkte des R.I.C.-Verfahrens.<br />
Das heißt keinesfalls, dass man nicht<br />
Elemente durch das Surround-Array wandern<br />
lassen dürfte. Im Gegenteil, um letztlich<br />
Mischungen zu erhalten, die die Möglichkeiten<br />
moderner Surround-Musikproduktionen<br />
komplett nutzen und dem Zuhörer<br />
ein Maximum an Genuss und Unterhaltung<br />
bieten, sollte man alle zur Verfügung stehenden<br />
Mittel nutzen. Dazu zählt auch das<br />
Kombinieren der eingangs erwähnten Verfahren<br />
bei Kinomischungen und Live-Aufnahmen<br />
mit dem R.I.C.-Aufnahmeverfahren und<br />
anderen, die uns in Zukunft noch so einfal-<br />
len mögen. Nur überzeugen muss es halt!<br />
Aber um nicht den dritten vor dem ersten<br />
Schritt zu machen, haben wir uns auf die<br />
Herstellung von statischen, aber räumlich<br />
homogenen Aufnahmen konzentriert.<br />
Um nun die Möglichkeit zu haben, mit den<br />
aufgenommenen Instrumenten und deren<br />
Raummikrofonen in Bezug auf Lautstärke<br />
und Verwendung der Mikrofonanordnung frei<br />
arbeiten zu können, haben wir, wie üblich<br />
in einer Musikproduktion, alles im Overdub-<br />
Verfahren aufgenommen. Auch hier war uns<br />
die Vorproduktion sehr hilfreich, da wir das<br />
Ergebnis einer Aufnahme sofort einfügen und<br />
auf 'Funktion’ überprüfen konnten.<br />
Das Schlagzeug<br />
Sinnvollerweise fingen wir mit dem Schlagzeug<br />
an. Michael und ich entschieden uns<br />
beide für die klassische Position in der Mitte<br />
des Ereignisses, allerdings nicht aus der<br />
Sicht des Schlagzeugers, gespielt von Mathias<br />
Zentrich und Jörg Berger, sondern aus<br />
der Sicht einer davor befindlichen Hörposition.<br />
Hierzu gibt es interessante Aufnahmen<br />
auf der DVD 'surrounded by drums' von<br />
SPL. Wir wollten aber kein Instrument spezifisch,<br />
sondern eine Band mit ihrem 'natürlichen<br />
Gesamtklang' abbilden, ganz so, als<br />
würde man als Zuhörer mitten im Geschehen<br />
stehen oder selbst einer der Musiker<br />
sein. Natürlich nahmen wir das Schlagzeug,<br />
wie auch alle anderen Instrumente, direkt<br />
ab. Wir hatten nicht den Ergeiz, möglichst<br />
39<br />
ohne Direktmikrofonierung auszukommen,<br />
sondern wollten alle Optionen nutzen. Ich<br />
kann an dieser Stelle schon einmal sagen,<br />
dass es sich gelohnt hat, da ohne die Direktmikrofone<br />
nicht genügend Druck und<br />
Präsenz der einzelnen Instrument für eine<br />
'moderne' Musikproduktion zu erzeugen gewesen<br />
wären. Bis auf Bass Drum und Snare,<br />
die wir doppelt abnahmen, wurden alle<br />
anderen Teile des Schlagzeuges standardmäßig<br />
mikrofoniert.<br />
Der Bass<br />
Auch für die Bass Box wählten wir eine zentrale<br />
Position. Diese war allerdings etwa<br />
1,5 Meter weiter nach hinten versetzt als<br />
die des Schlagzeugs. Dadurch bekamen wir<br />
den Effekt, dass der Bass, gespielt von Maya<br />
Kim und Carsten v. Maydell, nicht ganz<br />
so präsent in den Center-Mikrofonen war,<br />
wohl aber im Frontstereobild eine warme,<br />
satte Fläche bildete. Direkt wurde der Bass<br />
an der Box mit einem U87 und über eine<br />
Röhren-DI-Box abgenommen. Im Übrigen haben<br />
wir natürlich auch diese Line-Signale<br />
mit dem C8000 A/D konvertiert. Man möge<br />
sich nicht von den Fotos, derer es selbstverständlich<br />
auf der DVD noch einige mehr<br />
sein werden, in die Irre führen lassen. Natürlich<br />
sind nicht wenige davon mit den Videoaufnahmen<br />
zusammen gemacht worden,<br />
bei denen wir meistens auch das Mikrofonarray<br />
etwas hochfahren mussten.<br />
Die Gitarren<br />
Bei den Gitarren, gespielt von Jürgen Sosnovski<br />
und meiner Wenigkeit, wählten wir<br />
unterschiedliche Positionen. Die Gitarren von<br />
Michael, drei an der Zahl, sind in der Front<br />
rechts und links, nicht allzu nah am Mikrofon-Array<br />
positioniert, weil sie eher einen<br />
hintergründigen, sphärischen Charakter bekommen<br />
sollten. Eine Dritte hat Michael nur<br />
diskret aufgenommen, da er sie als Effekt<br />
wandern lassen wollte. Meine 'Bratgitarren'<br />
hingegen, um Michael zu zitieren, sind ziemlich<br />
dicht und klar links und rechts, also LF/<br />
S RF/S am Mikrofonarray positioniert und<br />
im Gegensatz zu Michaels mit zwei Mikrofonen<br />
in unterschiedlichen Abständen zur<br />
Lautsprecherbox abgenommen. Sie sollten<br />
mit dem Bass und den Drums zusammen<br />
nachher sozusagen eine rhythmische Einheit<br />
bilden, die den Zuhörer quasi mit einschließt.<br />
Eine dritte Gitarre, die lediglich<br />
rhythmisch funky Riffs abfeuerte, stand in<br />
den Surrounds in der Mitte. Sie sollte den
40<br />
Das Foto stammt aus dem letzten Sommer,<br />
daher die besondere Kleiderordnung:<br />
<strong>Tom</strong> an der Gitarre<br />
Kreis der Rhythmusgruppe nachher vorsichtig<br />
schließen und auch den letzten 'Nichtmitwipper’<br />
vom Stuhl holen.<br />
An diesem Punkt wird klar, dass unser Anliegen<br />
nicht unbedingt war, eine Band 'einfach'<br />
Eins zu Eins, wie im Proberaum zu<br />
klonen, sondern die Optionen, die wir nun<br />
durch das R.I.C.-Aufnahmeverfahren und die<br />
Nachbearbeitung hatten, auch auszuspielen,<br />
um über das Ansprechen natürlicher Hörgewohnheiten<br />
eine Emotion beim Zuhörer<br />
zu erzeugen, die ein 'Mit-datei-sein' oder<br />
'Mitten-drin-sein' hervorrufen sollte, wie ein<br />
Künstler es zu erfahren vermag!<br />
Die Tasteninstrumente<br />
Ich ließ nur ein Rhodes von Carsten (Lessly)<br />
Bootz einspielen. Da ich es lediglich als<br />
sphärische Untermalung in der Strophe haben<br />
wollte, nahm ich zwei Amps, in der Front-<br />
und in der Surround-Mitte recht weit weg<br />
vom Array aufgestellt und einen Choruseffekt<br />
draufgelegt. Hierdurch sollte es nur irgendwie<br />
da sein und ein bisschen Raumtiefe<br />
erzeugen. Natürlich nahm ich aber trotzdem<br />
die Amps noch einmal mit Direktmikrofonen<br />
ab. Michaels Komposition strotzt<br />
hingegen nur so von Tasteninstrumenten,<br />
die<br />
ebenfalls von Carsten<br />
eingespielt wurden. Zuerst<br />
wäre da ein Rhodes,<br />
ebenfalls über zwei Amps<br />
gespielt, das in der Front<br />
Mitte/Rechts stand; dann<br />
der Leslie-Lautsprecher, ein<br />
kleiner Leckerbissen, den<br />
Michael in die Surrounds<br />
stellte. In den Bridges seiner<br />
Komposition sollte er<br />
noch mal Schub geben und<br />
durch die rotierenden Hörner,<br />
die wir zusätzlich direkt<br />
in Stereo abnahmen,<br />
erhielten wir ein sehr beeindruckendes<br />
Klangbild,<br />
das schon allein beim reinen<br />
Abhören der Aufnahme<br />
eine Offenbarung war.<br />
Als letztes schob Michael<br />
dann unseren Bechstein-<br />
Flügel links in die Surrounds,<br />
aber recht nah<br />
ans Array und mit zwei<br />
U87-Mikrofonen kam eine<br />
relativ direkt Abnahme<br />
dazu. Der Flügel sollte<br />
zusammen mit den Streichern, die rechts<br />
in den Surrounds platziert wurden, auch<br />
den Zweck erfüllen, den Kreis vorerst einmal<br />
zu schließen.<br />
Die Streicher<br />
Ja, wir hatten das Glück, Streicher dabei zu<br />
haben. Das aus Bremen stammende Roland-Quartett<br />
war mit Julia Molnar (Violine),<br />
Eva Halama (Violine) Vladyslav Lishchynsky<br />
(Bratsche) und Monika Fughe (Cello) besetzt.<br />
Ich ließ es mir aus diesem Grund natürlich<br />
auch nicht nehmen, Streicher in meine<br />
Komposition einzubauen. Bei mir dienten<br />
sie als Unterstützung und schafften ein<br />
Gleichgewicht in den Surrounds. Ich hatte<br />
die Streicher in mittlerer Entfernung aufgestellt,<br />
also ca. zwei Meter im Halbkreis um<br />
die Surround-Mikrofone. Auch die Streicher<br />
wurden zusätzlich an allen Aufnahmepositionen<br />
mit U87 und Microtech- Gefell-Mikrofonen<br />
direkt in einem Abstand von etwa einem<br />
halben Meter abgenommen.<br />
Wir hatten uns die 'Roländer’ sozusagen von<br />
der Band ‚SusiKJU’ ausgeborgt. SusiKJU ist<br />
ein Bandprojekt, das im Kern aus Susanne<br />
(Susi) Kretschmer und Detlef Noack besteht.<br />
Sie schreiben ihre Lieder selbst und sind<br />
viel mit ihrer Band ‚live’ unterwegs. Sie waren<br />
so freundlich, auch einen Titel mit beizutragen.<br />
Dieser war für Streicher, die von<br />
Steffan Werner arrangiert wurden, akustische<br />
Gitarre, eine Lead- und eine Backing-<br />
Stimme von Detlef und Susi extra für unsere<br />
Produktion geschrieben worden.<br />
Bei dieser Aufnahme entschieden wir uns<br />
für eine eher klassische Aufstellung. Susis<br />
Lead-Stimme ist zwischen Center und linker<br />
Front positioniert und Detlef mit seiner<br />
akustischen Gitarre zwischen Center und<br />
rechter Front. Beide waren etwa einen Meter<br />
vom Mikrofon-Array entfernt. Die Streicher<br />
hatten wir im Halbkreis um die Front<br />
in einem Abstand von ca. zwei Metern positioniert.<br />
Wir wollten Susi und Detlef als<br />
Hauptakteure im Vordergrund und die Streicher<br />
im Hintergrund als Unterstützung und<br />
Klangraum der beiden haben. Die Backing-<br />
Stimme haben wir als kleines Bonbon in<br />
die Mitte der Surrounds gestellt, um sie in<br />
den Refrains vorsichtig als Unterstützung<br />
und Steigerung hinzuzufügen.<br />
Die anderen Lead-Stimmen<br />
Michael und ich stellten unsere Lead-Sängerinnen<br />
Petra Schechter und Susanne (Su)<br />
Götz, etwa 70 Zentimeter direkt vor das Array,<br />
da wir sie präsent im Center abgebildet<br />
haben wollten. Für alle Gesangsaufnahmen<br />
war das Array vertikal etwa auf Kopfhöhe<br />
der Sängerinnen herabgesenkt worden.<br />
Wir wollten hier möglichst viel Direktsignal<br />
auf den Mikrofonanordnungen haben, da<br />
es sich beim Gesang ja um ein sehr vordergründiges<br />
Instrument handelt. Mit einem etwas<br />
weniger großen Aufbau hätte man sie<br />
mitunter auch noch etwas näher heranstellen<br />
können.<br />
Die Chöre<br />
Die Backing-Chöre (neben Susi und Petra,<br />
Catharina Butari, Uli Brand und Dörte Krützfeld)<br />
waren indes ein wenig weiter vom Array<br />
entfernt, da diese ja den Lead-Gesang nicht<br />
wegdrücken, sondern unterstützen sollten.<br />
Wir haben sie daher auch eher klassisch um<br />
die Front und Seiten der Mikrofonanordnungen<br />
postiert. In Michaels Komposition waren<br />
ja schon die Streicher, das Leslie-Kabinett<br />
und der Flügel in den Surrounds; und bei<br />
mir die Rhythmusgitarre, ebenfalls die Streicher<br />
und ein Rhodes-Amp. Es erschien uns<br />
also durchaus sinnvoll, die Chormitglieder<br />
erst einmal im Halbkreis um die Hörpositi-
on zu stellen. Ich hatte allerdings die links<br />
und rechts stehenden Sängerinnen schon<br />
wirklich von LF/S RF/S singen lassen, während<br />
Michael es vorzog, einen etwas engern<br />
kompakteren Kreis direkt um die drei Frontkanäle<br />
zu bilden. Es wird später in der Mischung<br />
spannend werden, einmal zu erleben,<br />
in wie weit diese Aufstellungen unterschiedlich<br />
wirken. Ich kann mir bei zukünftigen<br />
Produktionen durchaus vorstellen, den<br />
Chor auch einmal in 360 Grad um die Hörposition,<br />
beziehungsweise auch nach hinten<br />
in die Surrounds zu stellen.<br />
Das Setup zum Mischen<br />
Im Folgenden mag dem einen oder anderen<br />
von Ihnen vielleicht der Gedanke an eine<br />
Werbeveranstaltung kommen, aber ich<br />
bin sicher, dass diese Art von Information<br />
wirklich wichtig ist. Ich kann also versichern,<br />
dass ich lediglich unsere Vorgehensweise<br />
beschreibe, mache dabei jedoch keinen<br />
Hehl aus dem Wohlgefallen, das mir<br />
mein Setup bereitete.<br />
Wir benutzen mit Ausnahme unseres Sys-<br />
tems 6000 von TC und seinen wunderbaren<br />
Surround-Hallprogrammen kein Outboard<br />
Equipment. Alles wurde im Pyramix aufgenommen,<br />
gemischt und gemastert. Ich mache<br />
das schon seit einiger Zeit so und kann<br />
versichern, dass es hervorragend funktioniert.<br />
Außer mit den Pyramix-Plug-Ins arbeiteten<br />
wir nur noch mit den Plug-Ins von<br />
Vincent Burel.<br />
Track und Clipzuordnung<br />
Als erstes musste das Terrain sondiert werden.<br />
Es zeigte sich schon gleich zu Anfang,<br />
wie wichtig es wahr, sich während der Aufnahmen<br />
möglichst für einen, beziehungsweise<br />
eine möglichst kleine Auswahl von Takes<br />
zu entscheiden. Bei einer derartig großen<br />
Zahl von Audiotracks kommt man im Nu<br />
ins Schleudern, wenn man in altgewohnter<br />
Sammlermanier immer tapfer Take für Take<br />
aufnimmt, nach der Devise: ‚es wird schon<br />
etwas dabei sein, das hol ich mir nachher<br />
raus’. Nachdem dies vorläufig entschieden<br />
war, mussten Track- und Clip-Groups gebildet<br />
werden. Das war bei dieser Produktion von<br />
41<br />
großer Bedeutung, da pro Take und Instrument<br />
im Schnitt 40 Spuren vorhanden waren<br />
und in den Spuren die Mikrofonanordnungen<br />
zum schnellen Vergleichen einzeln<br />
stummschaltbar sein mussten. Zur besseren<br />
Übersicht setzten wir die Clips der einzelnen<br />
Mikrofonanordnungen in den einzelnen<br />
Instrumenten dann auch noch farblich<br />
ab. So hatten wir einen recht guten Überblick,<br />
welche Mikrofonanordnung welches<br />
Instrumentes gerade abgehört wurde und<br />
welche stummgeschaltet war.<br />
Die Mixerkonfiguration<br />
Neben den Direktsignalen brauchten wir Kanäle<br />
für die Mikrofonanordnungen, Rückwege<br />
von unserm System 6000 und auch<br />
noch Zuspielungen vom Sampler für das eine<br />
oder andere Klingelchen, sowie die Aux-<br />
Sends zum System 6000. An dieser Stelle<br />
möchte ich doch einmal offiziell das sträfliche<br />
Fehlen von Surround-Aux-Wegen und<br />
echten Groups im Pyramix bei Merging anmahnen.<br />
Man kann sich zwar etwas zurechtbasteln,<br />
aber so richtig flutscht das nicht. An
42<br />
der einen oder anderen Stelle hätte uns das<br />
in dieser sonst wirklich potenten DAW viel<br />
Zeit und Arbeit erspart. Die Tracks mit den<br />
Aufnahmen der Mikrofonanordnungen haben<br />
wir alle über eine 5.1- und eine 5.0+2-<br />
Kugeln-Kanalgruppe im Mixer zusammengefasst.<br />
Dies sparte eindeutig Kanäle und<br />
somit DSP-Leistung. Die Lautstärken der<br />
einzelnen Anordnungen konnten wir dann<br />
bequem und individuell in den jeweiligen<br />
Clip-Groups einstellen. 64 In- und Outputs<br />
lässt das Pyramix in der aktuellen Version<br />
4.2 zu. Das reichte uns durchaus, wobei ich<br />
schon läuten hörte, dass Claude und seine<br />
Mannen bereits an einer 128-Kanal-Version<br />
basteln. Toi, toi, toi von hier aus!<br />
Das größte Arrangement hatte am Ende etwa<br />
320 Audiospuren, die über circa 50 Mixer-Eingangskanäle<br />
abgespielt wurden, dazu<br />
14 Output-Kanäle, davon acht Aux-Sends<br />
zum S 6000 und sechs Surround-Output-Kanäle<br />
sowie ungefähr 30 Plug-Ins in den Kanälen<br />
und drei im Master-Output-Bus. Die<br />
maximal abgespielte Anzahl von Spuren betrug<br />
ca. 90 mit Crossfades und Schnitten –<br />
wohlgemerkt in Echtzeit und mit einer konstanten<br />
Latenz über das gesamte System.<br />
Das Pyramix-System garantiert eine konstante<br />
Latenz von 2.7 ms bei einem DSP-<br />
Board. Mit jedem weiteren erhöht sie sich,<br />
abhängig von der gewählten Konfiguration.<br />
Man kann die Latenz für das gesamte System<br />
auch hochsetzen, um, wie in unserer<br />
Anwendung, die Latenz des System 6000<br />
Hallalgorithmus zu kompensieren. Ich erwähne<br />
dies, um klar zustellen, dass wir in<br />
der Post Production nie eine Phasendivergenz<br />
der einzelnen Kanäle zueinander durch<br />
Plug-In-bedingte Verzögerungen erhielten,<br />
was mitunter sehr wichtig sein kann.<br />
Die Audiobearbeitung<br />
Zur Bearbeitung der Aufnahmen entschieden<br />
wir uns für die Merging-eigenen Plug-<br />
Ins. Sie sind zum einen übersichtlich und<br />
einfach zu bedienen, zum anderen lassen<br />
sie sich über Link-Groups untereinander verkoppeln,<br />
des Weiteren beinhalten sie alles,<br />
was man braucht und vor allem belegen sie<br />
relativ wenig DSP-Power bei einem absolut<br />
souveränen Klang.<br />
Die Direktquellen<br />
Nach dem Herausarbeiten beziehungsweise<br />
Isolieren der einzelnen Elemente mit EQs,<br />
Kompressoren und Gates haben wir die Direktquellen<br />
entsprechend der Position des<br />
Instrumentes während der Aufnahme im Panorama<br />
platziert. Wir wollten natürlich eine<br />
Einheit mit den Aufnahmen der Mikrofonanordnungen<br />
bilden.<br />
Hierzu war auch von elementarer Bedeutung,<br />
die Direktaufnahmen entsprechend<br />
zu den Raumaufnahmen zu verzögern. Da<br />
die Laufzeitunterschiede durch die unterschiedlichen<br />
Ausmaße der Mikrofonsysteme<br />
nicht gleich waren, haben wir die Raumaufnahmen<br />
in der EDL einfach individuell<br />
zu den entsprechenden Direktaufnahmen<br />
nach vorn verschoben. Also: Beim zusätzlichen<br />
Aufzeichnen von Direktquellen immer<br />
ein Maßband parat haben!<br />
Beim Zusammenfügen der Direkt- und<br />
Raumaufnahmen zeigte sich unter anderem<br />
sehr deutlich, was uns glücklicherweise<br />
auch schon im Vorfeld klar war. Es ist<br />
nicht wirklich möglich, ein Instrument innerhalb<br />
des Lautsprecher-Arrays natürlich<br />
klingend zu etablieren. Aus diesem Grund
haben wir auch, mit Ausnahme des Fukada<br />
Trees, kein Instrument unter der Mittelachse<br />
aufgestellt (also ‚innerhalb’ einer Mikrofonanordnung).<br />
Die Mikrofonanordnungen<br />
Bei den Aufnahmen der Mikrofonanordnungen<br />
schien uns mit Ausnahme der Kugeln des<br />
Fukada Trees und des OCT-Surround keine<br />
Audiobearbeitung vonnöten. Hier mussten<br />
lediglich Pegelunterschiede der Mirofonanordnungen<br />
innerhalb und zueinander kompensiert<br />
werden, um die Anordnungen homogen<br />
und in der gleichen Lautstärke vorliegen<br />
zu haben.<br />
Die Mischung<br />
Nun kam der spannende Moment, alles zusammenzubringen.<br />
Wir sind natürlich zuerst<br />
von Instrument zu Instrument vorgegangen<br />
und haben gehört, welches Instrument<br />
mit welcher Mikrofonanordnung oder<br />
sogar Kombination am deutlichsten so wieder<br />
erklang, wie wir es in der Komposition<br />
und somit in der Aufnahme positioniert hatten.<br />
Recht schnell stellte sich heraus, dass<br />
tatsächlich die Entscheidung für eine Mikrofonanordnung<br />
in einem klaren Zusammenhang<br />
zur Rolle stand, die das Instrument<br />
im Arrangement spielen sollte. Doch<br />
die Wahl des Mikrofonsystems war beim<br />
Solo-Abhören und im Mix nicht die gleiche!<br />
Wie schon erwähnt, setzten sich nämlich<br />
wundervoll klingende Kombinationen<br />
von Mikrofonanordnungen allein abgehört<br />
nicht unbedingt deutlich genug in der Gesamtmischung<br />
durch, oder 'erschienen' in<br />
Kombination mit den anderen Instrumenten<br />
nicht wie gewünscht. Nach einigem Herumexperimentieren<br />
bemerkte ich weiter, dass<br />
das Einteilen in horizontale 'Raumebenen'<br />
sinnvoll war, um 'Raumtiefe' und somit einen<br />
guten Kontrast der Instrumente untereinander<br />
zu erhalten. Das heißt, für alle<br />
Instrumente, die eine gleichgestellte Rolle<br />
wie beispielsweise das Schlagzeug und der<br />
Bass hatten, wurden die gleichen Mikrofonsysteme<br />
benutzt.<br />
Bei Schlagzeug und Bass entschied ich mich<br />
für das Soundfield und den Fukada Tree.<br />
Das Soundfield lieferte den Druck und die<br />
Präsenz aufgrund seiner schon erwähnten,<br />
vorteilhaften Positionierbarkeit fast innerhalb<br />
des Schlagzeuges, und der Fukada Tree<br />
gab dem Ganzen die natürliche Räumlichkeit<br />
und 'Tiefe'. Beide Mikrofonsysteme ergänzten<br />
sich aufgrund ihrer spezifischen Auf-<br />
nahmecharakteristik in diesem Fall gut. Bei<br />
den Gitarren arbeitete ich hingegen mit den<br />
Schoeps OCT-Aufnahmen, weil sie präsent<br />
und in den Tiefen druckvoll erschienen, ohne<br />
sich jedoch dabei in den Fordergrund<br />
zu drängen und sozusagen die 'Raumebenen'<br />
zwischen Fukada Tree und Soundfield<br />
abdeckten.<br />
Für das Rhodes in den Strophen meines Titels<br />
ließ ich sogar die Direktquellen weg und<br />
verwendete ausschließlich den Fukada Tree.<br />
Dadurch bekam der Mix etwas mehr Tiefe<br />
und das Rhodes war eher subtil im Hintergrund<br />
zu hören. Bei den Streichern ging ich<br />
genauso vor, nur dass ich hier doch die Direktaufnahmen<br />
brauchte. Die Lead-Stimme<br />
war sehr schön mit dem Atmos 5.1 von SPL<br />
etablierbar, weil sie die einzige auf dieser<br />
'Ebene' war. Die Backing-Chöre wollte ich<br />
eigentlich auch mit dem Atmos von SPL<br />
oder dem Neuman WNS 100 wiedergeben,<br />
um eine weitere Raumebene zu schaffen,<br />
doch waren wir hier bei den Aufnahmen aus<br />
Zeitgründen etwas unaufmerksam und hatten<br />
den Chor nicht präzise genug platziert.<br />
Dadurch passte sich die Abbildung dieser<br />
beiden Systeme - für sich alleine betrachtet<br />
durchaus gut geworden - nicht homogen<br />
in die Mischung ein. Mit der gleichen<br />
Kombination wie bei Bass und Schlagzeug<br />
kamen dann alle Gesangsstimmen gut zusammen.<br />
Hier gilt es also, aufmerksam vor<br />
dem Beginn einer Aufnahmesession hineinzuhören<br />
und eventuell die Musikerpositio-<br />
43<br />
nen noch einmal zu korrigieren. Das Doppel-MS-System<br />
von Schoeps konnten wir<br />
bei dieser Session leider aus technischen<br />
Gründen nicht verwenden, dafür aber bei<br />
verschiedenen Testaufnahmen, die auch auf<br />
der DVD sein werden.<br />
Bei einer Mischung, die wie unsere dynamisch<br />
am Ende nicht gemastert wurde, stellte<br />
sich heraus, dass Fingerspitzengefühl beim<br />
Komprimieren der Direktquellen von großer<br />
Bedeutung ist. Man hatte dadurch die<br />
Möglichkeit, den Gesamtsound sehr lebendig<br />
zu gestalten.<br />
Unglücklicherweise waren die Mischungen<br />
zum Zeitpunkt dieses Berichtes noch nicht<br />
gänzlich abgeschlossen, und so besteht<br />
durchaus noch die Möglichkeit, dass an<br />
der einen oder anderen Stelle noch Veränderungen<br />
vorgenommen werden. Doch wir<br />
werden hierüber, voraussichtlich im März,<br />
in einem abschließenden, kurzen – ist versprochen<br />
– Bericht zur Veröffentlichung der<br />
DVD, Auskunft geben.<br />
Nun noch eine, vielleicht einmal wieder eher<br />
philosophische Bemerkung zur Ortbarkeit<br />
der Instrumente. Auf der IRCAM in Paris kam<br />
nach dem Abhören einer 5.1 Mischung von<br />
einem Kollegen, der hinten links in der Ecke<br />
saß, der Einwand, dass er die High Hat<br />
dort gehört habe und was sie denn dort,<br />
in den Surrounds, zu suchen hätte. Nun...<br />
einmal ganz ehrlich, würde sich dieser Kollege<br />
wohl beschwert haben, wenn er beim<br />
Abhören einer Stereomischung den Sänger
44<br />
vorne links gehört hätte? Nein, natürlich<br />
nicht, da er voraussichtlich schon instinktiv<br />
den Aspekt, dass er die Phantomschallquelle<br />
aus seiner Hörposition nicht orten<br />
kann, kompensiert hätte und nötigenfalls<br />
in den Sweetspot gelaufen wäre, um letztendlich<br />
entscheiden zu können, inwieweit<br />
das Instrument korrekt positioniert ist oder<br />
nicht. Ich möchte darauf hinaus, dass wir<br />
uns nicht an der reinen Ortbarkeit der Elemente<br />
in einer Mischung festbeißen, sondern<br />
sie als Gesamtes hören sollten. Das<br />
gehört zum Grundcharakter von räumlichen<br />
Aufnahmen. Diese Erkenntnis ist mir gekommen,<br />
als ich während einer Surround-<br />
Mischung zum Fenster spaziert bin, um mir<br />
die Beine zu vertreten. Als ich da so stand,<br />
bemerkte ich, dass es selbst in einer Position<br />
klar außerhalb des Lautsprecher-Arrays<br />
klang, als seien die Musiker mit mir im<br />
Raum. Und das wirkte für mein Empfinden<br />
deutlich besser im Sinne von ‚natürlicher’<br />
oder ‚realistischer’, als eine Stereomischung<br />
jemals sein könnte! So wird es auch mit unseren<br />
Mischungen sein. Sie sind nicht darauf<br />
angelegt, an jeder Hörposition jedes Instrument<br />
deutlich ortbar zu halten, sondern,<br />
bildlich gesprochen, ein Gesamtbild zu präsentieren,<br />
das von verschiedenen Betrachtungswinkeln<br />
aus, einen anderen Eindruck<br />
vermittelt, der aber nicht losgelöst vom Gesamtwerk<br />
ist. Mit der neu gewonnenen Hör-<br />
Obst für <strong>Tom</strong> <strong>Ammermann</strong>,<br />
ein DSP-Daughter-Board für den Rechner<br />
dimension in Surround haben wir zwar auch<br />
drei Lautsprecher dazubekommen, im gleichen<br />
Zuge wurde die Anzahl der Phantomschallquellen<br />
aber auch vervierfacht, und<br />
dabei lasse ich diejenigen innerhalb des<br />
Lautsprecher-Arrays einmal außen vor. Dass<br />
jedes Klangereignis nun also dezidiert von<br />
jeder Hörposition aus klar 'festzunageln'<br />
wäre, kann daher nicht erwartet werden.<br />
Solange also Verfahren wie die Wellenfeldsynthese<br />
noch nicht kommerziell und 'flächendeckend'<br />
einsetzbar sind, werden wir<br />
immer wieder auf die fünf Direktquellen eines<br />
5.1 Systems zurückfallen, wenn wir uns<br />
auf die reine Ortbarkeit von Klangereignissen<br />
auch außerhalb der idealen Abhörposition<br />
konzentrieren. Deshalb würde ich dafür<br />
plädieren, uns vorerst von dieser Theorie<br />
zu lösen, und uns dem zuzuwenden,<br />
was zurzeit möglich ist – zumindest in der<br />
kommerziellen Musikproduktion.<br />
Abschließend sei zum Mischen noch gesagt,<br />
das ähnlich wie bei einer gut geplanten Stereoproduktion,<br />
die Komposition, Planung und<br />
Durchführung der Aufnahmen schon mehr<br />
als die halbe Miete ist. Man muss die einzelnen<br />
Elemente dann ‚nur’ noch zusammenfügen<br />
und aufeinander abstimmen.<br />
Das Mastering<br />
An dieser Stelle seien zwei wichtige Aspekte<br />
des Surround-Masterings für die DVD kurz<br />
angesprochen. Ich betone einmal mehr, dass<br />
es sich hier um meine Erfahrung und die<br />
daraus gewachsene Sicht der Dinge handelt.<br />
Jeder möge da seine eigene Philosophie<br />
verfolgen. Wir müssen uns bei der DVD<br />
glücklicherweise noch nicht der akustischen<br />
Kommerzialisierung wie im Radio oder Fernsehen<br />
beugen. Daher ist es extrem wichtig,<br />
sich aus folgenden Gründen vom 3-dB-Dynamik-<br />
und 0-dBFS-Denken zu trennen, das<br />
in der kommerziellen Musikproduktion zum<br />
Standard geworden ist.<br />
Es ist zum Ersten nahezu unmöglich, eine<br />
ausgewogene und räumlich wirkende<br />
Surround-Produktion auf Basis von 3 dB<br />
Lautstärkendynamik herzustellen. Da Film-<br />
DVDs bis auf weiteres den Markt beherrschen<br />
werden und Filmmischungen naturgemäß<br />
einen niedrigeren Durchschnittspegel<br />
als Musikproduktionen haben, für beide<br />
aber die gleichen elektrischen Obergrenzen<br />
gelten, ist zum Zweiten das Anheben auf 0<br />
dBFS bei Musikproduktionen für DVD-Anwendungen<br />
ebenfalls sehr fragwürdig. Ich<br />
finde also, wir sollten uns hier als Musikproduzenten<br />
nach den Standards, die die<br />
Filmindustrie hier sinnvollerweise und aus<br />
gutem Grund geschaffen hat, und den daraus<br />
resultierenden Lautstärkeverhältnissen<br />
der Film-DVDs richten. Ich meine daher,<br />
auch aus der Sicht des Hörers, der ich<br />
ja selber bin, dass es auch nach dem Filmgenuss<br />
von ‚Arnold’ oder ‚Bruce’ möglich<br />
sein muss, eine Musik-DVD einzulegen, ohne<br />
einen Hechtsprung zum Lautstärkeregler<br />
machen zu müssen. Ich für meinen Teil<br />
produziere jedenfalls so.<br />
Für das Mastering habe ich mir die schon<br />
erwähnten Sahnestückchen der VS3-Schnittstelle<br />
von Merging vorbehalten: Die Plug-<br />
Ins von Vincent Burel. Wenn es einmal etwas<br />
ganz Besonderes sein darf, ist man mit<br />
der großen Palette von Vincent’s Plug-Ins<br />
gut bedient, auch in den Mischpultkanälen,<br />
aber vor allem in den Master-Bussen.<br />
Im Surround-Bus arbeite ich zum Beispiel<br />
ausnahmslos mit diesen Plug-Ins. Sie bieten<br />
dort eine unglaubliche Performance und<br />
klingen hervorragend. Es waren - auch genau<br />
in dieser Reihenfolge - ein EQpro, der<br />
wunderbare ‚Tone_Parameter_Fs2’, ein vierfach<br />
parametrischer EQ, der mit doppelter<br />
Auflösung und FIR Filtern arbeitet und der<br />
M-Compressor von Vincent eingesetzt. Diese<br />
Plug-Ins haben den großen Vorteil, dass<br />
sie im Surround-Bus sozusagen 6-fach vorhanden<br />
sind. Der M-Compressor verfügt zu-
dem noch über zwei Sidechain-Mixes, die die<br />
Möglichkeit bieten, die Kanäle beim Komprimieren<br />
in einen recht frei wählbaren Bezug<br />
zueinander setzen zu können. Zum Beispiel<br />
ist es möglich, die Surrounds 6 dB weniger<br />
als die Frontkanäle zu komprimieren, wenn<br />
beispielsweise in den Frontkanälen ein lauter<br />
‚Peak’ auftritt. Auch kann man den LFE<br />
komplett getrennt von allen anderen Kanälen<br />
behandeln.<br />
Der wirklich sehr übersichtliche und sehr<br />
schnell zu bedienende EQpro hatte in unseren<br />
Mischungen die Aufgabe, 'generelle'<br />
Frequenzgänge zu bestimmen, wie zum<br />
Beispiel einen Tiefpass bei 120 Hz im LFE.<br />
Den ‚Tone_Parameter_Fs2’ benutzen wir, um<br />
dem Mix den letzten Schliff zu geben. Weiche<br />
Bässe, offene Mitten oder seidige Höhen<br />
zaubert man hier im Handumdrehen<br />
aus dem Hut, wenn man zum Beispiel der<br />
Meinung ist, dass der Mix hier noch Defizite<br />
hätte. Wohlgemerkt: Man kann dies für<br />
jeden Kanal oder jede Kanalgruppe individuell<br />
machen. Der M-Compressor hat prinzipiell<br />
im Surround-Bus nicht die Aufgabe,<br />
das Programm aufzublasen und laut zu machen,<br />
sondern dem Mix das Maß an Kompaktheit<br />
zu verleihen, das eine druckvolle,<br />
moderne Musikproduktion, auch meiner Auffassung<br />
nach, benötigt. Da aber alle Instrumente<br />
natürlich vorkomprimiert und gut in<br />
den Griff zu bekommen waren, haben wir<br />
den Kompressor – wenn überhaupt – nur<br />
im LFE verwendet.<br />
Selbstverständlich sind alle diese Leckerbissen<br />
von Vincent Burel auch für DirectX-<br />
beziehungsweise VST-Schnittstelle zu haben.<br />
Wer mehr wissen möchte, möge sich<br />
mal auf der Seite von Vincent (www.vbaudio.com)<br />
umsehen.<br />
Das Audio-Encoding für die entsprechenden<br />
Tonträgerformate gehört für mich zum Mastering<br />
und somit zur Arbeit des Produzenten,<br />
da an dieser Stelle häufig noch gute<br />
tontechnische Arbeit durch schlechtes Encoding<br />
verdorben wird. Vor allem bei der<br />
Dolby-Digital-Encodierung gibt es bei den<br />
Einstellungen einiges, was man verkehrt<br />
machen kann. In Musikproduktionen würde<br />
ich zum Beispiel empfehlen, die Dolby<br />
Compression-Setups nicht zu aktivieren<br />
und die Dialognormalisierung auf -31<br />
zu stellen. Das hat zur Folge, dass der Decoder<br />
wirklich das ausgibt, was man hineinschickt<br />
und auch versehentlich aktivierte<br />
Dynamikbegrenzungen im Gerät des Konsumenten<br />
nicht zum Tragen kommen. Ob<br />
Video-Equipment mit Fostex PD-6 Mehrkanalrecorder<br />
und Neumann WMS-100-Surround-Spinne auf der Kamera<br />
man nun die Surrounds um 90 Grad dreht<br />
und wie man die Downmix-Parameter einstellt,<br />
ist abhängig vom Quellmaterial. Das<br />
muss immer individuell betrachtet werden.<br />
Ansonsten würde ich keine weiteren Häkchen<br />
setzen oder Knöpfe drücken, außer die<br />
Bitrate bei 5.1 auf 448 kB/s und bei Stereo<br />
auf 192 kB/s zu setzen.<br />
Surround-Formate<br />
Viel diskutiert und mit Sicherheit noch lange<br />
nicht standarisiert sind alle Aspekte der<br />
Encoding-Verfahren, also Dolby Digital, DTS,<br />
MLP und DSD und damit verbunden auch<br />
die Plattform, also DVD-Video, DVD-Audio<br />
oder SACD. Ebenso verhält es sich mit der<br />
ungeduldigen Frage nach neuen Formaten<br />
wie 6.1 oder 7.1 Und wie war das noch mit<br />
96 oder gar 192 kHz? Ich versuche, dies aus<br />
der Perspektive des Konsumenten zu betrachten.<br />
Am Ende soll dieser nämlich meine<br />
Produkte und die meiner Kunden kaufen<br />
und sich daran möglichst auch erfreuen.<br />
Nur dann kann ich in diesem für mich spannenden<br />
Bereich weiterarbeiten und letztlich<br />
auch davon leben. Die von mir bevorzugte<br />
Plattform ist DVD-Video, da sie zum einen<br />
das am meisten verbreitete Format ist und<br />
sie zum anderen außer Ton auch noch Video<br />
45<br />
abspielen kann; und das auch noch mit verschiedenen<br />
anwählbaren Audiospuren. Ich<br />
denke, wer die Bedeutung des Bildes zum<br />
Ton nicht würdigt, verschließt sich der Öffnung<br />
einer neuen audiovisuellen Erlebniswelt.<br />
Außerdem ignoriert er den Erfolg der<br />
Musik-TV-Sender. Und das ist für mein Dafürhalten<br />
kommerzieller Selbstmord.<br />
Möglicherweise können auch die ‚Edelformate’<br />
wie DVD-Audio und SACD mit hohen<br />
Auflösungen parallel für eine Gruppe von<br />
echten Musikliebhabern existieren – eine<br />
Berechtigung dazu hätten sie allemal. Doch<br />
ohne das Bedienen der breiten Hörerschaft,<br />
hat man, wie ich glaube, keine Chance wirtschaftlich<br />
zu arbeiten.<br />
Ich arbeite auf 24 Bit/48 kHz, weil es das<br />
höchste Niveau ist, auf dem jede Hard- und<br />
Software zur Zeit mit einem genügend hohen<br />
Datendurchsatz für eine Surround-Produktion,<br />
also vielen Audiokanälen, stabil arbeitet.<br />
Glücklicherweise sind 24 Bit und 48<br />
kHz ebenfalls das Maximum an Audioqualität,<br />
das der Dolby-Digital- oder der DTS-Algorithmus<br />
in den derzeit erhältlichen Encodern<br />
zulässt. Wenn standardmäßig höhere<br />
Auflösungen bei gleichem Datendurchsatz<br />
in der Audioverarbeitung und im Encoding<br />
möglich sind, und das wird über kurz oder
46<br />
lang kommen, werde ich selbstverständlich<br />
auch mit höherer Abtastrate arbeiten.<br />
Für die vornehmliche Arbeit mit Dolby Digital<br />
habe ich mich entschieden, weil es das<br />
am meisten verbreitete Format ist, das jeder<br />
DVD-Player der Welt, egal wie alt er ist,<br />
analog ausgeben kann. Das heißt also, alle<br />
Konsumenten, egal, ob sie eine Surround-<br />
Anlage oder einen normalen Fernseher beziehungsweise<br />
eine Stereoanlage besitzen,<br />
können das Programm auf der DVD hören.<br />
Außerdem bin ich, nach diversen Testreihen<br />
mit Pegeltönen und Musikaufnahmen und<br />
dem Ergründen der Arbeitsweise von Dolby<br />
Digital und DTS, zu dem Ergebnis gekommen,<br />
dass Dolby Digital ein ausreichend gutes<br />
Format ist, um meine Mischungen beim<br />
Hörer so klingen zu lassen, wie ich es mir<br />
vorstelle. Die DVD zu diesem Projekt wird<br />
aller Voraussicht nach auch einen Bereich<br />
haben, der den Vergleich von Audioprogrammen<br />
in AC3 und DTS ermöglicht. DTS hingegen<br />
verwende ich, wenn Kunden es direkt<br />
wünschen, was nicht selten der Fall ist,<br />
oder für spezielle Anwendungen, wie zum<br />
Beispiel die Möglichkeit, DTS als Audio-CD<br />
zu brennen und diese ‚mal eben’ irgendwo<br />
hinschicken zu können, ohne erst ein Authoring-System<br />
und eine DVD zu bemühen.<br />
Zurzeit halte ich es für sinnvoll, in 5.1 zu arbeiten,<br />
da bis auf weiteres für die Konsumenten<br />
6.1 oder gar 7.1 lediglich einen Marketingeffekt<br />
darstellt. 6.1 kann so gut wie<br />
niemand abspielen und 7.1 ist auf der DVD<br />
momentan überhaupt nicht möglich. Außer-<br />
dem sind die 5.1-Home-Theatre-Systeme gerade<br />
dabei sich zu etablieren, weshalb ich<br />
mir kaum vorstellen kann, dass Otto Normalverbraucher<br />
so bald wieder Lust hat, etwas<br />
Neues zu kaufen. Außerdem fängt 5.1<br />
in den Köpfen und Ohren der Leute gerade<br />
erst an, Fuß zu fassen und es gibt noch keine<br />
Musikproduktion, die mit der Ausschöpfung<br />
der klanglichen Möglichkeiten von Surround<br />
und der DVD glänzen könnte. Daher<br />
halte ich es für sinnvoll, diesen Acker erst<br />
einmal ordentlich zu bestellen, anstatt schon<br />
auf dem nächsten zu buddeln.<br />
Weiter möchte ich das Thema ‚Formate’ an<br />
dieser Stelle nicht ausführen, da man wirklich<br />
nächtelang darüber diskutieren kann.<br />
Und die Nächte zu meiner Entscheidungsfindung<br />
habe ich mir bereits um die Ohren<br />
geschlagen, deren Ergebnisse ich an dieser<br />
Stelle 'lediglich' mitteile.<br />
Die Videodokumentation<br />
Die Audioaufnahmen der Videodokumentation<br />
haben wir ebenfalls raumintegrativ vorgenommen:<br />
Eine Idee, die mir schon eine<br />
halbe Ewigkeit im Kopf herumschwirrt und<br />
die ich nun endlich einmal ausprobieren<br />
konnte. Ich finde es immer betrüblich, dass,<br />
wenn ich einen tollen Film auf DVD gesehen<br />
habe, der möglicherweise auch noch eine<br />
fantastische Surround-Mischung vorweisen<br />
konnte, man dann aber alle weiteren<br />
Extras wie Making Of, Interviews und Dokus<br />
höchstens in Stereo, in der Regel aber<br />
sogar in Mono dargeboten bekommt. Wie<br />
ich bei meinen Kunden deutlich erkennen<br />
kann, liegt der Grund dafür natürlich – abgesehen<br />
von der Idee, wie man das Thema<br />
angehen könnte – in rein wirtschaftlichen Erwägungen,<br />
die davon ausgehen, dass Konzepte<br />
und Produktionsverfahren hierfür zu<br />
kostenaufwendig sind.<br />
Setzt man einmal voraus, dass die Konsumenten<br />
eine erkennbare Mehrleistung auch<br />
honorieren, und dafür nehme ich die immer<br />
weiter zunehmende Zahl an Special Editions<br />
auf dem DVD-Markt als Indiz; und setzt man<br />
weiter voraus, dass mit dem nötigen Wissen<br />
und der Erfahrung sich auch die Konzeption<br />
realistisch und kosteneffizient durchführen<br />
lässt, bleiben nur noch folgende zwei Fragen<br />
offen: klingt es gut, zum Beispiel die<br />
Interviews in 5.0/1 aufzunehmen? Und wenn<br />
ja, wie nimmt man auf? Dies übrigens auch<br />
unter der Prämisse, das Material möglichst<br />
unkompliziert in die Postproduktion einfügen<br />
zu können.<br />
Da alle mir für diese Anwendung als geeignet<br />
erscheinenden Surround-Mikrofonanordnungen<br />
fünf Kondensatorkapseln haben, gab<br />
es bis vor kurzen noch keine Möglichkeit<br />
zu arbeiten, ohne ein Karre mit Equipment<br />
hinter sich her zu ziehen. Glücklicherweise<br />
ist das Problem nun seit kurzem gelöst.<br />
Die Firma Fostex hat diese Marktlücke erkannt<br />
und ein Produkt geschaffen, das alles<br />
zur Verfügung stellt, was für unsere Anwendung<br />
notwendig war: der mobile Location<br />
Recorder PD-6. Herr Grundei von der<br />
Firma Mega Audio, die den PD-6 seit Anfang<br />
2003 in Deutschland vertreibt, war so<br />
freundlich, uns ein Exemplar zur Verfügung<br />
zu stellen.<br />
Der kleine Kraftklotz ist ohne Akkus 3,5 Kilo<br />
schwer, etwa so groß wie ein Schuhkarton<br />
und hat unter anderem folgende technische<br />
Spezifikationen: Standard NP-1 Akkus,<br />
die bei Vollbetrieb etwa 45 Minuten<br />
halten, einen kleinen 6-Kanal-Mischer mit<br />
Limiter, 48V Phantompower, einzeln schaltbar,<br />
bis zu 6 Kanäle in 24 Bit und 48 kHz<br />
über 25 Minuten lang als BWF durchgehend<br />
aufnehmbar, auf DVD-RAM, was unbegrenzten<br />
Speicherplatz bedeutet und per FireWire<br />
und dank Timestamp im BWF direkt in die<br />
DAW einleg- und somit für die Postproduktion<br />
sofort editierbar ist. Wem das an Informationen<br />
nicht reicht, der kann sich auf der<br />
Website www.fostexdvd.net noch weitergehend<br />
über das Gerät informieren.<br />
Mit dieser Anordnung haben Michael Kersting<br />
und Stefan Tänzler, unser Video Team,
alle Interviews aufgenommen, die Thomas<br />
Wend von Integrative Concepts durchführte.<br />
Auch die Musikeraufnahmen und der größte<br />
Teil des ‚Footage’ wurden auf diese Weise<br />
aufgezeichnet. Als Mikrofonanordnung<br />
verwendeten wir das WNS 100 von Neuman<br />
und das IRT-Kreuz mit Schoeps-Mikrofonen<br />
plus Centermikrofon. Diese montierten<br />
wir etwa 8 cm hoch auf die DVCam-<br />
Kamera. Auf dem 6. Kanal wurde noch zusätzlich,<br />
wie etwa bei den Interviews, ein<br />
Direktmikrofon aufgenommen. Mit diesem<br />
Aufbau erhoffte ich zum einen, Räumlichkeit<br />
auch in der Dokumentation zu erhalten,<br />
zum anderen aber auch noch die absolute<br />
Synchronität der Dynamik von Bild<br />
und Ton in den Bewegungen zu erfassen.<br />
Dies ist gelungen und hat einen wirklich<br />
tollen Effekt, von dem ich behaupte, dass<br />
er auch die Extras einer DVD so aufwerten<br />
kann, wie es ein ansonsten aufwendig produzierter<br />
Film auch verdient hat. Auf der<br />
DVD, die es wie schon erwähnt zu diesem<br />
Projekt geben wird, enthalten das Making<br />
Of, die Interviews und auch die Videos zu<br />
den Musiktiteln diese Spur zusätzlich. Im<br />
Übrigen habe ich diesen Ansatz auch schon<br />
bei Syrinx- Produktionen wie 'molvaer live'<br />
erleben dürfen. Ich scheine hier also nicht<br />
der Einzige zu sein, der dieser Idee innovatives<br />
und somit auch kommerzielles Potential<br />
beimisst.<br />
Die DVD<br />
Nun, hier sind wir nicht die Fachleute, aber<br />
als Komponist und Musikproduzent, der auch<br />
eigene Projekte veröffentlichen möchte, habe<br />
ich mir natürlich auch darüber Gedanken<br />
gemacht. Eine Musik-DVD hat meiner Auffassung<br />
nach zu funktionieren, wie eine CD:<br />
Einlegen und Play, auch ohne Display! Keine<br />
Trailer vorweg (danke, <strong>Tom</strong>! Die Red.),<br />
nicht von selber starten und, wie schon erwähnt,<br />
filmkonformer Lautstärkepegel. Natürlich<br />
soll man, wenn man möchte, über<br />
ein Menü Extras und weitere Audiooptionen<br />
anwählen können, aber die DVD muss auch<br />
ohne Displaysteuerung mit einem sinnvollen<br />
Audioformat sofort direkt am DVD-Player<br />
abspielbar sein. Jeder muss sie ohne nachzudenken,<br />
wie von der CD gewohnt, einfach<br />
konsumieren können! Auch finde ich,<br />
dass man über andere Formen der Visualisierung,<br />
von Live-Produktionen mal abgesehen,<br />
für Musik-DVDs nachdenken sollte.<br />
Das Zusammenschneiden von Musikvideos<br />
ist in meinen Augen das absolute Existenz-<br />
minimum einer Musik-DVD. Die DVD 'Ambra<br />
– Honour & Glory', von MAWA herausgebracht,<br />
hat hier eine nette Variante geschaffen.<br />
Hier wurden wunderschöne Landschaftsaufnahmen<br />
unter die Musik gelegt,<br />
die für meinen Geschmack eine sehr ‚sinnvolle’<br />
Einheit bilden. Ich glaube, der Begriff<br />
'Konzeptalbum’ könnte bei einem Medium<br />
wie der DVD wieder einen Sinn bekommen.<br />
Bei der CD zurzeit sehr in den<br />
Hintergrund gerückt, könnte durch die Verbindung<br />
der Bild- und Tonebene und verschiedene<br />
Ton- und Bildperspektiven möglicherweise<br />
eine neue Form des Erlebens<br />
von Musik oder sogar ein neues Entertainment-Format<br />
entstehen.<br />
Unsere DVD wird aufgrund ihres Dokumentationscharakters<br />
eine Film-DVD-Struktur haben<br />
und neben den finalen Mischungen der<br />
drei Musiktitel auch viele Vergleichsmöglichkeiten<br />
von Formaten, Mischungen und Surround-Mikrofonsystemen<br />
sowie 5.0-Außenatmo-Aufnahmen<br />
enthalten.<br />
Live-Anwendungen<br />
Da das R.I.C. ein Overdub-Verfahren ist und<br />
es bei einer Live-Produktion nur einen Take<br />
gibt, kann man es hier nicht verwenden.<br />
Sehr wohl kann man aber, wie Jens Reule<br />
in seinem Bericht in diesem Magazin sagte<br />
('mehr Mut täte gut…'), das Angehen neuer<br />
Verfahren und das Erweitern der bestehenden<br />
als sinnvoll bezeichnen, um auch<br />
hier den Raum des Ereignisses natürlich<br />
zu integrieren. Das wird bei Live-Aufnah-<br />
47<br />
men, wie eingangs erwähnt, auch schon<br />
gemacht. Doch auch hier wären neue Hörpositionen,<br />
die dem Zuhörer eine neue Attraktion<br />
bieten, für mein Empfinden wünschenswert.<br />
Auch würde die Kombination<br />
verschiedener Surround-Mikrofonanordnungen<br />
und Direktmikrofonierungen womöglich<br />
neue und interessante räumlich Eindrücke<br />
entstehen lassen.<br />
Ein Schritt in die richtige Richtung wurde,<br />
wie ich finde, hier von Sven Breuel bei der<br />
Aufnahme zur DVD ‚Schwanensee’ des Neumeier<br />
Ensembles in der Hamburger Staatsoper<br />
gemacht. Er hat neben der klassischen<br />
Hörposition anhand der Direktquellen eine<br />
Variante geschaffen, die er die ‚Conductor’s<br />
Position’ nennt. Ich fand den Ansatz gut und<br />
war auch von der Umsetzung angetan. Und<br />
auch hier kommt wieder der Riesenvorteil<br />
eines multimedialen Mediums wie der DVD<br />
zum Tragen: Wer’s nicht mag, wählt halt die<br />
Audiospur mit der klassische Mischung, Parkett,<br />
Reihe 10 an.<br />
Auch Syrinx in Hamburg, die auf diesem Gebiet,<br />
auch in Zusammenarbeit mit Ralf Kessler<br />
von Pinguin Mastering, schon echte Referenzen<br />
vorweisen können, haben auf der<br />
bereits erwähnten 'molvaer live' DVD durch<br />
eine aufwändige Direkt- und Raumaufnahmen-Mischung,<br />
die das gesamte 5.1-Array<br />
einschließt, den Hörer deutlich mehr in das<br />
musikalische Ereignis hineinversetzt.<br />
Dies sind nur einige der Kollegen, deren<br />
Wirken mir gegenwärtig ist, aber ich vermute<br />
noch viele andere, wie auch wir bisher,<br />
werkeln im Stillen an neuen Verfah
48<br />
ren und Ideen. Ich bin zuversichtlich, dass<br />
sich auch im Live-Recording noch einiges<br />
auf dem 5.1-Surround-Sektor tun wird, und<br />
verspreche auch, selbst nicht die Finger davon<br />
zu lassen…<br />
Binaurale Raumsimulationen<br />
Wie wir alle wissen, ist der vornehmlichste<br />
Grund für die 'relativ' langsame Verbreitung<br />
von Surround, dass man es nicht überall und<br />
zu jeder Zeit genießen kann. Nur wer eine<br />
5.1-Anlage hat, und die Zahl derer nimmt<br />
deutlich zu, ist aber noch recht weit entfernt<br />
von ‚marktdurchdringend’, kann auch<br />
Surround genießen. Aus diesem Grund beschäftige<br />
ich mich mit dem Thema ‚Surround<br />
für den Kopfhörer’ schon seit einiger<br />
Zeit. Ich denke, dass diese Möglichkeit<br />
zur Verbreitung von Surround deutlich beiträgt<br />
und für den Fall, dass gerade keine<br />
Surround-Anlage zur Verfügung steht oder<br />
es am Abend schon ein wenig spät geworden<br />
ist, eine gute Alternative bietet.<br />
Anlass war mein Erlebnis des binauralen<br />
Raumsimulationsverfahrens von Studer auf<br />
der AES 2000 in Paris. Ein Erlebnis, das ich<br />
nur jedem, der die Möglichkeit zum Beispiel<br />
auf einer Messe findet, empfehlen kann.<br />
Man hat wirklich das Gefühl, in einem 5.1-<br />
Setup zu sitzen. Leider hat das Verfahren<br />
einen elementaren Nachteil, der eine kommerzielle<br />
Verbreitung fast ausschließt. Es<br />
basiert auf Hardware; und zwar auf recht<br />
teurer und aufwendiger. Was ich auf dieser<br />
AES auch hören durfte, war der Algorithmus<br />
von Lake Technologie, der kurz zuvor von<br />
Dolby lizenziert wurde und nun den Dolby-<br />
Headphone-Effekt erzeugt. Dolby misst diesem<br />
Marktzweig wohl auch ein wirtschaftliches<br />
Potential bei, und lizenziert diesen Algorithmus<br />
nun weiter. Es macht also Sinn,<br />
sich mit dem Thema zu beschäftigen und<br />
wer den Effekt einmal hören möchte, kann<br />
dies auf der DVD zu diesem Projekt ausgiebig<br />
tun.<br />
Fazit<br />
Trotz wirtschaftlicher Flaute, oder gerade<br />
deshalb, sollte dringend an Surround-Musikproduktionen<br />
gearbeitet werden. Die Ergebnisse<br />
unserer Produktion bestätigen dies<br />
deutlich. Die Kosten und der Aufwand sind<br />
am Anfang zwar höher als bei herkömmlichen<br />
Stereo-Produktionen, doch mit ein bisschen<br />
Erfahrung ist die Wirtschaftlichkeit einer<br />
Surround-Produktion schnell gegeben.<br />
Es ist möglich, auch mit einem Computer-<br />
gestützten Aufnahme- und Mischsystem und<br />
einer handvoll hochwertiger Standard-Mikrofone,<br />
eine gute Idee eindrucksvoll in Surround<br />
umzusetzen. Das R.I.C.-Aufnahmeverfahren<br />
von Instrumenten mit zwei bis drei<br />
Raummikrofon-Systemen und Direktquellen<br />
im Overdub-Verfahren hat sich als höchst<br />
effektiv erwiesen. Mit etwas mehr Erfahrung<br />
lassen sich hier sicher auch noch Regeln<br />
erstellen, die ein effektives und zügiges<br />
Arbeiten im Studioalltag ermöglichen.<br />
Man sollte halt immer ein Maßband und eine<br />
DVCam griffbereit haben. Für das Umsetzen<br />
auf DVD sollte man sich jedoch Partner<br />
für Video und das DVD-Authoring suchen.<br />
Und ich würde sehr dazu raten, sich in Bezug<br />
auf Formate und DVD-Struktur an den<br />
Bedürfnissen und Möglichkeiten der Konsumenten<br />
zu orientieren; wobei ich Bedürfnisse<br />
und Erwartungen nicht unbedingt gleich<br />
setzen würde.<br />
Schlusswort<br />
Michael und ich möchten uns abschließend<br />
noch einmal bei allen Musikern, Herstellern,<br />
dem technischen Personal, den Fotografen,<br />
Supportfirmen, der HAW, diversen Beratern<br />
und Fritz Fey vom Studio Magazin für ihre<br />
Unterstützung und Mitarbeit ganz herzlich<br />
bedanken. Ohne sie wären diese Produktion<br />
und deren Publizierung unmöglich gewesen.<br />
Alle Kontaktadressen und was noch an Informationen<br />
von Bedeutung wäre, ist in Kürze<br />
auch meiner Website www.mo-vision.de zu<br />
entnehmen. Informationen zur Bestellung<br />
der DVD finden Sie ebenfalls dort…